Beobachtungen über contractile Elemente in den Blut- und Lymphcapillaren. Von Johannes Fürst Tarclianoff. Hierzu Tafel VII b. (Aus dem pathologisch-anatomischen Institut des Herrn Prof, von Reckling- hausen zu Strassburg.) Die frühere Lehre von der Structurlosigkeit der Capillaren liess eine active Betheiligung derselben bei Circulationsstörungen nicht sehr warscheinlich erscheinen und man fasste desshalb auch die zuweilen an ihnen beobachteten Lumenveränderungen allgemein als passive Vorgänge auf, bedingt und hervorgerufen durch Druck Ver- änderungen, welche von andern Theilen des Gefässsystems ausgehn. Durch die Entdeckung vonRecklinghausen’s wurde indess gezeigt, dass die Lymphcapillaren ebenso wie die nicht capillaren Gefässe mit einem Endothel, also einer aus Zellen zusammenge- setzten Membran versehen sind. Nachdem hierauf durch Auerbach, Aeby und Eberth demonstrirt wurde, dass auch den capillaren Blutgefässen dieselbe Endothelmembran zukommt, trat Stricker dieser Lehre von der Zusammensetzung der Wandung aus aneinander gereihter Zellen zwar entgegen, brachte aber eine interessante Be- obachtung über active Formveränderungen der Capillarmembran, nach welcher er derselben eine Contractilität zusprach. 408 Johannes Fürst Tarchanoff: Stricker *) hat an der abgeschnittenen Nickhaut des Frosches, ohne Anwendung eines Reizes gefunden, dass die Weite der Capil- laren eine Veränderung erleiden *kann. Diese Thätigkeit verlegt er in die homogene Capillarwand, welche er als Protoplasmaröhre auf- fasst. Den Capillarkernen spricht er eine active Betheiligung nicht zu, sagt jedoch von ihnen, dass sie in’s Lumen vorspringend, das- selbe verengern. Dieselben Erscheinungen 2) erhielt er an den Ca- pillaren bei Anwendung chemische Reize und der Elektricität. Bald darnach theilte Goluben3) ebenfalls Beobachtungen über active Verengerung nnd Erweiterung der Capillaren an abgeschnit- tenen Organbestandtheilen des Frosches mit, wonach aber die Thätigkeit hauptsächlich den Kernen, welche er Spindelelemente nennt, zukommt. Durch mittelstarke Inductionsschläge sollten sich dieselben verkürzen und verdicken und sich zugleich in eine fein- körnige peripherische und hellere centrale Partie differenziren. Ferner giebt er an, dass nach nicht zu starken Reizungen diese Spindelelemente ihre frühere Form wieder annehmen und auf einen wiederholten Reiz sich wieder zusammenziehen können. Trotzdem fasst er diesen Vorgang als ein Absterben dieser Elemente auf, weil bei demselben an Stelle der Spindeln Kerne hervortreten und die Kerne sonst abgestorbener Capillaren sich in ähnlicher Weise dar- stellen. Beide Forscher differiren ferner noch über die Art in welcher diese Thätigkeit stattfinden soll. Denn während Stricker die Verengerung durch den homogenen Theil der Wand zu Stande kommen lässt, betont Goluben hauptsächlich die Verdickung der Spindelelemente und die dadurch bedingte Raunibesehränkung des Capillarlumens. Bei dieser Differenz der Angaben erschien es mir in Ueber- einstimmung mit Prof. v. Recklinghausen gerechtfertigt diese Frage nochmals einer erneuten Untersuchung zu unterwerfen. Hiebei interessirte mich weniger das morphologische Verhalteu der 1) Sitzungsberichte, der Wiener Akademie dev Wissenschaften. Bd. LI. 1865. S. 16. Untersuch, über die capillaren Blutgefässe in der Nickhaut des Frosches. 2) Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Bd. LII. 1866. S. 379. Ueber den Bau und das Leben der capillaren Blutgefässe. 3) Archiv für Mikroskopische Anatomie. M. Schultze. Bd. 5. S. 49. Beiträge zur Kenntniss des Baues und der Entwicklungsgeschichte der Capil- largefässe des Frosches. Beobachtungen über contractile Elementein d. Blut- u.Lymphcapillaren. 