Aus dem LVI. Bde. der Sitzb. d. k. \k,id. d. Wissensch. If. Abth. Juni-Heft. Jahrg. 18ti*. Über den Bau der rotlien^BUitkörperchen. Von Ernst Brücke. (Vorgelegt in der Sitzung am 21. Juni 1867.) Der Leser möge mir erlauben, in dem Folgenden mit dem anzufangen, womit man gewöhnlich zu schließen pflegt, mit dem Endresultate, zu welchem die in der Abhandlung niedergelegten Beobachtungen den Verfasser geführt haben. Wenn die Ideen einmal fixirt sind, ist es leichter, die beobachteten Erscheinungen zu beschreiben und die Schlüsse abzuleiten, welche daraus gezogen worden sind. Man denke sich ein lebendes Wesen mit einem Leibe, dessen centraler Theil den Kern eines kernhaltigen Blutkörperchens bildet und als solcher frei ist von Hämoglobulin, während der übrige Theil die ganze Masse desselben enthält, welche im Blutkörperchen vor- kommt. Diesen letzteren Theil denke man sich so in den Zwischen- räumen einer porösen Masse liegend, daß er dieselben vollständig ausfüllt, dabei aber mit dem inneren, pigmentfreien Theile, dem Kern, ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Das poröse Gebilde denke man sich als eine an sich bewegungslose, sehr weiche, farblose und glashelle Scheibe, nach Außen von glatter Oberfläche begrenzt. Das Ganze ist das kernhaltige Blutkörperchen. Ich gehe nun daran, diese meine Vorstellung zu rechtfertigen. Wenn man einen Tropfen einer Borsäurelösung, welche 2 Pct. der reinen geschmolzenen Säure enthält, auf einen Objectträger setzt, dann eine kleine Menge von einem lebenden Triton entnom- menen Blutes hinzufügt, mit einem Deckglase bedeckt und sofort unter das Mikroskop bringt (starke Vergrößerung, Hartnak’s Immersionslinse 10 oder 11); so sieht man eine Beihe beachtens- werther Veränderungen. Die Blutkörperchen haben nicht mehr ihre elliptische Scheiben- form; sie haben sich alle den Gestalten von Ellipsoiden größerer oder geringerer Excentricität angenähert, welche man sich durch Um- R r ii e k e. drehung einer Ellipse um ihre große Axe entstanden zu denken hat. Es bleibt dabei Vorbehalten, daß sie doch mehr oder weniger abge- plattet oder andere Abweichungen von der rein ellipsoidischen Gestalt an ihnen vorhanden sind. Bei allen ist der Kern von besonderer Deutlichkeit, aber er ist weniger regelmäßig gestaltet und gelagert als im normalen Blutkörperchen; seine lange Axe ist oft schief, ja in einzelnen Fällen sogar senkrecht gegen die lange Axe des Ellipsoids gestellt, und wenn das Körperchen rollt, so sieht man, daß der Kern an einer Seite desselben liegt und die Oberfläche desselben oft nicht unbedeutend überragt. Er ist dabei meist ellipsoidisch, bald stark länglich, bald nahezu sphäroidisch gestaltet, oft auch von sehr unregelmäßiger Form, stark lichtbrechend, dabei an seiner Oberfläche meist höckerig oder in seinem Inneren von ungleicher Beschaffenheit: denn bei starker Vergrößerung zeigt er zahlreiche Abwechslungen von bellen Lichtern und dunklen Flecken. Bisweilen sind diese weniger auffallend und er erscheint dann mehr glatt und glänzend. Es muß hier gleich von vorherein festgestellt werden, daß ein solcher Kern im unveränderten Blutkörperchen nicht vorhanden gewesen sein kann. Wenn man das frische, unveränderte Blut bei denselben starken Vergrößerungen untersucht, so findet man den Kern nur als einen elliptischen, hellen, weißlichen Fleck angedeutet, der sich mehr oder weniger scharf begrenzt gegen die umgebende grünliche Masse des Blutkörperchens absetzt. Im schief oder auf der Kante stehenden Blutkörperchen ist er oft gar nicht wahrnehmbar. Er hat keine Ähnlichkeit mit dem dunkel contourirten, stark licht- brechenden Gebilde, das wir vorher an durch Borsäure veränderten Blutkörperchen kennen gelernt haben, Da die Blutkörperchen unter