Aus dem fVII. ßde. d. Sitzb. d. k. Akad. d. Wissensch. II. Abth. Jänn.-Ileft. Jahrg.1868. Über das Aufsuchen von Ammoniak in thierisehen Flüssigkeiten und über das Verhalten desselben in einigen seiner Verbin- dungen. Von Ernst Brücke, wirklichem Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. (Vorgelegt in der Sitzung am 9. Jänner 1868.) Die nachfolgenden Untersuchungen sind im Winter 1866/7 be- gonnen worden. Anderweitige Arbeiten verhinderten mich damals sie so weit zu führen, wie ich beabsichtigte, und später mußte ich sie ganz ruhen lassen, wreil sie in der warmen Jahreszeit zu keinen ver- läßlichen Resultaten geführt haben würden. B. W. Richardson (the cause of the coagulation of the blood. Astley Cooper price essay for 1866. London 1858. 8°) glaubte bekanntlich gefunden zu haben, daß das Blut beim Gerinnen schon hei gewöhnlicher Temperatur kohlensaures Ammoniak an die Atmosphäre abgibt und gründete darauf eine eigene Theorie der Blutgerinnung. Diese Theorie ist seitdem ausführlich widerlegt worden *) und außerdem haben Kühne und Strauch2), die ein viel vorwurfs- freieres Verfahren als Richardson anwendeten, aus dem Blute erst dann Ammoniak erhalten, wenn es auf mehr als 40° erwärmt wurde. Nichts desto weniger gibt frisches Blut bei gewöhnlicher Tem- peratur Ammoniak ah, freilich in sehr geringer Menge. Um es nachzuweisen, wende ich folgendes Verfahren an. Ich nehme eine flache Dose aus Glas mit aufgeschmirgeltem Deckel. An letzteren klebe ich mittelst Wachs eine weiße Porzellanscherbe. Diese benetze ich mit sehr verdünnter Schwefelsäure, nachdem 1) J. List er: On a case of spontaneous g-angrene from arteritis and on the causes of coagulation of the blood in diseases of the hlood vessels: Edinburgh medical journal Nr. 34 (April 1838) p. 893. Derselbe: Notice of further researches of the coagulation of the hlood. Ibid. No. 34 (Dec. 1839) p. 336. 2) Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften, redigirt von L. Hermann 1864 S. 361. 2 B r ü c k e. ich mich vorher überzeugt habe, (laß dieselbe mit dem Nessler'- schen Reagens keine Spur von Ammoniakreaction gibt. (Ich habe hei späteren Versuchen des Vergleiches halber und ganz mit demselben Resultate statt der verdünnten Schwefelsäure mehrfach auch Lösungen von Weinsäure und von Oxalsäure angewendet. Das Wasser, in dem man löst, kann ammoniakfreies Brunnen- wasser sein. In meinen Versuchen wurde stets solches angewendet, das durch Destillation von einer Weinsäurelösung gewonnen war. Das gewöhnliche destillirte Wasser enthält bekanntlich mehr Am- moniak als die besseren Brunnenwässer.) Nun lasse ich in die Dose direct aus der Ader eines Hundes Blut rinnen und setze den Deckel auf, nachdem ich seinen Rand behufs des besseren Verschlusses mit etwas Öl benetzt habe. Das Ganze bleibt eine Stunde lang auf dem Fenstertische eines Zimmers stehen, das bis auf 18 — 20° Celsius geheizt wird. Nach Verlauf derselben hebe ich den Deckel ab und tröptle auf die Scherbe Ness 1 er’sches Reagens1)- Dasselbe weist deutlich Ammoniak nach. Die Scherbe aus einem zur selben Zeit und am seihen Orte angestellten Gegenversuche, bei welchem sich statt Blut Wasser in der Dose befand , bleibt, mit dem Reagens