409 Capillarwand als ihre physiologische Function nnd die Störungen welche eventuell aus einer solchen Veränderung des Capillarlumens resultiren. Aus diesem Grunde bediente ich mich zur Untersuchung nicht nur abgeschnittener Theile, wie Stricker und Goluben, sondern war mehr bestrebt in ihrer Lage belassene Theile in den Bereich meiner Untersuchung zu ziehen. Als Reiz bediente ich mich hauptsächlich der Elektricität, weil dieses Agens sich sowohl nach der Dauer als der Intensität der Einwirkung genau abstufen lässt. Zur Einleitung meiner Unter- suchungen habe ich die Versuche von Stricker und Goluben wiederholt und ging dann, nachdem ich mich von der Verengerung und Erweiterung der Capillaren überzeugt hatte, zu einem für meine Zwecke geeigneteren Object, dem Schwanz lebender Froschlarven über. Auf Grund der hier gewonnenen Erfahrungen habe ich dann nochmals Controlversuche an der abgeschnittenen Nick- und Schwimm- haut angestellt, hauptsächlich um zu sehen, ob älteres Gewebe sich ebenso verhalte, wie jüngeres. Schliesslich habe ich noch entzündete Gewebe in den Bereich meiner Untersuchungen gezogen. Um die Thiere während der Untersuchung bewegungslos zu haben, genügt es nicht sie zu curaritiren, da die Muskulatur auf Anwendung starker Inductionsschläge trotz Curarewirkung zu stark reagirt, um eine ruhige Beobachtung der durch die Elektricität bewirkten Ver- änderungen zuzulassen. Desshalb habe ich es vorgezogen zur Be- täubung der Thiere eine circa 3% Alkoholmischung anzuwenden, in welche die Thiere gesetzt wurden. Nach Verlauf von ungefähr 15 Minuten pflegen dieselben regungslos zu werden und sind dann zum Versuch vollkommen ge- eignet, indem die willkürlichen Muskeln selbst auf starke Reize nicht mehr reagiren, während eine Störung der Circulationsver- hältnisse nicht zu constatiren ist. Das Thier wird auf eine schief nach einer Elektrode abfallenden Glasplatte so aufgelegt, dass die Schwanzspitze grade auf die andere Elektrode zu liegen kommt. Diese etwas schiefe Lagerung bietet den Vortheil, dass das Thier mit Leichtigkeit feucht erhalten werden kann; dabei ist jedoch sehr darauf zu achten, dass sich um den Schwanz keine grössere Flüs- sigkeitsmenge ansammle, da hiedurch eine Nebenschliessung ge- schaffen würde, welche ein negatives Resultat zu Folge hätte. Je jünger die Thiere sind, um so leichter gelingen die Versuche, da bei älteren mit bereits vorhandener Extremitätensprossung die 410 Johannes Fürst Tarchanoff: grössere Enge und Blutarmuth der Gefässe so wie die schon vor- handene rückgängige Metamorphose sämmtlicher Gewebe störend ist. Endlich eignen sich die bräunlichen, pigmentärmeren Thiere sehr viel besser als die grünlichen, pigmentreichen. Die normalen Blutcapillaren haben eine doppeltconturirte Wan- dung von durchweg gleicher Dicke, nur finden sich in derselben von Strecke zu Strecke spindelförmige Verdickungen, Goluben’s so- genannte Spindelelemente (Fig. 1, 3 und 5). Die Lymphcapillaren unterscheiden sich von ihnen dadurch, dass deren Wandung nicht doppeltconturirt erscheint, und keine regelmässig fortlaufende, sondern zackig gestaltete Linie darstellt; sodann ist ihr Lumen nicht wie das jener gleichweit, sondern stellenweise flaschenförmig ausgebaucht. Auch in ihnen finden sich die erwähnten Spindelelemente, jedoch weder in so grosser Anzahl, noch kräftig entwickelt und manchmal statt ihrer in ähnlicher Weise gelagerte feinkörnige Massen (Fig. 7, 9, 11). Endlich unterscheiden sich die Blut- und Lymphcapillaren noch durch ihren Inhalt, denn während in jenen die Blutelemente meistens zahlreich vorhanden sind, finden sich in diesen nur spärlich