Zur Olycogenbildung in der Leber. 289 (Aua dem physiologischen Laboratorium der Universität Zürich.) Zur Glyeogenbildung in der Leber. Von B. Luch Singer, Med. pract., Assistent am physiologischen Laboratorium. Gegenüber der von Pavy, Ts ehe rin ow, Dock vertretenen Ansicht, Glycogen könne sich in der Leber direct aus eingeführ- tem Zucker bildeu, bat neuerdings Weiss Q auf Grund seiner Versuche mit Glycerin die Behauptung ausgesprochen, in jenen Versuchen mit Zuckerfütterung sei Glycogen nicht aus Zucker neu gebildet worden, sondern der Zucker selbst vielleicht, sicher aber sein Umwandlungsproduct, die Milchsäure habe nur das aus anderer Quelle fortwährend entstehende Glycogen vor Zehrung geschützt, eine Anhäufung desselben somit ermöglicht. Nach der einen Ansicht also würde das Glycogen als ein Anhydrid des Traubenzuckers durch Synthese unter Wasseraus- tritt aus Zuckermoleclilen aufgebaut werden. Diese Vorstellung möchte ich die Hypothese der Anhydridbildung nennen. Da an- dere Synthesen mit Wasseraustritt, ich erinnere an die Bildung der Hippursäuren, als Function der Leberzellen wirklich aner- kannt sind, so steht diese Hypothese nicht ohne Analogie. Nach der andern Ansicht dagegen können ebenso gut wie Zucker auch leicht verbrennliche Molecüle, deren Verwendung zum Aufbau von Glycogen gradezu unwahrscheinlich wäre, eine Vermehrung von Glycogen hervorrufen dadurch, dass sie durch ihre leichte Verbrennlichkeit die Oxydationsprocesse des Körpers von diesem ablenken und auf solche Weise Glycogen ersparen. Diese Auffassung nenne ich im Folgenden kurz die Ersparniss- hypothese. Als thatsäcliliche Stütze derselben werden die Ver- suche von Weiss geltend gemacht, in denen nach Glycerin- injectionen sich der Glycogengehalt der Leber vermehrt fand. Mit andern leicht oxydabeln Stoffen scheint Weiss nicht gearbeitet zu haben. Es wäre dies aber um so wünschenswerther gewesen, als Glycerin in seiner chemischen Constitution dem 1) Ueber die Quelle des Leberglycogens. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wissenschaften Bd. LXV1I. 3. Abth. 1873, Januar. Pflüger, Archiv für Physiologie. Band VIII. 290 B. Luch singer: Zucker jedenfalls nahe steht, die Möglichkeit einer Umwandlung von Glycerin in Zucker sogar sehr wohl denkbar erscheint (vgl. Kühne, physiologische Chemie pag. 375 u. flgd.). Der Aufforderung von Herrn Prof. Hermann folgend, ent- schloss ich mich daher, diese Lücke auszufüllen. a) Zur Methode. Nach dem Vorgauge von Weiss habe ich anfänglich nur an Hühnern gearbeitet, erst später habe ich auch Kaninchen für meine Versuche verwendet. Das Regime der Hühner war: Stets fasteten sie 1J/2 Tag nach dem Einkäufe und wurden dann ge- wogen. (Das Wägen der Hühner geht sehr leicht von Statten, wenn man sie nur auf den Rücken legt, sie bleiben dann meist wie todt ruhig liegen.) Darauf bekamen sie 2—3 Tage als Futter sehr mageres, sorgfältig von jeglichen Fettresten befreites ausgesottenes Rindfleisch, fein zerhackt; dieses frassen sie gern; wenn nicht, wurden sie 2 Mal täglich mit je \ Pfund gestopft. Nur einmal des Tages zu stopfen, noch dazu mit Quantitäten von 1/2 — 2/3 Pfund, wie Weiss angibt, schien mir unzweckmässig, da sich bei den ersten Versuchen, die ich genau nach den An- gaben von Weiss anstellte, sehr bald zeigte, dass bei solcher Ueberfüllung des Kropfes leicht Katarrh desselben eintritt, die Verdauung zu leiden beginnt und die dann auftretenden profusen Diarrhöen das Thier vollends zum Versuche untauglich machen. Nach Ablauf der Rindfleischdiät wurden die Hühner wieder ge- wogen, das Gewicht als „Gewicht am Ende der Fleischfütterung“ eingetragen und nun mit der Fibrinfütterung begonnen. Diese dauerte meist 4—5 Tage. Das Fibrin war gut ausgewaschen, nachher im Luftbadc getrocknet worden; x/8 Pfund wurde für jedes Huhn abgewogen, mit Kochsalzlösung von circa 0,7 pCt. aufquellen gelassen und je Morgens 9 Uhr und Abends 6 Uhr den Thieren gereicht; frassen sie nicht bereitwillig, so wurden sie wieder gestopft. Frisches Wasser bekamen die Thiere 2 Mal täglich, täglich wurden ihre Behälter gereinigt. Dass stets strenge Sorge dafür getragen wurde, dass die Hühner nichts Anderwei- tiges bekamen, brauche ich wohl kaum zu bemerken. Am Ende der Fibrinfütterung wurden die Thiere wieder gewogen, ihr Ge- wicht als „Gewicht am Ende des Versuchs“ notirt und dann zur Fütterung mit den Versuchsstoffen geschritten. Diese, sämmtlich Zur Glyeogenbildung in der Leber. 