geprüft, vollkommen weiß. Dagegen gehen Blutkuchen und Serum, getrennt in neue Dosen gebracht, im Verlauf weiterer 2—3 Stunden noch wieder Ammoniak ah. Auch Kaninchenblut gibt unter denselben Umständen Ammoniak ah, aber in noch viel geringerer Menge als das Hundeblut, in der That nur in schwachen, wenn auch deutlichen Spuren. Ich habe mich dieses Verfahrens unter steter Anstellung von Parallelversuchen bedient, um auch anderswo der Ammoniakentwick- lung nachzuforschen. Speichel entwickelt bedeutende Mengen von Ammoniak und dasselbe rührt hier nicht etwa blos vom Tabakrauchen oder von cariösen Zähnen her, denn Dr. Sigmund M., der im vergangenen Winter in meinem Laboratorium arbeitete, erhielt aus seinem Speichel 0 Das Nessler’sche Reagens wurde von mir stets nach Ha dow’s Vorschrift bereitet. Man löst 2% Unzen Jodkalium in 10 UnzenWasser und fügt dazu so lange Sublimat- lösung, als man den Niederschlag noch durch Schütteln wieder auflösen kann. Dann fügt man 6 Unzen Kali im gleichen Gewichte Wasser gelöst hinzu und verdünnt das ganze mit Wasser bis zum Volumen von 1 Quart. Über das Aufsucheu von Ammoniak in thierisehen Flüssigkeiten etc. 3 deutlich Ammoniak, obgleich er vollkommen gesunde Zähne hatte und sich zur Zeit der Versuche des Rauchens enthielt. Auch bei directem Zusatze von Nessler'schem Reagens zu Speichel bräunt sich derselbe stark. Frisches Hühnereiweiß zeigt auf die obige Weise geprüft Am- moniakentwicklung. Harn entwickelt Ammoniak ohne allen Zusatz und bei gewöhn- licher Temperatur auch wenn er entschieden sauer reagirt. Trüber, nur schwach sauer reagirender Harn entwickelt solches in relativ beträchtlicher Menge. Wenn auch an dem Vorkommen von Ammoniak im Harn nicht mehr gezweifelt wird, so ist es doch gewiß im ersten Augenblicke befremdend, daß eine gegen Lakmuspapier sauer reagirende Flüssig- keit bei gewöhnlicher Temperatur Ammoniak entwickelt; aber das Auffallende verliert sich, wenn man die Erscheinung im Zusammen- hänge mit anderen Thatsachen betrachtet. Re nee Jones (Proceedings of the Chemical society Vol. II, p. 244) fand schon im Jahre 1844, daß ammoniakalischer Urin, wenn er auf blauem Lakmuspapier eintrocknete, dieses röthete. Das- selbe geschah durch normalen Urin, dem er Ammoniak im Über- schüsse zugesetzt hatte. Eben so verhielt sich eine Lösung von harnsaurem Ammoniak in Wasser, ebenso hippursaures Ammoniak mit Ammoniak im Über- schuß in Wasser gelöst. Ferner essigsaures, oxalsaures, salpeter- saures, schwefelsaures, schwefelwasserstoffsaures, salzsaures, benzoe- saures, phosphorsaures und kohlensaures Ammoniak. Kohlensaures gab die schwächste Spur von Roth. Die Temperatur war etwa 67° 7 Fahrenheit. Wenn harnsaures Ammoniak gelöst und dann die Lösung im Vacuum über Schwefelsäure verdunstet wurde, so wies das Mikroskop im Rückstände einzelne Krystalle von Harnsäure nach. Gladstone (Report 27 British association f. 1857 Not. and Abstr. 