WW 140 A969L 52030860R NLM G527257M b NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE 3NOia3w do Aavaan ivnoiivn ONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NLM052725746 ii/; ;wl 3NOIQ3W jo Aavaan tvnoiivn 3noiq3w do Aavaan tvnoiivn 3NOIQ3W do Aavaan tvnouvi' NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINI 5 ^-ffeJpfvX Q \/Tf£fV 2 3NOIQ3W do Aavaan tvnouvn 3noiq3w jo Aavaan tvnoiivn SNoiasw do Aavaan tvnouvn NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE SNOiaaw jo Aavaan tvnouvn 3nidio3w dO Aavaan tvnouvn NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE 3NOIQ3W jo Aavaan tvnouvn 3noio3w jo Aavaan tvnouvn Q. NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE ■d 3NiDia3w jo Aavaan tvnouvn snidiqsw jo Aavaan tvnouvn NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE 3NiDiaaw jo Aavaan tvnouvn snoiqsw jo Aavaan tvnouvn 3NOIQ3W jo Aavaan TVNOuvf ^Ms\ I y^lGk 8 r£&SK 1 y^^ s r£$S^ I /^Sk LEHRBUCH ^ * DER AUGENHEILKUNDE BEARBEITET VON Prof. AXENFELD, Freiburg i. Br.; Prof. BACH, Marrurg a. L.; Prof. BIELSCHOWSKY, Leipzig; Prof. ELSCHNIG, Prag, Prof. GREEFF, Berlin; Prof. HEINE, Kiel; Prof. v. HIPPEL, Heidelberg; Prof. KRUECK- MANN, Königsberg i. Pr.; Prof. PETERS, Rostock; Prof. SCHIRMER, Strassivurg i. E. HERAUSGEGEBEN VON DR THEODOR AXENPEL©rrrrrT"'TV:"~ PROFESSOR DER AUGENHEILKUNDE M £'^.st/r p« in Freiburg i. Br. | MIT 10 FARBENTAFELN UND 455 ZUM GROSSEN TEIL MEHRFARBIGEN ABBILDUNGEN IM TEXT. IvTBRART, SURGEON GENERAL'S OFFICE MAR 2 61809 VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1909. A%c1t< NATIONAL LIBRARY OF ÜED1CINE 8600 ROÜKYILLE PIKE BETHESDA, MARYLAND 200(4 Alle Rechte vorbehalten. Vorwort. Mit Rücksicht auf die immer mehr sich steigernde Fülle von Stoff, welche der Medizinstudierende und der praktische Arzt unserer Tage auf allen Gebieten bewältigen muß, sind in diesem neuen Lehr- buch manche Einschränkungen im Vergleich mit anderen eingetreten; wenn das Buch trotzdem ziemlich umfangreich aussieht, so ist zu beachten, daß ein sehr erheblicher Teil auf die zahlreichen Abbil- dungen kommt, und daß aus didaktischen Gründen die Propädeutik sowie das Kapitel „Allgemeinerkrankung und Auge" ausführlicher berücksichtigt sind. Die „Untersuchung des Auges", die „Funktions- prüfung" sind eingehender gehalten, es ist ein kurzer Abschnitt „Einleitung in die Therapie" vorausgeschickt und ein eigenes Kapitel „Ophthalmoskopische Differentialdiagnose" eingefügt, um in der Klinik und in den Kursen dem Anfänger zunächst eine zusammenhängende Über- sicht und methodische Anleitung zu liefern, welche ihm die Orientie- rung viel leichter macht, als wenn er sich den Stoff nur aus den einzelnen Kapiteln der Pathologie und Therapie, welche den Gegenstand aus- führlicher behandeln, zusammensetzen kann. In gleicher Weise soll mit dem Schluß-Kapitel „Allgemeinerkrankungen" dieses wichtige Ge- biet, dessen Einzelheiten sich in den vorhergehenden Kapiteln finden, dem Studierenden in Gestalt einer ausführlichen Disposition übersicht- lich zusammengestellt und nähergebracht werden. All diese Abschnitte aber stellen keine Belastung mit Stoff dar, sondern sie fassen das an anderer Stelle Verstreute nur nochmals kurz zusammen; sie werden im Gegenteil, hoffe ich, das Lernen wesentlich erleichtern. Auch die zusammenhängende und eingehendere Darstellung der „ Ver- letzungen, der sympathischen Ophthalmie und der Unfallsentschä- digung" entspricht den praktischen Bedürfnissen unserer Zeit. Im übrigen sind Wiederholungen möglichst vermieden und nur insoweit vorgenommen worden, als es der Zusammenhang oder besondere didaktische Gründe erforderten. IV Vorwort. Unser Buch bringt nur wenige Zitate. Seltene und nur den Augen- arzt angehende Dinge sind höchstens kurz erwähnt, unsichere theoretische Erörterungen sind möglichst beschränkt. Für den klinischen Unter- richt in der Augenheilkunde sind physikalisch-mathematische Formeln überhaupt entbehrlich und deshalb ganz weggelassen. Nichtsdesto- weniger ist, wie schon erwähnt, die Funktionsprüfung eingehender behandelt. Gerade in unserer Zeit wird der in der Ausführung der verschiedenen Sehprüfungen unterrichtete Arzt als Gutachter, zur Beurteilung der Berufstauglichkeit und hygienischer Maßnahmen, als beamteter Arzt, als Schularzt und Militärarzt diese Kenntnisse viel- fach verwerten können. Auch im übrigen hat sich dies Lehrbuch von dem Niveau eines Kompendiums weit entfernt gehalten. Zunächst sind den einzelnen Abschnitten kurze normal-ana- tomische und physiologische Einleitungen vorausgeschickt worden; sie sind unentbehrlich, zumal seitdem Anatomie und Physiologie aus dem deutschen medizinischen Staatsexamen ausgeschieden sind; der „Ent- wickelungsgeschichte" ist ein kurzes eigenes Kapitel eingeräumt, an welches sich die Darstellung der wichtigsten Mißbildungen unmittel- bar anschließt. Wir haben ferner auf die Darstellung der Ätiologie und Patho- genese an der Hand pathologisch-anatomischer Abbildungen nicht verzichten wollen. Es ist ja, weil das pathologische Augenmaterial größtenteils in den Kliniken gewonnen und verarbeitet wird, eine Arbeitsteilung eingetreten derart, daß der pathologische Anatom die pathologische Anatomie des Auges in seinen Vorlesungen kaum oder überhaupt nicht mehr erörtert — selbst das Z i e g 1 e r sehe Lehrbuch hat in seinen neueren Auflagen diesen Abschnitt weggelassen. Des- halb muß der Mediziner, der doch in der pathologischen Anatomie aller anderen Körperorgane unterrichtet wird, von derjenigen des Sehorganes die Grundzüge in der Augenklinik erfahren. Wir haben, weitgehend unterstützt durch den Verlag, durch Ab- bildungen möglichst anschaulich darzustellen gesucht. Um in diesem einen Buch dem Studenten das an Bildern zu bieten was er braucht, sind auch in etwas größerer Zahl bunte ophthalmoskopische Bilder gebracht, zumeist nach den Originalen Elschnigs. Ursprünglich sollten auch diese in den Text gedruckt werden, es sind aber dann, weil solche Bilder in verschiedenen Abschnitten Verwendung finden, vorwiegend Tafeln gewählt worden, die sich herausklappen und neben den Text legen lassen, so daß der unmittelbare Vergleich ebensogut wie durch Text- bilder ermöglicht wird. Auch die Technik der Untersuchung und Behandlung hat eine bildliche Darstellung erfahren, wie das bisher in deutschen Lehr- büchern nicht üblich war. Gewiß können diese Maßnahmen nur durch Vorwort. V Anschauung und Übung in der Klinik erlernt werden; es kann aber meines Erachtens nur nützlich sein und die Übung unterstützen, wenn der Lernende diese Handgriffe, die in allen Lehrbüchern be- schrieben werden, auch ;in naturgetreuen Skizzen illustriert findet, welche ihm recht deutlich einprägen können, daß mit dem Auge zart und fein umzugehen ist. Eine besondere Eigenart unseres Buches aber ist, daß es von mehreren Bearbeitern verfaßt ist. Es ist das geschehen in Anlehnung an die gleichartigen Bearbeitungen anderer medizinischer Disziplinen in demselben Verlage. Ich habe mich der Einsicht nicht verschließen können, daß ein solches Zusammenarbeiten Vorzüge bieten könne, und ich habe deshalb gern die Herausgabe bewerkstelligt: Soweit die Bearbeiter der einzelnen Abschnitte sich über ihr Thema den Fachgenossen gegenüber bereits wissenschaftlich ausgesprochen haben, werden sie hier sich um so mehr auf das Wichtigste beschränken. Bei etwaigen Neuauflagen ist eine Modernisierung schnell und gleich- mäßig gewährleistet. Demgegenüber kann ein Buch aus einer Hand den Vorzug der einheitlichen Durcharbeitung haben. Ich hoffe aber, daß unser Lehr- buch in dieser Hinsicht, wenn auch eine gewisse mannigfaltige Eigen- art hervortritt, doch ein in sich geschlossenes Ganze darstellt, da durch das sehr dankenswerte Entgegenkommen der Herren Mitarbeiter es mir möglich war, die einzelnen Kapitel weitgehend miteinander in Verbindung zu setzen und auszugleichen. Es kann dann solch ein Buch sogar den Vorzug haben, die Erfahrungen verschiedener Schulen zu vereinigen. So möge denn unser Buch neben den schon bestehenden Lehr- büchern der Augenheilkunde seinen Zweck erfüllen und insbesondere anstatt der heute viel zu weit verbreiteten Kompendien ein Lehrer der Studierenden und Ratgeber der Arzte werden. Frei bürg, im Herbst 1908. Axenfeld. Inhalt. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. Seite Von Prof. Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i. Br..... 1 Diät der Augenkranken. Ableitende, antiinfektiöse, resorbierende Mittel. Interne und lokale schmerzstillende Mittel.......... 1 Augenverbände. Wundbehandlung und Nachbehandlung. Asepsis und Antisepsis...................... 9 Schutzbrillen. Lichtschutz.................. 13 Einträufelungen. Augentropfen................ 15 Mydriatika..................... 16 Miotika.......................18 Adstringentien.................... 18 Augensalben.......................19 Pulvereinstäubungen ....................20 Untersuchung- des Auges. Von Prof. Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i. Br.....21 Subjektive Beschwerden................... 22 Objektive Untersuchung des Auges ............. . 23 Äußere Untersuchung und Behandlung von Kindern.........24 Adnexe des Auges..................... 