291 in Lösung, wurden, abweichend von Weiss, einfach durch einen Katheter, der mit der grössten Leichtigkeit in den Kropf einge- führt werden kann, injicirt. Es hat diese Methode der Appli- cation jedenfalls den Vortheil, dass abgemessene Quantitäten viel genauer dem Thiere beigebracht werden können, als durch Ein- giessen in den Schlund, dass weiter die ganze Procedur offenbar viel schneller und reinlicher auszuführen ist. Am Ende des Ver- suchs wurden die Hühner stets durch einen Halsschnitt getödtet, die Bauchfedern rasch gerupft, das Sternum durch zwei Schnitte längs des untern Rippenrandes abgehoben, die Leber herausge- schnitten und nach schneller Entfernung der Gallenblase in dane- ben bereit stehendes siedendes Wasser geworfen und darin mit der Scheere rasch zerkleinert. Der Glycogengehalt der Leber wurde dann stets genau nach der von Brücke angegebenen Methode bestimmt. Gleich nach Herausnahme der Leber pflegte ich häufig auch einen oder beide Musculi pectorales herauszu- schneiden und in siedendem Wasser, dem Natronlauge in ge- ringer Quantität beigesetzt war, zerkochen zu lassen. Nach dem Erkalten wurde mit Salzsäure angesäuert, filtrirt und das Filtrat nach Brücke’s Methode behandelt. Von den Versuchen an Kaninchen ist einzig zu bemerken, dass sie meist 4 — 6 Tage vor Beginn der Injection hungerten. b) Versuche. In erster Reihe kam es natürlich darauf an, die von Weiss gefundene Thatsache einer durch Glycerininjectionen be- wirkten Glycogenvermelirung zu constatiren. Zugleich erachtete ich als wünschenswerth, in der gleichen Versuchsreihe einem Huhne Zuckerinjectionen zu machen. Denn erstens war die Glyeogenvermehrung nach Zuckerinjectionen beim Huhne, wenn auch äusserst wahrscheinlich, doch noch nicht nachgewiesen; zweitens aber, und das war mein Hauptgrund einen solchen Versuch anzustellen, erhielt ich dadurch Gelegenheit, ein Nor- malglycogen zu gewinnen, mit welchem ich auf andere Weise erzeugte Glycogene vergleichen könnte. Mein Glycerin war von 1,25 specifischem Gewicht, es wurde stets vor den Versuchen mit Tromm er’s Probe auf Abwesenheit von Zucker geprüft. In beiden angestellten Versuchen wurde es unverdünnt eingegeben, wie es auch in den Versuchen von 292 B. Luchsinger: Weiss der Fall gewesen zu sein scheint. Dem Zuckerthier wurde Traubenzuckerlösung von 40 pOt. injicirt. Das kräftigste Thier der Reihe wurde im Anfang des Versuchs zur Controle getödtet. Das Regime war bei sämmtlichen vier Hühnern das gleiche, 2 Tage Fleisch-, 5 Tage Fibrindiät. Der Uebersichtlichkeit halber fasse ich die Resultate dieser Versuche in der beifolgenden Tabelle zusammen. Ar t Gewicht in Grin. Zeit n, GrSssc der Gesamrat- . al* Zeit der Tödtmig Snbstanz -ö 1. Controlversuch . 1235 1280 1200 Tödtung 7 Uhr Unwägb. aber Morg. bei Be- durch Jodreac- ginn des Ver- tion nachweis- suclies. bare Spuren. 2. Zuckerversuch . 1050 1020 970 9., 11. 30, 1. 30, 50 Grm. 1.678 Grm. 3. 30, 5, 30, je 25 Gern. Töd- Trauben- tung 7. 30. zucker 3. Glycerinvers. (I) 1020 1010 970 9 Uhr 18 Ccm. 12., 3. 30 je 12 42 Ccm. 0,550 Grm. Ccm. Tödtung 4 Uhr 30 Min. Glycerin 4. Glycerinvers. (II) 1130 1140 1105 6., 9., 12., 3., 5 Uhr je 12 Ccm. 60 Ccm. 0,710 Grm. Tödtung 7 U. Glycerin Als besondere Bemerkungen sei noch erwähnt: das Zucker- thier (Nr. 2) war stets munter, nur gegen Ende des Versuchs trat geringe Diarrhöe auf. Das Glycerinthier (Nr. 3) bekam bald nach der zweiten Injeetion profuse Diarrhöen, wurde nach der dritten Injeetion so matt, dass es kaum mehr ordentlich stehen konnte, bekam dann bisweilen Krämpfe, worauf ich für gut fand, den Versuch zu beenden. Es ist vielleicht auffallend, dass trotz des Übeln Befindens des Thieres während der letzten Stunden doch beträchtliche Mengen Glycogen sich in der Leber vorfanden. Das zweite Glycerinthier (Nr. 4) war bis an sein Ende vollkommen munter. Wie die Tabelle zeigt, schwindet also der Glycogengehalt der Leber bei Einhalten der angegebenen Diät bis auf unwägbare Spuren. Es kann dies wohl als allgemein gelten, da es für das schwerste und kräftigste Thier der Reihe gilt. So erhebliche Mengen Glycogen, wie sie in Folge der Zucker- und Glycerin- injectionen auftraten, sind somit als neugebildet anzusehen, nicht als Rest von vor der Eiweissdiät erworbenem Glycogen. Weiss Zur Ctlycogenbildung in der Leber. 