Aus dem LV. Bde. d. Sitzb. d. k. Akad. d. VVissensch. II. Abth. Mai-Heft. Jahrg. 1867. Über (las Verhalten einiger Eiwqißjsöfper gegen Borsäure. Von Ernst Brücke, wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Vorgelegt in der Sitzung am 23. Mai 1867. Die über Bor und Borsäure bekannten Thatsachen veranlaßten mich, das Verhalten der Eiweißkörper gegen letztere zu unter- suchen. Die dazu verwendeten Präparate wurden theils aus Borax mittelst Salzsäure erhalten, theils durch Umkrystallisiren der käuf- lichen Borsäure. Nachdem sie keinerlei fremde Beimengung mehr zeigten, wurden sie im Platintiegel so lange geschmolzen, bis sie ruhig flößen, und dann nach dem Erkalten in Wasser aufgelöst. Ehe ich zu meinen Resultaten übergehe, muß ich einige Bemer- kungen vorausschicken, indem ich rücksichtlich der bekannten Reae- tionen der Eiweißkörper und rücksichtlich der Deutung derselben etwas von den gangbaren Ansichten abweiche. Pan um erhielt aus Blutserum, besonders wenn dasselbe zuvor mit Essigsäure neutralisirt war, beim Verdünnen mit Wasser einen Niederschlag, den er zum Gegenstände weiterer Untersuchungen machte i). Ein solcher Niederschlag löst sich bei Zusatz von Säuren, von Alkalien, von Kochsalz, Salmiak etc. wieder auf. Panum nannte ihn Serumcasein. Später wurde dem Neutralismen mittelst Essigsäure das Einleiten von Kohlensäure substituirt. Man entgeht dadurch dem Einwurfe, daß eine oder mehrere andere, nicht, durch Kohlensäure, 1) Virchow’s u. Reinhardt’s Archiv, ßd. III. S. 251. Hühnereiweiß gibt einen ähnlichen Niederschlag; aber während beim Serum durch Wässern allein meist nur eine geringe oder keine Fällung erzielt wird, entsteht im frischen Hühnereiweiß durch reichlichen Wasserzusatz sofort ein starkes flockiges Präcipitat, und wenn man dann in die davon abfütrirte Flüssigkeit Kohlensäure einleitet, so erhält man nur noch eine geringe Menge eines sich schlecht absetzenden Niederschlages während bei gleichem Verfahren das Serum durch Kohlensäure meist noch reichlich gefällt wird. 2 Brücke. wohl aber durch Essigsäure fällbare Substanzen mit niedergeschlagen worden seien. Der Name Serumcasein konnte sich nicht erhalten, weil man sich bald überzeugte, daß der so gewonnene Körper sich in seinen Reactionen sehr wesentlich vom Casein unterscheide. In neuerer Zeit hat er die Namen Globulin und Paraglobulin (W. Kühne) erhalten. Alexander Schmidt hatte bekanntlich die wichtige Entdeckung gemacht, daß manche Transsudate, welche nicht freiwillig gerinnen, durch einen geringen Zusatz von defibrinirtem Blut zum Gerinnen gebracht werden können, und daß dasselbe auch die Eigenschaft hat, die an sich langsame Gerinnung der Lymphe und des Chylus in hohem Grade zu beschleunigen. Er nahm deshalb in den Blutkörpern eine fibrinoplastisehe Substanz an, welche mit einer fibri- nogenen Substanz im Plasma, beziehungsweise in den Exsudaten das Fibrin bilde. Er fand nun weiter, daß auch das vom Blutkuchen aus- gestoßene Serum gerinnenmachende Eigenschaften _ habe, nur in geringerem Grade als das defibrinirte Blut. Er leitete dann in das mit Wasser verdünnte Serum Kohlensäure und fand, daß die gerin- nenmachende Eigenschaft dem Niederschlage y), dem sogenannten Serumcasein anhaftete, daß dagegen die Flüssigkeit durch langsames Eindunsten auf ihr früheres Volum gebracht, keine gerinnenmachende Eigenschaft mehr zeigte. Er erhielt nun auch aus dem Inhalte der Blutkörperchen durch Einleiten von Kohlensäure einen Niederschlag mit analogen Eigenschaften, den er als Globulin bezeichnete. Für ihn war hiernach Globulin und fibrinoplastiscbe Substanz identisch und das sogenannte Serumcasein war für ihn Globulin, das aus den Blutkörperchen in das Serum ausgetreten war. Unter den hier als synonym erscheinenden Bezeichnungen: Serumcasein, Globulin, Paraglobulin und fihrinoplastische Substanz, J) Schmidt fand, daii der Niederschlag1 sich beim Durchleiten von Sauerstoff oder atmosphärischer Luft wieder auflöste. Ist er indessen einmal auf dem Filtrum ge- sammelt, mit kohlensäurehaltigem Wasser ausgewaschen und dann in reinem Wasser vertheilt, so löst er sich auch heim Hindurchleiten von Sauerstoff nur wenig darin auf. Beim ersten Versuche dieser Art beobachtete ich, als ich das Wasser abfiltrirte und Kohlensäure einleitete, gar keine Trübung, beim zweiten stellte sie sich in ganz entschiedener Weise ein, sie war aber nicht eben reichlich. Viel- leicht war sie beim ersten Versuche übersehen worden, denn sie löste sich auch beim zweiten auf weiteres Einleiten von Kohlensäure bald wieder auf. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. will ich für den durch Kohlensäure im gewässerten Serum entstan- denen Niederschlag den von W. Kühne gewählten Namen Para- globulin beibehalten, weil er am wenigsten zu Verwechslungen Ver- anlassung geben kann. Es ist zunächst zu untersuchen, in wie weit die Lösungen des Paraglobulins mit denen des gewöhnlichen löslichen Serumeiweißes übereinstimmen, und ob es nicht etwa mit demselben identisch ist, oder doch große Mengen davon enthält. Die Ansicht, daß das gewöhnliche Eiweiß für sich in Wasser schwer löslich und nur mit Hilfe anderer Körper, namentlich der Alkalien und deren Salzen, in größerer Menge darin aufgelöst sei, hat, seit sie zuerst von Denis ausgesprochen wurde, stets ihre Ver- theidiger gehabt. Ihr steht wesentlich das von Wurtz durch Fällen mit Bleiessig und Zersetzen mit Kohlensäure gereinigte Eiweiß ent- gegen, welches in reinem Wasser löslich ist und dabei die Eigen- schaften des gewöhnlichen Eiweißes zeigt. In neuerer Zeit aber ist es mehrfach wieder dargestellt und man hat in ihm einen Gehalt an Essigsäure gefunden, dem seine Leichtlöslichkeit zugeschrieben werden kann. (Vergl. W. Kühne Lehrb. d. physiol. Chemie S. 178.) Ist aber das gewöhnliche Eiweiß nicht an sich, sondern nur in seinen Verbindungen mit den Alkalien und deren Salzen leicht lös- lich, so kann es auch geschehen, daß ein Theil dieser Verbindungen durch Kohlensäure und Wasser zerlegt wird, während andere der Einwirkung derselben widerstehen. Untersuchen wir also ohne irgend welche vorgefaßte Meinung die Reaetionen des Paraglobulins. Ich habe dasselbe stets aus Pferdeserum dargestellt, als dem Material, mit welchem bisher die meisten Versuche angestellt worden sind. Wenn im Folgenden von Salzen der Alkalien gesprochen wird, so sind stets nur die Alkalien im engeren Sinne des Wortes mit Aus- schluß der alkalischen Erden, also auch mit Ausschluß der Magnesia gemeint. Alex. Schmidt gibt bereits an, daß die Lösungen des Para- globulins in Mittelsalzen wie eine Eiweißlösung beim Erhitzen gerin- nen und daß auch die schwach alkalischen Lösungen, d. h. solche, die in Wasser durch Zusatz von möglichst wenig Alkali erzielt sind, durch Zusatz von Salzen coagulirbar gemacht werden können *). l) Reichert und du Bois-Reymond’e Archiv 1862, p. 438. Brücke In Rücksicht auf die rein alkalische Lösung gibt er an, daß sie sich heim Kochen gar nicht verändere. Dies würde