48. Kopp u. Will Jahresbericht für 18J9, p. 118) fand, daß schwefelsaures, oxalsaures und phosphorsaures Ammoniak heim Kochen Ammoniak abgeben und krystallisirtes citronensaures Ammo- niak schon bei gewöhnlicher Temperatur Ammoniak verliert. Es ist aber auch keine seltene Erscheinung, daß Ammoniaksalze selbst der stärksten Säuren in ihren Lösungen hei gewöhnlicher Tem- 4 B r ü e k e peratur so viel Ammoniak verlieren, daß sie mehr oder weniger stark saure Reaction annehmen. Wenn ich zu verdünnter Schwefelsäure so viel Ammoniak setze, daß die Flüssigkeit Lakmus nicht mehr rothet und sie dann bis zum anderen Tage in einer flachen Schale offen stehen lasse, so reagirt sie wieder entschieden sauer, das blaue Lakmuspapier färbt sich gleich heim Eintauchen roth. Saures weinsaures Ammoniak, genau mit Natron neutralisirt, gibt Ammoniak ab, das sich schon im Verlaufe einer Stunde durch das eingangs beschriebene Verfahren nachweisen läßt. Mit Ammoniak neutralisirte Oxalsäure erhält ihre neutrale Reac- tion länger, aber wenn beim aljmäligen Verdunsten der größere Theil des oxalsauren Ammoniaks bereits herauskrystallisirt ist, so rötliet die Mutterlauge auch Lakmus, wenn auch nicht sehr stark. Reines salpetersaures Ammoniak mit so viel NH3 versetzt, daß es neutral oder alkalisch reagirt, verliert dies NHS bei gewöhnlicher Temperatur wieder und nimmt wieder saure Reaction an. Salmiaklösung gibt, selbst wenn sie Lakmus schwach röthet, schon bei gewöhnlicher Temperatur Ammoniak ab, das auf die oben erwähnte Weise leicht durch das Nessl er’sche Reagens nachgewie- sen werden kann. Versetzt man eine sauer reagirende Chlorcalciumlösung mit Am- moniak im Uberschuß und läßt sie im offenen Gefäße stehen, so bedeckt sie sich mit einer sehr feinen Krystallhaut, deren Krystalle sich als aus kohlensaurem Kalke bestehend erweisen. Diese kann durch Einwirkung von kohlensaurem Ammoniak ent- standen sein; aber das große Absorptionsvermögen der Chlorcalcium- lösungen für Ammoniak deutet an, daß letzteres schon an sich den Kalk aus seiner Verbindung verdrängt. Nichts destoweniger dunstet schon bei gewöhnlicher Temperatur das Ammoniak allmälig ab und die Flüssigkeit' nimmt wieder saure Reaction an. Interessanter ist es, wenn man Flüssigkeiten schon bei gewöhn- licher Temperatur Ammoniak entwickeln sieht, in denen gar kein Ammoniak nachweisbar ist. Ein Beispiel dafür ist folgendes: Wenn man reinen, aus Blut- laugensalz, Braunstein und Pottasche dargestellten Harnstoff, der mit dem Nessler’schen Reagens einen rein weißen Niederschlag gibt, in ammoniakfreiem Wasser kalt auflöst und dieser Lösung CO Cai Ox oder Über das Aufsuchen von Ammoniak in thierischen Flüssigkeiten etc 5 CO Mg) PO 2Na H COj Ca( Oj, oder O3 zusetzt, so entwickelt sie Ammoniak. 02 und CO} Mg 02 leiteten trotz ihrer geringen Löslichkeit selbst eine stär- PO 2Na H kere Ammoniakentwicklung ein als das in Lösung zugesetzte 03, Ein Parallelversuch mit bloßer Harnstoflflösung gab kein Ammoniak. PO Ca H PO Mg H Auch auf Zusatz von 03 oder 03 entwickelten sich aus Harn- stofflösung nur kaum merkliche Spuren von Ammoniak. Dagegen trat die Reaction deutlich ein, wenn KJ NaJ 07 oder MgO hinzugesetzt wurde. Prüft man nun solche Flüssigkeiten, die schon Ammoniak abge- geben haben, direct mit dem Nessler’schen Reagens, so weist die- ses nur Harnstoff, aber kein Ammoniak nach. Ich habe frisch geschmolzenes Atzkali in ammoniakfreiem Wasser gelüst und dann in dieser Lösung hei gewöhnlicher Temperatur Harnstoff