Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen unter dem Einflüsse von Quecksilber und Jod. Von Dr. Hermann von Boeck. Durch die Untersuchungen von Yoit ist festgestellt, dass das Eiweiss im Körper nicht gleichmässig in Zersetzung übergeht, son- dern dass nur von einem kleinen Theil desselben, dem circu- lirenden, bis zu 80% zerstört wird, dem gegenüber sich der in den Organen abgelagerte grössere Theil als ein stabiler verhält, da von ihm nur wenig in Circulation und unter die Bedingungen des Zer- falls kommt. Das Eiweiss der Nahrung mischt sich grösstentheils dem ersteren bei und verstärkt daher so auffallend den Umsatz. Alle Momente, welche den Uebergang in Circulationseivveiss be- günstigen, rufen daher auch einen grösseren Eiweissverbrauch her- vor, dahin gehören grössere Gaben von Kochsalz, reichliches Was- sertrinken, die Zuckerharnruhr und wahrscheinlich auch das Fieber ; alle, welche eine Ablagerung von Organeiweiss hervorbringen, ver- mindern dagegen diesen Umsatz, so z. B. Fett oder andere stick- stofffreie Substanzen der Nahrung. Die Zersetzung des Eiweisses ist die wichtigste Zersetzung im Körper, da die Organe vorzüglich aus diesem Stoffe aufgebaut sind. Es ist daher von Bedeutung, den Einfluss anderer Agentien, wie z. B. verschiedener als Arzneimittel gebrauchter Stoffe, denen man gewisse Wirkungen auf die Vorgänge im Körper zuschreibt, in obigem Sinne zu untersuchen. Man hört heut zu Tage oft, dies oder jenes Mittel vermehre oder vermindere den Stoffwechsel und man meint damit etwas besonders Weises gesagt zu haben, Wenn man fragt, welcher 394 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. Wechsel denn geändert wird, ob der des Wassers oder irgendeines Nährsalzes oder des Eiweisses oder des Fettes, so bekömmt man keine Antwort; ebenso wenn man sich erkundigt, durch welche Versuche ein solcher Einfluss erkannt worden sei. Es sind allerdings, ja leider nur zu oft, .Harnstoffbestimmungen im Harn unter verschiedenen Umständen gemacht worden; man hat dabei unbedenklich die Grösse der Harnstoffausscheidung als fest- stehendes Maass für die jeweiligen Bedingungen genommen, ohne sich darum zu bekümmern, ob alle Faktoren, welche auf die Ei- weisszersetzung von Einfluss sind, gleich gehalten waren. Diese dürfen sich aber, wie sich von selbst versteht, nicht oder nur so wenig ändern, dass die Aenderung in der Zersetzung nur klein ist, wenn man Schwankungen in der Umsetzung auf einen neu einge- führten Faktor beziehen will; es muss die Zusammensetzung des Körpers, sein Gehalt an Organ- und Circulationseiweiss und an Fett der gleiche geblieben sein. Man wird zugeben, dass dieses Erfor- derniss in den wenigsten Fällen erfüllt worden ist. Die Bestimmung des Eiweissumsatzes aus dem Stickstoffgehalt des Harns und Ivoths setzt voraus, dass die stickstoffhaltigen Zer- setzungsprodukte, so weit als sie berücksiclitigenswerth sind, auf diesen Wegen aus dem Körper entfernt werden. Nach hartnäckigen Kämpfen, die aber der Sache nur genützt haben, ist jetzt end- lich dieser Satz festgestellt. Er gilt nicht nur für einzelne Thiere, sondern, wie wir erkennen können, allgemein, denn er ist erwiesen für den Menschen, den Hund, die Katze, das Rind, das Schaf, die Taube und das Huhn. Ausser den Untersuchungen von Voit an Menschen, Hunden, der Katze, dem Rind und der Taube nenne ich als bestätigende Arbeiten die von M. Sie wert1) in Halle am Menschen, von Meissner2) an dem Huhn, von G. Kühn3) in Moeekern am Rinde, von Henneberg4) am Schaf. Nur Stoh- mann5) meinte, es müsse bei der Ziege Stickstoff noch wo anders 1) Siewert, Zeitschrift f. gesammte Naturwissenschaften, Bd. 31. S. 458. 2) Meissner, Zeitschrift f. rat. Med. 3. R. Bd, 31. S. 195. 3) Kühn, landwirthschaftl. Versuchsstationen 1868. Bd. 10. S. 418. 4) Henneberg, Centralblatt f. d. mediz. Wiss. 1869. Nro. 15. 