293 meint (p. 4), in Dock’s Versuchen seien durch den Hunger alle leicht verbrennlichen Substanzen verzehrt gewesen, so dass nun- mehr selbst eine schwer verbrennliche Substanz wie Zucker den Sauerstoff an sich und vom Glycogen abzog, welches sich nun in der Leber anhäufte; hiernach müsste man meinen, dass bei nicht ausgehungerten Thieren Zuckerinjeetionen nicht zur Gly- cogenanhäufung führen. Mein Versuch (Nr. 2) aber zeigt, dass dies evident der Fall ist, und dass Zucker, obwohl er nach Sche- remetjewski nicht verbrannt wird, oder nach Weiss doch wenigstens viel schwerer als Glycerin, doch viel reichlichere Glycogenanhäufung bewirkt als letzteres. Vor Allem war jetzt aber dringend geboten, diese so erhal- tenen Glycogene auf ihre Identität zu prüfen, mein Normalgly- cogen mit dem durch Glycerininjectionen erzeugten glycogen- artigen Körper zu vergleichen. Es war dies um so nothwendiger, als von Weiss gar keine Characteristik für sein „Glycogen“ mitgetheilt worden ist. Es wird von ihm einfach angegeben, dass er dieses nach der von Brücke empfohlenen Methode dar- gestellt habe. Dass der dann resultirende Körper stets gewöhn- liches Glycogen sein müsse, wurde von ihm als selbstverständlich angenommen. Es ist mir aber sehr wohl denkbar, dass auf diese Weise verschiedene, allerdings vielleicht verwandte Stoffe als Glycogen figuriren könnten. Glycerin, mit dem Zucker im Bau des Molecüls so nahe verwandt, hätte ja ebenfalls ein An- hydrid bilden können; es hätte ferner in irgend einen Zucker übergehen können, der dann nach der Hypothese der Anhydrid- bildung vielleicht ein besonderes Anhydrid, also ein neues Gly- cogen bilden könnte. Sämmtliche so mögliche Anhydride könnten gewiss in vielen Beziehungen, wie gerade in Bezug auf Löslichkeit resp. Quell- barkeit in verschiedenen Medien sich sehr ähnlich verhalten und dann würde die nach Briicke’s Methode erhaltene Substanz auch irgend einer von diesen angedeuteten Körpern, ebenso gut wie das gewöhnliche Glycogen, sein können. Als Vorversuche gleichsam stellte ich nun mit dem Glycerin- glycogen die bekannten Reactionen auf Glycogen an, und zwar mit positivepa Resultat. Bedenkt man jedoch, wie geringe Mengen Zucker durch Trommer’s Probe noch nachweisbar, wie ent- 294 B. Luchsingor: sprechend noch geringere Mengen Glycogen durch die Jodreaction noch deutlich zu erkennen x), so sieht man, will man sich gegen den Einfluss etwaigen Restglycogens sicher stellen, sich gezwun- gen, eine quantitative Vergleichung beider Glycogene anzustellen. Das Verhalten des Glycogens zum polarisirten Licht dazu zu benutzen, schien mir das Zweckmässigste. Von dem Normal glycogen und dem fraglichen Körper wurde eine Lösung von 5 pCt. hergestellt und 2 Röhren des Circum- polarisationsapparates von Wild damit gefüllt. Die eine (a), 220 Mm. lang, wurde mit Normallösung, die andere (b), 200 Mm. lang, mit der fraglichen Substanz gefüllt. Sieht man durch die gefüllten Röhren, so erblickt man die Gegenstände in tiefem Gelb, die Glycogenlösung als trübes Medium in diesen langen Röhren nur die rothen und gelben Strahlen durch, die andern werden reflectirt oder absorbirt. Das von heller Wolke kommende Licht war zu schwach, um die Interferenzstreifen erkennen zu lassen; richtete man dagegen die Röhren direct gegen die Sonne, so waren die Streifen sehr deutlich zu sehen, ohne dass das Auge merklich geblendet wurde. Die Röhre (a) drehte nun im Mittel von vielen Bestimmungen den polarisirten Strahl um «(a) =-f-1,4, die Röhre (b) um «(b) = —J— 1,3. Nach 4- CA der Formel aj = —, worin a die beobachtete Ablenkung, p der Gehalt von 1 Ccm. Flüssigkeit an eircumpolarisirendem Stoff in Grammen, 1 die Länge der Röhre in Decimetern, aj die spe- cifische Drehung bedeuten, bestimmen sich diese letztem zu in(a) “j=2^W= +127>27° m , h i “J 2,0 - 0,005 + 130°- Es ergibt sich also unzweifelhaft: der durch Glycerin- injectionen erzeugte glycogenartige Körper ist wirk- liches gewöhnliches Glycogen; die specifische Drehung ist rechtseitig und beträgt für gelbes Licht circa 130 °. Bei dieser Versuchsreihe wurden auch noch die Muskeln des Controlthieres auf ihren Gehalt an Glycogen untersucht. 1) Man vergleiche über letztem Punkt: Zur Glycogenbildung in der Leber, von B. Luchsinger, med. stud. Centralbl. f. d. med. Wissensch. 1872. Nr. 9. Zur Glycogenbilduug in der Leber. 295 Es wurde dieses von den beiden starken Brustmuskeln nach Brücke’s Methode bestimmt und gleich 0,817 Grm. gefunden. Es ergibt sich somit: Werden auch längere Zeit (hier 9 Tage)mitderNahrungkeineKoh len hydrateverabreicht, so finden sich bei Hühnern in den Muskeln noch reich- liche Quantitäten Grlycogen, während solches aus der Leber bereits bis auf unwägbare Spuren geschwun- den ist. Das Ergebniss der Glycerininjectionen beim Huhn war nun auch für das Kaninchen zu constatiren. Nachdem die beiden ersten Kaninchen, wohl in Folge zu starker Concentration des Glycerins (es war das eine Mal unverdünntes, das andere Mal eine Lösung von 30 pCt. Glyceringehalt gegeben worden), in kurzer Zeit unter Diarrhöe und Krämpfen verendet waren, wandte ich bei einem dritten Versuche mit 9 Theilen Wasser verdünntes Glycerin au. Versuch