zergehen lassen. Die Flüssigkeit entwickelte nach meiner Methode geprüft reichlich Ammoniak. Nachdem sie dies gethan, nahm ich eine Probe aus ihr und setzte Nessler'sches Reagens zu. Es entstand nur der weiße, von Harnstoff herrührende Niederschlag. Man könnte einwenden, daß dies Verfahren weniger empfindlich sei, weil der gelbbraune Niederschlag leicht durch den weißen ver- deckt werden kann; man kann sich aber davor schützen, indem man das Reagens tropfenweise zusetzt. Der weiße Niederschlag entsteht dann nicht sofort; beim Zusetzen der ersten Tropfen bleibt die Flüs- sigkeit unverändert, wenn man aber dann ammoniakhaltiges Wasser hinzufügt, so entsteht sogleich eine gelbbraune Färbung, beziehungs- weise ein gelbbrauner Niederschlag. Die relative Menge des Ammo- niaks, welche sich in der Flüssigkeit befand, war also jedenfalls sehr gering im Vergleich zu derjenigen, welche sich in der auf der Porzellanscherbe befindlichen Säure angesammelt hatte, sie war so gering, daß sie sich durch das empfindlichste Ammoniakreagens, welches uns zu Gebote steht, nicht nachweisen ließ. Bei der verhältnißmäßig geringen Geschwindigkeit, mit der Ammoniak und vielmehr noch kohlensaures Ammoniak hei gewühn- 6 Brücke. lieber Temperatur aus seinen verdünnten Lösungen entweicht, führt uns dies zu der Idee, daß nicht nur die Ammoniakentwicklung, son- dern vielleicht auch die Ammoniakbildung lediglich an der Oberfläche der Flüssigkeit stattfindet. Man kann sich vorstellen, daß durch die Einwirkung des Alkalis oder der alkalisch reagirenden Salze der Zusammenhang des Harn- stoffmoleeüls zwar gelockert wird, daß aber die Zersetzung zunächst nur an der Oberfläche zu Stande kommt, wo den centrifugalen Ten- denzen des Ammoniakmolecüls freier Raum gegeben ist. Ich verschloß eine Lösung von Harnstoff in Ätzkali in eine zu- geschmolzene Glasröhre und ließ dieselbe 14 Tage lang bei gewöhn- licher Temperatur stehen, dann öffnete ich sie und fügte Nessler’- sehes Reagens hinzu. Nun erhielt ich allerdings einen gelben Nieder- schlag, aber derselbe war keineswegs so tief gefärbt, wie er es hätte sein müssen, wenn sieb in den 14 Tagen 336mal so viel Ammoniak gebildet und angesammelt hätte, wie eine solche Lösung im Laufe einer Stunde an die Luft abgibt. Die Thatsaehe, daß der reine Harnstoff in alkalisch reagirenden Flüssigkeiten Ammoniak entwickelt, zeigt uns die Trüglichkeit ver- schiedener zur Aufsuchung des Ammoniaks empfohlener Methoden. Früher empfahl man die zu untersuchende Substanz mit Kalilauge zu übergießen, um zu sehen, ob sie dann schon bei gewöhnlicher Tem- peratur Ammoniak entwickelt. Aber selbst eine so stabile Verbindung, wre die Harnsäure, hält diese Probe nicht aus. Sie entwickelt Ammo- niak und zw ar in solchen Quantitäten, daß man es mit Hämatoxylin- papier und auch mit gut bereitetem rothen Lakmuspapier leicht nach- weisen kann. Ich habe mich davon an Harnsäure überzeugt, die ich theils umkrystallisirt, tlieils mehrmals mit Wasser ausgekocht hatte. Später, als man das Kali fürchten gelernt batte, schrieb man vor, es nicht concentrirt, nur verdünnt anzuwenden, und endlich wurde es durch die von Roussingault empfohlene Magnesia usta verdrängt. Auch sie ist nicht