5) Stob mann, Journal f, Landwirthschaft 1S68, 2te Folge. Bd. 3. — Von Dr. Hermann v. Bo eck. 395 ausgeschieden werden, da er bei an Eiweiss sehr reichem Futter so viel Stickstoff im Harn und Koth weniger, als in der Nahrung- gegeben worden war, fand, dass er ihn nicht als Ansatz am Körper in der Form von Eiweiss deuten konnte; da aber Stohmann1) in neuerer Zeit bei normalen Ernährungsverhältnissen sämmtlichen Stick- stoff aus Harn und Koth erhielt und darauf hin die früheren Ver- suche nochmals controlirt, so ist wohl kaum zu zweifeln, dass sich auch für diese eine Aufklärung ergeben wird. Auch für wirbellose Thiere, nämlich für die Seidenraupen, ist schon vor mehreren Jahren von Peligot2) das Gleiche dargethan wmrden; er eruirte den Stick- stoffgehalt einer Anzahl eben aus den Eiern ausgeschlüpfter Seiden- raupen; ihren Kameraden wurden nun Maulbeerblätter von bekann- tem Stickstoffgehalte vorgesetzt und die Menge des Verzehrten be- stimmt; als die Raupen ausgewachsen und eben im Begriffe waren, sich einzuspinnen, untersuchte er die Menge des jetzt in ihnen ent- haltenen Stickstoffs und so konnte er den Stickstoff der Einnahmen mit der Summe des Stickstoffs der Ausgaben und des am Körper Angesetzten vergleichen. Ich theile die wenig gekannten interes- santen Resultate, der 4 von Peligot ausgeführten Versuchsreihen hier mit. Stickstoff- einnahme Stickstoff in den Exkre- menten Stickstoff am Körper angesetzt Summe von Ausgabe und Ansatz Differenz in °/0 1. 4.280 2.260 1.930 4.190 —2.1 2. 0.604 0.321 0.284 0.605 -f0.2 3. 2.142 1.747 0.384 2.131 —0.5 4. 3.036 1.572 1.455 3.027 —0,3 Darnach verlässt also auch bei den Seidenraupen der Stickstoff den Körper nur durch die Exkremente. Wir können also in der That aus dem Stickstoffgehalte des Harns und Koths auf den Eiweissumsatz im Körper zurückschliessen. Ich habe nun den Verbrauch des Eiweisses im menschlichen 1) Stohmann, Centralblatt f. <1. mecjiz. Wiäs. 1869. Nro. 21, 2) Peligot, Compt. rend. 1865, T. 61. p. 866, 396 Untersuchungen über die Zersetzung des BiweisSes im Menschen etc. Körper unter dem Einflüsse zweier wichtiger Arzneistoffe, des Queck- silbers und des Jods geprüft. Es ist eine allgemein bekannte That- sache, dass das Quecksilber und das Jod samrnt ihren Verbindungen einen ganz bedeutenden Eingriff in die Vorgänge im Organismus auszuüben im Stande sind 5 auch lassen sich die raschen und oft andauernden Heilerfolge, welche diese Mittel, namentlich bei Sy- philis, bewirken, bei allem Scepticismus nicht in Abrede stellen. Ebenso sicher ist es aber auch, dass man die Art und Weise der Wirkung derselben, das Wie, nicht kennt. Es ist vielleicht möglich, durch das Studium der wichtigsten Zersetzung im Körper, der des Eiweisses, der Erkenntniss näher zu kommen. Die meisten Erklärungen der Wirkung der genannten Metalle beruhen auf der Eigenschaft derselben, mit Eiweiss schwer zersetz- bare Verbindungen einzugehen. Man dachte sich den Vorgang so, dass neben dem Körpereiweiss auch das syphilitische Gift als eiweiss- haltiger Stoff in Beschlag genommen und unschädlich gemacht werde, so wie durch die Bleiche unter Aufopferung eines Theils der Lein- wand der Farbstoff zerstört werde. Bei dieser Sachlage müsste eine höchst geringe Menge von Quecksilber oder Jod hinreichen, eine grosse Quantität von Eiweiss zu verändern, da es Fälle giebt, welche durch subkutane Sublimatinjektionen bis zum Gesammtverbrauche von nur 1 Gran Sublimat zur vollständigen Heilung, d. h. Ver- schwinden der vorhandenen Krankheitserscheinungen gebracht wurden. Man sollte meinen, dass dabei eine geringere Umsetzung des Eiweisses die Folge wäre, wie man es als Wirkung des Arsens angenommen hat. Es wäre jedoch auch nicht unmöglich, dass das syphilitische Gift durch gewisse Medikamente zur Ausscheidung aus dem Körper gebracht würde, ja es Hessen sich unter diesem Gesichtspunkte auch die verschiedenen gegen die Syphilis wirklich heilsamen Mittel und Prozeduren erklären. Es läge nicht ferne zu sagen, die Holz- tränke, die Salivationskuren, die Syphilisirung, die Derivantien, die Abführmittel, die Schwitzkuren etc. wirken wie das Quecksilber und das Jod dadurch, dass sie die normalen Ausscheidungen oder Zersetzungsprocesse steigern und damit zugleich auch die Aus- scheidung oder Zersetzung des syphilitischen Giftes bewirken. Man hat ja oft genug Gelegenheit, syphilitische Kranke unter dem Ge- Yon Dr. Hermann v. Bo eck. 397 brauche von Quecksilber und Jod herunterkommen zu sehen; es ist ferner die Erfahrung allgemein bekannt, dass Tuberkulöse Jod- und Quecksilberkuren gewöhnlich mit einer neuen Exacerbation ihres Lungenleidens büssen müssen; und wenn man die Beschreibungen der Quecksilber- und Jodeachexie liest und man begegnet jenen abgemagerten, zitternden Gespenstern der Bücher — dann erscheint die Yermuthung nicht ungerechtfertigt, dass hiebei eine tiefe Stör- ung der Ernährung, entweder durch Entziehung von Stoffen oder durch intensive Zerstörung derselben stattfindet. Im letzteren Falle müsste