also ein von den gewöhnlichen Eiweißlösungen abweichendes Verhalten sein, denn wenn diese so viel Alkali enthalten, daß sie beim Kochen nicht ge- rinnen, so wird das Eiweiß in fällbares umgewandelt, d. h. die Lösung ist nach dem Kochen durch verdünnte Pflanzensäuren und dreibasische Phosphorsäure fällbar und der Niederschlag löst sich in Kochsalz und anderen neutralen Salzlösungen nicht wieder auf. Auch wenn ein Theil des Eiweißes sich in der Hitze ausscheidet, wird der Rest in fällbares umgewandelt, und kann durch die erwähnten Säuren niedergeschlagen werden. Hierauf beruht bekanntlich die Vorschrift, das Eiweiß aus seinen Lösungen quantitativ zu bestim- men, indem man die Lösung bis 100° erhitzt, ihr hernach so viel Essigsäure hinzufügt, daß sie Lackmus röthet, dann absetzen läßt und filtrirt. Ich habe aber diese Angabe von Alex. Schmidt ausnahms- weise nicht richtig befunden; es ist hei derselben ein unscheinbarer aber wichtiger Umstand übersehen worden. Kocht man eine solche schwach alkalische Lösung, so zeigt sie allerdings keinerlei Verände- rung. Stellt man das Reagirglas, um es schneller abzukühlen, in kaltes Wasser und fügt dann einen Tropfen sehr verdünnter Essig- säure hinzu, so entsteht ein Niederschlag, der im Überschüsse des Fällungsmittels wieder aullöslich ist. Ein solcher Niederschlag ent- steht auch in der ungekochten Lösung; man könnte also denken, daß hier nur das unveränderte Paraglobulin durch Neutralisation wieder ausgeschieden werde. Das ist aber nicht der Fall. Der Nieder- schlag, den Essigsäure in der ungekochten Flüssigkeit bewirkt, wird durch Kochsalz wieder aufgelöst, nicht aber der, den Essigsäure in der gekochten hervorruft. Der letztere besteht aus gefälltem fällbarem Eiweiß, wie derjenige, den wir in einer verdünnten und mit einem Alkaliüherschusse erwärmten Eiweißlösung (wie sie Scherer zuerst darstellte und näher untersuchte) durch Säuren hervorrufen. Das Paraglobulin verhält sich also auch hier ganz wie gewöhnliches Eiweiß. Daß bei diesem ein Alkaliüherschuß nöthig ist, um es beim Kochen in Lösung zu erhalten, erklärt sich aus dem Salzgehalte der Flüssigkeiten, denn nach Alex. Schmidt’s eigener Angabe gerinnen auch schwach alkalische Globulinlösungen, wenn ihnen Salze zuge- setzt worden sind, in der Hitze. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. Ich habe diese Versuche in zweierlei Weise angestellt, einmal indem ich Kali, das andere Mal indem ich Ammoniak als Lösungs- mittel anwendete. Im ersteren Falle vertheilte ich das Paraglobulin in Wasser und fügte dann, indem ich einen Glasstab zu wiederholten Malen in eine sehr verdünnte Kalilösung tauchte, von dieser so lange hinzu, bis sich der Niederschlag zu einer noch etwas trüben, Lakmus schwach bläuenden Flüssigkeit aufgelöst hatte: im zweiten Falle trug ich von dem Niederschlage so lange in Wasser ein, dem eine kleine Menge von Ammoniak zugesetzt war, als er sich darin noch löste. Als ein trüber Rückstand blieb, hörte ich auf. Die Flüssigkeit bläute Lakmus etwas stärker als die mit Kali bereitete Lösung. In beiden Fällen war das Resultat dasselbe. Ich habe ausdrücklich erwähnt, daß in beiden Fällen noch ein kleiner trübender Rückstand vorhan- den war, um dem Einwande zu begegnen; es sei Alkali im Über- schüsse verwendet worden; ich habe aber auch ohne an dem Resul- tate etwas zu verändern, Alkali bis zur völligen Klärung hinzugefügt. Auch die Einwirkung des Kalis in der Kälte geht ganz denselben Gang wie hei gewöhnlichem Eiweiß. Wenn man die feuchte breiige Masse vom Filtrum nimmt, und, nachdem man sie in ein Reagirglas ge- bracht hat, tropfenweise concentrirte Kalilösung hinzufügt, so bildet sich eine Gallerte, die sich in allen ihren Eigenschaften als das L i e b e r k ü h n ’sclie Kalialbuminat erweist. H o p p e - S e y 1 e r, der Kalialbuminat aus Serumalbumin dargestellt hat, sagt, daß dasselbe weniger consistent sei, als das aus Hühner- eiweiß erhaltene. Das, welches ich aus Paraglobulin gewann, war ebenso consistent. Offenbar hängt die Consistenz wesentlich ab von der Masse von Eiweiß, welche in einem bestimmten Volum enthalten ist. Legt man die Gallerte in viel Wasser, das mit wenig Essigsäure angesäuert ist, so bildet sich Pseudofibrin, ganz mit denselben Eigen- schaften, wie ich es früher aus Kalialbuminat erhielt1), das ich aus Hühnereiweiß dargestellt hatte. Verrührt man eine hinreichende Menge des Paraglobulins noch feucht mit etwas verdünnter Phosphorsäure, so bildet sie damit eine Gallerte. Läßt man diese bis zum andern Tage stehen und erwärmt sie dann im Wasserbade oder vorsichtig über der Flamme, so schmilzt sie und beim Erkalten erstarrt sie wieder. Man hat hier die schmel- *) Virchow’s Archiv. Bd. XII, S. 193. 6 Brücke. zenden Eiweißgallerte erhalten, die von Magen die entdeckt und von Lieber kühn näher untersucht wurde, und die sich sowohl aus Hühnereiweiß als auch aus Blutserum darstellen läßt. Trägt man das noch feuchte Paraglobulin in Eisessig ein, so bildet es damit eine weiße, milchig trübe Gallerte, die mit Wasser eine trübe Flüssigkeit bildet, welche sich beim Kochen nicht klärt. Mit etwas schwächerer Essigsäure bildet es eine durchsichtige Gallerte. Von den Metallsalzen sagt Alex. Schmidt selbst, daß sie sich gegen das Globulin ganz wie gegen Eiweiß verhalten. Er macht nur eine Ausnahme, und zwar in Rücksicht auf das schwefelsaure Kupfer- oxyd. Er sagt (1. c. p. 440): „Wenn ich Blutserum seines Gehaltes an fibrinoplastischer Substanz beraubt batte, so löste sich der durch das Kupfersalz in demselben erzeugte Niederschlag im Überschüsse des Fällungsmittels stets wieder auf. Dieses fand bei einer Lösung der fibrinoplastischen Substanz niemals statt.“ Alex. Schmidt muß diese Versuche immer mit einer alkalischen Lösung der fibrinoplasti- schen Substanz (Paraglobulin) angestellt haben. Bewirke ich die Lösung durch Kochsalz, so löst sich der durch Kupfervitriol erzeugte Niederschlag stets im Überschüsse des Fällungsmittels wieder auf. Ich habe dies auch bei rein alkalischer Lösung erzielt, aber nur wenn jeder Überschuß von Kali aufs Sorgfältigste vermieden war. Bei Gegenwart eines solchen bleibt stets eine Trübung zurück, die aber verschwindet, wenn man etwas Glycerin und noch mehr Kali hinzufügt. Diese zurückbleibende Trübung bängt offenbar zusam- men mit der Bildung von Kupferoxydhydrat. Wenn man dem vom Paraglobulin befreiten Serum ein wenig Kali zusetzt, so verhält es sieb ganz ebenso: es bleibt dann auch bei Zusatz von viel Kupfer- vitriollösung trüb, aber die Trübung verschwindet, wenn man Gly- cerin und mehr Kali hinzufügt. Der Unterschied zwischen Paraglobulin und gewöhnlichem Eiweiß war also wieder nur ein scheinbarer. Vom Blutlaugensalz führt Alex. Schmidt selbst schon an, daß es das (Para)Globulin aus seiner essigsauren Lösung fällt, ganz wie dies am Eiweiß bekannt ist. Es muß hinzugefügt werden, daß das Paraglobulin auch durch concentrirte Lösungen von Kochsalz, schwefelsaurem Natron, Chlorkalium etc. wie das Eiweiß aus seinen sauren Lösungen gefällt wird, dann durch Zusatz von Säure bis zu einem gewissen Grade wieder gelöst wird, dann von Neuem durch Salzlösung gefällt werden kann etc. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 7 Ebenso erwähnt Alex. Schmidt bereits, daß es durch Mineral- säuren aus seinen Lösungen gefällt wird. Salpeter-, Schwefel- und Chlorwasserstoffsäure fällen es wie das Eiweiß. Das Verhalten gegen dreibasische Phosphorsäure, so wie gegen verdünnte Essigsäure, Weinsäure etc. verdient etwas näher besprochen zu werden, da es anscheinend etwas von dem des gewöhnlichen Eiweißes abweicht. \\ enn man diese Säuren auch im noch so verdünnten Zustande und tropfenweise zu dem vom Paraglobulin befreiten Serum hinzu- setzt, so erhält man keinen Niederschlag: fügt man sie dagegen zu einer rein alkalischen Lösung des Paraglobulins, so erhält mau einen Niederschlag, der sich im Überschuß des Fällungsmittels wieder auflöst. Dieser Unterschied beruht auf dem Reichtlnim des Serums an Salzen; denn da jener Niederschlag durch Zusatz von Alkalisalzen schwindet, so kann er auch im Serum nicht erscheinen, in dem diese von vorne herein vorhanden sind. Eine künstliche Eiweißlösung bereitet man sich aus Paraglobulin folgendermaßen: Man fügt zu Kochsalzlösung so viel Kali, Natron oder Ammoniak, daß die Flüssig- keit entschieden alkalisch reagirt, dann setzt man davon tropfenweise zu dem in Wasser aufgeschwemmten Paraglobulin. Eine solche schwach alkalisch reagirende Flüssigkeit wird durch Ansäuern mit Essigsäure nicht gelallt, durch vorsichtige Neutralisation auch bei hoher Concentration kaum merklich getrübt. Diese geringe Trübung rührt wahrscheinlich her von einer Veränderung, welche ein kleiner Theii des Paraglobulins bei der Darstellung erlitten hat. Hat man in der alkalischen Salzlösung relativ zum Kochsalze zu viel Alkali, so fällt die Trübung stärker aus, weil dann die Lösung des Paraglobulins schon bei geringerem Zusatze erfolgt und später beim Neutralismen die vorhandene Salzmenge plus der gebildeten nicht ausreicht, das Eiweiß in Lösung zu erhalten. Ist bei Zusatz von richtig gestellter alkalischer Salzlösung die vollständige Auflösung einmal erfolgt, so ist jeder weitere Zusatz von Kali oder von Koch- salz schädlich; denn wenn man mehr Kali zusetzt, so wirkt dieses nach und nach auf das Paraglobulin ein und bildet Albuminat und somit fällbares Eiweiß 0, und wenn man zu viel Kochsalz zusetzt, so !) Die bei gewöhnlicher Temperatur erfolgende Einwirkung verdünnter Alkalien auf Eiweiß ist in W. Kühne’s Laboratorium von J. Chr. Lehmann näher untersucht worden. Yergl. Centralblatt der medic. W issenschaften 13. Aug. 1864. 8 Brücke. wird zwar die Lösung beim Neutralismen nicht gefällt, aber sie trübt sieb dann bei weiterem Säurezusatz, wie ja jede Eiweißlösung, die größere Mengen von Salzen enthält, durch Säuren gefällt wird. Vom Weingeist gibt Alex. Schmidt an, daß er das Globulin aus rein sauren und rein alkalischen Lösungen nicht fällt, sondern nur, wenn noch Salze zugegen sind. In der That habe ich solche salzfreie Lösungen selbst auf reichlichen Zusatz von Weingeist nur opalescirend werden sehen, aber dann bewirkte ein Tropfen Koch- salzlösung in ihnen sogleich eine Fällung. Dies erklärt zugleich, weß- halb das Serum, es mag neutral, sauer oder schwach alkalisch sein, durch Weingeist gefällt wird, indem die weitere Bedingung für die Alkoholfällung, die, daß zugleich Salze vorhanden sein, stets erfüllt ist. Auch hier ist keine Verschiedenheit zwischen Paraglobulin und Eiweiß, nur muß man, wenn sich beide als identisch erweisen, aus den Angaben über die Reactionen des letzteren die, daß es durch Weingeist aus seinen Lösungen niedergeschlagen werde, dahin modi- ficiren, daß man statt „Lösungen“ „salzhaltigen Lösungen“ setzt. Wenn man das feucht vom Filtrum genommene Paraglobulin in absolutem Alkohol vertheilt, so erweist es sich darin ganz unlöslich und löst sich auch nicht, wenn man etwas concentrirte Essigsäure oder alkoholische Kalilösung hinzufügt, wenn man aber dann Wasser zugießt, so klärt sich sowohl die alkalische Flüssigkeit, als auch die saure. Ich vertheilte feucht von Filtrum genommenes Paraglobulin in Alkohol von 94 Volumprocent. Nach zwei Tagen filtrirte ich den- selben ab. Der Filterrückstand war in verdünnter Kochsalzlösung schwer löslich und bildete damit eine trübe Flüssigkeit, unlöslich aber war er darin nicht; denn nachdem ich filtrirt hatte, trübte sich das klare Filtrat stark beim Kochen. Als ich das durch Kohlensäure und Wasser vom Paraglobulin befreite Serum mit Alkohol gefällt und den so gewonnenen Nieder- schlag zwei Tage lang mit Weingeist von 94 Volumprocent auf- bewahrt hatte, war er schwerer löslich geworden, als unter gleicher Behandlung das Paraglobulin. Wenn ich ihn in Kochsalzlösung ver- theilte und dann filtrirte, so trübte sich das Filtrat weniger stark. Noch schwerer löslich ward unter gleicher Behandlung das Hühner- eiweiß. Das erste Filtrat von dem in Kochsalzlösung vertheilten Niederschlage trübte sich zwar noch etwas beim Erhitzen, als Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 9 ich aber dann neue Kochsalzlösung aufgoß, so löste diese nichts mehr auf. . Ich weiß noch nicht in wie weit dies verschiedene Verhalten in Verschiedenheit der Eiweißkörper als solcher, oder in der Ge- genwart von Salzen oder anderen Körpern seinen Grund hat. Para- globulin, das ich aus seiner kochsalzhaltigen Lösung durch Wein- geist fällte, und dann mit 94percentigem Alkohol behandelte, wurde zwar schwerer löslich, aber doch wie mir schien, nicht ganz so schwerlöslich wie Serum- oder gar Hühnereiweiß. Indessen blieb ein Rückstand, der sich auch in einer großen Menge von Kochsalzlösung nicht auflöste. Einen analogen Versuch mit demselben Resultate machte ich so, daß ich statt der verdünnten Kochsalzlösung Gyps- lösung anwendete, der ich etwas schwefelsaure Magnesia zuge- setzt hatte. Ich glaube nicht, daß man aus den Differenzen, welche sich hier wenigstens scheinbar gezeigt haben, bei dem offenkundigen Ein- flüsse, den die Salze auf die Coagulation des Paraglobulins durch Alkohol ausüben, auf eine wesentliche Verschiedenheit desselben vom Eiweiß schließen kann, ehe nicht die darauf bezüglichen Ver- suche noch vielfältig wiederholt und variirt worden sind. Wenn nun die chemischen Eigenschaften, so weit sie bekannt sind, nicht benutzt werden können, um das Paraglobulin mit Sicher- heit als eine besondere, vom gewöhnlichen Eiweiß verschiedene Substanz zu eharakterisiren, so bleibt hierfür noch eines übrig, die fibrinoplastische Eigenschaft. Ein Transsudat, das für sich nicht gerinnt, aber durch Zusatz von defibrinirtem Rlute zum Gerinnen gebracht werden kann, gerinnt auch, wenn man Serum oder den durch Kohlensäure und Wasser darin bewirkten Niederschlag hinzu- fügt. Andererseits soll die Gerinnung nicht hervorgebracht werden können, durch Serum, das mit dem zehnfachen Volum Wasser ver- dünnt, nach dem Einleiten