Aus dein LV. Bde. d. Sitzb. d. k. Akad. der Wissensch. II. Abth. März-Heft. Jahrg. 1807. Über die Ausscheidung des Stickstoffes der im Körper zer- setzten Albuminate. Von Prof. Dr. Josef Seegeii. (Vorgelegt in der Sitzung vom 21. März 1867.) Ich habe vor mehreren Jahren Untersuchungen über den Ein- fluß des Glaubersalzes auf einige Factoren des Stoffwechsels ausge- fülirt. Da ich mir die Aufgabe gestellt hatte, die Einwirkung der wichtigsten in den Mineralwässern vorkommenden Salze auf den Stoffumsatz kennen zu lernen, wollte ich zunächst die Wirkungen des kohlensauren Natron» zum Gegenstände der Untersuchung machen. Aufschluß über die Umsetzung der Fettgebilde ist nur mittelst eines Respirationsapparates zu erhalten. Da mir ein solcher nicht zu Gebote stand, wollte ich wie heim Glaubersalz meine Untersuchungen wieder ausschließlich auf die Umsetzung der Eiweißgebilde richten. Die Grundlage für solche Untersuchungen bildet die Annahme, daß aller umgesetzte Stickstoff im Koth und Harn erscheine. Bisch off und Voit haben bekanntlich diese Annahme als Gesetz formulirt. Bise hoff hatte zuerst ausgesprochen, der Harnstoff sei das Maß für den Stoffumsatz und Voit hat auf Grundlage seiner zahlreichen Untersuchungen es als unumstößliches Axiom aufgestellt, daß aller umgesetzte Stickstoff einzig und allein durch Harn und Koth aus dem Körper entfernt werde. Mit Recht hält Voit') diese Anschauung für den Angelpunkt, um den sich die zum Zwecke des Studiums der Umsetzung der stickstoffhaltigen Substanzen angestellten Untersu- chungen von Harn und Koth drehen — „denn wie kann man den Stickstoffumsatz unter verschiedenen Bedingungen feststellen wollen, wenn man einen unbestimmten Theil davon verliert.“ Als ich meine Untersuchungen begann, hatte ich das von Voit und Bisch off auf- gestellte Gesetz als Grundlage adoptirt. Die wichtigste Stütze für *) Voit: Untersuchungen über die Ausscheidungswege der stickstoffhaltigen Zer- setzungsproducte etc. Zeitschrift für Biologie. II. Bd. 1. Heft. S e e g e n. dieselben waren jene Versuchsreihen, in welchen während einer lan- gen Fütterungsperiode bei gleichbleibendem Körpergewichte aller Stickstoff der Nahrung im Harn und Koth erschien. Gegen die Stoff- wechselgleichungen von Voit und Bischoff bei Stickstoffdeficit hatte ich mich damals schon ausgesprochen *) in den Worten: „so geistreich auch alle diese Combinationen sind, vermochten sie doch nichts zu beweisen, denn alle diese Rechnungen litten an dem Grund- gebrechen, daß man es mit zwei unbekannten Größen zu thun hatte, mit der Stickstoffdifferenz und mit den ungekannten Perspirations- produeten.“ Erst als durch Voit und Pettenkofer die Perspira- tionsproducte untersucht wurden und so eine annähernd vollständige Bilanz ermöglicht wurde, die mit dem Rechnungsergebnisse von Voit und Bise ho ff stimmte, glaubte ich, die Frage über den Stickstoff- umsatz sei damit vollkommen erledigt und ohne direct an den Quellen zu prüfen hielt ich die Arbeiten die andere Stickstoffausschei- dung als durch Koth und Harn zu beweisen schienen, für abgethan. In diesem guten oder schlechten Glauben begann ich im Herbst 18G5 eine neue Reihe von Untersuchungen. Schon in den ersten Tagen war mir ein bedeutendes Stickstoffdeficit auffallend. Wie natürlich war ich bereit, dieses Deficit als Fleischansatz zu berech- nen, aber das Deficit war für die Gewichtszunahme zu groß, ich mußte schon mit einigem Mißbehagen an eine Thiermetamorphose denken und für das angesetzte Fleisch Fett oder Wasser verausgaben lassen. Ich setzte die Untersuchungsreihe durch 70 Tage fort. Das Stickstoffdeficit war im Verlaufe dieser langen Periode ein so bedeu- tendes, daß, wenn man annehmen wollte, es sei dieser N als Eiweiß- gewebe angesetzt worden, es sich heraussteilen würde, daß das Thier während seiner Metamorphosen nicht blos sein Fett und Wasser abgegeben, sondern daß auch selbst Haut und Knochen sich in Fleisch umgewandelt hätten. Es war also unzweifelhaft, daß in dieser Ver- suchsreihe das Stickstoffdeficit nicht als Fleischansatz zu berech- nen sei, sondern daß ein Theil dieses fehlenden Stickstoffes auf einem andern Wege als durch Koth und Harn den Körper verlassen haben mußte. Ich war von diesem Resultate, welches meinen Glauben an das Voit"sehe Gesetz zerstörte und damit auch die Grundlage für meine J) Über den Einfluß des Glaubersalzes. Sitzungsb. d. k. Akademie 49. ßd. 1864. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 3 beabsichtigten und bereits ausgeführten Arbeiten vernichtete, so peinlich überrascht, daß ich an eine Veröffentlichung dieses Resulta- tes nicht gehen mochte, und ich beschloß noch eine zweite Versuchs- reihe anzustellen. Diese wurde im November 1866 begonnen und durch fast 3 Monate fortgesetzt. Diese ergab abermals in den ersten 90 Versuchstagen ein sehr bedeutendes Stickstoffdeficit und dieses Deficit kann um so weniger als Fleischansatz berechnet werden, weil während der ganzen Versuchsdauer eine Gewichtsabnahme statt- gefunden hat. Wollte man trotz dieser Abnahme einen Fleischansatz annehmen und dafür eine im Gewicht gleiche Fett- oder Wasseraus- scheidung ansetzen, bliebe wieder zum Schlüsse ein Fleischklumpen statt des Versuchstieres zurück. In der zweiten wie in der ersten Versuchsreihe war unter gewissen Bedingungen die Stickstoffausfuhr durch Harn und Koth der Stickstoffeinfuhr ganz gleichwerthig. Die- ser letzte Umstand mußte dazu beitragen die aus beiden langen Ver- suchsreihen gewonnene Überzeugung zu befestigen, daß der Stick- stoffgehalt des Harns nicht immer als das Maß des umgesetzten Stick- stoffes zu betrachten ist, und daß unter Bedingungen, die wir nicht kennen, einmal aller Sackstoff der umgesetzten Eiweißbestandtheile im Harn und Koth erscheine, daß derselbe in anderen Fällen aber auch andere Abzugswege habe und wahrscheinlich in den Perspira- tionsproducten erscheine. Im Nachstehenden übergebe ieb dem wissenschaftlichen Publikum die Resultate einer langen und gewissenhaften Arbeit. Ich habe jede mir denkbare Fehlerquelle möglichst vermieden, ich gestehe aber offen, daß mir nichts erwünschter wäre, als wenn eine vorurteilslose ein- gehende Kritik in meiner Arbeit eine mir unbekannte das Stickstoff- deficit erklärende Fehlerquelle entdecken würde. Mir ist es leider nicht gelungen. Das Versuehsobjeet bildete ein kräftiger Fleischerhund. Der- selbe befand sich in einem eigens zu diesem Zwecke construirten Stalle, dessen Boden mit Zinkplatten bekleidet und abschüssig gebaut war, so daß der im Stalle gelassene Harn abfließen und in einem Glasgefäße gesammelt werden konnte, welches sich unter der im abschüssigsten Theile angebrachten Öffnung befand. Der Hund wurde überdies gewöhnt den Harn außer dem Stalle in ein ihm untergehaltenes Glas zu entleeren, und in der spätem Versuchszeit 4 S e e g e n. wurde der Gesammtharn in dieser Weise gesammelt. Um die etwai- gen Verluste zu ermitteln, welche, so lange der Hund noch einen Theil seines Harns im Stalle entleerte, durch ungenügendes Abtließen entstehen konnten, wurde in acht auf einander folgenden Tagen der Stallhoden täglich mit einem großen trockenen Schwamme vorsichtig aufgetrocknet. Der Schwamm wurde vor und nach der Operation gewogen und als Mittel einer achttägigen Untersuchung ergab sich eine Gewichtszunahme von 15 Grm. Später als das Thier den Harn direct ins Glas entleerte, entfiel auch dieser Verlust. Den Koth entleerte das Thier immer außer dem Stalle und der- selbe konnte ohne Verlust gesammelt werden. In jeder Versuchs- periode wurde ein-, zweimal der Wassergehalt der Faecalmassen bestimmt und eine Stickstotfanalyse gemacht. Der Wassergehalt variirte zwischen 50 und 60 Pct. Ich habe als Mittel für den trocke- nen Koth 46 Pct. berechnet. Der Stickstoifgehalt zeigte bei allen Analysen eine bemerkenswerthe Übereinstimmung; er betrug fast ausnahmslos circa 5 Pct., die Variationen bewegten sich zwischen + 0-1 —0*3 Pct. Da sich diese Beständigkeit der Zusammensetzung herausstellte, wurden 5 Pct. als Stickstoifgehalt in der Rechnung angesetzt. Die Untersuchungsreihen A und B wurden begonnen, nach- dem das Thier gekotet hatte. Der gesammelte Harn wurde täglich gemessen und aus der Gesainmtmenge 5 c. c. zur Stickstotfbestimmung verwendet. Diese Bestimmung wurde in dem von mir angegebenen t) Apparate durch Glühen mit Natronkalk ausgeführt. Die Besorgniß, daß das Stickstoff- deficit in der ungenügenden Zersetzung der stickstoffhaltigen Harn- bestandtheile seinen Grund haben könnte, veranlaßte außer den bereits früher (bei Beschreibung des Apparates) erwähnten, noch weitere Controlversuche. Strecker’s Wahrnehmung (Annal. d. Chemie u. Pharmacie, Bd. 118, pag. 151 lf.), daß hei der Stickstoff- bestimmung der Guanidinsalze mittelst Natronkalk keine überein- stimmenden Resultate erhalten werden, ließ es fraglich erscheinen, oh bei der Stickstoffbestimmung des Harns mittelst Natronkalk eine vollständige Umwandlung in Ammoniak stattfindet oder ob etwa ein Theil des Stickstoffes in der Form von Cyanverbindungen im Natron- kalk zurückgehalten werde. Wiewohl die übereinstimmenden Resul- 0 Beschrieben und in Abbildung mitgetheilt a. a. O. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Alhuminate. täte mehrerer mit demselben Harne vorgenommenen Stickstoffbestim- mungen die letztere Voraussetzung wenig wahrscheinlich machte, so wurde doch zu wiederholten Malen der zu mehreren Stickstoffbestim- mungen verwendete Natronkalk mit destillirtem Wasser ausgelaugt und die filtrirte Lösung auf Cyan-Schwefelcyan- und cyansaures Kalium geprüft. Ein Theil der Lösung mit Eisenvitriol gekocht und dann mit Salzsäure angesäuert, gab keinen blauen Niederschlag, ein anderer Theil vorsichtig mit Salzsäure neutralisirt und mit Eisen- chlorid versetzt, gab keine tief rothe Färbung, und ein dritter Theil der vorerst angesäuerten und dann nach längerem Stehen alkalisch gemachten Lösung entwickelte beim Aufkochen Dämpfe, die rothes Lackmuspapier nicht bläuten. Es darf demnach angenommen werden, daß die Umwandlung der stickstoffhaltigen Harnbestandtheile in Ammoniak beim Glühen mit Natronkalk vollkommen erfolgt sei. Das Thier wurde täglich um 12 Uhr, nachdem es in das ihm untergehaltene Glas Harn entleert hatte, auf einer genauen auf 5 Grm. Belastung ausschlagenden Decimalwage gewogen. Nachher wurde ihm die Nahrung gereicht. Das zur Fütterung verwendete Fleisch war Pferdefleisch; es wurde von mir selbst möglichst von Fett und Sehnen befreit. Als mir das große Stickstoffdeficit zuerst auffiel, glaubte ich, dieses könnte seinen Grund darin haben, daß die der Stickstoffeinnahme zu Grunde gelegte Ziffer für den Stick- stoffgehalt des Fleisches (34 N in 100 Grm. frischen Fleisches) zu hoch angenommen sei. Prof. Schneider war so gütig, den Stick- stoffgehalt des Fleisches durch Elementaranalyse zu bestimmen. Diese ergab sogar einen etwas höheren N-gehalt. Das Fleisch war meist von demselben Körpertheil (die glutei), es wurde für 3—4 Tage vorausgekauft und in der Kälte aufbewahrt. Wenn etwa eine Wasserverdunstung statt gehabt hätte, würde dadurch bei derselben Fleischportion eine größere Stickstoffzufuhr stattgehaht haben, der etwaige Fehler nach dieser Richtung würde also ein noch größeres Stickstoffdeficit zur Folge haben. A. Die erste Untersuchungsreihe wurde im Februar 1806 begonnen. Der Mund hatte durch vier Wochen 500 Grm. Fleisch, 100 Grm. Fett und 500 Grm. Wasser erhalten. Während dieser Zeit war sein 6 S e e g e n. Gewicht von 32040 Grm. auf 26400 Grm. gesunken. Es wurde nun am 6. Februar bei unveränderter Fett- und Wasserzufuhr die tägliche Fleischmenge auf 1000 Grm. erhöht und die tägliche Untersuchung der Ausscheidungen begonnen. Als Ergebniß der ersten zwanzigtägigen Reihe stellte sich fol- gendes heraus: Körpergewichtszunahme 1700 Grm. Stickstoffzufuhr 680 „ N-ausfuhr durch Harn 392-10 „ „ „ Koth 7-85 „ Differenz zwischen Ein- und Ausfuhr . . 