DIE HALLUCINATIONEN IM MUSKELSINN BEI GEISTESKRANKEN UNO IHRE KLINISCHE BEDEUTUNG. EIN BEITRAG ZUR KENNTNISS DER PARANOIA VON De. AUGUST GRAMER, I. ASSISTENTEN AN DER PSYCHIATRISCHEN KLINIK ZU FREIBURG I. B. FEEIBURG I. B. 1889 AKADEMISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK). Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Die vorliegende Arbeit, welche auf Anregung von Herrn Professor Gramer in Marburg unternommen wurde, stellt sich zur Aufgabe, verschiedene zum Theil bisher wenig oder gar nicht untersuchte Symptome der Paranoia einer genauen klinischen Prü- fung zu unterwerfen und darzuthun, dass sich diese Symptome nicht nur theoretisch unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt be- trachten lassen, sondern dass namentlich auch einzelne dieser Sym- ptome eine praktische Bedeutung beanspruchen dürfen, insofern dieselben für die Prognose nicht unwichtige Anhaltspunkte ge- währen. Ich habe diesem Gegenstände seit mehreren Jahren meine Aufmerksamkeit zugewandt und bin jetzt in der Lage, über ein hinreichendes Beobachtungsmaterial zu verfügen, um zu einem einigermassen bestimmten, abschliessenden Urtheil zu gelangen. Gleich an dieser Stelle möchte ich noch hervorheben, dass mir die Lehrbücher von Emminghaus, Arndt, Kraepelin, Schüle (III) und v. Krafet-Ebing (III) zur Klarstellung mancher Frage wich- tige Dienste geleistet haben. Inhalt. Allgemeine Bemerkungen über den Muskelsinn 1 1. Hallucinationen im Muskelsinn des lokomotorisclien Apparates . 4 2. Hallucinationen im Muskelsinn des Sprachapparates 11 Klinische Beobachtungen. Allgemeine Bemerkungen 27 0. Hallucinationen im Muskelsinn der Augenmuskeln 22 1. Isolirtes Auftreten von Gedankenlautwerden 33 2. Isolirtes Auftreten von Zwangsvorstellungen . . . . . . . . 71 3. Alternirendes Auftreten von Zwangsvorstellungen, Gedankenlaut- werden und Zwangsreden 73 4. Alternirendes Auftreten von allen Symptomen: Gedankenlaut- werden, Zwangsreden und -Vorstellungen, Zwangsbewegungen, -Stellungen und -Handlungen. Hallucinationen und Illusionen des Gesichts 97 Die genialen hypothetischen Anschauungen Meynebt’s 4), welche in den Versuchen von Goltz2), Fbitsch und Hitzig 3) und Münk4), sowie in den pathologisch-anatomischen Befunden von klinisch gut beobachteten Fällen ihre Bestätigung fanden, haben uns in über- zeugender Weise gelehrt, dass ein grosser Theil unserer Hirnrinde, und zwar hauptsächlich der vordere Theil, mit Bewegungsvorstel- lungen besetzt ist. Von den Beobachtungen am Menschen möchte ich nur einen, aber sehr wichtigen Fall, welchen wir Westphal 5) verdanken, hier einfügen. Es handelt sich dabei um einen Kranken, bei welchem dauernd das Gefühl für die Stellung und Bewegungen der rechten oberen Extremität gestört war. „Die Section ergab eine ausschliess- lich auf die Rinde beschränkte Erkrankung der hinteren Central- windung, beider Scheitelläppchen, nur wenig auf den Schläfenlappen übergreifend, und des Hinterhauptlappens.“ (Es bestand zugleich Hemianopsie.) In der Epikrise bemerkt Westphal: „Wer aber jemals die Bewegungsstörung der oberen Extremität der Affen, denen die Rindenpartieen, welche Munk für die Sensibilität, das Muskel- r) Meynert. , Beiträge zur Theorie der maniakalischen Bewegungserschei- nungen. Arch. f. Psychiatrie, 11, p. 639 und Psychiatrie. Wien 1884. p. 132. 2) Goltz, Verrichtungen des Grosshirns. Bonn 1881. 3) Fritsch u. Hitzig, lieber die elektrische Erregbarkeit des Grosshirns. Arch. f. Anat. u. Physiol. von Reichert u. nu Bois Reymond, 1870, und Hitzig, Untersuchungen über das Gehirn. 4) Munk, Verhandlungen der physiol; Gesellschaft zu Berlin. 1876—77 Nr. 16, 17, 24. 1877—78 Nr. 9, 10. 1878—79 Nr. 4, 5. 5) Westphal, Zur Localisation der Hemianopsie und des Muskelgefühles beim Menschen. Charite-Annalen. Neue Folge. VII. Jahrg. p. 465, 486, 487 Gramer, Hallucinationen. 1 Gefühl u. s. w. in Anspruch nimmt, exstirpirt waren; wer die Art des Greifens dieser Thiere gesehen hat, wird sich der Ueberzeugung nicht verschliessen können, dass hier in der That eine sehr grosse Analogie mit den Störungen vorliegt, welche bei unserem Kranken beobachtet sind; er wird daher auch bei Berücksichtigung des ana- logen anatomischen Befundes die grosse Wahrscheinlichkeit zugeben müssen, dass in dem vorliegenden Fall die ersteren durch jenen zu erklären seien. Weiter glaube ich, darf man vorläufig nicht gehen.“ lieber die Art und Weise, wie wir uns diese Bewegungsvor- stellungen erwerben, ist noch nicht völlige Uebereinstimmung er- zielt. Für unser Thema kann es jedoch gleichgültig sein, was für Sinne mit ihren specifischen Sinnesempfindungen dabei betheiligt sind, um uns eine Bewegungsvorstellung zu verschaffen, obschon histologische Befunde (Nervenschollen von Rollet) a), Sehnenkörper- chen von A. Cattaneo 2), sowie die Deductionen zahlreicher Autoren, ich nenne nur die Namen von Nothnagel3), Funke4), Wüsdt5), Leyden und Jastrowitz 6), in fast überzeugender Weise darthun, dass dem Muskelsinn eine nicht unbedeutende Rolle bei dieser Be- richterstattung nach dem Grosshirn zukommt. Für uns ist nur wichtig zu wissen, dass es eine centripetal verlaufende Sinnesbahn giebt, welche in der Muskulatur ihre Aufnahmestation hat, und deren specifische Energie darin besteht, dass sie Bewegungs- empfindungen nach der Hirnrinde bringt, welche dort zu Bewegungsvorstellungen um gesetzt und als solche abgelagert werden7). Durch diese Sinnesbahn, welche wir der Kürze halber ’) Rollet, citirt in Landoi’s Handbuch der Physiologie, p. 566. 2) A. Cattaneo , Sugli organi nervosi terminali musculo tendenei in con- dizioni normali etc. Monographie. Turino 1887. 3) Nothnagel, Experimentelle Untersuchungen über das Gehirn. Yirchow’s Arch. Bd. 57. p. 192. *) Funke, Der Muskelsinn, in Hermann, Handbuch der Physiologie. Bd. 3. Th. 11. 5) Wundt, Grundzüge der physiologischen Psychologie. 3. Aufi. 1887. Bd. 1. p. 402. Wundt berücksichtigt allerdings auch das centrale Innervations- gefühl. 6) Leyden lind Jastrowitz , Beiträge zur Lehre von der Localisation im Gehirn. Leipzig u. Berlin 1888. p. 63 ff. 7) Dass auf dieser Bahn eine oder mehrere Stationen eingeschaltet sind im Sinne der subcorticalen Sinnescentren Meynert’s, kommt für unsere Zwecke nicht in Betracht. Meynert, 1. c. p. 146. 