Aus dem LX1Y.Bande der Sitzt, der k. Akad. der Wissenscli. I. Alitli. Juli-Heft. Jahrg. 1811. Zur Statik des Glycogens im Thierkörper Von Sigmuml Weiss, stud. med. (Aus dem physiologischen Institute der Wiener Universität.) (Vorgelegt in der Sitzung am 20. Juli 1871.) Nachdem in einer Reihe von Arbeiten aus den letzten Jahren nachgewiesen wurde, dass die Eiweisskörper sich nicht direct, durch Zersetzung bei der Thätigkeit des Muskels betheiligen, musste die Frage nach den chemischen Vorgängen im thätigen Muskel von neuem in der Physiologie auftauchen und einer neuen Lösung entgegensehen. Es lag nahe, die Aufmerksamkeit jetzt mehr den einzelnen stickstofffreien Bestandteilen des Muskels zuzuwendeflk und zu untersuchen, in wie weit diese mit der Muskelarbeit in näherem Zusammenhänge stehen. Diese Arbeit unternahm 0. Nasse („Beiträge zur Physio- logie der contraetilen Substanz“. Pflttger’s Archiv II. Jahrg. p. 97 —121) und er kam in Folge seiner diesbezüglichen Unter- suchungen und Experimente zu folgenden Resultaten: 1. Das Glycogen ist ein normaler Bestandteil des Muskels, nicht nur des embryonalen, sondern auch in erwachsenen Thieren. 2. Die Erstarrung und die Thätigkeit des Muskels ist mit einem Verbrauche von Kohlenhydraten (Glycogen und Zucker) verbunden. Das Glycogen konnte Nasse in seinen Versuchen nicht direct bestimmen, da zur Zeit, in welcher er seine Versuche an- stellte, noch keine Methode bekannt war, die eine directe quanti- tative Bestimmung des Glycogens zuliess, und er sich offenbar, und auch aus guten Gründen, der Pavy’schen Methode nicht an- vertrauen wollte. Er bestimmte es daher indirect, als Zucker, und zwar auf folgende Weise: 2 Die mit einer gewogenen Menge Sand zerriebene und mit Wasser verdünnte Muskelmasse lässt er einige Zeit bei niederer Temperatur stehen, um den Übergang des Glycogens aus viel- leicht noch unzerriebenen Muskelfasern vollkommen zu machen, versetzt sie hierauf mit einem zuckerbildenden Ferment, zumeist filtrirtem Speichel, und digerirt mit diesem unter häufigem Um- rühren einige Stunden lang bei angemessener Temperatur. Wenn nach der auf die Digestion verwandten Zeit alles Glycogen als in Zucker umgewandelt angesehen werden kann, erhitzt er die Masse im Wasserbade auf 100° C. zur Ausfällung der Eiweisskörper, wägt nach dem Abkühlen und titrirt nun die Zuckermenge mit einer verdünnten Lösung von Kupfervitriol unter Zusatz von Kalilauge. Von etwa vorgebildetem Zucker sah er ab, da nach ihm der von Meissner in den Muskeln entdeckte gährungsfähige Zucker Zersctzungsproduct des Glycogens ist. Dies N a s s e’s Methode der Glycogenbestimmung. Da es nun von Interesse war, zu untersuchen, welche Resul- tate sich bei einer directen Bestimmung des Glycogens ergeben würden, unternahm ich eine Reihe von Versuchen, deren Art und Ausführung ich hier folgen lasse: Ein Frosch wurde decapitirt; seine Schenkelnervcn in ihrem Verlaufe in der Beckenhöhle blossgelegt. Die Nerven der einen Seite wurden in diesem Verlaufe herausgeschnitten, während die der anderen über zwei Drähte gespannt wurden, welche die Enden der secundären Spirale eines Du-Bois’schen Schlitten- apparates darstellten. Auf diese Weise wurde der betreffende Schenkel (zuerst mit schwachen, endlich mit immer stärkeren Strömen) bis zur voll- kommenen Erschöpfung der Muskeln tetanisirt. Jedes Zucken der Muskeln der andern Seite, das etwa durch Stromschleifen hätte entstehen können, wurde sorgfältig vermieden. Diese Pro- cedur wurde bei allen Versuchsfröschen gleichmässig vorge- nommen, doch so, dass der eine nicht eher in Angriff genommen ward, bis nicht sein Vorgänger in den bereitstehenden Gefässen (siehe weiter unten) untergebracht war. Ich muss noch erwähnen, dass ich nicht immer den Schenkel derselben Seite tetanisirte, sondern abwechselnd bald den der rechten, bald den der linken, W e i s s. Zur »Statik des Glycogens im Thierkörper. tun etwaige Ungleichheiten zwischen rechten und linken Beinen möglichst auszuschliessen, so also, dass ich in meinem ersten (un- tenangeführten) Versuche drei tetanisirte Schenkel der rechten und eben so viele der linken Seite habe u. s. w. Es handelte sich nun darum, aus den Muskeln, den tetanisirten sowohl, als den nicht tetanisirten, das Glycogen zu bestimmen. Dies geschah nach der von Professor Brücke angegebenen Methode („Über eine neue Methode, Dextrin und Glycogen aus thierischen Flüssigkeiten und Geweben abzuscheiden und über einige damit erlangte Re- sultate“. Sitzb. der k. Akad. der Wissensch. Bd. 63, Abtli. II., p. 1—9), wie folgt: Waren die Muskeln des tetanisirten Beines vollkommen erschöpft, so wurden diese sowohl, als auch jene des nicht tetanisirten Beines in kleinen Portionen abgetragen, ge- trennt in siedendes Wasser geworfen, dem vorher etwas Kali- lösung zugesetzt war, und damit vollständig zerkocht. Die nun erhaltene Lösung wurde, nach dem Erkalten, mit Salzsäure und Jodquecksilberkalium, so lange noch ein Nieder- schlag entstand, gefällt, einige Zeit, 5 Minuten ungefähr, stehen gelassen und filtrirt. Der Niederschlag wurde mit Wasser, dem etwas Salzsäure und Jodquecksilberkalium zugesetzt war, so lange gewaschen, bis eine Probe des Filtrates mit Jodkalijod- lösung keine rothe Farbe mehr gab. Nun vereinigte ich das Waschwasser mit dem ursprünglichen Filtrate, fällte mit starkem Alkohol (der unsere hat 95