857 Ueber das angebliche Fehlen der unipolaren Zuckung bei dem Schliessungsinductionsschlage. Von E. du Bois-Reymond. Hr. Pflüger sagt in seinen „Untersuchungen über die Physiologie des Elektxotonus“ (S. 51.121. 410), dass „nach seiner Entdeckung der Schliessungsinductionsschlag der unipolaren Wirkung entbehre.“ Dieser Ausspruch könnte die irrige Mei- nung erwecken, als habe ich, als mir die unipolaren Zuckun- gen zuerst aufstiessen, versäumt mich zu unterrichten, wie sich der Schliessungsschlag in Bezug darauf verhalte, oder bei denen, die sich erinnern, dass man die primäre Kette nicht öffnen kann, ohne sie vorher geschlossen zu haben, als habe ich dem Schliessungsschlage fälschlich eine unipolare Wirkung zuge- schrieben. Mindestens dürften mit Hrn. Funke (Lehrbuch der Physiologie u. s. w. 3. Aufl. Bd. I. S. 668) Mehrere wün- schen, den Widerspruch aufgeklärt zu sehen, der hier zwischen Hrn. Pflüger’s und meinen Angaben zu bestehen scheint. Die Sache ist einfach die, dass Hr. Pflüger sich des Mag- netelektromotors bediente, dessen dichtgewickelte primäre Rolle über 100 Windungen zu haben pflegt, ich dagegen, wie in mei- nem Werke gesagt ist (Untersuchungen u. s. w. Bd. I. S. 429. 426), der daselbst S. 447 beschriebenen Inductionsvorrichtung, deren primäre Rolle auf 313 Mm. Länge nur 32 Windungen besitzt. Der Extrastrom verzögerte demgemäss in meinem Falle die Entstehung des primären Stromes und schwächte folg- lich den Schliessungsschlag viel weniger als an dem Magnet- elektromotor (Untersuchungen u. s. w. Bd. II. Abth. I. S. 405. 406). Dies spricht sich unter Anderem darin aus, dass an mei- 858 ner Vorrichtung bei subjectiv-physiologischer Prüfung der Schliessungs- und Oeffnungsschlag als nahe gleich stark em- pfunden werden, während am Magnetelektromotor der Schlies- sungsschlag bekanntlich fast unwahrnehmbar ist. Es kann da- her auch leicht kommen, dass am Magnetelektromotor die Ab- gleichungscurve der bei offenem und einseitig abgeleitetem secundären Kreise in den Boden abfliessenden Elektricität in keinem Augenblicke des Schliessungsvorganges die erforderliche Höhe ihrer Ordinaten und Steilheit ihrer Elemente erreiche,* damit unipolare Zuckung stattfinde. Keinesweges aber entbehrt der Schliessungsschlag grundsätzlich der unipolaren Wirkung. Vielmehr wird Hrn. Pflüger’s Angabe erst dann anfangen richtig zu sein, wenn unter sonst gegebenen Umständen das Potential der primären Rolle auf sich selbst einen solchen Werth erlangt, dass auch in den ersten Augenblicken nach der Schliessung die jenem Potential umgekehrt proportionale Steil- heit der Curve, in der das Potential der primären Rolle auf die sec.undäre anwächst, eine gewisse Grösse nicht überschreitet (Vgl. Helmholtz in Poggendorff's Annalen u. s. w. 1851. Bd. LXXXIII. S. 505). An vielen Inductionsvorrichtungen ist diese Bedingung unter den gewöhnlichen Umständen der Ver- suche in der That erfüllt. Man wird aber in jedem einzelnen Falle sich stets erst überzeugen müssen, dass und innerhalb welcher Grenzen der elektromotorischen Kraft im primären Kreise, des Potentials der primären auf die secundäre Rolle u. s. w. dies der Fall sei, ehe man sich des Schliessungsin- ductionssehlages ohne Furcht vor unipolaren Wirkungen bedient. (Aus Reichert's und du Bois-Reymond’s Archiv u. s. w. Jahrgang 1860.)