der Einwirkung der 2percentigen Borsäurelösung allmälig blässer werden, indem sie einerseits ihre Farbe verlieren, andererseits der Brechungsindex des sogenannten Zelleninhaltes sinkt, so liegt es nahe, hiervon allein das Stärkerwerden des Contours abzuleiten, denn derselbe muß ja um so deutlicher hervortreten, je mehr jener Brechungsindex sinkt und je mehr er sich deshalb von dem des Kerns entfernt. Damit aber kommt man hier nicht aus. Der Brechungsindex des Kerns, wie wir ihn an durch Borsäure veränder- ten Blutkörperchen sehen, ist nach dem Glanze des Gebildes und nach der Härte des Contours zu urtheilen, beträchtlich höher als der des Zellenleibes im unveränderten Blutkörperchen. Wäre er also in Über den Bau der rothen Blutkörperchen. 3 letzterem schon in solcher Beschaffenheit eingelagert, so müßte er in ihm noch durch einen kräftigen Contour gezeichnet sein. Das ist aber nicht der Fall. Man wird sich überzeugen, daß man den Con- tour um so mehr vermißt, je mehr die Blutkörperchen frisch und unverändert sind, ja daß die Grenze des Kerns nicht sowohl durch eine dunkle Linie gegeben ist, als durch den Wechsel der Farbe vom Weiß zum Grünlichen. Ein so auffälliger Wechsel, wie ihn die Bor- säure ganz plötzlich hervorbringt, kann nur auf zweierlei Ursachen beruhen, erstens kann durch eine Veränderung im Kern, vielleicht durch einen Gerinnungsproceß, sein optisches Verhalten ein wesentlich anderes werden, und zweitens kann sich aus dem Zellenleibe etwas auf den Kern zurückziehen und dadurch dessen Masse verdichtet und vermehrt werden. Möglicherweise wirken beide Ursachen zusammen, daß aber die erstere nicht die allein wirksame ist, muß man aus folgenden Beobachtungen schließen. Während in einem Theile der Blutkörper da, wo der Umriß des Kerns sich verschärft, die Masse desselben weißlich bleibt und der Zellenleib zu Anfang noch grünlich erscheint, sieht man in anderen den peripherischen Theil farblos durchsichtig werden, indem sich um den Kern eine grünliche Masse zusammenballt. Bisweilen ist sie ziemlich gleichmäßig rund, bisweilen zeigt sie gegen die Peripherie gerichtete spitzige, strahlenförmige Hervorragungen. Sie nimmt nach und nach an Volumen ab und man bat endlich den stark lichtbrechenden glänzenden (sogenannten) Kern vor sich, er ist aber noch etwas grünlich gefärbt, während sich das ganze übrige Körperchen farblos durchsichtig zeigt. Es scheint auf den ersten Anblick, als ob dieser Vorgang, der in ähnlicher Weise auch schon unter dem Einflüsse anderer Reagen- tien beobachtet worden ist *)• sieh sehr leicht aus der seit 28 Jahren gangbaren Vorstellung vom Baue des Blutkörperchens erklären lasse. Nach dieser besteht das Blutkörperchen aus einer außen und innen glatten membranösen Hülle, einem flüssigen Inhalte und dem Kern. Der flüssige Inhalt kann sich also durch einen Gerinnungsproceß mit l) So offenbar von Roberts (On peculiar appearences exhibited by blood corpus- cles under the influence of Solutions of Magenta and Tannin. Quart. Journ. of microscopieal Science July. Journ. p. 170. Henle’s Jahresbericht für 1863) der zu der Ansicht geführt wurde, daß die rothen Blutkörperchen zwei dicht iiber- einanderliegende Membranen besäßen, die sich durch Reagentien von einander trennen lassen. 