Ueber die LUNGENSCHWINDSUCHT. In augural- Dissertation von JP. Miaiiiburcis} Dr. ined., Chirurg, et art. obstetr. JVIiinelien. Druck von J. G. W e i s s, Universitätsbuchdrucker. 1855 TQI EAVTOr 2EBASTÖI nATPi ANTffiV'KJI KAAAIB0YPT2HI ANAPI (PIAEniSTHMONI KAI IIATPI lA0n0NH2A2 Vor rede. Indem ich eine Arbeit der Oeffentliehkeit über- gebe, deren Bearbeitung und Herausgabe mir die academischen Gesetze als Bedingung zur Erlan- gung der Doctorwiirde stellten, so glaube ich auf die Nachsicht des Lesers vollen Anspruch haben zu dürfen, da diese Art von Schriften die einzige ist, welche nicht, wie alle übrigen, an und für sich einer rücksichtslosen Kritik unterworfen, sondern in Hinblick auf die zu Gebote stehenden Mittel bcurtheilt zu werden berechtiget ist. Dass ich nicht den leichtesten Gegenstand zu meiner Inaugural-Dissertation gewählt habe, recht- fertiget das Princip, dass der Arzt besonders das- jenige, was einen grossen Thcil der leidenden Menschheit betrilFt, und einigermassen zur Linde- rung beträchtlichen Unheils dienen könnte, zu seiner Aufgabe sich machen muss. Ich glaube somit, da ich eine Krankheit abzuhandeln unternommen habe, durch die mehr denn ein Fünftel aller Leidenden dahin gerafft werden, und deren Spuren die Hälfte aller Leichen enthält, hierüber keine weiteren Gründe Vorbringen zu müssen. Die literarischen Hülfsmittel, welche ich zu Rathe zog, habe ich aus der älteren und neuesten Literatur geschöpft; hiebei benütze ich zugleich die Gelegenheit, den Herren Obermedicinalrath Dr. v. Weissbrod, Geheimrath I)r. v. Gietl und Obermcdici- nalrath Dr. v. Pfeufer, meinen hochverehrten Lehrern, den tiefgefühltesten Dank auszusprechen für die Güte und Bereitwilligkeit, mit der Sie mich bei dieser Arbeit literarisch unterstützt haben. München, im August, 1855. Der Verfasser. Definition. Wir verstehen unter Schwindsucht jede Vereiterung innerer Organe, die mit Zehrfieber verbunden ist, mithin un- ter Lungenschwindsucht, {(pttörj oder (pdioig nvev/.iovixr]), in weiterem Sinne des Wortes, jede Vereiterung der Lungensubstanz mit Husten und Auswurf eiteriger Massen. Die gewöhnlichste aber, fast die ausschliessliche Ursache der Lungenschwindsucht ist die Lungentuberkelsucht ([cpv- /tiaciooig nvevfxövtov, tuberculosis pulmonum), näm- lich das Vorhandensein von Tuberkeln in den Lungen. Geschichte. Die erste Erwähnung der Lungentuberkel machen die griechischen Aerzte, welche sich durch Sectionen von Hausthieren über diesen Krankheitsprocess zu unterrichten suchten. Hippocrates nämlich, oder der Verfasser der ihm zugeschriebenen Schrift „negl zur erzog na- Üior“, sagt darüber Folgendes: „rlvezcu de (b'deooc;) xai tjv (puucttcc ev xqj nheuftovi e/.i(pvij xcu nktjoitfj 8 vdaxng xal (>ayfj eg xd c£2g de yivexai xal and qn>[iccTiov vdeoog, xode (.ioi (.laQXVQiov xal ev ßoi xal ev xvvl xal ev v'i • /.idlioia yaQ xtdvde zezyanodiov ev zovcoioi yivexai ev xm nXev(.iovi, aneQ eyovinv vdwQ' yag yvolrjg xayiaxa, Qevaexai yag vÖioq. z/oxeei de xal ev ylveoÜai xoi- avxa nol.h~) fiäU.ov, r] ev TTQoßäxoiOLv, dxnoot xal zfj diaixrj emvovoq) ygid/ieSa /uaXhov“. Daher die Be- hauptung, dass die griechische Schule unter „cpvfxa nvev- /uöviov“ nur den Lungenabscess verstand , unhaltbar ist. Ferner finden wir in derselben Epoche die ersten Versuche zur Classification der Lungentuberkel, wie diess aus fol- gender Stelle der dem Coischen Arzte zugeschriebenen Schrift „usqI aQÜQtüv“ deutlich hervorgeht: „rpv(.iaxiaz cbg enl xd noXv xaxa zdv nvev/xova o xX t] qw v tioi xal aanenxDv dooioi dviozeoco zeuv epoe- vtöv xvepog fj“ u. S. w. Es gibt wohl wenige pathologische Producte, worüber so verschiedene und widersprechende Ansichten aufge- stellt worden sind, als über diese. Die hippocratische Schule betrachtete die Tuberkelmasse als zerfallenen Schleim oder Blut, welches mechanisch in die Lungen sinkend, nicht wieder ausgestossen werden konnte. Morgagni und Reid stimmten der hippocratisehen An- sicht bei. Baron und andere hielten die Tuberkeln für Hydatiden, welche, abgestorben, als fremde Körper im Organismus noch eine gewisse Zeit existirten, dann aber ausgestossen würden. Bayle schreibt die Tuberkelbildung der Scrofelsucht zu und lässt sie ohne Entzündung ent- stehen. Broussais hingegen, seiner einmal aufgesielllen Theorie getreu, sagt, dass er niemals Tuberkeln ohne 9 vorausgegangener Entzündung entstellen sah, lind wo er letztere nicht nachweisen konnte, da supponirt er sie, wie z. B. bei den Neugeborenen. Andere halten Tuberkel- bildung und Scrofelsucht für identisch, weil sie häufig bei scrofulösen Kindern Tuberkehnasse in den Drüsen fanden. Laenec, Morton, Gendrin und Schönlein schreiben die Bildung der Tuberkeln einer eigenen Saeftemischung zu. Laenec hat die Frage über die Textur der Tuberkeln un- beantwortetgelassen; erbetrachtet sie als etwas Lebendes, tlie Ursache seiner Entwickelung in sich Tragendes, ohne zu erklären, wie sich irgend eine der Vitalität fähige Or- ganisation in ihnen nachweisen lasse. Obwohl es bei der beschränkten Gränze vorliegender Arbeit nicht meine Absicht sein kann, alle aufgestellten An- sichten des historischen Interesses wegen zu erwähnen, sollen doch folgende noch als die hauptsächlichsten an- geführt werden. Man behauptete, dass die Tuberkeln aus faserstoffhaltigen Ablagerungen oder aus Gewebselementen