Nr. 7. Einem kräftigen Kaninchen, das 5 Tage gehungert, wurde um 6 Uhr Morgens, weiter um 8, 10, 12, 3, 5 Uhr je 50 Ccm. die- ser lOprocentigen Glycerinlösung injicirt, im Ganzen also 30 Ccm. Glycerin gegeben. Erwähnt sei, dass das Thier in den letzten Stunden an heftiger Diarrhöe litt, wodurch es stark herunterkam. Um 7 Uhr Abends wurde das Thier getödtet. Es fanden sich in der Leber 0,778 Grm. Glycogen. Aber auch in den Muskeln zeigte sich Glycogen in reichlicher Menge; leider ist die quantitative Bestimmung verunglückt. Da ich bis jetzt in den Muskeln von Hungerkaninchen, ganz entgegen dem Befund bei Hungerhühnern, nie auch nur Spuren von Glycogen auffinden konnte, so folgt aus unserm Versuche: Durch Glycerininjectionen in den Magen steigt bei Ka- ninchen der Glycogengehalt der Leber sowohl wie der Muskeln. Soll nun Glycerin als Ersparnissmittel wirken, soll Glycogen deshalb in der Leber und in den Muskeln des Hungerthieres nach Glycerininjectionen in den Magen sich mehren, weil Gly- cerin leichter verbrennt als Glycogen und so die Oxydations- processe des Körpers von diesem ablenkt, so müssen offenbar subcutane Glycerininjectionen den nämlichen Erfolg haben, vor- ausgesetzt, solche Injeetionen machen das Thier nicht krank. Versuch Nr. 8. Es wurden einem kräftigen Kaninchen, das 4Tage gehungert, 2 kleine Einschnitte in die Rückenhaut gemacht,j mit einer stumpfen Hohlsonde liess sich dann sehr leicht die Haut vom Zellgewebe 296 Luch singer: abheben und so jederseits unter dieser eine ziemlich geräumige Tasche bilden. Blutungen traten dabei nicht auf. Es wurden nun um 12, 2, 3.30, 5, 6 Uhr abwechselnd bald in die eine, bald in die andere Tasche je 20 Ccm. einer Glycerinlösung von 50 pCt. injicirt; im Ganzen bekam also das Thier 50 Ccm. reines Glycerin. Um 8 Uhr Abends wurde es getödtet. Einen rasch vorübergehenden Krampfanfall, der eine halbe Stunde nach der dritten Injection auftrat, ausgenommen, war das Thier bis zur Tödtung vollkommen munter, durchaus kein Krankheitssymptom war zu bemerken. Es ist sogar bemerkenswert!], dass Kaninchen Glycerin subcutan in viel grösserer Dosis und stärkerer Concentration zu vertragen scheinen als vom Magen aus. Die Resorption war ziemlich rasch vor sich gegangen; dass das Thier isolirt gehalten wurde, sei diesmal noch besonders hervor- gehoben. Die Untersuchung auf Glycogen ergab nun in der Leber nur Spuren, in den Muskeln nicht einmal solche.) Bei der Section fand sich kein Glycerin mehr in den Rückentaschen; das Zellgewebe des Rückens zeigte sich, was aber wohl nicht von grossem Belang, ziemlich stark öde- matös infiltrirt. Der Harn war mehrere Male ausgepresst worden, Trom- m e r’s Probe ergab nie Zucker. Dies Resultat ist jedenfalls vom Standpunkte der Erspar- nisshypothese ein auffallendes. Zum Mindesten hatte man, denke ich, nach diesen subcutanen Injectionen gleichviel Glycogen in Leber und Muskeln erwarten dürfen, wie nach den Injectionen in den Magen resultirte. Eintritt von Krankheit kann hier zudem nicht als Grund für das Fehlen von Glycogen betrachtet werdeu. da das Thier sich sogar jedenfalls bis ans Ende viel besser be- fand, als das Kaninchen, das die Injectionen in den Magen erhielt. Ich versuchte es nun weiter mit andern, als leicht verbrenn- lich angesehenen Stoffen, so mit Fett. Wenn auch schon eine Anzahl älterer Versuche mit Fettdarreichung und negativem Re- sultate existiren, so hielt ich doch wegen des neuen Gesichts- punkts einerseits, der jetzt erst möglichen genügenden Reindar- stellung von Glycogen andrerseits für wünschenswerth, solche Versuche nochmals aufzunehmen. Frische Butter kochte ich, um den Zucker zu entfernen, mehrmals mit grossen Quantitäten Wasser aus, bis das Waschwasser auf kleine Quantität eingeengt, Troramer’s Probe nicht mehr gab. Vor den Injectionen wurde das Fett dann stets auf Körpertemperatur erwärmt, damit es flüssig würde. Versuch Nr. 9. Als Versuchsthier wurde ein Huhn gewählt, das ganz die oben angegebene Diät erhalten. Sein Gewicht betrug am Anfang des Versuohs 1200, am Ende 1165 Grm. Es erhielt 5 Injectionen, um 8, Zur Glycogenbildung in der Leber. 