von Kohlensäure filtrirt, somit vom Para- globulin befreit, und dann wieder langsam und bei niederer Tem- peratur auf sein früheres Volum eingedunstet ist. Ich kann diese letztere Angabe nach der Richtung, welche meine Versuche genommen haben, weder in Frage stellen noch bestätigen: aber darauf glaube ich aufmerksam machen zu müssen, daß die Thatsachen noch eine andere Deutung zulassen, als diejenige, welche ihnen Alex. Schmidt gegeben hat. Er stellt die Alternative 10 Brücke. auf: Entweder wirkt die fibrinoplastisehe Substanz (Paraglobulin), indem sie der im Exsudate enthaltenen fibrinogenen Alkali entzieht und sie dadurch fallt, oder sie verbindet sich mit ihr zu einer neuen, unlöslichen Substanz, dem Faserstoff. Alex. Schmidt gibt der letzteren Anschauung den Vorzug. Es bewog ihn hierzu der Umstand, daß er vor dem Gerinnen genau neutrale Gemische nach dem Gerinnen deutlich alkalisch fand. Es wurde also beim Gerinnen Alkali für die Lakmusreaction frei, nach seiner Ansicht dasjenige, welches früher an die fibrinogene und an die fibrinoplastisehe Substanz gebunden war und dieselben in Lösung erhielt. Ich habe mich in der That überzeugt, daß die Menge des gebil- deten Fibrins bis zu einer gewissen Grenze abhängt von der Menge von Blut oder der Menge von fibrinoplastischer Substanz, welche man zusetzt. Ich erhielt aus der pathologisch anatomischen Anstalt unter anderen ein Transsudat aus dem Herzbeutel eines an Morbus Brightii Verstorbenen, das für sich allein nicht die allergeringste Neigung zur Fibrinausscheidung zeigte. Selbst eine Probe, die etwa eine halbe Stunde lang bei der Temperatur von 40 Grad erhalten und dann in dem langsam erkaltenden Wasserbade geblieben war, hatte kein Gerinnsel gegeben. Mit der hinreichenden Menge von defibrinirtem Blut oder Paraglobulin (das feucht vom Filtrum ge- nommen und ohne weiteren Zusatz in dem Transsudat aufgelöst wurde) aber versetzt, gestand es in seiner ganzen Masse. Eine Probe dieses Transsudats nun versetzte ich mit einer sehr kleinen Menge Paraglobulin und ließ es bis zum andern Tage stehen. Dann schwang ich es so lange herum, bis das zarte spinngeweb- artige Gerinnsel in dünne compacte Fäden zusammengedrängt war, goß die Hälfte der Flüssigkeit in ein anderes Glas und löste darin eine neue größere Portion Paraglobulin. Nach einigen Stunden batte sich darin ein neues Coagulum gebildet; in der rückständigen Hälfte aber bildete sich keines. Ein analoger Versuch, bei dem ich defibri- nirtes Blut statt des Paraglobulins anwendete, batte das gleiche Resultat. Ähnliche Versuche habe ich später mit einer Flüssigkeit aus dem Herzbeutel eines Pferdes angestellt, welche sich durch ihren Reichthum an Fibrinogen besonders dafür eignete. Das Resultat war dasselbe. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 11 Ähnliche Versuche führt such Alex. Schmidt an. Er hat frei- lich eine größere Anzahl von gegenteiligen, d. h. von solchen, hei denen seihst ein nur geringer Zusatz alles Fibrin, wenn auch langsam, zur Ausscheidung brachte. (Reichert und du Bois Archiv 1861, p. 560 ff.). Auch ich habe dergleichen gegenteilige Versuche auf- zuweisen. Da ich mir aber selbst einwende, daß in denselben doch vielleicht der Zusatz für die gegebenen Umstände zu groß war, und daß man vielleicht nur mit an Fibrinogen sehr reichen Transsudaten zu positiven Resultaten gelangt; so kann ich es auch nicht unge- rechtfertigt finden, daß Alex. Schmidt die Idee eines fermentartigen Erregens, welche ihm offenbar anfangs vorschwebte, verlassen hat und die Alternative aufstellt: Entweder verbindet sich die fibrino- plastische Substanz mit der fibrinogenen zu Fibrin, oder sie entzieht ihr einen Bestandteil, wahrscheinlich ein Alkali, und veranlaßt da- durch die Ausscheidung des Faserstoffes. Ich würde mich nach den vorliegenden Thatsachen nur weniger bestimmt für das erstere aus- gesprochen haben, da ja doch die Reaction gegen rothes Lakmus- papier nichts anderes aussagt, als daß in demselben die Phosphor- säure oder Schwefelsäure, mit der es bereitet war, gesättigt wurde und bei der Umsetzung kein Körper auftrat, der wieder im Stande gewesen wäre den Farbstoff zu röthen. Entschiedener muß ich in einem andern Punkte von Alexander Schmidt abweichen. Er sieht das Paraglobulin, den Eiweiskörper, dessen Reactionen wir im Vorhergehenden betrachtet haben, als solchen als die fibrinoplastische Substanz an. Die Gründe dafür sind, daß man ihn auch aus dem Blutkörpercheninhalte erhalten kann, und daß sich das Serum als fibrinoplastisch unwirksam erweist, nach- dem man das Paraglobulin ausgefällt hat. Ich kann die Richtigkeit dieser Angabe, wie gesagt, weder in Abrede stellen noch sie be- stätigen; aber sie erklärt sich auch unter der Voraussetzung, daß der Niederschlag ein Gemenge sei aus Paraglobulin und fibrino- plastischer Substanz. Letztere kann von der Kohlensäure selbstständig gefällt oder vom Paraglobulin mitgerissen sein. Es sind verschiedene Thatsachen, welche zu einer solchen Annahme hindrängen. Zunächst ist es die auffallende Wirkung des defibrinirten Blutes gegenüber der des Paraglobulins. Müßte nicht letzteres, wenn es die reine fibrinoplastische Substanz wäre, viel stärker wirken als das Blut, von dem sie nur einen Bruchtheil ausmacht ? Dem ist aber 12 Brücke. nicht so: ich kann, nachdem, was ich bei meinen Versuchen gesehen habe, gleichen Mengen nur etwa gleiche Wirksamkeit zuschreiben. Alex. Schmidt, dem dies auch nicht entgangen ist, erklärt es daraus, daß das Paroglobulin bei seiner Darstellung an Wirksamkeit verliere, und sicher mag es durch dieselbe gewisse Veränderungen erleiden; aber er seibt erwähnt noch einer anderen Thatsache, die noch viel bestimmter darauf hin weist, daß der Kohlensäurenieder- schlag ein Gemenge sei. Er sagt (1. c. S. 4ä9): „daß man es hierbei immer mit einer und derselben Substanz zu thun hat, beweist, ab- gesehen vom Mikroskop, der Umstand, daß sie, hei welchem Con- centrationsgrade sie auch dargestellt sein mag, stets fibrinoplastisch wirkt. Dabei ist es auffallend, daß sie diese ihre Wirkung um so kräftiger äußert, je weniger man das Serum zum Behufe ihrer Dar- stellung verdünnt hat. Aus frischem Rinderblutserum bei einmaliger, höchstens hei doppelter Verdünnung ausgeschiedene fibrinoplastische Substanz wirkt gewöhnlich so schnell, daß es, wenn man den auf einem Filtrum gesammelten Niederschlag mit einer fibrinösen Flüssig- keit auswäscht, meist gar nicht oder nur theilweise zum Filtriren kommt, die Flüssigkeit gesteht in wenig Augenblicken auf dem Fil- trum; unter starker Verdünnung des Serums dargestellte fibrinopla- stische Substanz wirkt nie so kräftig, obgleich ihre Menge eine viel größere ist und obgleich sie sich viel leichter auflöst. Man muß an- nehmen, daß je günstiger sich die Bedingungen gestalten zur Aus- scheidung dieser Substanz durch Kohlensäure oder verdünnte Säuren aus ihren natürlichen Lösungen, desto mehr werden (werde? B.) sie durch diese selbst verändert.