man eine reichlichere Ausscheidung stickstoffhaltiger Zer~ Setzungsprodukte erwarten. Es war daher wohl von der Kenntniss des Eiweissumsatzes bei Einführung von Quecksilber oder Jod ein Entscheid in irgend einem Sinne zu erwarten. Zu dem Zweck musste die Nahrung von bekannter gleicher Zusammensetzung sein, und sie musste auch den Körper, wenigstens so nahe als möglich, auf seiner Zusammensetzung erhalten, damit jede Aenderung im Verbrauche sich scharf ausdrückt. Es bereitete einige Schwierigkeiten, eine möglichst leicht her- zustellende Kost ausfindig zu machen, welche durch mehrere Wochen hindurch fortgegessen werden konnte. Ich schloss das Fleisch ab- sichtlich aus, weil daraus die Herstellung eines Gerichtes mit be- kanntem Stickstoffgehalt äusserst mühsam und im Spitale absolut nicht ausführbar gewesen wäre. Um aber doch eine genügende Menge Eiweiss zuzuführen, wurden Hühnereier gegeben. Herr Dr. Franz Hoffmann hatte folgende Zusammensetzung des Eies als Mittel aus der Untersuchung von 30 Eiern gefunden. Ein ganzes Ei von 51.1 Gmm. Gewicht besteht aus: Eiweiss 27.6 Gmm. = 54.01 °/0 Dotter 17.4 „ = 34.05 „ Schale 6.1 „ ~ 11.94 „ 54.01 Gmm. Eiereiweiss geben 7.631 Gmm. trockne Substanz mit 14.64°/0 Stickstoff; demnach enthalten 100 Gmm. frisches Ei mit Schale im Eiweiss 1.12 Gmm. Stickstoff. In 34.05 Gmm. Dotter befinden sich 15,663 Gmm. feste Be- standteile mit 5.19 °/0 Stickstoff; 100 Gmm. frisches Ei enthält 398 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. somit im Dotter 0.81 Gmm. Stickstoff. In 100 Gmm. frischem Ei mit Schale befinden sich also im Ganzen 1.93 Gmm. Stickstoff. Was die Zubereitung der Eier anbelangt, so wurden sie bald weich, bald hart gesotten gegessen, bald wurden sie mit erwärmter Butter zur Gerinnung gebracht, bald in die Suppe eingeschlagen. Ferner wuirde Milch, und zwar im Tag 1030 Gmm. mit 6.49 Stickstoff genossen. , Brod wurde, nachdem es von der Rinde befreit war, zu 450 Gmm. täglich verabreicht. Es war dies dasselbe Brod, aus Rog- genmehl bereitet, dessen Stickstoff aus früheren Analysen bekannt war; 450 Gmm. davon enthielten 5.76 Gmm. Stickstoff. Von Butter wurden täglich 100 Gmm. verbraucht, welche eine Eiweissmenge einschlossen, deren Stickstoffgehalt sich zu 0.11 Gmm. berechnete. Ferner wurden im Tag 1025 Gmm. Bier consumirt, deren Stick- stoff gleich 0.67 Gmm. zu setzen ist. Beim ersten Versuche wurde von 5.0 Gmm. amerikanischem Fleischextrakte mit 0.59 Gmm. Stickstoff Mittags eine Suppe be- reitet und dazu 300cc Wasser verwendet. Im zweiten Versuche wurden 10 Gmm. Extrakt (= 1.18 Gmm. Stickstoff) in 350cc Was- ser gegeben. Beim zweiten Versuche sah ich mich genöthigt, aus 3.5 Gmm. schwarzem Thee mit 550cc Wasser ein Infusum zu bereiten, das höchstens 0.09 Gmm. Stickstoff enthielt und das mit 24.4 Gmm. Zucker getrunken wurde. Ausserdem wurden zu den Speisen im ersten Falle täglich 8.75 Gmm. Kochsalz, im zweiten 10.0 Gmm. verbraucht. Trinkwasser brauchte nicht eingenommen zu werden, da das Bier und die übrige flüssige Nahrung schon genügend Wasser ent- hielt. Im zweiten Versuche war die Menge des in den Speisen zu- geführten Wassers um etwa 600 Gmm. grösser. In jeder Versuchsreihe reichte ich Tag für Tag die nämliche Quantität der genannten Nahrungsmittel dar; eine Ausnahme davon machten nur die Eier, welche, da ich der Einfachheit halber 4 Stück nahm, in ihrem Gewichte nicht unbedeutend differirten (180.4 bis 217.7 Gmm.). Auch an den 2 ersten Tagen des ersten Versuches Von Dr. Hermann v. Boeck. 399 war die Nahrung nicht ganz die gleiche, weil diese Tage als Vorbereitungs- und Prüfungstage der Methode angesehen wurden. Die Speisen waren nun folgender Massen auf den Tag vertheilt: In Versuch I: Morgens 7h 15m 515 Milch 100 Butter Mittags llh 30“ 300 Fleischextraktsuppe 4 Stück Eier 1025 Bier Abends 7h 515 Milch 450 Brod 8.75 Kochsalz. In Versuch II: Für den ganzen Tag Morgens 8h 15m 515 Milch 100 Butter 350 Fleischextraktsuppe 2 Stück Eier 512 Bier Mittags 12h Nachmittags 3h .... 