Aus dem I.VIII. Bde. d. Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. II. Abth. Nov.-IIeft. Jahrg. 1868. Versuche über Transfusion des Blutes. Von Dr. Heinrich Mittler, Operateur in Wien. (Au» dem Institute für experimentelle Pathologie der Wiener Universität.) (Vorgelegt in der Sitzung am 12. Juni 1868.) Die Transfusion des Blutes finden wir als Vorschlag zu Heil- zwecken aus dem Jahre 1603 zum ersten Male in den Schriften des Andreas Libavius1)- Harveys Entdeckung des Blutkreislaufes im Jahre 1628 gab den englischen Naturforschern Ch ris toph er Wren2), Robert Boyle3), Ti mothy Clarek4), Ri char d Lo w er 5), Edmund King«) und Thomas Coxe7) den mächtigsten Impuls, die Trans- fusion des Mutes in dem Jahrzehent 1658—1668 zunächst als phy- siologisches Experiment an Thieren, und in weiterer Folge als thera- peutisches Agens am Menschen zu üben und auszubilden. Die erste Transfusion am Menschen machte indeß Jean Denis8) in Paris am 15. Juni 1667 wegen hochgradiger Anaemie mit gutem Erfolge. *1 Defensio Syntagmat. Arcanor. Chymicor. contr. Heningum Scheumannum, act. 2, p. 8. E<1. Francof. A. 1613. V. P h il oso p h ica 1 transactions. Numb. 37. p. 732. Scheel Paul, Transfusion. Vol. I, p. 16. 2) „Rise and Attempts of a Way to conveigh Liquors into the Mass of Blood“ etc. Philos. transact. Nb. 7, p. 128. — A Letter by U. Timothy Clarek etc. Ibid. Nmb. 33, p. 678. 3) „Tryals proposed by M. Boyle etc. Ibid. Numb. 21. Febr. 11. 1666. p. 386. 4) Philosophie, transact. Numb. 33. 5) Ibid. Numb. 20. Decemb. 17. 1666. p. 333. „The Method observed in Trans- fusing the Bloud“ etc. ®) „An easier and safer Way of Transfusing Blood“ etc. Phil, transact. No. 23. May 6. 1667. p. 449. — Ibid. Nmb. 28. Oct. 21. 1667. p. 5* — King and Lower: Ibid. Nmb. 30. Decemb. 9. 1667. p. 337. 7) ibid. p. 431. Nmb. 25. May 6. 1667. 8) Lettre de M. Denis. Prof, de Philos. et de Mathem. a M. *** touchant la transf. du sang. Paris, 9 Mars 1667. — Journ. des Ssavans. 14 Mars 1667. p. 87. — 2 Mittler. Die Methode dieser Forscher war ausnahmslos die der unmittel- baren Überführung des Blutstromes aus einem Thiere in das andere, auf Verbindungswegen zwischen den beiderseitigen Gefäßsystemen. Die Verbindung erfolgte theils zwischen Arterie und Vene (L ower, Denis), theils zwischen zwei Venen (King, Coxe). Die in genauen Aufzeichnungen erhaltenen Ergebnisse dieser Versuche lauten dahin, daß der unmittelbare Blutaustausch zwischen zwei Thiereil derselben Gattung in größeren Mengen, zwischen sol- chen verschiedener und entfernt stehender Gattungen in geringerem Maße, ohne jede Gefahr für das blutempfangende Individuum bewerk- stelligt werden könne. Es wird weiters angeführt, daß Thierblut in den Menschen un- mittelbar übertragen, vorübergehend zu beleben, ja schwere Krank- heiten zu heilen vermöge, allzureichlich transfundirt jedoch durch den Harn und anderweitige Entleerungen ausgeschieden würde. Die heftigen Angriffe der G. Lamy1)» Pierre Petit2) und Martin de 1 a M artin iere 3) brachten die Transfusion trotz der lebhaften Verteidigung durch Tardy4), Gadroys3) und Gas par d Lettre de M. Denis etc. A M. * * * du 2 Avril 1667. — Journ. des Sfav. 25 Avril 1667. p. 125. — Lettre de M. Denis etc. a M. de Montmor, premier Ministre de Requestes, touchant deux experiences de Ja Transfusion faites sur des hommes. ln-4°. A Paris chez J. Cusson. — Journ. des Sfav. 28 Juin 1667. p. 182. — „A Lettre conCerning a new way of curing sundry diseases“ etc. Phil, transact. July 22. 1667. ISumb. 