“ — Worin ist diese letztere Annahme begründet? Ist es nicht viel natürlicher anzunehmen, es seien im Niederschlage zwei Substanzen vorhanden, A das Paraglobulin und B die fibrinoplastische Substanz; letztere werde entweder wie das Paraglobulin selbstständig durch Kohlensäure ausgefällt oder von diesem mitgerissen? Ist es nicht eine häufige Erscheinung, daß bei fractionirten Fällungen die Niederschläge ungleich zusammengesetzt sind und daß z. B. für das Auge durch ihre ungleichmäßige Licht- absorption auffällige Stoffe, die wir deßhalb Farbstoffe nennen, in den ersten Portionen in viel größerer Menge enthalten sind, als in den späteren? Hier werden wir durch die verschiedene Färbung des Niederschlages daraufhingewiesen; aber der Vorgang selbst hat mit Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 13 der ungleichmäßigen Liehtabsorption nichts zu schaffen und kann bei farblosen Körpern eben so gut Vorkommen. Vielleicht gelingt es noch durch fractionirte Fällung ein fibrino- plastisch völlig unwirksames Paraglobulin darzustellen. Ich bin durch die Frühlingswärme in meinen hierauf gerichteten Versuchen unter- brochen worden und kann deshalb noch nichts Gewisses darüber aussagen. Hierher gehört noch eine andere Angabe von Alex. Schmidt. Er fand, daß wenn er, statt mit Serum, mit verdünntem Blute oder mit einer Blutkrystallösung arbeitete, die vom ausgeschiedenen Glo- bulin abfiltrirte Flüssigkeit noch fibrinoplastisch wirkte. Er erklärt dies daraus, daß das an und für sich leicht zersetzbare Hämoglobulin durch den Contact mit der fibrinogenen Substanz zerlegt werde und das dadurch nun erzeugte Globulin fibrinoplastisch in Wirkung trete. Es ist dies eine Hypothese die entbehrlich wird, sobald man die fibrinoplastische Substanz als einen Bestandteil der Blutkörperchen ansieht, sie dagegen nicht für identisch hält mit dem Globulin (Para- globulin); dann ist es ganz natürlich, daß die großen Mengen, welche davon im gewässerten Blute enthalten sind, von dem sich beim Ein- leiten der Kohlensäure ausscheidenden Globulin (Paraglobulin) nicht vollständig mitgerissen werden, wenn dies auch mit den relativ geringen Mengen geschieht, welche davon im Serum enthalten sind. Ähnliche Gründe mögen es gewesen sein, welche W. Kühne bestimmten, an einer Stelle seines Lehrbuches zu sagen, es sei nicht erwiesen, daß der ganze Kohlensäureniederschlag aus fibrinoplasti- scher Substanz bestehe, ein Theil desselben möge unwirksames Globulin sein. Meine Zweifel gehen aber noch weiter. Für mich ist aus Grün- den, die ich oben ausführlich mitgetheilt habe, die Selbstständigkeit der von Alex. Schmidt Globulin genannten Substanz (Paraglobulin) als eines eigenen Eiweißkörpers durch die bis jetzt vorliegenden Daten nicht gesichert. Leider habe ich in der kalten Jahreszeit versäumt, die Drehungs- constante des Paraglobulins zu bestimmen, und jetzt gelingt es mir nicht mehr, vorwurfsfreie Lösungen zu erhalten. Da sich Alex. Schmidt auch an einzelnen Stellen seiner Ab- handlungen auf den Eiweisskörper der Krystallinse bezieht, den er, wie es mehrere andere auch thun, als Globulin bezeichnet, so erlaube 14 Brücke. ich mir, den Leser auf die Abhandlung von Maximilian v. Vintsch- gau: Osservazioni chimiehe sulle reazione per le quali la cristallina si dovrehbe distinguere dall’albumina. (Sitzungsberichte der matli.- naturw. Classe der Wiener Akademie der Wissenschaften, Bd. XXIV, S. 493) aufmerksam zu machen, in welchen nachgewiesen ist, das alle Reactionen, welche man als charakteristisch für das sogenannte Krystallin aufgestellt hat, sich auch von gewöhnlichem Eiweiß erhal- ten lassen. Für das Folgende scheint es mir nothwendig zu sein, zunächst zu unterscheiden zwischen nativem und modificirtem Eiweiß. Als nati- ves Eiweiß bezeichne ich dasjenige, dessen neutrale oder blaues Lak- muspapier violett färbende Lösungen auch hei geringem Salzgehalte ohne Zusatz von Lab gerinnen, wenn man ihre Temperatur auf 100 Grad erhöht. Das Kasein ist hiernach kein natives Eiweiß, da die Milch nur in der Wärme zusammenläuft, wenn sie bereits stärker saure Reaetion angenommen, oder wenn man ihr Lab zugesetzt hat. Sehen wir von dem nativen Eiweiß ah, welches sich an der Fibrinbildung betheiligt, so erkennen wir als solches zunächst die eigentlichen Albumine, das Serumalbumin und das Eieralbumin, kurz das, was man gewöhnlich lösliches Eiweiß zu nennen pflegt. Nach dem Obigen müssen wir aber auch das Paraglobulin in diese Abthei- lung verweisen. Man sagt, das lösliche Eiweiß werde durch verdünnte Pflanzen- säuren und dreibasische Phosphorsäure nicht gefällt. Dieser Charak- ter läßt sich für das native Eiweiß nicht aufrecht erhalten J); aber der entstandene Niederschlag löst sich wieder in Salzen, vorausgesetzt, daß nicht Säuren und Salze in solchen Quantitäten zu- gesetzt sind, daß die Salze dem durch die Säure veränderten Eiweiß- molecül Wasser entziehen (Aeidalbumin, Syntonin). Dieser Nieder- schlag von nativem Eiweiß entsteht deshalb in den natürlichen Eiweißlösungen eben wegen ihres Salzgehaltes im Allgemeinen *) Es bleibt hierbei vorläufig die Frage offen, ob ein wahres lösliches Eiweiß, d. h. ein solches, das sich für sich in destillirtem Wasser leicht löst, und das deshalb auch aus seinen rein alkalischen Lösungen durch Phosphorsäure und verdünnte Pflanzensäuren nicht gefällt werden kann, als Modification des nativen Eiweißes exi- stirt. Et ist dies eine Frage, deren Entscheidung meiner Ansicht nach durch weitere Untersuchungen über das Wurtzische Einweiß in Angriff genommen werden muß. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 15 nicht, und wo sich etwas davon zeigt, kann man durch einen gerin- gen Salzzusatz mit Leichtigkeit wieder klären. Der Niederschlag dagegen, den die Säuren in einer Kalialbuminat- oder Kaseinlösung hervorbringen, ist in (nicht alkalisch reagirenden) Salzen unlöslich, und deshalb werden auch die natürlichen Kaseinlösungen stets durch Säuren gefällt. Zum nativem Eiweiß sind ferner zu rechnen, Kühne’s Myosin und die Stoffe, welche man als Globulin und als Vitellin bezeichnet hat, endlich was man an in der Hitze eoagulirbarer Substanz bei der Verdauung von Fibrin oder hei dessen Fäulniß oder Maeeration in Salzlösungen erhält i). Uber das aus Ovarialcysten dargestellte Paral- bumin habe ich keine Erfahrungen. Das native Eiweiß erträgt im trockenen Zustande eine Tempe- ratur von mehr als 100 Grad, aber im gelösten büßt es durch die Siedhitze seinen Charakter ein; gleichviel oh es in derselben gerinnt oder ob es wegen Anwesenheit von zu viel Säure oder Alkali flüssig bleibt. Im letzteren Falle zeigt sich die Veränderung dadurch, daß beim Neutralismen der sauren oder beim schwachen Ansäuern der alkali- schen Flüssigkeit ein Niederschlag entsteht, der sich durch Zusatz von neutralen Salzen nicht auflösen läßt. 1) In einer Abhandlung von VV. Kühne über Verdauung der Eiweißstoffe durch den Pankreassaft (Sonderabdruck aus dem 39. Bande von Virchow’s Archiv), die mir so eben zugeht, heißt es: „Gekochtes Fibrin quillt bekanntlich ohne Erwärmung äußerst langsam in sehr verdünnten Säuren oder Alkalien und ist besonders in ersteren so wie in lOpercentiger Kochsalzlösung so gut wie unlöslich. Nach be- gonnener Einwirkung des Pankreas löst es sich dagegen theilweise fast momentan in HCl von 1 pro mille auf zu einer wahren Syntoninlösung und nach kurzem Zerreiben mit Na CI von lOPct. C. erhält man sogleich ein Filtrat, das in der Hitze und mit Salpetersäure gerinnt. Aus dem in der Siedehitze geschrumpften Fibrin entsteht demnach durch die Pankreaswirkung zuerst ein StofT, der dem ungekoch- ten rohen Fibrin ähnlich ist, der sich jedoch noch weit leichter in Salzlösungen und in verdünnten Säuren auflöst als dieses.