4 Brücke. dem darin enthaltenen Haemoglobulin um den Kern zusammenballen lind darauf der Farbstoff durch die umgehende Flüssigkeit langsam extrahirt werden, so daß der Kern einigermaßen gefärbt und ver- stärkt durch das um ihn gesammelte Gerinsel in der durchsichtigen Hülle zurückbleibt. In dem gewöhnlichen, zuerst beschriebenen Falle, in welchem der Kern mit scharfem, hartem Contour in der umgeben grünlichen Masse hervortritt, würde eben das sich bildende Gerinsel das Hämoglubulin von vorne herein nicht mitgerissen haben; wes- halb einmal das eine, das andere Mal das andere geschieht, das müßte man von vorläufig unbekannten Verschiedenheiten der einzel- nen Blutkörper untereinander ableiten. In der That ist nichts verfüh- rerischer als der Anblick des farblos gewordenen Körperchens: man glaubt die glatte, glashelle Zellmembran mit unwidersprechlicher Deutlichkeit vor sich liegen zu sehen, und doch verhält sich die Sache anders. Ich will hier die Gründe nicht wiederholen, welche Beale (Ar- chives of med. VIII 236, Henle's Jahresbericht über 1861; ferner: Upon the nature of the red bloodcorpuscle, Quart. Journ. of micr. Science. 1864. Jan. Trans, p. 2) Max. v. Vintschgau (sopra i cor- pusculi sanguigni della rana. Atti del istituto veneto Vol. VIII, Ser. III) und Alex. Rollet (Versuche und Beobachtungen am Blut. Diese Berichte Bd. 46, Abth. II, pag. 63) gegen das Vorhanden- sein einer festen, membranösen Hülle geltend gemacht haben; ich will mich ganz auf das beschränken, was an durch Borsäure verän- derten Blutkörperchen zu sehen ist. Ich habe schon oben bemerkt, daß bisweilen der Contour des Kerns den der scheinbaren Membran überschreitet. Wenn man den letzteren genauer verfolgt, so findet man theils, daß dies Überschrei- ten nur scheinbar ist, man sieht bei scharfer Einstellung den Contour der scheinbaren Membran sich dem des Kerns anschmiegen und mit ihm in eins zusammenfließen, theils findet man ihn aber auch, und ich habe dies an ganz ruhig liegenden und deshalb zur sorgfältigen Beobachtung ganz geeigneten Körperchen gesehen, an der betreffen- den Stelle unterbrochen, indem er an der Abdachung des Kerns mit einem schmalen lippenartig aufgebogenen Rande aufhört. Bisweilen tritt aus der so angedeuteten Öffnung eine Partie des Kerns hernien- artig hervor; in der Mehrzahl der Fälle aber ist da, wo der Umriß des Kerns den des Blutkörperchens überschreitet ein anderes Verhältniß Über den Bau der rothen Blutkörperchen. deutlich erkennbar. Der Kern ist dem Körperchen nur noch ein- gepflanzt, er steckt nur noch bis zur Hälfte oder zu zwei Drittheilen darin, das übrige ragt frei hervor, ohne daß zwischen dem hervor- ragenden und dem darin steckenden Theile eine Einschnürung vor- handen wäre. Bisweilen hat sich der Kern ganz vom Körperchen getrennt und man sieht dann in einzelnen Fällen einen je nach der Einstellung bald helleren bald dunkleren, scharfgezeichneten Ring, der vom Rande einer napf- oder kesselförmigen Grube, in welcher der Kern zuletzt gesteckt hatte, herzurühren scheint. Ist dies alles vereinbar mit der Vorstellung von einem innerhalb eines Bläschens stattfindenden Gerinnungsprocesse? Woher soll die Kraft kommen, welche den Kern mit dem ihn umgebenden Gerinsel nach aussen treibt und ihn die Zellmembran durchbrechen läßt? Wenn die Zellmembran zerplatzen soll, so kann dies doch nur durch Eindringen von Flüssigkeit in ihre Höhle veranlaßt werden, die sie dann durch nach allen Seiten gleichmäßig ausgeübten Dfuck zer- sprengt. Sie würde hierbei einen Riß bekommen, der Kern konnte herausgeschleudert werden und die Membran würde zusammenfallen, aber sie würde nicht in ihrer früheren Gestalt weiter schwimmen. Ganz im Gegensätze zu einem solchen plötzlichen Freiwerden des Kerns sehen wir ihn sich gewissermaßen aus der Masse des Blut- körperchens bald mehr bald weniger herausarbeiten, so daß die voll- ständige Trennung, wo sie stattfindet, nur als Endglied einer Reihe von allmälig ablaufenden Veränderungen erscheint. Die Masse, welche sich in der vorbeschriebenen Weise aus dem Körperchen herausarbeitet, muß dieses thun vermöge einer Kraft, welche zwi- schen ihr und dem Reste thätig isf, also von einem von beiden oder von beiden ausgeht. Da diese