durch eine eigenthümliche, oder, rationeller gesagt, unbe- kannte Umwandlung entstehen. Andere erklärten die Tu- berkeln der Lungen als unmittelbare Entzündungsproducte, wobei das Blut die Neigung hat, bei der geringsten Ge- legenheitsursache kleine Exsudate zu erzeugen, welche dann den ihnen eigentümlichen Rückbildungsproccss ein- gehen. Eine andere Erklärung des Ursprungs der Tuber- keln gab die humoral-pathologische Hypothese, dass näm- lich die Tuberkelmasse schon als solche im Blute vorhan- den sei, dass sie in den Capillargefässen stocke und so die Ablagerung der Tuberkeln entstehe. Der Umstand aber, dass die Phymatosis viel häufiger nur auf die Lun- gen, oder, höchstens, auf Lungen und Darmkanal bc- 10 schränkt ist und dass die im Verhältniss ziemlich selten vorkommende phymatöse Ablagerung in anderen Organen aus einer spätem Zeit datirt, als die in den Lungen, deutet darauf hin, dass die Beschaffenheit des Blutes allein das Entstehen der Lungenphyinatosis nicht verursachen kann. Unlängst wurde auch die Meinung ausgesprochen, dass die Lymphgefässe häufig eine Ruptur erleiden, wodurch die Lymphe austrilt, und diese Extravasate die Tuberkeln seien. In neuester Zeit wurde von Virchow über die Natur des Tuberkels die Ansicht aufgestellt, dass der Tuberkel sich nicht direct aus einem Exsudate, sondern aus einer Metamorphose organisirter Elemente, mögen diese nun aus einem Exsudat neu entstanden, oder mögen es die normalen Elementartheile eines Organes sein, entwickle. Durch so viele und so verschiedenartige Erklärungs- weisen wandelte die Pathologie, bis sie endlich, ohne je- doch es zu wissen, oder zugeben zu wollen, zu der An- sicht zurückkam, welche die hippoeratische Schule, keines der Hülfsmittel, mit denen der Forscher der neueren Zeiten ausgerüstet ist, besitzend, schon im grauen Alter- thume aufgestellt hatte. Obwohl es nicht zu läugnen ist, dass diese Theorie nach den neuen Begriffen der Physiologie und Pathologie ergänzt und genauer erörtert dargestellt worden ist, bleibt jedoch kein Zweifel, und gereicht es wiederholt zur Ehre des Vaters unserer Wissenschaft oder seiner Schüler, dass die Vorstellung, welche sich die griechische Schule über die Natur der Phymatosis der Lungen machte, in der Pathologie des Tages zur vollen Geltung gekommen ist. Wir wollen diese Ansicht, welche Heide in seiner ra- tionellen Pathologie weiter auseinandersetzt und als die 11 wahrscheinlichste erklärt und annimmt in der für eine Inaugural-Dissertation geeigneten Kürze besprechen. Die nächste Veranlassung ist nämlich, nach dieser Ansicht, die Verschliessung der Capillar-Gefässe der Lun- genläppchen. Als Ursache dieser Verschliessung betrachtet man entweder ein mechanisches Missverhältniss des Lu- mens der Gefässe zu dem Volumen der im Blute suspen- dirten Partikeln, und somit als Grund der Disposition zur Tuberkulose eine angeborene abnorme Enge der Capillar- Gefässe der Lungen, oder die Unvollkommenheit der Athembewegungen, wrobei die Strömung des Blutes in den Gefässen der Lungen träger, oder, vorübergehend, aufge- hoben wird, da die normale Kraft der abwechselnden re- spiratorischen Erweiterungen und Verengerungen des Brust- kastens zur Unterstützung des Lungenkreislaufs dient. Diese Ansicht scheint mir auch die wahrscheinlichste zu sein, weil dadurch erklärt wird, warum Schwäche der Athembewegungen der Phymatosis der Lungen vorangeht, und warum diese Alfection Vorliebe für die Lungenspitzen hat. Wenn nämlich die Thätigkeit der Respirations- muskeln verringert ist, so übernimmt das Diaphragma theilweise die Function der Respirationsmuskeln, die oberen Theile der Lungen füllen sich unvollständig mit Luft, ihre Capillargefässe, in denen das Blut stehen bleibt und ge- rinnt, werden dadurch unwegsam, und desswegen sind die Lungenspitzen so häufig der Sitz der ersten tuberkulösen Affection. Nachdem nun die Lungenläppchen durch diese Verschliessung ihrer Gefässe anhämisch geworden sind, gerathen in die nekrotischen Bläschen der Lungen Blut, Eiter oder Schleim von früheren catarrhalischen Alfectionen benachbarter Bronchialäste, oder bleiben zurück von frühe- 12 reu catarrhalischen Zuständen oder anhämischen Stellen selbst, können von den Lungenbläschen, welche ihre Con- traetililät verloren haben, nicht wieder ausgestossen wer- den und gehen so mit dem abgelösten Epithelium der feineren Bronchien und Lungenbläschen einen Rückbildungs- process ein. Diese Vorstellung über die Natur der Lun- gentuberkeln, welche ihre gehörige Erörterung in Henle’s rationeller Pathologie findet, und als die annehmbarste erklärt wird, führt zu der hippocratischen Ansicht zurück, und macht vollends geltend die Worte unseres Vorahnen: ,,oxotav 6 nlevf.i(ov cä/.ia eXxvaag eep' etovrbv, rj (pXey(.ia, [.trj anft ncchv, ahV avvnv xal , vnö xovvtiov (pv/nava cpiXei yiveo&ai sv k~> nXsv[.invi“ (cInnoxg. negl r. evi. nu#.). Man kann allerdings einwenden, dass nach dieser An- sicht nur die Phymatosis der Lungen, nicht aber die der anderen Organe erklärt wird, allein es muss auch hervor- gehoben werden, dass zwischen den Elementarkörperchen der Lungentuberkeln und denen der Tuberkeln anderer Körpertheile der Unterschied besteht, dass die ersteren in Essigsäure löslich sind, die letztem aber nicht. Tuberkelarten. Man unterscheidet drei verschiedene Arten von Tu- berkeln, die grauen, die Miliartuberkeln und die gelben, deren jeder eine eigene Metamorphose zukommt; somit hat jede Tuberkelart andere Stadien des Rückbil- dungsprocesses. 