Lymphkörperchen, meistens in Ruhelage, obwohl wahrscheinlich immer ein Plasmastrom darin vorhanden ist, wie aus einer später mitzutheilenden Beobachtung hervorgeht. Stellt man eine Blut- capillare mit lebhafter Circulation und deutlich sichtbaren Spindel- elementen bei starker Vergrösserung ein (Fig. 1 und 5) und reizt dann das Organ mittelst Hindurchleiten eines mittelstarken Stromes während 15— 20 Secunden, so bemerkt man nach wenigen Secunden, wie die Spindelelemente sich verkürzen und verdicken und solcher- massen in’s Lumen vorragend, hier bauchige Anschwellungen dar- stellen, durch welche das Lumen beträchtlich verengt und manch- mal ganz aufgehoben wird (Fig. 2). In seltenen Fällen machte es mir ausserdem noch den Eindruck, als ob auch eine mehr gleich- mässige Verengerung durch Vorrücken der Wand nach der Axe der Capillare im Sinne Stricker’s stattfinde. Lässt man den Reiz 2—3 Minuten einwirken, so beharren diese Elemente in der an- genommenen Form und die Capillare bleibt fernerhin für den Strom verschlossen. Setzt man jedoch nach circa einer halben Minute wieder aus, so nehmen die Spindelelemente in denjenigen Capillaren, die der Circulation noch zugänglich sind, sehr rasch wieder ihre frühere Form an (Fig. 3) und indem sie dadurch wieder zur früheren normalen Weite zurückehren, werden die an den partiell verengerten Beobachtungen über contractile Elemente in d. Blut-u. Lymphcapillaren. 411 Stellen eingeklemmten Blutkörperchen (Fig. 6) wieder frei und von dem wiederkehrenden Strom mit fortgeführt. Lässt man abermals den elektrischen Strom einwirken, so erhält man nochmals dasselbe Resultat (Fig. 4), ja man kann bei gehöriger Vorsicht diesen Ver- such an demselben Object mit gleichem Resultat, An- und Ab- schwellung, verschiedene Male wiederholen. Nach mehrmaligem Wiederholen kommt es dann allerdings sehr leicht vor, dass die Zellen gerade wie nach einmaliger zu lange andauernder Reizung in dem Contractionsstadium beharren und nicht mehr zur Norm zurückkehren. Gleichzeitig hiemit habe ich die Circulationsstörungen, welche durch diese mannigfache Verengerung bedingt wird, in’s Auge gefasst. Wir haben bereits gesehen, dass mitunter durch die Con- traction der Spindelelemente das Lumen ganz aufgehoben werden kann und dann folgerichtig für den Blutstrom undurchgängig ist. Aber auch ohne dass ein solcher vollständiger Verschluss statt hat, ist zuweilen eine solche Capillare für die körperlichen Elemente des Blutes unpassirbar, indem dann die Verengerung doch so hochgradig ist, dass die Blutkörperchen nicht mehr passiren können. Verfolgt man die Capillare bis zu ihrem Ursprung, so bemerkt man in der zugehörigen Arterie eine Stromverlangsamung und geringe Dila- tation, die um so bedeutender ist, je mehr Capillaren in Mitleiden- schaft gezogen sind und je langsamer der Collateralkreislauf zu Stande kommt. Auf der andern Seite gewahrt man hinwieder eine sich einleitende Stase in der Vene, die erst mit dem Rückgänge der Capillarelemente sich wieder löst. Mechanischer Reiz, z. B. leichtes Frottiren des Schwanzes mit einem feinen Haarpinsel bewirkt genau dieselben Veränderungen, nur mit dem Unterschied, dass die contrahirten Spindelelemente sehr viel länger im Contractionszu- stande beharren. Bringt man die Thiere jedoch wieder in’s Wasser zurück, so kann man bei wiederholter Vornahme nach 1—2 Stunden in den vorher undurchgängigen Gefässen wieder die schönste Circu- lation sehen. Da der mechanische Reiz keine auch nur annähernd genaue Abstufung zulässt, begnügte ich mich mit den erwähnten Thatsachen und ging zur Anwendung chemischer Reize, nämlich Alkohol, Aether, Ammoniak, Eisenchlorid, Essigsäure über, welche Agentien ich, zur Hälfte mit Wasser verdünnt, aufträufelte. Im grossen Ganzen waren die Versuchsresultate hiebei gleich den oben erwähnten, nur schienen einige etwas intensiver zu wirken, als die 412 Johannes Fürst Tarchanoff: andern. Bei der Anwendung nicht verdünnter Lösungen konnte man noch vor dem Absterben der Gewebe deutlich das bauchige Anschwellen der Spindelelemente der Capillaren wahrnehmen. Die Rückkehr zur Norm wird bei der Anwendung chemischer Reize, selbst wenn sie schwächer, als die oben angegebenen sind, seltener beobachtet als nach elektrischem und mechanischem Reiz. An- wendung von Wärme mit Hilfe des heizbaren Objecttisches, ergiebt bei 40° C. dieselben Resultate, zugleich findet aber Sistirung des Blutstromes überhaupt statt. Diese Untersuchungsmethode leidet an dem sehr störenden Uebelstande, dass das stete Beschlagen der Objectivlinse eine sorgfältige Beobachtung der durch Wärme be- dingten Veränderungen geradezu unmöglich macht. Dieselben Versuche an frisch abgeschnittenen und in indiffe- renten Flüssigkeiten feucht gehaltenen Froschlarvenschwänzen er- geben nur ein insofern von Obigem verschiedenes Resultat, als die Verkürzung und Verdickung der Spindelelemente eine sehr viel raschere ist, die Rückkehr zur normalen Form aber sehr viel seltener statt hat und sehr viel langsamer vor sich geht. Ebenso verhielt sich die abgeschnittene Nick- und Schwimm- haut des Frosches, und auch an der an ihrer Lage belassenen Schwimmhaut bei fortbestehender Circulation konnte ich durch chemische Reize die erwähnten Erscheinungen hervorrufen. Dagegen vollständig negative Resultate erhielt ich am Mesenterium des Frosches und Kaninchens, ohne dass es mir möglich gewesen wäre den Grund hierfür zu eruiren. Da die abgeschnittene Nickhaut des Frosches sich für diese Versuche sehr eignet, habe ich an diesem Organ eingehendere Be- obachtungen angestellt, um festzustellen, ob älteres Gewebe in dieser Hinsicht ganz ebenso sich verhalte wie jüngeres, und habe bei allen meinen Versuchen gefunden, dass ein Unterschied zwischen beiden hinsichtlich des Verhaltens der Capillarwände gegen Reize nicht besteht. Die Beobachtungen Goluben’s an diesem Organe kann ich somit vollständig bestätigen. Bei der Anwendung der Elektricität ergab sich ausserdem noch die interessante Thatsache, dass die Reizwirkung an den Spindel- elementen im Abgangswinkel der Capillare von der Arterie zuerst und gewöhnlich sehr früh auftrat (Fig. 14 und 16), während die anderen Spindelelemente sich sehr viel später contrahirten und an der Einmündung der Capillaren in Venen nichts Aehnliches statt hatte. Beobachtungen über contractile Elemente in d. Blut- u. Lymphcapillaren. 413 Ausser den erwähnten Agentien wandte ich noch Sauerstoff, Kohlenoxyd und Kohlensäure an, ohne dass durch dieselben eine Veränderung bedingt worden wäre, während Aether und Ammoniak in Dampfform sehr prompt wirkten. Diese Erscheinungen an den Capillaren der Nickhaut werden erhalten, gleichgültig ob das Thier, von welchem dieselbe stammt, curarisirt war oder nicht, so dass eine Einwirkung des Curare auf die Spindelelemente ausgeschlossen werden darf. Ebenso scheinen dieselben nicht unter dem Nerveneinfluss zu stehen, da Reizung des blossgelegten N. ischiadicus weder bei vorhandener noch bei auf- gehobener Circulation die erwähnten Erscheinungen an den Capil- laren der Schwimmhaut hervorruft. Auch die Lymphcapillaren habe ich bei diesen Untersuchungen in den Bereich meiner Beobachtungen gezogen, nur in so weit als es sich dabei um durch Elektricität bedingte Veränderungen an denselben handelte, da die übrigen Reize weniger klare und deutliche Erscheinungen hervorriefen. Die Spindel- elemente und die spindelförmigen feinkörnigen Massen in der Wan- dung der Lymphcapillaren verkürzen sich ganz ebenso wie die Spindelelemente der Blutcapillaren, jedoch bedarf es bei jenen eines sehr viel stärkeren Reizes als bei diesen. (Fig. 7 und 8.) Bei ganz starken Strömen treiben diese Elemente plötzlich auf, werden blass, ihre Conturen schwinden dann und alsbald kommen die Kerne in ihnen, in kugeliger Gestalt zum Vorschein. (Fig. 9 u. 10, 11 u. 12.) Ist diese Metamorphose eingetreten, so kehren sie nicht mehr zur Norm zurück, während sie aus der einfachen Verdickung wieder zu ihrer früheren Form ganz ebenso zurückkehren können wie die analogen Elemente der Blutcapillaren; doch geschieht auch dies sehr viel langsamer. Auch an den Spindelelementen der Blutcapillaren ist von mir nach langer Reizeinwirkung drei Mal dieselbe Metamor- phose beobachtet worden. Setzt man die starke Reizung fort, so macht es den Eindruck als ob die kugeligen Kerne der Zellen der Lymphcapillaren nur noch ganz schwach mit der Wand selbst in Verbindung ständen, als ob sie wie Lymphkörperchen anhafteten. (Fig. 10, 12.) Zweimal habe ich sogar direct beobachtet, dass auf- geblähtes und blass gewordenes Protoplasma dieser Zellen in dem vorbei passirenden Lymphstrom sich vertheilte. Aus dem Proto- plasma entstanden nämlich plötzlich’ kleine Kügelchen, welche in wirbelnder Bewegung in der Richtung zu den Hauptstämmen der 414 Johannes Fürst Tarchanoff: Lymphgefässe fortgerissen wurden, so dass anzunehmen war, dass hier ein Lymphstrom noch existirte. Längere Beobachtung am selben Tage gab kein weiteres Re- sultat; nahm ich jedoch nach circa 24 Stunden dasselbe Object nochmals vor, so fand ich sehr viel weniger kugliche Kerne in den Lymphcapillaren als früher und an vielen Stellen konnte ich die- jenigen, die ich mir in ihrer Lage genau gemerkt hatte, nicht mehr erkennen, ohne dass die Wand hier eine bestimmte Veränderung zeigte, oder die früher hier vorhandene spindelförmige Verdickung noch wahrzunehmen gewesen wäre. Hieraus glaube ich folgern zu dürfen, dass auch die kugeligen Kerne schliesslich durch den Plas- mastrom entfernt worden waren. Diese Beobachtungen beweisen wohl, dass durch die über- mässige Reizung eine TÖdtung und Zertrümmerung der Elemente eingetreten war, welche an den Blutcapillaren schwerer zu Stande kam, aus dem Grunde weil hier der Blutstrom die Zellen vor dieser heftigen Einwirkung bis zu einem gewissen Grade schützte. Da- gegen muss ich die bauchige Verdickung der Wandzellen als eine Art Contraction, jedenfalls als einen vitalen Vorgang ansehn, da die Elemente von selbst zur früheren Form zurückkehren, und kann Goluben nicht beipflichten, weleher schon in dieser Veränderung ein Absterben der spindelförmigen Elemente sieht. Ausser der beschriebenen partiellen Verengerung des Lumens der Lymphcapillaren, konnte ich zuweilen gleichzeitig eine allge- meine Verengerung des Gefässes wahrnehmen, wodurch sogar einige Male vollständiger Verschluss der Lichtung bewirkt wurde; es war mir jedoch nie möglich die Ursachen dieser Verengerungen fest- zustellen. Diese partiellen Verengerungen, wie jene Anschwellungen der spindelförmigen Wandelemente werden gewiss auch eine Wirkung auf den Lymphstrom resp. den Inhalt der Lymphgefässe ausüben. Indess ist es selbstverständlich unmöglich, eine solche Einwirkung zu beobachten, da der Lymphe die morphologischen Elemente fast ganz fehlen. Bei ausgewachsenen Thieren konnte ich keine für die Beo- bachtung der Lymphcapillaren günstige Objekte auffinden und musste desshalb auf Beobachtungen an solchen verzichten. Im Laufe dieser Untersuchungen habe ich öfter Gelegenheit gehabt zu beobachten, dass der Leib der fixen Bindegewebskör- Beobachtungen über contractile Elemente in d. Blut- u. Lymphcapillaren. 415 perchen auf lang andauernden elektrischen Reiz dicker wird während ihre Fortsätze sich etwas verkürzen, gleichzeitig wird auch der Ivern mit Kernkörperchen deutlich sichtbar. (Fig. 17 und 18, 19 und 20 und 31.) Ebendieselben Veränderungen bewirken Alkohol, Aether und Ammoniak. Es lag nahe die Frage aufzuwerfen, ob beim Ent- zündungsprocess die Spindelelemente der Capillaren auch in Mit- leidenschaft gezogen werden und dadurch etwa irgendwelche für die Entzündung wichtige Vorgänge eingeleitet oder befördert werden. Zur Eruirung dieser Frage bediente ich mich des Froschlarven- schwanzes und der Nickhaut des Frosches an welchen ich haupt- sächlich mittelst Ammoniak und Essigsäure und dann auch auf mechanischem Wege Entzündung erregte. Hatte ich durch starke Cauterisation einen Schorf an einem Froschlarvenschwanz erzeugt, so fand sich nach ein, zwei Tagen deutlich Auswanderung aus den, den Aetzschorf umgebenden Blutcapillaren, ohne dass hier eine Ver- änderung an den Spindelelementen wahrzunehmen .gewesen wäre; innerhalb der verschorften Partie hingegen fanden sich in das Lumen der Capillaren weit vorspringende Zellen, in welchen deutliche Kerne sichtbar waren. Bei gelinderem Reiz, der keine Nekrose verursachte, aber doch Auswanderung zur Folge hatte, erfolgte sofort Verkürzung und Verdickung der Spindelelemente, die aber nach Ablauf eines Tages nicht mehr wahrzunehmen ist. Diese Elemente sind folglich zur Norm zurückgekehrt, die Auswanderung hingegen besteht fort. Reizt man solche entzündete Gewebe (Nickhaut) mittelst des elektrischen Stromes, so contrahiren sich die Spindelelemente noch deutlich, jedoch in ausserordentlich langsamer Weise. Aus Allem diesem folgt, dass die Spindelelemente der Capil- laren nur im ersten Stadium der Entzündung, d. h. im Reizstadium, eine Rolle spielen. Die Veränderungen, die sie hiebei erleiden, unterscheiden sich jedoch sowohl nach ihrer Art, wie nach ihrer Reihenfolge in Nichts von den durch Elektricität bewirkten, indem sie wie diese kommen und vergehen. Goluben hat die Hypothese *), dass alle bei der Entzündung vorkommenden Circulationsstörungen von den erwähnten Veränderungen der Spindelelemente der Blut- capillaren abhängig seien aufgestellt, indess ohne Beobachtungen 1) Dissertation. Beiträge zur Anatomie, Physiologie und Entwick- lungsgeschichte der Capillargefässe 1868. S. 48. S. Petersbnrg. E. Pflüger, Archiv f. Physiologie. Bd. IX, 416 O. Funke: an entzündeten Geweben angestellti zu haben. Meine obigen Beob- achtungen verleihen dieser Hypothese keine Stütze. Erklärung (1er Abbildungen. Fig. 1. Optischer Längsschnitt eines Blutcapillargefässes des Froschlarven- schwanzes. Fig. 2. Dasselbe Blutcapillargefäss nach der elektrischen Reizung. Fig. 3. Dasselbe Blutcapillargefäss nach einer Weile von Ruhe. Fig. 4. Wiederholte Reizung desselben Blutcapillargefässes. Fig. 5. Blutcapillargefäss des Froschlarvenschwanzes. Fig. 6. Dasselbe Blutcapillargefäss während der elektrischen Reizung. Fig. 7. 9. 11. Lymphcapillargefässe des, Froschlarvenschwanzes. Fig. 8. 10. 12. Dieselben Lymphcapillargefässe nach der elektrischen Reizung. Fig. 13. 15. Blutcapillaren der Nickhaut des Frosches. Fig. 14. 16. Dieselben Blutcapillargefässe nach der elektrischen Reizung. Fig. 17. 18. Fixirte Bindegewebszellen des Froschlarvenschwanzes in Ruhe- zustand. Fig. 19. 20. 21. Dieselben Bindegewebszellen nach der elektrischen Reizung. Fig. 22. Blutcapillargefäss der Nickhaut des Frosches. Fig. 23. Dasselbe Blutcapillargefäss nach der elektrischen Reizung. Tat: yn.b. Lith.Anst.v. J.G-Bach, Leipzig.