Masse nicht mehr dem allein entspricht, was wir im unveränderten Blutkörperchen den Kern nennen, ich aber nothwendiger Weise eine bestimmte Bezeichnung für sie haben muß, so will ich sie das Zooid nennen; das Gebilde, aus dem sie sich her- ausarbeitet, will ich hinfort als Ökoid bezeichnen. Nun denke man sich, daß das Zooid mit einem großen Theile seines Leibes in kleinen Räumen des Ökoids vertheilt ist, und daß diese die Räume erfüllen- den Fortsätze, sich auf Einwirkung der Borsäure plötzlich zurück- ziehen, so ist es klar, daß nicht die ganze Masse bequem Platz finden kann in dem centralen Theile des Ökoids, den bisher der centrale Theil des Zooids allein ausfüllte. Hierdurch muß also, wenn keine Brücke. Öffnung im Ökoid vorhanden ist, eine Spannung entstehen, die noch vermehrt wird dadurch, daß gleichzeitig die Substanz des Ökoids durch die Flüssigkeit, welche in dieselbe eindringt, geschwellt wird. Da diese Substanz an und für sich weich und wenig widerstandsfähig ist, so kann sie leicht am Orte des kleinsten Widerstandes, an einer der beiden Flächenseiten des Kerns, wo das Ökoid vom Hause aus am dünnsten ist, nachgeben, und nun tritt das Zooid an die Oberfläche heraus, während das Ökoid weiter und weiter in die Form übergeht, welche ihm der Quellungsproceß anweist, und hierdurch seine Ver- bindung mit dem Zooid mehr und mehr gelockert wird. Dieser letztere Punkt scheint mir von wesentlicher Bedeutung zu sein. Man hat den Eindruck, daß sich das Zooid einerseits durch seine Contractiou aus seiner innigen Verbindung mit dem Ökoid herausarbeitet, andererseits letzteres, indem es eine von seiner normalen verschiedenen Gestalt annimmt, sich mehr und mehr von ersteigern zurückzieht. Es ist sogar zweifelhaft, oh hierzu ein eigentlicher Quellungsproceß noth- wendig ist, indem, wie ein Öltropfen, in verdünntem Weingeist schwebend, sich stets zur Kugel gestaltet, so auch jede kleine, sehr wenig resistente Masse, die sich mit der umgebenden Flüssigkeit nicht mischt, und keinen anderweitigen Einflüssen unterworfen ist, der Kugelgestalt zustrebt. Schon die theiiweise Lösung der Verbin- dungen mit dem Zooid, und mehr noch, die Durchbrechung seiner Oberfläche an irgend einer Stelle, muß bewirken, daß das weiche Ökoid in eine neue .Gleichgewichtsfigur überzugehen sucht. Zieht sich das Zooid unversehrt zusammen, so ist es verhältnißmäßig massig und intensiv gefärbt, während der von ihm geräumte Theil des Ökoids sofort farblos durchsichtig erscheint. Zerreißt aber seine Substanz bei der Contractiou oder wird sie unter dem Einflüsse eines Reagens theiiweise zerstört, so kann sich der Farbstoff in den Räu- men des Ökoids verbreiten, und dieses erscheint dann so lange gefärbt, bis derselbe von der umgebenden Flüssigkeit ausgelaugt ist*); das seiner Hämoglobulinlösung beraubte Zooid ist unter diesen Um- ständen relativ klein und farblos. Das Hämoglobulin wird, wie schon Kühne (Lehrb. d. phys. Chem. p. 202) aiigibt, von Borsäure ailuiälig zersetzt. Die Zeit, in der dies geschieht, hängt von der Con- centration der Säure und der Temperatur ab, scheint aber außerdem noch bei ver- schiedenen Blutarteu verschieden zu sein. Über den Bau der rothen Blutkörperchen. 