10, 12, 2 und 4 Uhr je 12 Ccm. Um 8 Uhr Abends wurde es getödtet. Es hatte im Ganzen 60 Ccm. Fett erhalten, was auf Kohlenstoff berechnet, mehr denn 100 Grm. Glycerin entsprechen würde*). In der Leber erga- ben sich nur Spuren von Glycogen, wohl aber sah man reichliche Fett- tropfen auf der Oberfläche des ersten Decocts schwimmen, vielleicht mit ein Beweis für die Resorption des Fettes; dass eine solche aber wirklich auch eingetreten war, ergab die Untersuchung des Verdauungsschlauches. In den Muskeln fand sich auch diesmal, wie bei dem Controlthier (Nr. 1) reichlich Glycogen. Mit dem Resultate der Fettfütterung stimmt folgende gele- gentliche Erfahrung. Unter meinen Hühnern fanden sich einige sehr stark gemästete Thiere. Diese wählte ich nun mehrere Male zur Controle. Am Ende der Versuchszeit fanden sich noch reichliche Mengen Fett vor, in der Leber aber nur Spuren von Glycogen, während dieses auch hier in den Muskeln reichlich sich vorfand. Die Thiere besassen offenbar einen reichen Vor- rath von anderem Brennmaterial in sich, hatten sich deshalb aber durchaus Nichts an Glycogen erspart. Nach der Ersparnisshypo- these würde hieraus zu verrauthen sein, dass Glycogen respective Zucker leichter verbrennliche Körper seien als Fett. Versuch Nr. 10. Noch ein anderes Glycerid, die Glycerinphos- phor säure, unterwarf ich dem Versuche. 20 Grm. Calciumsalz wurden einem Hungerkaninchen gegeben. In der Leber zeigten sich nur Spuren von Glycogen. Die. entsprechende Glycerinmenge betrug nun allerdings kaum 9 Grm., so dass ich diesem Versuche kein sehr grosses Gewicht beimessen kann. Eine Wiederholung des Versuchs mit grossem Quantitä- ten ist jedenfalls sehr wünschenswerte Eine andere Gruppe von Versuchen stellte ich mit den Sal- zen organischer Säuren an, von welchen es feststeht, dass sie im Organismus zu kohlensauren Salzen verbrennen. Ich wählte dazu vor Allem diejenige Säure, in welche der Zucker zum Theil wenigstens im Darm zerfällt, welche also nor- mal wohl am meisten eine Glycogenersparung bewirken dürfte — die Milchsäure. Versuch Nr. 11. Ein ziemlich kräftiges Huhn von 1100 Grm. Ge- wicht am Ende des Versuchs bekam um 9, 12, 2 Uhr 30 M. je 40 Ccm. 1) Das in der Fettmenge chemisch enthaltene Glycerinquantum würde etwa 6 Gnn. betragen. Natürlich soll dieser Versuch nicht etwa als Ein- wand gegen die Weiss’sche Deutung der Glycerinversuche gelten, denn mit beiden Ansichten ist es vereinbar, dass Glycerin im freien Zustand zur Glycogenbildung Anlass gibt, in den Glyceriden nicht. 298 li. Luchsinger: einer Lösung von milchsaurem Natron von 30 pCt. Milchsäuregehalt. Ge- gen 4 Uhr trat starke Diarrhöe und zunehmende Schwäche auf. Deshalb wurde es 4 Uhr 15 M. getödtet. Im Ganzen hatte es 36 Grm. Milchsäure erhalten, was nach Kohlenstoffgehalt ungefähr ebenso viel Glycerin ent- spricht. In der Leber fand sich keine Spur von Glycogen. Versuch Nr. 12. Einem starken Kaninchen, das 4 Hungertage hatte, wurden um 6, 8, 10, 12 Uhr je 30 Ccm. einer Lösung von milchsaurem Natron (Milchsäuregehalt 12pCt.) injicirt; gegen 2 Uhr bemerkte ich starke Diarrhöe und grosse Mattigkeit des Thieres, worauf ich für gut fand, es zu tödten. Im Ganzen hatte das Thier nahezu 15 Grm. Milchsäure erhal- ten. In der Leber fanden sich nur unwägbare, durch die Jodreaction aber noch deutlich erkennbare Spuren von Glycogen, in den Muskeln keine Spur. Da die Thiere in erwähnten Versuchen stark herunterkamen, glaubte ich die injicirten Mengen und die Concentration herun- tersetzen zu müssen. Um dann aber doch noch so viel wirksame Substanz geben zu können, dass eine bestimmte Antwort von dem Versuche zu erwarten war, schien mir nothwendig, die Injectiouen auf einen grossem Zeitraum auszudehnen, also einen Tag vor der Tödtung schon mit denselben zu beginnen. Eine solche Ausdeh- nung des Versuchs musste erlaubt sein; sie könnte höchstens, auch abgesehen von der bezweckten grossem Schonung des Thieres, wäre die Ersparnisshypothese richtig, einen günstigem Einfluss auf die Anhäufung von Glycogen ausiiben, da offenbar leicht verbrennliche Molecüle, gleiche Anzahl vorausgesetzt, um so besser vom Organismus ausgenützt werden könnten, je weni- ger auf einmal in der Blutbahn kreisen. Versuch Nr. 13. Einem kräftigen, wie angegeben vorbereiteten Huhn von 1200 Grm. Gewicht am Ende des Versuchs wurden um 12, 2, 4, 6 Uhr des ersten Tages, dann um 7, 8 Uhr 30 Min., 11, 12 Uhr 30 M., 2, 3 Uhr 30 M. je 20 Ccm. einer Lösung von milchsaurem Natron von 10 pCt. Milchsäuregehalt injicirt, im Ganzen also 20 Grm. Milchsäure. Gegen 12 Uhr Mittags des zweiten Tages trat stärkere Diarrhöe ein, gegen 4 Uhr bedeutende Mattigkeit, weshalb dann der Versuch beendet wurde. In der Leber fanden sich nur Spuren von Glycogen, in den Muskeln dagegen noch reichliche Mengen. Diese Versuche hatten sämmtlich, wie man sieht, das unbe- friedigende, dass die Thiere ziemlich stark herunterkamen. Fand sich dann kein Glycogen, so konnte man nach einer beliebten Redensart die eintretende Krankheit als Ursache dieses Mangels beschuldigen (vgl. übrigens oben Versuch 3). Ich versuchte es deshalb noch mit einer andern Säure, mit der Wein stein säure. Ich gab auch diese als Natronsalz in einer Lösung von lOpCt. Säure. Zur Glycogenbildung in der Leber. 