“ — Es scheint hier der Schlüssel gefunden worden zu sein zu dem Räthsel, wie sich denn der Mensch aus den Eiweißkörpern, die er fast ausschließlich im gekochten Zustande zu sich nimmt, das native Eiweiß verschaffe, welches der Organismus braucht. Die Angaben frü- herer Beobachter, daß der Pankreassaft die sogenannten Peptone wieder in Eiweiß- körper verwandele, waren, wie auch Kühne bemerkt, ohne Werth; da man den mit Pankreassaft gemischten Chymus auf seine Gerinnbarkeit geprüft hatte, wäh- rend ja der Pankreassaft selbst coagulables Eiweiß enthält. 16 Brücke. Die Alkalien und alkalischen Erden (Kali, Natron, Ammoniak, Kalk, Baryt) verwandeln das native Eiweiß je nach ihrer specifischen Natur und je nach ihrem Concentrationsgrade und der Temperatur rascher oder langsamer in Fällbares um, was sich darin zeigt, daß ein durch Säuren hervorgebrachter Niederschlag sich, wenn auch jeder überflüssige Säurezusatz vermieden ist, doch nicht durch Zu- satz von (nicht alkalisch reagirenden) Salzlösungen auflösen läßt. Dieser in Salpeterwasser unlösliche Niederschlag löst sich in überschüssiger Säure auf und zwar um so leichter, je freier die Flüssig- keit von Salzen ist. Denn sind viel Salze zugegen, so entziehen sie dem unter dem Einflüsse der überschüssigen Säure stehenden Eiweißmolecül Wasser und bringen dadurch eine Trübung hervor, die nur durch grösseren Säureüberschuß und oft selbst durch diesen nur unvollkommen aufgeklärt werden kann. Das, was hier im Kleinen an jedem einzelnen Molecül vor sich geht, kann man im Grossen an einem Stücke Pseudofibrin beobachten. In verdünnten Säuren quillt es auf und wird glashell durchsichtig, auf Zusatz von Salzlösung schrumpft es und wird weiß und undurchsichtig, kann aber, wenn nicht zu viel Salz vorhanden ist, durch weiteren Säurezusatz noch wiederum zum Aufquellen gebracht werden. Es braucht kaum daran erinnert zu werden, daß auch das Pro- tein, oder nach Hoppe-Seyler's Untersuchungen, richtiger die Proteine, nur aus bereits durch Alkalien verändertem Eiweiß beste- hen, daß sie sich aber wegen der Art ihrer Bereitung namentlich in Rücksicht auf ihren Schwefelgehalt von den aus frisch dargestellten Kalialbuminaten abgeschiedenen Eiweißkörpern unterscheiden ‘). ßeachtenswerth ist es, daß man auch aus dem festen Kalialbuminate keinen Eiweißkörper mit dem Schwefelgehalte des nativen Eiweißes, das zu seiner Bereitung diente, abscheiden kann. Wenn man es dar- stellt, so wird man stets bemerken, daß es eine schwach gelbliche Farbe annimmt, die beim Auswaschen schwindet; wenn man es aber unausgewaschen und frisch bereitet durch eine Säure zersetzt, so verbreitet es einen schwachen aber deutlichen Geruch nach Schwefel- wasserstoff. i) Vergl. hierüber die Controverse zwischen Mulder einerseits und Liebig, Las- kowsky und Fleitman andererseits, deren Literatur in Mol eschott's Phy- siologie des Stoffwechsels gesammelt ist. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 17 Vom Casein haben Scherer, Schrzeczka und Rollett durch ihre Arbeiten nachgewiesen, daß es in seinen Reactionen mit dem durch Alkalien veränderten Eiweiß übereinstirnmt. Indessen macht Hoppe-Seyler (Handbuch der physiologisch- und pathalo- giseh-chemischen Analyse S. 188) darauf aufmerksam, daß hieraus die Identität beider nicht hervorgeht, indem in Ätzkali gelöstes Ca- sein mit Essigsäure gelallt, einen Niederschlag gibt, der noch alle Reactionen des Caseins zeigt, obgleich sich bei der Procedur regel- mässig Schwefelwasserstoff entwickelt hat. Die Säuren verändern das native Eiweiß ebenfalls, bald rascher bald langsamer, je nach ihrer speeifischen Natur, ihrer Concentration und der Temperatur, unter welcher sie einwirken. Das erste Zeichen der Säurewirkung ist, daß bei Gegenwart einer größeren Menge von Salzen eine Fällung eintritt. Dieselbe erfolgt allmälig nicht auf einmal. Wenn man eine mit concentrirter Kochsalzlösung ver- setzte Eiweisslösung mit Essigsäure versetzt, so entsteht zwar sofort ein Niederschlag; aber wenn man dann schnell filtrirti so trübt sich das vollkommen klare Filtrat von Neuem und scheidet einen immer reichlicher und reichlicher werdenden Niederschlag aus. Anfangs ist die Modifieation nicht tief eingreifend, und kann, wie es scheint, durch Neutralisation noch vollständig wieder aufgehoben werden. Der auf dem Filtrum gesammelte Niederschlag gibt mit Wasser behandelt eine klare, bisweilen eine opalisirende Flüssigkeit, die man ohne eine weitere Trübung zu erzeugen, neutralisiren kann, und aus der sich das Eiweiß unlöslich ausscheidet, wenn sie nach vorsichtiger Neutralisation erhitzt wird. Hat aber die Säure andauernder oder energischer auf gelöstes Eiweiß eingewirkt, so entsteht bei der Neu- tralisation der Lösung ein reichlicher Niederschlag, der aus sogenann- tem Santonin besteht. Die weiteren Zersetzungsproducte, welche durch noch stärkere Einwirkung der Säuren entstehen, kommen hier nicht weiter in Be- tracht, da ihnen die allgemeinen Eigenschaften der Eiweißkörper nicht mehr zukommen. Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich auf das Verhalten eini- ger Eiweißkörper gegen die Borsäure über. Das native Eiweiß wird durch dieselbe weniger als durch irgend eine andere der bis jetzt untersuchten Säuren mit Ausnahme der Kohlensäure verändert, und von ihr nur unter denjenigen Bedingungen 18 Brücke. aus seinen Lösungen ausgeschieden, unter denen es auch von der Kohlensäure ausgefällt wird. Diese kann es hei der Bereitung von Paraglobulin vollständig ersetzen. Der Niederschlag zeigt dieselbe fibrinoplastische Eigenschaft wie der durch Kohlensäure hervorgebrachte und löst sich auch hei Zusatz eines Überschusses von Borsäure nicht wieder auf. Wenn man indessen durch Bor- oder Kohlensäure ausgeschie- denes Paraglobulin auf dem Filtrum sammelt und in concentrirte Borsäure bringt, so ist es darin einigermassen aber unvollständig löslich. Die trübe Flüssigkeit wird geklärt, wenn man Kochsalz- lösung in einiger Menge hinzufügt. Eine geringe Menge Blutlaugen- salz bringt in ihr einen reichlichen Niederschlag hervor, der sich im Überschüsse des Fällungsmittels so wie bei Zusatz von Kochsalz wieder autlöst. Auch andere Alkalisalze, wie schwefelsaures Natron oder Kochsalz bringen, in geringerer Menge