3 als Bahn des Muskelsinns bezeichnen wollen, erwerben wir uns die sämmtlichen, so mannigfachen Bewegungsvorstellungen. Jede, auch die geringste Veränderung im Zustande unserer Mus- kulatur wird durch den Muskelsinn sofort nach der Grosshirnrinde berichtet. Ein Beispiel wird uns leicht über die grosse Bedeutung dieser centripetalen Sinnesbahn belehren: Irgend eine Bewegung nach- machen können wir auf verschiedene Weise. Wir könnten uns zum Beispiel denken, dass wir eine uns vorgemachte Armbewegung auf die Weise nachmachen, dass wir die Bewegung unter steter Correctur des Gesichtssinns ausführen. Wenn uns das auch gelingen würde, so sind wir dadurch doch noch nicht im Stande, später mit Ausschluss des corrigirenden Gesichtssinnes die gewünschte Bewegung sofort richtig auszuführen; dazu ist nöthig, dass wir mit Hülfe des Muskel- sinns eine möglichst präcise Bewegungsvorstellung über die ausge- fiihrte Bewegung in der Hirnrinde deponiren, welche uns später ermöglicht, die motorischen Impulse so abgemessen zu entsenden (Innervation der Antagonisten, Rieger) *), dass sofort die gewünschte Bewegung ohne weitere Correctur ausgeführt wird. Ich brauche wohl kaum hinzuzufügen, dass dem Erwachsenen das Nachmachen einer Bewegung insofern leichter fällt, als er sich schon eine grosse Menge von Bewegungsvorstellungen erworben hat, welche ihn bei Erlernung einer neuen Bewegung unterstützen. Bedenken wir nun, dass wir unsere Sprache, das wichtigste. Mittel zur Erwerbung unseres geistigen Capitals, im Grossen und Ganzen nur dadurch erlernen können, dass wir, gestützt auf unseren Muskelsinn, uns Bewegungsvorstellungen über die durch das Sprechen bedingten Veränderungen im Gleichgewichtszustand unseres Sprach- apparates erwerben, bedenken wir ferner, dass wir alle die anderen unzähligen Bewegungsvorstellungen ebenfalls nur durch den Muskel- sinn erwerben, so werden wir uns einen Begriff von der her- vorragenden Bedeutung dieser centripetalen Sinnesbahn machen können. Wir werden uns deshalb der Ansicht nicht verschliessen können, dass eine hallucinatorische Erregung in der Sinnesbahn des Muskel- sinns, der zu Folge unser Bewusstsein über eine in Wirklichkeit nicht stattgehabte Bewegung Nachricht bekommt und so zur Bildung !) RlEger, Ueber normale und kataleptische Bewegungen. Arcb. f. Psych. XIII, 427. 4 einer unrichtigen Bewegungsvorstellung gezwungen wird, auch in klinischer Beziehung einen dominirenden Einfluss haben muss. Begreiflicher Weise können wir nicht die Bedeutung der Hallu- cinationen des Muskelsinns in einer allgemeinen Besprechung er- schöpfen und ebenso Avenig ist es möglich, den Hallucinationen des Muskelsinns einer jeden kleinen Muskelgruppe unsere Aufmerksam- keit zu schenken. WTir werden daher diesen abnormen Vorgang bei Bildung von Bewegungsvorstellungen in drei, auch in ihrer physiologischen Bedeutung streng gesonderten Gruppen von Muskeln betrachten: 1. In der Muskelgruppe des lokomotorischen Apparates (Rumpf- und Extremitätenmuskeln). 2. In der Muskelgruppe des Sprachapparates. 3. In der Muskelgruppe der Augenmuskeln. 1. Hallucinationen im Muskelsinn des lokomotorischen Apparates. Dem Muskelsinn unseres lokomotorischen Apparates fällt die Aufgabe zu, unser Bewusstsein über jede Veränderung in dem Zu- stande der Muskulatur des Rumpfes und der Extremitäten zu unter- richten und demselben so die Möglichkeit zu schaffen, sich eine Vorstellung hiervon, d. h. also Bewegungsvorstellungen zu erwerben. Wenn Avir jetzt untersuchen wollen, was Avir bei hallucina- torischer Erregung dieser Bahn des Muskelsinns zu erwarten haben, so müssen wir uns zuvor darüber verständigen, Avas überhaupt unter einer Hallucination zu verstehen ist. Verfolgen Avir also die Bahn irgend eines Sinnes, so können Avir dabei unterscheiden: 1. die Aufnahmestation (z. B. Retina, Corti- sches Organ etc.), 2. die Bahn, Avelche die Aufnahmestation mit der Hirnrinde, dem Sitze unseres Bewusstseins verbindet. In dieser wird der aus der Aussenwelt stammende Reiz (Licht, Schallwellen etc.) als eine specifische Sinnesempfindung (Licht, Schall etc.) nach der Hirnrinde transportirt, wo er zu einer Vorstellung von der betreffen- den Sinnesempfindung umgesetzt und als solche deponirt wird1). Wird nun diese Nervenbahn durch einen krankhaften Process irgendwo auf ihrem Wege von der Aufnahmestation zur Rinde in Erregung versetzt, so wird sie dem Gesetze der specifischen Energie folgend dem Bewusstsein Bericht über eine Sinnesempfindung bringen müssen, welche zwar ohne Erregung der Aufnahmestation zu Stande h Wo in dieser Bahn der äussere Reiz in eine specifische Sinnesempfin- dung umgesetzt wird, kann für unsere Betrachtungen gleichgültig sein. gekommen ist, von dem Bewusstsein aber in nichts von einer durch äusseren Reiz bedingten Sinnesempfindung unterschieden werden kann und desshalb auch so aufgefasst wird, als ob wirklich ein äusserer Reiz die Aufnahmestation getroffen hätte. Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass krankhafte Reize, welche in unsern Sinnesorganen vor der Aufnahmestation einwirken (entoptische, en- totische Erscheinungen etc.), bei völlig klarem Bewusstsein stets als solche erkannt werden. Das einfachste und schon oft citirte Beispiel einer Hallu- cination liefern uns Leute, welche nach der Amputation eines Beines auf das Bestimmteste versichern, noch allerlei Empfindungen an bestimmten Stellen des nicht mehr vorhandenen Beines zu fühlen. Diese Empfindungen können nur darauf beruhen, dass der Nerv, welchem vor der Operation die Berichterstattung über diese Em- pfindungen nach dem Grosshirn zukam, an seinem centralen Stumpfe durch den Vernarbungsprocess oder einen anderen Reiz in Erregung versetzt, nach dem Gesetze der specifischen Energie, welches ihn zwingt, auf jeden Reiz nur mit diesen bestimmten Empfindungen zu reagiren, dem Bewusstsein Nachricht bringt über Empfin- dungen, deren Existenz in Wirklichkeit völlig ausgeschlossen ist. Ich bin selbst in der Lage, einen solchen Fall (20) mitzutheilen, dieser Kranke hatte sogar nach Reizung mit dem faradischen Strom die Empfindung, als ob einzelne Finger seiner amputirten Hand wirklich Bewegungen ansführten. Wir stimmen also darin mit fast allen Autoren überein, dass durch eine Hallucination das Bewusstsein Bericht von einer Sinnesem p f i n d u n g bekommt, zu deren Ent- stehung kein Reiz aus der Aussen weit Veranlas- sung gab. Betrachten wir jetzt die Folgen einer Hallucination im Muskel- sinn des lokomotorischen Apparates. Die specifische Energie dieses Muskelsinns besteht darin, Muskelgetühle oder Bewegungsempfindungen nach der Hirnrinde zu bringen. Ein krankhafter auf diese centripetale Bahn einwirkender Reiz wird demnach die Folge haben, dass Bewegungsempfindungen nach der Hirnrinde transportirt werden, welche einem wirklichen Vorgang in der Muskulatur nicht entsprechen, oder dass das Be- wusstsein über eine in Wirklichkeit nicht ausgeführte Bewegung Nachricht bekommt. Diese Berichte werden je nach der Aus- breitung und der Intensität der krankhaften Erregung in der ver- schiedensten Weise ausfallen. Doch können wir zwei auch in den daraus resultirenden klinischen Erscheinungen gesonderte Gruppen unterscheiden. 