280 • 00 „ Innerhalb zwanzig Tagen stieg das Körpergewicht von 26400 auf 28100, die Stickstoffzufuhr betrug = 680 Grm., durch Harn wurde ausgeschieden 390 Grm. N, mit den Faecalmassen wur- den nahezu 8 Grm. N ausgeführt. Die Summe der Stickstoffausfuhr innerhalb zwanzig Tagen betrug 400 N. Es wurden also innerhalb dieser zwanzig Tage um 280 Grm. weniger Stickstoff ausgeschie- den, das Stickstoffdeficit betrug 41 o/0 der Einnahme. Wenn wir das Stickstoffdeficit als Ersparniß ansehen wollen und wir das Verhältniß zwischen der Stickstoffzufuhr und einge- führtem Fleisch einerseits und Stickstoffersparniß und Körper- gewichtszunahme andererseits vergleichen, ergeben sich folgende Zahlen: Fleischzufuhr in 20 Tagen Quotient aus dem N-gehalt des Fleisches durch das Fleisch 20000 Grill. Stickstoffzufuhr 680 0 034 Gewinn an N dividirt durch Körpermasse Gewichtszunahme Stickstofferspnrniß 1700 280 0162 Wenn wir also auf 100 Grm. Fleisch 3 4 Grm. N eingeführt haben, würden auf 100 Grm. Gewichtszunahme 16-2 Grm. N zurück- geblieben sein. Es war nicht daran zu denken, daß ein so stickstoffreiches Gewebe sich gebildet habe, man konnte also, wollte man an keine Stickstoffausfuhr auf anderem Wege glauben, dieses Deficit nur als Fleischansatz berechnen und annehmen, daß mehr Fleisch angesetzt wurde als der Gewichtszunahme entspricht, daß aber für das ange- Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 7 setzte Fleisch Fett oder Wasser abgegeben wurde. Wenn wir die 280 Grm. des Stickstoffdeficits auf Fleisch berechnen, würde dieses einem Fleischansatz von 8232 Grm. gleich kommen. Da die Gewichts- vermehrung nur 1700 Grm. beträgt, müßte das 26400 Grm. schwere Thier 6532 Grm. also nahezu */4 Theil seines Körpergewichtes Fett und Wasser ausgegeben und dafür Fleisch angesetzt haben. So unwahrscheinlich diese Annahme auch ist, war sie doch noch immer denkbar, man konnte sich sagen, das Thier sei früher fleischarm gewesen, die Zufuhr von 500 Grm. Fleisch war ungenügend, das Thier hatte einen bedeutenden Gewichtsverlust erlitten. Bei der vermehrten Fleischzufuhr sei das Gewicht gestiegen, der Ansatz war also Fleich, es war eine Fleischmästung eingetreten. Nach Unter- suchungen von Law es und Gilbert (Proceedings of the royal society, Juni 1858) enthalten die fleischigen Theile bei gemästeten Thieren bis 23 Pct. wenigerWasser als bei magern. Die verminderte Gewichtszunahme könnte also vorzüglich auf eine größere Wasser- abgabe zu beziehen sein. Wohl zeigte sich keine größere Wasser- ausscheidung durch den Harn als in der dieser Periode vorange- gangenen Zeit, bei welcher in Folge mangelhafter Nahrung eine Gewichtsabnahme stattgefunden hatte, indeß war noch immer denk- bar, daß diese vermehrte Wasserausscheidung durch gesteigerte Wasserperspiration statt gehabt hatte. Es war also nach dieser zwanzigtägigen Versuchsepoche noch immer anzunehmen, daß Harn und Koth allen ausgeschiedenen Stickstoff enthalten und das Deficit konnte noch als Ersparniß angesehen werden. Es wurde nun der Nahrung ein Grm. geglühtes COoNaO hinzu- gefügt und schon am nächsten Tage war die Stickstoflausseheidung durch den Harn bedeutend gestiegen. Die Resultate der zehntätigen Untersuchungsperiode waren folgende: Körpergewichtszunahme 610 Grm. Stickstoffzufuhr 340 „ N-ausfuhr durch Harn 310 „ „ „ Koth 4 65 „ Differenz 25'00 „ Die Stickstoffzufuhr betrug 340 Grm., die Ausfuhr durch Koth und Harn 315 Grm., es war also bloß ein Deficit von 25 Grm., gleich 7 Pct. Wird die Gewichtszunahme als Fleischansatz betrachtet und 8 Seegen, dafür 20*7 Grm. Stickstoff in Rechnung gebracht, dann beträgt das Deficit für zehn Tage nur 4-3 Grm. gleich 1 Pct. oder 0-4 Grm. für den Tag. Dieses Deficit fällt noch vollständig innerhalb der Fehler- grenze, die sich bei den zahlreichen Messungen und Analysen und deren Umrechnung auf große Quantitäten naturgemäß ergeben. Man kann also behaupten, daß innerhalb dieser zehn Tage ein vollständiges Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe stattgefunden habe, und daß aller umgesetzte Stickstoff durch Harn und Koth ausgeschieden wurde. Nun wurden der Nahrung 2 Grm. C02Na0 hinzugefügt, es erfolgte wieder eine Verminderung der Stickstoffausfuhr durch den Harn. Es ergab sich: Körpergewichtszunahme . .1760 Grm. Stickstoffeinnahme .... 680 „ N-ausfuhr durch Harn . . . 486-8 „ „ „ Koth ... 7-9 „ Differenz 185-3 „ Die Differenz zwischen Ein- und Ausfuhr beträgt 185*3 Grm., gleich 272 Pct. Wenn wir dieses Deficit als Fleisch berechnen, käme es einem Fleischansatze von 5470 Grm. gleich. Die Gewichts- vermehrung beträgt 1760 Grm., das Thier müßte also abermals 3710 Grm. Fett oder Wasser abgegeben haben. In einer vierten Versuchsreihe wurde während zwanzig Tagen die gleiche Nahrung ohne kohlensaures Natron gereicht, die Ver- hältnisse der Stickstoffausscheidung blieben dieselben wie in der vorangegangenen Reihe. Körpergewichtszunahme . .1190 Grm. Stickstoffzufuhr 680 „ N-ausfuhr durch Harn ... 519 „ „ „ Koth ... 7-8 „ Differenz 153 „ Die Differenz zwischen Stickstoffein- und Ausfuhr beträgt 153 Grm. gleich 22-5 Pct. Die Stickstoffdifferenz als Fleisch berech- net, gäbe eine Gewichtszunahme von 4500 Grm. Fleisch, es müßten, da die Gewichtszunahme nur 1190 Grm. beträgt, abermals an der Stelle des nicht nachweisbaren Überschusses von 3310 Grm. andere Körperbestandtheile ausgeschieden worden sein. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminatc. Die nachstehende Tabelle faßt die Resultate der gesammten 70 Tage dauernden Versuchsepoche zusammen. Nahrung und sonstige u I s Üt tC Körper- gewichts- zunahme Harnmeuge 1 $3 Stick- stoff- ausfuhr im Harn und Koth Stickstoff- differenz Periodt Einfuhr I6“ ca S •— •— > im Ganzen im Mittel d. 27 _C «2 55 in Grammes p. c. I. 1000 Grin. Fleisch 20 1700 15035 752 680 400 280 41 II. gleiche Nahrung 1 Grm. C02Na0.. 10 610 8510 GO crc 340 315 25 7 III. g'eiche Nahrung 2 Grm. CO«CaO .. 20 1760 15720 786 680 494-7 185-3 27-2 IV. gleiche Nahrung kein C03Na0 ... 20 1190 16280 814 680 527 153 22-5 Summe. . 70 5260 2380 1736-7 643-3 Das wichtigste Ergebniß dieser langen Versuchszeit ist das große Stickstoffdeficit. Es betrug innerhalb 70 Tagen 643-3 Grm. Die Hauptfrage, die nun zur Erörterung kommt, ist die: können wir diese als Differenz zwischen Ein- und Ausfuhr sich herausstel- lende Stickstoffmenge als ein im Körper zurückgebliebenes Ersparniß ansehen? Wenn wir die Stickstoffdifferenz durch die Gewichtszunahme dividiren, erhalten wir als Quotient 0-122 d. h. es kommen auf 100 Grm. Gewichtszunahme 12-2 Stickstoffdifferenz, es würde, wenn die Gewichtszunahme der Ausdruck wäre für das Stickstoffersparniß, diese Zunahme von einem Gewebe herrühren, welches fast viermal stickstoffreicher ist als Fleisch, eine Annahme, die von vornherein auszuschließen ist. Denken wir uns, wie es Voit in seinen Stoffwechselrechnungen gethan, die Stickstoffdifferenz als Fleischansatz, würde dieselbe einem Fleischquantum von 18920 Grm. gleich kommen. Das Thier hat an Körpergewicht 5260 Grm. zugenommen, als Compensation für den in der Gewichtszunahme nicht zum Ausdrucke kommenden Fleischansatz müßten 13660 Grm. andere Körperbestandtheile (nach Voit, Fett und Wasser) ausgeschieden worden sein. Das ursprüngliche Gewicht des Thieres beim Beginne unserer Untersuchung war 26400 Grm. Bidder und Schmidt1) fanden, daß eine wohlgenährte Katze, 1) Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel 1852. 10 S e e g e n. welche sie getödtet hatten, auf 1505 Grm. Körpergewicht 677 Grm. Muskeln und Sehnen hatte, also auf ein Kgrm. Thier 450-3 Grm. Fleisch. Voit <) bestimmte hei einer nach reichlicher Fleischnahrung getödteten Katze das Gewicht der einzelnen Organe und fand wie Bidder und Schmidt das Gewicht der Muskeln = 45-3 Pct. des Lebendgewichtes desThieres. Bei einer nach 14tägigemHunger getöd- teteii Katze war der Percentgehalt desThieres an Fleisch =46-7 Pct. Wenn wir diese von beiden Forschern übereinstimmend gefun- denen Zahlen auf unser Thier anwenden, würde es beim Beginne des Versuches 11880 Grm. Fleisch gehabt haben; wenn wir nun den neuen Fleischansatz von 18920 hinzuaddiren, würde das Thier, wel- ches zu Ende des Versuches 31660 Grm. schwer ist, 30800 Grm. Fleisch besitzen. Für diesen Fleischansatz hat das Thier nach der Hypothese 13660 Grm. andere Bestandtheile abgeben müssen. Da heim Beginne des Versuches, wenn wir den Fleischgehalt von 11880 Grm. abrechnen, die Summe aller anderen Gewebe und Flüssigkeiten circa 14600 Grm. betrug, müßte es bei der Fleisch- metamorphose seinen Gesammtkörperbestand umgesetzt und sich schließlich in einen Fleisch- oder Eiweißkörper umgewandelt haben. So lange es sich um kürzere Versuchsperioden handelte, konnte man jene Hypothese des Stickstoffansatzes mit compensirendem Fett- oder Wasserverluste gelten lassen. Die lange Versuchsreihe hat die Unhaltbarkeit dieser Hypothese ziffermässig dargelegt. Wir müssen also davon abgehen die Stickstoffdifferenz als Er- sparniß zu betrachten, wir sind gezwungen, sie als eine Aus- gabe anzusehen, und zwar als eine so 1 che, welche den Körper a u f e i n e m andern Wege als durch Harn und K o t h verlassen hat. u. Nachdem derselbe Versuchshund den Sommer über mit Fleisch gefüttert war, wurde im Winter 1866 eine neue Versuchsreihe be- gonnen. Diese Versuche variirten von den früheren darin, daß die Nahrung bloß aus Fleisch bestand, und daß dasselbe in steigender Quantität gereicht wurde. Als Getränk erhielt das Thier während der ganzen Versuchsdauer täglich 1300 Grm. Wasser. Voit. Über die Verschiedenheit der Eiweißzersetzung beim Hungern. Zeitschrift für Biologie II. ßd. 3. Heft. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 11 In den ersten zehn Tagen erhielt das Thier täglich 1i/3 W. Pf. = 840 Grm. Fleisch. Es betrug innerhalb dieser Zeit die: Gewichtsabnahme 550 Grm. Stickstoffzufuhr 285*6 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 227*9 „ Differenz — 57*7 = 20*2 Pct. Die Nahrungsmenge hat nicht zur Erhaltung des Gleichgewichtes hingereicht, das Thier hat an Lebendgewicht verloren. Da das Thier zu seiner Erhaltung von seinem eigenen Körper zusetzen mußte und dieser Zusatz doch wahrscheinlich zum Theile aus stickstoffhaltigen Gewebselementen bestand, mußte man erwarten im Harn eine Stick- stoffmenge zu finden, welche die mit der Nahrung zugeführte Menge übertraf. Statt dessen blieb die Ausfuhr wesentlich hinter der Einfuhr zurück. Das Stickstoffdeficit hat */5 der Stickstoffeinfuhr betragen. Da die durchschnittliche Gewichtsabnahme perTag circa 50 Grm. betrug, wurde nun die Nahrung um ein entsprechendes Quantum gesteigert. Es wurde nun täglich 1 Pfund 20 Lotli = 910 Grm. zu- geführt und diese Ernährung durch 20 Tage fortgesetzt. Das Ergebniß dieser Versuchsreihe gibt die nachfolgende Zusammenstellung: Gewichtsabnahme 600 Grm. Stickstoffzufuhr 618*8 „ N-ausfuhr durch Koth und Harn . . .. 484*9 „ Differenz . . . —133*9 „ 21*6o/0. Das Plus der Nahrung hat nicht zur Erhaltung des Körper- gewichtes hingereicht, dasselbe hat noch immer abgenommen, aber in geringerem Grade als in der ersten Periode, die tägliche Gewichts- abnahme betrug 30 Grm. Das Stickstotfdeficit war aber nahezu ganz dasselbe wie in der ersten lOtägigen Versuchsperiode. Die Nahrung wurde abermals und nun auf 1 Pf. 24 Lotli gleich 980 Grm. vermehrt und diese Ernährung durch 18 Tage fortgesetzt. Innerhalb dieser Zeit war: Körpergewichtsabnahme . . . 880 Grm. Stickstoffeinfuhr 600 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 480 „ Differenz —120 „ =20 Pct. Es hat also auch jetzt noch eine Gewichtsabnahme und ein Stick- stoffdeficit stattgefunden. Eigenthümlich ist es, daß in allen drei 12 Seegen Versuchsperioden nahezu dasselbe Percent des eingenommenen Stick- stoffes in den sensiblen Ausgaben fehlte. Es wurde nun der Nahrung 1 Grm. C02NaO hinzugefügt und durch zehn Tage 980 Grm. Fleisch -j- 1 Grm. C02NaO verabreicht. Das Resultat dieser zehntägigen Periode war: Körpergewichtsahnahme . . . 440 Grm. Stickstoffzufuhr ...... 333-2 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 294 „ Differenz —39-2 „ = 11*3 Pct. Mit der Zufuhr des C02Na0 war also die Sfiekstoffausfuhr durch den Harn wie in der vorjährigen Versuchsreihe vermehrt, das Stick- stoffdeficit sank von 20 auf 11 Pct. Dasselbe Verhältnis hielt an, nachdem das kohlensaure Natron ausgesetzt wurde; es war in den nächstfolgenden zehn Tagen die: Gewichtsabnahme 600 Grm. Stiekstoffzufuhr 333-2 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 300 „ Differenz —33-2 „ =10 Pct. Das Thier erhielt jetzt 1100 Grm. Fleisch, es begann nun an Körpergewicht zuzunehmen. Innerhalb zehn Tagen ergaben sich fol- gende Verhältnisse: Körpergewichtszuuahme . ; . 400 Grm. Stickstoffeinfuhr 374 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 353-7 „ Differenz — 20-3 „ = 5.4 Pct. Berechnet man die Gewichtszunahme als Fleisch, ergibt die Differenz in der Ausscheidung —7-7 Grm. für 10 Tage = 1-2 Pct. Abermals wurde der Nahrung von 1100 Grm. 1 Grm. COaNaO hinzugefügt. Es betrug die Gewichtszunahme 210 Grm. Stickstoffzufuhr 474 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 382-4 „ Differenz -f- 6-4 „ =1-7 Pct. Zum ersten Male trat ein Überschuß der Stickstoffausscheidung durch Harn und Koth auf, das Plus der Ausscheidung gegen die Auf- nahme betrug 1-7 Pct. und wenn die Gewichtszunahme als Fleisch berechnet wird, war das Plus = 3-6 Pct. Über die Ausscheidung' d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 13 Ich wollte nun sehen, wie die Ausscheidung sich gestaltet, wenn man wieder auf die frühere ungenügende Nahrungsmenge herahginge. Das Thier erhielt durch 10 Tage täglich 900 Grm. Fleisch. Es erga- ben sich folgende Verhältnisse: Gewichtsabnahme 690 Grm. Stickstoffeinfuhr 306 „ N-ausfuhr durch Harn und Koth 319-2 „ Differenz -f- 13-2 „ =4.3 Pct. Das Körpergewicht hat abgenommen, die Stickstoffausfuhr durch Harn und Koth beträgt mehr als die Einfuhr in der Nahrung. Da ein Theil des Gewichtsverlustes auf Rechnung des Fleisches gesetzt wer- den und die diesem Verluste entsprechende N-menge noch in die Um- setzung einbezogen werden kann, dürfte sich in dieser Reihe ergeben, daß der gesammte umgesetzte Stickstoff durch Koth und Harn ent- leert wurde. Die nachstehende Tabelle resumirt die Ergebnisse der gesamm- ten Versuchsepoche. 