7 Dies ist die Deutung der Erscheinungen, welche mir nach viel- fältigen Beobachtungen und langen Zweifeln die wahrscheinlichste gehlieben ist. Unverletzte Zooide im contrahirten Zustande habe ich am besten auf folgende Weise erhalten. Ich füllte ein kurzes und weites Reagir- glas mit wässeriger Borsäurelösung, die nur 1 Procent der geschmol- zenen Säure enthielt: dann schnitt ich einem Triton den Kopf ab und tauchte den Hals mit der Schnittfläche in die Lösung, so daß das Blut unmittelbar hineinfloß, mischte letzteres noch durch leichtes Umriihren mit der ersteren und ließ es bis zum andern Morgen stehen. Die Flüssigkeit hatte sich nur wenig gefärbt und die Blutkörperchen lagen als rothes Pulver am Boden. Hier zeigte sich nun überall das Zooid zu einer stark gefärbten maulbeerfürmig höckerigen, bisweilen stark abgeflachten, ja seihst napfförmig eingebogenen Masse con- trahirt, während das Ökoid vollkommen farblos und glashell durch- sichtig war. Das Ansehen, welches die meisten dieser contrahirten Zooide darboten, erinnerte mich an eine Erscheinung, welche ich oft wahrgenommen hatte, wenn ich frisches und unverdünntes Tritonen- blut unter das Mikroskop brachte. Ich sah dann einen großen Theil der Blutkörperchen eine sehr unregelmäßige Gestalt annehmen und an ihrer Oberfläche maulheerartig höckerig werden. Ich konnte dies nicht von einem Verschrumpfungsprocesse, bewirkt durch Concen- tration des Serums in Folge der Verdunstung, herleiten, denn die Blutkörperchen waren keineswegs abgeflacht und etwa, wie man es an wirklich geschrumpften Körpern sieht, wie zerknittertes Papier gebogen, im Gegentheil war meistens der kleine Durchmesser ver- größert, während die beiden anderen, und zwar der größte am mei- sten, abgenommen hatten. Ich glaube, daß man diese Gestaltver- änderung, welche ich als das Eintreten in die Maulbeerform be- zeichnen will, von theilweiserRetraction der Fortsätze des Zooids ab- leiten muß, während welcher die Verbindung zwischen Zooid und Ökoid noch so fest ist, daß das letztere den Tractionen folgt und dadurch an seiner Oberfläche höckerig wird. Mir scheinen die fri- schen Ökoide noch weniger resistent zu sein, als die durch Borsäure veränderten. Ich habe von den letzteren sich nie zwei zu einer tropfenartigen Masse vereinigen sehen. Ich habe hierauf sorgfältig geachtet, da mir aus den Untersuchungen von Rollet (diese Be- richte Band 50, Abth. II, S. 178) bekannt war, daß derselbe Blut- Brückl'. körperchen, die er durch electrische Schläge verändert halte, zu- sammenfließen sah. Ich fasse Rollet's Beobachtungen nicht so auf, daß die Ükoide sich hier wie geradezu flüssigen Massen verhielten ; auch weiche, sehr nachgiebige konnten zu derselben Erscheinung führen. Sind dergleichen sehr nachgiebige Massen groß und schich- ten wir sie auf einander, so folgen sie in allen ihren Theilen so sehr den Gesetzen der Schwere, daß die Umrisse der einzelnen für das Auge verloren gehen können. Wie aber auf solche größere weiche Massen die Schwere wirkt, so wirkt auf kleine, in der Flüssigkeit schwebende die ungleiche Anziehung der Substanzen auf sich seihst und auf einander, welche den Öltropfen im Weingeist zur Kugel formirt. Auch eine nicht gerade flüssige, aber sehr weiche Masse, bestehend aus festen und flüssigen Theilen, kann sich in einer Flüssig- keit, wie ich bereits oben erwähnte, zur Kugel gestalten, und so können auch zwei solcher sehr weicher Massen, wenn sie sich innig berühren, mit einander ein Sphäroid bilden, in dem die Grenzen der einzelnen nicht mehr sichtbar sind. Aber auch eine solche Art der Vereinigung habe ich an den in der Borsäurelösung schwebenden Ökoiden niemals gesehen. Die einzige freiwillige Veränderung, welche ich an ihnen wahr- genommen habe, bestand darin, daß bisweilen die Convexität ihres Contours (offenbar in Folge von Austritt von Flüssigkeit aus dem Innern) an einer oder der andern Seite einsank. Noch nach 4o Stun- den und bei 23 bis 24° C. Temperatur fand ich sie in der Borsäure- lösung im wesentlichen unverändert wieder*): in der iprocentigen (nach geschmolzener Säure berechnet) Lösung waren sie sphäroi- disch, in der 2proeentigen und in der concentrirten waren sie unregelmäßig polyedrisch gestaltet, so wreit man den Namen eines Polyeders auf eine nicht von