27. p. 489—504 (Beilage). — Phil, transact. Nb. 30, p. 559. — Lettre de J. Denis etc. touchant une folie inveteree qui a este guerie par la Transf. du sang. In-4°, Paris. J. Cusson. — Journ. des Sfav. p.32. 1668. — Philos. transactions. Numb 32. p.617. — Lettre a M. Sorbiere etc. Paris, 2 Mars 1668. — Phil, transact. Nb. 54. 1669. 1) Lettre de G. Lamy a M. Moreau, etc. contre les pretendues utilites de la Trans- fusion. In-4°, Paris. J. de Launay. — Journ. des Sfav. 6 Fevr. 1668. p. 16. — Seconde lettre ä M. Moreau etc. — Ibid. p. 22. — Lettre a M. Moreau sur la mort du fou, guery par la transfus. Paris, 16 Fevr. 1668. 2) Eutyphronis, Philos. et Medic. de nov. curand. morb. per Transfus. sanguin Diss. In-4°, Paris. Andr. Cramoisy. — Ibid. p. 26. 3) Opuscules contre les circulat. et la transf. etc. Paris 1668. 4) Traite de P ecoulement du sang d'un homme dans les veines d’un autre et de ses utilites par M. 0. Tardy etc. A Paris. J. Du Bray et CI. Barbin. — Journ. de» Sfav. 13 Juin 1667. p. 157. — Lettre de M. Tardy etc. a M. le Breton etc. — Journ. d. Sfav. 1668. p. 32. 5) Lettre de C. Gadroys a M. l’Ahbe ßourdeiot etc. pour servir de Reponse J la Lettre ecr. p. M. Lamy etc. Paris. Cusson. ln-4°. — Ibid. p. 19. Versuche über Transfusion des Blutes. 3 de Gurye i) in Mißcredit. Der Proceß Mauroy 2) führte eineCon- trole durch die hauptsächlichsten Gegner und damit den Verfall der Operation herbei, dem sie weder die gleichzeitigen und gleichlauten- den Versuche der Deutschen, Italiener und Holländer im 17., noch die Anstrengungen von B i c h a t3), Portal4), V i b o r g5), S c h e el«), Rosa7), Ilu fei and 8) und Anderer im 18. Jahrhunderte zu ent- reißen vermocht hatten. Die Arbeiten von Dumas und Prevost9) haben der Trans- fusionslehre eine neue Richtung angewiesen. Sie führten zuerst den Nachweis, daß defibrinirtes Blut ebenso wie fibrinhältiges wiederbelebende Eigenschaften besitze. Hieran reihten sich die Erfahrungen von Dieffenbach10) und Johannes Müller11), „daß die Blutkörperchen im geschlagenen Blute durchaus unverändert sind“, und der ausdrückliche Vorschlag des Letzteren, nur defibrinirtes Blut zu transfundiren. Von da ab wurde die unmittelbare Transfusion vollständig auf- gegeben, und durch die Blutinfusion mittelst Spritzen oder sonstiger Apparate ersetzt. In den letzteren Decennien ist meines Wissens Moncoq13) der einzige, der von einer unmittelbaren Transfusion aus einem Gefäße ins andere spricht. Bi sc ho ff13) hat nämlich nach seinen ersten einschlägigen Ver- suchen die Meinung vertreten, daß das von einem Individuum ins andere übertragene Blut in dem ihm fremden Gefäßsysteme, zufolge seines Fibringehaltes, Gerinnungen herbeiführen müsse. 0 Lettre de G. de Gurye, Sieur de Montpolli ä M. l’Ahbe Bourdelot etc. touch. ]a Transf. Paris. Cusson. — Ibid. p. 24. а) Philos. transact. June 15, 1668. Nb. 36. p. 710—715. 3) Recherches sur la vie et la mort. T. II, Cap. 2, 4) Memoires sur plusieurs maladies. T. II. Paris. 1800. 5) Gesammelte kl. Schriften. Vol. II. — Nord. Archiv d. Nat. u. Arzneikunde. XI. Bd. б) Die Transfusion etc. Copenhag. 1802. Bd. 2. p. 225—244. 7) Lettere fisiologiche. 1783. 8) Journ. der pract. Heilkunde. 8. Bd. 9) Bibi, univers. de Gen. T. 17. 1821. — Ann. de ehimie. T. 18. 1821. 10) Scheel etc. fortgesetzt von Dieffenbach. Berl. 1828. tt) Handbuch der Physiologie. I. Bd. IV. Aufl. Coblenz. 1844. p. 124. 12) L’Union medic. 1863. Nr. 105. 13) Beiträge zur Lehre von dem Blute und der Transfusion desselben. Miiller’s Archiv. 1835. p. 347 — 372. 