Untersuchungen über die Bildung der Milchfette. ? / Von Eduard Kemmerich, stud. med. aus Bonn. Die im hiesigen Laboratorium ausgeführten Untersuchungen von Ssubotix*) über den Einfluss verschiedener Nahrung auf die Zusam- mensetzung der Milch der Carnivoren zeigten, dass Eiweisskörper den Fettgehalt der Milch steigern, während ein fettreiches Futter die Buttermenge verringert, ja schnell fast vollständig auf Null her- abdrückt. Zur weiteren Beantwortung der Frage über die Fettbil- dung aus Eiweisskörpern wurden im Laboratorium des physiologi- schen Instituts unter Leitung des Hrn. Prof. E. Pflüger folgende Untersuchungen angestellt. Im Voraus sei bemerkt, dass dieselben darauf gerichtet waren bei Albuminatenfütterung die Einfuhr der Fette und Kohlehydrate möglichst zu beschränken, hingegen die Ausfuhr der Butter bei gleichbleibendem oder zunehmendem Körpergewichte des Thieres thunliehst zu steigern. Eine etwa 3 Jahre alte Hündin von 17,5 Kgi. Gewicht, wurde 14 Tage nach Beginn der Milchperiode während 22 Tagen mit ma- gerem Pferdefleische gefüttert, dessen Reste von Bindegewebe und Fett sorgfältig abpräparirt waren. Sie erhielt täglich 1500 grm. Fleisch, und Wasser nach Belieben. Vom 11. Versuchstage an wurde, mit einer Ausnahme, täglich ausgekochtes Fleisch mit einem kleinen Zusatze von Kochsalz gefüttert, und zwar eine nach den festen Be- standtheilen berechnete gleiche Menge. Diese betrug durchschnitt- lich etwa 1100 grm. Durch das Auskochen und Auspressen wird das Fleisch bedeutend fettärmer, so dass bei Zufuhr gleicher Mengen fester Stoffe pro die mehr Ei weisskörper aber weniger Fette dem Thiere dargeboten werden. Um nun die Fetteinfuhr genau zu bestimmen wurden in 5 Ana- lysen von dem zu fütternden Fleisch verschiedene Stücke ausge- schnitten, sorgfältig zerkleinert, und hiervon jedesmal 100 grm. ver- wendet. Dasselbe wurde im Wasserbade, beiläufig mit einem Ge- wichtsverluste von 75,5 pCt. getrocknet, hierauf gepulvert und so lange mit kaltem und kochendem Aether behandelt als sich noch Fett löst. Die Aetherauszüge ei cvubten wir uns als Fette zu be- rechnen, wodurch die Resultate a fortiori gelten. Was die im Fleische vorkommenden Kohlenhydrate betrifft, so nahm ich auf sie ihres mi- *) S. dies Centralbl. 186ft. p. 337. nimalen Vorkommens wegen erst w'ährend der zweiten Versuchspe- riode Rücksicht, in der durch langes, 6 — 8 ständiges Auskochen des zerkleinerten Fleisches nach mehrmaligem Abguss der Brühe, eine möglichst vollständige Entfernung derselben erzielt wurde. Um die Fettausfuhr durch die Milch festzustellen, führte ich in der ersten Woche täglich eine Analyse der Morgenmilch aus, später, durch Häufung der Arbeit gezwungen, alle zwei Tage eine solche, wozu man sich eine genaue Mischung der zweitägigen Milchmengen herstellte. Zur Analyse befolgte ich die von Hoppe -Seyler empfohlenen Methoden, da sie hinsichtlich der Schnelligkeit und Sicherheit der Ausführung kaum etwas zu wünschen lassen. Der Milchzucker wurde mittelst der FEHLiNö’schen Lösung titrirt. Die tägliche Milch- menge endlich bestimmte ich theils durch dreimaliges Melken, theils durch hierauf folgendes Säugen des Jungen nach vorhergegangener und folgender Gewiehtsbestimmung desselben. Hierdurch wird die totale Milchmenge erhalten. Die Analysen und Bestimmungen gaben tabellarisch geordnet folgende Resultate: Ver- suchs- tage. Milch - menge in^r?t! F ette in pCt. Casein in pCt. Albu- min in pCt. Milch- Zucker in pCt. Fett- Einfuhr in grm. Fett- Ausfuhr in grm. Differenz in grm. 1 196 7,6 5,2 2,6 2,5 12,0 14,9 + 2,9 2 213 9,8 4,6 2,5 2,6 12,0 20,9 + 8,9 3 198 7,2 3,3 2,3 2,4 12,0 14,3 + 2,3 4 280 7,9 4,1 2,4 2,3 12,0 22,1 + 10,1 5 297 7,8 4,2 2,3 2,3 12,0 23,2 + H,2 6 261 9,9 5,3 2,9 2,5 12,0 25,8 + 13,8 7 250 9,6 4,9 2,7 — 12,0 24,0 + 12,0 8 332/ 9,8 4,3 2,9 3,5 12,0 32,5 + 20,5 9 3001 12,0 29,4 + 17,4 10 300) 9,9 4,9 3,1 12,0 29,7 + 17,7 11 303! 44,6 30,0 — 14,6 12 250) 44,6 25,5 — 19,1 10,2 4,2 2,9 2,9 13 2991 44,6 30,5 - 14,1 14 278) 9,9 4,4 2,9 3,0 16,9 27,5 + 10,6 15 271! 16,9 26,8 -H 9,9 16 250) 6,7 4.8 2,7 3.4 12,5 16,7 + 4,2 17 272) 9,0 18,2 + 9,2 18 201) 7,3 3,8 3,6 8,3 14,7 + 6,4 19 246! 8,3 18,0 + 9,7 20 2171 6,7 4,4 2,9 3,2 8,3 14,5 + 6,2 21 2001 8,3 13,4 + 5,1 22 197 7.1 4,6 3,0 3,0 8,3 14,0 + 5,7 5611 im im im im 350.6 486,6 -1-136,0 Durch- grm. schnitt schnitt. schnitt schnitt. grm. grm. grm. 8,5 % 4,5 % 2,8 o/o 2,8 % Betrachten wir nun zunächst die Resultate der Fettanalysen der Milch, so bemerken wir, abgesehen von den Schwankungen, die bei solchen Untersuchungen nie zu vermeiden sind, gleich bei Beginn der Albuminatenfütterung einen Zuwachs der relativen und absoluten Buttermenge. Entsprechend dem Nachlass in der Milchsecretion, sehen wir hierauf nach 4 Wochen eine allmähliche Abnahme des Buttergehaltes und der Milchmenge. Doch ist der Fettgehalt der Milch ein so hoher, wie er bei Pflanzenfressern wohl nie beobachtet wurde. Denn als Mittel ergab sich 8,5 pCt., während der günstig- sten Secretionsperiode 9—10 pCt., wogegen die Milch der Stute und selbst die der Büffelkuh, deren Procentgehalt zu 6,9 und 8,4 angege- ben wird, zurücksteht. Wie sehr nun auch diese Thatsachen darauf hinweisen, dass der Fettgehalt in der Milch der Carnivoren einzig von der Zufuhr der Albuininate abhänge, und diese Ansicht durch die Beobachtungen Ssubotin’s unterstützt wird, dass nämlich eine Zuthat von Fetten zur Fleischnahrung beim Hunde den Buttergehalt in 24 — 48 Stunden be- deutend verringere, so müssen wir doch noch zwei Bedenken erwäh- nen. Denn einerseits ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Butter von den Anhäufungen der Fette im Thierkörper her- stamme; andrerseits ergeben Fleischanalysen, dass wenn bei Fleisch- fütterung nicht die grösste Sorgfalt auf die Auswahl der magersten Muskelsubstanz verwendet wird, das Fett des Fleisches, welches gewöhnlich 1—2 pCt. beträgt, jenes der Milch an Menge weit über- treffen kann. Durch genaue Controle der Fetteinfuhr ist nun letzterer Ein- wand vollkommen beseitigt, da obige Tabelle zeigt, dass die Fett- ausfuhr die Einfuhr desselben um Bedeutendes, an manchen Tagen um das Doppelte übertrifft. Nur am 11., 12. und 13. Versuchstage ergab die Rechnung ein Deficit, das jedoch wegen der relativ gerin- gen Fettmenge nicht in Betracht kommen kann. Endlich aber ist als wichtiges Moment gegen den anderen Ein- wand anzuführen, dass das Gewicht des Hundes während der ver- hältnissinässig kurzen Zeit von 3 Wochen um etwa 1 Kgr. zunahm. Bedenken wir aber ferner, dass die in Bezug auf die Albumi- natmassen geringfügigen Fettmengen des Fleisches während des Kreislaufes zum Theil ganz gewiss oxydirt und zersetzt werden und endlich, dass die Fettausgabe durch die Milchdrüse nicht die einzige ist, so glauben wir fast mit absoluter Sicherheit schliessen zu dürfen, dass die Butter der Milch einzig aus Spaltungsproducten der Albu- minatreihe herstamme. Was den Casei'ngehalt der Milch betrifft, so ist es bemerkens- werth, dass derselbe bei reiner Fleischfütterung an Procentgehalt nur denjenigen der Kuhmilch erreicht. Vielleicht steht diese Erscheinung mit dem hohen Fettgehalte in Zusammenhang. De£.Albumingehalt erwies sich als sehr constant. Der Total- gehalt an Eiweisskörpern ist aber sehr hoch. Im Widerspruche mit älteren Angaben und in Uebereinstimmung mit den Analysen von SsüBOTIN fand sich der Gehalt an Milchzucker ziemlich bedeutend, im Mittel 2,8 pCt. Derselbe scheint ebenfalls aus Eiweisskörpern zu stammen.t Als nämlich von Kohlehydraten befreites Fleisch gefüttert wurde, zeigte sich die Menge desselben nicht vermindert. Bonn, den 25. Juni 1866. Sep.-Abdr. a d. Ceutralblatt f. d. med. Wissen,sch. 18ß6. No. SO. Druck von H. 8. Hermann in Berlin