299 Versuch Nr. 13. Ein kräftiges Huhn von 1150 Grm. Gewicht am Ende des Versuchs erhielt (auch hier zog ich vor, die Zeit der Injection auszudehnen), um 12, 2, 4, 6 Uhr, dann den zweiten Tag um 7, 8. 30, 11, 12.30, 2, 3.30, 5, 6 Uhr Injectionen zu je 30 Ccm., im Ganzen somit 360 Ccm., was 36 Grm. Weinsäure, oder nach Kohlenstoffgehalt berechnet, 30 Grm. Glycerin entspricht. Geringe, in der letzten Zeit erst stärker wer- dende Diarrhöe ausgenommen, war das Thier bis zu Ende völlig munter geblieben. Alle Zeichen von Mattigkeit, die so constant schliesslich bei den Milchsäurethieren auftraten, blieben hier gänzlich fern. Um 8 Uhr wurde das Thier getödtet. Während Glycogen sich auch diesmal noch in beträchtlicher Menge in den Muskeln vorfand, zeigten sich in der Leber nur unbedeutende, durch die Jodreaction eben deutlich erkennbare Spu- ren, ein Resultat, das entschieden zu Ungunsten der Ersparnisshypothese spricht. Dies meine Versuche mit leichter oxydabeln Molecülen; sie bezweckten zu untersuchen, ob im Sinne der Ersparnisshypothese durch Beschlagnahme von Sauerstoff eine Anhäufung von Gly- cogen bewirkt werden könnte. Ziemlich gleichzeitig betrat ich aber noch einen andern Weg, die Frage zur Entscheidung zu bringen. Jetzt von der Hypothese der Anhydridbildung ausge- hend, versuchte ich, ob nicht andere Zuckerarten andere Glyco- gene liefern, welche sich dann wieder durch saccharificirende Fermente in ihre Generatoren spalten Hessen. Leider aber wa- ren mir bis jetzt nur wenige andere Zuckerarten in genügender Menge zugänglich, es sind dies: Mannit, Milchzucker und Frucht- zucker. Die Versuche mit Mannit (Nr. 14,15 u. 16), am Huhn und Kaninchen unternommen, führten zu keinem befriedigenden Re- sultate. Nur soviel steht fest, gewöhnliches Glycogen bildet sich nicht und ein anderes Glycogen ist wenigstens nach Briicke’s Methode auch nicht zu entdecken. Versuch Nr. 17. Der Injectionsstoff war hier käuflicher Milch- zucker, der mit der Gährungsprobe auf Traubenzucker geprüft, sich frei davon bewies. Einem Kaninchen, das 5 Tage gehungert, wurde eine Lö- sung von 15 pCt. Milchzuckergehalt um 8, 11, 2, 4 Uhr zu je 50 Ccm. injicirt, im Ganzen also 30 Grm. Milchzucker. Das Thier befand sich bis ans Ende, das 7 Uhr Abends gesetzt wurde, wohl. In der Leber fanden sich 0,32 Grm. Glycogen, eine ziemlich geringe Menge, ein Resultat, das vielleicht gerade in dem leichtern Zerfall dieses Zuckers in Milchsäure sei- nen Grund haben dürfte. (Auch in den Muskeln waren diesmal geringe MengenGlycogen durch die Jodreaction nachweisbar.) Eine genauere Untersuchung über das Verhalten dieses Zuckers, 300 B. Luch singer: sowie dessen Spaltungsproduetes — der Galactose — zur Glyco- genbildung wird zu meinen nächsten Aufgaben gehören; es wird dann auch eine quantitative Vergleichung des resultirenden Gly- cogens mit dem Normalglycogen vorzunehmen sein, von welchem es sich durch qualitative Reactionen nicht unterscheiden Hess. Weiter machte ich Versuche mit Fruchtzucker. Es ist dieser Zucker von gleicher Elementarzusammensetzung wie der Traubenzucker, scheint aber wesentlich andere Gruppirung der Atome im Molecül zu haben, wie seine linkseitige Circumpolari- sation andeutet. Ich war nun sehr begierig zu sehen, ob wohl dieser linksdrehende Zucker ein anderes Glycogen liefere, wel- ches sich durch saccharificirende Fermente wieder in seinen linksdrehenden Generator spalten Hesse. Der Fruchtzucker als solcher lässt sich schwer beschaffen. Ich wählte deshalb zu dem Versuche Inulin, ein Anhydrid des- selben. Durch Vorversuche überzeugte ich mich, dass mein Inulin (aus dem Laboratorium von Merck bezogen) sehr leicht durch Säuren, Speichel, ja schon durch blosses längeres Kochen in Kupferoxyd reducirenden Zucker übergeht. Dieses Spaltungspro- duct war wie Inulin selbst stark linksdrehend. Das Inulin ist in Wasser bei einer Temperatur von c. 500 leicht löslich. Bei dieser Temperatur wurde es in 5 Theilen Wasser gelöst und die auf Körpertemperatur erkaltete Masse als dünner Brei zu den Injectionen benutzt. Versuch Nr. 18. Einem Kaninchen mittlerer Grösse, das 6 Tage gehungert, wurden um 6, 8, 10, 12, 2, 4 Uhr je 30 Ccm. injicirt. Das Thier erhielt so im Ganzen c. 40 Gnu. Inulin. Es war die ganze Zeit über voll- kommen munter, um 6 Uhr wurde es getödtet. t Es fanden sich in der Leber 0,53 Grm. giycogenartiger Substanz, auch in den Muskeln erhebliche Mengen. Zur Vergleichung mit unserm Normalglycogen wurde auch dieser glycogenartige Körper auf sein Verhalten gegen den po- larisirten Strahl geprüft. Sein Drehvermögen war rechtsseitig und wurde zu -f- 1400 bestimmt. Unser Normalglycogen hatte ein specifisches Dreh vermögen von circa 130 °. Bedenkt man aber, dass an unserm Apparate die Einheiten nur in 5 Theile getheilt sind, die Zahl 1,3, woraus die specifi- sche Drehung 1300 berechnet wurde, also gar nicht abzulesen, sondern nur als Mitte zwischen 1,2 und 1,4 zu schätzen war, Zur Glycogenbildung in der Leber. 