hinzugefügt, einen Nieder- schlag sich im Überschüsse des Fällungsmittels leicht wieder autlöst. Auch eine kleine Menge von Kali bringt eine reichliche Fällung hervor, die sich bei einem weiteren Zusatz von Alkali wieder autlöst, und zwar bereits, wenn noch ein reichlicher Überschuß von Säure vorhanden ist und die Flüssigkeit Lakmus entschieden rötliet 6). Der durch wenig Alkali hervorgebrachte Niederschlag ist auch löslich in Salzen. Er wird sowohl durch Kochsalz als durch Blutlaugensalz aufgelöst. Mit diesen Erscheinungen stimmt es überein, daß vollkommen flüssiges aber unverdünntes Hülmereiweiß in eoncentrirter Borsäure vertheilt weiße Flocken bildet, die bei Zusatz von Kochsalzlösung verschwinden. Die concentrirte Lösung des Paraglobulins in eoncentrirter Bor- säure trübt sich beim Kochen bis zur Undurchsichkeit ohne zu einer zusammenhängenden Masse zu gerinnen. Der gebildete Niederschlag 1) Borsäure färbt bekanntlich Lakmus nicht so feurig, wie die meisten anderen Säuren, aber doch sehr entschieden roth. Bekannt ist es ferner, daß Borsäure Curcumapapier roth färbt; aber ich finde nicht angeführt, daß das Roth nicht wie bei der Berührung mit Alkalien sofort, sondern erst allmälig und besonders wäh- rend des Eintrocknens der Flüssigkeit hervortritt. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 19 ist in Kochsalz unlöslich. Wenn die Lösung vorher mittelst Koch- salz geklärt ist, so gerinnt sie beim Erhitzen in Flocken. Wenn man mit Borsäure angesäuertes Serum mit äußerst wenig Blutlaugensalz versetzt, so bringt dies darin keine Fällung hervor, und fügt man etwas mehr Blutlaugensalz hinzu, so löst sich auch die teichte Trübung wieder auf, welche in der Mehrzahl der Fälle durch das Ansäuern mit Borsäure (in Folge theilweiser Ausscheidung des Paraglobulins) entstanden ist. Auch eine Flüssigkeit, welche dadurch erhalten wurde, daß ich einige Tropfen Serum in eine eoncentrirte Borsäurelösung fallen ließ, verhielt sich nicht anders. Ich erkläre mir dies so, daß der in Salzen lösliche Niederschlag wie ihn sehr wenig Blutlaugensalz in einer Lösung von reinem Paraglobulin in Borsäure hervorbringt, in dem salzhaltigen Serum nicht entsteht, und daß des- halb nur die lösende Wirkung eines Überschusses von Blutlaugensalz hervortritt. Weder in mit Borsäure angesäuertem Serum noch in concen- rirter Borsäure, dem man etwas Serum zugesetzt hat, bringen eon- centrirte Lösungen neutraler Alkalisalze einen Niederschlag hervor. Die Borsäure verändert eben das Eiweiß nicht in der Weise, wie es die meisten anderen Säuren thun, und deswegen wird es aus borsau- ren Lösungen von Salzen nur unter Umständen gefällt, unter denen es auch aus neutralen gefällt werden würde. Die Borsäure schützt aber auch das Eiweiß nicht in der Weise, wie es die meisten anderen Säuren thun vor der Einwirkung der Alkalien. Wenn man Eiweißlösung mit Borax versetzt und erwärmt, so gerinnt sie nicht, weil das Eiweiß durch das an Borsäure gebun- dene Natron schon während des Erwärmens modificirt wird. Setzt man nach dem Kochen Essigsäure zu, so erhält man einen in Salzen unlöslichen Niederschlag. Diese Erscheinungen sind denen analog, welche man heim Erhitzen von Eiweißlösungen mit kohlensaurem Natron beobachtet. Wenn man das Paraglobulin mit Kohlensäure aus dem Pferde- blutserum ausgefällt hat, so gibt eine geringe Menge Essigsäure noch einen zweiten Niederschlag, den W. Kühne zuerst beobachtet hat. (Siehe sein Lehrbuch der physiologischen Chemie S. 175.) Auch wenn man zehnfach gewässertes Serum mit Borsäure ausgetällt hat, so daß bei weiterem Zusatze derselben kein neuer Niederschlag ent- steht, gibt wenig Essigsäure noch einen solchen. Ich habe denselben 20 Brücke. auf dem Filtrum gesammelt, auf dem er sieh mit einigem Verluste aus- vvaschen läßt. Ich habe nicht gefunden, daß ihm die Eigenschaften des Caseins zukamen. Er charakterisirte sich vielmehr als natives Eiweiß. Er löste sich in Kochsalzlösung leicht und vollständig und die Flüssigkeit gerann beim Kochen wie eine Lösung von gewöhn- lichem Eiweiß. Wenn man festes Kalialhuminat, gleich viel oh dasselbe aus Hühnereiweiß oder aus Paraglobulin bereitet ist, in Borsäurelösung legt, so wird es von derselben zersetzt und Pseudofibrin gebildet. Das Pseudofibrin unterscheidet sich, wie ich in meinen Beiträgen zur Lehre von der Verdauung bereits erwähnt habe, darin vom echten Fibrin, daß es nicht wie dieses unter seinen Verdauungsproducten neben fällbarem auch natives Eiweiß gibt. Das Pseudofibrin ist eben fällbares Eiweiß, gefällt in so compac- tem Zustande, daß es sich in Essigsäure oder sehr verdünnter Chlor- wasserstoffsäure nicht löst, sondern zu einer glashellen Gallerte an- quillt. Bei der Art, wie ich damals das Pseudofibrin bereitete, waren zwei Factoren vorhanden, welche das Eiweiß modificiren konnten, erstens das Kali, mit dem ich das Albuminat bereitete und die Essig- säure, mit der ich es zersetzte. Letztere wurde jetzt durch Borsäure, die das Eiweiß nicht modificirt, ersetzt. Wenn es mir also gelang, die Wirkung des Kalis so einzuschränken, daß sie sich nicht auf die ganze Masse des Eiweißkörpers erstreckte, so konnte ich hoffen, ein demFibrin auch in seinen Verdauungsproducten ähnliches Pseudofibrin zu erzeugen. Ich machte den Versuch zuerst mit Paraglobulin, das ich durch wenig Tropfen einer eoncentrirten Kalilauge in Albuminat über- führte und in der That erhielt ich daraus mittelst Borsäure ein Pseudo- fibrin, das mit künstlicher Verdauungsflüssigkeit verdaut eine Lösung gab, die mit Ammoniak bis zur vollständigen Ausfällung des Neutrali- sationspräcipitats gesättigt und filtrirt, ein Filtrat lieferte, das sich in der Siedhitze ziemlich stark trübte, wenn auch nicht so stark, wie eine Flüssigkeit, die aus der Verdauung einer etwa gleichen Menge von Fibrin gewonnen war. Auch die Flüssigkeit, welche ich dadurch er- hielt, daß ich das Pseudofibrin in Wasser durch beginnende Fäulniß zerfallen ließ, trübte sich, nachdem sie mit etwas Kochsalz versetzt und filtrirt war, beim Kochen. Später habe ich ähnliche Versuche gemacht, bei denen ich statt des Paraglobulins Hühnereiweiß anwen- Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 21 dete; ich erhielt dasselbe Resultat, auch hier konnte ich aus dem Pseudofibrin noch lösliches Eiweiß gewinnen, aber nicht in solcher Menge, wie aus Fibrin. Offenbar ist ein solches Pseudofibrin ein mechanisches Gemenge von nativem und von durch Kali modificirtem Eiweiß, und bei Anwendung eines andern, minder heftig einwirken- den Alkalis und der hinreichenden Vorsicht mußte es auch gelingen, die Menge des erstem in ihm noch zu vermehren. Ich setzte deshalb Natronlösung in kleinen Mengen zu Hühner- eiweiß und als es eben erstarrte, zerrührte ich es, um die weitere Einwirkung des Natrons zu verhindern, in verdünnter Borsäurelösung. Am zweiten Tage darauf, nachdem die Zersetzung vollendet und das Pseudofibrin weiß und undurchsichtig geworden war, wurde es in einen leinenen Beutel unter Wasser