13 Der graue Tuberkel. Der graue Tuberkel ist meist rundlich, resistent, halb durchscheinend, hat ebenen und glatten Durchschnitt, tritt in beschränkten Ablagerungen auf und ist die unschuldigste Tuberkelart Die Umwandelung des grauen Tuberkels ist folgende; er ändert nach und nach seine Consistenz, wird dichter, verwandelt sich in ein hartes Höckerchen und durch Aufsaugung der thierischen Bestandtheile, sowie Zurückbleiben der Salze schrumpft er zu einer derben, amorphen, oder undeutlich faserig hornartigen Masse zu- sammen und wird somit für die Existenz des Körpers ganz unschädlich. Diesen Process nennt man Obsolcs- ccnz, Verhornung, Verkreidung (aKoxeQouooiv, dnoxQividiüiuv') des Tuberkels Der Miliartuberkel. Der Tuberkel dieser Art, welcher absolut und in kurzer Zeit tödtlich ist, erscheint als eine graue, bald weissliche, durchsichtige Granulation, wobei immer das Lungengewebe mit einer sulzigen Feuchtigkeit infiltrirt ist. Weitere Metamorphosen der Tuberkeln dieser Art habe ich nicht anzuführen, weil sie frühzeitig den Tod herbeiführen. Der gelbe Tuberkel. Der Tuberkel dieser Art stellt eine rundliche oder höckerige, aestige Masse dar, deren Durchschnitt rauh und uneben und deren Grösse verschieden ist. Die Me- tamorphosen, welche die Tuberkeln dieser Art durchma- chen, sind folgende: sie werden im Anfänge voluminöser, 14 lockern sich auf, werden feuchter und zerfliessen endlich in eine gelbliche glutinöse, käsige oder fettig-käsige Masse, und in eine molkige, dünne, säuerlich reagirende Flüssig- keit, den Tuberkeleiter, welcher flockige Partikeln enthält; sodann entstehen im Parenchyme der Lungen Höhlen, mit dieser Flüssigkeit gefüllt, die primitive Caverne (aQxnca q>vfxarixa xevih], vomicae, cavernae tuberculosae primitivae). Durch den Contact des Tuberkeleiters mit dem umgebenden Gewebe wird das benachbarte Gewebe angeäzt (corrodirt) und so entstehen die secundären Ca- vernen. Von jetzt an beginnt die eigentliche Phthisis tu- berculosa, so dass, wo die Phymatosis anfängt, ihre Selbst- ständigkeit zu verlieren, da die Lungenschwindsucht beginnt. Mikroskopische Elemente und chemische Beschaf- fenheit des Tuberkels. Die beständig vorkommenden mikroskopischen Ele- mente des Tuberkels sind: 1) Elementarkörperchen, deren mittlere Grösse zwischen yt40 und */,00 Millim. schwankt, 2) Elementarkörnchen von Vsoo bis ‘/400 Millim. Durch- messer, 3) ein- und mehrkörnige Zellen und 4) eine klebrige, mehr oder weniger durchscheinende Ausfüllungs- masse, welche gleichsam das Bindemittel zwischen den übrigen Formelementen des Tuberkels ist. Man findet ferner in der Tuberkelmasse, aber unbeständig, Fasern, die Membran der Lungenbläschen, Fett und Pigment. Die chemische Analyse, worauf bei der Veränder- lichkeit der so zusammengesetzten Tuberkelmasse, nur 15 wenig Werth gelegt werden kann, lehrt uns, dass die Materie des Tuberkels eine eiweissartige ist. Die zur Phymatosis disponirenden Ursachen. Die Phymatosis der Lungen ist mehr der nördlichen Zone eigen, und je südlicher man geht, desto seltener wird sie, da in den nördlichen Ländern die Lunge das thätigste Ausscheidungsorgan ist, während in südlichen Gegenden mehr die Leber, die Nieren und die Haut in Anspruch genommen werden. Je weniger kräftig also das Egestionsgeschäft der Lungen, desto geringer ist die Disposition zur Tuberkelbildung in denselben. In tiefer liegenden Gegenden kommen Tuberkeln der Lungen häu- figer vor, als in Gebirgsgegenden, und steht desshalb das Vorkommen der Tuberkeln der Verbreitung der Lungen- entzündung ganz entgegengesetzt. Ferner ist die erb- liche Anlage ein disponirendes Moment zur Phymatosis der Lungen, da es Thatsache ist, dass die Kinder der an der tuberkulösen Schwindsucht Gestorbenen häufig darin ihren Tod finden, und dass an den geöffneten Leichen Neugeborner Lungentuberkel vorgefunden wurden. Aus- serdem können Verkrümmungen des Rückgrates, welche eine bedeutende Verengerung des Brustkastens hervor- rufen und die gehörige Ausdehnung der Lungen verhin- dern, Ursache tuberkulöser Affection der Lungen werden. Der Umstand, dass diese Verkrümmungen auch Erweite- rungen des Brustkastens, wie Verengerung desselben zur Folge haben können, und dass bei den Bukligen in der Regel andere Bildungsfehler vorhanden sind, welche den Tod verursachen, ehe die Tuberkel sich entwickeln, hat 16 Veranlassung zu der Meinung gegeben, die Verkrümmten seien von der Lungentuberkulose sicher. Nach dem Be- griffe aber, welchen ich von der Natur der Affection als den wahrscheinlichsten in dieser Abhandlung angenom- men habe, ist die Immunität der Bukligen nicht annehm- bar, wenn „a'i tllevQcci ovk efrshwoiv eig to suqv odcu, to oirj&og o£o aU’ ov nlaiv ioci, xai rjooov ei'QvxtoQLijVbxovoiv cu xoihiai ai to tivevf.ici dtyof-isvai xcu 7igonif.iTvovaai, di o dvgnvooi xai xEqyvwdeig oi roiov- toi“ CInnoxQ. ueqI aoihgaiv), um die treffliche Bezeich- nung des Vaters unserer Wissenschaft oder des sonstigen Verfassers zu gebrauchen. Ich bin im Gegentheile berech- tigt mit meinem Landsmann zu glauben, dass solche Ver- krümmte yCpvf-iaiiai tog erii to noKv xacct tov nverf-iovcc oxltjQwv eiol