Aus dem I.Xl. Bde. d. Sitzb. d. k Akad. d. Wissensch. II. Abth. Jän.-Heft. Jahrg. 1870. Über den Stickstoffgehalt des Fleisches. Von Di\ S. L. Schenk, Assistent und Docent an der Wiener Universität. (Vorgelegt in der Sitzung am 13. Jänner 1870.) Unter den stickstoffhaltigen Körpern, w elche wir als Einnahmen bei den Stoffw echselversuchen benützen, ist das Fleisch als eines der vorzüglichsten Mittel zu betrachten. Einerseits darum, weil der Stickstoffgehalt desselben innerhalb gewisser Grenzen constant ist, andererseits, weil die Versuchstiere (Hunde) längere Zeit ohne Beeinträchtigung ihrer Functionen bei ausschließlicher Fleischnah- rung bestehen können. Dieses bestimmte die Forscher auf dem Gebiete des Stoff- wechsels eine Reihe von Analysen des Fleisches vorzunehmen, um den Stickstoffgehalt desselben zu ermitteln und festzustellen. Um so mehr steigerte sich das Bedürfniß, eine bestimmte Stick- stoffgröße des Fleisches zu kennen, als man in Erfahrung gebracht hat, daß ein Deficit von Stickstoff in den Ausscheidungen als Fleisch- ansatz, und ein Mehr als Verbrauch von Fleisch respective eiweiß- artiger Substanz des Körpers zu betrachten ist. Die Zahlen, welche uns bekannt sind, variiren um 0-1 bis 0-7 Grm. Stickstoff auf 100 Grm. feuchter Substanz berechnet. So finden wir bei Bisehoff1) die Analysen von W. Mayer an- geführt, der im trockenen Fleische 12-05 Pct. N auf feuchte Sub- stanz berechnet 3-01 Pct. N gefunden hat. Das von W. Mayer analysirte Fleisch war ein gutes frisches Kuhfleisch, von dem Fett und Knochen abpräparirt waren. Bidder und Schmidts) fanden für das frische Rindfleisch 3-68 Pct. bis 3-15 Pct. Stickstoff in der feuchten Substanz, in der trockenen zwischen 12-38 Pct. und 1) Bisehoff. Harnstoff als Maaß des Stoffwechsels. Giessen 1853. 2) Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. 1852, S. 301. Schenk. 12-45 Pct. N. Playfair und Boeckmann *) geben im Mittel im trockenen Fleische 15-03 Pct. im frischen 3-78 Pct. Stickstoff an. Grouvens) theilt vier Analysen vom frischen Fleische mit, die unter einander um einige Zehntelgramme differiren. Die Zahlen aus seinen Analysen sind folgende: 3-52, 3-46, 3-51, 3-17 Pct. — Hundefleisch wurde von Will 8) analysirt und der Slickstoffgelialt desselben 3-46 Pct. bis 3-55 Pct. gefunden. VV. Mayer4) gibt hingegen den Stickstoffgehalt des llundefleisches auf 3-05 Pct. an. Voit5) kam im Allgemeinen dahin, hei der Zahl 3-4 Pct. N zu bleiben wie wohl er zugibt, daß man den Stickstoff- gelialt des Fleisches nicht genau angeben kann, und man bei dieser von ihm gewählten Stickstoffgrüße auf Schwankungen von 0-3 Grm. Stickstoff auf 100 Grm. Fleisch gefaßt sein muß. Die Stickstoffhestim- mungen des Fleisches sind zumeist nach der Methode von Will- Warrentrapp ausgeführt worden, wahrscheinlich deshalb, weil diese Methode bequemer als die von Dumas auszuführen ist, zu- gleich aber bezüglich ihrer Verläßlichkeit dieser nicht nachsteht. Sowohl die vorausgegangenen Angaben über den Stickstoff- gehalt des Fleisches, die von einander nicht unbeträchtlich ver- schieden sind, als auch die von Voit gewählte Mittelzahl, bestimmten mich, eine Reihe von Verbrennungen des Fleisches vorzunehmen, um den procentischen Stickstoffgehalt desselben wo möglich genauer festzustellen. Nun wird aber das Fleisch verschiedener Thiere als Futter benutzt, und wenn nicht aller Stickstoff des genommenen Fleisches in den Ausscheidungen (im Harne und Kothe) erscheint, so wird das Deficit als Fleischansatz am Versuchstiere berechnet. Dem zufolge habe ich das Fleisch verschiedener Thiere mit Natronkalk verbrannt, und so den Stickstoffgehalt desselben ermittelt, um zu sehen ob denn überhaupt eine solche Umrechnung zulässig ist, ob der Stickstoffgehalt des verfutterten Fleisches dem Stick- stolfgehalte des Fleisches am Versuchstiere entspricht. i) Liebig, Zoochemie, S. 324. a) Physiologisch chemische Fütterungsversuche. 