1 Harmnenge Stickstoff Differenz in Periode Nahrung Dauer der Periode Gewichtsvei äuderuug wahrend der ganzen Periode per Tag Einfuhr Ausfuhr durch Harn und Koth Grammes Pct. I. 840 Grammen Fleisch 10 — 550 13990 1399 285-6 227-9 — 57-7 20-2 II. 910 Grammen Fleisch 20 — 600 29990 1499 618-8 484-9 — 133-9 21 -6 111. 980 Grammen Fleisch 18 - 880 28020 1556 600-0 480-0 -120-0 20-0 IV. 980 Grammen Fleisch, 1 Grm. CO-.NaO 10 — 440 17320 1732 333-2 294 0 — 39-2 113 V. 980 Grammen Fleisch 10 — 600 17670 1767 333-2 300-0 — 33-2 10-0 VI. 1100 Grammen Fleisch 10 + 400 18380 1838 374-0 353-7 — 20-3 5-4 VII. 1100 Grammen Fleisch, 1 Grm. C03Na0 10 o F 19640 1964 374-0 382-4 + 6-4 1-7 VIII. 900 Grammen Fleisch 10 - 690 17610 1761 306-0 319-2 + 13-2 4-3 Seegen. Die drei ersten Perioden weisen ein sehr bedeutendes Stickstoff- deficit nach, dieses Deficit ist percentisch dasselbe, trotzdem die Nahrung eine steigende war. Mit der Zufuhr des kohlensauren Na- trons sinkt das Deficit und bleibt hei unveränderter Nahrung auch dann noch geringer, als das kohlensaure Natron der Nahrung nicht mehr zugesetzt wird. Bei einer Zufuhr von 1100 Grm. Fleisch ist wohl noch ein Stickstoffdeficit, aber es ist gleichzeitig Gewichtsver- mehrung, und wenn diese als Fleisch berechnet wird, ist die Differenz zwischen Stickstoffzufuhr- und Ausfuhr eine minimale. Bei abermali- ger Hinzuführung von COaNaO wird die Stickstoffausscheidung größer als die Zufuhr. Wieder ist die Frage, wie ist die Stickstoffdifferenz zwischen Einfuhr und Ausfuhr zu deuten? Ist sie als Deficit oder als ein dem Körper zu gut gekommenes Ersparniß aufzufassen? Als Gesammtresultat dieser 98tägigen Versuchsreihe ergibt sich eine Differenz zwischen Einfuhr und Ausfuhr von 384-7 Grm. N. Es wurden innerhalb dieser Zeit 384-7 Grm. N mit der Nahrung mehr zugeführt, als durch Harn und Kotli ausgeschieden. Wenn wir diesen Stickstoffbetrag in Fleisch umsetzen, ergibt dies über 11 Kilo Fleisch. Das Thier müßte also 11 Kilo Fleisch angesetzt haben, wenn diese Stickstoft’differenz als Ersparniß aufgefaßt werden sollte. Das Thier hat aber nicht an Gewicht zugenommen, es hat im Gegentheil an Ge- wicht verloren, wir hätten uns nun zu denken, daß außer dem durch die Wage nachweisbaren Gewichtsverlust noch weitere 11 Kilo des Thieres umgesetzt wurden als Compensation für die durchs Gewicht nicht zu ermittelnden 11 Kilo Fleischansatz. Das Gewicht des Thie- res beim Beginn des Versuches war 28620 Grm. Nach den durch Voit, Bidder und Schmidt gefundenen Verhältnißzahlen, war das Muskelgewicht dieses Thieres gleich 12879 Grm. Wenn nun all' der fehlende Stickstoff als Fleisch angesetzt worden wäre, wäre zum Schlüsse des Versuches das Fleischgewicht des nun 25610 Grm. wiegenden Thieres gleich 12879 -j- 11310 = 24189. Das Thier behielte für die Summe aller stickstofffreien Gewebe und Flüssigkeiten 1421 Grm. Es leuchtet von selbst ein, daß eine solche Annahme un- denkbar ist. Wir sind also auch in diesem Falle gezwungen die Stick- stoffdifferenz als ein Deficit anzusehen und zwar als ein Deficit, welches dadurch veranlaßt wurde, daß der umgesetzte Stickstoff den Thierleib auf einem andern Wege als durch Nieren und Darm verlassen hat. Uber die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 15 Wenn wir die einzelnen Reihen dieser langen Versuchszeit prü- fen, finden wir, daß das Verhältniß der Stickstoffausscheidung durch Harn und Kotli zum Stickstoff der Einnahme in den einzelnen Reihen wesentlich verschieden ist. In den drei ersten Reihen ist trotz stei- gender Nahrungszufuhr das Verhältniß zwischen Einnahme und Aus- fuhr durch Harn und Koth ungefähr dasselbe, in allen drei Reihen beträgt das Deficit 20—21 Pct. Durch die Einführung von kohlen- saurem Natron wird die Stickstoffausscheidung durch Harn wesent- lich vermehrt, das Deficit wird wesentlich vermindert. Dieselbe Er- fahrung machten wir in der Versuchsreihe A. Durch Einnahmen von kohlensaurem Natron sank das Stickstoffdeficit von 41 auf 7 Pct., d. h. es wurden 93 Pct. des eingenommenen Stickstoffes, durch Harn und Koth ausgeschieden. Da die Stickstoffausscheidung mit dem Kotlie nur eine verhältnißmäßig sehr geringe ist und fast in allen Perioden stettig bleibt, trifft diese vermehrte Ausscheidung bloß die Nieren. In A dauerte diese vermehrte Stickstoffausfuhr nicht lange, nach 10 Tagen trat wieder eine vermehrte Ausfuhr auf anderen Wegen ein, das Deficit stieg, wenn es auch nie so bedeutend wurde, als es im Beginn der Untersuchungsreihe und vor Einfuhr des kohlensauren Natrons war. Im Versuche B hielt die vermehrte Stickstoffausfuhr durch den Harn an und sie steigerte sich in Periode VI, als nach der Einfuhr des kohlensauren Natrons die Fleischzufuhr eine wesentlich größere wurde, das Deficit sank auf 5-4 Pct. Gleichzeitig stieg das Körper- gewicht. Würde man diese Körpergewichtszunahme als Fleisch be- rechnen, dann könnte man das anscheinende Deficit als im Körper angesetzt ansehen, und es wäre in dieser lOtägigen Reihe aller um- gesetzter Stickstoff der Nahrung durch Harn und Koth ausgeschieden. In Periode VII wurde nun abermals ein Versuch mit der Einfuhr von kohlensaurem Natron zur Nahrungsmenge der Vorperiode ge- macht. Wieder steigt die Stickstoffausfuhr durch den Harn, sie über- trifft dieses Mal selbst die Einfuhr durch die Nahrung, es ist ein Theil der Körpersubstanz in die Umsetzung einhezogen und deren N durch die Nieren ausgeschieden. Diese gesteigerte Stickstoffausfuhr dauert fort, als auch die Fleischzufuhr eine wesentlich geringere wird. In Periode VIII übertrifft die Ausfuhr die Einfuhr um 13 Grm., die Nahrung war für denVerbrauch nicht hinreichend, es mußte stick- stoffhaltige Körpersubstanz umgesetzt werden, und ein Theil der 16 S e e g o n. Körpergewichtsabnahme kommt unzweifelhaft auf Rechnung des Fleisches, dessen Stickstoff durch den Harn ausgeschieden wurde. Interessant und lehrreich ist die Zusammenstellung der beiden Perioden II und VIII. In beiden Perioden wird ungefähr dieselbe Nahrungsmenge gereicht. Die Nahrung ist für den Körper unzurei- chend, was sich in einer Körpergewichtsabnahme ausspricht. Ja sogar das kleine Minus von Nahrung in der Periode VIII im Vergleiche zur Periode II, nämlich 900 Grm. gegen 910 Grm., drückt sich durch eine um 90 Grm. gesteigerte Körpergewichtsverminderung in Periode VIII aus. Trotz dieser gleichen Ernährungsverhältnisse sahen wir in Periode II eine Stickstolfdifferenz zwischen Einnahme und Ausgabe durch Harn von 134 Grm., während in Periode VIII die Ausfuhr durch Harn, noch ein kleines Plus über die Einnahme beträgt. Hier haben wir bei gleichen Endresultaten für den Körper die Beispiele für die zwei verschiedenen Formen der Ausscheidung des umgesetzten Stick- stoffes. In Periode II entstand das Deficit,' weil ungefähr i/5 der Ein- fuhr durch Lungen und Haut ausgeführt wurde, während in Periode VIII der gesammte Stickstoff der Nahrung und vielleicht auch der ganze Stickstoff des umgesetzten Fleisches durch den Harn ausgeschieden wurde. Würde der Gesammtgewichtsverlust in Periode VIII durch Fleischumsatz entstanden sein, dann würde auch in dieser Periode eine minimale Stickstoffausfuhr auf anderem Wege als durch Harn und Koth stattgefunden haben. Wodurch diese Verschiedenheit der Stickstoffausführung bewirkt wird, ist uns noch völlig räthselhaft. Wir sind nach den Resultaten unserer Untersuchung zu der Annahme berechtigt, daß kohlensaures Natron die Stickstoffausfuhr durch den Harn steigert; in welcher Weise das kohlensaure Natron diesen Einfluß übt, darüber ist kaum eine Vermuthung gestattet. Sollte es die durch kohlensaures Natron bewirkte Steigerung der Diurese sein, welche diese vermehrte Aus- fuhr der Umsatzproducte in Form von Harnstoff veranlaßt? Es ist aus den Versuchen von Becker, Moßler, Genth u. A. bekannt, das mit vermehrter Harnausfuhr auch die Summe des durch Harn aus- geführten Harnstoffes wesentlich gesteigert wird. Für die Versuchs- reihen B würde diese Erklärung passen, dort ist vom Momente der Einfuhr des kohlensauren Natrons die Harnausfuhr wesentlich ver- mehrt und dieser entsprechend auch die Ausfuhr der stiekstoff- Über die Ausscheidung d. StickstoÄ’es der iin Körper zersetzt. Albuminate. 17 haltigen Umsatzproducte. In den Versuchen A wird durch die Einfuhr des kohlensauren Natrons die Diurese ebenfalls vermehrt, aber die Harnausfuhr ist auch in Periode IV jener in II gleich, ohne daß die Harnstoffausscheidung in beiden Perioden gleichen Schritt geht. Liebig hat dem Alkali des Blutes eine große Rolle bei den Oxydationsprocessen zugeschrieben. Sollte die Einfuhr des kohlen- sauren Natrons die Oxydation der Albuminate in der Art steigern, daß der C und H der Umsetzungsproducte zu C03 und HO oxydirt werden, und mit diesen zugleich der frei gewordene elementare N ausgeschie- den werde? Es ist kaum mehr als eine vage Vermuthung, wenn wir eine solche Ansicht aussprechen, denn es fehlt uns noch jeder positive Anhalt über die Art und Weise, in welcher die Zersetzung der Albu- minate vor sich geht. Wir wissen nicht oh durch Oxydation des C und H der Stickstoff frei wird und in seiner elementaren Form zur Ausscheidung gelangt, oder ob eine Spaltung der Stickstoffgewebe eintritt in der Weise, daß Sich aus denselben Fett bildet und aus den Residuen des frühem Atomencomplexes der frei gewordene Stickstoff zur Ausscheidung gelangt. Vielfache Beobachtungen sind nöthig um über die Einflüsse unter welchen die verschiedene Umsetzung der Albuminate im Körper stattfmdet und über diese Umsetzungsprocesse selbst ins Klare zu kommen. Vorläufig sind wir auf Grundlage unserer Untersuchungen zu folgenden Schlüssen berechtigt : 1. Die stickstoffhaltigen Umsetzungsproducte wer- den nicht blos mit Koth und Harn ausgeschieden. Es gibt für dieselben auch andere Ausscheidungswege und wahrscheinlich wird ein Theil des Stickstoffes durch Lungen und Haut ausgeschieden. 2. Unter verschiedenen noch nicht ermittelten Ein- flüssen ist die Ausscheidung der umgesetzten Stick- stoffelemente durch den Harn die vorwaltende, wäh- rend unter anderen Bedingungen ein großer Theil und selbst bis zur Hälfte des umgesetzten Stickstoffes auf anderen Wegen den Körper verläßt. 3. Das kohlensaure Natron scheint die Ausschei- dung der stickstoffhaltigen Umsatzproducte durch die Nieren, in Form von Harnstoff wesentlich zu steigern. (Seegen.) 18 S e e g e n 4. Man ist nicht berechtigt jedes Deficit zwischen Stickstoffeinfuhr und Ausfuhr durch Harn und Koth als ein dem Körper zu Gute kommendes Stickstoffersparniß anzuseilen und als Fleischansatz zu berechnen. Das Resultat, zu welchem ich in meinen Versuchen gelangt hin, daß nämlich Stickstoff auf anderem Wege als durch Koth und Harn ausgeschieden wird, ist nicht neu, es haben es vor mir schon sehr ausgezeichnete Beobachter gefunden, und bis auf die neueste Zeit haben die namhaftesten Physiologen, ich nenne nur Donders, Funke, Wundt, einen Stickstoffverlust auf anderem Wege als durch Koth und Harn angenommen. Auch Ludwig hält die Ergeb- nisse aus Voit’s Versuchen nicht für maßgebend für ein allgemeines Gesetz, und glaubt eben nur, daß bei Hunden, aber nicht für den Hund im Allgemeinen, und noch weniger für andere Thierklassen, der ganze Stickstoffgehalt der Nahrung, welcher ins Blut überging, durch den Harnstoff entleert werden kann. V o i t hat in einer Abhandlung ‘), welche den ganzen Stand der Frage zusammenfaßt, viele hielier gehörige Arbeiten resumirt und ist zu dem Schlüsse gelangt, den er in folgenden Worten ausspricht: „Ich stehe nicht an es als ein allgemein gültiges Gesetz hinzustel- len, daß unter gewöhnlichen Verhältnissen aller Stickstoff der im Körper zersetzten stickstoffhaltigen Stoffe denselben durch Koth und Harn verläßt.“ „Der Glaube an eine anderweitige Stickstoffausfuhr“ heißt es weiter, „wurde nur durch die fehlerhaften Resultate dieser Untersuchungen (jene von Boussingault, Barral u. s. w.) her- vorgerufen“ ferner: „Ich habe dargethan, daß, nachdem einmal durch die Versuche an Hunden die Sache richtig aufgefaßt und das einzu- schlagende Verfahren festgestellt war, seitdem bei keiner Untersu- chung und bei keinem Thiere bei Erhaltungsfutter ein Deficit im Harn und Koth gefunden wurde.