515 Milch 2 Stück Eier 550 Thee 24.4 Zucker 512 Bier Abends 6h Für den ganzen Tag 450 Brod 10.0 Kochsalz. Beim ersten Versuche begann täglich die Versuchszeit Morgens 7 Uhr und endete 24 Stunden darauf; im zweiten Versuche fiel der Beginn auf 8 Uhr Morgens. Während dieser Zeit wurden sorg- fältigst Harn und Koth gesammelt. Vor Beginn eines neuen Ver- suchstags wurde der Harn möglichst aus der Blase entleert und dann der 24ständige Harn gemessen und nach dem von Liebig angegebenen Titrirverfahren die Harnstoffmenge, d. i. der Stickstoff, bestimmt. Die Patienten wurden angehalten, den Koth zu bestimmter Stunde täglich zu entleeren; derselbe wurde frisch gewogen und eine Portion davon zur Trocken-und Stickstoffbestimmung weggenommen. Sämmtliche Arbeiten, die Bereitung der Nahrung, das Abwiegen derselben, die chemischen Analysen habe ich selbst gemacht und kann daher für die Richtigkeit jeder einzelnen Zahl einstehen. Es war mir möglich, für meine Versuchsobjekte eigene verschliessbare Zimmer zu bekommen, zu denen der Zutritt nur mir gestattet war; in dem ersten Falle glaubte der Patient eine Extrakur durchzu- Zeitschri t für Biologie. Bd. V. Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. 400 machen und befolgte desshalb genau alle gegebenen Verordnungen; im zweiten Falle brachte Intelligenz und eigenes Interesse die pünktlichste Erfüllung aller Anordnungen zu Stande. Ich muss hier noch erwähnen, dass die Hindernisse, welche derartigen Untersuchungen in einem städtischen Krankenhause im Wege stehen, nur durch die Liberalität meines hochverehrten Leh- rers und Chefs, des Herrn Professors Dr. Lindwurm und durch die aufopfernde Freundlichkeit des Herrn Professors Dr. Voit, in dessen Laboratorium sämmtliche chemische Arbeiten gemacht wur- den und der sie controlirte, überwunden werden konnten. Versuch I. Wirkung des Quecksilbers. J. R., 44 Jahre alt, Packträger, suchte am 7. Oktober 1868 Hülfe im Krankenhause in München. Derselbe gab an, seit drei Monaten angesteckt zu sein. Es fand sich in der Fossa coronaria glandis eine Induration, welche theilweise der Eichel, theilweise der Vorhaut angehörte. Auf der Haut des Penis, am Skrotum und am Mittelfleische bis zum After hin war eine ziemliche Anzahl breiter Condylome vor- handen. In beiden Inguinalgegenden lagen mehrere indolente ge- schwellte Lymphdrüsen. Andere Erscheinungen der Syphilis fehlten. Patient war zum ersten Male syphilitisch erkrankt und seit der An- steckung nicht behandelt worden. So war der Status praesens am 10. Oktober, an welchem Tage die Zufuhr der gleichmässigen Nahrung begann. Als die Harnstoff- ausscheidung während 3 Tagen nahezu die gleiche blieb, wurde am 15. Oktober bei unverändertem Krankheitszustande die erste Ein- reibung von grauer Quecksilbersalbe gemacht.1) Am 20. Oktober trat Salivation ein und am 22. Oktober wurde die achte und letzte Inunktion gemacht, da weitere Einreibungen wegen Hochgradigkeit des Speichelflusses nicht mehr stattfinden konnten. Es waren deren auch für unsern Zweck genug gemacht worden, denn wenn das auf- genommene Quecksilber der Art auf den Organismus wirkt, dass Salivation eintritt, so ist der Schluss gerechtfertigt, dass auch ein Einfluss desselben auf den Ehveissumsatz zur Wahrnehmung kom- 1) Täglich wurde eine Drachme grauer Salbe 20 Minuten lang eingerieben. Yon Dr. Hermann v. Boeck. 401 men muss. Am 23. Oktober waren nun auch die Condylome ohne jede lokale Behandlung fast gänzlich verschwunden und die Im duration kleiner geworden. Nachdem die Salivation aufgehört, wur- den noch Pillen von Protojoduretum Hydrargyri verordnet und der Mann am 29. Oktober vollständig geheilt entlassen. Ich stelle nun die während des Yersuchs erhaltenen Zahlen zusammen. 1) Einnahmen: Datum 1868 October Eier frisch N Brod Milch frisch N frisch N Fleisch- extrakt frisch N Butter frisch N Bier frisch N Was- ser Koch- salz 10. 180.4 3.481388 4.96(1030 6.4913.5 0.409 100 0.11 1025 0.67 300 8.30 11. 190.5 3.68403 5.171030 6.49 5.2 0.611 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 12. 182.4 3.521450 5.7611030 6.49 5.1 0.598 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 13. 212.1 4.09450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 14. 192.6 3.72450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 15. 192.2 3.741450 5.76(1030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 16. 199.5 3.85 450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 17. 203.7 3.93 450 5.7611030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 18. 216.8 4.17 450 5.76 1030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 19. 200.0 3.86 450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 20. 198.4 3.83 450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 21. 217.7 4.20 450 5.76 1030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 22. 