4 Mittler. Später fand Bi sch off1) daß defibrinirtes, arterielles Blut eines Säugethieres vom Vogel wohl ertragen werde, nicht aber auch venöses, welches tödtlieh wirke; demzufolge erklärte er die venösen „Thiersehlacken“ für das schädliche Agens. Hiernach sucht Brown-Sequard 2) den Kern der Transfu- sionswirkung nicht im Faserstoffe, sondern im Sauerstoffgehalte des Blutes. Die Blutkörperchen sind ihm nur insoferne belebendes Princip, als sie die eigentlichen Träger des Oxygens im Blute darstellen. Essentiell für die Wiederbelebung ist der Sauerstoffs). Venöses Blut ist, wie schon Bichat nachgewiesen, „giftig;“ dagegen könne man arterielles ungescheut zwischen verschiedenen Gattungen, Ordnun- gen und Classen, also auch zwischen Kalt- und Warmblütern Umtau- schen, wenn die Einspritzung nicht in allzugroßen Mengen und nicht allzurasch erfolge. Die „giftige“ Wirkung beim Bluttausche zwischen zweiThieren verschiedener Gattung, schreibt dieser Forscher vorzugsweise dem Kohlensäuregehalte des eingespritzten Blutes zu. Uber das Weiterleben des Blutes in fremden Gefäßbahnen spricht er sich dahin aus, daß Säugethierblut im Vogel noch nach einem Monate nachgewiesen werden kann, während umgekehrt Vogelblut im Säugethiere schon nach einer Stunde unauffindbar sei. Er bringt diese Erscheinung des „Verschwindens“ in Uebereinstimmung mit Magen die4) in Zusammenhang mit einer Auflösung der Vogelblut- körperchen im Gefäßsysteme des Säugethieres. !) Anatom.-physiol. Bemerkungen. Müller’s Arch. 1838. p. 331. *) „Sur la persist. de la vie dans les membr. att. de Ia rigidite, qu'on appelle cadaverique“. Comptes rendus de l’Academie des Sciences. Bd. 32. 1831. p. 833. — »Sur le retablissement de 1’irritabilite musculaire chez un supplicie“. Idem ibidem, p. 897. — „Recherches experimentales sur la faculte, que possedent certains eiements du sang, de regenerer les proprietes vitales“. Id. Ibid. T. 41. 1853. p. 628. „Recherches experiment. sur les proprietes et les usages du sang rouge et du sang noir“. Compt. rend. T. 43. 1857. p. 562. — „Rech, exper. eur les propr. physiol. du sang Charge d'oxygene, et d. s. charg. d’acide carbonique“. Ibid. p. 925 u. ff. s) V. Dumas. Comptes rendus de l'Academ. 1846. T. 22. p. 900. *) Lefons sur le saug. etc. — Phenqmenes phys. de la vie. Paris. 1838. T. IV. Versuche über Transfusion des Blutes. 5 Diesen Angaben widersprechen die Versuche von Panum1), welche er an Thieren mit gequirltem, geschütteltem, durch dichte Leinwand geseihtem, und im Wasserbade zur Körpertemperatur er- wärmtem Blute angestellt hat. Seine mittels einer größeren Metallspritze vorgenommenen In- jectionen von gequirltem Wiederkäuerblut in die Venen von Hunden haben diese getödtet, und Panum gibt als Todesursache an, „das fremde Blut wirke giftig, weil es eben fremdes Blut sei“. Das Verschwinden der Vogelblutkörperchen aus den Säuge- thierkapillaren deutet er dahin, daß diese größeren Körperchen in den engsten Gefäßbahnen nach und nach stecken blieben, wodurch sie binnen ganz kurzer Zeit dem Kreisläufe entzogen werden. Panum’s Fundamentalversuch bestellt darin, daß er zwei Hun- den ihr Blut nach und nach in kleinen Parthien abließ, dasselbe defi- brinirte, und es ihnen in gegenseitigem Umtausche in geringen Men- gen wieder einspritzte. Dieser successive, nahezu gesammte Blutaus- tausch nach vorausgegangener Quirlung hat das Leben der Thiere nicht gefährdet. Die Thiere starben, wenn auf einmal zu große Blut- mengen injicirt wurden. Panum maß ferner die Gesammtsumme der Blutkörperchen in einer bestimmten Blutmenge vor und nach einer reichlichen Trans- fusion im selben Thiere, und fand nach der Operation keine Vermin- derung des Blutkörperchengehaltes im Blute. Hieraus zog er folgende Schlüsse: 1. Die sauerstoffhältigen, rothen Blutkörperchen sind das belebende Princip. 