“ Es drängte mich nun vor Allem jene Versuche aufmerksam zu studiren, welche bis jetzt den Glauben (!) an eine andere Stickstoff- ausfuhr unterhalten hatten und zu sehen, ob die Resultate derselben auf Grundlage der von Voit erhobenen Einwendungen als fehlerhaft *) Voit: Untersuchungen über die Ausscheidungswege der stickstoffhaltigen Zer- setzungsproducte aus dem thierischen Organismus. Zeitschr. für Biologie II. Bd. 1. u. 2. Hft. Über die Ausscheidung- d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 19 zu betrachten sind; ich studirte ferner die Versuche jener Forscher, die Voit für die Allgemeinheit seines Gesetzes als beweiskräftig anführt. Die nachfolgenden Blätter enthalten nun das Resultat dieses kritischen Ganges. Bi sc hoff fand in seinen früheren von ihm allein angestellten Versuchen ein bedeutendes Stickstoffdeficit. Es fehlte im Harn nahezu ein Drittel des eingenommenen Stickstoffes. Voit (a. a. 0. S. 195) ist wie Bisch off der Ansicht, daß dieses Deficit zum größten Theile von einer Zersetzung des Harnstoffs in C03 Ammoniak herrühre und glaubt, daß sich dies ohne Zwang dadurch erklären lasse, weil der Harn des Hundes I manchmal, der des Hundes II immer alkalisch reagirte. Nach den Ergebnissen meiner Untersuchungen scheint mir diese Erklärung nicht begründet. Der Harn meines Versuchshundes reagirte stets sauer, nur wenn ich C03Na0 gab, war der in den näch- sten zwölf Stunden gelassene Harn stark alkalisch. Und trotzdem warwiedie Versuche ergaben gerade der währenddes Alkaligebrauches gelassene Harn reicher an Stickstoff, es war also zum mindesten kaum wahrscheinlich, daß bei den Hunden von Bisch off in Folge der Alealescenz des Harns ein N-verlust statt gehabt haben könnte. Ich überzeugte mich ferner durch direete Untersuchung, daß selbst in einem hochgradig alkalisch gewordenen Harn mindestens innerhalb zehn Tagen, soweit reichen meine Untersuchungen, kein N-Verlust eintritt. Ich untersuchte frisch gelassenen Harn am: *6/,, er reagirt sauer N-gehalt l*71Pct. derselbe Harn untersucht 2% hochgradig alkalisch . . . N-gehalt 1-72. Ein anderesmal bestimmte ich in frischem Harn den U-gehalt durch Titriren und den N durch Glühen mit Natronkalk, ich ließ den Harn drei Tage stehen bis er stark alkalisch wurde und bestimmte den U abermals, ohne eine wesentliche Abnahme, zu finden. 5/3 frischer Harn sauer U 3-8% . N 1-79 Pct. 8/a stark alkalisch U 3-7°/o in einer dritten Probe hatte die Untersuchung folgende Resultate: 35/, frischer Harn sauer N 1-68 Pct. i/3 stark alkalisch N 1-68 «/3 derselbe Harn . . . U3'2 = 142N. 20 Seegen Bid der und Schmidt i) fanden in sieben Versuchen bei Hun- den und Katzen nur zweimal (bei Katzen) fast allen eingeführten Stickstoff im Harn wieder, ln den fünf anderen Versuchen war vier- mal ein Deficit von 9 bis 10—16—28 Pct. und einmal eine Mehr- ausgabe von N durch den Harn von 17 Pct. Bidder und Schmidt berechnen diese N-Differenz als Fleischansatz. Hoppe 2) hat einen Hund sieben Tage mit Fleisch und sieben Tage mit Fleisch und Rohrzucker gefüttert. Bei ausschließlicher Fleischkost nahm der Hund in der Nah- rung ein: 88-3 N Ausscheidung durch Harn . . . 66-9 „ „ Koth . . . 7-6 74-5 Deficit .... 13-8 Grm. = 171 Pct. Bei der Fleisch und Rohrzuckerfütterung hat das Thier in der Nahrung aufgenommen: 86-4 N im Harnstoif ausgeschieden . . . .41-1 „ Koth „ .... 6-3 47-4 das Stickstolfdeficit beträgt . . . . 39 0 = 48 1 Pct. Die wichtigsten Versuche an Herbivoren, die aus der vor Voit'sehen Zeit datiren, sind die von Boussingault. Boussin- gault s) stellte seine Untersuchungen an einer Kuh und an einem Pferde an. Die Kuh hat vor dem Versuche durch einen Monat und das Pferd durch drei Monate vor dem Versuche dieselbe Nahrung erhalten. Die Thiere haben Beharrungsfutter (ration d'entretien) erhalten und wie Boussingault ausdrücklich bemerkt, in der dem Versuche vorausgehenden Periode ein stationäres Körpergewicht behalten. Die Resultate der Untersuchungen waren folgende : D Bidder & Schmidt, Die Verdauungssäfte etc. 3) Hoppe, Virchov’s Archiv. Bd. X, S. 1S9. 3) Boussingault, Analyses comparees etc. Annales de Ch. et de Phys. T. 71. Über die Ausscheidung d. Stic kstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 21 Die Kuh erhielt innerhalb 24 Stunden in der Nahrung: 201 Grm. N sie schied aus: in der Milch .... 46-0 im Harn 36-5 in der Faecalmasse . 92*0 “174 0 Das Deficit beträgt 27 Grm., und wenn wir dieses Deficit mit Abzug des N der Faecalmassen berechnen, ist dasselbe =24-7 Pct. des ins Blut aufgenommenen Stickstoffes. Das Pferd hatte innerhalb 24 Stunden eingenommen: 139-4 Grm. N ausgeschieden: im Harn . . . 37-8 im Koth . . . 77-6 115-4 Differenz —24 Grm. =38-8 Pct. des ins Blut übergeführten N der Nahrung. Die Untersuchungen an der Taube umfassen zwei Versuchs- reihen, die eine von fünf Tagen, die andere von sieben Tagen. Die Nahrung war Hirse. Das Thier, welches sich seihst rationirte, genoß täglich nahezu dieselbe Nahrungsmenge und schied täglich fast die- selbe Excrementenmenge aus. In der ersten fünftägigen Versuchsreihe betrug die N-einfuhr mit der Nahrung: 2-17 Grm. die Stickstoffausfuhr . . . 1-39 Differenz . . . 0-78 Grm. =35-9 Pct. das Thiergewicht im Beginne des Versuches war 187-90 „ „ zum Schlüsse „ „ „ 186-27 Das Thier hatte an Gewicht 1-63 Grm. verloren. In der zweiten siebentägigen Versuchsperiode betrug die Stickstoffeinnahme .... 3-34 die Ausgabe 2-20 die Differenz war . . . 1-14 = 34-1 Pct. das Körpergewicht beim Beginne des Versuches 186-70 „ „ „ Schlüsse „ „ 185-47 i) Annales de Chimie et de Physique. T. li 3rae Serie. 22 S e e g e n. Boussingault untersuchte bei der Taube auch die durch Respiration ausgeschiedene C03 und fand die direct bestimmte C02 fast gleich an Menge jener, welehe durch Rechnung aus der Differenz zwischen eingenommenem und mit den Excrementen ausgeschiedenem C gefunden war. Die wichtigsten Versuche über die Ernährungsstatik des Men- schen hat Barral angestellt. Barral *) hat seine Versuche an vier (nicht zwei wie Voit angibt) Individuen gemacht. Die jeweilige Ver- suchsdauer war fünf Tage. Die Versuchsindividuen waren drei er- wachsene Menschen und ein Knabe. Es wurde nicht eine vorausbe- stimmte Nahrung gegeben, sondern nach gewohntem Appetite gegessen. Speisen und Getränke wurden der strengsten Controle unterzogen und ihre Zusammensetzung durch die Elementaranalyse bestimmt. In nachfolgender Tabelle sind die Resultate der Untersuchungen in Bezug auf N-aufnahme und Ausscheidung zusammmengestellt. Nummer des Versuches Stick Stoff Differenz in Grammes in Percent der Nahrung des Urins der Faeces der Gesammt- Entleerung 1 28-0 10-9 2-8 13-7 14-3 510 2 21-2 9-8 1-3 111 101 48-9 3 7-9 31 1-8 4-9 30 379 4 27-3 13-2 2-5 17-7 9-6 351 5 22-4 100 0-8 10-8 11-6 51 0 Barral führt diese Differenz als PerspirationsstickstofY an. Dies waren die wichtigsten aus indirecten Untersuchungen gewonnenen Stützen, welche man früher für die Annahme hatte, daß ein Theil des umgesetzten Stickstoffes nicht nur durch Koth und Harn, sondern auch auf anderem Wege fortgehen könne. Voit nimmt von vorneherein an „es sei all diesen Untersuchungen nicht gelungen, den N der Nahrung in Harn und Koth aufzufinden“. Er will die Re- sultate dieser Untersuchungen nicht einfach verwerfen, sondern durch eine vollständige Kritik eine Erklärung für die Differenzen geben. Die Gründe für das Deficit liegen nach ihm in der eingeschla- genen Methode. Man hat häufig die Zusammensetzung der Nahrung, vorzüglich ihren Stickstoffgehalt, nicht genau gekannt. Für die pflanzenfressenden Thiere sei es nicht leicht, wie vor Allem die sorg- *) Annales de Chemie et de Phys. S1*6 Serie T. 2S. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. samen Untersuchungen von Henneberg und Stohmann bewei- sen, die Stickstoffmenge des ungleichmäßigen Futters einer Probe zu entnehmen. Die gemischte und durch Kochkunst zubereitete Kost läßt die Elementarzusammensetzung nicht ermitteln, man muß ferner nur ganz einfache Stoffe genießen, „denn wer wäre im Stande von allen den Brühen, Kräutern, Würsten und anderen Zusätzen auch nur annähernd die Zusammensetzung zu eruiren“. Bei den früher hieher gehörigen Beobachtungen, ist in dieser Hinsicht am meisten gefehlt worden „und es ist unstreitig ein Verdienst von Ranke, nach den von uns angegebenen Prineipien für den Menschen eine Lösung der Aufgabe versucht zu haben“. Dieses sind die Einwendungen die Voit gegen die in den früheren Bilanzen angesetzten Einnahmeposten macht. Eine nähere Prüfung dieser Versuche zeigt diese Einwendungen als völlig unge- rechtfertigt. Boussingault hat seine Fütterungen einmal mit Kartoffeln und Heu, das anderemal mit Kartoffeln und Hafer gemacht, während Henneberg und Stohmann ein sehr complicirtes Futtergemenge aus Klee, Haferstroh, Runkelrüben, Rapskuchen und Bohnenschrott verabreichten. Boussingault gibt ferner ausdrücklich an, daß das Heufutter am Beginne und am Ende der Fütterung analysirt wurde. Für jede der Bestimmungen wurden zwei Analysen gemacht. Die von Barral benützte Nahrung ist wie natürlich im rohen Zustande analysirt worden, es bedarf dies keiner speciellen Angabe, aber als ein kleiner Beleg für die Sorgfalt dieser Analysen gilt die von Barral angeführte Notiz „daß beim Kochen zum Ersätze des Verdünstungswassers destillirtes Wasser angewendet wurde, um nicht der Nahrung Salz zuzuführen“. Daß übrigens die Nahrung nicht viel complicirter war als in einzelnen Versuchen Ranke's be- weist die Zusammenstellung der analysirten Nahrungsmittel. Barral Ranke Brod, Fleisch, Kartoffel, Bohnen, Milch, Käse. Brod, Fleisch, Eier, Schmalz. Die weiteren Einwendungen Voits gelten den Ausgabeposten. Der erste Einwand lautet, es sei für das AufFangen von Harn und Koth nicht gehörig gesorgt worden und dieser Vorwurf scheint 24 S e e g e n. Boussingault zu gelten, da die Vorrichtungen von Henneberg und Stohmann und von Grouven als mustergiltig entgegen- gestellt werden. Auch diese Einwendung ist vollkommen unbegründet. Boussin- gault gibt ausdrücklich an, daß der Stall, in welchem die Kuh war, so eingerichtet war, daß beim Sammeln der Excremente kein Verlust eintreten konnte. Beim Pferde wurde der Stall noch gewaschen, das Waschwasser verdampft und der Rückstand analysirt. Henneberg und Stohmann haben dasselbe Verfahren adoptirt, d. h. auch den Stall so eingerichtet, daß der Harn ordentlich ablaufen und gesammelt werden konnte, und nur Grouven hat bei seinen Versuchen den Harntrichter angewendet. In Bezug auf die Versuche bei der Taube hat auch Boussingault einen eigenen Käfig construirt, und er bemerkt ausdrücklich „eile a ete mise dans une cage dont le fond recouvert par une plaque de verre laissant recueillir sans aucune perte les excrements“. Daß er auch der ungleichen Zusammensetzung der Excremente Rechnung trug, und ein möglichst gleichförmiges Gemenge zu erzielen suchte, sagt er in den Worten: „la matiere seche a ete broyee, introduite dans un flaeon et melangee intimement. C’est a cet etat qu’eile a ete analysee“. Voit suchte diese Mischung in anderer Weise zu erzielen, das Resultat war wohl in beiden Fällen dasselbe. Wer überhaupt die Arbeiten von Boussingault und Barral aufmerksam liest, wird keinen Augenblick daran zweifeln, daß diese eminenten Analytiker keine jener Cautelen außer Acht ließen, welche für den geübten und gewisenhaften Beobachter selbst- verständlich sind, wenn er ehrliche Resultate erzielen will. Ohne daß sie in unnöthige Details eingehen, geben sie immer genau die Versuchsmethode an, und nach dieser Richtung kann man ihnen im besten Falle gleichkommen, sie aber gewiß nicht übertretfen. Eine der Hauptschwierigkeiten macht es nach Voit, den auf eine bestimmte Zeit und auf eine bestimmte Nahrung treffenden Koth festzustellen. Von Bedeutung werde diese Schwierigkeit bei Wieder- käuern und Pferden, die das Futter lange im Darme behalten, und wenn man diesem Umstande nicht Rechnung trägt, tritt es mit Sicherheit ein, daß nicht aller Stickstoff des während der Versuchs- reihe verzehrten Fressens nach dem Abschlüsse der Reihe schon entleert ist, und umgekehrt wird Stickstoff, welcher der früheren Reihe angehört, in Rechnung gebracht. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate- Diese Einwürfe haben gewiß ihre große Bedeutung und ver- dienen bei allen Versuchen die größte Berücksichtigung. Die Fehler, welche entstehen durch die Unmöglichkeit, den Koth einer gewissen Zeit und Nahrung mit dem Abschlüsse der Versuchsreihe ganz in Rechnung zu bringen, werden nie ganz zu eliminiren sein. Auf die Versuchsresultate in den Untersuchungen Boussin- gault’s haben diese Fehler gewiß nur einen verhältnißmäßig ge- ringen Einfluß. Die Kothausscheidung in den zwei Versuchsepochen betrug in den drei anfeinanderfolgenden Tagen: beim Pferd bei der Kuh io/n • • • .14-13 “/«. .... 14*82 w/i« • • • .13-80 19/ao • • • • 26-23 2o/31 . . . .28-93 *v„ . . . .30-60 Es war also eine ziemlich gleichmäßige Kothausscheidung. Die Kuh hatte einen Monat und das Pferd durch drei Monate vor der Untersuchung dieselben Nahrungsmengen erhalten wie während der Versuchszeit. Es ist also anzunehmen, daß auch in den früheren Tagen das gleiche durchschnittliche Kothquantum als Nahrungs- residuum zurückblieb. Würde also auch die Kothelimination eine sehr langsame sein und der während der Versuchszeit erhaltene Koth von der früheren Nahrung stammen, würde sie doch immerhin als das Kothquantum für das während der Versuchszeit gegebene Futter in Rechnung zu bringen sein, da diese Futtermengen qualitativ und quantitativ ganz gleich waren. Die Hilfsmittel, die Henneberg und Sitohmann angewendet haben, um die Fehler in Bezug auf die Kothausscheidung in Rechnung zu bringen, und die nach V o i t, weil sie früher nicht beachtet wurden, theilweise das N-deficit erklären sollen, waren Correcturen. Nach Henneberg J) gibt die Kothcorrectur aus seiner dreitägigen Ver- suchszeit im Vergleiche zu der fünfzehntägigen Vorperiode ein Kotli- plus von fünf Pct. Wenn an den Resultaten von Boussingault's Versuchen tliese Kothcorrectur angebracht wird, vermindert sich das Deficit, bei der Kuh auf 21 und beim Pferde auf 33 Pct. „Häufig," so fährt Voit fort, „hat aber noch etwas anderes zur Annahme eines Deficits mitgewirkt, als die Fehler in der Methode, t) Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung der Wiederkäuer. 1. Heft. 26 S e e g e n. nämlich eine falsche Auslegung der Versuchsergebnisse“. Man hat nämlich die Differenz zwischen Einnahme und Ausgabe als Deficit gedeutet, während man dieselbe als Fleischansatz anzunehmen hatte. Die Gegner dürften fragen, ob nicht gerade diese Voit’sche Deu- tung eine falsche sei. Sowohl in denVersuchen von Boussingault wie in jenen von Barra 1 handelte es sich um Erhaltungsfutter. Bous- singault bemerkt ausdrücklich, daß seine Thiere seit Monaten ein gleiches Körpergewicht behalten hatten. Der Stickstoffansatz ist also durchaus nicht nachweisbar. Wollte man für den Stickstoff- ansatz Fett- oder Wasserausgabe annehmen, käme man, zum minde- sten heim Pferde, mit der begründeten Annahme, daß die Stickstoff- differenz wie sie sich in den Versuchstagen herausstellte, schon durch Monate statt hatte, ungefähr zu einem solchen Thiermonstrum , wie es mein Versuchshund wäre, wenn die Stickstoffdifferenz als Fleisch- ansatz berechnet würde. Bei der Taube beträgt die Stickstoffdifferenz innerhalb zwölf Tagen 1-92 Grm. Dieses wäre als Fleichansatz berechnet circa 60 Grm. Die Taube, die aber kaum um zwei Grm. zugenommen hat, kann für diesen präsumptiven Fleischansatz kein Fett ausgegeben haben, da die ausgeathmete C03 nur dem in den Excrementen feh- lenden C der Nahrung entspricht. Man müßte also annehmen, daß sie ungefähr ys Theil ihres Gewichtes als Wasser verloren hat, eine Annahme, die doch schon ins Reich der kühnen Hypothesen gehört. Als Gegensatz und Widerlegung der in den Versuchen von Boussingault und B a r r a 1 gewonnenen Resultate weist V o i t auf die Untersuchungen von Henneberg und Stohmann, von Grouven und von Ranke hin und führt einige dieser Versuchs- resultate an. „Die mühevollen und exacten Versuche von W. Henneberg und F. Stohmann i) an Ochsen haben dargethan, daß man auch bei diesen Thieren im Beharrungszustande den Stickstoff des Futters vollständig oder nahezu vollständig in den Excrementen wieder finden kann. Sie schlossen daraus, daß innerhalb gewisser und enger Grenzen der Stickstoff des Futters keinen andern Ausgang hat als im Harn und Koth“. 1) Henneberg und Stohmann, Beiträge zur Begründung einer nationellen Füt- terung der Wiederkäuer 1. u. 2. Heft. Braunschweig 1860—1864. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 27 Voit führt nun dafür Belege aus den Versuchsreihen von Henneberg und Stohmann an, bei welchen das Maximum der Differenz 7—8 Pct. beträgt. Leider hatVoit jene Versuchs- reihen unberücksichtigt gelassen, welche in ihren Resultaten mit jenen von Boussingault ganz überein- stimmen und die zu dem oben angeführten Schlüsse gar nicht berechtigen. Henneberg und Stohmann haben an zwei Ochsen eine Reihe von Versuchen über Erhaltungsfutter von verschiedener Zu- sammensetzung angestellt. Sobald bei der jeweiligen Fütterung der Beharrungszustand eingetreten war, wurden die Einnahmen und Ausgaben durch die Analyse festgestellt. Die nachstehende Tabelle gibt die Ergebnisse der Untersuchung in Bezug auf die Stiekstoff- Ab- und Zufuhr für 1000 Pfund Lebendgewicht. Ochse Nr. Versuchsmonat Stickstoffgehalt des Differenz Zu- unt zwischen Abfuhr Futters Harns Kothes in Grammes in Perct. I. Februar 0,306 0,158 0,144 — 0,004 — 1-3 11. 0,294 0,171 0,157 + 0,034 + 11-6 I. Mürz 0,139 0,049 0,077 — 0,013 - 9-3 II. 0,312 0,165 0,330 + 0,018 + 5-8 I. Mai 0,146 0,051 0,059 — 0,036 - 24-7 II. 0,158 0,061 0,064 — 0 033 - 20-9 I. Juli 0,146 0,060 0,074 — 0,012 — 8-2 11. 0,158 0,066 0,074 — 0,018 - 11 -4 Noch weit höher stellen sich die Differenzen zwischen dem ins Blut übergegangenen N der Nahrung (Stickstoff des Futters Minus Stickstoff des Kothes) und dem durch Harn ausgeschiedenen N. Wenn wir z. B. die Maiversuche in dieser Weise berechnen, so fin- den wir I. N-einnahme 0-087 N-ausfuhr im Harn 0051 Difter. —0-036 =41 Pct. II. * 0 094 „ „ „ 0 061 „ —0-033 =35 Pct. In diesen Versuchsreihen finden sich trotz des Beharrungszu- standes des Thieres die verschiedensten Verhältnisse zwischen N-ein- Seegen, nahme- und Ausgabe und die Maiversuche geben Differenzen, die jene welche Roussingault bei seinen Versuchen gefunden noch über- treffen. Im zweiten Hefte der Beiträge i) werden die Resultate von wei- teren 30 Fütterungsversuchen mitgetheilt. Zur Ergänzung der von Voit mitgetheilten Versuche mit geringem Deficit, führe ich einige dieser Versuche an, bei welchen ein großes Stickstoffdeficit vorhan- den war. Nummer des s tickstoff Differenz zwischen N. der Nahrung und N. des Kothes und Harns Versuches der Einnahme des Harns des Kothes in Grammes in Percent 1 0,26 0,08 0,09 — 0,09 51 2 0,30 0,08 0,11 — 0,11 42 16 0,30 0,07 0,18 — 0,05 41 19 0,68 0,23 0,25 — 0,20 46 20 0,70 0,29 0,22 — 0,19 39 21 0,58 0,18 0,23 - 0.17 48 27 0,73 0,29 0,25 - 0,19 46 29 0,85 0,41 (',25 - 0,19 37 Henneberg und Stohmann 2) fragen wie das Deficit in den Versuchen mit Erhaltungsfutter und bei Beharrungszustand der Tliiere zu deuten sei. Sollte die Stickstoffdifferenz als Fleischansatz zu be- rechnen sein? Der Einwand gegen die Zulässigkeit einer solchen An- nahme aus dem Gleichbleiben des Lebendgewichtes des Thieres ließe sich dadurch beseitigen, daß man eine gleichzeitige Verminderung anderer Körperbestandtheile annehmen würde. Aber eigentümlicher Weise findet sich gerade bei den stickstoffreichen Fütterungen das geringste Deficit, ja sogar ein Überschuß von Stickstoff in den Excre- menten, während gerade bei den stickstoffarmen Futtermisebungen sich das größte Deficit' findet. Es müßte also gerade bei diesen eine Fleischproduction angenommen werden, die bei stickstoffreichem Futter nicht statt hätte. Es bleibt also nur übrig in Übereinstimmung mit den Versuchs- resultaten von Regnault und Reiset das Stickstoffdeficit als Stick- 1) A. a. 0. 2. Heft. Tabelle S. 246—257. 2) A. a. 0. i. Heft. S. 104. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 29 stoftausscheidung durch die Lungen zu berechnen. „Es findet also auf Kosten der Bestandtheile des Thierkörpers eine Ausscheidung von gasförmigem Stickstoff durch die Lungen statt und damit verliert der Stickstoffverlust als Anzeige einer Zunahme des Fleischgewichtes den größten Theil seiner Beweiskraft.“ Allmälig bekehrten sich Henneberg und St oh mann zu Voits Annahme jede Differenz in der N-Ausscheidung als Fleischan- satz zu berechnen, und im zweitens Hefte bewegen sie sich bereits ganz munter im Fahrwasser dieser Hypothese und adoptiren jede Consequenz derselben. Jedes Stickstoffdeficit wie z. B. jenes von Boussingault gefundene wird dadurch erklärt, daß „ein wirklicher Beharrungszustand der betreffenden Thiere keineswegs genügend eon- statirt war, also immer noch Fleisch angesetzt wurde“. Hat etwa das Gleichbleiben des Lebendgewichtes durch mehrere Monate nicht genügt, um den Beharrungszustand zu constatiren? Wie beantworten Henneberg und Stohmann die Einwendung, die sie sich selbst früher machten, daß, wenn in ihren Versuchen das Stickstoffdeficit als Fleischansatz angenommen würde, dieser Ansatz gerade bei stickstoffarmer Kost am größten wäre? Die Frage wird nicht beantwortet, aber die Wandlung in Hen- neberg's und Stohmann’s Ansichten hat das Besultat i) „daß sie damit ein wichtiges Princip gewonnen haben zur Beurtheilung der Fleischbildung im Thierkörper“. (!) Grouven a), der in einigen seiner Versuche ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Stickstoffeinfuhr durch Nahrung und Ausfuhr durch die Excremente fand, und sich den Anschauungen von Bi sc ho ff und Voit anschließt, sagt„ er habe das nicht gethan, weil er sich von der Unmöglichkeit einer Stickgasperspiration so sehr überzeugt finde, wie diese Herren, sondern weil er auf dieser Seite stehen muß, um überhaupt Gleichungen über Stoffwechsel aufstellen und in diesem Gebiete schon jetzt für die landwirtschaftliche Thierfütterung etwas thun zu können“. Nachdem er den Stand der Streitfrage über die Bedeutung des Stickstoffdeficits skizzirt und sie als eine der folgen- schwersten Fragen der practischen Physiologie hingestellt, sagt er: „Alle unsere Berechnungen des Fleischumsatzes oder Ansatzes im l) A. a. 0. 2. Heft. S. 11. 3) Grouven Physiologisch - chemische Fütterungsversuche über den Nährwerth etc. Berlin 1864. 30 S e e g e ii. Körper werden unrichtig, wenn sich außer im Harn und Kotli eine schwankende unbekannte Stickstoffmenge noch durch die Haut ent- fernte. Entweder muß dann die Stickgasmenge, wie sie unter norma- len Verhältnissen ein Versuchsthier ausscheidet, überall genau be- stimmt werden, oder wir müssen darauf verzichten, die Gesetze des Fleischumsatzes zu erfahren und den Schleier zu heben, welcher bis heute dem menschlichen Geiste die Gesetze der thierischen Ernäh- rung verdeckt. Eine fatale Alternative!“ So scließt Grouven seine Betrachtung, die besser als ganze Bücher es thun und besser als alle gewundenen Beweisführungen es vermögen, erklärt, wie so dieVoit- Bischoffsche Hypothese überall da Eingang gefunden, wo man die Forschungen der Wissenschaft möglichst rasch praktisch ver- werten will. Die Franzosen, die sich mit Ernährungsphysiologie im Interesse der Thierzüchtung beschäftigen, sind in diesem Punkte viel nüchter- ner. Wir haben schon die Versuche Bous singault’s besprochen. In neuerer Zeit hat Reiset Versuche an Hammeln gemacht in Be- zug auf die Verwertung der stickstoffhaltigen Nahrung für den Fleischansatz. Die Versuche wurden an zwei Hammeln angestellt und umfas- sen einen Zeitraum von 168 Tagen. Innerhalb dieser Zeit war die Stickstoff-Aufnahme 3836 Grm. „ „ -Ausgabe 763 1 Differenz — 3072 9 Die Tliiere sind um 19 Kilo innerhalb der Versuchszeit schwe- rer geworden. Um nun eine Einsicht in die Ernährungsresultate zu erlangen, hatte Reiset vor dem Beginne des Versuches zwei Hammel, die den Versuchstieren möglichst gleich waren geschlachtet und das Gewicht von Fleisch, Fett und Wolle bestimmt. Man konnte die so gefundenen Ziffern annähernd auf die Versuchstiere übertragen. Diese wurden am Schlüsse des Versuches gleichfalls geschlachtet und nun ihre Fleisch-, Fett- und Wollmenge genau bestimmt, und da fand sich, daß eine Vermehrung der Albuminate stattgefunden hatte, die einer Stickstoffmenge von 942-55 Grm. entspricht. Von den als Differenz sich ergehenden 3072-9 N waren also 942-55 im Körper angesetzt iJ Comptes rendus 1863. Über die Ausscheidung' d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 31 und 2130 Grm. durch die Perspiration verloren gegangen. Hätte Reiset die ganze Differenz als IFleischansatz berechnet, hätte er wohl ein Thier errechnet, welches dem der Wirklichkeit sehr wenig ähnlich gewesen wäre. Sowie die Versuche von Henneberg und Stohmann und von Grouven als Widerlegung der Versuchsresultate von Boussin- gault angeführt werden, so soll nach Voit durch Ranke’s Ver- suche an Menschen der Irrthum jener von Barral gewonnenen Un- tersuchungsresultate dargethan werden, „die bis jetzt von den Phy- siologen als Paradigma angesehen werden“. Ranke *) hat an sich selbst vier Versuchsreihen mit gemischter Nahrung angestellt. Nachfolgend sind die aus Ranke's Tabellen ge- wonnenen Daten übersichtlich zusammengestellt. Nummer des Versuches Dauer in Tagen Körper- gewichts- Veränderung Stickstoff der Differenz Nahrung Ausscheidung in Grammes in Percent 1 7 — 970 136-92 153-40 4- 16-48 11 3 li — 5060 224-87 246-99 + 22-12 9-8 4 6 * — 800 91 -32 9618 -|- 6-86 7-3 Die zweite Versuchsreihe umfaßt nur 3 Tage und mußte wegen fieberhafter Erkrankung unterbrochen werden, ich habe sie darum unberücksichtigt gelassen. Diese Versuchsresultate werden als Beweise angeführt, daß aller Stickstoff der Nahrung in den 24stündigen Excrementen sich findet, daß also kein N durch Perspiration weggegangen sein kann. Das auf- fallende Plus der N-ausscheidung wird weiter nicht sehr berücksich- tigt. Voit bemerkt hierüber nur so beiläufig, „es werde vielleicht später möglich den Grund für dies in den meisten Fällen im Harn und Koth des Menschen gefundene Plus von Stickstoff zu entdecken“. Ist nicht die Lösung für dieses anscheinende Plus eine sehr einfache, wenn man die Gewichtsverluste innerhalb der Versuchsperiode berücksich- tigt. Wenn man diese auch nur theilweise auf Körperfleisch bezieht, dann entfällt sogleich das auffallende Plus und es tritt dafür ein Deficit ein, welches je nach der Quantität des umgesetzten Körper- fleisches sogar ein bedeutendes sein kann. + Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medizin. 1863. 32 Seegen, Es heißt doch Götzendienst mit einer Theorie treiben, wenn man ihr zu Liehe einmal einen Beharrungszustand da nicht gelten läßt, wo nach Monate lang dauernder gleicher Nahrung das Körpergewicht gleich gebliehen ist, und ein anderes Mal diesen Beharrungszustand eingetreten wähnt, wenn durch mehrere Tage gleiche Nahrung ge- nommen wurde, trotzdem das Körpergewicht von Tag zu Tag die auf- fallendsten Veränderungen zeigt, nur weil man in jenem Falle eine Stickstoffdifferenz nicht als Deficit gelten lassen will, und weil man in diesem Falle ein solches Deficit nicht entstehen lassen will. Allerdings wurde in der vierten Versuchsreihe ein Controlver- sueli im Respirationsapparale gemacht und nur so viel C in Form von COa gefunden, als dem C der Nahrung entspricht, aber seihst abgesehen davon, daß ein Versuchstag doch kaum beweisend ist, wäre es doch denkbar, daß eine Spaltung des Fleisches stattgefunden hatte, bei welcher der C als Fett zurückgeblieben wäre. Ranke hat noch überdies drei eintägige Versuche mit reich- licher Fleischfütterung gemacht und stets ein großes N-Defieit ge- funden. Die Ergebnisse dieser drei Versuche waren: I. Stickstoff-Einnahme 62-29 Ausgabe 44*19 Differenz — 18*10 = 29 Pct. II. Stickstoff der Nahrung 66*3 der Ausscheidung 43*9 Differenz — 22*4 = 33 Pct. III. Stickstoff-Einnahme 43*55 Ausgabe 37*91 Differenz — 5*64 = 13 Pct. In allen drei Versuchsreihen war überdies eine Körpergewichts- abnahme von 146, 1179 und 1088 Grm. Diese Versuche werden von Voit unerwähnt gelassen. Im Jahre 1866 hat Cand. Med. Gaehtgens t) unter Bidder und Schmidt eine interessante 40tägige Untersuchungsreihe über den Stoffwechsel eines Diabetikers verglichen mit dem eines Gesun- den angestellt. Das uns zunächst angehende Resultat der Untersuchung war folgendes: l) Gaehtgens: Über den Stoffwechsel eines Diabetikers etc. (Dissertation) Dorpaf 1866. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 33 Der Gesunde hat an N eingenommen 1206 Grm. Durch Harn und Koth ausgeschieden 937 Differenz — 269 == 22 Pct. Die Nahrung war eine vorwaltende Fleischnahrung, die Gewichts- zunahme innerhalb der Versuchszeit beträgt 813 Grm. Gaethgens berechnet nach Voits Vorschrift diese Differenz als Fleischansatz und für das im Gewichte nicht erscheinende Fleisch wurden natür- lich andere Körperbestandtheile ausgegeben. Die Unwahrscheinlichkeit einer solchen Metamorphose springt in diesem Falle recht in die Augen. Die Differenz von 269 Grm. als Fleischansatz berechnet, gibt 7910 Grm. Fleisch. Da die Zunahme nur 813 Grm. beträgt, hätten circa 7000 Grm. in Fett oder Wasser abgegeben werden müssen. Eine Wasserabgabe vom Körper ist doch nicht wahrscheinlich bei einem Menschen, der (um unter gleichen Bedingungen mit dem Dia- betiker zu leben) mehr Flüssigkeiten einnimmt als hei normaler Er- nährung. Ebenso wenig dürfte ein 23jähriger junger Mann, der 34 K. schwer ist und selbst von sich aussagt, „daß sein panniculus adi- posus schwach sei“, innerhalb 40 Tagen 14 Pfund Fett verausgabt haben. Statt das Ergebniß in das Procrustesbett der Theorie zu zwängen, wollen wir uns an die Thatsache halten, die mit jenen von Barral und Ranke übereinstimmend ein beträchtliches Deficit zwi- schen Einnahme und sensibler Ausgabe beim Menschen constatirt. Als die wichtigste Stütze für das von ihm formulirte Gesetz hat Voit in seiner Abhandlung 9 aus allen seinen Schriften, wie als Er- gebnisse neuer, früher nicht veröffentlichten Untersuchungen, 32 Ver- suchsreihen zusammengestellt, bei welchen der Stickstoff der Nahrung im Harn und Koth zu finden war. — Ich möchte mir nur in Bezug auf diese Beobachtungen zwei Bemerkungen erlauben: 1. Sind hei manchen Versuchsreihen, bei welchen in den ersten die Stickstoffausscheidung durch den Harn eine ge- ringere war als die Stickstoffeinnahme, diese Versuchstage in der Bilanz gar nicht berücksichtigt, und es ist nicht blos der erste Tag der Reihe als noch unter dem Einflüsse der früheren Ernährung stehend weggelassen worden, sondern 2—3 — 5 Tage sind oft in die Bilanz nicht einbezogen. Wie natürlich wird dadurch die erzielte Bilanz eine ganz andere, als wenn die Einnahms- und Ausgabsposten l) A. a. 0. 1. Hft. S. 25. ff. (Seegen.) 34 S e e g e n. der ganzen Reihe verglichen werden. Unter 42 Reihen ist dieser Vor- gang 14mal adoptirt. Ich will von jenen, wo die Differenz 1—2 Tage ausmacht, ahsehen und nur beispielsweise anführen, daß bei Versuch Nr. 7 von der Otägigen Ernährungsreihe nur die letzten 6 Tage in Rechnung gebracht werden, in Versuch Nr. 8 von 16 Tagen 12, in Versuch Nr. 10 von 20 Tagen 14, in Versuch Nr. 11 von 27 Tagen 13, in Nr. 19 von 3 Versuchstagen 1 und in Nr. 20 wird von einer 2tägigen Reihe nur einer in der Rilanz berücksichtigt. Um den dadurch erzielten Unterschied in der Rilanz zu bewei- sen, liehe ich ein Beispiel heraus. Nr. 10 bei gemischter Nahrung. Es wurde nach einer zehntägigen Fütterung mit 1800 Grm. Fleisch durch sieben Tage 1800 Grm. Fleisch und 230 Grm. Fett gegeben. Von dieser siebentägigen Reihe wurden die beiden letzten in Rech- nung gebracht, in folgender Weise: Einnahme im Fleisch . . 122-4 Ausgabe im Harn . . . 120-2 „ „ Kotli ... 1-4 Differenz . . — 0-8 = 0-6 Pct. Würde dagegen die Bilanz der gesammten Ernährungsperiode von sieben Tagen gezogen, so ergäben sich folgende Ziffern: Einnahme 428-4 Ausgabe im Harn . . . 394-4 „ „ Kotli ... 1-4 Differenz . . — 32-6 = 7-6 Pct. ein kleines Plus von Kotli würde dieses Deficit nur wenig ändern. Eine zweite Bemerkung ist die, daß manche der Untersuchungs- reihen sehr kurz sind und darum nicht maßgebend sein können. Es finden sich nämlich neben langen Versuchsreihen von 68 — 49 23—20 Tagen auch sieben Versuche von drei Tagen, einige von vier, von fünf und sechs Tagen und sogar drei von einem Tage. Ich habe mein Bedenken gegen kurze Reihen schon früher ausgespro- chen i), ich äußerte, „der thierische Organismus arbeitet nicht so regelmäßig, daß in gleichen Zeitabschnitten ein gleicher Umsatz stattfindet etc.“ Voit s) erklärt nun zwar diese Ansicht „für voll- kommen unrichtig“ und führt aus seinen „neueren Versuchen“ Rei- hen auf, hei welchen unter gleichen Ernährungsverhältnissen nur 0 A. a. O. — 2) A. a. 0. 2. ifft. Über die Ausscheidung; d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 35 sehr geringe Schwankungen in der Ausscheidung Vorkommen. Er fordert sogar, daß jeder in Zukunft seine Geschicklichkeit zu solchen Arbeiten documentire „durch das Auffinden des Stickstoffes in Harn und Koth und durch Regelmäßigkeit der Harnstoffausscheidung“. Aber wenn Voit nach diesem Grundsätze alle hieher gehörigen Arbeiten beurtheilt, so wird er sie zum großen Theile verwerfen müssen und dieser Ostracismus träfe nicht blos fremde Forscher und darunter solche, die auch Voit in Stoffwechselarbeiten für maß- gebend hält, wie Bisch off, Bidder und Schmidt, er müßte die- sen Ostracismus gegen viele seiner Arbeiten selbst anwenden. Ich hebe nur einige Versuche aus Voit’s früheren Arbeiten heraus, die diese Schwankungen bei gleicher Nahrungszufuhr illustriren. In Versuch I über Kaffeewirkungen *) schwankt die Harnstoff- ausscheidung zwischen 55 und 90 Grm. In Versuch II finden sich Harnstoffausscheidungen von 92 und 61 und in zwei aufeinander folgenden Tagen finden wir die Harnstoff- ausscheidung 104 und 42 Grm. In Versuch III schwankt die Harnstoffausscheidung ununter- brochen zwischen 66 und 87 Grm. In den im ersten Hefte seiner Abhandlung mitgetheilten Versu- chen finden sich S. 33 Schwankungen in der Harnstoffausscheidung zwischen 145 und 163, zwischen 146 und 166 Grm. und diese Bei- spiele ließen sich bei einiger Mühe aus Voit’s Schriften in großer Zahl anführen. Doch ich will von allen dem Zwecke dieser Arbeit ferne stehen- den Einwendungen ganz absehen und alle von Voit mitgetheilten Versuchsreihen für vollberechtigt gelten lassen. Was beweisen die- selben? Daß in allen diesen Versuchen eine dem Stickstoffgehalt der Nahrung entsprechende Stickstoffmenge in den sensiblen Excretionen zum Vorschein kam. Ich will selbst annehmen, daß in diesen Versu- chen kein weiterer Stickstoff vom Körper abgegeben wurde, wie- wohl man für Beurtheilung dieses Verhältnisses keinen Anhalt hat, da bei den meisten Versuchen die Angaben über das Verhältniß des Körpergewichtes fehlen, und obwohl selbst beim Gleichbleiben des Körpergewichtes noch immer die Annahme einer Abgabe von N 1) Voit: Untersuchungen über den Einfluß des Kochsalzes, des Kaffees etc. München 1860. S. 110 ff. 36 S e e g e n. denkbar wäre durch Spaltung von stickstoffhaltiger Substanz in ele- mentaren N und in einen dem Gewichtsverluste entsprechenden An- satz von Fett und Wasser; aber ich nehme an, das Körpergewicht sei gleich geblieben, der ausgegebene N sei jener der Nahrung und es habe kein Umsatz vor Körpersubstanz stattgefunden. Aber was beweist dies für alle jene Versuchsreihen, in welchen eine Differenz zwischen Stickstoffzufuhr und Stickstoffausscheidung statt hat? Um die Bedeutung dieser Differenz handelt es sich. Ist diese Differenz im Körper zur Bildung von Gewebselementen zurückgeblie- ben , oder ist sie in ihrer Gänze oder zum Theile als eine Ausgabe zu betrachten, die auf einem andern Wege als durch Harn und Koth erfolgte. Voit hat diese Frage dahin entschieden, daß jedes Stick- stoffminus als Ansatz zu deuten sei. Für ihn repräsentiren alle jene Versuche, bei welchen Einnahme und Ausfuhr durch Harn und Koth sich decken, den Beharrungszustand des Thieres, und daraus wurde das Gesetz deducirt, daß, wenn der Organismus mit dem Stickstoffe der Nahrung sich im Gleichgewichte befindet, sich aller Stickstoff der Nahrung im Harn und Koth finden müsse, wo immer sich eine Dif- ferenz findet, dann beweist dies, daß jener Gleichgewichtszustand nicht vorhanden ist, und daß Ansatz oder Umsatz der stickstoffhal- tigen Körpersubstanz stattgefunden hat. Für ein Gesetz von solcher Tragweite, bedarf es aber vollgewich- tiger unantastbarer Beweise. Selbst wenn Voit die Zahl jener Unter- suchungsreihen, in welchen Einnahme und Ausfuhr sich deckten, ver- zehnfacht hätte, würden sie nicht genügen, um über die Differenz wo •sic sich findet, maßgebend zu entscheiden. Damit dieses möglich würde, hätte Voit in einigen Fällen, wo eine Differenz, also z. B. ein Minus von Stickstoff sich findet, nach- weisen müssen, daß dasselbe im Körper zurückgeblieben ist, oder zum mindesten zeigen müssen, daß dieser Stickstoff nicht durch Per- spiration den Körper verlassen hat Diese Wege mögen große Schwierigkeiten bieten, vielleicht mit den heutigen Mitteln der Wis- senschaft nicht zu erzielen sein, dann muß man es auch vorläufig noch aufgeben, ein so wichtiges Ernährungsgesetz zu statuiren. Die französischen Forscher haben die beiden angedeuteten Wege einge- schlagen um über die Umsetzung des eingeführten Stickstoffes ins Klare zu kommen, und sie gelangten auch zu Resultaten, die der von Voit als Gesetz formulirten Ansicht geradezu entgegengesetzt sind. Über die Ausscheidung' d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuiniuate. Ich theilte bereits früher die Untersuchungen von Reiset mit, die an Hammeln angestellt waren. Um über die durch die Ernährung im Körper hervorgebrachten Veränderungen Aufschluß zu erlangen, sucht er sich mindestens annähernd über den Thierbestand vor und nach der Ernährung Aufschluß zu schaffen, und wie ganz verschie- den von den theoretischen Anschauungen Voit’s war in Wirklich- keit der Stotfumsatz des Thieres gewesen! Die wichtigsten directen Untersuchungen über den Stickstoff- gehalt der Respirationsluft sind die berühmten Versuche von Re- gna ult und Reiset. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen galten immer als Beweis, daß eine Stickstoffausfuhr durch Haut und Lungen statt haben könne und man glaubte sich dadurch berechtigt, ein Defi- cit zwischen Stickstoff der Nahrung und jenem der Excremente als Ausfuhr von elementarem Stickstoff anzusehen. Voit hält diesen Schluß auf Grundlage der durch Reiset und Regnault gewonnenen Resultate für unberechtigt, „denn Regnault und Reiset haben in keinem einzigen Falle eine beträchtliche Ände- rung des Stickstoffes gefunden, es ist weiter zu bemerken, daß sie bald eine Abnahme bald eine Zunahme des Stickstoffes eintreten sahen, also durchaus nichts Gesetzmäßiges sich herausstellte, und endlich, daß sie seihst nicht ein Wort darüber äußerten, wodurch eine Alteration im Stickstoffgehalt bedingt sein könnte.“ Voit findet sogar, daß man die Zahlen von Regnault und Reiset, die man als Beweis für eine Exhalation ansieht, eher zur Widerlegung einer solchen Exhalation hätte benützen können, nur die vorgefaßte Mei- nung hat aus den Regnault- und Reiset sehen Zahlen falsche Schlüsse gezogen und „es ist gewiß, die Angaben von Regnault und Reiset wären ganz anders aufgefaßt worden, wenn das hei Füt- terungsversuchen erhaltene Deficit nicht zu erklären gewesen wäre.“ Also die geringe Menge Stickstoff, welche Regnault und Rei- set gefunden, gestattet die Annahme nicht, daß Lunge und Haut eine wesentliche Abzugsquelle des Stickstoffes seien, diese geringe Menge würde im Gegentheil als Beweis dienen, daß die bei den Fütterungsversuchen gefundene oft bedeutende Stickstoffdifferenz nicht auf diesem Wege den Körper verlassen haben könne. Diese Einwendung ist nicht gerechtfertigt, es ist im Gegentheile ziffermäßig erwiesen, daß selbst sehr bedeutende Stickstoffdefieits, wenn sie als Perspirationsproducte berechnet werden, noch unter 38 Seegen, der von Regnault und Reiset gefundenen Durchschnittsziffer der Stickstoffexhalation stehen. Regnault und Reiset i) haben ungefähr hundert Versuche an Thieren aller Classen mit Ausnahme an Fischen und Menschen angestellt. Reiset 3) hat später diese Versuche dadurch vervoll- ständigt, daß er sie an größeren Thieren, als: Kälber, Schafe, Schweine u. s. w. anstellte. Wir stellen als uns zunächst interessirend die wichtigsten Resultate die bei den Versuchen an Hunden gefunden wurden hier tabellarisch zusammen. Versuchs- Numiuer Ausgeathmeter Stickstoff Verbrauchter Sauerstoff Erzeugte Kohlensäure Auf 1 Grm. verbrauchten 0, entbundener N O-verbraueh per Stunde auf 1 Kg. Thier 27 0182 182-288 185-961 0-0010 1-164 28 0-624 182-381 188-050 0-0034 1-286 29 1-016 146-479 150-406 0-0069 1-095 30 0-530 170-520 173-472 0-0031 1-016 31 1-536 87-839 86-378 0-0174 1-393 32 0-948 69-168 70-648 0-0137 1-106 33 0-672 87-568 89-316 0-0077 1-481 34 0-076 115-656 119 661 0-0007 1-224 35 0-059 156-330 196-270 0-0004 1-384 36 0-688 85-686 111-081 0-0080 1-100 37 —0-689 114-517 114073 —0-0006 1-902 38 0-000 82-960 78-960 0-0000 1-138 Als Mittel aus diesen zwölf Versuchen ergibt sich das Verhältniß zwischen Sauerstoffaufnahme und Stickstoffausscheidung = 1:0-0050. Die Thiere haben im Mittel (nach Columne 6) auf 1 Klgr. per Stunde 1-2 Gnn. Sauerstoff verbraucht, in 24 Stunden = 28-8 Grm. 0. Nach dem Verhältniß von 1:0-0056 hat 1 Klgr. Thier in 24 Stunden 0*16128 N. exhalirt. Unsere Versuchshunde von durchschnittlich 26 Klgr. hätten im Mittel in 24 Stunden 4-19 Grm. Stickstoff aus- geschieden. Diese Stickstoffausscheidung kann auf Grundlage derselben Ver- hältnißzahlen in einzelnen Fällen bedeutend größer sein. Nehmen wir z. B. Versuch Nr. 31 heraus, der ausgeathmete Stickstoff in 10 Stunden 15 Minuten betrug 1-536 Grm., das Körpergewicht des Thieres war 6256 Grm., in 24 Stunden hätte dieses Thier ausgesehie- *) Regnault und Reiset, Chemische Untersuchungen über die Respiration der Thiere. Ann. d. Cheni. und Pharm, ßd. 73. s) Comptes rendus Bd. 73. Über die Ausscheidung d Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 39 (Jen 3-6 Grin. Stickstoff und bei einem Körpergewicht von 26 Kilogr. liätte die 24stühdige Stickstoffausscheidung 14-9 Grm. betragen. Im Versuche 32 betrug die Stickstoffausscheidung 0-948 = 0-0137 Gewichtstheil des verbrauchten Oxygens. Das Kilo Thier ver- brauchte in einer Stunde 1-106 0, in 24 Stunden 26-344 Grm. 0. Daraus berechnet sich 1 : 0-0137 = 26-344 : x die Stickstoffaus- scheidung von 1 Kilogr. Thier in 24 Stunden auf 0-3636 Grm. und auf 26 Kilogr. Thier 9-43 Grm. Aber da das Thier nicht seiner Gewichtszunahme entsprechend Sauerstoff aufnimmt, sondern dieser im umgekehrten Verhältnisse zur Größe steht, habe ich in einer weiteren Berechnung jene Sauerstoff- aufnahme zu Grunde gelegt, welche sich in den Respirationsversuchen von Voit und Pettenkofer *) aus den sechs Versuchstagen mit 1300 Grm. Fleisch als Mittel ergeben hat. Das Versuchsthier war im Mittel 30 Kilogr. schwer und die durchschnittliche Sauerstoff- einnahme betrug per Kilogr. Thier für 24 Stunden 16-3 Grm. Nach dem früher mitgetheilten Verhältniß zwischen Sauerstoffeinnahme und Stickstoffexhalation von 1 : 0-0036 wäre die Stickstoffausschei- dung per Kilogr. Thier = 0-09 und auf 30 Killogr. Thier = 2*73 Grm. Diese Ziffer wäre natürlich eine viel bedeutendere, wenn man nicht das Durchschnittsverhältniß zwischen N-ausscheidung und O-auf- nahme zu Grunde legt, sondern wenn man das Verhältniß wie es sich aus einzelnen Versuchen ergibt, als Ausgangspunkt der Berechnung nimmt, es könnte dann in einzelnen Fällen die N-ausscheidung um das 2—4fache die gefundene Durchschnittsziffer übersteigen. Prüft man aus der vorstehenden Tabelle die Beziehung zwi- schen C03-exspiration und N-exhalation, so ergibt sich als Verhält- nißzahl 100 :0-29. Henneberg und Stohmanna) haben bevor sie sich zu Voit’s Ansichten bekannten, und als sie noch das Deficit zwischen Stickstoffeinfuhr- und Ausfuhr durch Harn als Ausgabe durch die Perspiration ansahen, das Verhältniß, welches Regnaul t und Reiset (aus vier Kaninchenversuchen) zwischen Kohlensäure- und Stickstoff- ausscheidung gefunden, mit jenem verglichen, welches zwischen der Kohlensäureausscheidung und dem Stickstoffverluste in ihren Mai- und Juliversuchen besteht. J) Annalen d. Chem. u. Pharm. I. Supplementband. 2) A. a. 0. I. Heft. S. 105. Anmerkung. 40 Seelen. Das Verhältniß zwischen C02 und N-exhalation nach Regnault und Reiset als Mittel aus vier Versuchen ist = 1000:3-5. Das Verhältniß zwischen C02 -ausscheidung und Stickstoffverlust in Henneberg und Stohmann's Versuchen ist folgendes: In den Maiversuchen Ochse Nr. I. . . . 12-4 : 0 036 = 1000 : 2-9 „ „ „ „ „ „ II. . . . 12-5: 0 033 = 1000:2-6 „ „ Juli „ „ „ I. . . . 13-5 : 0-012 = 1000 :0-9 „ „ „ „ „ „ II. . . .13-7:0-018 = 1000:1-3 25 1 : 0-099 = 1000 : 1-9 Die von Regnault und Reiset ermittelte Ziffer der Stickstoff- exhalation ist also fast zweimal so groß, als das bedeutende Stick- stoffdeficit, welches Henneberg und Stohmann in ihren Mai- und Juliversuchen gefunden haben. Reiset <) hat die Ergebnisse seiner Ernährungsversuche mit den Resultaten der von ihm im Vereine mit Regnault und später von ihm allein gemachten Respirationsversuche direct verglichen. Wie bereits früher mitgetheilt, hat er in seinen Ernährungsversuchen ein bedeutendes Stickstoffdeficit gefunden , es beträgt für einen Hammel im Durchschnitte 6 Grm. per Tag auf circa 11-4 Grm. Stickstoffeinnahme. „Nous avons demontreMr.Regnault et moi,“ so spricht Reiset in seinem Memoire an die Akademie“ que les animaux des diverses classes degagent eonstamment de l'azote, quand ils sont ä l’etat d’entretien: la proportion de ce gaz exhale est aussi considerable, que celle qui vient d’etre deduite par la methode indirecte. D’ailleurs, pour ne laisser aucun doute sur ce fait, j’ai entrepris une serie d’experiences dans le but d’etudier directement la respiration des grands animaux de la ferme ... Je me bornerai ä dire que j’ai trouve 5-4 Grm. d’azote exhale en 24 heures pour un brebis ä l’etat d’entretien et 4-3 Grm. pour un mouton dans les memes conditions. Je tenais ä signaler des ä present la concordance remarquable des re'sultats obtenus par deux methodes d'observation tout ä fait differentes“. Der Schlußsatz dieses Citats widerlegt am besten den Einwurf Voits, daß die minimalen N-mengen, welche Regnault und Reiset gefunden haben, nicht zur Deckung des in den Ernährungsversuchen gefundenen Stickstoffdeficits hingereicht haben würden. Gleichzeitig enthält dieses Citat auch den authenti- *) Coinptes rendus. T. 63, pag. 5?S. Über die Ausscheidung- d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. 41 sehen Commentar darüber, wodurch Regnault und Reiset „die Alteration im StiekstofFgehalt des Respirationsraumes bedingt an- sahen“. Die dritte Remerkung, welche Voit über die Resultate der Regnault-Reiset’sehenRespirationsversuche macht, „daß sie bald eine Abnahme bald eine Zunahme des Stickstoffes eintreten sahen, daß also durchaus nichts Gesetzmäßiges sich herausstellte“, ist, was das Thatsächliche betrifft, mit einer wesentlichen Beschränkung wahr. Regnault und Reiset fanden in der sehr großen Mehrzahl von Fällen eine Zunahme des N im Athemapparate. Auf die angeführten zwölf Untersuchungen kommt zehnmal eine Stiekstoffexhalation, ein- mal ein Gleichbleiben des N, und nur einmal eine Absorption. Aber trotz der vorwaltenden Exhalation glaubten Regnault und Reiset sich nicht berechtigt, es als Gesetz zu statuiren, daß N ausgehaucht werde, sie registrirten die Thatsachen und aus diesen ergibt sich vorläufig, daß in Bezug auf N-ausscheidung durch die Lungen und Haut, daß also in Bezug auf diesen einen wichtigen Factor des Stoffumsatzes ein Gesetz sich noch nicht er- kennen läßt, daß diese Exhalation in den meisten Fällen statt- findet, daß sie aber in großen Grenzen schwankt, daß in einzelnen Fällen keine Ausscheidung stattfindet und daß selbst eine Absorption möglich ist. Gerade dieses „nicht Gesetzmäßige“ in den Untersuchungs- resultaten von Regnault und Reiset stimmt in wunderbarer Weise mit den „nicht gesetzmäßigen“ Verhältnissen, welche die Ernäh- rungsversuche auf indirectem Wege über N-exhalation ergeben haben. In manchen Fällen, bei manchen Thier-Individualitäten und unter manchen Verhältnissen wird wahrscheinlich aller umgesetzte Stickstoff durch Harn und Koth ausgeschieden, in vielen und wohl in den meisten Fällen wird nur ein Theil des eingenommenen N durch Harn und Koth ausgeschieden, ein anderer Theil wird zur Gewebs- bildung verwendet und noch ein anderer Theil verläßt den Körper durch Lunge und Haut. Unzweifelhaft liegen diesen diversen Vor- gängen des Stoffumsatzes bestimmte Gesetze zu Grunde, denn in der Natur ist nichts Zufall, aber uns sind diese Gesetze noch verborgen, ihre Enthüllung ist Aufgabe der Ernährungsphysiologie und jeder Schritt, den wir auf diesem Wege thun, führt uns zwar langsam aber sicher zur wirklichen Erkenntniß des Stoffwechsels im thierischen Organismus. 42 S e e g e ii, Ich will zum Schlüsse noch die Gegenversuche, welche Yoit über die Wirkung des Glaubersalzes1) angestellt hat, und seine Kritik meiner Versuche in Kürze besprechen. Ich habe es bis jetzt zu thun unterlassen, weil die Schlüsse, die ich an die damals gewonnenen Ergebnisse knüpfte, auf der Voit-Bischoff’schen Anschauung fußten, daß aller Stickstoff der Umsetzungsproducte in Harn und Kotli erscheine. Diese Schluss- folgerungen waren unberechtigt, wenn es sich herausstellte, daß der Stickstoff der Umsetzung auch auf anderen Abzugswegen den Körper verlassen könne. Ich wollte daher vor Allem den Abschluß meiner Untersuchungen über die Stickstoffausscheidung abwarten. Wenn ich nun für meine Arbeit über die Wirkung des Glaubersalzes eintrete, habe ich dabei nur die h e o b a c h t e t e Methode und die gewonnenen positiven, ziff er mäßig constatirten Daten im Auge, und für diese muß ich um so mehr einstehen, da die bei jenen Untersuchungen beobachtete Methode auch die Basis meiner jetzigen Versuche bildete. Das wichtigste von jeder Deutung entkleidete Ergehniß meiner Versuche über den Einfluß des Glaubersalzes war folgendes: Die Einfuhr von Glaubersalz verminderte die Ausscheidung der stickstoff- haltigen Umsatzproducte durch den Harn. Meine Untersuchungen waren an drei Hunden ausgeführt; die Verminderung der Stickstoff- ausscheidung durch das Glaubersalz war, wie aus den Tabellen ersichtlich, nicht stets dieselbe, sie variirte wesentlich in Bezug auf die Quantität und zwar von 6—25 Pct., sie trat unter gewissen Bedingungen gar nicht ein. Ich bemühte mich die Bedingungen, an welche die Wirkung geknüpft ist, kennen zu lernen, und glaube auf Grundlage ausgedehnter Versuche, die im Detail mitgetheilt sind, eine der Hauptbedingungen für die erfolgreiche Glaubersalzwirkung darin zu finden, daß das Thier fettreich sein müsse. Vielleicht hängt die ungleiche Wirkung, welche das Glauber- salz hei meinen Versuehsthieren übte, noch mit anderen Verhältnissen des Thierleibes zusammen, dieselben müßten Gegenstand weiterer Untersuchungen sein, und ich habe zum Schlüsse meiner Arbeit angedeutet, daß es weiterer, zahlreicher, unter den verschiedensten *) V oit: „Über den Einfluß des Glaubersalzes auf den Eiweisumsatz im Thierkörper.“ Zeitschrift für Biologie. I. Bd., 2. Heft. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Alhuminate. 43 Bedingungen ausgeführter Versuche bedarf, um die Allgemeingiltig- keit der gewonnenen Thatsachen zu bestätigen. Voit hat in seinem Laboratorium durch zwei Studirende zwei „Nach - Untersuchungen" über die Wirkungen des Glaubersalzes machen lassen. Die Versuche wurden an einem Hunde in zwei Ver- suchsreihen ausgeführt. In der einen Reihe erhielt das Thier durch acht Tage 1500 Grm. Fleisch und darauf durch acht Tage zur selben Nahrung 3 Grm. Glaubersalz, dann wieder durch fünf Tage kein Salz und durch sechs Tage 3—6 Grm. Glaubersalz. In der zweiten Versuchsreihe wurden durch acht Tage 5 Grm. Fleisch und 100 Grm. Fett als tägliche Nahrung gegeben, und dann dieser Nahrung durch acht Tage 3 Grm. Glaubersalz hinzugefügt. In beiden Versuchsreihen zeigte das Glaubersalz keinen Einfluß auf die Stickstolfausscheidung. Voit wäre nun zu dem Schlüsse berechtigt gewesen, daß das Glaubersalz nicht unter allen Bedingungen die Stiekstolfausfuhr durch den Harn vermindere. Er hätte zunächst untersuchen sollen, in wie ferne die Bedingungen, unter welchen er das Glaubersalz einführte, von jenen abweichen, unter welchen ich hei meinen Versuchshunden es gethan, und es hätte sich herausgestellt, daß sein Versuchsthier in ganz andererWeise ernährt worden war, daß also die Zusammen- setzung seines Leibes eine andere war. Das einemal hatte das Thier eine Fleischnahrung in übergroßer Menge erhalten, in der zweiten Ver- suchsreihe wurde dem Thiere durch acht Tage ein mäßiger Fett- zusatz zur Nahrung gereicht, von einem Fettansätze konnte also auch in dieser Reihe nicht die Rede sein. Voit’s Resultate würden also nur bestätigen, was ich auf dem Wege des directen Versuches gefunden habe, daß nur nach langer oder nach reichlicher Fettnahrung das eingeführte Glaubersalz die Stickstoffausscheidung durch den Harn vermindert. Wollte Voit die Richtigkeit dieser Anschauung prüfen, dann hätte er ganz unter denselben Bedingungen, unter denen ich es gethan, seine Versuche anstellen müssen. Voit trägt der Verschiedenheit der Ernährungsbedingungen, unter welchen unsere beiderseitigen Versuche angestellt wurden, gar nicht Rechnung, erhält einfach die Ergebnisse meiner Untersuchungen für null und nichtig, da sie durch die in seinem Laboratorium gefun- denen Resultate nicht bestätigt werden, und er richtet seine Auf- merksamkeit nur darauf, die Fehler zu finden, die dieses falsche Resultat zu Wege gebracht haben können, „denn er ist bei der 44 Seesen Entwickelung der Methode dieser Untersuchungen zu sehr betheiligt, als daß er es unterlassen könnte, da wo dieselbe unrichtig angewendet wurde, darauf aufmerksam zu machen.“ Er gesteht mir freundlichst zu, daß meine Versuche sich „sehr zu ihrem Vortheile unterscheiden von den meisten bis jetzt ausge- führten, welche die Wirkung irgend einer Substanz auf die Excretion von Stickstoff prüfen sollten“ er kann trotz allem Nachdenken nicht ergründen, „was in meinen Versuchsreihen nicht in Ordnung ist“, aber es müssen doch Fehler gemacht worden sein, und als einziger Beweis, daß es so sein müsse, führt er aus meinen Tabellen Ver- suchsreihen auf, in welchen die Stickstoffausscheidung sehr schwankt, „denn der Körper arbeitet nicht so unregelmäßig“. Ich habe bereits früher im Verlaufe dieser Abhandlung besprochen, daß die ausgezeich- netsten Forscher auf dem Gebiete der Ernährungsphysiologie ähnliche Schwankungen in der Stickstoffausscheidung beobachtet haben, und ich habe ausVoit's früheren Arbeiten Untersuchungsreihen angeführt, bei welchen diese Schwankungen gleichfalls nicht unerheblich waren. Die beiden Hauptgebrechen meiner Untersuchungen findet Voit darin, daß erstens meine Hunde nicht ins Stickstoffgleichgewicht gesetzt worden waren, ehe das Glaubersalz zugeführt wurde und daß zweitens die Harnblase meiner Versuchstiere nicht täglich vollständig entleert war. Was den ersten Einwurf betrifft will ich hier nicht discutiren, ob Voit's Ansicht berechtigt ist, daß man den Einfluß einer Substanz auf die Stickstoffausscheidung nicht eher ermitteln könne als bis Stick- stoffgleichgewicht eingetreten ist, ich will ferner nur im Vorbeigehen erwähnen, daß Voit selbst nicht immer seiner Lehre entsprechend gehandelt hat, denn in seiner Arbeit über die Wirkung des Kaffees sind die Versuche mit dem Kaffee angestellt, ehe das verlangte Stick- stotfgleiehgewicht hergestellt ist, ich will mich nur einfach darauf beschränken, nachzuweisen, daß Voit’s Einwurf t hatsächlich unbegründet ist, da in einigen meiner Versuchsreihen die von ihm verlangte Bedingung des vorausgehenden Stickstotfgleichgewichtes eingehalten wurde, und gerade in diesen Versuchen ist die Wirkung des Glaubersalzes auf Verminderung der Stickstoffausscheidung eine sehr eclatante. Bei dem Versuchsthiere A ging der Einfuhr des Glaubersalzes unmittelbar eine fünftägige Versuchsperiode voraus, in welcher die Uber die Ausscheidung d. Stickstoffes der im Körper zersetzt. Albuminate. Stickstoffausfuhr der Einfuhr nahezu gleichkam. Voit kennt diese Periode, er erwähnt sie ausdrücklich als eine solche, „in welcher sich das Thier mit dem Stickstoffe der Nahrung ins Gleichgewicht gebracht hat“, aber er findet für gut, hinzuzufügen, „Seegen legt aber auf das Resultat dieser fünf Tage kein besonderes Gewicht, denn er verglich die Glaubersalzreihe nicht mit der fünftägigen, sondern mit der früheren dreißigtägigen Normalreihe“, während ich ausdrücklich hervorhebe, daß ich jene Reihe nur wegen ihrer Länge zum Maß- stabe des Vergleiches nehme, und daß der Einfluß, welchen das Glaubersalz geübt hat, noch viel auffallender wäre, wenn ich die Glaubersalzperiode mit der unmittelbar vorangehenden fünftägigen Normalperiode verglichen hätte. Rei dem Versuchsthier B hatte ich, nachdem das Thier 500 Grm. Fleisch und 200 Grm. Fett erhalten hatte, die Glaubersalzperiode gleichfalls erst begonnen, nachdem durch acht Tage ein vollständiges Stickstoffgleichgewicht vorhanden war. Die tägliche Stickstoffeinfuhr betrug 17 Grm., das Thier schied aus durch den Harn in der unmittelbar darauf folgenden Glaubersalzperiode in der Normalperiode 17 6 14 9 17-7 16*8 17 9 170 14-9 Summe 117*4 = 16 8 p. d. 12-3 12-5 190 12-6 13 * 6 12-6 15-4 98-3 = 14 0 Was den zweiten Einwurf betrifft, dürfte er wohl kaum einer ernsten Widerlegung bedürfen. So lange man nicht die Blase mittelst Katheter entleert, wird man nie die Gewißheit haben, daß die Blase vollständig entleert wurde. Aber angenommen, die Blase wäre nicht täglich vollständig entleert worden, dann würde der zurückgebliebene Harn den nächsten Tag entleert werden, und da ich nur lange Reihen mit einander verglichen habe, würde der Fehler, der nur den letzten Versuchstag treffen könnte, ein verschwindend kleiner sein. Voit gesteht dies seihst zu, doch schließt er mit den Seegeil, Worten: „Wenn Seegen einmal gelernt haben wird, allen während 24 Stunden in der Blase angesammelten Harn genau zu erhalten, und wenn er vor Beginn einer Reihe abwartet, bis das Thier sich in das Stickstoffgleiehgewicht gesetzt hat, so wird er so wenig wie ich heim Zusatz von 2—4 Grm. Glaubersalz zu gleicher Nahrung im Stande sein, eine Änderung in dem Eiweißumsatz nachzuweisen“. Ich will an dieser Stelle den unberechtigten Magisterton dieses Satzes, mit welchem Voit seine Kritik meine Arbeit schließt, nicht weiter aufheben, es genügt mir das Wesen dieser Kritik charakteri- sirt zu haben, indem ich nachgewiesen, daß derselben vollständig der Boden der Thatsachen fehlt. Jede wissenschaftliche Arbeit muß die schärfste eingehendste Kritik der Fachgenossen erwarten, und hei Stoffwechselarbeiten, wo die Fehler so zahlreich sein können, muß die Controle um so schärfer sein; aber es dürfte kaum den wissenschaftlichen Fortschritt auf einem Gebiete fördern, wenn man die Übereinstimmung mit selbst gefundenen Resultaten als den Maßstab für den Werth der Arbeit eines Andern ansieht, und jede von vorneherein für fehlerhaft hält, die dieser Anforderung nicht entspricht. Voit kommt wiederholt in seiner Kritik darauf zurück, dieses oder jenes meiner Resultate müsse unrichtig sein, weil — • er ein anderes gefunden hat. Diese Anschau- ung zieht sich überhaupt als rother Faden in der ganzen Art und Weise, in der Voit gegnerische Arbeiten bespricht und beurtheilt, und diesem Umstande ist es unzweifelhaft zuzuschreiben, daß trotz so eminenter Leistungen in einer so wichtigen Frage wie die über die Ausscheidungswege des Stickstoffes zwei Ansichten einander so schroff gegenüberstehen. Über die Ausscheidung d. Stickstoffes d. im Körper zersetzten Albuminate. 47 A. Datum Körpergewicht Menge Stickstoff Menge Stickstoff des Harnes der Faeces I. Periode. Nahrung 1000 Grm. Fleisch n 100 „ Fett. 5/2 26400 6 26450 1340 21-2 7 26350 880 11-2 8 26280 710 13-5 9 26370 1200 16-6 54 1-25 10 26350 700 14-6 11 26550 290 10-8 12 26870 650 19-3 13 26900 1220 22-0 14 27110 310 11*6 62 1-40 15 27120 730 24-3 16 27150 790 20-8 50 115 17 27500 810 29-0 18 27600 625 16-5 19 27500 95(P 26-4 20 27450 610 15-6 93 2 15 21 27600 830 26-9 22 27950 840 31-2 23 27900 620 26-2 24 28100 320 12-8 82 1-90 25 28100 610 22-0 II. Periode, tägliche Einnahme von 1 Grm. C03Na0. 26 28070 1000 35-0 27 28010 870 32-9 28 28050 910 29-5 80 1.85 l/III 28210 790 30-9 2 28350 880 32-8 3 28270 690 26-4 45 100 4 28530 900 340 5 28330 860 31-5 6 28650 810 31-2 7 28710 800 26-0 78 1-80 III. Periode. — 2 Grm. C03Na0. 8 28700 690 21-4 9 28970 710 241 32 0-75 48 S e e g e n. Datum Körpergewicht Menge Stickstoff Menge Sticksto des Harnes der Faeces 10 29020 450 14-9 11 29170 410 15-4 12 29200 900 270 13 29150 700 16-9 63 1-45 14 29270 710 23-7 15 29450 800 23 3 16 29550 550 19-2 17 29550 1060 300 74 1-70 18 29630 940 29-2 19 29940 830 27-6 20 29810 1100 29-6 21 29900 870 310 22 29980 790 23 1 82 1-90 23 30000 520 180 24 30190 1050 305 25 30170 930 25-3 26 30350 800 28-9 103 2 12 27 30470 910 27-7 • IV. Periode — ohne C02Na0. 29 30650 660 231 30 30670 1000 30-6 31 30680 880 28-0 1/1V 30680 820 21-8 70 1-60 2 30860 840 27-3 3 30970 820 27-5 4 30920 1010 32-2 52 1-20 5 31020 820 20-8 6 31140 810 29 0 7 31020 820 23-2 8 31030 830 25-2 54 1-25 9 31170. 740 26-9 10 31080 840 25-8 11 31160 780 21-7 12 31400 715 23 0 78 1 80 13 31350 910 29-3 14 31510 730 23-8 15 31350 880 32-5 16 31700 780 23-5 84 1-95 17 31660 600 23 -8 Über die Ausscheidung d. Stickstoffes d. im Körper zersetzt. Albuminate, 49 B. Versuchs- Periode Datum Nahrung Körper- gewicht Harn- menge Stickstoff des Harnes Menge Stick- stoff p. c. in Grm. der Faeces i. 11/11 1866 840 Grm. Fleisch 28620 12 1300 „ Wasser 28670 1450 1-48 21-53 13 28640 1230 2-25 27-70 14 28520 1440 112 1612 15 28460 1720 1-29 22 18 85 1*95 16 28430 1460 1-73 25-20 17 28420 1310 1-62 21-20 18 28380 1440 1-62 23-30 19 28290 i*10 1-62 19-60 20 28210 1270 1-73 22-00 80 1 85 21 28070 1460 1-73 25-30 ii. 22 910 Grm. Fleisch 28140 1240 1-79 22-2 23 28040 1510 1-73 26-2 24 28020 1380 1-51 20-8 25 28100 1640 1*81 24-8 26 27820 1440 1-28 18-5 62 1-40 27 28030 1330 1*73 230 28 28000 1420 1-73 24-6 29 28050 1560 1*62 25-3 50 115 30 27940 1690 1-50 25-3 1/12 27900 1610 1-79 28-8 2 27940 1220 1-62 19-8 90 200 3 27940 1560 1-68 26-2 4 27860 1400 1-48 20-7 5 27660 1550 1-79 27-7 6 27750 1440 1-31 18-9 84 1-90 7 27640 1560 1 51 23-5 8 27620 1530 1-68 25-7 9 27600 1630 1-62 26-4 10 27370 1570 1 73 27-2 66 1-50 11 27470 1710 1-73 29-6 in. 12 980 Grm. Fleisch 27320 1470 1-84 271 13 27170 1410 1-90 26-8 14 27340 1550 1*75 271 72 1 15 15 27370 1520 1-79 27-2 (Seegen.) 50 Seegen, Versuchs- Periode Datum Nahrung Körper- gewicht Ham- men ge Stickstoff des Harnes Menge Stick- stoff p. c. in Grammes der Faeces III. 16 1866 980 Grm. Fleisch 27020 1515 1 -73 26 3 30 0-70 17 27130 1560 1-79 27 9 18 27090 1600 1 *71 27 3 19 27020 1800 1-62 29 1 54 1-25 20 27040 1370 1-73 23 7 21 26820 1450 1-50 21 7 22 26880 1690 1-62 28 1 23 26950 1750 1 -68 29 4 48 110 24 26950 1480 1 -64 22 9 25 26900 1620 1-56 25 4 26 26670 1590 1-70 27 1 27 26620 1570 1-62 24 9 28 26540 1400 1 *73 24 3 94 210 29 * 26590 1680 1-62 27 4 IV. 2/1 980 Grm. Fleisch 26610 1870 1-57 29 3 3 1 Grm. C03Na0 26520 1670 1-90 32 7 4 26540 1430 1-84 26 4 90 2 Oh 5 26420 1630 1-71 27 8 6 26370 1800 1-62 29 2 7 26290 1690 1-78 30 1 8 26290 1750 1-73 30 3 9 26080 2150 1-40 30 1 92 2-10 10 26100 1630 1 - 57 25 5 11 26150 1700 1-62 27 6 40 0-90 V. 12 980 Grm. Fleisch 26050 1870 1-73 32 4 13 kein COaNaO 25950 1600 1-73 27 8 14 25830 1600 1-68 26 8 85 1-95 15 25910 1610 1-84 29 5 16 25790 1830 1-68 30 7 17 25700 1800 1-56 28 2 18 25690 1830 1 • 56 28 7 19 25580 1840 1-68 30 9 20 25490 1860 1 -62 30 2 88 2-00 21 25450 1840 1-68 30 9 VI. .22 1100 Grm. Fleisch 25420 1900 1-79 34 0 23 25490 1800 1-79 33 6 24 25400 1760 1.84 32 5 42 095 Über die Ausscheidung des Stickstoffes d. im Körper zersetzt, Albuminate. Versuchs- periode Datum Nahrung Körper- gewicht Ham- men ge Stickstoff des Harnes Menge Stick- stoff p. c. in Grammes der Faeces VI. 25 1866 1100 Grm. Fleisch 25660 1850 1-96 36-3 26 25590 1900 1-90 360 90 205 27 25700 1850 207 38-3 28 25790 1890 1-90 35-9 29 25750 1680 1-90 31-9 90 2 05 30 25800 1880 2 01 37-9 31 25850 1800 l *79 32-3 VII. 6/2 1100 Grm. Fleisch 25960 7 1 Grm. C02Na0 25940 1880 2-29 431 8 25830 2010 1 -93 38-8 45 102 9 25920 1960 1-79 341 10 25920 1990 1-93 38-6 11 25910 1870 1-79 33-4 12 26000 1900 2-04 38-8 120 2-70 13 26080 2080 1-93 40-2 14 26070 2050 1 -93 39-6 15 26090 201 0 l-96 39-2 16 26170 1900 1-73 32-9 VIII. 20/2 900 Grm. Fleisch 26300 21 26160 1850 1-73 32-1 80 1 85 22 26220 1830 1-73 31-7 23 26160 1830 1 -73 31-7 24 26070 1750 l -76 30-8 35 0-80 25 26000 1760 1 *96 34-4 26 26000 1590 1-73 27-7 27 25820 1660 l -96 32-5 28 25720 1940 1-68 32-5 98 2-25 1/3 25830 1560 1 96 30-5 2 25610 1840 173 30-4 Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien