Ueber den Einfluss der hinteren Wurzeln auf die Erregbarkeit der vor- deren. (Zur Abwehr der Herren A. v. Bezold und Dy. Uspenske aus Petersburg.) Von y E. Cyon. In No. 39 dieser Zeitschrift veröffentlichen die genannten Be- obachter einige Versuche, die meine frühere Arbeit über denselben Gegenstand widerlegen sollen. — Weit davon entfernt, die ßEZOLD’schen und ÜSPENSKY’schen Versuche im Widerspruche mit den meinigen zu finden, kann ich sie im Gegentheil nur als willkommene Bestätigung meiner eigenen Resultate betrachten. — Ich sah mich nämlich aus den Ergebnissen meiner früheren Versuche zu dem Schlüsse genöthigt, dass den vor- deren Wurzeln im Rückenmarke vermittels der hinteren fortwährend ein gewisser Erregbarkeitsgrad mitgetheilt wird und zwar durch eine Summirung der auf die peripherischen sensiblen Partien ein- wirkenden Reize. Einige theoretische Bedenken erhoben sich nur gegen die Möglichkeit, dass peripherische Reize im Stande sein sol- len, die Erregbarkeit gewisser Rückenmarkspartien zu erhöhen, Be- denken, die übrigens von Seiten des Hrn. Dr. Hermann in seiner letzten Schrift mit der ihm eignen geistreichen Schärfe gehoben worden. — Die Herren A. v. Bezold und Uspensky beweisen nun durch directe Versuche die Möglichkeit, ja Nothwendigkeit einer solchen Erregbarkeitserhöhung der vorderen Wurzeln bei Reizung peripherischer sensibler Nervenausbreitungen. — Diese Beobachter bestreiten nun, dass im Rückenmarke eine fortwährende speci- fische*) Einwirkung der hinteren Wurzeln auf die Erregbarkeit der vorderen, wie ich es annehmen soll, existire. Eine einfache Ueber- legung zeigt aber, dass wenn nachgewiesen, dass peripherische Rei- zung eine Erregbarkeitserhöhung der vorderen Wurzeln veranlassen müsse, meine Annahme, dass eine solche Erregbarkeitserhöhung fort- *) Von einer specifiachen Einwirkung ist in meiner Arbeit nie die Rede gewesen. während stattfinde, sich von selbst ergiebt; da ja unsere sensiblen Hautpartien fortwährend den mannigfachen Erregungen (Temperatur- veränderungen, Luftzüge, Reibung der Kleidungsstücke etc.) ausge- setzt sind. Schon das blosse Anfassen der Frösche und Befestigen an’s Brett theilt ihnen eine nicht unbeträchtliche Anzahl sensibler Eindrücke mit. — Wenn die genannten Beobachter unter 60 Ver- suchen nur 2 Mal die von mir beschriebene Erregbarkeitsverminde- rung gesehen haben wollen, so liegt der Grund davon, wie sie selbst vermuthen, in der Verschiedenheit unserer Versuchsmethoden. Die Hauptversehiedenheit ist aber nicht, wie diese Beobachter es glauben, die, dass sie ihre Versuche an mit Curare vergifteten Fröschen an- stellten, sondern dass sie, um die untersuchte Extremität vor diesem zu schützen, dieselbe vorher unterbunden haben. Dieser letzte Eingriff, der im besten Falle nur eine Aufhebung der Oircu- lation in der betreffenden Extremität zur Folge haben muss, ist an sich schon eine so reiche Fehlerquelle, dass er alle von Bezold und ÜSPENSKY an vergifteteten Fröschen angestellte Versuche voll- ständig werthlos macht. — Sollte es diesen Beobachtern auch in der Mehrzahl der wenigen an unvergifteten Fröschen angestellten Ver- suche misslungen sein, die Verminderung in der Erregbarkeit der vorderen Wurzeln wahrzunehmen, so dürfte dieses Misslingen wenig- stens von Seiten des Hrn. v. Bezold Niemand überraschen. - Diese Versuche sind äusserst zart und habe ich genau angegeben, dass sie nur in der Mehrzahl daun gelingen, wenn sämmtliche Cauteleu genau beobachtet werden. Leipzig, den 10. September. ttep.-Abdr. a. d. Centralblatt f. d. med, Wissensch. 1867. No. 41. Druck von H. S. Hermann in Berlin.