2. Gequirltes Blut function irt wie das eigene in dem Gefäßsysteme eines Thieres, wenn es von einem anderen Individuum derselben Gattung herrührt. 3. Das transplantirte fremde Blut substituirt das Eigenblut in allen Functionen vollständig, und conservirt sich ebenso lange lebensfähig, wie dieses selbst. 4. Gequirltes Blut der Wie- derkäuer vermag Hunde vorübergehend zu beleben. Es wird jedoch ausgeschieden, da es sich als fremd im Organismus auflöst. 5. Als Heilmittel beim Menschen verdient gequirltes Blut den Vorzug vor dem fibrinhältigen. 6. Es ist nur statthaft gesundes Menschenblut am Men- schen zu verwenden. 1) Experiment. Untersuchungen über Transfusion etc. Virchow’s Archiv. Bd. 27. 1863. S. 240—295 u. 433—459. 6 Mittler. Trotzdem ist durch die Tabelle von Blasius1) erwiesen, daß unter den vierzehn bis dahin mit defibrinirtem Blute unternommenen Transfusionen am Menschen kein einziger Fall einen glücklichen Erfolg hatte. Seither ist Benneeke2) eine solche Transfusion bei Asphyxie gelungen. In den beiden Fällen, wo die Infusion durch Kohlenoxydgas Erstickte wiederbelebte, hatten Badt und Martin3) nicht defibri- nirtes, Uterhart4) gequirltes Blut eingespritzt. Schließlich soll die Infusion defibrinirten Blutes einen Fall von Leukhaemie (Mosler5) und in jüngster Zeit einen zweiten von Scorbut (Mader6) der Heilung zugeführt haben. Alle anderen Versuche mit defibrinirtem Blute am Menschen, welche Monneret7),Fenger8),Larsen9), Polli19),Esmarch11), N eudörfer12), Braun13), Wagner und Möller14), Traube15), Sommerbrodt 16) undMosler17) angestellt haben, sind miß- lungen. Bl iedung18) hat einem Haemoptoiker 4—SUnzen Bockblut er- folgreich infundirt, und in den günstigen Fällen von Blundell 19), 1) Statist, d. Transf. Monatshl. f. med. Stat. und Gesundheitspflege. Novbr. 1863. Nr. 11 (Beilage d. Deutschen Klinik). Fälle Nr. 87—93, 96, 97, 103, 112—113. 2) Berl. klin. Wochschrft. Nr. 14. 1867. s) Sitzb. d. Berl. med. Gesellschaft. 28. März 1866. 4) Deutsche Klinik. 1867. 5) Die Transf. bei Leukhämie und Anämie. Berl. 1867. 6) Wochbltt. d. Ges. d. Ärzte in Wien. Nr. 23. 17. Juni 1868. 7) Gazette medieale de Paris. Nr. 42. 1831. 8) Hosp, Meddelelser. Bd. 6. 1833. 9) Panum, Virch. Arch. 1. c. 10) Annali univers. di med. Marzo 1832. Vol. 139. — Schmidt’s Jahrb. Bd. 73. 1832 41) Dreesen. Diss. inaug. de trsfus. sangu. Kiliae 1861. 12) Öst. Ztschrft. f. praet. Heilkde. 1860. VI. Jahrg. 13) Wien. med. Wochenschrift. 1863. 14) Friedberg H. Vergiftung mit Kohleudunst. Berl. 1866. S. 174. 15) Ibid. p. 166. 16) Ibid. p. 173. 17) Berl. klin. Wochschrft. 1866. iS) Pfaff’s Mittheilgn. Neue Folge. Jahrg. V. Heft 11 & 12. S. 43. 1839. 19J Physiol. researches on transfus. of blood. 1824. p. 140 u. ff. Versuche über Transfusion des Blutes. 7 Schneemann1), Kilian3), Martin3), Devay und Degran- g e s *), Nassbaum5), H e g a r6) und Anderen wurde nur ungequirltes Menschenblut in Anwendung gezogen. So sprechen sich auch Martin und Schütz, der die Kilian 'sehen Versuche gesammelt, wohl für die indirecte Transfusion, doch entschieden gegen die Quirlung aus. Als ich nun im November 1867 auf Anregung des Herrn Profes- sors Stricker eine Reihe von Versuchen in dieser Richtung unter- nahm, wollte ich zunächst die Frage beantworten, ob eine unmittel- bare Transfusion von Thier in Thier ohne vorausgeschickte Defibri- nation eine Blutgerinnung herbeiführe, wenn die beiderseitigen Ge- fäßsysteme