Heber mechanische Vagus-Reizung beim Menschen. Von Prof. Joh. Czermak in Jena. Mit einem Holzschnitt. Abdruck a. d. Jen. Zeitsehr. XI. 3. (1865.) \. Suche ich auf der rechten Seite meines Halses die pulsirende Carotis auf, wo sie unter dem oberen Rande des M. sternocleidomastoideus hervortritt , und iibe ich etwas oberhalb dieser Stelle auf die Arterie selbst oder auf die Theile, welche sie nach hinten und aussen umgeben, einen massigen Druck mit dem Finger aus, so bleibt dasHerz länger als vorher in Diastole stehen, die Pulsfrequenz nimmt ums Doppelte und darüber ab, und die einzelnen Pulsationen werden sehr merk- lich kräftiger und grösser als früher. Es dauert jedoch nicht lange, so stellt sich nach aufgehobenem, ja selbst bei fortgesetztem Drucke — die frühere Pulsfrequenz und -Grösse wieder her und der Versuch kann alsbald mit demselben Erfolge von Neuem angestellt werden. Der beigedruckte Holzschnitt giebt drei vollkommenübereinstimmende Puls- curven meiner linken Art radialis, welche ich vermittelst des iVlAiiEY’schen Sphyg- mographen wahrend des beschriebenen Druckversuches erhielt. Feber mechanische Vagus-Reizung beim Menschen. 385 Die Sternchen an jeder Curve geben den Moment an, in welchem mit dem Drucke auf die Carotis begonnen wurde. Man erkennt deutlich, dass der in der Pause zwischen zwei auf einanderfolgenden Pulsen plötzlich erfolgende Druck be- reits eine merkliche, wenn auch geringe Verlängerung dieser Pause bewirkt, dass aber immer noch ein — meist auch schon kräftigerer — Pulsschlag erfolgt, ehe der längste Stillstand des Herzens in Diastole eintritt. Der auf diese längste Pause folgende Pulsschlag ist auch der grösste; von diesem Pulse an — dem zweiten nach Beginn des Druckes— nehmen die Pulse an Grösse, und die die- selben trennenden Pausen an Länge allmählich wieder ab — übschon der Druck fortdauert. Das Abfallen der Pulscurve in toto zeigt Verminderung der mittleren Blutspannung an. 2. Zugleich mit dem Eintritt der Hemmung des Herzschlages halte ich un- willkürlich, d. h. ohne es gerade zu wollen, jedoch auch ohne meinen Willens- eintluss hierauf einzubüssen , die Athembewegungen in inspiratione entweder ganz an, oder ich verlängere und vertiefe die Einathmung auffallend lange Zeit hindurch. Dabei habe ich eine im Thoraxinnern und zwar scheinbar im Hilus der Lungen localisirte, eigenthümlich beklemmende Empfindung, welche mir ein tiefes Auf- athmen zum Bediirfniss macht. Diese Empfindung, welche mitunter, besonders nach öfterer Wiederholung des Druckversuches, recht lange, bis zu einer halben Stunde und mehr, andauert, verschwindet am raschesten, wenn ich wiederholt und längere Zeit hindurch die Tiefe und Frequenz derAthemzüge steigere, was unter diesen Umständen mit grös- serer Leichtigkeit als sonst von Statten zu gehen scheint. 3. Endlich nehme ich bei Anstellung des Druckversuches — zumal wenn die Carotis dabei stärker comprimirt wird, eine eigenthiimliche Spannung in der rech- ten Gesichtshälfte, vor Allem im rechten Auge wahr, welche dann von leichtem Funkensehen, schwachen Verdunkelungen des Sehfeldes und von leisen An- wandlungen von Schwindel und Ohnmacht begleitet wird. Eine Veränderung der Pupillenweite in meinem rechten Auge konnte dabei weder ich selbst noch Andere constatiren. Alle die eben erwähnten Erscheinungen sind wohl auf die Störungen im Kreislauf, infolge der Compression der rechten Carotis zurückzuführen — (wobei es jedoch auffallend ist, dass die Pupillenweite unverändert bleibt); dagegen er- kläre ich die übrigen Erscheinungen (subt.undä.) hinsichtlich des Herzschlages und der Athembew'egungen mit aller Bestimmtheit für die Folgen einer mechani- schen Reizung des Nervus Vagus durch Druck oder Zerrung. Die theils ob- jectiv theils subjectiv wahrnehmbaren Veränderungen in den genannten Functionen, zusammengehalten mit dem Orte wo, und mit der Art wie der Fingerdruck aus- geübt wird, lassen meiner Ansicht nach nicht die geringsten Zweifel über die Richtigkeit meiner Erklärung aufkommen. Der beschriebene Druckversuch, welcher die an Thieren gewonnenen Er- fahrungen über Vagusreizung für den Menschen glänzend bestätigt, gelingt jedoch leider nur auf der rechten , nicht auch auf der linken Seite meines Hal- ses, und habe ich bisher auch noch Niemanden gefunden, bei dem der Versuch überhaupt gelingen wollte. Es scheint mir, dass zum Gelingen des Versuchs be- sonuv... vielleicht nicht ganz normale Verhältnisse der Lagerung und Verbin- 386 Job. Czermuk, Heber mechanische Vagus-Beizung beim Menschen. düng (Fixirung durch strafferes Bindegewebe?) des Vagus erforderlich sind, sodass er sich der mechanischen Reizung nicht entziehen kann. Ich darf in dieser Beziehung schliesslich die Angabe zu machen nicht unter- lassen, dass in d e r Gegend auf der rechten Seite meines Halses, wo ich den Druck ausüben muss, um die beschriebenen Erscheinungen hervorzurufen, eine kleine härtliche Stelle (vielleicht eine vergrösserte Lymphdrüse) zu fühlen ist, welche linkerseits fehlt. Jena , 11. Juli 1865.