301 bedenkt man ferner, wie kleine Aenderungen in den beobachteten Zahlen hier Dank der so starken Verdünnung der Lösung schon beträchtliche Ausschläge im Schlussresultat hervorrufen müssen, so zeugt dies Ergebniss zur Genüge von der Identität der beiden Glycogene. Zum Ueberfluss wurde noch eine Quantität dieses Glycogens durch Kochen mit verdünnter Salzsäure in Zucker ttbergeftihrt. Auch dessen speeifische Drehung fand sich positiv. Vom Standpuncte der Ersparnisshypothese war dies Resultat vorauszusehen. Allein es entscheidet durchaus Nichts zu deren Gunsten gegen die Hypothese der Anhydridbildung. Denn es kann ja sehr wohl sein, dass das aus verschiedenen Ingredienzen sich aufbauende Glycogen nicht immer nur durch blosse Anhy- dridbildung entsteht, sondern dies einzig für sein directes Spal- tungsproduct, für den Traubenzucker, der Fall ist. Dieser selbst aber könnte sich ja möglicherweise auch aus anderen Stoffen aufbauen, sehr wohl wäre eine Umwandlung verschiedener Zucker- arten in Traubenzucker im Organismus denkbar. In den inulin- haltenden Pflanzen wird die assimilirte Stärke als Inulin abge- lagert und mit Beginn der Keimung, bevor noch Assimilations- organe existiren, tritt wieder Stärke als Material »zur Bildung junger Zellhäute unter Schwinden des Inulins auf (vgl. Sachs, Experimentalphysiologie der Pflanzen pag. 376 u. flgd.). In diesen Fällen ist aber die wechselseitige Umwandlung von Stärke und Inulin nur möglich durch eine entsprechende Umwandlung ihrer Vorstufen des rechtsdrehenden Traubenzuckers und des linksdrehenden Fruchtzuckers. Die Annahme, dass sich auch im thierischen Organismus linksdrehender Fruchtzucker in rechts- drehenden Traubenzucker umsetzt und so mittelbar Glycogen durch Synthese erzeugt, ist somit eine berechtigte; sie findet in anerkannten Thatsachen ihre Analogien. Fassen wir am Schlüsse dieser Mittheilungen unsere Resul- tate zusammen, so ergibt sich, dass, Glycerin ausgenommen, nur solche Substanzen den Glycogengehalt der Leber zu steigern vermochten, die selbst zur Gruppe der Kohlenhydrate gehören, Injectionen anderer, leicht verbrennlicher Molecüle aber ohne Erfolge waren. Angesichts dieser Ergebnisse liegt es nahe, die Beziehungen von Glycerin zu den Kohlenhydraten, speciell zu 302 B. Luchsinger: Zucker näher zu studiren, insbesondere zuzusehen, ob eine Um- wandlung von Glycerin in Zucker wirklich so unwahrscheinlich sei, wie Weiss dies am Schlüsse seiner Abhandlung hinzustellen sucht. Dass dieser hierbei so mancher einschlägigen Angaben, die darüber bereits in der Literatur sich vorfinden, mit keinem Worte gedenkt, war mir überraschend. Abgesehen von der chemisch sogar sehr ähnlichen Structur finden sich mehrere Thatsachen, die einer Umwandlung von Glycerin in Zucker in Organismen einen bedeutenden Grad von Wahrscheinlichkeit zu verleihen ver- mögen, wenn es gleich bis jetzt noch nicht hat glücken wollen, den Process im Laboratorium durchzuführen. (Ich erinnere hier- bei an die Arbeiten von van Deen, Huppert, Perls.) In den Samen der meisten Pflanzen findet sich Stärke als Baumittel für die Zellhäute des keimenden Pflänzchens. Einige aber besitzen offenbar als Aequivalent dafür reichliche Mengen fette Oele, und erst mit Beginn der Keimung vor Entwicklung der Assimilationsorgane treten Stärke und Zucker auf unter Schwinden des Fettes. Es ist nun sehr wahrscheinlich, dass das Fett während der Keimung sich spaltet, Glycerin zur Bil- dung der chemisch so ähnlich gebauten Kohlenhydrate verwendet wird, die Fettsäuren aber vielleicht zum Aufbau von Eiweiss- körpern, in deren Molecül sie ja existiren, beitragen. Weiter will ich an die Versuche von Berthelot *) erinnern, der Zucker- bildung bei Contaet von Glycerin mit frischer Hodensubstanz beobachtete. Diese Versuche erleiden allerdings etwas Einbusse an Beweiskraft, seit von Kühne Glycogen im Hoden nachge- wiesen ist2). Das Glycogen, dessen leichter Uebergang in Zucker in absterbenden Geweben bekannt ist, hätte so aber wohl nur einmal Zuckerbildung aus Glycerin Vortäuschen können; bedenkt man aber, dass nach Berthelot’s Angaben der nämliche Ver- such mehrmals mit dem gleichen Erfolg mit der gleichen Ho- densubstanz hat angestellt werden können, wobei sorgfältigstes 1) Ann. de Chim. et. Phys. [3] L. p. 346. 