1864. s) Zeitschrift für Biologie I. Ud., S. 98. 4) L. c. 5) Zeitschrift für Biologie I. Bd.« S. 99. Über den Stickstoffgehalt des Fleisches. 3 Die Resultate meiner Analysen theile ich in folgenden Tabellen mit »)• Fleisch vom Nr. Trockene Sub- stanz zur Ver- brennung in Grammen Entspricht feuchter Sub- stanz in Gram- men Liefert Stick- stoff bei der Verbrennung in Grammen Proctgehalt an Stick- stoff in Grammen für feuchte Substanz für trock. Substanz [ 1 0-563 1-887 0 062 3-3 11-0 2 0-562 2-036 0-068 3-34 12-1 •s ) 3 0-528 1-942 0-067 3-45 12-6 2 1 4 1-099 4-006 0154 3-84 1401 5 1-123 3-492 0-122 3-49 10-68 l 6 1-046 3-732 0-132 3-69 1319 I. Diese Tabelle zeigt uns an, daß die Zahlen des Stickstoffgehaltes auf feuchte Substanz berechnet bis 0-4 Theile Stickstoff auf 100 Theile Fleisch von einander abweichen. Das arithmetische Mittel der vorletzten Columne ist 3-52. Man könnte glauben, daß das Fleisch von verschiedenen Rin- dern einen verschiedenen Stickstoffgehalt liefere, und daß dies nicht der Fall wäre, wenn wir das Fleisch von einem und demselbenThiere nehmen würden. Dem widersprechen die Versuche 4 und 5, wozu das Fleisch von einem Thiere und die zu verbrennende Substanz für beide Analysen aus einem und demselben Stücke genommen wurde. Demnach zeigt das Resultat, daß beide von einander um 0-39Grm. Stickstoff differiren. Die Ursache dieser Differenz kann nicht als ein Fehler der Verbrennung angesehen werden, da die Verbrennung sowohl in dem einen (Nr. 4) als dem anderen (Nr. 3) Falle mit der nöthigen Vor- sicht gemacht wurde. Da aber die Differenzen auch in den anderen Versuchen auffallen, so muß man sich nach der Ursache dieser Dif- ferenzen anderweitig als in unrichtig gelieferten Angaben oder in Verbrennungsfehlern umsehen. l) Das Fleisch ward frisch vom Metzger geholt , und da beim Transporte ein Theil des Wassers verdunsten konnte, so habe ich mich entschlossen den Wassergehalt des Fleisches nicht anzugeben. 4 Sclie n k. Bevor wir aber die Ursache dieser Differenzen eruiren, wollen wir die Zahlen, welche wir aus den Analysen des Fleisches anderer Thiere und des Menschen gewonnen haben, mittheilen. II. Fleisch vom Nr. Trockene Sub- stanz zur Ver- brennung' in Grammen Ist gleich feuchter in Grammen Liefert Stick- stoff bei der Verbrennung in Grammen Proctgehalt an Stick- stoff in Grammen in feuchter Substanz in trocke- ner Subst. 1 0-736 2 662 0 082 31 1114 2 0-619 2-338 0-076 3-25 12-27 ( 1 0-586 1-905 0 061 3-20 10-4 Kaninchen < 2 0-401 1-432 0-050 3-5 12-4 ( 1 0-831 3-589 0113 3-14 13 27 Hunde < 2 0-484 2 055 0-063 3-06 13-2 ( 3 0-453 1 -906 0 066 3-46 14-6 Menschen < 1 0-539 1-427 0-052 3-50 15-4 ( 2 0-481 1 • 589 0 067 4-21 13-93 Hieraus ersehen wir, daß das Fleisch verschiedener Thiere nicht ganz gleich zusammengesetzt zu sein scheint, da wir Schwan- kungen von O-l Grm. bis über 1 Grm. aut 100 Grm. feuchter Substanz haben. Jedoch kommen diese Schwankungen nicht nur bei dem Fleische verschiedener Thiere so auffällig vor, sondern hei den drei Versuchen vom Hundefleische, welche aus einem Stücke genommen sind, finden wir Differenzen von 0 06 bis 0-46 Grm. auf 100 Grm. Substanz. Diese Zahlen sind schon bedeutend genug, um zu zeigen, daß die Substanz ziemlich variable Größen von Stickstoff hei der Verbrennung liefert. Die größte Stickstoffmenge gibt uns das Fleisch des Menschen, indem wir es hier sogar auf 4 2 Pct. N gebracht haben. Wenn wir hier noch 3*4 Pct. N als Mittelzahl annehmen, so würde offenbar durch diese Größe hei einer