wirklich ebenen Flächen begrenzte Figur anwenden kann. Diejenigen Ökoide, welche ihr Zooid ein- gebüßt hatten, unterschieden sich im übrigen nicht wesentlich von der großen Masse der übrigen, welche noch mit demselben in Ver- bindung waren. Ich nahm nun das Glas, welches die Blutkörper in der einprocentigen Lösung enthielt, verkorkte es fest und schüttelte !) Die Borsäure wirkt kräftig antiseptisch aber verhindert die Bildung von Vegeta- tionen nicht. Die Eingeweide eines Frosches, die ich in concentrirte Borsäurelösung gelegt hatte, zeigten nach mehreren Wochen noch keinen Faulnißgeruch, aber eine dicke Schimmeldecke hatte sich gebildet. Über den Bau der rothen Blutkörperchen. es eine Zeit lang heftig, um zu sehen, oh ich dadurch die Körper zertrümmern könnte. Dies gelang in der That in der Weise, daß die Zahl der von ihren Zooiden getrennten Ökoide vermehrt war, daß die Okoide, auch die, welche noch ihr Zooid trugen, größtenteils ihre sphäroidisehe Gestalt verloren hatten, verkleinert und höchst unregel- mäßig gestaltet waren und Stücke von Ökoiden in der Flüssigkeit herumschwammen. Ich habe viel nach einer präformirten Öffnung gesucht, durch welche das Zooid austreten könnte, aber nichts vertrauenswerthes gefunden. Man sieht zwar überaus häufig während der Einwirkung der Borsäure auf dem Zooid einen runden hellen Fleck, den man für eine Öffnung halten könnte, aber einerseits sind statt eines solchen Fleckes nicht selten mehrere vorhanden, und andererseits sah ich mehrmals Körperchen mit solchem Fleck sich auf die Seite wenden und erkannte im Profil deutlich, daß er von einem Tropfen farbloser Substanz herrührte, der das ökoid nabelförmig ausbauchte, während er mit seiner anderen Hämisphäre in die gefärbte Masse des Zooids eingesenkt war. Der Fleck rührte also sicher von keiner Öffnung her, aber vielleicht sind es gerade solche naheiförmige Ausbuchtun- gen, durch welche sich der Durchbruch des Zooids vorbereitet, viel- leicht zieht sich dann, nachdem derselbe erfolgt ist, der gebildete Rand auf der Abdachung des Zooids weiter zurück und verhärtet sich in dieser Lage und Gestalt einigermaßen unter der fortdauernden Einwirkung der Borsäure, so daß es geschehen kann, daß man ihn später, wenn das Zooid sich völlig abtrennt als die scharfe Begren- zung eines Kraters erkennt. Zweimal habe ich an einem solchen Rande etwas hängen sehen wie ein Züngelchen oder ein Stück eines Vorhanges, aber ohne es mit Sicherheit deuten zu können. Das Nichtauffinden einer präformirten Öffnung hat mich ver- anlaßt, oben von denjenigen Erklärungsversuchen für die Erschei- nungen abzusehen, welche sich, wie man leicht einsieht, darbieten würden, wenn eine präformirte Öffnung vorhanden wäre, durch welche das Zooid nach außen treten könnte. Ich habe mich nun noch darüber zu rechtfertigen, daß ich von der Contraction des Zooids als eines lebenden oder vielmehr ster- benden Wesens gesprochen habe. Bekanntlich stellte Klebs schon vor vier Jahren (Centralblatt der medicin. Wissenschaften 1863, pag. 851) die Sätze auf: „die 10 Brücke. Blutkörperchen der Säugethiere sind contractile Gebilde, die soge- nannte Maulbeerform entspricht dem bewegten, die Backsehüssel- form dem unbewegten Zustande; das todte Blutkörperchen hat eine Kugel form“. Nachdem Alex. Bol 1 et seine reichen Erfahrungen über die Veränderungen, welche electrisehe Schläge an den Blutkörperchen hervorbringen, publicirt hatte, besprach er (diese Berichte 1. c.) die Gründe, welche uns veranlassen könnten, die Blutkörperchen in die Beihe der eontractilen Elementarorganismen zu stellen, zugleich setzte er aber auch „die großen Bedenken, welche sich einer solchen Annahme entgegenstellen“ auseinander. Sie gipfeln, ab- gesehen davon, daß man die