ausgewaschen, ganz wie man Fibrin auszuwaschen pflegt. Eine Probe davon wurde mit künstlicher Verdauungsflüssigkeit theilweise verdaut, sofort vom Reste abfiltrirt, das Filtrat bis zur vollständigen Fällung des Neutralisationspräcipi- tats mit Kali versetzt und abermals filtrirt. Das zum Sieden erhitzte Filtrat schied eine reichliche Menge Eiweiß in kleinen Flocken ab, ganz wie es eine auf analoge Weise aus Fibrin erhaltene Flüssigkeit gethan haben würde. Auch an concentrirte Kochsalzlösung hatte dieses Pseudofibrin, nachdem es 24 Stunden darin macerirt war, eine ziemliche Menge von nativem Eiweiß abgegeben; dasselbe gerann aber beim Erhitzen nicht in Flocken, sondern als milchige Trübung. Letzteres führe ich keineswegs an, um darauf eine Unterscheidung zu gründen; denn ich weiß aus vielfältiger Erfahrung, wie die Art der Ausscheidung so sehr von äußeren Umständen abhängt, daß sie von allen schlechten Charakteren zur Unterscheidung der Eiweißkörper sicher einer der schlechtesten, wenn nicht der schlechteste ist. Eine reine Lösung von Kalialbuminat, mag dasselbe aus Hühner- eiweiß oder aus Paraglobulin bereitet sein, wird durch Borsäure gefällt. Der Niederschlag tritt zuerst als eine opalisirende Trübung auf, die beim Versuche zu filtriren ins Filtrat übergeht. Erst bei reichli- chem Zusatze einer concentrirten Borsäurelösung wird der Nieder- schlag compacter. Deshalb kann man weder aus einer sehr verdünn- ten Albuminatlösung noch mit sehr verdünnter Borsäure das durch Alkalien modificirte und durch sie in Lösung erhaltene Eiweiß nieder- 22 Brücke. schlagen. Hat es sich aber einmal so weit ausgeschieden, daß heim Filtriren eine klare Flüssigkeit abläuft, so weist Essigsäure in ihr keinen Eiweißkörper mehr nach. Man darf sich nicht dadurch täu- schen lassen, daß vor dem Filtriren eine kleine Menge Essigsäure zu einer Probe der Flüssigkeit gebracht, dieselbe stärker trübte. Das beruht nicht auf dem Entstehen eines neuen Niederschlages, sondern nur auf der Verdichtung des schon vorhandenen. Der entstandene Niederschlag löst sich in Kochsalz nicht wie- der auf, gleichviel ob die Kalialbuminatlösung vorher bis zum Sieden erhitzt worden war oder nicht. Setzt man zu der Albuminatlösung gewöhnliches phosphorsaures Natron, so hindert dies die Fällung, aber nicht absolut. Wenn man einen großen Überschuß von concentrirter Borsäurelösung hinzufügt, so trübt sich die Flüssigkeit. Wenn man diese Reactionen mit denen vergleicht, welche Kohlensäure hervorbringt, so zeigt es sich, daß letztere sich auch hier ganz wie verdünnte Borsäure verhält. Leitet man in eine nicht zu verdünnte Lösung von Kalialbuminat Kohlensäure, so trübt sie sich, und die Trübung schwindet auf Zusatz von Kochsalzlösung nicht. Befinden sich in der Lösung Stücke von festem Kalialbuminat, so werden sie durch das Einleiten von Kohlen- säure weiß und undurchsichtig und in Pseudofibrin umgewandelt- Hierauf beruht es auch, daß man, wie Kühne (Lehrbuch der physio- logischen Chemie S. 165) beobachtet hat, durch blosses langes Aus- waschen von Kalialbuminat Pseudofibrin gewinnen kann. Wenn man das Albuminat im verschlossenen Gefäße mit kohlensäurefreiem Wasser auswäscht, so schmelzen die Stücke von außen fortwährend ah, bleiben durchsichtig und erweichen sich mehr und mehr, um sich endlich ganz aufzulösen. Je mehr aber das Wasser Kohlensäure ent- hält, um so früher und reichlicher bleibt ein weißer, unlöslicher Rest, der nichts anders ist als Pseudofibrin. Milch wird durch verdünnte Borsäurelösung nicht gefällt, auch wenn man ihr dieselbe bis zur stark sauren Reaction zusetzt. Wenn man aber Milch in kleinen Quantitäten in concentrirte Borsäurelösung einträgt, so bilden sich in Salzen unlösliche, weiße Flocken, die aus Casein und den von demselben eingeschlossenen Fettkügelchen bestehen. Man kann dies benützen, um das Casein aus der Milch dar- zustellen, indem man die Flocken auf dem Filtrum sammelt, erst mit Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. 23 Borsäure, dann mit Wasser auswäscht, abpreßt, mit Äther auszieht und von neuem abpreßt. Man erhält das Casein dann als eine zähe, resistente Masse, die sich in verdünnten Alkalien und in Borax auf- löst und durch Essigsäure in Flocken daraus gefällt wird. Ehe man dieses Verfahren einschlägt wird es gut sein, der Milch noch Kochsalzlösung zuzusetzen, um jeden Verdacht, daß irgend welches native Eiweiß mitgefällt werde, auszuschließen. Dann scheint es mir den Vorzug zu verdienen vor der Fällung mit Essigsäure oder Chlorwasserstoffsälire, weil von der Borsäure eine verändernde Einwirkung sicher weniger zu fürchten ist als von beiden. Wenn man verdünnte Borsäure zu frisch gelassenem Blute setzt, so verhindert sie die Coagulation desselben nicht, wie dies die mei- sten anderen verdünnten Säuren thun. In eine Lösung, welche 1 bis 2 Percent Borsäure enthält, kann man das Blut eintragen und damit verrühren und doch findet nach einiger Zeit Gerinnung statt. Selbst ein beträchtlicher Zusatz von concentrirter Borsäurelösung zu frisch gelassenem Blute hindert die Gerinnung nicht gänzlich, sondern verzögert sie nur. Wenn man aber frisches Blut von Frö- schen oder Kaninchen in eine bei 18 bis 20° Cels. concentrirte Bor- säurelösung einträgt, so daß die letztere an Volumen mehr beträgt als das Blut, dann tritt entweder gar keine Gerinnung ein oder man findet erst am andern Tage spinngewebeartige oder flockige Gerinsel in der Flüssigkeit. Letztere hat sich dabei, wo man Kaninchenblut anwendete, stark lackroth gefärbt. Es hängt dies zusammen mit einer auffälligen, aber bei verschiedenen Thieren und bei Anwendung ver- schieden concentrirter Lösungen in ungleicher Weise auftretenden Einwirkung auf die rothen Blutkörper, die ich in einer spätem Mit- theilung näher beschreiben werde. Beim Froschblut setzen sich die Blutkörper gut ab und man kann die darüberstehende trübe Flüssigkeit mit Lakmuspapier leicht und sicher prüfen. Es ist liier nicht uninteressant zu sehen, wie z. B. bei Anwendung der 2percentigen Borsäurelösung der Gerinnungs- proceß trotz der stark sauren Reaction noch ganz in der gewöhn- lichen Weise, nur später erfolgt. Blicken wir auf alles bisher Gesagte zurück, so ist es klar, daß die Borsäure in ihren Wirhungen auf Eiweißkörper mit keiner der Säuren Ähnlichkeit hat, die man früher in dieser Richtung unter- 24 Brücke. Über das Verhalten einiger Eiweißkörper gegen Borsäure. suchte, mit einziger Ausnahme der Kohlensäure. Mit dieser aber ist die Ähnlichkeit so vollkommen, daß die Kohlensäure, abgesehen von dem, was der Aggregatzustand nothwendig mit sich bringt, ganz wie verdünnte Borsäure wirkt. Es wäre nun zunächst für mich von Inter- resse gewesen, hiermit die Wirkungen zu vergleichen, welche die unter höherem Druck zu einer concentrirten Lösung comprimirte Kohlensäure ausübt, da aber die warme Jahreszeit für Arbeiten dieser Art ungünstig ist, so habe ich die meine hier vorläufig abgeschlossen. Aus der k. k. Hof- und Stautsdruckerei in Wien.