2) Gegenüber den Angaben von Treskln (Pflüger’s Arch. Bd. V, p. 122—130) kann ich bemerken, dass ich in Hoden von Sommerfröschen stets Glycogen habe nachweisen können (Winterfrösche habe ich noch nicht darauf untersucht); auch im Hoden gut genährter Hunde ist mir der Nach- weis mehrere Male geglückt, in einigen andern Fällen allerdings erhielt ich negative Resultate. Zur Glycogenbildung in der Leber. 303 Auswaschen der Hoden Substanz sich dann wohl von selbst ver- stand, so ist es, bis weitere genauere Versuche, denen ich mich in nächster Zeit zu unterziehen gedenke, anderes lehren, wohl noch gestattet, auch mit diesem Versuch auf die Möglichkeit einer Umwandlung von Glycerin in Zucker hinzuweisen. End- lich muss ich Weiss an die unbezweifelte Angabe Pasteur’s erinnern, dass bei der Zuckergährung sehr erhebliche Mengen Glycerin entstehen, also ein chemischer Zusammenhang beider Körper in umgekehrter Reihenfolge sicher existirt. Unterstützt von Wahrscheinlichkeiten solcher Art möchte ich nun auf Grund meiner Versuche mit leicht oxydabeln Molecülen behaupten: das Glycerin vermehrt den Glycogengehalt der Leber nicht, weil es leicht verbrennt und so Gly- cogen erspart, sondern weil es, zum Theil wenigstens der Oxydation entrinnend, im Körper ein Organ er- reicht, das seine Umbildung in Zucker ermöglicht. Nach der Hypothese der Anhydridbildung wäre dann Glycogen das vorläufige Endproduct dieser Umwandlung. Den Ort dieses Processes möchte ich in die Leber verlegen. Die entgegenge- haltene schnelle Verbrennlichkeit von Glycerin in der Blutbahn kann kein ernstlicher Einwand sein. Denn bedenkt man, wie beträchtliche Mengen Glycerin bei denVersuchen verwendet wer- den, dann ist wohl einleuchtend, dass ein Theil davon auf dem kurzen Wege vom Darm zur Leber noch dazu in dem venösen Pfortaderblute der Sauerstoffzehrung entrinnen kann. Dass ge- rade die Leber die Glycerinumwandlung besorgt und das Pfort- aderblut ein sicheres Transportmittel dahin abgibt, dafür scheint mir gerade mein Versuch mit den subcutanen Glyeerininjectionen zu sprechen. Ich glaube demnach auf Grund meiner Versuche mich für die Annahme einer directen Entstehung von Glycogen aus zuge- führten Kohlenhydraten und Glycerin aussprechen zu müssen. Diese Annahme steht mit keiner bekannten Thatsache in Wider- spruch, während die Ersparnisshypothese nicht zu erklären ver- mag, warum die Einführung von milchsauren und weinsauren Alkalien und subcutane Beibringung von Glycerin keinen Glyco- gengehalt der Leber zur Folge hat, und warum Zucker, dessen Verbrennlichkeit durchaus zweifelhaft ist, auch bei gut genährten Thieren stärkere Glycogenanhäufung bewirkt, als das leicht ver- 304 B. Luchsinger. brennliche Glycerin. Vielleicht der bedeutendste Einwand aber, den man der Ersparnisshypothese machen kann, betrifft die ihr stillschweigend zu Grunde liegende Annahme, dass der Organis- mus über ein bestimmtes ziemlich unveränderliches Sauerstoff- quantum zu verfügen hat und zugleich dasselbe irgendwie zu Verbrennungen verbrauchen muss, wobei die am leichtesten ver- brennlichen Substanzen zuerst an die Reihe kommen. Ich möchte Weiss fragen, auf welche physiologischen Thatsachen er diese Annahme stützen will. Mir scheint im Gegentheil aus Allem hervorzugehen, dass der Umfang der Verbrennungen durch die Functionen und die im Organismus anwesenden Substanzen be- dingt ist, und dass immer reichlich Sauerstoff zu Gebote steht und überschüssiger Sauerstoff selbst im Venenblute noch vorhan- den ist. Dass eine ähnliche Ersparnisshypothese schon früher zur Erklärung des Fettansatzes durch Kohlenhydratzufuhr auf- gestellt worden ist, gibt dieser Vorstellung keine grössere Be- rechtigung. Mir scheint, Weiss müsste in dieser Vorstellung grössere Schwierigkeit finden, als er, wie er, übrigens ohne Motivirung, angibt (pag. 3), in der Glycogenbildung aus Zucker gefunden hat, und selbst als in der Annahme einer Glycogen- bildung aus Glycerin, die aus seinen, übrigens höchst dankens- werthen Versuchen zunächst zu vermuthen ist. In mehreren Punkten betrachte ich diese Mittheilung meiner Versuche nur als eine vorläufige. Weitere Versuche, die Frage einer sichern Entscheidung entgegenzuführen, werde ich in näch- ster Zeit aufnehmen. Dass ich jetzt schon diese noch fragmen- tarischen Ergebnisse der Oeffentlichkeit übergebe, mag durch die rege Aufmerksamkeit entschuldigt werden, deren sich gerade jetzt wieder diese Frage erfreut. Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Hermann, hier meinen aufrichti- gen Dank für so manchen geleisteten Rath auszusprechen. Zürich, im September 1873.