1. Wir können uns denken, dass bei nicht zu intensiv ein- wirkendem, krankhaftem Reize immer entsprechend dem dadurch hervorgerufenen falschen Berichte, motorische Impulse abgehen, um die vermeintlichen falschen Stellungen oder in Wirklichkeit gar nicht ausgeführten Bewegungen zu paralysiren. 2. Wenn wir uns vorstellen, wie leicht unter Umständen irgend eine Sinnesempfindnng, welche wir gewohnter Massen mit einer Bewegungsvorstellung zu associiren pflegen, auch wirklich eine Bewegung auslöst ich will hier blos an die verschiedenen motorischen Erscheinungen, welche wir bei den Zuhörern eines STEAuss’schen Walzers beobachten können (Stricker), sowie an das unwillkürliche im Tact Marschiren jedes alten Soldaten, wenn ein Regiment mit klingendem Spiel vorüberzieht, erinnern —, wenn wir weiter uns vorstellen, wie leicht im Affect eine im Bewusstsein auf- tauchende Bewegungsvorstellung zur That wird (z. B. eine Ohr- feige), so wird es uns auch wohl möglich erscheinen, dass, im Falle die auf hallucinatorischera Wege entstandene Bewegungsempfindung durch einen sehr intensiven Reiz hervorgerufen ist, dieser intensive Reiz in der Hirnrinde angelangt, sofort auch auf die motorische centrifugale Bahn übergeht und die wirkliche Ausführung der dem Bewusstsein aufgezwungenen falschen Bewegungsvorstellung zur Folge hat. In wie weit in jedem einzelnen hierher gehörigen Fall die eine oder die andere der eben betrachteten Möglichkeiten der Ent- wicklung vorliegt, lässt sich schwer entscheiden, nur so viel lässt sich mit Bestimmtheit sagen, dass die Zwangshandlungen nur dadurch entstehen, dass Zwangsvorstellungen, worunter sich nicht nur Bewegungsvorstellungen zu befinden brauchen, die Bewegungs- impulse auslösen, während bei den Zwangs beweg ungen, welchen nur Bewegungsvorstellungen (natürlich auf falsche Berichte des Muskelsinns hin gebildete) zu Grunde liegen, sich schwer entschei- den lässt, welcher von den beiden soeben besprochenen Vorgängen die Bewegung auslöst. Auch bei den Zwangsstellungen ist die Entscheidung schwer zu treffen, obschon auch hier wieder die complicirteren auf motorische, von den verschiedensten Zwangsvor- stellungen ausgelöste Impulse zurückzuführen sind. Um nicht missverstanden zu werden, will ich schon an dieser 7 Stelle die abnormen Handlungen, Bewegungen und Stellungen etwas skizziren. Als Zwangshandlungen sind unter Umständen zu betrachten: Unmotivirtes Sichaufdenkopfstellen, Purzelbäumeschlagen, Kriechen auf allen Vieren und anderes dergleichen, Selbstverstümmlung. Homi- und Suicidium. Als Zwangsbewegungen können gelten: Ueberflüssige schwenkende Bewegungen beim Reichen der Hand. Gehen auf den Fusskanten, Fussspitzen etc., Gehen mit einwärts- gebogenen Fussspitzen, übertriebenes Rotiren oder Hinaufziehen eines Beines beim Gehen, Beklopfen, Betasten bestimmter Theile des Körpers, tactgemässes Pendeln mit irgend einem Körpertheile. Als Zwangsstellungen dürfen angesehen werden: Stehen mit starker Zurückbeugung des Oberkörpers, Sitzen mit wagerecht zu dem Gesäss in die Höhe gehaltenen Füssen, eigentümliche, bizarre Haltungen der Arme oder Beine etc. Natürlich müssen wir nicht bei jedem Kranken, welcher eine dieser genannten Handlungen, Bewegungen oder Stellungen aus- führt, sofort an eine Zwangsbewegung, -Handlung, oder -Stellung denken, es gehören dazu noch andere klinische Merkmale, welche ich später berühren werde. Auch aus der Litteratur will ich einige mir charakteristisch scheinende Beobachtungen folgen lassen; Ein Kranker Snell’s x) stellt sich, ehe er eine Arbeit beginnt, auch des Morgens beim Aufstehen auf den Kopf oder berührt mit den Füssen seinen Hinterkopf. Kahlp.aum 2) machte folgende Beobachtungen: „Der eine Kranke fasst sich alle paar Minuten an die Nasenspitze, ein anderer schwenkt von Zeit zu Zeit den Arm horizontal um den Kopf herum und endigt die Bewegung mit einer Wegschleuderung der Hand. Eine Frau macht im Sitzen eine Arm- und Handbewegung, die ganz ähnlich derjenigen beim Spinnen am Spinnrade ist. Der Kranke Adolf L. hatte die Manier, mit einwärts erhobenem inneren h ussrande auf dem äusseren Fussrande zu gehen und dabei die Kniee gebeugt zu erhalten.“ Neisser3) berichtet von einem Herrn, welcher, so oft er Je- i) Snell, lieber eine besondere Art von Zwangsvorstellungen mit ent- sprechenden Bewegungen und Handlungen bei Geisteskranken. Allgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. 30. p. 683. 2) Kahlbaum, Die Katatonie, p. 49. 3) Keisser, Ueber die Katatonie. Stuttgart 1887. p. 12. Fussnote. 8 manden im Garten die Hand zum Grusse reicht, seine Hände „bereits einige Schritte vor der Annäherung mit einem Kucke völlig horizontal bei steifem Ellenbogengelenke in Schulterhöhe vorwärts schiebt, dabei den Rücken der Hand nach oben richtet und 2, 3 und 4 Finger ausstreckt. Gleichzeitig streckt er die Lippen schnutenartig vor, hebt sich auf die Zehen und geht mit nach vorn steif gebeugtem Oberkörper auf den Betreffenden los, so dass sein ganzer Körper mit den vorgestreckten Armen nahezu in eine Richtungslinie fällt. “ Auch der folgende wichtige von Meynert *) beobachtete Fall gehört wohl hierher: Ein fünfjähriger Knabe, „welcher einen Tumor von bedeutender Grösse, einen Hirntuberkel, im Mittelhirn und Seh- hügel sitzen hatte“, bot ausser intensiver, rechtsseitiger Oculo- motoriuslähmung mit leichten linksseitigen Lähmungen des Facialis und der Extremitäten folgende auffallende Haltung: „Der Kopf dieses Knaben war nach der linken Seite gebogen, und in Ruhe- lage hielt er die linke obere Extremität in gebeugten, die rechte obere Extremität in gestreckten Stellungen, welche sich nur bei einem verhältnissmässigen Widerstand ausgleichen Hessen. Wenn dieser Kranke beschäftigt war, so hörte die sogenannte Zwangs- stellung des Kopfes und der oberen Extremitäten vollständig auf und trotz der linksseitigen Facialis- und Extremitätenparase spielte er ungestört und heiter mit den Gegenständen, die ihn anregten.“ „Diese typische pathologische Stellung“ nach Sehhügelver- letzung ist nach Meynert erklärbar, „wenn der Knabe durch Mangel an Innervationsgeftihl in Betreff der linksseitigen Dreher der Wirbelsäule veranlasst wurde, das vermisste Innervationsgefühl durch willkürliche Drehung zu provociren, das nicht fühlbare In- nervationsgefühl in den Beugern des linken Arms durch forcirte Beugung desselben hervorzurufen und unter denselben Umständen das gestörte Innervationsgefühl der rechtsseitigen Strecker durch willkürliche Streckung zu gewinnen.“ „Die Störung der Innervationsgefühle setzte Wahnideen über die Haltung seiner Glieder, und es entstanden dadurch Motive zu den willkürlichen Bewegungen, durch welche er das typisch- pathologische Bewegungsbild, die sogenannte Zwangsstellung an- nahm.“ Es finden sich natürlich in der Litteratur zerstreut noch eine J) Meynert, 1. c. p. 152. 9 Grosse Menge solcher Beobachtungen, doch würde es zu weit führen, sie alle hier anzuführen. Ueber den eigentlichen Grund zur Entstehung dieser Zwangs- bewegungen, Zwangsstellungen und Zwangshandlungen sind ausser der schon mitgetheilten MEYNBBx’schen Anschauung die verschieden- sten Ansichten laut geworden, doch haben sich auch verschiedene Autoren ungefähr in unserem Sinne ausgesprochen. Hitzig 4) verdanken wir die Aufklärung, dass die eigenthüm- liche Empfindung, bei Galvanisation des Kopfes nach der Kathode zu versinken, auf Täuschungen des Muskelsinns beruht. Er schreibt hierüber: „Eine derartige Empfindung in gegebenem Falle kann nur dadurch entstehen, dass ein fremder Factor in den Apparat einge- führt wird, welcher dem Sensorium Nachrichten von dem Zustande der Gesammtmuskulatur zuführt, mit einem Worte, dass das Muskel- gefühl gefälscht wird.“ Schon im Jahre 1872 wies Solbkig 2) auf die Bedeutung des Muskelsinns hin und machte darauf aufmerksam, dass auf die Folgen der hallucinatorischen Erregung des Muskelsinns, welche er als „Muskelhallucinationen“ bezeichnet, „in der klinischen Casuistik zurückzukommen, wir immer erneuten Anlass finden werden.“ Kahlbaum s) möchte diesen abnormen Bewegungen, Stellungen und Handlungen, wie den meisten der bei seinen „katatonischen“ Kranken beobachteten Erscheinungen den Charakter des Krampfes vindiciren. Dieser Auffassung tritt Westphal4) in seinem berühmten Vortrag über die „Verrücktheit“ entschieden entgegen. Die Er- scheinungen, welche Kahlbaum als wesentliche Symptome betrachtet, „die er den motorischen Störungen der Paralytiker zur Seite setzt, und denen er fälschlich den Charakter des Krampfes zuschreibt,“ kann Westphal nicht als wesentliche betrachten. Westphal sieht in den „katatonischen“ Kranken nur „Verrückte mit verschiedener Art der Entwicklung und des Ablaufs der psychischen Erscheinungen der Verrücktheit. “ In einem Vortrag in der Berliner medicinisch-physiologischen *) Hitzig, 1. c. p. 231. 2) Solrrig, Die Beziehungen des Muskeltonus zur psychischen Erkrankung. All gern. Zeitschr. f. Psycli. Bd. 28. p. 369. 3) Kahlbaum 1. c. 4) Westphal, Ueher die Verrücktheit. Vortrag, gehalten auf der 49. Natur forscherversammlung. Allgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. 34. p. 256. 10 Gesellschaft spricht Westphall) von einer Categorie von Zwangs- vorstellungen, denen ~von vorn herein und mehr unmittelbar eine Richtung auf die motorische Sphäre zukommt, sei es, dass sie sich sofort mit einem Impulse zum Handeln, oder mit der Hemmung eines Impulses verknüpfen.“ Ich glaube, dass wir diese Categorie mit den sub 2 unserer Betrachtungen erwähnten Hallucinationen des Muskel- sinns in nahe Beziehung bringen, wenn nicht identificiren dürfen. Auch Wille 2) denkt sich den Vorgang ähnlich: „Vorstellungen von einer solchen Intensität und Dauer, wie sie die Zwangsvorstel- lungen sind, werden nothwendig schliesslich durch die aufs höchste gesteigerten centralen Spannungen zu Irradiationen auf andere cerebrale Centren führen müssen.“ „Sie steigern sich (Gefühl innerer Unruhe und Erregung) zu äusserer Unruhe und zu ängstlichen Empfindungen, die beide allmählich oder plötzlich in einen Zustand von heftiger motorischer Aufregung und intensiver Seelenangst sich verwandeln können. Diese secundären Angstzustände dauern so lange, bis an Stelle der Zwangsvorstellungen Zwangshandlungen getreten sind, d. h. erstere in letztere übergegangen sind.“ Roller 3) streift öfters nahe an unsere Auffassung, z. B. auch in folgendem Passus; ~Die die Bewegung, die Sinnesthätigkeit, die Empfindung, besonders auch das Allgemeingefühl vermittelnden Theile des Centralnervensystems bis hinauf zu den höchsten, nur nicht denen des Bewusstseins selbst, würden es sein, die primär erkranken. Subordinirte Centren sind es, die in Frage stehen, aber wahrscheinlich nicht ausschliesslich subcorticale. Sie mögen zum Theil in der Rinde liegen, insofern manche Bewegungen und Hand- lungen den complicirtesten bewusst innervirten vollkommen ent- sprechen, nur dass in den bestimmten Fällen der bewusste Impuls auszuschliessen und an seine Stelle der patho- logische, in den Centren selbst localisirte, mechanisch wirkende Reiz zu setzen wäre.“ Feeusbeeg4) bemerkt hierzu: „Nach physiologischem Vorbild ’) Westphal, lieber Zwangsvorstellungen. Arch. f. Psych. VIII, p. 739. Berlin. Mediciniscb-pbysiol. Gesellscli. 2) Wille, Zur Lehre von den Zwangsvorstellungen. Arch. f. Psychiatrie. Bd. 12. p. 29. 3) Roller, Motorische Störungen bei einfachem Irresein. Allgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. 42. p. 58. 4) Freosberg, lieber motorische Symptome bei einfacher Psychose. Arch. f. Psych. Bd. 17. p. 761. 11 läge es nahe, die motorischen Symptome einzutheilen in solche, die direct durch bewusste und unbewusste Gehirnvorgänge ausgelöst sind, und in solche, die durch Sinnesreize erwirkt sind; bei letzteren käme in Betracht: gegenständliche Sinneswahrnehmungen, halluci- natorische und illusorische Sinnestäuschungen, sowie perverse Muskel- gefühle, auf welche letztere als Quelle psychischer Erregung jüngst Roller mit Recht die Aufmerksamkeit gelenkt hat,“ Neisser x) schliesst sich in seiner jüngst erschienenen Schrift Roller’s Auffassungen im Wesentlichen an. li. Hallucinationen im Muskelsinn des Sprachapparates. Wenn wir uns vergegenwärtigen, wie das Kind sprechen lernt (Preyer), wie es immer und immer wieder aufs neue versucht, ein ihm vorgesprochenes Wort richtig nachzusprechen, bis es ihm end- lich gelungen ist, das Wort frei aus dem Gedächtniss heraus aus- zusprechen; wenn wir sehen, wie das anfangs mit seinem Sprach- apparate ähnlich wie mit seinen Extremitäten in directionslosen Be- wegungen spielende Kind2) allmählich unter fortwährenden Be- mühungen seinen Sprachapparat in die Gewalt bekommt, d. h. das Sprechen lernt, und uns fragen, welches sind wohl die Hülfsmittel zur Erlernung dieser Sprachbewegungen, so werden wir uns dahin einigen müssen, dass wohl das Ohr bei dem Versuche, ein vorge- sprochenes Wort nachzusprechen, eine scharfe Controlle ausübt, dass aber die Fähigkeit, ein Wort später aus dem Gedächtniss sofort richtig auszusprechen, nur mit Hülfe des Muskelsinns erworben wird. Der Muskelsinn verschafft unserem Bewusstsein eine genaue Vor- stellung über die zur Articulation des Wortes nöthigen Bewegungen und giebt uns so die Möglichkeit, die motorischen Impulse zur Aus- sprache des Wortes gleich so abgemessen zu entsenden, dass es ohne weitere Correctur sofort richtig ausgesprochen wird. Dieselbe Unterstützung wie dem Kinde beim Sprechenlernen überhaupt gewährt der Muskelsinn dem Erwachsenen beim Erlernen einer fremden Sprache. Jeder weiss wohl aus eigener Erfahrung (Weenikb)3), wie schwer es uns oft wird, ein fremdes Wort richtig und prompt auszusprechen, und wie wir es nur dann lernen, wenn wir ') Neisser, 1. c. p. 61. 2) Preyer, Die Seele des Kindes. Leipzig 1884. p. 314. 3) Wernike. Lehrbuch der Gehirnkrankheiten. Bd. 1. p. 209. 12 es Aviederholt laut oder leise vor uns hinsprechen, das heisst den Sprachapparat dabei in Thätigkeit setzen. Aehnlich verhält es sich auch wohl heim grössten Theil der Menschen beim Auswendiglernen; auch hier ist ein mehr oder weniger lautes Aussprechen ein bedeutendes Hülfsmittel zur rascheren und sicherem Einprägung ins Gedächtniss. Eine Ausnahme bilden natür- lich diejenigen, welche, wie der Kranke Charcot’s, nur gestützt auf die Gesichtsvorstellungen der Schrift oder des Druckes, den Inhalt von Geschriebenem und Gedrucktem im Gedächtniss behalten 4). Durch das mehr oder weniger laute Aussprechen oder Mit- articuliren (Hoppe) 2) bezwecken wir offenbar die Erwerbung einer möglichst präcisen Bewegungsvorstellung durch den Muskelsinn. Untersuchen wir nun weiter, in was für einem Zusammen- hänge die Worte unserer Sprache zu unserem Denken stehen, so können wir diese Frage dahin beantworten, dass wohl ein Denken ohne Sprachvorstellungen (Worte) möglich ist es sprechen dafür namentlich die Erfahrungen an Kindern, welche noch nicht sprechen können (Preyer) 3), sowie Beobachtungen an Taubgeborenen (Kuss- maul) 4) ■—, dass aber bei der grossen Mehrzahl der Menschen die Worte unserer Sprache als Formeln für unsere Gedanken dienen, d. h., dass unser Denken im Wesentlichen, wie schon Plato5) und nach ihm viele andere betonten, als ein innerliches Sprechen anzu- sehen ist. Stricker 6) ist den Vorgängen in unserem Sprachapparat während des verbalen Denkens nachgegangen und hat gefunden, dass wir jedesmal, wenn wir uns einen Buchstaben, eine Silbe, ein Wort oder einen Satz vorstellen, ein bestimmtes Gefühl in den Theilen des Sprachapparates haben, welcher bei wirklicher Aus- sprache des Buchstabens, der Silbe, des Wortes oder des Satzes in B Charcot, Neue Vorlesungen über die Krankheiten des Nervensystems. Uebersetzt von Freud. Leipzig 1881. p. 146 ff. 2) Hoppe, Erklärung der' Sinnestäuschungen. Würzburg 1888. 8) Preyer, 1. c. p. 259. 5) Plato, Der Sophist. 263 E.: „Ouxoöv otävoia piv %a\ xauxdv, tcXtjv o [Lev evxo? x-7j<; aoxTjv BiäXojot; aveo cpaiv?]<; yiy xoöx auxö 4jp.iv £7Ta>vop.aaff'q Sidvoia.“ Deutsch nach Schleiermacher; „Also Gedanken und Rede sind dasselbe, nur dass das innere Gespräch der Seele mit sich selbst, was ohne Stimme vor sich geht, von uns ist Gedanke genannt worden.“ 4) Kussmaül, Die Störungen der Sprache. Leipzig 1885. p. 16. 6) Stricker, Studien über die Sprachvorstellungen. Wien 1880. p. 29 ff. 13 Bewegung versetzt würden. Er betrachtet diese Empfindungen als leichte, meist unbewusste motorische Impulse, welche jedesmal, wenn irgend eine Sprachvorstellung in unserem Bewusstsein auf- taucht, in centrifugaler Richtung in den Sprachapparat entsendet werden. Dass während des verbalen Denkens, auch wenn wir keine Bewegung in den Sprachmuskeln sehen, wirklich leichte motorische Vorgänge im Sprachapparat stattfinden müssen, beweisen uns die- jenigen Kranken, welche von jahrelangem, absolutem Mutacismus und Stupor befallen, plötzlich mit demselben Tonfall und ohne jede wahrnehmbare Schwierigkeit wieder anfangen zu reden. Denn wenn hier keine motorischen Vorgänge, seien es auch nur leichte In- nervationsimpulse , stattgefunden hätten, so müssten die Muskeln, welche zum Sprechen gebraucht werden, während der jahrelangen Unthätigkeit längst ausser Uebung gelangt sein, und somit beim Erwachen aus dem Stupor den Kranken die Fähigkeit genommen sein, sich sofort ohne jede Schwierigkeit sprachlich auszudrücken. ln diesen kurzen Betrachtungen haben wir zu zeigen versucht, welche Rolle dem Muskelsinn beim Erlernen unserer Sprache zu- kommt, und in welch naher Beziehung bei den meisten Menschen unsere Sprache zum Denken steht. Wir wollen jetzt untersuchen, was die Folge sein wird, wenn der Muskelsinn im Sprachapparat in hallucinatorische Erregung geräth. Die specifische Energie der Sinnesbahn dieses Muskelsinns besteht darin, dass sie die während des Sprechens oder Articulirens die Aufnahmestation des Muskelsinns in der Muskulatur erregenden Reize als specifische Bewegungsempfindungen nach der Hirnrinde bringt; dort werden dieselben zu Bewegungsvorstellungen des Sprach- apparates umgesetzt und als solche abgelagert. Trifft also irgend ein krankhafter Reiz diese centripetale Bahn irgendwo hinter ihrer Aufnahmestation, so bekommt das Bewusst- sein, welches sich den Bewegungsempfindungen gegenüber gerade so zuschauend verhält, als wie den anderen Sinnesempfindungen gegenüber (Mbynert) r), Bericht über eine in Wirklichkeit nicht ausgeführte Bewegung im Sprachapparat. Je nach der Intensität des einwirkenden Reizes, je nach dem von dem Reiz betroffenen Theil in der Breite der Bahn des Muskelsinns wird natürlich die dem Bewusstsein überbrachte Bewegungsempfindung eine verschie- *) Meynert, 1. c. p. 145. 14 dene sein. Aehnlich wie wir es schon oben p. 5 bei den Hallu- cinationen im Muskelsinn des lokomotorischen Apparates gesehen haben. Auch hier ist es wieder unmöglich, all den unzähligen Varietäten nachzugehen, dagegen erscheint es mir angebracht, die- jenigen Gruppen herauszugreifen, welche sich mit klinischen Beob- achtungen an Geisteskranken decken. Stellen wir uns 1. vor, dass die ganze Bahn des Muskel- sinns in toto sich in einem Zustande krankhaft erhöhter Erregbar- keit befindet, so werden wir uns wohl denken können, dass jene leichten motorischen Impulse, welche bei unserem Kranken während des verbalen Denkens nach dem Sprachapparate abfliessen, dem Be- wusstsein als Bewegungsempfindungen in dem Grade verstärkt vor- geführt werden, dass es denselben Eindruck bekommt, als ob das blos Gedachte wirklich zum Sprechen articulirt worden wäre. Die Geisteskranken, bei welchen dieser Vorgang in Scene tritt, geben an, es sei ihnen so, als ob alles, was sie dächten, von einer inneren Stimme mitgesprochen werde. Die Stimme sei aber keine wirkliche Stimme, es sei nur „so ein Gefühl“. Diese Stimme wird von ihnen in die verschiedensten Partien des Körpers verlegt, oft aber auch geradezu in den Mund. Meist haben die Kranken in den Theilen, wohin sie dieses Sprechen verlegen, unangenehme Empfindungen. So werden die Stimmen bei zugleich bestehender Präcordialangst häufig in die Präcordial- und Magengegend verlegt. Hoppel) bemerkt hierzu: „Die gehörten Stimmen sitzen da, wohin man denkt oder zu denken genöthigt ist.“ Oft kommt es auch vor, dass der Kranke diese abnormen Sinnesbilder des Muskelsinns im Sprachapparat mit irgend einem Tone oder Geräusche associirt, sei es mit dem Eigenton 2) des Ohres oder irgend einem entotischen Geräusche, sei es mit irgend einer durch eine äussere Ursache hervorgerufenen Sinneserapfindung des Acusticus, sei es endlich mit einem Producte des hallucinatorisch erregten Acusticus (Klang, Klangfarbe und Geräusche entsprechend der specifischen Energie des Acusticus). Unter diesen Umständen tritt der Fall ein, dass der Kranke seine eigenen Gedanken im Ohre, vor dem Ohre, hinter der Mauer, vor dem Fenster oder in irgend einem Geräusche, z. B. im Knarren B Hoppe, 1. c. p. 188. 2) Hensen, Physiologie des Gehörs. In Hermann’s Handbuch. Bd. 3. Th. 11. p. 122, 123. 15 der Stiefel, im sibilirenden Gekritzel der Federn (Emmixghaus l), im Zwitschern der Vögel, kurz in allen erdenklichen, unseren Acusticus erregenden Reizen der Aussenwelt hören. Bei denjenigen Kranken, welche ihre Hallucinationen des Muskelsinns im Sprachapparat mit einem entotischen Geräusche oder einer Hallucination des Acusticus associiren, wäre noch zu unter- suchen, worauf die Richtung und Entfernung beruht, woher die Stimmen kommen. Die physiologischen Anschauungen über die Mittel, welche uns zu einer Yorstellung über die Richtung, aus welcher ein Schall kommt, verhelfen, sind vorläufig noch so complicirt, dass wir davon absehen müssen, für die Schallrichtung dieser Stimmen eine auf physiologischen Beobachtungen fussende Erklärung zu finden. Dagegen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Entfernung, aus welcher die Stimme zu kommen scheint, hauptsächlich auf der grösseren oder geringeren Zahl von Partialtönen nebst dem theil- weisen Fehlen von allerlei sonst die Sprache begleitenden Geräuschen beruht. Gbütznek 2) führt hierauf die Thatsache zurück, dass bei Bauchrednern die Stimme wirklich aus der Entfernung zu kommen scheint. Was wird nun eintreten, wenn ein solcher Kranker liest oder schreibt? Bei den meisten Menschen handelt es sich beim Lesen im Wesentlichen, kurz ausgedrückt, darum, Gesichtsvorstellungen in Be- wegungsvorstellungen des Sprachapparates zu übersetzen. Dass jede Bewegungsvorstellung im Sprachapparat mit einem leichten motori- schen Impuls in die Sprechmuskulatur verknüpft ist, haben wir be- reits gesehen. Als weiterer Beleg für die Richtigkeit dieser An- schauung können die Menschen dienen, welche nicht zu lesen ver- mögen, ohne dabei deutlich sichtbar den Sprachapparat in Bewegung zu setzen. Während des Lesens sind aber die Sprachvorstellungen die in unserem Bewusstsein zunächst auftauchenden Gedanken. Es wird also ein Kranker, welcher auf die oben beschriebene Weise seine Gedanken hört, die Empfindung haben, als ob alles, was er liest, mit'- resp. nachgesprochen werde, weil das Auftreten der Bewegungs- vorstellung im Sprachapparat beim Lesen immer in der Zeitfolge die secundäre Leistung ist. ») Emminghaus, Allg. Psychopath, p. 151. 2) Grützner, Stimme und Sprache. Hermann, Handb. d. Physiol. Bd. 1 Th. 11. p. 131 u. 132. Gerade umgekehrt ist der Vorgang heim Schreiben. Hierbei sind die Gedanken, d. h. Bewegungsvorstellungen des Sprachapparates in die zum Schreiben nöthigen Bewegungsvorstellungen umzusetzen und dementsprechend motorische Impulse abzusenden, damit mit Unterstützung des Gesichtssinnes der Gedanke zu Papier kommt. Es ist also das Auftreten von Sprachvorstellungen der primäre Vor- gang. Unsere Kranken haben dementsprechend die Empfindung, als ob ihnen alles, was sie schreiben wollen, vorgesagt resp. dictirt werde. In der That können wir diese Vorgänge bei vielen derartigen Kranken beobachten. Dieselben legen unwillig die Zeitung oder das Buch aus der Hand, weil immer mitgelesen oder mitgebrummt wird, sie sind erstaunt, dass schon bekannt ist, was sie schreiben wollen, bevor es auf dem Papier steht. Von den mir zugänglichen theoretischen Bemerkungen über das Gedankenlautwerden, wie ich diesen abnormen Vorgang kurz bezeichnen möchte, will ich nur folgende hervorheben. Schon Baill arger x) beschäftigte sich damit und glaubte, dass die Kranken „meconaissent alors leur propre voix comme on la meconäit dans les reves“. Kandinsky 2) schreibt über einen solchen Fall: „Mein Kranker, Laschkow, war eine Zeit lang während seiner Krankheit überzeugt, dass die unsichtbaren Spione seine Gedanken erfahren können, in- dem sie vermittelst einer besonderen Maschine die ,fast unmerk- lichen Bewegungen der Zunge1, die er, wie es ihm schien, unwill- kürlich beim Denken in Worten mache, registriren; daher bemühte sich der Kranke zu denken, ohne dabei die entsprechenden Bewe- gungen mit der Zunge zu machen, d. h. zu denken, ohne das Ge- fühl der motorischen Innervation in der Zunge (welches bei ihm offenbar gesteigert war), was ihm aber nicht gelingen wollte. Man könnte sagen, dass in diesem Falle der Kranke Haliucinationen (oder, wenn man will, Pseudohallucinationen) der Bewegungsempfin- dungen im Muskelapparate der Zunge und der Lippen gehabt hätte, wenn nicht, wie es sich erweist, eine gesteigerte Stimminnervation der nicht selten beobachteten Erscheinung des unwillkürlichen (lauten) Sprechens zu Grunde läge.“ !) Baillargeh, Des Hallucinations. Paris 1846. p. 406. 2) Kandinsky, Kritische und klinische Betrachtungen im Gebiete der Sinnes- täuschungen. Berlin 1885. p. 118, 119. 17 Ich glaube, dass unter meinen klinischen Beobachtungen mancher Fall sich befindet, welcher auf das Deutlichste demonstrirt, dass eine gesteigerte Stimminnervation beim Hören der eigenen Gedanken nicht immer im Spiele zu sein braucht, obwohl ich nicht bestreiten will, dass auch dieser Vorgang unter Umständen dazu führen kann; weiter unten werde ich noch darauf zurückkommen. Hoppe1) denkt sich den Vorgang beim Hören der eigenen •Gedanken folgendermassen; „Gehör-Hallucinationen aus Selbstgedachtem durch das un- beachtete Articuliren des Gedachten, welches durch dies Articuliren hörbar wird und somit sich zu einer scheinbar herkunftlosen Gehörs- Hallucination gestaltet. Hierher gehört dasjenige Stimmenhören, das nicht blos leise oder laut gedacht, sondern auf dem Wege des Articulirens wirklich im Ohr des Kranken entsteht und gehört von ihm ins Ohr oder nach aussen versetzt wird. Von solchem selbst- gemachten Stimmenhören kann der Kranke mit Recht behaupten, dass er die Stimmen so gewiss höre, als er die Worte des mit ihm Sprechenden vernehme. Aber auch seine blos gedachten und seine gehirnlich aufgetauchten Worte vernimmt er, aber nicht gehörmässig mit Ohren, sofern er sie nicht auch articulirt. Die unbeachtet arti- eulirt gehörten Stimmen sind entweder die eigenen Stimmen, leise, flüsternde, oder Silbe für Silbe deutlich, oder es sind fremde Stimmen. Diese fremden Stimmen sind dann im Sprechapparate oder im acusti- schen Erinnerungscentrum mit den Gedanken, die man einem Anderen beilegt, erwacht; aber sie können auch peripherische Nachbilder sein, oder aus dem erwähnten Sprechgeräusch stammen. Wenn diese Stimmen überaus laut, übermenschlich, Gottesstimmen sind, so kann sie der Kranke ebenfalls articulirt haben, Silbe für Silbe, doch der gewaltige Laut gehört dann dem Klangapparate an, und der Kranke kann überdies die Stimmen in seine starken Kopfgeräusche hinein construirt haben, bei gleichzeitigem Articuliren, und sie durch dieses und durch die Knochenleitung vernehmen. Entstellte Stimmen deuten auf gestörte Molekularbewegung in der Nervensubstanz.“ Wesentlichen auf einem leise Mitsprechen beruhend vor. Hoppe stellt sich also auch das Gedankenlautwerden als im In neuester Zeit hat Seglas 2) diese krankhaften Vorgänge Hoppe, 1. c. p. 248. 2) Seglas, L’hallucination dans ses rapports avec la fonction du langage; les liallucinations psycho-motrices. Le progres medical 16. Annee. 2e Serie T. VIII. Hr. 38, 34. Gramer, Hallucinationen. 2 18 einer eingehenden Prüfung unterworfen und nähert sich dabei öfters unseren Anschauungen, obschon auch er glaubt, dass am häufigsten das Gedankenlautwerden auf einem nicht erkannten unbeobachteten Mitarticuliren besteht. Am Schlüsse des ersten Theils seiner Arbeit schreibt er: „Mais nous n’en sommes pas encore ä l’hallucination complete; car si Timage motrice est devenue assez vive pour se traduire au dehors par un mouvement, le sujet reconnait toujours qu’il s’agit lä d’un phenomene subjectiv. (Test dans l’ordre moteur un fait comparable aux hallucinations des sens dites avec conscience et comparatibles avec la raison. Encore un pas et le meme pheno- mene perdra pour le malade tont caractere de subjectivite.“ Im zweiten Theil spricht er sich noch genauer über den eigentlichen Vorgang beim Gedankenlautwerden aus. Nachdem er uns einen Kranken beschrieben, welcher in Abrede stellt, dass sich beim Hören der inneren Stimme die Sprach Werkzeuge bewegten, meint er: „Aussi pensons-nous, que les cas en apparence negatifs, sont loin d’etre contradictoires, et nous pourrions presque resumer ce que nous venons de dire par ces paroles textuelles d’une des nos malades: „„Quand je pense, je ne puis le faire sans par- ier, autrement cela m’etouffe. Aussi faites attention, meme lorsque je ne parle pas haut, vous verrez toujours raes levres remuer, mais plus encore quand j'entends les voix epigastriques.““ Unsere Anschauungen sind demnach insofern verschieden von den soeben mitgetheilten Ansichten von Hoppe und Seglas, als wir glauben, das Gedankenlautwerden komme hauptsächlich dadurch zu Stande, dass die bei den meisten Menschen während des Denkens nach dem Sprachapparate abfliessenden leichten motorischen Impulse durch eine Hallucination im Muskelsinn dem Kranken derart ver- stärkt vorgeführt werden, als ob wirklich articulirt worden wäre, dass also nicht in Betracht kommt, ob sich die Lippen wirklich bewegten und überhaupt der Sprachapparat in derjenigen Thätigkeit war, welche auch nur zum leisesten Sprechen nöthig ist. Wir glauben also, dass die Urtheilsfälschung durch den gefälschten Bericht aus den Sprachwerkzeugen her- vorgerufen ist, während man nach Ansicht der genannten Autoren von vornherein eine Trübung des Urtheils postu- liren muss, welche dieses Mitarticuliren verkennen lässt. Nehmen wir 2. an, es sei nur ein bestimmter Theil in der Breite der centripetalen Bahn, welche die Muskelgefühle des Sprach- 19 Apparates nach der Rinde bringt, hallucinatorisch erregt, so wird sich entsprechend der specifischen Energie des gereizten Nerven, so lange die Erregung andauert, immer nur eine ganz bestimmte Bewegungsvorstellung mit imperativer Gewalt dem Bewusstsein aul- drängen. Das Bewusstsein associirt aber in gewohnter Weise, wie wir gesehen haben, jede Bewegungsempfindung im Sprachapparat mit der dazu gehörigen, durch den Acusticus erworbenen Gehörs- vorstellung und gelangt so zu einer Wortvorstellung. Es wird also die Folge der hallucinatorischen Erregung eines bestimmten Theils dieser Muskelsinnbahn sein, dass sich immer ein bestimmtes Wort oder ein bestimmter Satz oder kurz ein bestimmter Gedanke mit unwiderstehlicher Macht dem Bewusstsein aufdrängt, je nach dem Theil der centripetalen Bahn, welche durch den krankhaften Reiz erregt ist. Dieser Vorgang ist eine in der Psychiatrie wohlbekannte Erscheinung, nämlich die Zwangsvorstellung. 3. üeberlegen wir uns, was vorgeht, wenn wir etwas aus- sprechen wollen. Ohne Zweifel ist es nöthig, dass wir zuerst das denken, was wir auszusprechen beabsichtigen, das heisst uns die Bewegungsvorstellung im Sprachapparat zum Bewusstsein bringen von den Worten, welche wir aussprechen wollen. Denn nur dann sind wir im Stande, die motorischen Impulse in den Sprachapparat so abgemessen zu entsenden, dass das, was Avir aussprechen wollen, auch richtig ausgesprochen wird. Denken wir weiter daran, wie Avir öfters in grosser Erregung Dinge aussprechen, die Avir besser nicht gesagt hätten, oder denken Avir daran, wie Avir unter dem Einflüsse des Alkohols auch wohl ab und zu mehr verrathen als uns am nächsten Tage lieb ist, und suchen Avir nach einem Grunde für diese Erscheinung, so erklärt sich dieselbe am einfachsten wohl so, dass bei dem in den genannten Zuständen bestehenden Erethismus des gesammten Centralnerven- systeras die aultauchende Bewegungsvorstellung des Sprachapparats sofort auch einen motorischen Impuls auslöst. Ich will nicht unter- lassen zu bemerken, dass die bei allen den genannten Zuständen meist in grösserem oder geringerem Masse bestehende Bewusstseins- einengung in vorliegendem Falle den Ablauf dieses Vorganges er- leichtert, ebenso Avie sie auch in allen vorhergehenden Fällen das Zustandekommen der Urfheilsfälschung nicht unwesentlich unterstützt. Sub 2 haben Avir nun gesehen, dass eine krankhafte Erregung in einem Theile der Bahn des Muskelsinns im Sprachapparat uns eine Zwangsvorstellung aufnöthigen kann. Was wird nun eintreten, 20 wenn die durch den krankhaften Reiz bedingte Erregung des Muskel- sinns so mächtig ist, dass sie sofort auch einen motorischen Impuls auslöst? Die Folge wird sein, dass der betreffende Kranke ge- nöthigt ist, bestimmte Worte oder Sätze mehr oder weniger laut auszusprechen. Wir haben also das Symptom des Zwangsredens vor uns. Auf eine genauere Beschreibung dieser Erscheinung, welche sich vom zwangsmässigen monotonen Aussprechen eines Wortes bis zum gezwungenen Hererzählen ganzer Sätze erstreckt, kann ich wohl verzichten, da sie schon vielfach beobachtet und sehr a;ut be- schrieben worden ist. So von Kahlbaum *), Westphal 2), Kandinsky 3), Roller 4), Neissek 5) und Anderen. In naher Verwandtschaft mit unseren Zwangsreden stehen die interessanten Beobachtungen Neisser’s r. Willi. Filehne, ord. Professor der Pharmakologie und Direktor des Pharmakologischen Instituts der Universität Breslau. Erscheint in 4 Lieferungen ä M. 1. 50. Dr. Babow, Berlin, schreibt über die vierte Auflage in No. 3 der * Therapeutischen Monatshefte“ 1888: „Das vorliegende, nur 383 Seiten umfassende Werk gehört ... zu den guten, sich einer wohlverdienten Beliebtheit erfreuenden Lehrbüchern der Arzneimittellehre, die in jüngster Zeit in erneuter Auflage erschienen sind . . . An Prof. Cloetta’s Stelle hat Prof. Filehne die Bearbeitung der vierten Auflage übernommen und dieselbe mit meisterhaftem Geschick durchgeführt. Auch ihm ist es gelungen, das Buch in seiner neuen Gestalt auf der Höhe der heutigen Anforderungen zu erhalten . . . Dasselbe will, nach wie vor, in erster Linie ein practisches Lehrbuch für den die Klinik besuchenden Mediciner, für den an- gehenden Arzt sein und dem Lernenden das Lernen erleichtern. Daher auf jeder Seite das eifrige Bestreben, nur Wesentliches und Feststehendes zu bringen, . . . damit der Belehrung Suchende möglichst schnell auf einen festen Standpunkt erhoben werde, von dem er das Wissenswerthe überblicken kann . . . Trotz seines verhältnissmässig sehr geringen Umfanges lässt das Buch in Bezug, auf Vollständigkeit durchaus nichts zu wünschen übrig . . . Einem praktischen Bedürfnisse am besten entsprechend sind die Arzneimittel nach den Indicationen in bestimmte Gruppen eingetheilt, und jeder einzelnen Gruppe recht zweckmässige, klare und präcise Erläuterungen vorangestellt . . . Die eben herausgekommene vierte Auflage reiht sich ihren Vorgänge- rinnen würdig an und verdient ihrer vielen Vorzüge wegen ebenfalls allen Medicinern warm empfohlen zu werden,“ Di’. Penz o 1 d urtheilt im Archiv für klinische Medicin, 42. Band, 6. Heft, wie folgt: „Das Lehrbuch, welches hier in Kürze angezeigt werden soll, hat unter Cloetta’s Namen seinen Weg bereits gemacht und sich in wenig Jahren eine grosse Verbreitung zu erringen gewusst. Es steht zu erwarten, dass es dui’ch die Bearbeitung Filehne’s den gewonnenen Ruf nicht nur erhalten, sondern noch vermehren wird. Denn es entspricht zunächst in hohem Maasse dem Bedürfniss der Studirenden, Während dieselben in Klinik und Poliklinik, sowie in ausführlichen Vorlesungen die Bedingungen und Art der Anwendung Aiaäemlsciie Verl®linciiliaiifllnii£ tou J, C, B. MOHR (Paul SleW) in ZFi-ei/burg i_ 3B_ Cloetta-Filehne, Lehrhuch der Arzneimittellehre und Arzneiverordnungslehre. von Arzneimitteln lernen sollen, bietet ihnen dieses Buch die Gelegenheit, sich an der Hand kurz gefasster therapeutischer Indicationen über das eigentliche Wesen der Arzneiwirkung auf den gesunden und kranken Körper zu belehren. Und dieses Studium wird ihnen durch eine klare, anregende, sich auf das Wesentliche beschränkende, die Discussion widersprechender Ansichten mög- lichst vermeidende Darstellung ausserordentlich erleichtert. Dazu kommt noch die Bequemlichkeit, in demselben Buch die Anleitung zur Erlernung der Arznei- verordnungen zu besitzen, welche zwar die praktischen Hebungen nicht zu er- setzen, aber doch wesentlich zu unterstützen vermag. Aber diese Vorzüge interessiren die Leser dieses Archivs eigentlich weniger. Für diese, die inneren Kliniker und Praktiker, ist die vorliegende Arzneimittellehre ein kurzes, prak- tisches Nachschlagebuch, wenn sie sich über dieses oder jenes Medicament rasch informiren wollen. Zwar wird sie ihrer ganzen Anlage nach dem be- rechtigten Wunsche des Arztes, gerade über die therapeutischen Erfolge vieler, besonders der neueren Arzneimittel ein auf eigene Erfahrung gegründetes ür- theil zu lesen, nicht immer gerecht: aber das ist auch gar nicht beabsichtigt. Dagegen wird es dem Praktiker gerade mit Hülfe dieses Buches leicht sein, diejenige Einsicht in die chemischen und physikalischen Wirkungen der Arznei- stoffe im Thierkörper zu gewinnen, welche zu einer sicheren und zielbewussten Anwendung in der Praxis unentbehrlich ist. Daher zweifelt Referent nicht, dass das vortrefflich ausgestattete und übersichtlich angeordnete Buch sich auch in diesen Kreisen zahlreiche Freunde erwerben wird.“ Die Privat-Irrenanstalt „Christophsbad“ * in 0-öppi;n.g,e;n._ 111, Bericht, Unter der Presse. ICONES NEEVOEUM CAPITIS. Editio altera atque emendatior. Fried. Arnold. 9 Tafeln mit Text. Folio. Cartonirt. 1860. 34 Seiten M. 18. Ennässigter Preis M. 10. Druck von Gebrüder Krönet in Stuttgart.