vorwurfsfrei, da sie, wie wir oben gesehen haben, mit dem Harnstoff, also voraussichtlich auch noch mit vielen anderen stickstoffhaltigen Verbindungen, die keine Ammoniaksalze sind, Ammoniak liefert. Aber sie hat doch vor dem Kali den sehr großen Vorzug, daß sie viel w eniger energisch einwirkt und wegen ihrer geringen Löslichkeit stets nur in beschränkter Menge zur Act ion kommt, während sie anderseits doch das Ammoniak, wie es scheint, Über das Aufsuehen von Ammoniak in thierischen Flüssigkeiten etc. 7 aus allen Ammoniaksalzen nach und nach vollständig austreiht. Die Menge des sich entwickelnden Ammoniaks ist es deshalb, welche in Betracht gezogen werden muß. Zur Entscheidung der Frage, ob in einem Gemenge von unbekannter Zusammensetzung auch Spuren von fertig gebildetem Ammoniak enthalten seien, ist die Magnesia asia gleichfalls unbrauchbar. Ich habe versucht andere Erden oder deren alkalisch reagirende Salze der Magnesia asta zu substituiren, habe aber nichts gefunden, was ich mit vollem Vertrauen empfehlen könnte. Ausgedehntere Anwendung noch als diese Erden scheint mir eine Flüssigkeit finden zu können, welche ich dadurch bereite, daß ich einer ammoniakfreien Bleizuckerlösung so viel von einer ammo- niakfreien Kalilösung zusetze, daß sie rothes Lakmuspapier bläut, andererseits aber mit blauem Lakmuspapier geprüft, beim Eindringen von der direct benetzten Stelle aus noch einen entschieden rotlien Rand hervorbringt. Eine solche Lösung, die unfiltrirt angewendet wird, entwickelt wenigstens aus Harnstoff kein Ammoniak, während sie solches aus einer Lösung von salpetersaurem oder schwefelsaurem Ammoniak reichlich entweichen macht, unverhältnißmäßig reichlicher als es die Lösungen dieser Salze für sich allein abgeben. Als allgemein entscheidend kann man indeß auch die Anwen- dung dieses Reagens nicht ansehen, so lange man das Verhalten der anderweitigen stickstoffhaltigen Verbindungen, welche außer den Ammoniaksalzen etwa noch in der zu untersuchenden Flüssigkeit Vor- kommen können, nicht kennt. Eben so wenig weiß ich bis jetzt, wie man entscheiden will, oh das Blut Spuren von Ammoniaksalzen enthält, oder ob das Ammo- niak, welches es entweichen läßt, lediglich Zersetzungsproduct ander- weitiger stickstoffhaltiger Substanzen ist. Daß das Blut, wenigstens das des Hundes, keine irgend wie beträchtliche Mengen von Ammo- niaksalzen enthält, davon habe ich mich durch einen Versuch, den ich nur zweimal, aber mit völlig gleichem Resultate angestellt habe überzeugt. Ich fing das Blut in seinem gleichen Volum reiner Blei- zuekeriösung auf, mischte es damit und goß einen Theil in zwei der eingangs beschriebenen gläsernen Dosen, wie sie mir zur Prüfung auf entweichendes Ammoniak dienten; die übrige Flüssigkeit filtrirte ich, fällte das Filtrat mit Oxalsäure, filtrirte wieder und übersättigte mit Kali. 8 Brücke Diese Flüssigkeit zeigte sofort mit N-essler'schem Reagens ge- mischt, kein Ammoniak an, wohl aber trat eine gelbe Färbung ein, als diesem Gemische einige Tropfen einer sehr verdünnten Lösung von schwefelsaurem Ammoniak hinzugeselzt wurden, zum Zeichen, daß sich in der Flüssigkeit keine Substanz befand, welche die Nessle r’sche Reaction hindert Die Prüfung