200.7 3.87 450 5.761030 6.495.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 23. 201.8 3.89 450 5.761030 6.495.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 - 24. 212-7 4.10 450 5.761030 6.49 5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 25. 211.1 4.07 450 5.76(1030 6.49,5.0 0.584 100 0.11 1025 0.67 300 8.75 2) Ausgaben: Datum 1868 October Harn in c. c. spec. Gew. d.Harn Harn- stoff N im Harn Koth frisch troek. N im Koth Wärme- höhe °C Bemerkungen 10. 11. 1470 1350 1012 1019 26 7 30.7 12.4 14.3 0 234.8 0 58.7 0 3.1 — Uebergangstag. 12. 1435 1019 31.3 14.6 128.7 31.2 1.6 — -1) 13. 2110 1014 34.5 16.1 198.1 42.6 2.5 — — 14. 1855 1015 32.0 14.9 97.5 23.9 2.6 — — 15. 1830 1015 34.9 16.3 177.5 43.7 2.3 37.4 erste Einreibung. 16. 1710 1015 35.0 16.3 285.6 45.5 2.5 37.5 weicher Koth. 17. 1820 1015 33.9 15.8 280.0 55.8 3.1 37.5 weicher Koth. 18. 1550 1017 33.1 15.4 301.8 67.6 3.7 37.4 etwas Diarrhoe. 19. 1810 101,5 35.4 16.5 173.1 35.3 2.0 37.4 — 20. 1940 1016 37.0 17.3 148.1 35.4 2.0 37.7 Beginn d. Salivation, 21. 1700 1016 35.5 16.6 103.7 26.6 1.5 38.4 — 22. 1350 1020 33.1 15.5 283.1 65.0 3.6 38.2 weicher Koth, 23. 1110 1025 32.3 15.1 265.6 54.2 3.0 38.4 Saliv. nimmt zu, w. K. 24. 1110 1025 33.3 15.5 225.0 43.7 2.4 38.1 Einreib, sistirt, w. K. 25. 1030 1024 32.8 15.3 213.7 46.8 2.6 38.0 weicher Koth. 1) In 100 trocknem Koth vor der Einreibung befanden sich 5.28% Stick- stoff, während der Einreibung 5.52%; im Tag wurden im Mittel 2.5 Gmm. Stick- stoff im Koth ausgeschieden. 402 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. 3) Stickstoffbilanz Datum 1868 October in den Ein- nahmen in den Ausgaben 10. 16.1 12.4 11. 16.7 17.4 12. 17.1 16.3 13. 17.7 18.6 14. 17.3 17,5 15. 17.3 18.6 16. 17.5 18.8 17. 17.5 18.9 18. 17.8 19.2 19. 17.5 18.5 20. 17.4 19.2 21. 17.8 18.0 22. 17.5 19.0 23. 17.5 18.0 24. 17.7 17.9 25. 17.7 17.9 Wer einen Blick auf die vorstehenden Zahlen wirft, sieht, dass unter dem Einflüsse des Quecksilbers in keinem der Ausgabe- posten eine wesentliche Aenderung eintritt, namentlich ist die Aus- scheidung des Stickstoffs die gleiche wie vorher. Yor der Einreibung befand sich der Körper mit dem Stickstoff der Nahrung im Gleichgewicht; vom 12. bis 15. Oktober empfing er 52.1 Stickstoff und entfernte im Harn und Koth 52.4 Stickstoff, was ein Plus von 0.5% ist, das natürlich in den Fehlergrenzen liegt. Während der Periode der Applikation des Arzneimittels ent- hielt die Nahrung 193.2 Stickstoff, die Exkrete 204.0 Stickstoff, d. h. es wurden 5.6 % Stickstoff mehr abgegeben, als zugeführt worden waren. Dieses Plus ist ganz unwesentlich und beruht zum Theil auf Fehlern der Methode, zum Theil vielleicht auf den Diar- rhöen, die mehr stickstoffhaltige Stoffe dem Körper entführten. Obwohl bei der Salivation grosse Mengen von Speichel ab- giengen, so wurde dadurch doch eine kaum nennenswerthe Quantität von Stickstoff entführt. Der an einem Tag entleerte trockene Spei- chel, der ziemlich viel chlorsaures Kali enthielt, welches dem Mund- wasser des Patienten beigegeben war, wog 10.354 Gmm. und gab bei 2,43 °/0 0.293 Gmm. Stickstoff. Von Dr. Hermann v. Bo eck. 403 Es wurde auch zwei Mal die Harnsäure im Harn bestimmt; am 14. Oktober, als vor der Anwendung des Arzneimittels das Stickstoffgleichgewicht erreicht war, betrug die Menge derselben 0.406 6mm., am 22. Oktober, dem letzten Inunktionstage, 0.394 Gmm. Es wird also auch die Harnsäureausscheidung durch den Gebrauch des Quecksilbers nicht geändert. Als Nebenbeobachtung führe ich noch an, dass die Temperatur- höhe im Mastdarm des Patienten in den Tagen bis zum Eintritte des Speichelflusses 37.4—37.5°C betrug, mit dem Eintritte der Sali- vation 38°C erreichte, bis auf 38.4° während des Bestehens derselben stieg und erst wieder mit der Besserung desselben abnahm. Diese Temperaturerhöhung kann nicht als eine direkte Folgeerscheinung des Quecksilbers gedeutet werden, da die ersten 6 Tage bei An- wendung der grauen Salbe eine derartige Steigerung nicht zu be- obachten war und letztere mit dem Auftreten des Speichelflusses zusammenfiel. Das Hauptresultat des Versuches ist die völlige Ausscheidung des Stickstoffs im Harn und Koth und die Nichtänderung der Ei- weisszersetzung unter dem Einflüsse des Quecksilbers. Versuch II. Wirkung des Jods. S. S., 21 Jahre alt, Student, wurde am 29. Januar 1869 in’s Spital aufgenoinmen. Er gab an, im Juni 1868 inficirt und seither homöopathisch behandelt