Verfutterung von 1000 Grm. Fleisch ein so bedeutender Fehler begangen werden, daß man in die Gesetze über den Stickstoffkreislauf’ im Organismus keine Einsicht erlangen könnte. Über den Stickstoffgehalt des Fleisches. Das zur Verbrennung benützte Fleisch vom Menschen, welches ziemlich sehnig war, ward hei Gelegenheit einer Amputation eines Beines in Folge größerer Zerstörungen desselben, vom Oberschenkel genommen und konnte nicht ganz frei von Bindegewebe gemacht werden. Es scheint also bei der Verbrennung der gewählten Partien eine besonders reich an Bindegewebe gewesen zu sein, und diese wird auch einen größeren Stickstoflgehalt als die bisher analysirten Fleischpartien geliefert haben. Die Mittel für den Stickstoffgehalt auf feuchte Substanz be- rechnet sind nach obigen Tabellen (I. II.) folgende: Rindfleisch =3*52 Pferdefleisch =3*17 Kaninchenfleisch =3-35 Hundefleisch =3-22 Menschenfleisch == 3 • 85. Wenn diese aus wenigen Analysen berechneten Mittelzahlen an und für sich einen untergeordneten Werth haben, so geben sie uns andererseits eben so wenig wie die directen Resultate der Analysen ein Recht, bei erfolgtem Fleischansatze den Stickstoflgehalt des angesetzten Fleisches ohne Weiteres dem des Futterfleisches gleichzusetzen. Noch mehr hinderlich aber sind uns bei allen StofT- wechselversuchen die großen Verschiedenheiten, welche wir im Stick- stoffgehalte verschiedener Fleischproben von einem und demselben Thiere gefunden haben. Suchen wir deshalb die Ursachen derselben auf. Es wären zunächst die Aschenbestandtheile des Fleisches zu berücksichtigen. Mit dem vermehrten Auftreten derselben könnte der Stickstoflgehalt des Fleisches vermindert sein und der umgekehrte Fall würde eintreten, wenn die Aschenbestandtheile vermindert wären. Aus den quantitativen Bestimmungen der Aschenbestandtheile des Fleisches geht hervor (Voit1)» daß dieselben l-0o Pct. bis 1*13 Pct. im frischen Fleische betragen. Daß solche Schwankungen J) Voit Zeitschrift für Biologie, I. Bd, Schenk. den Stickstoffgehalt des Fleisches nicht wesentlich beeinträchtigen, ist von selbst einleuchtend. Nächst den Aschenbestandtheilen kommt der Fettgehalt des Fleisches in Betracht. Da die Vermehrung des Fettes von so vielen Umständen ab- hängig ist, so dürften hierdurch öfters Schwankungen des Stick- stoffes im Fleische bedingt werden, zumal nicht nur eine Fettan- häufung zwischen den einzelnen Muskelfaserbündeln, sondern auch eine Verfettung der einzelnen Muskelfasern nicht selten vorkömmt. Bischoff und Voiti) geben den Fettgehalt im Fleische durchschnittlich auf 1 Pct. an. Moleschatt 2) gibt den Fettgehalt bei Säugethieren 37-15, bei Vögeln 19-46, bei Fischen 45-97 auf 1000 Theile an. Bei den bisherigen Untersuchungen über den Stoffwechsel kommt zumeist das Fleisch der Säugethiere in Betracht. DerFettgehalt des Letzteren ist offenbar nach den Untersuchungen von Moleschott größer als von Bischoff und Voit angegeben wird. Diese Verschiedenheit in den Angaben würde ich dadurch erklären, daß Moleschott beliebige Fleischstücke zur Fettbestimmung genommen hat, während B. und V. (1. c.) das Fleischstück, welches zur Fettbestimmung verwendet wurde von den größeren Bindegewebs- und Fettpartien sorgfältig befreit zu haben scheinen. Von den Fettbestimmungen, die ich gemacht und in folgender Tabelle zusammengestellt habe, sind die Objecte der drei ersten (1, 2, 3) von den größeren Bindegewebs- und Fettzügen, so weit es mit freiem Auge möglich ist, befreit, was bei den drei letzten (4, 5, 6) nicht geschehen ist. Fleisch vom Rinde 1) 0 • 7o/0 Fett 4) 4-280o/o Fett 2) 10 „ 5) 3-321 3) 1-3 „ 6) 5-060 Man ersieht aus diesen Zahlen, daß der Fettgehalt des Fleisches ein ziemlich variabler ist, und dem zufolge von Einfluß auf den Stickstoffgehalt des Fleisches. Das Fett, als stickstofffreier Körper *) B. u. V. Ernährung des Fleischfressers. a) Physiologie der Nahrungsmittel. Giessen. 