in directe Verbindung gebracht werden. Ich stellte es mir ferner zur Aufgabe, die in ihrer allgemeinen Fassung dem Verständnisse schwer zugängliche Behauptung zu prü- fen, daß fremdes Blut giftig wirke, weil es eben fremdes Blut ist. In diesem Sinne sind etwa 30 Trans- und Infusionsversuche an Hunden, Kaninchen, Schafen, Katzen, Schweinen und Hühnern ge- macht worden. Meine Operationstechnik für die Transfusion war folgende: Eine größere Arterie des blutabgebenden und eine größere Vene des blutempfangenden Thieres wurden mit je einer entsprechenden Glascanule versehen und vermittelst kurzer Kautschukschläuche mit Glasröhren-Interposition untereinander verbunden. Zur Füllung der Canulen diente eine 2ya— 3proc. Lösung koh- lensauern Natrons. Die Strömung controlirte ich durch Betasten der Vene. Solange die Strömung anhält, empfindet man an dieser ein Rieseln. Das Ein- treten eines Pulses an der Vene ist in der Regel das Zeichen einer Stauung. Die eingeströmte Blutmenge bestimmte ich durch Wägung der Thiere vor und nach der Operation. 1) Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 80. 3) Schütz. Diss. inaugur. de trsf. sangu. Bonae. 1852. 3) Über Transf. bei Neuentbundenen. Bert. 1859. — Martin. Monatsschrift f. Geburtskde. April 1861. 4) Gazette medic. de Paris 1852. 1 — 3. Schmidt’s Jahrb. Bd. 75. 1852. 5) Bair. ärztl. Intellig. B!. 1862. •) Virchow’s Arch. Bd. 30. 1864. S. 254. Mittler. Die Infusionen machte ich mit einer Metallspritze von 22 Grm. Fassungsraum. Aus meinen Versuchen habe ich nun zunächst die Überzeugung gewonnen, daß der Faserstoffgehalt des Blutes für die Transfusion die ihm bisher zugeschriebene Bedeutung nicht besitze. Bei dem unmittelbaren Blutaustausche zwischen zwei Thieren gleicher oder auch verschiedener, und einander fernestehender Gat- tungen können die blutempfangenden Individuen längere Zeit hindurch fortleben, und es sind nach ihrer gewaltsamen Tödtung keine Gerin- nungen nachweisbar. Die Angabe von Pan um, daß diese Gerinnungen bei den Sectionen nur übersehen werden, weil sie in den feinsten Haar- gefäßen stattfinden, kann ich weder unterstützen noch bestreiten. Dieselbe stimmt übrigens kaum zu der Beobachtung, welche schon Johannes Müller gemacht hatte, daß die Thiere, welchen fremd- artiges Blut eingeflößt worden, gewöhnlich erst am sechsten Tage sterben. Das direct von Gefäß zu Gefäß übertragene Blut veranlaßt keine wahrnehmbaren Gerinnungen im Kreisläufe des biutempfangenden Thieres, auch nicht bei Transfusionen zwischen Säugethier und Vogel nach beiden Bichtungen. Zwischen Thieren gleicher Gattung kann auf unmittelbarem Wege nahezu die ganze Blutmenge ausgetauscht, und ein durch Ver- blutung eben getödtetes Thier durch rechtzeitige, directe Trans- fusion wieder belebt werden. Ich habe einem mittelgroßen Hunde aus der Schenkelschlag- ader so lange Blut entzogen, bis Puls- und Athemstillstand eingetre- ten war. Nun wurde rasch die unmittelbare Transfusion aus der Schen- kelarterie eines großen Hundes in die Cruralvene des eben verbluteten eingeleitet. Das Einströmen erfolgte durch eine mäßig weite Canule bei kräftigem Herzimpulse des großen Thieres sehr schnell; nach iya bis 2 Minuten zeigte der empfangende Hund wieder Puls- und Atliem- bewegungen. Die Wägung ergab, daß derselbe noch einmal so viel Blut empfangen hatte, als ihm vorher entzogen worden war, und nach einer Berechnung auf Grundlage der bekannten Daten dürfte das kleinere Thier um i/6 mehr Blut bekommen haben, als es ursprüng- lich in toto besessen hat. Versuche über Transfusion des Blutes. 9 Es zeigte nach der Operation Erscheinungen starker Plethora, war lebhaft erregt, angriffslustig, fraß und trank jedoch sofort, und bot nach 24 Stunden keine auffällig abnormen Verhältnisse. Bei der Infusion defibrinirten Blutes ist mir ein Austausch in solchem Umfange und mit gleichem Erfolge nicht gelungen. Ich habe den Pa num'sehen Fundamentalversuch (V. S. 5.) wiederholt, und mit ihm übereinstimmend gefunden, daß bei der Einspritzung gequirlten Blutes gleicher Gattung das langsame und successive Einströmen in kleinen Parthien eine Hauptbedingung des Erfolges sei. Bei der Infusion faserstofflosen Blutes ist es auch nöthig, vorher eine entsprechende Depletion vorzunehmen. Diese Vorsichtsmaßregel, so wie die vorerwähnte, auf die Ein- strömung bezügliche sind bei der unmittelbaren Transfusion von weit geringerer Bedeutung, die letztere sogar überflüssig. Sämmtliche Thiere, welche ich Infusionsproceduren unter den schonendsten Verhältnissen unterzogen habe, sind nicht unbeträcht- lich erkrankt, auch wenn geringere Mengen gleichartigen Blutes ein- gespritzt wurden; eine Thatsache, welche sich schon hei Schütz1) nachgewiesen findet. Die Versuchsergebnisse der Transfusion zwischen Thieren ver- schiedener Gattungen weichen von den bisher geschilderten in we- sentlichen Punkten ab. Kleine Mengen direct überführten Blutes vom Hunde ins Kanin- chen und umgekehrt, werden auch ohne vorausgegangene, entspre- chende Venaesection ertragen. Unter gleichen Verhältnissen er- kranken die empfangenden Thiere, wenn ihnen gleiche Mengen ge- quirlten Blutes eingespritzt werden. Die directe Transfusion von Schaf auf Hund konnte ich nach vorausgehender Depletion in der Begel mit y8 des gesammten Blut- gehaltes des empfangenden Thieres ausführen und die Thiere am Leben erhalten. In einzelnen meiner Versuche haben Hunde unmittelbar überleitetes Schafblut bis zu y5, zuweilen noch bis nahezu J/4 des gesammten eigenen Blutgehaltes ertragen; über diese Mengen jedoch konnte ich nicht hinausgehen. 1) L. c. p. 37. 10 Mittler. Der einzige Todesfall, den meine Versuchsreihe der unmittel- baren Transfusion zwischen ungleichartigen Säugethieren aufweist, erfolgte am vierten Tage nach der Operation unter nicht aufgeklärten Erscheinungen. Der betreffende Hund hatte mehr als a/7 seiner ur- sprünglichen eigenen Blutmenge vom Schafe erhalten. Solche Quantitäten gequirlten Schafblutes ertragen, nach meinen Versuchen, die Hunde nicht, seihst wenn dasselbe successive, unter sehr geringem Drucke und möglichst langsam eingespritzt wird. Die Infusion defibrinirten Schafblutes hatte schon bei y8 des eigenen Blutgehaltes den Tod des Hundes zur Folge, wenn ich die Procedur in demselben Zeitmaße durchführen wollte, wie einedirecte Transfusion. Überhaupt trat nach meinen Infusionen der Tod ausnahmslos rascher, zuweilen selbst nach weit geringeren Mengen ganz plötzlich, noch vor Beendigung des Versuches ein. Bei dem Blutaustausche zwischen Säugethier und Vogel wer- den nur geringe Mengen ertragen, auch wenn derselbe unmittelbar von Gefäß zu Gefäß stattfindet. Zwischen Hund und Huhn gelangen mir die Transfusionen bis zu */6 des Vogelblutgebaltes nicht mehr. Über den Einfluß der Quir- lung auf diesem Gebiete kann ich nichts aussagen. Auch über den Nachweis der Säugethierblutkörpercben im Vogel möchte ich mich nicht mit voller Entschiedenheit ausprechen. Es ist bekannt, daß die ellyptischen Blutkörperchen des Vogels häufig eine runde Form annehmen, und daß die Größen ziemlich veränderlich sind. Ich glaubte Hundeblutkörperchen im Huhn noch nach drei Tagen zu erkennen. Die Behauptung von Brown-Sequard *), daß sie noch nach einem Monate deutlich zu unterscheiden wären, konnte ich nicht bestätigen. Vogelblut im Säugethiere habe ich noch einige Stunden nach der Einspritzung deutlich nachgewiesen. Die feinsten Säugethier- capillaren sind demnach für die größeren ellyptischen Blutkörperchen des Vogels durchgängig. Die Weiterfunctionirung des Blutes eines Thieres im Gefäß- systeme eines anderen von fremder Gattung, ist auch für die unmit- *) Pan u m. Virch. Arch. 1. c. Versuche über Transfusion des Blutes. 11 telbare Transfusion durch diese Versuche nicht endgiltig ent- schieden. So vollständig wohl, wie nach der Transfusion gleichartigen Blutes, haben sich die Thiere selbst bei geringeren Mengen nicht befunden. Andeutungen hierüber fand ich übrigens schon bei King. DieThiere boten im Beginne der Überleitung, beinahe ausnahms- los das Bild mehr oder minder heftiger, vorübergehender Dyspnoe. Die Unregelmäßigkeit in der Bespiration schwand jedoch in derRegel noch während des Versuches, oder bald nachher. Sie war überhaupt erheblich geringer in den Fällen, wo die Einströmungsstelle an der Schenkelvene, also vom Herzen entfernter gewählt wurde. Zuweilen erfolgten jedoch auch parenchymatöse Blutungen aus den frisch gesetzten Operationswunden, und Ausscheidungen blutigen Harns, selbst wenn die Thiere den Act des Blutumtausches in toto überdauerten. Diese Erscheinungen beschrieb schon Denis1) an Antoine Mauroy, Gaspard deGurye Sieur de Montpoly2) an Hunden, denen eine große Quantität fremden Blutes beigebracht worden. Sie wurden um jene Zeit immer nur als Folgen allzureichlichen Blutumtausches angesehen. Panum schildert diese Wirkung in noch ausgedehnterem Maße von der Infusion gequirlten, fremdartigen Blutes, — wie vor ihm Bi sch off die Ausscheidungen blutigen Schleimes in die Kör- perhöhlen der Frösche. Derselbe fügt übereinstimmend mit Ray er3) hinzu, daß die schädliche Wirkung mit derEntfernung der einzelnen Gattungen von einander in geradem Verhältnisse steige. Meine Erfahrungen bestätigen diese Angaben. Das unmittelbar überleitete Blut bringt zwar niemals so intensive Ausscheidungen so plötzlich hervor, wie das gequirlte, allein die Ausscheidungen selbst fehlen auch hier nicht, wenn sie gleich bei geringen Mengen frem- den Blutes nicht augenfällig zu Tage treten. *) Lettre touchant une folie etc. 1. c. a) Philosoph, transact. Numb. 28. Oct. 21. 16G7. p. 519. 8) Brown-Sequard. Recherches etc. sur le sang charg. d’oxygene etc. I. c. p 925 . 12 Mittler. Ich muß also den Behauptungen von Giovanni Polli i) und seinem Gewährsmanne Rosa*), namentlich aber denen von Bro wn- Sequards) widersprechen, der die Unschädlichkeit eines Blut- tausches zwischen fremden Gattungen, Ordnungen und Classen in den weitesten Grenzen vertritt. Seine Annahme einer „giftigen“ Wirkung durch Kohlensäure- gehalt ist nach dem neuesten Standpunkte dieser Frage kaum zu dis- cutiren. Sicher ist so viel, daß das Blut der Thiere derselben Gattung sich bei beiden Methoden des Blutumtausches wesentlich anders ver- halte, als das fremder Gattungen. Diese Verschiedenheit der Wirkung prägt sich am deutlichsten in den makro- und mikroskopischen Nierenbefunden aus. Bei Transfusion gleichartigen Blutes sind die Nieren des empfan- genden Thieres, auch bei strotzender Blutfülle der übrigen Organe nur stark hyperaemisch, sonst in ihren Strukturverhältnissen normal. Anders nach der Übertragung fremdartigen Blutes. Sie erschei- nen theils von Imbibitionsröthe dunkel gefärbt, theils von abgegrenz- ten Infarcten durchsetzt. (Einmal sah der Kamm eines Hahnes nach der Injection von Katzenblut mehrere Tage hindurch dunkellivid aus.) Unter dem Mikroskope erscheinen die Harnkanälchen auf dicken Schnitten lebhaft rotli, auf dünnen tief gelb. Es ist mir aber nicht gelungen, in den Harnkanälchen solcher Nieren unversehrte Blutkör- perchen aufzufmden. In dem blutigen Harne der Hunde war Haematin in beträchtlicher Menge enthalten. Jedoch auch hier vermochte ich keine unveränderten Blutkörperchen zu entdecken. Ausserdem fand ich die Leber, die Milz, die Lungen solcher Thiere dunkler roth gefärbt, als im Normale. Die interessante Thatsache, daß nach der Einspritzung fremden Blutes ein roth gefärbter Harn abgeht, kann in zweifacher Weise gedeutet werden. Entweder rührt der Farbstoff nur von einer Zerstörung der neu eingeführten Blutkörperchen her, oder es sind durch das neu eilige- 1) L. c. *) Scheel 1. c. Vol. IL •) L. c. Versuche über Transfusion des Blutes. 13 führte Serum auch die dem Thiere eigenen Blutkörperchen in Mitlei- denschaft gezogen Avorden. Der letztere Fall Aväre namentlich geeig- net, die rasch tödtende Wirkung größerer Mengen gequirlt eingespritz- ten, fremdartigen Blutes zu erklären. Ob ungleichartiges Blut hei der unmittelbaren Transfusion kurze Zeit hindurch in der fremden Gefäßhahn functioniren, und durch Bei- behaltung seiner Lehenseigenschaften vorübergehend belebende Wir- kungen bei großen Blutverlusten äußern könne, wie dieß Pan um seihst für das gequirlte, fremde Blut annimmt, bleibt durch diese Ver- suche noch immer unentschieden. Da jedoch das unmittelbar transfundirte Blut, gleichviel welcher Art, caeteris paribus wesentlich besser und in größeren Mengen er- tragen wird, als das gequirlt infundirte, anderseits in neuester Zeit Rud. D emme1) und ganz kürzlich Mader2) profuse Blutungen aus dem Darm, dem Uterus, der Scheide, der Letztere auch Stauungser- scheinungen in der rechten Herzkammer nach geringen Infusionen gequirlten, gesunden Mensehenblutes in den Menschen beobachtet haben, so erscheinen nach meinen Versuchen unmittelbare Transfu- sionen von Thier auf Mensch in beschränktem Umfange einer näheren Prüfung werth. Das Endergebniß dieser Versuche läßt sich in nachfolgenden Sätzen zusammenfassen: 1. Das direct von Gefäß zu Gefäß transfundirte Blut veranlaßt keine Gerinnungen im Kreisläufe des blutempfangenden Thieres, oh nun das blutabgebende Thier derselben oder einer fremden nicht allzu fernstehenden Gattung angehört. 2. Das direct transfundirte Blut Avird vom empfangenden Thiere gleicher Gattung besser ertragen, als das defihrinirt injicirte Blut. 3. Das direct transfundirte Blut einer fremden Gattung w ird gleichfalls besser und in größeren Mengen ertragen, als das gequirlt eingespritzte. 4. Säugethierblutkörperehen sind im Vogel mit Wahrscheinlich- keit noch nach 2—3 Tagen nachweisbar. *) Jahrbuch f. Kinderhlkde. Neue Folge. 1. Jahrgang, II. Hft. p. 190. 2) Wchnbltt. der Gesellschaft der Arzte iu Wien. 1868. 14 Mittler. Versuche über Transfusion des Blutes. 5. Dei feinsten Säugethiercapillaren sind für Vogelblutkörper- chen durchgängig. 6. Fremdartiges Blut wirkt anders im Gefäßsysteme, als gleich- artiges. Weder die Gerinnungen, noch der Kohlensäuregehalt sind die entscheidenden Factoren dieses eigenthümlichen Verhaltens. 7. Einige Zeit nach erfolgter Trans- oder Infusion fremden Blu- tes wird Blutfarbstoff ausgeschieden. Die Ausscheidung übernehmen zumeist die Nieren. Nehstdem sind viele parenchymatöse Organe durch ihre rothe Färbung auffällig. Aus der k. k. Hof- und Staatsdruekerei in Wien.