der Porzellanscherben in den Dosen zeigte gleich- falls kein Ammoniak an. Es war hiermit dem Einwande begegnet, daß vielleicht das Blut während des Filtrirens sein Ammoniak abge- geben habe, denn gab es schon mit Bleizucker gemischt kein Am- moniak ab, so konnte es noch weniger solches abgeben, nachdem noch Oxalsäure im Überschuß hinzugefügt war. Das Verhalten einer Substanz gegen Nessler's Reagens kann uns auch gelegentlich als Anhaltspunkt für die Entscheidung der Frage dienen, ob dieselbe ein wahres Ammoniaksalz sei oder nicht. Für das letztere wird man sich meiner Ansicht nach entscheiden müssen, wenn die reine Substanz die Reaction nicht gibt; tritt die- selbe ein, so wird noch weiter zu untersuchen sein, oh das Ammoniak als solches in der Substanz enthalten oder ein erst durch die Ein- wirkung des Kali hervorgerufenes Zersetzungsproduct ist. Ich erin- nere z. B. an den Streit über das Murexid, der der allgemeinen Annahme nach von Fritsche dahin entschieden ist, das Murexid sei saures purpursaures Ammoniak. In der That kann uns heut zu Tage die Darstellung einer Reihe analoger Verbindungen, in denen das Ammonium durch einfache Metalle vertreten ist, nicht mehr genügen und eben so wenig kann für uns die Angabe noch irgend welche Bedeutung haben, daß das Murexid schon bei gewöhnlicher Temperatur mit Kali Ammoniak entwickelt. Ich kann hinzufügen, daß das Murexid sogar unter der Einwirkung von kohlensaurer Magnesia Ammoniak entwickelt, aber das muß mich nach den obigen Erfahrun- gen immer noch zweifelhaft lassen, so lange nicht das Murexid alle !) Zu den die Reaction hindernden oder docli erschwerenden Substanzen scheint das Albumin zu gehören. Bringt inan in ammoniakhaltigem Wasser mittelst des Ness- ler’schen Reagens eine Trübung hervor, so kann man sie durch Zusatz von Hühner- eiweiß oder Blutserum wieder verschwinden machen, und erst wenn mau das Reagens in großem ('herschuß zusetzt, erscheint sie wieder, oder statt ihrer eine bernsteingelbe Färbung. Über das Aufsuchen von Ammoniak in thierischen Flüssigkeiten etc. 9 Reactionen zeigt, welche den unzweifelhaften Ammoniaksalzen ge- meinsam sind. In der That verhält sich nun Murexid gegen Nessler’s Reagens wesentlich anders als andere Ammoniaksalze. Es entsteht darin zu- nächst ein schön purpurvioletter Niederschlag, den man am anderen Tage in einen rostbraunen, wie ihn Ammoniaksalze geben, umgewan- delt findet. Fügt man aber zu einer Murexidlösung eine Säure (ich habe dazu theils Phosphorsäure, theils Oxalsäure verwendet), wartet bis sie deutlich verblaßt und setzt dann Nessler’schesReagens hin- zu, so entsteht sogleich ein reichlicher rostbrauner Niederschlag. Wenn man unter dem Mikroskop zuMurexidkrystallen Nes sl er’- sclies Reagens hinzutreten läßt, so entstehen violette Niederschläge mit rostbraunen Rändern. Nach und nach treten immer mehr braune Körnchen auf, während die violetten an Menge abnehmen. Oft kann man beobachten, daß im ersten Augenblicke nur Violett ohne alles Braun zu sehen ist. Es gelingt dies am besten, wenn man das Ness- ler’sche Reagens mit dem gleichen Volum Wasser verdünnt, so daß das Kali weniger energisch einwirkt. Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien.