MELMGES BIOLOGIQUES TIRES Dü BULLETIM DE L’ACADEMIE IMPERIALE QES SCIENCES DE ST.-PETERSBOURG. TOME VII. 24 März , ß7n 5 April lö70‘ Über den Nervus Depressor beim Pferde, von Dr. E. Cyon. (Mit einer Tafel.) Bei Gelegenheit einer Vivisection am Pferde wollte ich untersuchen, ob Pferde auch einen gesonderten Nervus clepressor besitzen. Ich habe diese Untersu- chung ausgeführt und will hier das Ergebniss dersel- ben mittheilen. Ein sonst gesundes Pferd wurde in der Seitenlage befestigt. Durch einen Schnitt am Halse wurde die Vena jugularis freigelegt. Ich wollte das Pferd mit Curare vergiften und den Versuch während der Nar- cose ausführen. Mein Apparat für künstliche Inspi- ration hat sich aber als zu klein erwiesen, um die Pferdelungen mit genügender Quantität Luft zu ver- sorgen. Ich musste daher zu einem anderen Mittel greifen und benutzte als solches eine Chlorallösung. Ich spritzte in die Vena jugularis 10 Gramm Chloral ein, da aber dieselben keine Wirkung zu erzeugen schienen, und das Thier fortfuhr heftige Bewegungen zu machen, so verdoppelte ich die schon eingespritzte Menge. Im Ganzen bekam also das Thier 20 Graimif Chloral. Gleich nach der zweiten Einspritzung wird 460 das Thier ruhiger; die Narcose ist zwar nicht vollstän- dig, aber die heftigen Bewegungen haben aufgehört und treten nur noch bei Reizung der Nerven ein. Darauf schritt ich zur Präparation der Carotis und der Nerven. Ich fand neben der Carotis drei ziemlich starke Ner- venstämme, und es handelte sich nun darum, deren Na- tur zu erkennen. Der Vagus konnte leicht durch seine bedeutendere Stärke erkannt werden. In den anderen zwei Nerven von fast gleicher Stärke vermuthete ich den N. dcpressor und den Sympathicus. Ich unter- band diese beiden Nerven und durchschnitt den etwas stärkeren. Die gleich darauf eintretende starke Tem- peraturerhöhung der entsprechenden Kopfhälfte zeigte mir sogleich an, dass ich den Halssympathicus durch- schnitten habe. Die Gefässe des Ohres und des Auges erweiterten sich sehr stark. Nuii setzte ich die Carotis in Verbindung mit einem am Kymographion befestigten Manometer und liess einige Zeit die Pulsschläge auf der Trommel auf- zeichnen. Der Blutdruck war ziemlich gering, 150 — 160 Mm., eine Erscheinung, die ich in allen Fällen von Chlbralnarcose beobachtet habe. Die Zahl der Herzschläge war 34 in der Minute. Die systolische Erhebung jedes Herzschlages betrug mit grosser Re- gelmässigkeit 12 Mm. Nachdem der Druck einige Zeit aufgezeichnet wor- den, tetanisirte ich das centrale Ende des dritten Nerven. Die sofort eingetretene beträchtliche Sen- kung des Blutdrucks zeigte mir an, dass ich wirklich den Depressor auf den Electroden hatte. Gleichzeitig mit dem Sinken des Blutdrucks verlangsamte sich auch die Zahl der Herzschläge und die systolische 461 Erhebung jedes einzelnen Schlages verminderte sich mehr als um die Hälfte. Das Sinken des Blutdrucks war so beträchtlich, wie ich es noch bei keinem Thiere in solchem Falle beobachtet habe. Von 150 Mm. sank der Blutdruck auf 20 —15 Mm. Das Sinken dauerte während der ganzen Beizung und ging in eine Drucksteigerung über, sobald ich die Reizung unterbrochen hatte. Ausser dieser ganz ausserordentlichen Drucksen- kung war bei diesem Versuche noch die relativ ge- ringe Empfindlichkeit des N. depressor auffallend. Während die leiseste Berührung des Vagus ziemlich heftige Bewegungen des Thieres veranlasste, blieb dasselbe bei Reizung des Depressor ziemlich ruhig. Ich füge hier eine Zeichnung der Nerven bei, welche ich später an demselben Pferde herauspräparirt habe. Wie man sieht, hat der Nervus depressor beim Pferde einen Ursprung, der mit dem beim Kaninchen viel Ähnlichkeit besitzt. Auch beim Pferde erhält der Depressor zwei Wurzeln, die eine vom Laryngeus Su- perior, die zweite vom Vagus. Er erhält aber, auch mehrere Nervenfäden von einem Nerven (A der Tafel), welcher nach unten in den Vagus endet und etwas oberhalb mit dem Ganglion cervicale supremum ana- stomisirt. Woher dieser Nerv stammt, konnte ich nicht ermitteln, da ich das Thier oberhalb des Gan- glion cervicale decapitirt habe. Jedenfalls sind die Verbindungen dieses Nerven höchst interessant, und beabsichtige ich, nächstens denselben einer Prüfung am lebenden Thiere zu unterwerfen. Nicht minder interessant ist das Nervennetz, wel- ches vom Ganglion cervicale supremum, entstammt 462 und, die Art. carotis umgreifend, in die Wandung der- selben eintritt, und zwar meistens in der Richtung nach unten. Auch diese Nerven sollen nächstens einer experimentellen Prüfung unterworfen werden. Erklärung der Tafel. Fig. I. Die Halsnerven des Pferdes frisch präpa- rirt; nur der die Carotis versorgende Plexus etwas mit Essigsäure behandelt. Fig. II. Der Ursprung des Depressor, nachdem das Präparat längere Zeit in Essigsäure gelegen hat. A— ein unbekannter Ast des N. Vagus; B = N. Largn- geus sup.; a, b und c — Die Wurzeln des N. Depres- sor; D — N. Vagus; E = ggl. cervicale; F = Art. Carotis; G = N. Sympathicus. (Aus dem Bulletin, T. XV, pag. 261 — 263.) Gedruckt auf Verfügung der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften. Im Juni 1870. K. Wesselowski, beständiger Secretair. Buchdruckerei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Wass.-Ostr., 9. Linie, JYü 12.) Melanies Mologiques TI.. itjon:Üier llems lepressoiTflele. Jvanson scutp.