worden zu sein; im Oktober habe er Knochenschmerzen in den Tibien und Halsbeschwerden bekommen nebst einem makulösen Exanthem. Der Status bei der Aufnahme war folgender. Angeborne Phi- mosis; in beiden Inguinalgegenden grosse indolente Lymphdrüsen, ebenso zu beiden Seiten des Halses und am Hinterhaupte. An der Oberlippe zwei kleine Plaques muqueuses; hypertrophirte Tonsillen, an beiden vorderen Gaumenbögen sind deutliche Plaques sichtbar. Nebenbei fand sich sehr hochgradige Skabies. Patient ist schmächtig, hat einen schmalen Thorax und sieht schlecht genährt aus. 404 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. Yor Allem wurde die Skabies durch Einreibungen mit der Helmrich’schen Salbe behandelt. Die Haut des Kranken war in Folge der wreitausgebreiteten Skabies, des durch dieselbe bedingten Kratzens und durch die Einwirkungen von Seifen, Salben und Bädern ekzematös erkrankt. Dieser Umstand liess eine Inunktions- kur von vorne herein als nicht zulässig erscheinen; es wurde daher Jod gegeben und zwar in der Form von Jodwasserstoffsäure, welche Liebig neuerdings so sehr empfohlen hatte. Das Präparat wurde in der Krankenhausapotheke bereitet und zwar durch Einleiten von Schwefelwasserstoffgas in eine wässrige Jodlösung, wobei sich unter Bildung von Jodwasserstoffsäure Schwefel abschied; letzterer wurde abfiltrirt, der im Filtrat enthaltene Schwefelwasserstoff durch Er- wärmen ausgetrieben und dann die Flüssigkeit so weit verdünnt, dass das Präparat genau 10% wasserfreie Jodwasserstoffsäure ent- hielt. In dieser Flüssigkeit wurden täglich 24 Gran = 1.5 Gramm wasserfreie Jodwasserstoffsäure mit 1.49 reinem Jod aufgenommen. Das Jod konnte in grosser Menge im Harn nachgewiesen werden. Am 2. Februar war die Skabies geheilt. Am 3. Februar begann der Versuch und es währte fünf Tage, bis die Grösse der Harn- stoffausscheidung constant blieb. Am 10. Februar wurde zum ersten Male die Jodwasserstoffsäure gegeben und deren Gebrauch bis zum 15. Februar fortgesetzt. Die Plaques an der Oberlippe waren zu dieser Zeit verschwun- den, die im Rachen jedoch noch vorhanden. Der Patient zeigte ein volleres Gesicht und ein entschieden besseres Aussehen. Am 15. Februar wurde die Operation der Phimosis vorgenom- men; dabei wurde die Stickstoffausscheidung noch weiter eruirt, weniger um die Nachwirkung des Jods zu verfolgen, als vielmehr um zu sehen, ob nicht beim Eintritt von Fiebererscheinungen nach der Operation die Harnstoffmenge sich ändert; es erfolgte jedoch kein ausgesprochenes Fieber, wesshalb das Resultat kein entschei- dendes war. Am 8. März v’erliess der Patient völlig hergestellt das Spital. Die Ergebnisse des Versuchs sind nun folgende. Yon Dr. Hermann v. Boeck. 405 Datum 1869 Febr. Eier frisch N Brod frisch N Milch frisch N Fleisch- extrakt frisch N Butter frisch N Bier frisch N Thee frisch N Zucker Fx 0) s £ 15 o o O. 171.9 3.47 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 90010 4. 172.2 3.48 450 5.76 103U 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 5. 176.9 3.57 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 6. 162.8 3.29 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 7. 176.2 3.56 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 8. 209.6 4.23 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 9. 195.5 3.95 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 10. 166.0 3.35 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09124.4 900 10 11. 188.0 3.80 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.0924.4 900 10 12. 214.2 4.33 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 13. 200.8 4,06 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 14. 195.3 3.94 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 o.ll 1025 0.67 35 0.09 24.4 900 10 15. 214.0 4.32 450 5.76 1030 6.49 10 1.19 100 0.11 1025 0.67 35 0 09 24.4 900 10 1) Einnahmen: 2) Ausgaben: Datum 1869 Febr. Harn ( Spec. in Gew. c. c. |d. Harns Harn- stoff N : im : Harn' Koth frisch trock. N im Koth Bemerkungen 3. 1170 1026 46.3 21-6| — — ~ Uebergangstag. 4. 1200! 1020 31.9 14.9 — — — -1) 5. 1450 1015 30.0 14.0 416.7 64.7 2.88 6. 840 1026 27.2 12.7 — — — Nachts starken Schweiss. 7. 1250 1019 30.9 14.4 49.6 14.1 0.63 — 8. 1480| 1016 30.6 14.3 228.7 51.3 2.29 — 9. 1170| 1020 300 14.0 75.0 18.7 0 75 — 10. 12601 1020 30.6 14.3 143.1 38.6 1.96 — 11. 1535 1014 29.7 13.9 188.2 42.9 2.17 — 12. 1650 1014 29.0 13.5 175.6 44.2 2.24 — 13. 1460 1017 28.9 13.5 — — — — 14. 1740 1014 30.5 14.2 212.4 56.6 2.95 — 15. 1950 1015 33.3 15.6 143.7 50.2 2.54 Phimosisoperat., gering. Fieber 3) Stickstoffbilanz: Datum in den in den Febr. 1869 Einnahmen Ausgaben 3. 17.8 22.6 4. 17.8 15.8 5. 18.1 14.9 6. 17.6 13.6 7. 17.9 15.4 8. 18.5 15.2 9. 18.3 14.9 10. 17.7 16.3 11. 18.1 15.8 12. 18.6 15.5 13. 18.4 15.5 14. 18.2 16.2 15. 18.6 17.5 1) In 100 trockenem Koth vor dem Gebrauch der Jodwasserstoffsäure fanden sich 4.46 °/0 Stickstoff, während des Gebrauchs 5.08 °/0; im Tag wurden im Mittel 1.4 Gmm. Stickstoff im Koth ausgeschieden. 406 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. Der vorliegende Fall zeigt, was die Harnstoffausscheidung be- trifft, wichtige Abweichungen vom ersten Versuche. Man ersieht aus der Tabelle der Einnahmen, dass der Mann etwas grössere Stiekstoffmengen einführte, als der Kranke im Versuche I, da er im Thee 0.09 Gmm. erhielt und im Fleischextrakt 0.58 Gmm. Stick- stoff mehr verzehrte. Da er ausserdem 1.25 Kochsalz und 600cc Wasser mehr aufnahm, so hätte dies Alles im Vergleiche zum ersten Versuche höhere Harnstoffzahlen erwarten lassen. Nichtsdestoweniger stehen die Harnstoffmengen im zweiten Versuche nicht unbeträcht- lich gegen die im ersten zurück. Man könnte die geringere Harnstoffausfuhr aus einer unvoll- ständigen Verdauung der Speisen im Darm ableiten wollen; dies ist aber nicht der Fall, denn der Patient zeigte durchaus keine Ver- dauungsstörung, sein Appetit war ausgezeichnet und im Koth befand sich vor Allem nicht mehr, sondern weniger Stickstoff als im ersten Falle. Man muss also annehmen, dass der Patient an Körpergewicht zugenommen und dass er Fleisch angesetzt hat. Es ist leicht zu zeigen, dass dem so ist. Der Mann wog am 7. Februar Morgens 8 Uhr nach der Entleerung von Harn und Koth 54.32 Kilo, am 15. Februar hatte er unter ganz denselben Verhältnissen ein Gewicht von 55.72 Kilo, er hatte also in 8 Tagen um 1.4 Kilo an Gewicht zugenommen. Ein solcher Ansatz ist nicht zu venvundern, wenn man bedenkt, dass die Versuchsperson Nr. 1 ein kräftiger, breit gebauter Arbeiter, dessen Körpergewicht ich leider zu bestimmen unterlassen habe, mit der nämlichen Kost auf dem Stickstoffgleich- gewichte bleiben konnte. Die Versuchsperson Nr. 2, ein schmäch- tiger, schlecht genährter junger Mann, der ganz bestimmt viel weniger wog, als der erste, musste also bei der gleichen Nahrung Substanz ansetzen. Dieser Fleischansatz geht nun auch aus der Stickstoffbilanz hervor. Vom 4. bis 10. Februar war vor der Anwendung des Jod- präparates die Harnstoffausscheidung täglich nahezu die nämliche, nur der 6. Februar macht eine Ausnahme; an diesem Tage betrug die Harnstoffmenge um 3.5 Gmm. weniger, woran vielleicht der in der Nacht aufgetretene starke Schweiss, der auch die Harnmenge Von Dr. Hermann v. Boeck. 407 bedeutend herabdrückte, die Schuld trägt. Es wurden in den 6 Tagen 108.2 Gmm. Stickstoff zugeführt und 89.8 Gmm. Stickstoff abge- geben, also 18.4 Gmm. Stickstoff aufgespeichert. Nachdem sich während der drei letzten Tage (7—10. Febr.) die Quantität des Harnstoffs kaum geändert hatte, begann vom 10. Februar an die Zufuhr des Jods. Die Harnstoffausgabe war dabei in den folgenden Tagen so gleichmässig und so sehr mit der der voraus- gehenden Tage übereinstimmend, dass es keiner weiteren Ausein- andersetzung mehr bedarf. Nur der letzte Yersuchstag (15. Febr.) macht hievon eine Ausnahme, indem er eine Zunahme von 3 Gmm. Harnstoff zeigt; an diesem Tage wurde an dem Patienten die Cir- cumcisio des zur Phimosis verengten Präputiums vorgenommen und derselbe zu diesem Behufe chloroformirt; der Blutverlust war gleich Null; der Kranke erholte sich sehr rasch, verzehrte seine bisherige Nahrung vollständig, wiewohl mit einiger Selbstüberwindung; die Frequenz des Pulses übertraf den ganzen Tag hindurch die gewöhn- liche um 12 —14 Schläge in der Minute, eine wesentliche Tempera- turerhöhung war jedoch nicht vorhanden. Es ist wohl möglich, dass die geringe Steigerung der Harnstoffausscheidung von den schwa- chen Fiebererscheinungen bedingt war. In den 6 Tagen mit der Jodbehandlung betrug die Stickstoffeinnahine 109.6 Gmm,, die Stick- stoffausgabe 96.8'Gmm., so dass 12.8 Gmm. Stickstoff angesetzt wurden. Die Stickstoffaufnahme übersteigt in den 12 Yersuchstagen die Aus- gabe um 31.2 Gmm., welche 918 Gmm. frischem Fleisch entsprechen. Dieser Ansatz ist leicht möglich, da der Mann in 8 Tagen um 1400 Gmm. an Gewicht zunahm, also noch genug für einen Ansatz von Fett oder Wasser übrig bleibt. Was unsere Hauptfrage betrifft, so zeigt derYersuch, dass die Zuführung von Jod keinen wesentlichen Einfluss auf den Zerfall des Eiweisses im Körper hat. Diese Beobachtung steht allerdings in Widerspruch mit der von Rabuteau1) kürzlich veröffentlichten. Derselbe führte eine möglichst gleichmässige Lebensweise und nahm dann 8 Tage hindurch täglich 1 Gmm. Jodkalium oder Jodnatrium 1) Rabuteau, Gaz. hebdom. 1869. Nr. 9. p. 133. Zeitschrift für Biologie. Bd. V. 408 Untersuchungen über die Zersetzung des Eiweisses im Menschen etc. zu sich; während vorher 21—24 Gmm. Harnstoff erschienen, kamen unter dem Einflüsse des Jods 13—19 Gmm. Ich habe darauf nur zu entgegnen, dass die Franzosen, was die Verfolgung des Stoff- umsatzes betrifft, noch auf dem Standpunkte sich befinden, den wir vor 10 Jahren einnahmen; sie ahnen noch nicht, wie sehr die Stickstoffausscheidung von der Zufuhr abhängig ist und wie ängst- lich man verfahren muss, um eine wirklich gleichmässige Lebens- weise in dieser Beziehung zu führen. Das Quecksilber und das Jod wirken also nicht heilend, indem sie das syphilitische Gift durch einen vermehrten Eiweissumsatz mit zur Ausscheidung bringen. Die Thatsache, dass die Gegenwart der beiden Arzneimittel gar keine Aenderung in dem Umsatz des Eiweisses nach sich zieht, scheint anfangs auffallend, man sieht ja unter ihrem Einflüsse den Körper abmagern oder bestimmte Organe kleiner werden. Wenn man sich jedoch die Sache näher überlegt, so sieht man ein, dass bei einer Verstärkung des Eiweissverbrauchs das Quecksilber und Jod nicht anders wirken würden, als etwas mehr Eiweiss in der Nahrung. Nach den Auseinandersetzungen von Voit zersetzt sich ein grosser Theil des Vorraths des circulirenden Eiweisses; da nun Quecksilber und Jod den Umsatz nicht berühren, so können sie auch auf das Circulationseiweiss von keiner Einwirkung sein. Dennoch sind die Wirkungen beider Metalle auf den Körper nicht abzuleug- nen, sie müssen daher auf das in den organisirten Formen befindliche Eiweiss wirken. Dieses kann in der That grossen Aenderungen unterliegen, ohne dass man es im Umsätze merkte; ein und derselbe Organismus zerstört z. B. bei den verschiedensten Mengen von Organeiweiss dieselbe Quantität von Eiweiss, wenn nur die des Cir- culationseiweisses die nämliche bleibt; Voit hat beobachtet, dass 'ein Hund, der mit 1500 Fleisch im Gleichgewicht sich befunden und dann während langen Hungerns sehr viel Eiweiss von seinen Organen verloren hatte, bei abermaliger Fütterung mit 1500 Fleisch nur sehr wenig Fleisch ansetzte und trotz der viel geringem Menge von Organeiweiss alsbald wieder soviel umsetzte wie vorher, da Von Dr. Hermann v. Bo eck. 409 vom Circulationseiweiss 80°/o unter die Bedingungen der Zersetzung kommen, vom Organeiweiss aber nur 0.8°/0 in Circulation gerathen. So kann der Körper gewisse Aenderungen am Organeiweiss erleiden, ohne dass man es gerade in der Umsetzung wahrnimmt; man meint immer, jede Wirkung auf den Körper müsste sich auch im Stoffwechsel ausdrücken; dies ist eine ganz falsche Ansicht und der gleiche Umsatz bei dem verschiedensten Körperzustand giebt den besten Beleg dafür ab. Würden Quecksilber und Jod sich zu dem circulirenden Ei- weiss gesellen, so würden sie in wenigen Tagen wieder aus dem Körper entfernt sein; dass sie, namentlich das Quecksilber, so lange darin verweilen, zeigt uns ihre Verbindung mit dem weit stabileren Organeiweiss. Sie vermögen an diesem sehr wohl Veränderungen hervorzubringen, welche gewisse andere Vorgänge, z. B. Bildungen neuer Zellen, oder manche pathologische Prozesse unmöglich machen, ohne dass im Mindesten der Eiweissumsatz dabei sich betheiligt. Wir sehen bei Gegenwart von Quecksilber oder Jod Drüsen an Masse abnehmen, Condylome etc. verschwinden; dies sind alles or- ganisirte Formen, die zu Grunde gehen oder ihre Eigenschaften ändern können, ohne den Gesammtumsatz wesentlich zu alteriren. Sowie Thier sch durch Injektion einer sehr verdünnten Lösung von salpetersaurem Silber die zelligen Elemente von Neubildungen in ihren Eigentümlichkeiten veränderte und sie so zur weiteren Thätigkeit und Fortpflanzung untauglich machte, so kann man sich auch den Einfluss des Quecksilbers und Jods auf die organisirten Theile des Körpers vorstellen, wodurch die weitere Wirkung des Giftes aufgehoben wird.