cpvf-Kxvcov xai aGnimiov“ da auch be- kanntlich Deformitäten des Brustkastens in Folge von be- deutenden und schlecht geheilten Rippenbrüchen aus glei- chen Gründen disponirendc Momente zur Erzeugung der Lungentuberkeln sind. Die Lungenphymatosis kann in jedem Alter Vorkom- men, doch ist sie in gewissen Zeitabschnitten des Lebens häufiger, als in anderen und zwar ist sie bis zum vierten Jahre ausserordentlich selten; am häufigsten trifft sie in dem Alter vom 20—35 Jahre ein und zwar in der Weise, dass Frauen mehr in den jüngeren, Männer mehr in den höheren Jahren davon befallen werden. In der Altcrs- disposition scheinen jedoch die verschiedenen Nationali- täten einige Modificationen zu bedingen, in der Weise, dass in England und Frankreich die höchste Mortalität der Tuberkulose bei Erwachsenen in ein etwas früheres Alter, als in Deutschland fällt. 17 Ueber den Einfluss, welchen das Geschlecht auf die Entwickelung der Krankheit hat, besitzt die Pathologie keinen bestimmten Aufschluss. Einige Statistiken spre- chen für ein Ueberwiegen heim männlichen Geschlechte vor dem weiblichen; die Beobachtungen Anderer er- geben, dass in den verschiedenen Altersstufen ein Un- terschied der Geschlechter rücksichtlich der Disposition obwaltet. Nach den Angaben aber der meisten Beob- achter lässt es sich annehmen, dass die Mehrzahl der von der Lungenphymatosis Befallenen weiblichen Geschlechtes ist, was auch von vorne herein begreiflich ist, denn bei den Weibern herrscht mehr sitzende Lebensweise, wo- durch mangelhafte Erweiterung des Brustkastens bedingt wird; ferner wirken der Missbrauch des Tanzes, der Ge- brauch der Sehntirbrüste, die Schwangerschaften, die Wo- chenbetten , das Säugen, die zärtliche Empfindlichkeit des Gemüthes und andere Momente schwächend bei Frauen auf die Respirationsorgane ein. Von grosser Wichtigkeit für die Erzeugung der Lungentuberkeln ist die Beschäftigung. Alle diejenigen Handwerker, deren Beschäftigung sie nöthigt, in einer, mit Staubtheilchen geschwängerten Atmosphäre zuzubrin- gen, sind häufig der Lungenphymatosis ausgesetzt, wie Müller, Bäcker, Steinhauer, Maurer, Nadelfabrikanten, in den früheren Zeiten Friseurs, wegen der beständigen At- mosphäre von Puder, diejenigen, welche die Bearbeitung der Seidenwürmer - Cocons besorgen, Wollarbeiter u. s. w. Zu den disponirenden Ursachen gehören ferner das for- cirte Schreien, das Declamiren, das schlecht beaufsichtigte Singen und das missbrauchte Spielen auf Blasinstrumenten. Ferner alle schwächende Momente, als übermässige 18 Geistesanstrengungen, trübe Gemüthsstimmung, schlechte mul sparsame Nahrung, geschlechtliche Excesse, vorzugs- weise Onanie, dürfen als äusserst wirksame Ursachen der Krankheit angenommen werden; jedoch eine einzige Schäd- lichkeit ist nicht genügend die Entstehung von Tuberkeln zu veranlassen, sondern nur die Verbindung mehrerer solcher Krankheitsursachen; darum ist die Krankheit häu- figer bei den Armen, als bei den Reichen, häufiger in der Stadt als auf dem Lande. Der unmittelbare Einfluss des Temperaments auf die tuberkulöse Affection der Lungen ist nicht bewiesen worden, und der sogenannte phthisische Habitus (cpÖLOiKi} muss als Folge und nicht als vorbereitendes Moment betrachtet werden. Die Ansicht, die Lungenphymatosis sei contagiös, ist vom Volke aus in die Wissenschaft übergegangen. Morgagni vermied jede Sektion eines an Schwindsucht \ erstorbenen. Der Volksglaube spricht an der ganzen nördlichen Küste des Mittelmeeres für die Ansteckung durch Schwindsüchtige; man verbrennt die Utensilien und Kleider der Verstorbenen, und allerdings verdienen die engen Schniirbrüste und Gür- tel der Hingerafften zur Verbrennung verdammt zu wer- den, als wahrscheinliche Ursache der Krankheit, nicht aber als Träger eines Contagiums. Die Mehrzahl der Stimmen neigt sich, mit Recht, nicht zur Annahme der Contagio- sität hin. Wenn wir betrachten, dass in der Regel die erwähnten, oder einige der erwähnten Ursachen zugleich auf alle Mitglieder einer und derselben Familie wirken, dass die erbliche Anlage hinlänglich die der Contagiosität zugeschriebenen Fälle erklären lässt, und dass die Natur der Phymatosis nichts Specifisches annehmen lässt, wie dies bei der Cholera, den Pocken, Masern, dem Typhus und 19 den übrigen contagiösen Krankheiten der Fall ist, fühle ich mich auch bestimmt, mich unter die Reihe derjenigen, welche die Krankheit als durchaus nicht contagiös erklären, zu stellen; insoweit nur kann man das Zusammenwohnen mit Phthisikern, welche schon die colliquativen Symptome haben, als ein zur Phymatosis disponirendes Moment be- trachten, als es auch allerdings ein schwächendes Moment ist, welches sowohl das Gemiith, besonders bei dem so eingewurzelten Volksglauben der Contagiosität, nieder- schlägt, als auch die hygiäischen Bedingungen durch die, so zu sagen, phthisische Atmosphäre beeinträchtigt. Verlauf. Die tuberkulöse Phthisis der Lungen verläuft sowohl acut als chronisch. Der acuten Phthisis (cpüiaig rj ävd-rioct, oder cp. rj d-snvoa, phthisis florida, gallopirende Schwind- sucht) verfallen besonders junge blühende Personen, Mädchen mit Menstruationsstörungen und Frauen nach der Entbindung. Die chronische Lungenschwindsucht (cptfioig rj XQovia), welche die häufigste ist, kommt mehr bei schwäch- lichen, in vorgerücktem Alter sich