1859. Über den Stickstoffgehalt des Fleisches. 7 in größerer Menge im Fleische enthalten, wird eine Verminderung des proeentisehen Stickstoffgehältes bedingen. Das zur Verbrennung genommene Fleisch ist eine Substanz, die außer den co ntractilen Theilen und Fett noch Bindegewebe und elastische Fasern enthält, so daß die Muskelfasern in dieselben ein- gebettet sind. Da wir nun das Fleisch von diesen Geweben nicht befreien können, andererseits ihre Quantität im Fleische keine unbeträcht- liche ist, so kann eine Vermehrung oder Verminderung ihrer Menge im Fleische auf den proeentisehen Stickstoffgehalt des Fleisches von Einfluß sein. Dieser Einfluß des Bindegewebes und elastischen Gewebes auf den Stickstoflgehalt des Fleisches könnte sich nur dann geltend machen, wenn nebst der relativ größeren Menge derelben im Fleische ihr procentischer Stickstoffgehalt größer oder kleiner als der des Fleisches wäre. Es schien mir also nothwendig einiges über den Stickstoffgehalt des Bindegewebes und elastischen Gewebes zu erfahren. Dem zufolge habe ich einige Stickstoffbestimmungen dieser Gewebe gemacht. Fürs Bindegewebe wählte ich die Achillessehne zur Verbren- nung, für das elastische Gewebe war das ligamentum nuchae bovis noch am zweckmäßigsten, da doch dieses Band als nur aus elastischen Fasern bestehend zu betrachten ist, und ich nicht bald ein anderes Gewebe finden konnte, welches für diese Zwecke dem gewählten vorzuziehen wäre. Folgende Tabelle ist das Resultat meiner Analysen. III. Nr. Trockene Sub- stanz zur Ver- brennung in Grammen Ist gleich feuchter Sub- stanz in Gram- men Liefert Stickstoff in Grammen Proctgehalt an Stick- stoff in Grammen für feuchte Substanz für trock. Substanz ( 1 0-372 1-114 0 064 5-74 17-2 Achilles- j 2 0-386 1.157 0-059 51 15-2 sehne i 3 0-222 0-794 0 037 4-94 16-6 ligainen- ( 1 0-295 0-639 0-044 6-88 14-9 tum nuchael 2 0-308 0-667 0 046 6-89 14-8 bovis ( 3 0-351 0-735 0-051 6-80 14-5 8 Schenk. Über den Slickstoffgehalt des Fleisches. Wenn wir auch aus diesen Zahlen nicht ganz bestimmt den Stickstoffgehalt dieser Gewehe angeben können, da die Anzahl der Verbrennungen eine entsprechend größere sein sollte und wir diese Gewebe nicht ganz frei von anderen ihnen beigemengten Elementen haben, so läßt sich doch entschieden behaupten, daß ihr proceTMi- scher Stickstoffgehalt ein bedeutend größerer als der des Fleisches ist. Ja das elastische Gewebe liefert einen procentischen Stickstoff- gehalt der doppelt so groß als der des Fleisches ist. Was beim elastischen Gewebe (ligamentum nuchae) noch be- sonders auffällt, ist, daß der procentisehe Stickstoffgehalt auf feuchte Substanz berechnet in allen drei (4, i>, 6) Versuchen bis auf 0-08 bis 0-09 Gnn. gleich groß ist. Das Bindegewebe und elastische Gewebe in den Muskeln ist ein wesentlicher Factor, von dem die Stickstoffgröße des Fleisches abhängt. Mit dem vermehrten Auftreten derelben im Fleische ist der Stickstoffgehalt im letzteren größer, das Umgekehrte ist bei der Verminderung dieser Gewebe der Fall. Es geht hieraus hervor, daß die Schwankungen in den obigen Angaben der Fleischanalysen abgesehen vom Fette, wesentlich von der größeren oder geringeren Quantität des Bindegewebes und der elastischen Fasern in den Muskeln abhängt. Da wir aber die Quantität des elastischen und Bindegewebes im Fleische nicht kennen, und vorläufig keine Methode besitzen um diese Gewebe quantitativ genau zu bestimmen, so müssen wir auf eine einigermaßen genaue Zahl für den Stickstoffgehalt des Fleisches Verzicht leisten. Aus