rothen Blutkörperchen in den leben- den Gefäßen stets nur in passiver Bewegung sieht, darin, daß Blutkörperchen, die man Monate lang aufbewahrt, oder die man mit Kohlenoxyd vergiftet hat, sich gegen electrisehe Schläge noch wesentlich ebenso verhalten, wie solche, welche frisch dem leben- den Thiere entnommen sind. Ich kann die große Analogie zwischen den Erscheinungen, welche Rollet beobachtete und denen, welche ich gesehen habe, nicht verkennen. Auch er sah (siehe seine Figur 6 b und c) den Kern äußerlich eingepflanzt, und auch er sah ihn sich von dem übri- gen Körper trennen. Das, was er dem gangbaren Sprachgebrauche gemäß den Kern nannte, muß ich als das Zooid oder vielmehr als den nach Verlust der in ihm enthaltenen Hämoglobulinlösung zurück- gebliebenen Rest desselben ansprechen. Der Unterschied zwischen seinen und meinen Angaben ist in erster Reihe darin begründet, daß bei ihm das Zooid, wahrscheinlich in Folge des Zerreißens oder Zerplatzens seiner Substanz, sein Hämoglobulin stets in die Räume des Ökoids hinein fahren ließ, und dies deshalb nie ganz und un- versehrt zur Anschauung kam. Andere Differenzen zwischen den von ihm und von mir gesehenen Bildern müssen, wie ich glaube, daraus erklärt werden, daß das ükoid unter der Einwirkung der Borsäure etwas mehr Festigkeit gewann, als ihm im lebenden Blute zukommt. Wenn also die von ihm beobachteten Erscheinungen noch an abge- storbenen Blutkörperchen zu Stande kommen, so ist es bedenklich, die von mir gesehenen mit den Lebenseigenschaften derselben in Verbindung zu bringen, gleichviel oh sie sich an alten oder vergifte- ten Blutkörperchen noch in derselben Weise durch Borsäure hervor- Über den Bau der rotben Blutkörpereben, 11 rufen lassen oder nicht i). Aber eben der Begriff des Absterbens ist es, der sieb hier schwer fixiren läßt. In Rücksicht auf das Absprechen der Lebenseigenschaften müs- sen wir sicher nicht minder vorsichtig sein als im Zuschreiben der- selben. Ist es nicht bekannt, daß niedere Organismen, die eine Zeit lang auffällige Lebenserscheinungen zeigen, und von äußeren Ein- flüssen leicht erregt und auch leicht gefährdet werden, in Zuständen des Scheintodes übergehen, in denen sie von diesen Einflüssen wenig oder gar nicht afficirt werden, und in denen sie lange, ja zum Theil unbestimmt lange Zeit verharren können? In diesen Zuständen gibt es für sie immer noch ein Absterben, einen Tod, auch wenn sich keinerlei Lebenseigenschaften mehr an ihnen wahrnehmen lassen, denn sie können noch das ihnen innewohnende Vermögen verlieren, unter günstigen Bedingungen zu neuen Lebensregungen zu erwachen. Kann hei den Blutkörperchen nicht etwas Ähnliches stattfinden? Wissen wir denn, daß mit einer oder der anderen Lebenseigenschaft auch alle übrigen aus ihnen schwinden müssen? Können wir von mit Kohlenoxyd vergifteten Blutkörperchen, weil sie sich in mancher Beziehung anders verhalten als normale, behaupten, daß sie ihre Lebenseigenschaiten vollständig verloren haben? Müssen, weil Mus- keln, ßindegewebskörper und farblose Blutkörper, bald nach dem Tode des Individuums absterben, auch die rothen Blutkörperchen bald darauf alle ihre Lebenseigenschaften nothwendig einbüßen, während wir ja doch wissen, wie lange dieZellen des Eies, die ihren unter Umständen bewahren können? Wo wir kein Nervensystem vor uns haben und keine (rritabilitätserscheinungen im gewöhnlichen Sinne des Wortes direct nachweisen können, da fehlen uns die Kri- terien, um jedesmal zwischen Leben und Leblosigkeit, sicher zu unterscheiden, zu unterscheiden zwischen Erscheinungen, welche nur an Organismen Vorkommen können, und solchen, die auch an Objec- ten beobachtet werden, welche weder selbst Organismen sind, noch Theile eines solchen ausmachen. Was würde es uns nützen, wenn wir sagen wollten, die Scheidung des Zooids vom Ökoid beruhe nicht auf einer Contraction-des ersteren, sondern auf einem blossen Gerin- l) Ich habe Tritonen im Kohlenoxydgas erstickt und 16—t'L Stunden darin liegen gelassen. Die Blutkörper schienen mir im Allgemeinen etwas stärker contourirte Kerne zu zeigen als normale. Auf Zusatz von Borsäure veränderten sie sich in ähnlicher Weise wie diese. 12 Brücke. nungsprocesse? Wir würden keinerlei Garantie haben, dadurch der Wahrheit näher gekommen zu sein: wir hätten etwas ausgesagt, was wir nicht beweisen können und wir hätten nicht einmal einen Aus- druck gefunden, von dem aus sich die Erscheinungen, wie sie unter dem Mikroskope beobachtet werden, auf annehmbare Weise erklären lassen. Eine Bewegung, welche man mit dem Namen Contraction be- zeichnen kann, findet sicher statt; denn man sieht die gefärbte Masse von allen Seiten her gegen den Kern rücken. Was die Ursache die- ser Contraction ist, und oh wir sie ihrem Wesen nach vergleichen können mit der Contraction einer sterbenden Amöbe, das wird viel- leicht noch lange dunkel bleiben *)• Bis jetzt habe ich, so weit ich eigene Beobachtungen angeführt, nur von den Blutkörperchen der Tritonen gesprochen, weil sie sich für meine Versuche am meisten geeignet erwiesen; ich brauche aber wohl nicht zu sagen, daß ich zwischem ihrem Baue und dem von anderen elliptischen gekernten Blutkörperchen keinen wesentlichen Unterschied annehmen kann. Schwieriger ist es, sich eine haltbare Ansicht über den Bau der Blutkörperchen der Säugethiere und des Menschen zu bilden. Dadurch, daß wir anerkannt haben, daß der Kern in normalen Amphibienblutkörpern nicht in der Weise und mit den Eigenschaften vorhanden ist, wie man ihn nach abgestorbenen beschrieben hat, ist die breite Kluft zwischen kernhaltigen und kernlosen Blutkörpern einigermassen verschmälert. Bekanntlich sieht man auch in letzteren häufig einen centralen hellen Fleck, der als centraler pigmentloser oder pigmentarmer Theil des Zooids gedeutet werden könnte; aber es läßt sich auch nichts gegen die gangbare Ansicht einwenden, welche ihn lediglich von der centralen Depression ableitet. Die Maul beerform, welche, wie mir scheint, der Maulbeerform der Tri- tonenblutkörper analog ist, kann durch Contraction des Zooides hervorgerufen sein. Auch die Veränderungen, welche Max Schultz e auf dem heizbaren Objecttische beobachtete a), würden von diesem D Vergl. außer den Beobachtungen von Kfebs auch noch Preyer’s Angaben über Contractililiitseischcimingen an rothen Blutkörperchen (Virchow's Archiv. XXX. 417) und das was Beule über von ihm beobachtete Formveränderungen mittheiit. (Quart. Journal of inicr. society 1864 Jan. Trans, p. 32.) z) Archiv für mikroskopische Anatomie f. 1. Über den Bau der rothen Blutkörperchen 13 Standpunkte aus leichter verständlich sein als von dem des Schwan- nischen Zellenschemas, und es ist hier besonders hervorzuheben, daß M. Schultze diese Veränderungen nur an Blutkörperchen beob- achtete, welche noch ihre Scheibenform bewahrt hatten, nicht an solchen, die bereits kugelförmig geworden waren. Aber ich muß sogleich hinzufügen, daß die Meinung, auch das kernlose Blutkörper- chen bestehe aus Zooid und Ökoid, bis jetzt nur auf einem bloßen Schlüsse aus der Analogie basirt werden kann, da die Borsäure, welche mir bei den Tritonenblutkörperchen so gute Dienste leistete, mich bei den Blutkörpern der Säugethiere und des Menschen gänzlich im Stiche gelassen hat. Diese werden darin kleiner, kugelrund, dann geben sie ihren Farbstoff ab und verblassen. Zuletzt bleibt ein kreis- runder Contour als einziger Rest ihres mikroskopischen Bildes. Aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerei in Wien