befindlichen Leuten vor. Die acute Tuberkulosis, nämlich die Form, welche eine höchst täuschende Aehnlichkeit mit Typhus hat und zwi- schen dem zwölften und dem fünfzigsten Tag den Tod herbeiführt, liegt billiger Weise ausserhalb der Tendenz vorliegender Schrift, da sie sich nicht als Schwindsucht, sondern als eine acute fieberhafte Krankheit darstellt. Symptome und Prognose der acuten Phthisis. Im Beginne der Krankheit entstellt ein hartnäckiger, auffallsweise auftretender Husten, welcher besonders Nachts 20 zunimmt und von keinem oder von wenigem, oft mit Blut punctirlen Auswurf begleitet ist. Dieses Symptom, welches eines der constantesten ist, jedoch auch, obwohl selten, fehlen kann, ist offenbar die Wirkung des Reizes, der durch die vorhandenen Tuberkel auf das Lungengewebe hervorgebracht wird. Häufig fängt die Krankheit mit mehr oder minder starken Hämoptysen an. Dabei fühlt der Kranke, hauptsächlich des Abends, wiederkehrende Op- pression oder hat vorübergehende und seltene Schmerzen an verschiedenen Stellen der Brust und besonders zwi- schen beiden Schultern, wo sie sich bisweilen fixiren. Dabei fühlt sich aber der Kranke wohl, nur wird er etwas matt, kommt leichter ausser Athem, seine Stimme wird klanglos oder heiser. Der Kranke magert immer mehr ab, obwohl ihm der Appetit nicht fehlt, er sieht erhitzt aus, besonders nach Tisch, wo die Wangen, und zuweilen die eine mehr als die andere, von einer unnatürlichen Röthe brennen. Der Puls nimmt eine grosse Häufigkeit au. Bald stellt sich nun auch des Abends Frösteln ein, worauf klebrige, fette, besonders des Morgens ausbrechende Schweisse folgen, die aber oft auch jedesmal, sobald die Kranken einscldafen wollen, wiederkehren, bisweilen all- gemein, jedoch meistentheils nur auf Haupt, Hals und Arme beschränkt sind, worauf die Phthisiker sich entkräftet fühlen. Jetzt wird der Husten feucht und ist folglich fin- den Kranken weniger beschwerlich, bringt ihm auch keine Erleichterung. Der Auswurf ist eine zerfliessende, graugelbe Flüssigkeit. Die Stimme wird immer klangloser, was ent- weder von einem krankhaften Zustand des Kehlkopfes, z. B. von einer Entzündung desselben, der Anwesenheit von Tuberkeln und Geschwüren abhängt, oder, mancli- 21 mal, ohne dass der Kehlkopf geschwollen, oder heim Drucke schmerzhaft ist, sich doch offenbart. Bei der Percussion wird matter Ton und bei der Auscultation Abwesenheit des respiratorischen Mürmelns an der Stelle, wo Tuberkel- massen existiren, wahrgenommen; dagegen um diejenigen Punkte der Brust, welche Tuberkelhöhlen entsprechen, grösserer Wiederhall der Brustwandungen, metallisches Klingen, cavernöse Respiration, Gegurgel und Pectorilo- quie. Es stellt sich auch Diarrhöe ein, welches Symptom fast bei allen Lungenschwindsüchtigen zugegen ist. Der Umstand, dass die Diarrhöe in den meisten Fallen erst zur Zeit der Erweichung der Tuberkeln anfängt, und dass bei Kindern, welche die Sputa nicht auszuwerfen, sondern zu verschlucken pflegen, Durchfall im Laufe katarrhalischer Pneumonien sich entwickelt; macht mir auch die Vermu- thung Pfeufers höchst wahrscheinlich, dass nämlich die Er- krankung des Darmkanals in der Berührung der Darm- fläche mit den Eitermassen, die durch die Luft- und Speiseröhre in den Darm gelangen, ihren Grund hat. In weiterem Verlaufe der Krankheit fiebert der Kranke be- ständig, der Appetit nimmt ab, grosser Durst gesellt sich hinzu, die Zunge belegt sich, und der Kranke geht raschen Schrittes dem Tode entgegen, dem oft Aphthen, Delirien und Sopor vorangehen. Die Prognose ist entschieden ungünstig. Wenn es nicht gelungen ist, die Heilung der Tuberkelkrankheit zu bewirken, so wird es der Kunsthülfe noch schwieriger ge- lingen, die Schwindsucht zu heilen. Junge Personen, be- sonders zur Zeit der Geschlechtsentwickelung, sind viel weniger zu erhalten, als ältere Leute. Von übler Be- deutung ist es, wenn der Auswurf stockt, dagegen das 22 Ohr eine Ueberfüllung des Lungenorgans mit Flüssigkeit wahrnimmt. Die Mehrzahl der Fälle nimmt gewöhn- lich zwischen dem zweiten und zwölften Monat tödtlichen Ausgang; diese Form geht jedoch, was nicht selten ge- schieht, in die chronische über. Es werden auch einzelne Beispiele angeführt, wo Heilung einlrat. Symptome und Prognose der chronischen Phthisis. Die chronische Phthisis, welche die häufigste Form ist, zeigt im Verlaufe die grössten Mannichfaltigkeiten und Schwankungen. Entweder beginnt sie nur mit Mattigkeit und wenig auffallender Abmagerung, oder nur mit einigen oder mit allen Symptomen der acuten Phthisis. Eine strenge Ordnung, nach Stadien, in der Schilderung des Verlaufes können wir nicht beobachten, da sich die Symp- tome auf die verschiedenste Weise combiniren und die Entwickelung der Tuberkeln geschieht nicht in der Ge- sammtheit stufenweise, sondern es finden sich rohe Tu- berkel, erweichte Massen und Höhlen zu gleicher Zeit. Man kann nur sagen, dass die Symptome der acuten Phthisis hier auch die Hauptsymptome sind, und dass sie von Jahr zu Jahr zunehmen; allmählig schwindet das Fett, der Körper magert ab, die Fiebererscheinungen wer- den stärker, die Absonderungen nehmen immer mehr zu. Oft aber, selbst nachdem die Symptome einen hohen Grad erreicht hatten, treten monate- selbst jahrelange Pausen ein, und cs scheint, dass dies gerade dann ge- schieht, wenn die Tuberkelmasse sich entleert und Cavcr- nen sich gebildet haben. Diese Pausen lallen meist in 23 (len Sommer, wo auch die Durchfülle häufiger Vorkommen; dagegen die Hautsecretion im Frühjahre und Winter pro- fuser ist, wiewohl man eigentlich das Umgekehrte erwar- ten sollte. Der Auswurf wird immer dünnflüssiger, miss- farbiger und stockt oft ganz, der Schweiss wird immer profuser und klebriger, während die Haut dabei immer mehr erschlafft. Der Brustkasten nimmt im obern Theile stets mehr an Umfang ab und nähert sich der Form eines abgestumpften Kegels. Merkwürdiger Weise behält der Kranke immer Hoffnung zur Genesung, und man kann nicht genug die Güte des Schöpfers bewundern, der den elend Kranken seine Leiden vergessen lässt, und ihm die Himmelsgabe — die Hoffnung — aus voller Schaale reicht. Der Kranke geht unter der Zunahme der obengenannten Erscheinungen endlich zu Grunde; der Husten wird an- haltender und quälender, die in grossen Höhlen ange- sammelte Flüssigkeit kann nicht mehr ausgeworfen wer- den, der Auswurf lässt oft ganz nach, dagegen wird die Ansammlung in den Tuberkelhöhlen immer stärker, die Flüssigkeit dünnflüssiger, oft übelriechend. Die Auscul- tation lässt uns oft ein brodelndes, schwappendes Ge- räusch vernehmen, und Bruststimme ist nicht allein hörbar, sondern auch fühlbar und besonders dann, wenn das Lungenfell mit dem Rippenfell verwachsen ist. Die Kranken fangen endlich gegen Abend zu deliriren an und so sterben sie entweder unter den Zeichen des Ge- hirndruckes oder zuweilen sterben sie sanft und das Her- annahen des Todes fühlend. Die Prognose ist besonders bei dieser Form sehr übel, denn der Tod, welcher zwischen dem ersten und zwanzigsten Jahre erfolgt, ist der häufigste Ausgang. Es 24 unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass dem Heilbestreben der Natur und Kunst die Heilung der Phthisis zu bewirken gelungen ist. Die Tuberkelmasse wird durch einen odei mehrere Luftröhrenäste entleert und die Höhle selbst wird meistens von einer Membran ausgekleidet und entweder durch Verwachsung derselben beseitigt, oder durch schich- tenweise Ablagerung von Pscudomembranen und die Bil- dung von Bändern und Fasern alhnählig verkleinert und unschädlich gemacht. Prophylaxis. Ich will der eigentlichen Therapie einige Bemer- kungen über die prophylaktischen Massregeln gegen diese so allgemein verbreitete Krankheit vorausschicken. Und allerdings, wenn man bedenkt, dass die Phthisis pulmona- lis weder Alter noch Geschlecht verschont, dass der Fö- tus innerhalb der Gebärmutter, der Säugling, der reifende Jüngling, der Mann und der Greis, dass Alle ihrem ver- derblichen Einfluss erliegen, ferner, indem man sieht, dass in Familien, welche in Stolz, Freude, von Hoffnungen er- füllt, heranwachsen , sich der Schönheit in jeglicher Ge- stalt erfreuen, und Geisteskraft auf der leuchtenden Stirne tragen, die ältesten Kinder das Aller der Pubertät hoff- nungsvoll überschreiten, aber erst dann zu Opfern der Krankheit fallen, und ihnen die anderen eins nach dem andern ins Grab folgen, muss man nicht nur die schon ausgebildete Krankheit zu beschränken suchen, sondern auch die einzutreten drohende abzuwenden. Gehen wir auf die individuell disponirenden Momente, so finden wir hier zuerst die erbliche Anlage. Es ist 25 wichtig, dass die physische und psychische Erziehung der Kinder, welche die erbliche Disposition von den Eltern geerbt haben, so eingerichtet werde, dass die Anlage möglichst verwischt und unschädlich gemacht wird. Eine zweckmässige Ernährung durch angemessene Verbindung der vegetabilischen mit den animalischen Nahrungsmitteln, eine geeignete Leibesbewegung, Uebung der Muskelkräfte durch Turnen und Schwimmen, Vermeidung des Tanzes und einengender, die Ausbildung des Brustkastens ver- hindernder Kleidung, und eine gerade Haltung des Kör- pers sind hier sehr wichtige Hülfsmittel. Die geistige Entwicklung muss eher zurückgehalten, als beschleunigt werden. Ferner muss man den Praedisponirten den kli- matischen und endemischen Einflüssen entziehen, und ihn nach niederen, weniger dem raschen Wechsel der Tem- peratur ausgesetzten, besonders südlichen Gegenden schi- cken, wo die Atmosphäre mit feuchten Dünsten geschwän- gert ist, ohne jedoch nebelig zu sein. So wären zur Uebersiedelung des Schwindsucht-Candidaten Madeira, Rom, Lucca, Sienna, die Gegenden von Palermo, die bepflanzten der griechischen Cykladen, Algier und Kairo geeignet. Die Kleidung muss gleichmässig warm, im Som- mer nicht zu heiss, im Winter leicht sein. Schnürbrüste und sehr gespannte Hosenträger sind zu verbieten. In Bezug auf Diät scheint eine scrupulöse Sorgfalt nicht nothwendig zu sein, wenn nur concentrirte, nährende Speisen gewählt werden. Ferner ist es praedisponirten In- dividuen abzurathen, in einem zu frühen Alter vor voll- endeter Entwickelung eine Ehe einzugehen. Da die Be- schäftigung der Leute, wie wir gesehen haben, von Wich- tigkeit ist, sind die im aetiologisehen Abschnitte angeführ- 26 len Beschäftigungen bei vorhandener Disposition durchaus zu vermeiden. Zeigt sich aber bei sonst gesunden Leuten, die eines dieser Gewerbe treiben, ein kurzer Husten, Schwerathmigkeit und Blutspeien, und gibt die Percussion und Auseultation dem Verdachte der Tuberkelbildung Baum, so muss die Lebensweise mit einer andern ver- tauscht werden. Therapie. Bei der acuten Form, wenn die Symptome mit Hef- tigkeit auftretcn, muss die Krankheit als Bronchitis oder Pneumonia behandelt werden. Wenn der Verlauf weniger acut ist, muss die Behandlung jener der chronischen Phthi— sis ähnlich sein. Die Behandlungsweise bei der chronischen Form ist folgende. Die in dem Abschnitte über die Prophylaxis angeführten Massregeln müssen, sobald die Krankheit dia- gnosticirt wird, kräftig getroffen werden. In diätetischer Beziehung kommt Alles darauf an, dem Körper möglichst nährende und geeignete Nahrungsmitteln zuzuführen, um das täglich durch die Consumtion verloren gehende Ma- terial zu ersetzen, den Verdauungskanal nicht zu belästi- gen und den Verdauungsprocess nicht zu stören. Die Nahrungsmittel müssen also leicht verdaulich sein, viel Nahrungsstoff in kleiner Quantität enthalten, und mit Rück- sicht auf die Individualität der Kranken, welche gegen einige Nahrungsmittel Widerwillen haben, oder auch die- selben nicht verdauen können, gewählt werden. Unter den flüssigen Nahrungsmitteln stehen oben an Milch und Fleischbrühe. Milch muss eine solche gewählt werden, welche verhältnissmässig geringeren Gehalt an 27 Butter und Käsestoff, als an Milchzucker hat, denn Bulter- und Käsestoff sind schwerer zu verdauen als der Milch- zucker. Es ist also die Eselsmilch, als solche, die geeig- netste für Schwindsüchtige, weniger ist es die Ziegen- milch, und noch weniger die Schaaf- und Kuhmilch. Die Milch muss von jungen, gesunden Thieren genommen werden. Wenn der Kranke es verträgt, so ist es am besten, die Milch so warm wie sie vom Thiere kommt zu trinken; verursacht sie so Beschwerden, so muss sie • entweder aufgekocht, oder mit einem Zusatze von Sel- terser Wasser, aq. cinnam. oder aq menth. piper. ge- trunken werden. In der Regel trinken die Kranken Mor- gens und Abends einen Topf frisch gemolkene Milch, wird aber der Milchgenuss übertrieben, so verliert sich die Esslust, die Kranken fühlen sich übel, und bald muss man zu einer manichfaltigeren Kost zurückkehren. Sind die Verdauungskräfte des Kranken zu schwach, so scheidet man die Butter und den Käsestoff ab und reicht dem Kranken die Molken. Unterwirft man den Kranken einer förmlichen Milch- kur, so lässt man demselben ausser der frischen Milch noch Fleischbrühe von Hühner- oder Kalbfleisch geben; durch Einrühren eines Eigelbs kann man die Fleischbrühe nahrhafter machen. Gleichzeitig kann der Patient reife, süsse Trauben geniessen, aber der sogenannten Trauben- kur darf er sich nicht unterwerfen. Auch die Fische geben für die Schwindsüchtigen eine sehr gute Speise ab, und man hat unter ihnen eine ziem- lich grosse Auswahl; unter den Seefischen hat man Solen, Steinbutten, Merlane, Makrelen, unter den Süsswasser - fischen Hechte, Forellen, Karpfen u. s. w. 28 Indem nun der Arzt genanntes diätetisches Verfahren anräth, darf er dabei nicht versäumen, nach etwaigen be- sonderen Ursachen der Krankheit zu forschen und sie zu beseitigen suchen So lange die Krankheit nicht vorge- rückt ist, kann jeder Gebrauch eigentlicher Medicamente umgangen werden. Wenn aber der Husten anhaltender wird und reichlicheren Auswurf zuwege bringt, das Fie- ber an Intensität und Extensität gewinnt, der Kranke im- mer mehr abmagert, und die Sclnveisse und Diarrhöen beträchtlicher werden, muss zur medicamentösen Behand- lung geschritten werden, unter Beobachtung einer noch immer stärkenden Diät. In dieser Periode aber werden wir es hauptsächlich mit der Beseitigung lästiger Symp- tome zu thun haben. Da der Leberthran sowohl den Hustenreiz und den Auswurf vermindert, als auch auf den gesammten Organismus ernährend wirkt, so soll auch nie- mals in dieser Periode der Krankheit sein Gebrauch ver- säumt werden. Man verordnet ihn Anfangs täglich vier- mal zu einem halben, dann zu einem ganzen Esslöffel Zuerst tritt uns, als ein lästiges, dem Kranken den Schlaf raubendes Symptom, der Husten entgegen. Hier giebt es fast nur ein souveränes Mittel, das Opium; cs geht in dieser Hinsicht allen narkotischen Mitteln, auch der Blausäure voran. Man reicht dieses Mittel entweder in Substanz, oder als Tinktur. Doch dürfen keine ent- zündlichen Reizungen und keine eolliquativen Schweisse vorhanden sein, weil es beide Zustände vermehrt. Den- noch giebt es Fälle, wo beim Vorhandensein der eolliqua- tiven Schweisse der Kranke so sehr vom Husten gequält wird, dass er des Schlafes entbehrt und dadurch immer elender wird, wo wir das Opium reichen müssen, um 29 eine Linderung zu bringen. Nach dem Opium ist das Bilsenkraut, die Digitalis und die Blausäure, auch das blausäure Zinkoxyd zu empfehlen. Wenn der Auswurf copiös ist, muss er beschränkt, wenn er aber plötzlich stockt, befördert werden. Für letzteren Zweck dienen schleimige Mittel, kleine Dosen von Antimon und namentlich Salmiak, für den ersteren Decoct. liehen, island., polygalae, essigsaures Blei, Chlor- kalk und schwefelsaures Eisen. Der Lichen islandicus empfiehlt sich sowohl durch seinen Gehalt an einem bit- teren tonischen Stoffe, als auch durch seinen gleichzeitigen Reichthum einer schleimigen und gallertigen Substanz. Die Polygala, welche vor Alters ein hochgeschätztes Schwindsuchtsmittel war, verordnet man, wie Engelhardt vorschreibt, in folgender Formel: Rec. Rad. Polygalae 3j, coque c. Aq. font. fö. j, ad reman. Colat. 3 viij, adde Rad salep. pv. 3 ß, Extr. Chinae aq. 3 ij, Extr. Digit. 3 ß, Mell. 3 j. M. D. S. Alle 2 St. 1 Essl, voll z. n. Das essigsaure Blei, das auch in Frankreich seit einigen Jahren sehr üblich geworden ist, ist ein mächtiges Mittel, den reichlichen Auswurf zu beschränken und den laxen Zustand der Gewebe aufzuheben; aber die Anwen- dung desselben muss mit grosser Vorsicht geschehen, weil sehr leicht das Verdauungsorgan dadurch geschwächt wer- den kann. Den Chlorkalk verordnet man am besten zu 5, später zu 2 ß täglich in einem Decoct. Altheae. Das schwefelsaure Eisen gibt man für genannten Zweck am besten nach Grieffifs Vorschrift: Rec. Ferri sulphurici 3j, kali carbon. dep. gr. XXV, solve in Aq. Menth, crisp. 3 viij, adde Myrrh. pulv. 3j, antea c. Sacchar. alb. 3 ß. contrit. M D.S. Wohl geschüttelt 4 mal täglich 1—2 Esslöflel z. n. 30 Gegen die Dyspnoe, welche vielen Phthisikern äus- serst peinlich ist, wendet man Einreibungen von Spirituo- sen Mitteln, Alcoholüberschläge an, und während eines Anfalls von Athemnoth lege man einen Senfüberschlag zwischen die Schultern. Häufig macht der Blutauswurf, der in Folge der Zerfressung von Blutgefässen auftritt, eine eigene Behand- lung nothwendig; oft ist er so heftig, dass der Kranke unterliegt. Auch in Folge von Congestionszuständen nach der Brust tritt im ersten Stadium Bluthusten ein. Wir können demnach hier einen Blutfluss aus organischer Ur- sache, und einen in Folge des aktiven Blutandrangs ent- stehenden unterscheiden. Was dessen Behandlung betrifft, so muss diese dahin gerichtet sein, den Andrang von Blut nach den Lungen zu vermindern, die Contraktions- fähigkeit der zerrissenen Gefässe zu befördern und so die Schliessung derselben herbeizuführen. Demnach muss beim acliven Congestionszustande, wenn der Zustand des Kran- ken es fordert und der Puls keine Gegenanzcigen gibt, ein Aderlass gemacht werden. Ausserdem leisten auch die abieitenden Mittel, unmittelbar nach dem Zufall ange- wandt, gutes; so die Handbäder mit Senf, das Auflegen von Senfteigen auf die Fusssohle und die Waden. Inner- lich gibt man von den Adstringentien vor allen Ratanhia- Extract in Verbindung mit Opium, um zugleich gegen den Husten zu wirken, und zwar nach folgender Formel: Rec. Extr. Ratanhiae gr. xv (—3 ß), Extr. Opii. gr. j, Aq. desl. 3 jv, Syrup. Mones. 3 j, M. D S. Alle Stunden 1 Essl. voll. Ferner ist grosse Ruhe und Vermeidung des Sprechens anzurathen. Wenn auch Beschwerden im Halse vorhanden, 31 in Folge einer Entzündung des Kehlkopfes und der Luft- röhre das Schlingen erschwert lind schmerzhaft ist, und die Reizung des Kehlkopfs häufigen Husten veranlasst, lässt man Blutegel an den Hals setzen. Das Aetzen der Kehlkopfschleimhaut ist bei den Phthisikern verwerflich. Es ist ferner gleichförmige Wärme des Halses, Vermei- dung des Sprechens und jeder Anstrengung angezeigt. Die Schweisse verlangen schwefelsaures Chinin, wovon man Abends 1 oder 2 Pillen, jede mit 2—3 Gran Medieament gibt; allmählig kann man jedoch mit der Gabe bedeutend steigen. Die Salvia officinalis als Thee getrun- ken und die Fett- oder Oeleinreibungen sind gegen dieses Symptom sehr wirksame Mittel. Ferner darf sich der Kranke nicht in ein zu sehr erwärmendes Bett legen und die Temperatur des Zimmers soll selbst im Winter nicht mehr als 12—13° R. sein. Gegen die Diarrhöe wendet man Anfangs schlei- mige Mittel, öhlige Emulsionen und bei Fortdauer der- selben Dovver’sche Pulver, Ratanhia, Kino, Klystiere mit Amylum und Opium an. Gegen das Fieber habe ich kein erprobtes Ver- fahren anzuführen; höchstens kann man den Kranken während des Fiebers kühlende Getränke trinken lassen. Die anderen Symptome, so wie eine hinzutretende Krankheit behandelt man nach den bekannten Regeln, ohne jedoch die Hauptkrankheit unberücksichtigt zu lassen, und ohne darnach eine Modification sowohl der symptoma- tischen als der gegen die hinzugetretene Nebenkrankheit indicirten Behandlung zu versäumen. MED. CHIRURG. ET ART. OBSTETR. DOCTOR, EQUES ORD MER. SS. MICH., ASSESS. IN RE MED. SUPREM. PROFESSOR PUBLICUS ORDINARIUS MED. IN ALMA LUDOVICO-MAXIMILIANEA, ET FAC. MED. ASSESSOR ET H. T. DECANUS, AD 1§ 11 # Ir II t fl> li 11 n ' PIJBLICAM PEÄISIB1 PERILLUSTRI DOCTISSIMO ATQUE EXPERIENTISSIMO YIRO AC DOMINO JllNil HIP. II KIM, MED. CHIRURG. ET ART. OBSTETRIC. DOCTORE, CONSILIAR. IN RE MED. SUPREM. PROF. PUBL. ORD., FACULTAT. MEDIC. etc. PRO SDMMIS IN MEDICINA, CHIRÜRGIA ET ARTE OBSTETRICIA HONORIBÜS RITE AC LEGITIME OBTINENDIS A PRAECLARO ET PERDOCTO YIRO AC DOMINO Plfil GÄLLIBURCE, NAXIENSI-GRAECO, »IE IV. JTIEXSIS JULII ANSI MDCCCLV. IIOKV X. HABENDAM RECTOREM ACADEMIAE MAGNIFICUM, PATRES CONSCRIPTOS, OMNIUM ORDINUM PROFESSORES, CIVES ACAüElMICOS, LITERATOS DENIQUE AC LITERARUM FAUTORES OMNI, QUA PAK EST, OBSERVANTIA INVITAT. 1H0MCHII, EX TYPOGRAPHIA ACADEMICA J. G. WEISS. Ouaestio Praesfdis: De causa morbi perfecta. Qnaesti« Promorendi: De natura morbi tuberculorum. THESES DEF ENDEND JL 1) Sicuti in infusione aer irrumpens ita in haemorrhagia profusa aer ex sanguine in yasis partim vacuis evolutus causa mortis est. 2) Lien verosimile est organon, quo globuli sanguinei rubri dilabuntur. 3) Anatomia pathologica sine chemia medico inutilis. 4) Yocibus „vis vitalis“ sive „vis organica“ multi abutuntur. 5) 1OxÖTC'V 6 TiXsviuov al/ua tXxuaas i