25 Untersuchung des Bulbus...................30 Prüfung des intraokularen Drucks (Tension) ...........31 Kornea.........................31 Keratoskopie. Ophthalmometrie................32 Fokale Beleuchtung (seitliche). Kornea..............37 Iris.............. .........39 Technik der Pupillarreaktionsprüfung............43 Linse. Katarakt Untersuchung.................45 Augenspiegel. Augenleuchten. Durchleuchtung der tieferen Medien . . 46 Objektive Refraktionsbestimmung. Optische Vorbemerkungen ... 48 Bestimmung der Refraktion. Skiaskopie (Schattenprobe).....51 Aufrechtes Bild. Geschichte des Augenspiegels........53 Ophthalmoskopie der Einzelheiten des Augenhintergrundes ... 55 Umgekehrtes Bild. Technische Einzelheiten.........56 Bestimmung von Niveaudifferenzen.............58 Augenspiegelmodelle..................59 Ophthalmoskopische Differentialdiagnose. Von Prof. Elschnig, Prag........ 60 Der normale Augengrund...................60 Sehnerveneintritt......................60 Physiologische Exkavation.............. . 62 Inhalt. VII Seite Augengrund.....................63 Macula lutea.....................64 Anomalien des Sehnerveneintritts............... 64 Begrenzung.....................64 Anomalien der Flächenausdehnung der Papille........65 Anomalien der Wölbung des Sehnerveneintrittes .......66 Anomalien der Durchsichtigkeit und der Farbe des Papillengewebes . 67 Angeborene Veränderungen.............67 Erworbene Veränderungen............. 68 Entzündung der Sehnervenpapille .........68 Atrophia nervi optici..............69 Pathologische Veränderungen der Blutgefäße des Sehnerven und der Netzhaut 70 Veränderungen der Retina und Chorioidea ............73 Veränderungen der Retina exklusive Pigmentepithel......73 Diffuse Trübung.................74 Zirkumskripte Herde ...............75 Veränderungen (Atrophie und Hypertrophie) des Pigmentepithels; Pigmentatrophie der Netzhaut (sogenannte Retinitis pigmentosa); Chorioidealveränderungen...............76 Diffuse Atrophie.................77 Herdförmige ..................77 Erkrankungen im Gewebe der Ader haut.............79 Funktionsprüfung*. (Physiologische Optik. Sehschärfe, Refraktion und Akkommodation, Farben- und Lichtsinn. Perimetrie. Binokularer Sehakt. Simulation und Aggra- vation.) Von Prof. L. Heine, Kiel........81 Physikalische Einleitung...................81 Reflexions- oder Spiegelgesetz...............81 Refraktions- oder Brechungsgesetz.............83 Optische Fehler des Auges................84 Linsen.........-..............85 Normalsichtigkeit, Sehschärfe, Akkommodation, Optometer......87 Einstellung für die Ferne...................89 Bestimmung der Sehschärfe ...............90 Einstellung für die Nähe : Akkommodation des Auges und ihre Veränderung im Alter. Presbyopie..................91 Lähmungen der Akkommodation................94 Reizzustände im Akkommodationsapparat.............97 Asthenopie, akkommodative..................98 muskuläre ...................98 nervöse ....................99 Übersichtigkeit oder Hyperopie ................99 Hyperopie infolge zu geringer Brechkraft..........99 Achsenhyperopien...................100 Kurzsichtigkeit oder Myopie .................104 Brechungsmyopien...................104 Achsenmyopien............... .... 105 Anisometropie. Verschiedene Brechkraft auf einem Auge. Anisometropie 115 Astigmatismus........................H? Der irreguläre Astigmatismus................117 Der reguläre Astigmatismus............... 118 Optometer......................- ■ 123 Bedeutung der Anamnese für die Beurteilung von Sehstörungen, Perimetrie oder Gesichtsfeldmessung................124 Das normale Gesichtsfeld...................127 Prüfung des Gesichtsfeldes................127 VIII Inhalt. Seite Skotome ......................130 Hemianopsie.................... 136 Funktionelle Gesichtsfeldstörungen ............141 Die konzentrische Einschränkung.............141 Försterscher Verschiebungstypus ............142 Farbensinn ............ .........143 Die erworbenen Störungen.............143 Die angeborenen Störungen.............143 Rot-grünblindheit ...............145 Gelb-blaublindheit...............146 Totale Farbenblindheit...............147 Lichtsinn.........................148 Binokulares Sehen.....................151 Simulation und Aggravation .................156 Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. Von Prof. Alfred Bielschowsky, Leipzig.....161 Die Korrespondenz der Netzhäute (sensorische Korrespondenz) ..... 161 Die Augenbewegungen unter dem Einfluß der sensorischen Korrespondenz). 164 Die anatomischen Einrichtungen des Bewegungsapparates der Augen . . . 165 Das Zusammenwirken der beiderseitigen Augenmuskeln........169 Die Nervenbahnen für die Augenbewegungen...........170 Die Ruhelage der Augen...................172 Die Gleichgewichtsstörungen..................172 Scheinbares Schielen..................173 Messung des Schielwinkels................173 Primärer und sekundärer Schielwinkel............174 Die Lähmungen der Augenmuskeln..............175 Spezielle Symptomatologie der einzelnen Lähmungen ........178 Assoziierte (oder konjugierte) Blicklähmungen..........186 Atypische Krankheitsbilder.................186 Die Lokalisierung der Krankheitsherde bei Augenmuskellähmungen . . 187 Prognose und Therapie der Augenmuskellähmungen........189 Das (nichtparalytische) latente und manifeste Schielen.....190 Insuffizienz der Konvergenz...............192 Schielen (Strabismus)..................192 Strabismus convergens...............193 „ divergens................194 Höhenschielen................. 195 Therapie.............. 197 Nystagmus (Augenzittern) ..................201 Krämpfe der Augenmuskeln.............. 202 Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. Von Prof. E. von Hippel, Heidelberg.......203 Entwickelungsgeschichte. Allgemeines..............203 Augenblasen................ 203 Augenspalt..................... 204 Llnse........................205 Spezielles................. 206 Mißbildungen des Auges und seiner Adnexe............209 Kolobom.............. 210 Atypische Kolobome........... 213 Angeborener Irismangel........... 213 Membrana pupillaris persistens.......... 214 Korektopie............ 214 Art. hyaloidea persistens........... 214 Optikus und Retina............. 215 Inhalt. IX Seite Angeborene Hornhauttrübungen................215 Mikrophthalmus congenitus.......... .......216 Anophthalmus congenitus...................217 Mikrophthalmus und Anophthalmus mit Unterlidzyste........217 Cyklopie.........................218 Mißbildungen der Lider...................218 Dermoide und Teratome des Bulbus und der Orbita.........220 Meningocelen und Encephalocelen der Orbita...........220 Angeborene Anomalien der Tränenorgane.............220 Anomalien der Pigmentierung.................221 Erkrankungen der Lider. Von Prof. E. von Hippel, Heidelberg......224 Anatomie und Physiologie..................224 Erkrankungen der Lider...................225 I. Hyperämie, Ödem, Blutungen.............225 II. Abnorme Sekretionen................226 III. Entzündliche Erkrankungen..............226 Akute Exantheme................. 226 Vakzineerkrankung................226 Erysipel....................227 Herpes facialis febrilis, Herpes zoster.........227 Ekzem der Lidhaut, Blepharitis marginalis s. ciliaris ... 229 Hordeolum, Furunkel, Lidabszeß, Chalazion.......231 Seltenere Entzündungen..............234 IV. Zysten......................236 V. Geschwülste...................237 Gutartige....................237 Maligne Sarkome................ 238 Karzinome.................238 VI. Stellungsanomalien der Lider.............240 Ankyloblepharon und Symblepharon, Lagophthalmus .... 241 Blepharospasmus.................242 Ptosis.....................242 Blepharochalasis.................244 Entropium und Trichiasis..............245 Ektropium...................249 Erkrankungen der Tränenorgane. Von Prof. 0. Schirm er, Straßburg......254 Anatomische und physiologische Vorbemerkungen..........254 I. Strömungshindernisse im Tränenschlauch.........256 Tränenträufeln..................257 Eversion der Tränenpünktchen..........257 Konkremente in den Tränenröhrchen.......258 Strikturen im Tränennasengang.........258 II. Dakryocystitis catarrhalis (Dakryocystoblennorrhoe).....259 III. Dakryocystitis phlegmonosa..............269 IV. Dakryoadenitis..................272 Erkrankungen der Konjunktiva. Von Prof. Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i. Br.....274 Normale Anatomie.....................274 Untersuchung der Bindehaut..................276 I. Entzündungen der Bindekaut ...............277 Allgemeines über die Ätiologie der Bindehautentzündungen . . 277 Sekretuntersuchung ... ............281 Conjunctivitis simplex.............282 X Inhalt. Seite 1. Die einfache akute Konjunktivitis (akuter Schwel- lungskatarrh) ..............282 2. Die einfache chronische Konjunktivitis .... 286 Conjunctivitis blennorrhoica.........• • 290 Conjunctivitis pseudomembranacea (Conj. crouposa, diph- therica) .................298 Conjunctivitis phlyctaenulosa (ekzematosa, scrofulosa) . 303 Trachom, Conjunctivitis granulosa(Körnerkrankheit), Ägyp- tische Augenentzündung. Conjunctivitis folliculosa 309 Der sogenannte Frühjahrskatarrh (Conjunctivitis vernalis) 325 Tuberkulose der Bindehaut...........329 IL Degenerative Erkrankungen der Bindehaut ..........332 Lidspaltenfleck. Amyloide Entartung..........332 Kalkkonkremente. Xerosis conjunctivae.........333 Pterygium (Flügelfell)...............335 III. Geschwülste der Bindehaut................337 Gutartige Tumoren................337 Maligne Tumoren...................338 Karzinome....................338 Verletzungen, Verätzungen, Verbrennungen der Bindehaut, Fremd- körper und ihre Folgen ..............340 Erkrankungen der Hornhaut. Von Prof. A. Elschnig, Prag.......341 Normale Anatomie.....................341 Untersuchung der Kornea...................343 Anomalien der Stellung, Form, Größe und Wölbung.........345 Keratitis.........................347 Allgemeines über Hornhautentzündungen...........347 Pathologische Anatomie............... 347 Die klinischen Erscheinungen der Keratitis..........351 Spezielle Pathologie und Therapie der Keratitis........352 A. Keratitis mit Bildung oberflächlicher Gewebsdefekte........352 I. Keratitis ulcerosa simplex..............352 1. Ulcus corneae simplex..............352 Ursachen der Hornhautgeschwüre.........354 Primäre Hornhautgeschwüre............354 Sekundäre Hornhautgeschwüre...........355 2. Keratitis eczematosa (Keratitis lymphatica, scrofulosa, phlyctaenulosa).................361 3. Keratitis pannosa................365 4. Seltene Geschwürsformen.............368 Neurotische Geschwüre.............368 Herpes corneae ............... 368 Keratitis dendritica..............368 Keratitis neuroparalytica............369 IL Keratitis suppurativa (septica).............369 1. Ulcus serpens................ . 369 2. Ringabszeß der Hornhaut..... .......375 3. Keratomalacie.................375 4. Schimmelpilzkeratitis...............375 B. Keratitis ohne oberflächliche Substanzverluste (Keratitis parenchymatosa im weitesten Sinne)..................376 1. Keratitis parenchymatosa.............376 Keratitis punctata profunda............382 Keratitis sclerosificans..............382 Sekundäre parenchymatöse Keratitis.........383 Keratitis disciformis.............. 383 Inhalt. XI Seite Tuberkulose der Kornea.............383 Gummöse Infiltration der Kornea..........383 Keratitis leprosa ................383 Degenerative Veränderungen der Hornhaut.............383 A. Degenerative Prozesse in vorher normaler Kornea.......383 B. Degenerative Prozesse der Kornea in pathologisch veränderten Augen 385 Geschwülste der Kornea...................386 Erkrankungen der Uvea (Iris, Ziliarkörper, Chorioidea). des Glaskörpers und der Sklera. Von Prof. Krückmann, Königsberg in Preußen. Allgemeines über die Uvea..................388 Gefäßvetteilung der Uvea..................389 Regenbogenhau t und Ziliar kör per............391 Anatomisches ....................391 Über angeborene Veränderungen der Regenbogenhaut........397 Iridozyklitis ........................398 Über Entzündungen der Regenbogenhaut (Iritis) und des Ziliarkörpers (Zyklitis)....................398 Über die klinische Deutung von Veränderungen der Pupillenform . 415 Atrophie der Regenbogenhaut...............41s Zysten in der Regenbogenhaut..............418 Aderhaut........................421 Anatomie......................421 Gefäßverteilung.................... 421 Farbe und Aussehen der Aderhaut bei normalen und pathologischen Zuständen.....................423 Chorioiditis........ ........... ... 427 Atrophische Flecke.....................428 Geschwülste der Uvea....................434 Glaskörper, Anatomie.....................437 Lederhaut (Sklera), Anatomie................439 Entzündungen der Lederhaut (Skleritis und Episkleritis).....440 Sklerektasie.....................442 Krankheiten der Linse. Von Prof. L. Bach, Marburg........444 Anatomische Vorbemerkungen.................444 Physiologische Vorbemerkungen................446 Die Ernährung der Linse..... .....447 Pathologie der Linse.....................447 Linsentrübungen.....................447 Subjektive Symptome.......... .... 447 Objektive Symptome.............. 449 Pathologische Anatomie der Linse.............450 Angeborene Starformen ...................452 Der Schichtstar (Cat. zonularis sive perinuclearis).....454 Der Totalstar...........-......457 Erworbene Starformen....................458 Der Altersstar (Cataracta senilis) .............458 Cataracta nigra (brunescens)........... 463 Der Zuckerstar (Cataracta diabetica)...........464 Star bei Ergotinvergiftung, bei Tetanie, bei Struma.....464 Cataracta complicata............... .... 4o4 Die experimentellen Starformen................465 Der Wundstar (Cataracta traumatica)..............466 Anomalien der Form und Lage der Linse ... .... 468 XI Inhalt. Seite Therapie der Katarakt....................478 Historisches.....................473 Vorbereitende Maßnahmen..................4<4 Diszission der Linse.....................474 Künstliche Reifung.....................475 Extraktion der Linse...................• 476 Vorbedingungen....................476 Methoden der Extraktion................476 Linearextraktion....... . <...........476 Lappenextraktion...................478 Nachstar (Cataracta secundaria)..............482 Therapie....................483 Lymphzirkulation und Glaukom. Von Prof. Peters, Rostock........485 Die Lymphzirkulation des Auges................485 Die Lehre vom Glaukom...................486 Das akute Glaucoma inflammatorium und die Übergänge in die chronischen Formen........................486 Das Glaucoma simplex....................493 Auslösende Momente für den Glaukomanfall. Glaukomatöse Dispo- sition. Ätiologie..................494 Hydrophthalmus congenitus (infantiles Glaukom)..........496 Das Sekundärglaukom....................498 Glaucoma absolutum. Glaukomatöse Degeneration.........500 Pathologische Anatomie des Glaukoms...........501 Glaukomtheorien...............,......504 Therapie des Glaukoms...................506 Hypotonie des Auges....................510 Die Krankheiten der Retina. Von Prof. Dr. Greeff, Berlin.......512 Normale Anatomie.....................512 Die Funktion der Netzhaut..................515 I. Retinitis (frische Netzhauterkrankungen)............516 A. Allgemeines....................516 a) Nelzhautblutungen und Gefäßveränderungen......516 Blutungen................. 516 Iuvenile rezidivierende Glaskörperblutungen.....518 Gefäßveränderungen.............51') Verschluß größerer Gefäße...........520 Embolie der Art. centralis......... 520 Thrombose der Ven. centralis retinae.....522 b) Trübungen und Herde im Gewebe der Retina.....522 Pathologische Anatomie............523 B. Spezielle Formen von Retinitis.............525 Retinitis metastatica...........'..... 525 „ luetica.................525 „ albuminurica...............526 „ diabetica.................528 „ bei Bluterkrankungen............528 „ durch Blendung ...... ........ 530 II. Atrophie der Netzhaut................. 530 Pigmentdegeneration der Netzhaut (Retinitis pigmentosa).....530 Retinitis pigmentosa e lue hereditaria............533 III. Netzhautablösung (Ablatio retinae)........... . 534 IV. Glioma retinae............... 53g I Inhalt. XIII Seite Krankheiten des Sehnerven (Nervus opticus) und der Sehhahn. Von Prof. Dr. R. Greeff, Berlin ....... 543 Normale Anatomie.....................543 Faserlauf im Sehnerven...................547 Die Sehnerven im Gehirn...................547 Lokalisation von Sehstörungen in der Sehbahn...........548 Entzündungen und Degenerationen im Sehnerven.......... 551 Neuritis nervi optici peripherica..............551 Neuritische Atrophie..................554 Stauungspapille....................555 Theorie der Stauungspapille............... 557 Neuritis retrobulbaris. Erkrankungen des papillo-makulären Bündels. Temporale Abblassung oder Atrophie...........559 Einfache Sehnervenatrophie ...............563 A. Primäre (tabische, progressive) Degeneration (Atrophie) des Seh- nerven ......................563 B. Andere Formen der einfachen Sehnervenatrophie ......566 Retrobulbäre Leitungsunterbrechungen.........566 Druckatrophie............... . . 567 Geschwülste des Sehnerven..................568 Verletzungen. Sympathische Ophthalmie. Unfallentschädigung. Von Prof. 0. Schirm er, Straßburg.......569 Die Verletzungen des Auges..................569 A. Schnitt- und Stichwunden ohne Hinterlassung eines Fremdkörpers 569 Aseptische Heilung................ 571 Fibrinöse Wundentzündung .... ........572 Eiterige Infektion.................572 Prognose der perforierenden Bulbuswunden.......574 Therapie der perforierenden Bulbuswunden.......575 B. Schnitt- und Stichwunden mit Hinterlassung eines Fremdkörpers . 580 Diagnose der Fremdkörper im Bulbusinnern.......580 der Hornhaut..................584 Erosionen....................586 Fremdkörper im Konjunktivalsack...........586 C. Quetschungen (Kontusionen) des Auges........ 587 Conjunctiva bulbi, Hornhaut, Regenbogenhaut......587 Linse, Vorderkammer, Einrisse der Aderhaut.......590 Commotio retinae, Makulaveränderungen, Kontusionsruptur des Bulbus, Skleralruptur..............591 D. Verätzungen und Verbrennungen des Auges........595 Die sympathische Augenerkrankung...............600 Unfallentschädigung.....................606 Die Erkrankungen der Orhita. Von Prof. A. Peters. Rostock........610 Anatomische Vorbemerkungen.................610 Allgemeines über die Symptomatologie, sowie über die Diagnose und die Ätiologie der Orbitalerkrankungen..............612 I. Der entzündliche Exophthalmus............615 a) Die Erkrankungen der Orbitalwände.........615 b) Entzündungen des orbitalen Zellgewebes.......616 c) Die Thrombose der Orbitalvenen..........618 d) Die Entzündung der Tenonschen Kapsel.......619 IL Der Exophthalmus durch Gefäßanomalien.........619 XIV Inhalt. Seite IH. Der Exophthalmus durch Geschwulstbildungen.......620 1. Gutartige Tumoren...............620 2. Maligne Tumoren der orbitalen Weichteile.......622 3. Die Geschwülste des Optikus und seiner Scheiden .... 623 4. Dis Geschwulstbildungen der Orbitalwände......625 IV. Exophthalmus durch Allgemeinerkrankungen........627 a) Die Basedowsche Krankheit............627 b) Leukämie und Pseudoleukämie...........629 All gern einerkrankungen und Augensymptome. Von Prof. L. Heine, Kiel.........630 Übersicht: 1. Allgemeine Infektionserkrankungen...... .....631 2. Krankheiten der Respirationsorgane............632 3. Krankheiten der Zirkulationsorgane............633 4. Krankheiten der Digestionsorgane ........... 634 5. Lebererkrankungen.............".....634 6. Nierenerkrankungen.................635 7. Krankheiten des Nervensystems.............635 Neuralgien und Lähmungen der Hirnnerven.......636 Rückenmark...................637 Medulla...................640 Gehirn.....................641 Hirnhäute....................643 Psychoneurosen..................644 8. Schädelmißbildungen.................645 9. Ohrerkrankungen..................645 10. Nachbarhöhlenerkrankungen..............645 11. Krankheiten der Bewegungsorgane............646 12. Blutkrankheiten...................646 13. Krankheiten des Stoffwechsels ......... . 647 14. Geschlechtskrankheiten................648 15. Intoxikationen................... 650 16. Hautkrankheiten ..................652 17. Erbliche Augenkrankheiten............... 653 Druckfehler. XV Druckfehler. Im Abschnitt: .Untersuchung des Auges" auf S. 48 letzte Zeile unten anstatt „Fig. 32, 33, 34" Fig. 33, 34. 35. S. 52, Absatz 3, Zeile 9 anstatt „50,0 D. Hyperopie" lies „5.0 D. Hyperopie". Im Abschnitt: „Ophthalmoskopische Differentialdiagnose" muß es heißen: auf S. 65, Zeile 6 anstatt „Fig. 2 auf Tafel XIII" lies „Fig. 2 auf Tafel X". und Zeile 8 anstatt Tafel IX lies Tafel ..III". auf S. 72, Zeile 13 anstatt „Fig. 1 Tafel VI", lies „Fig. 2 Tafel VI". Im Abschnitt: „Erkrankungen der Bindehaut" S. 308, Zeile 19 ist in Klammern hinter ,,cf. S." hinzuzufügen ,.20". Einleitung zur Therapie der Augenkrank- heiten. Von Professor Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i/Br. Der Arzt, welcher eine Übersicht über die Augenheilkunde ge- winnt, wird nicht nur in seiner Umgebung auf das Vorkommen von Augenkranken achten und dieselben rechtzeitig veranlassen können, spezialistische Hilfe aufzusuchen; sondern er wird auch selbst mancher- lei behandeln und heilen können. Wann und bei welchen Fällen es Pflicht für ihn ist, die Kranken in augenärztliehe Behandlung weiter zu schicken, wird von seinen Kenntnissen und seiner Geschicklichkeit abhängen. Es gibt aber Grenzen, welche der nicht spezialistisch im eigentlichen Sinne des Wortes vorgebildete Arzt am besten überhaupt nicht überschreitet; davon wird in diesem Lehrbuch an manchen Stellen die Rede sein. Schon hier seien einige Fälle genannt: Septische Hornhauterkrankungen (Hypopyonkeratitis); schwere Verletzungen, be- sonders perforative; schwere, den Augapfel und das Sehen gefähr- dende äußere und innere Erkrankungen; kompliziertere Sehstörungen und Begutachtungen, alle operativen Fälle. Auch in diesen Fällen muß der Arzt zwar oft die erste Hilfe bringen, er muß erkennen können, um was es sich handelt, er muß den ersten Befund auf- nehmen können, dessen Feststellung für die weitere Beurteilung von größtem Wert sein kann; aber für die Behandlung und ihren Verlauf kann er allein die Verantwortung nicht tragen. Diät der Augenkranken. Ableitende, antiinfektiöse, resorbierende Mittel. Interne und lokale schmerz- stillende Mittel. Die Kranken sollen ihre Augen nicht unnötig berühren, jedes Reiben vermeiden; Patienten, welche an sezernierenden, ansteckenden Katarrhen leiden, sollen sich nach Berührung ihrer Augen die Hände waschen, auch ihr Waschzeug, Handtuch, Taschentuch, Arbeitsgerät nur für sich gebrauchen. Geschieht dies, so ist eine Isolierung infektiöser Augenkranker nur bei sehr gefährlichen oder sehr stark Lehrbuch der Augenheilkunde. 1 2 Axenfeld, absondernden und kontagiösen Katarrhen während der Dauer der Sekretion angezeigt (Gonorrhöen, profuse Schwellungskatarrhe mit besonderer Neigung zu epidemischer Verbreitung etc., cf. „Erkran- kungen der Bindehaut", Diphtherien). Das Allgemeinbefinden, die Hygiene und Diätetik muß bei den Augenkranken sorgfältig berücksichtigt werden. Es gelten hier die für Krankenhäuser und Einzelbehandlung gültigen Regeln. Im besonderen ist folgendes zu beachten: Es wird von Augenkranken im allgemeinen alles vermieden wer- den müssen, was das Blut plötzlich oder schnell zu Kopfe treibt: Über- mäßiges Bücken, Pressen, Heben schwerer Lasten usw.; ferner Alkohol (höchstens in kleinen Mengen), starker Kaffee u. dgl., nach Möglich- keit auch psychische Erregungen, alle Exzesse. Für viele Augen- kranke (Gefäßerkrankungen, toxische Veränderungen) ist Abstinenz das Beste. Kalte Füße sind durch Fußbäder (abwechselndes Eintauchen in kaltes und warmes Wasser; warme Fußbäder mit Zusatz von Senfmehl) und die sonst bekannten Maßnahmen zu behandeln, um das Blut vom Kopfe abzuleiten. Die bekannten Kongestionen des Klimakteriums sind zu beachten, wie über- haupt die Verhältnisse der Menstruation. Zu enge Halskragen und alles, was den Abfluß des venösen Blutes vom Kopf erschwert, gilt im allgemeinen für nicht zu- träglich. Andererseits wird neuerdings von manchen Seiten zur Schmerzstillung, Resorptionsförderung die Biersehe Stauung (elastisches Band um den Hals) an- gewandt. Doch sind über ihren Nutzen für das Auge die Meinungen noch geteilt. Diabetiker, Gichtiker und andere konstitutionell Kranke bedürfen natürlich ihrer besonderen Diät. Eine Urinuntersuchung ist deshalb unerläßlich. Es ist für geregelten Stuhlgang zu sorgen. Besonders bei schmerzhaften Augenentzündungen erfahren wir auffallend oft, daß Obstipation eingetreten ist, zum Teil Avohl deshalb, weil diese Kranken wegen der Schmerzen wenig zu sich nehmen und ihre Verdauung vernachlässigen. Die Schmerzen, besonders die sekundären Kopfschmerzen, steigern sich natürlich durch die Obstipation (Autointoxikation), und es ist für viele Kranken, besonders auch die Bettlägerigen, eine große Erleichterung, wenn durch Einlaufe, Karls- bader Salz (morgens nüchtern 1—2 Teelöffel in lauwarmem Wasser, */2 Stunde vor dem Frühstück), oder durch andere Abführmittel der Darm entleert wird. In manchen Fällen, besonders bei Entzündungen der Uvea, des Sehnerven sind Verdauungsstörungen, vielleicht auch von ursächlicher Mitwirkung, so daß eine mäßige „Ableitung auf dem Darm" angebracht ist neben der sonstigen Behandlung. Es gilt das besonders für Fälle, bei denen im Urin reichlich In- dikan nachweisbar ist. Auch am Tage vor einer Operation soll für gründliche Darm- entleerung gesorgt werden. „Ableitend" und resorptionsanregend wirken auch Bäder und Schwitzen, besonders bei entzündlichen Erkrankungen des Bulbus und der Sehnerven. Die früher vielfach zum Schwitzen verwandten Pilokarpinjektionen sind wegen des Speichelflusses und der gelegentlichen sonstigen toxischen Erschei- nungen weniger zu empfehlen. Dagegen die Salyzilpräparate, besonders das Aspirin (1—2 g) (oder das billigere Acidum acetylosalicylicum) kombiniert mit Dar- reichung heißen Tees und mit nach folgender Einpackung sind oft sehr nützlich (bei Iritis, Iridochorioiditis, Skleritis, Neuritis optica) [besonders wegen der gleichzeitigen „antirheumatischen" und schmerz- Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 3 stillenden Wirkung dieser Mittel]. Günstig wirken vielfach auch die elektrischen Schwitzbäder; es muß bei denselben beachtet werden. daß keine zu starke Erhitzung des Kopfes eintritt. • Öftere Wannen-Bäder sind während längerer Kuren unent- behrlich und auch sonst natürlich zu empfehlen. Insbesondere sind sie für alle konstitutionellen Schwächezustände und be sonders für die „Skr ofulösen" und Anämischen angezeigt, welche so sehr zahl- reiche rezidivierende Entzündungen liefern und einer guten Hautpflege ganz besonders bedürfen. (Bei ihnen ist auch besonders auf Ungeziefer zu achten, insbesondere auf Pediculosis capitis, welches oft genug ekzematöse Reiz- zustände nicht zur Ruhe kommen läßt.) Zur Kräftigung skrofulöser Kinder sind ganz besonders die Salzbäder und Solbäder am Platze, am besten in Form eines Aufenthaltes in einem Solbad, einer Ferienkolonie. Auch der Auf- enthalt an der See wirkt dabei oft vorzüglich; doch ist zu beachten, daß das blendende Licht auf dem Wasser und dem Sand empfindlichen Augen nicht wohl- tut, so daß erst nach Abklingen der Entzündung die See am Platze ist, unter gelegentlicher Verwendung von Schutzgläsern. Patienten mit intraokularem Leiden, ebenso wie Anämische und Nervöse, vertragen die See nicht immer gut und müssen das Baden im offenen Meer oft ganz vermeiden. Für chronisch rheumatische, gichtische, diabetische Augenleiden kommen natürlich die besonderen Trinkkuren, indifferente Thermen, Moorbäder usw. in Betracht. Ausgezeichnet wirkt auf viele Augenkrankheiten Aufenthalt im Wald und im Gebirge. Während man bei infektiösen Erkrankungen der Adnexe (Lider, Bindehaut, Tränenorgane) mit der lokalen Anwendung antiseptischer Mittel (Argent. nitricum, Protargol, Hg-Präparate etc., cf. die Kapitel „Erkrankungen der Lider" usw.) viel erreicht, zum Teil geradezu spezifische Wirkungen (z. B. Diplobazillen-Zink), sind deren Anwendung bei Infektionen und Entzündungen des Bulbus enge Grenzen gezogen. Verhältnismäßig am meisten finden desinfizierende Lösungen und Pulver Verwendung bei von der Oberfläche ausgehenden Infektionen der Hornhaut (cf. die Ausführungen im Kapitel „Kornea"); auch die Anwendung der Glühhitze geschieht in gleicher Absicht. Die tiefen Entzündungen der Hornhaut, Leder- haut und besonders diejenigen des Augeninnern sind dagegen durch direkte Antisepsis und Desinfektion schwer beeinflußbar; denn in wirksamer Konzentration würden solche Mittel die Gewebe selbst zerstören. Verhältnismäßig am meisten ist die Einführung von Jodo- form ins Augeninnere geübt worden, aber auch über diese sind die Meinungen geteilt. Für manche Infektionen ist nun in der Augenheilkunde eine spezifische ätiologische Serumtherapie versucht worden, da an der allgemeinen Immunität resp. Vermehrung der Schutzstoffe durch aktive oder passive Immunisierung auch das Auge teilnimmt, und zwar nicht nur seine gefässhaltigen Gewebe, sondern in geringerem Grade auch die Hornhaut. Das normale Kammerwasser allerdings nimmt nur wenig, der Glaskörper so gut wie gar nicht die zirku- lierenden Antikörper auf. Am wirksamsten hat sich auch in der Augenheilkunde die (antitoxische) Behandlung mit dem Behringschen Diphtherie-Serum in Fällen von Bindehautdiphtherie erwiesen. Viel schwieriger und unsicherer ist es, gegen die so häufigen Pneumo- kokkeninfektionen, besonders der Hornhaut (Ulcus serpens, cf. „Cornea") mitPneumo- 1* 4 Axenfeld, kokkenserum (Roemer) vorzugehen. Das Gleiche gilt bei Streptokokkeninfek- tionen für die verschiedenen Streptokokkenseren. Immerhin können die letztge- nannten Sera unterstützend und prophylaktisch in Betracht kommen. Gegen den seltenen Tetanus, Milzbrand am Auge sind die entsprechenden Sera (Merck, Davmstadt) zu versuchen. Ausgedehnte Anwendung findet das Tuberkulin (Koch) in der Augen- heilkunde. Zunächst diagnostisch zur Feststellung der Ätiologie bei den so schwer definierbaren und sicher sehr oft tuberkulösen chronischen inneren Augen- entzündungen: man injiziert 1 Milligramm AIt-Tuberkulin und beobachtet, ob die charakteristische Allgemeinreaktion (und etwa auch eine lokale, die aber seltener ist) eintritt, bei negativem Ausfall injiziert man nochmals 5 Milligramm. eventuell auch noch 10 Milligramm. Bei nachgewiesener oder vermuteter tuber- kulöser Ätiologie kann man dann, außer der lokalen Therapie, eine sehr vor- sichtige Tuberkulintherapie mit kleinsten Dosen Neutuberkulin (TR) versuchen, l/soo bis V10 Milligramm pro dosi, alle 8 bis 14 Tage. Durch subkutane Einverleibung dieser kleinsten Giftmengen hofft man den Körper zur Bildung von Antikörpern resp. zu erhöhter Phagozytose anzuregen, welche dem kranken Organ zugute kommen soll. In derselben Richtung bewegen sich die neueren Versuche, hartnäckige Staphylokokkenerkrankungen (Blepharitis ulcerosa, Furunkulose etc.) durch sub- kutane Injektion abgetöter Staphylokokken zu beinflussen. Das Anwendungsgebiet und die Wirkung der spezifischen Serum- therapien sind bis jetzt noch nicht sehr umfangreich in der Augen- heilkunde. Daher die Erscheinung, daß man mit innerer oder subkutaner Darreichung von Medikamenten einen Ein- fluß auf tiefere Augenentzündungen zu gewinnen sucht. Diese seit altersher geübte Therapie war in moderner Zeit vorübergehend in Mißkredit geraten, wird aber neuerdings (mit Recht) wieder vielfach angewandt neben den schon erwähnten allgemein-hygienischen und diätetischen Maßregeln. Einen sehr ausgedehnten Gebrauch findet, besonders zur Be- kämpfung von Entzündungen des Augapfels, außer den Salizyl- präparaten der innerliche Gebrauch von Quecksilber, besonders in Gestalt der Einreibung von grauer Salbe (täglich 2,0—4.0 g), oder subkutan (Sublimat 0,01 pro dosi) oder zur Erzielung sehr schneller und energischer Wirkung intravenös (man staut die Armvene und injiziert mit Pr avazscher Spritze) oder innerlich (Kalomelpillen), und zwar nicht nur bei zweifellos oder möglicherweise syphilitischen Prozessen (dar- unter natürlich auch solche des Nervensystems, die durch Lähmungen, Sehstörungen, Sehnervenentzündung usw. die Augen beteiligen), sondern auch bei zahlreichen anderen Entzündungen des Bulbus; so besonders bei den chronischen Entzündungen der Uvea (selbst tuber- kulösen), bei Sehnervenentzündungen, ferner bei sympathischer Oph- thalmie und auch bei Wundentzündungen nach perforierender Ver- letzung. Es ist sicher, daß auf nicht wenige Fälle dieser Art, auch wenn sie nicht luetisch sind, das Hg günstig wirkt; es ist ja auch gar nicht einzusehen, warum nur die Erreger der Syphilis von diesem Mittel beeinflußt werden sollten. Natürlich bedürfen die mit Hg Behandelten einer sehr sorgfältigen Mund- pflege. Sollten von Seiten des Zahnfleisches oder des Magen-Darmkanales Er- scheinungen des Merkurialismus sich zeigen, so ist das Hg zeitweise auszusetzen. Nicht zu empfehlen oder doch mit größter Vorsicht zu gebrauchen ist das Hg bei Atrophie des Sehnerven, wenigstens nicht bei der tabischen Form. Der Verfall kann dadurch beschleunigt werden; auch bei anderen vor°-e- schrittenen Degenerationen des N. opticus ist Vorsicht am Platze. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 5 Auch die Jodpräparate finden weiteste Anwendung, auch bei nichtsyphilitischen Prozessen (entzündliche und degenerative Ver- änderungen der Sehnerven, der motorischen Nerven, rheumatische Prozesse der Uvea und Sklera zur Nachbehandlung, ferner Gefäß- erkrankungen, Blutungen etc.). Die Darreichung entspricht den all- gemein üblichen Regeln; wird Jodnatrium bezw. Kalium (10,0 — 20,0:300,0 eßlöffelweise mit Milch, oder 20,0:40,0 in Wasser oder Milch einzutropfen) per os nicht vertragen, so gibt man (in der Praxis elegans) Sajodintabletten, oder subkutan Jodipin. Mit- unter sind sehr große Dosen (täglich 10,0 Jodnatrium und darüber, mit einem Zusatz von Bromnatrium, bei reichlicher Milchdiät) noch wirksam, wo kleinere versagen; die großen Dosen werden zumeist ebenso gut vertragen. Bei innerlicher Darreichung von Jodpräparaten ist der äußerliche Gebrauch von Kalomel am Auge streng kont r aindiziert wegenderMöglichkeitvon Verätzungen (durch das sich bildende Jodquecksilber)! Die interne Darreichung der Salizylpräparate, des Hg und des Jod, von der man sich einen entzündungs- widrigen und resorbierenden Einfluß verspricht, werden bei Bulbuserkrankungen vielfach mit lokalen Maßnahmen gleichen Zweckes kombiniert: Wärme, Massag*e (in späteren Stadien nach Abklingen der Reizung, sanft rotierende Bewegungen mit dem auf das geschlossene Oberlid gesetzten Finger, einige Minuten lang; die Massage soll nicht schmerzen!), außerdem subkonjunktivale Injek- tionen. Diese letzteren werden jetzt sehr vielfach angewandt: Nach Kokainisieiung (innerhalb 5 .Minuten 2 Tropfen 2—4°/o) injiziert man unter die Conjunctiva bulbi in der Nähe der Übergangsfalte oben oder unten 1 '2 bis 1 ccm 2—4%>iger steriler Kochsalzlösung (der zur Vermeidung von Schmerzen 1/20,'oiges Akoin von manchen etwas beigemischt wird) und legt dann sofort für 1J4 Stunde einen Verband an. Die Kochsalzlösung verbreitet sich auf der Sklera, wirkt lyinphtreibend und auf das Augeninnere als ein Reiz, der vermehrte Serum- und Eiweißausscheidung bedingt und dadurch die Abwehr und Heilung von Entzün- dungen begünstigt. Man schreibt den subkonjunktivalen Injektionen eine resor- bierende und antiinfektiöse Wirkung zu und verwendet sie bei septischer Keratitis, bei Kerat. parenchymatosa in der Rückbildung, bei Uveitis chronica, Glaskörpertrübungen, Wundinfektionen, zur Resorption von Blutungen, ferner bei Netzhautablösung. Nicht empfehlenswert sind sie bei akuter Iritis, wie über- haupt darauf geachtet werden muß, daß keine zu starke Reizung entsteht. Höhere Konzentrationen der Salzlösung sind deshalb zu vermeiden. Da von dem subkonjunktivalen Raum aus nachweisbare Mengen von Medi- kamenten nicht in das Augeninnere eindringen, hat es nicht viel Wert, anstatt des Kochsalzes andere medikamentöse Lösungen (Sublimat usw.) zu verwenden, die den Nachteil stärkerer Reizung bieten. Die Salizylpräparate, besonders das Aspirin (und „Acidum aceto- salicylicum") wirken auch hervorragend schmerzstillend bei vielen Augenentzündungen. Bei sehr vielen Kranken bewirken sie dadurch auch ruhigen Schlaf. Der innere oder subkutane Gebrauch von Opiaten und Morphium ist deshalb nur relativ selten nötig. Für glaukomatöse Schmerzen hat jedoch das Morphium den Vorzug, daß es gleichzeitig auf die Pupille verengernd einwirkt. Wo es sich nur um Beseitigung nervöser Erregung handelt, kom- men besonders die Brompräparate (innerlich Bromnatrium 2,0—4,0 g oder Brom- 6 Axenfeld, wasser, täglich einige Gläser) in Betracht; in Fällen von Schlaflosigkeit Veronal (0,5—1,0) oder Trional (1,0) und die anderen bekannten Schlafmittel, die jedoch immer nur mit Unterbrechung zu geben sind. Auch am Abend vor der Augen- operation empfiehlt sich die Darreichung von Brom (eventuell dazu noch Veronal 0,5); die Kranken sind dann bei der Operation wesentlich ruhiger. Bei hochgradiger Erregung und Unruhe, wie sie bei Alkoholisten, senil Dementen usw, gelegentlich beobachtet wird, sind größere Dosen Paraldehyd (4,0 g zweimal täglich) geeignet, eventuell Murphium-Skopolamin. Unter den lokalen schmerzstillenden Mitteln ist bisher immer noch das Cocainum muriaticum das verbreitetste (2—4% ige Lösung). Auf die Einträufelung eines Tropfens erfolgt zunächst ein kurzdauerndes leichtes Brennen; dann beginnt die anästhesierende Wirkung; nach einigen Minuten wird die Hornhaut auf Berührung unempfindlich, was man vorsichtig mit einem Stückchen Watte oder einer Sonde kontrolliert. Auf nochmalige Einträufelung ist die Anästhesie nach ca. 5 Minuten so gestiegen, daß man z. B. einen ober- flächlichen Hornhautfremdkörper schmerzlos entfernen kann. Ist Anästhesie ein- getreten, so läßt man das Auge schließen oder häufig Lidschläge ausführen zum Schutze der Kornea. Reagiert der Patient noch, so gibt man nochmals Kokain. Zu gleicher Zeit haben sich, da das Kokain ein Sympathikus-Reizmittel ist, die Gefäße kontrahiert, die Bindehaut ist blasser. Ferner ist, was der Untersuchung und Behandlung weiter zu statten kommt, besonders bei lichtscheuen Personen, durch Reizung des vom Sympathikus innervierten glatten Heber des Oberlides (eines Hilfsmuskels des Levator palpebrae) die Lidspalte weiter geworden. — Nach etwa 1,U Stunde beginnt auch eine mäßige Mydriasis (Dilatatorreizung). Wünscht man noch stärkere Anämie, so gibt man noch 1 Tropfen Adrenalin, (dasselbe wird 1:1000 geliefert) oder Suprarenin. (Diese Nebennierenextrakte wirken sehr stark anämisierend, erhöhen dadurch auch die Kokain Wirkung. Man kann auch von vornherein der Kokainlösung einige Tropfen Adrenalin bei- mischen). In gleicher Weise wird das Auge für Operationen an der Konjunktiva, den Augenmuskeln, dem Bulbus vorbereitet, die sich deshalb in der großen Mehrzahl der Fälle unter Lokalanästhesie vollziehen. Nur bei besonders gefährlichen und unruhigen Fällen bedarf man der all- gemeinen Narkose. Da die Iris bei entzündlichem Glaukom nur verhältnismäßig wenig an der Anästhesie teilnimmt, wird die Iridektomie besser in Narkose aus. geführt. Für solche Bulbusoperationen ist nur eine tiefe Narkose brauchbar, da erst in dieser die Augen sich wieder geradeaus stellen und das Pressen aufhört, während im Exzitationsstadium die Bulbi nach oben gestellt zu wt erden pflegen. Gerade für Augenoperationen sind deshalb die automatischen Sauerstoff- Chloroformapparate von Roth-Draeger besonders zu empfehlen wegen ihrer relativen Gefahrlosigkeit, sowie auch deshalb, weil sie das Operationsgebiet am wenigsten einengen. Nach subkutaner Injektion kleiner Mengen 2—4"/oigem Kokain und Adrenalin lassen sich auch viele Eingriffe an den Lidern, den Tränenorganen unter Lokalanästhesie vornehmen, auch die Enukleation und Exenteration, wenn man mit gebogener Kanüle die Umgebung des Sehnerven und damit die Ciliar- nerven infiltriert. (Sehr unterstützt wird dies Operieren in Lokalanästhesie, wenn man vorher 0,01 Morphium subkutan gibt.) Größere blutige Operationen (Plastiken, Orbitaloperationen etc) bedürfen natürlich der Narkose. Die Ersatzmittel des Kokains, das.Eukain, Holokain, Stovain u a. sind zwar auch für manche Zwecke verwendbar, haben aber bisher das Kokain nicht zu verdrängen vermocht. Das Holokain in 1/20/oiger Lösung wird von manchen für Fremdkörperentfernungen vorgezogen, weil es das Epithel der Kornea weniger angreift. Die Wirkung ist aber auch flüchtiger. Akoin (einige Tropfen der 1h°/oigen Lösung) wird als Analgetikum gern der Kochsalzlösung vor der subkonjunktivalen Injektion zugesetzt, ist aber nicht unentbehrlich. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. Ein Übermaß von Kokaineinträufelungen muß ver- mieden werden, weil das Mittel in größerer Menge das Hornhaut- pithel angreift und seine Regenerationsfähigkeit herabsetzt. Man soll deshalb nicht schon bei einfachen konjunktivalen oder palpebralen Entzündungen Kokain zu längerem Gebrauch den Patienten ver- schreiben. Man wird hier nur gelegentlich bei starker Empfindlich- keit, zur Entfernung von Fremdkörpern, zur Linderung einer schmerz- haften Behandlung (Tuschieren mit Kuprum sulf., Arg. nitr. usw.) einträufeln. Im übrigen wird man dieser Beschwerden durch die entsprechende Behandlung (Adstringentien, Kompressen) Herr; auch bei Hornhautleiden, Iritis soll man nicht maßlos Kokain geben! Kontraindiziert ist es geradezu bei denjenigen Hornhaut- prozessen, welche an und für sich schwer epithelisieren und zu Un- regelmäßigkeiten der Regeneration neigen: Kratzwunden, Herpes, Keratitis dendritica. Hier empfiehlt sich gegen die oft sehr großen Schmerzen mehr das Dionin (2—10°/o). Dasselbe verursacht zunächst heftiges Brennen, dann aber tritt unter gleich- zeitiger ödematöser Durchtränkung der Konjunktiva, eventuell auch der Lider, Ruhe ein. Die Schmerzstillung dauert oft stundenlang, wirkt tiefer wie das Kokain (oft auch auf iritische, iridocyklitische, glaukomatöse Schmerzen). Es handelt sich aber hier um eine rein analgetische Wirkung, die Tastempfindung der Kornea wird nicht beeinflußt, so daß das Mittel zur Fremdkörperentfernung und Un- empfindlichmachung gegen andere Eingriffe nicht verwendet werden kann. Wegen seiner hyperämisierenden und lymphtreibenden Wirkung hat das Dionin auch eine gewisse resorbierende und anregende Wirkung. Bei Iritis, bei Neigung zu Blutungen ist Votsieht geboten. Auch Umschläge und Kataplasnien sind für viele Fälle von B lbusentzündung ein ausgezeichnetes schmerzlinderndes Mittel, besonders bei Glaukom, bei manchen Fällen von Iritis, von Verletzungs- oder Wundinfektion. Sie wirken auch verteilend und lösend. Aller- dings werden sie nicht von allen gleich gut vertragen. Bezüglich der örtlichen Anwendung von Kälte und Wärme am Auge müssen wir uns vorhalten, daß Kälte die Hyperämie ver- mindert und dadurch subjektiv manche Beschwerden, das Hitze- gefühl usw. lindert; auch kann man sich vorstellen, daß durch in- tensive Kältewirkung, z. B. fortgesetzte Eiskompressen bei Blennor- rhoe u. a. eine für die Entwickelung mancher anspruchsvoller Keime, z. B. der Gonokokken, der Pneumokokken eine weniger geeignete, kühlere Temperatur geschaffen wird. Andererseits wird die Wärme mit ihrer Hyperämie befördernden Wirkung die Abwehrtätigkeit des Körpers, resp. des kranken Organs begünstigen und unter Umständen auch schmerzstillend wirken. Es ist unter diesen Umständen aber begreiflich, daß die einen Autoren mehr Kälte, die andern mehr Wärme anwenden, und daß auch individuell die Wirkung verschieden ist. Man muß darauf achten und berücksichtigen, ob der Patient sich bei der verordneten Temperatur wohl fühlt. Für Entzündungen an den Lidern und der Konjunktiva gilt Kälte für besser, für solche am Bulbus (Hornhautentzündungen, Iritis, Skleritis) Wärme. Doch wird dieses Schema nicht überall in gleicher Weise anerkannt. Bei den abszedierenden Lidentzündungen (Hordeolum, Lidabszesse bezw. 8 Axenfeld, Furunkeln) werden vielfach (mit Recht) lauwarme Kompressen oder warme Kata- plasmen vorgezogen, weil sie die Eröffnung und Entleerung beschleunigen. Das Gleiche gilt für phlegmonöse Eiterungen des Tränensackes. Bei den sezernierenden Katarrhen der Bindehaut ist wohl fast allgemein Kälte beliebt, weil Wärme die Sekretion zu steigern pflegt. Für progressive Hornhautentzündungen ziehe ich Wärme vor; manche greifen aber gerade hier zum Eisbeutel. Die Erkrankungen der Uvea und Sklera werden von den meisten mit Wärme behandelt. Kälte wendet man an in Gestalt von kleinsten Eisbeuteln oder Eis- säckchen (kleine Stückchen in einem Säckchen wasserdichten Stoffes), oder als Eiskompressen (in Borwasser getauchte Kompressen werden auf größere Eisstücke gelegt, dann auf das Auge gebracht und, sobald sie warm werden, wieder erneuert). Wo nicht gerade Eiskälte beliebt wird, macht man die Um- schläge in der gewöhnlichen Temperatur des kalten Wassers. Solche Umschläge sind auch unmittelbar nach medikamentöser Ät/.ung der Bindehaut mit Argentum, Kuprum und anderen schmerzenden Mitteln sehr wohltuend. Die Wärme wird angewandt in der Form lauwarmer (20 bis 35° Celsius) Umschläge und heißer (35 bis 50°) Umschläge und KatHplasmen. Die Temperatur mischt man durch Zusatz von heißem Wasser zu der Bor- lösung und kann sie durch einen kleinen Spiritusbrenner konstant erhalten. Für heiße „Kataplasmen" wird heißer Leinsamenbrei oder Kartoffelbrei in ein Säckchen gefüllt; um die Haut nicht zu sehr zu reizen, legt man auf die Lider eine trockene Kompresse, über das Kataplasma ein Tuch oder eine leichte Binde. Auch geeignete kleine Thermophore (Gummibeutel, welche eine Wärme- mischung enthalten; sie werden kurze Zeit in kochendes Wasser gelegt und bleiben dann lange gleichmäßig warm) sind zu verwenden. In der Praxis elegans und im Krankenhans sind sehr angenehm die elektrischen Thermophore. „Kompressen" (Umschläge) werden in der Weise ver- ordnet, daß in die mit der Lösung gefüllte Schale mehrere Stücke (4 fach) Verbandstoff, oder auch Taschentücher, getaucht, und dann auf die geschlossenen Lider gelegt und abwechselnd erneuert werden, sobald die Kompresse auf dem Auge abkühlt oder warm geworden ist. Als Mittel zu „Umschlägen" ist besonders die Borsäure (Acid. bor.) zu empfehlen, 1—2%. In der Praxis pauperum und für Kassen verschreibt man einfach „Bor- säure 20—30 g im Handverkauf", 1 Messerspitze in V2 1 Wasser lösen zu Um- schlägen. Auch dünne Sublimatlösung (1 : 5000), Hydrarg. oxycy an. (1 : 2000 bis 30C0), ganz dünne Lösung Kalium permanganicum werden angewandt. (Das früher sehr viel verwandte „Bleiwasser" ist zwar an sich ein gutes Kompressenmittel; in der Augenheilkunde sollte lieber von ihm Abstand ge- nommen werden. Denn wenn ein Epitheldefekt der Hornhaut entsteht, kann das Bleiwasser weiße, irreparable Bleiinkrustationen in der Hornhaut machen. Also man muß unter allen Umständen da* Bleiwasser auf Fälle mit gesunder Kornea beschränken! Und da im weiteren Verlauf sich manchmal noch Hornhautulzerationen entwickeln, so sollten die Patienten das Mittel nicht un- gewarnt weiterbrauchen. Da außerdem gern ein einmal benutztes Mittel von den Kranken an andere Augenpatienten weitergegeben wird, so sollte Bleiwasser gar nicht verschrieben werden. Ich habe öfters Inkrustationen durch solches weiter- gegebenes Bleiwasser gesehen.) Waschungen der Augen werden mit einem in die verord- nete Flüssigkeit (am besten lauwarm) getauchten Wattebausch aus- geführt, zur Beseitigung von Sekret bei Katarrhen; man läßt immer Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 9 vom äußeren nach dem inneren Lidwinkel waschen. Es kann dabei von der Flüssigkeit ohne Schaden etwas in den Konjunktivalsack eindringen. Besonders wichtig sind solche Waschungen bei schwer infektiösen Katarrhen zur Beseitigung des stagnierenden Eiters, besonders bei Blennorrhoe! Sie müssen hier sehr häufig von einer anderen Person gemacht werden, welche dazu die Lider vorsichtig auseinanderzieht. Bei diesen Fällen sind außerdem direkte Spülungen am Platze (cf. Abschnitt „Blennorrhoe" in „Bindehauterkrankungen"). Von manchen Ärzten werden zu Augenwaschungen auch gern die sog. Augen wannen empfohlen, kleine Porzellan- oder Metallschalen, deren Rand den Augenhöhlenrändern angepaßt ist. Man legt das Auge an die gefüllte Wanne, drückt dieselbe an und kann jetzt bei emporgehobenem Kopf und geöffneter Lid- spalte das Auge baden. Auch ein feiner Spray, sowie der Dampf eines Inhalierapparates (aus größerer Entfernung) sind verwendbar. Eine sogenannte ableitende Wirkung gegen Entzündungen und Schmerzen, besonders der Uvea, wird auch den örtlichen Blut- entziehungen zugesprochen. Natürliche Blutegel (2—5) am Orbitalrand oder hinter dem Ohr werden von manchen auch heute noch sehr gegen zyklitische und iritische Schmerzen empfohlen. Künstliche Blutentziehungen mit dem H eu rtelo up sehen Apparat (1 oder 2 Zylinder), an der Schläfe oder hinter dem Ohr (Processus mastoideus) wird ein günstiger Einfluß besonders auch auf Veränderungen der Chorioidea, der Retina und des Optikus zugeschrieben. Von vielen Seiten sind diese örtlichen Blutentziehungen verlassen worden, weil nach ihrer Ansicht Schmerzen und Entzündung durch unsere sonstigen heutigen Mittel sich bekämpfen lassen und überhaupt das gleiche Resultat sich auch durch andere, weniger unangenehme äußere und innere Medikationen erreichen läßt. Bei starker ödematöser Schwellung der Lidhaut und der Conjunctiva bulbi sind gelegentlich Skarifikationen am PJatze. Augenverbände. Wundbehandlung und Nachbehand- lung. Asepsis und Antisepsis. Bei entzündlichen Erkrankungen der Lider und der Bindehaut verbindet man im allgemeinen nicht, weil unter dem Verband eine Vermehrung der Keime eintritt und das Sekret zurückgehalten wird. Dagegen bei Hornhaut- und anderen Bulbuserkrank- ungen nach Verletzungen, wirken Verbände oft nützlich durch Ruhigstellung des Auges und durch die größere Wärme, welche die Epithelregeneration beschleunigt und die Zirkulation begünstigt. Für viele Fälle genügt eine sog. leichte Binde (gestricktes oder ovales Stück Tuch oder Seide mit zwei langen Bändern (cf. Fig. 1); sie hat den Vorzug, leicht gewechselt werden zu können zur Einträufelung der Tropfen, zu Um- schlägen usw. In anderen Fällen( Verletzungen, nach Fremd- körpern, Blutungen) ist ein richtigei Schluß- Fig. 1. Leichter Verband. 10 Axenfeld, verband vorzuziehen. Der typische „Monoculus" bleibt an manchen Köpfen nicht gut sitzen. Für solche Fälle, wie überhaupt, wo man auf ruhigen, guten Sitz besonderen Wert legen muß, empfiehlt es sich sehr, zu den Monoculustouren eine oder zwei Capistrumtouren hinzuzufügen (cf. Fig. 2). Fig. 2. Monoculus, kombiniert mit Fig. 3. Binoculus. Capistrum. Ein doppelseitiger Verband (Binoculus, cf. Fig. 3) wird außer bei doppelseitigen Leiden der genannten Alt auch mitunter bei einseitiger Er- krankung angewandt, wo man auf absolute Ruhigstellung des Auges und der Lider besonderes Gewicht legen muß, weil die Bewegungen eines freigelassenen Auges immer auch auf die verbundene Seite sich übertragen, also nach manchen schwierigen plastischen Operationen, schweren perforierenden Verletzungen, nach Muskelvorlagerungen. Es genügt aber in solchen Fällen auch, das zweite Auge mit einem Streifen englischen Pflasters zuzukleben. Im allgemeinen ist man aber von den früher viel benutzten doppelseitigen Verbänden sehr zurückge- kommen, weil der vollständige Lichtabschluß für die Kranken schwer zu er- tragen ist. Fig. 4. Augenkapsel. Fig. 5. Augenklappe. Wird Druck auf dem Auge und überhaupt eine anliegende Kompresse nicht vertragen, so muß man eine gewölbte Kapsel mit Gummischnur (cf. Fig. 4), wie solche bei den Instrumentenmachern allenthalben zu haben sind: oft °-enü<»t auch eine Klappe (cf. Fig. 5). Bei klinischen Kranken kann man ein Gitter auf- legen (cf. Fig. 8). Oder man setzt eine muschel förmige Schutzbrille auf und legt Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 11 über dieselbe eventuell noch eine leichte Binde. Diese letztere Vorrichtung wird auch deshalb vielfach gern getragen, weil auch bei einseitiger Erkrankung oft das andere Auge lichtscheu ist infolge einer reflektorischen Reizung der Vasomotoren. Bei schweren, ansteckenden Infektionen der einen Seite, besonders bei Gonorrhöe der Er- wachsenen, schwerer Diphtherie wird das andere Auge durch einen Schutz verband geschützt. Am besten ist ein sogen. Uhrglasverband (cf. Fig. 6). Ein Uhrschälchen oder ein Stück Glimmer wird in einer Öffnung eines Stückes Leinwand oder Mull befestigt. Mit Kollodium wird der Verband auf Stirn, Wange und Nasen- rücken luftdicht festgeklebt. Ein solcher Ver- band hat vor einem gewöhnlichen Verband den großen Vorteil, daß der Kranke sehen und daß der Arzt das bedeckte Auge beobachten kann. Verbindet man hydropathisch, was bei Iritis, Keratitis, Skleritis oft sehr wohltuend wird, so legt man zu unterst ein mit physiologischer Kochsalzlösung oder mit 2°'oiger Borlösung an- Fig. 6. Uhrglasschutzverband. gefeuchtetes Stückchen Verbandstoff, darüber wasserdichten Stoff, der nach allen Seiten die Kompresse um 1 cm überragt, darüber Watte und dann die Binde. Man hat zu beachten, daß bei manchen Menschen sich unter der Einwirkung der Feuchtigkeit ein Ekzem der zarten Lid- haut entwickelt, es sind deshalb bei empfindlicher Haut (besonders bei Skrofu- lösen) vorher die Lider einzusalben. Auch bei längerer Anwendung trockener Verbände ist es ratsam, die Lid- ränder regelmäßig beim Verbandwechsel zu waschen und dann mit einer indiffe- renten Salbe einzusalben (Borsalbe, Byrolin, Neißers Zinkwismutsalbe). Auch ist es für den Patienten sehr wohltuend, bei jedem Verbandwechsel nicht nur die Lider, sondern auch die Stirn, die Schläfen und Wangen mit einer feuchten Kompresse abzuwaschen. Für unruhige Kranke, für Kinder empfiehlt sich der Gebrauch von Stärke- binden. Kleinen Kindern kann man über die Arme Papphülsen streifen oder grade Schienen anlegen, damit sie mit den Händen nicht an ihre Augen können und die Verbände nicht abreißen. Eigentliche Druckverbände, welche den Augapfel komprimieren sollen, finden bei Blutungen, bei Netzhautablösung Anwendung. Sie sollen jedoch nicht zu straff sein; es muß eine reichliche und gleichmäßige Wattepolsterung aufge- legt werden, deren gute Lage mit der flachen Hand kontrolliert wird. Nicht alle Augen vertragen Druckverbände; manche werden bald schmerzhaft und gereizt, die Hornhaut kann sich falten, die Iris hyperämisch werden. In solchen Fällen ist der Druckverband wegzulassen und durch einen leichteren zu ersetzen. Zu beachten ist auch, daß unter dem Verbände sich nicht selten ein Entropium spasticum des Unterlides bildet, besonders bei alten Leuten, welches durch die einwärtsgekehrten Zilien heftige Konjunktivitis verursacht. Das Lid muß dann, wenn man auf den Verband nicht verzichten kann, durch Heft- pflasterstreifeu oder eine Naht aufgerichtet werden. Im allgemeinen werden große Verbände heute viel weniger an- gelegt als früher. Insbesondere nach Operationen des Bulbus ist man weitgehend von ihnen abgekommen. Man hat gelernt, daß es zur Heilung von Star- oder Iridektomie-Wunden eines Druckes nicht bedarf; das geschlossene Oberlid ist die zarteste und beste Bedeckung. Wenn man nach einer Staroperation auf die Lider ein loses Verbandstoffläppchen auflegt und darüber ein Fuchssches 12 A xenf eld, Fig. 7. Fuchssches Gitter (einseitig). Staroperierter, 3 Tage nach der Operation. Gitter (cf. Fig. 7) oder eine ähnliche Vorrichtung, so genügt das vollkommen und ist für die Kranken leichter und angenehmer. Die Augen schließen sich dahinter von selbst und bleiben ruhig. Liegen nicht besondere Gründe vor, welche eine längere Bettruhe er- fordern, so muß der Kranke nur die ersten 24 Stunden ruhig liegen (übrigens auch dabei nicht unbeweglich starr, wie manche Starkranke fürchten). Dann ist meistens die Wundver- klebung eingetreten, es kann das andere Auge freigelassen werden; man läßt den Kranken vorsichtig aufstehen, er darf in den nächsten Tagen auch schon behutsam umhergehen. Diese freiere Nachbehand- lung ist heutzutage sehr verbreitet, weil sie bei völlig genügender Sicher- heit den Patienten möglichst wenig zu- mutet, ein Umstand, der wegen des hohen Alters vieler Starkranker sehr ins Gewicht fällt. Nachträgliche Wund- sprengungen sind unter dem Gitter sogar seltener, als unter dem Verbände, und die früher öfters beobachteten psychischen und ner- vösen Störungen bei alten Staroperierten gehören heute zu den großen Seltenheiten. Damit soll nicht gesagt sein, daß nicht auch unter einem (nicht drückenden) Schlußverband gute Resultate erzielt werden. Auch dieser aber wird heutzutage wohl überall nach 24 Stunden gewechselt und mit einem einseitigen Verbände vertauscht. Hand in Hand mit dieser freieren Nachbehandlung ist auch der Aufenthalt im Dunkeln mehr und mehr für Augenkranke, besonders auch für Operierte, beseitigt worden. Es ist infolgedessen heutzutage eine Augenkur im Krankenhaus nicht entfernt mehr eine solche Strapaze, wie sie es früher häufig war. Besonders die Staroperation und ihre Nachbehandlung ist in keiner Weise mehr besonders an- greifend. Auch der Aufenthalt in frischer Luft, auf Veranden und im Garten wird den Augenkranken heutzutage weitgehend gestattet. Es ist wichtig, daß der Arzt von diesen Erleichterungen der klinischen Behandlung unterrichtet ist. Er wird dann manche un- nütze Befürchtungen, besonders bei nervösen und bei alten Kranken beseitigen können. Sind nach einer Verletzung, nach Augenoperation oder spontan Blutungen zu befürchten, so ist natürlich ein Verband angezeigt, ebenso nach allen Operationen an den Lidern und den anderen Ad- nexen, an den Augenmuskeln usw. Die Antiseptik und die Aseptik, die Wundversorgung in der Augenheilkunde, stimmt bezüglich der Vorbereitung und Behand- lung von Wunden und Operationen an den Lidern, den Tränen- organen, der Orbita mit den sonstigen chirurgischen Regeln überein, Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 13 ebenso die Behandlung der Instrumente und Verbandstoffe, die Hand- desinfektion des Operateurs und aller Mitwirkenden. Da die meisten Augenoperationen unter Lokalanästhesie gemacht werden und der Operateur oft die Kranken dabei ansprechen muß, sind gerade für den Augenoperateur die auch sonst in der Chirurgie vielfach üblichen „Mundschleier" zur Vermeidung der Speichelverstaubung (Tröpfchen- infektion) am Platze. Die Augentropfflüssigkeiten vertragen das Kochen; das Kokain darf jedoch nur kurz aufgekocht werden. Für die Reinigung der Bindehaut sind stärkere Desinfizientien und energisches mechanisches Abreiben nicht angebracht, weil sie das empfindliche Gewebe schädigen und Katarrh erzeugen. Das kann für die Wundheilung, besonders von Starwunden, gefährlicher sein, als das Zurücklassen einiger Keime auf der Bindehdut. Man beschränkt sich auf Ausspülung und ganz zartes Abputzen mit 2° oiger Borlösung, Sublimat 1 :5000 oder physiologischer Kochsalzlösung. Es ist das auch vollständig ausreichend, weil durch die konstante Berieselung mit den sterilen Tränen die Bindehaut so wie so verhältnismäßig keimarm ist; die vorhandenen Keime pflegen aus dem gleichen Grunde nur wenig virulent zu sein. Befanden sich freilich die Bindehaut oder die Lidränder, oder der Tränensack in entzündetem Zustande, so wächst die Infektions- gefahr bedeutend. Es muß deshalb allen Augapfeloperationen eine sorgfältige Untersuchung in dieser Richtung, am besten auch eine bakteriologische Ausstrich - Untersuchung des Sekretes nach der Gramschen Färbung, und eine entsprechende Behandlung vorausgehen. Der Arzt kann durch aufmerksame Vorbehandlung der- artiger komplizierender Leiden manchem Starpatienten die spätere klinische Kur bedeutend erleichtern und abkürzen! Besonders gefährlich sind für Wunden die Tränensackentzündungen. die Dakiyocj'stitis, weil in ihrem Sekret besonders reichlich und virulent die dem Auge so gefährlichen Pneumokokken sich aufzuhalten pflegen. Der Arzt soll deshalb auf diese Erkrankung (cf. Abschnitt „T hränen o r g ane") rechtzeitig achten und sie beseitigen helfen, besonders auch bei der arbeitenden Klasse, damit nicht eines Tages eine der unvermeidlichen kleinen tierufsverletzungen eine Sepsis der Hornhaut herbeiführt (cf. „Verletzungen" und „Kornea"). Hat man bei entzündeten oder unreinen Adnexen zu verbinden, so kann man Jodoform oder Xeroform auf die Wunden und die Lidränder stäuben. Für letztere empfiehlt sich sehr auch eine Ichthyolsalbe (Ichtbyolum purum mit Vaselin zu gleichen Teilen). Man kann auch, um dem Sekret Abfluß zu gewähren und ein Verkleben der Lidränder zu verhindern, die Wimpern abschneiden. Schutzbrillen. Lichtsohutz. Für manche gewerblichen Betriebe mit besondere hoher Ver- letzungsgefahr durch Splitter und dergleichen sind Schutzbrillen von feinem Drahtgeflecht, starken Glasplatten, Zelluloid usw. zu empfehlen. Sie werden leider von den Arbeitern erfahrungsgemäß fast nur bei ganz grober Arbeit getragen (z. B. Steinklopfen), da sie den meisten beim Schwitzen, im Staub, an Ofen usw. lästig sind und das Sehen beeinträchtigen. Daher die große Zahl von Verletzungen des Auges, besonders durch Splitter, bei Explosionen usw. Andere Berufe erfordern dunkle Brillen zum Schutz gegen 14 Axenfeld, Blendung, z. B. gegen Bogenlicht in elektrischen Fabriken, an Glasöfen, Schmelzöfen usw. Für Wanderungen auf Schneeflächen, Gletschern, in blendender Sonne usw. sind Schutzbrillen notwendig. Personen, welche eine Sonnenfinsternis beobachten, müssen sich besonders sorgfältig durch ganz dunkle Brillen schützen. Die früher vielfach getragenen blauen Brillen sind zum Lichtschutz nicht besonders geeignet. Denn die schädliche Wirkung des Lichtes auf das Auge beruht weniger auf den leuchtenden Strahlen, als auf den chemisch wirkenden violetten und ultravioletten, die durch blaues Glas großenteils hindurch- gehen. Dunkelgraue Brillen sind geeigneter, oder aber auch die neuerdings hergestellten Glassorten, welche bei gelblicher Färbung gerade die ultra- violetten Lichtstrahlen absorbieren. Unter den Augenkranken bedürfen eines Lichtschutzes in erster Linie die Erkrankungen des Augenhintergrundes, der Retina und der Chorioidea, auch manche Erkrankungen des Sehnerven. Besonders in frischen Fällen ist der Lichtschutz un- bedingt nötig; es bedarf dazu aber nicht des Aufenthaltes im dunk- len Zimmer, man kann dem hygienisch so wichtigen Licht den Eintritt gewähren und nur gegen blendendes oder direktes Sonnenlicht die Vorhänge herablassen. Zum Lichtschutz des Auges genügen muschel- förmige, dunkle Brillen (cf. Fig. 8). Bei einseitiger Erkrankung reicht einseitige Fig. 8. Muschelförmige dunkle Verdunkelung (durch Glas oder Klappe) aus. Schutzbrille. Die Optiker führen zumeist verschie- dene Nuancen von grauem Glas: grau I—VI und liefern auf V7erlangen auch die korrigierenden (konvex, konkav etc.) Brillen in diesen Farben. Auch bei weiter Pupille (Mydriasis) erfordert die Blendung oft ein Schutz- glas. Manche Kranke mit beginnender Katarakt sehen durch graue Gläser besser wegen der weiteren Pupille. Ebenso Avird bei und nach Entzündungen der Iris und des Ziliarkörpers, soweit nicht ein leichter hydropathischer Verband (cf. S. 9) oder dergl. in Frage kommt, ferner nach Operationen die Schutzbrille oft sehr angenehm empfunden, weil sie im hellen Licht den die Pupille treffenden Kon- traktionsreiz mindert, und überhaupt den „Blendungsschmerz" lindert, der bei manchen Kranken sehr ausgesprochen ist. Das gleiche gilt zur Nachbehandlung mancher Hornhautentzündungen. Bei äußeren Entzündungen der Lider und der Bindehaut sind Schutzbrillen nur gegen Staub, gegen strahlende Wärme und Blendung angezeigt, oder da, wo besonders lebhafte Blendungsempfindungen bestehen. Im übrigen wird man hier der frischen Luft freien Zutritt lassen; besonders bei den chronischen Konjunktivi- tiden, z. B. dem Trachom wird von mancher Seite darauf besonderer Wert gelegt. Alle Augenkranken, auch die äußeren, pflegen strahlende Hitze sehr unangenehm zu empfinden. Es sind deshalb über die Glocken von Petroleum- und Gaslampen, welche eine starke Hitze verbreiten, genügend dichte Lampenschirme zu legen. Gefärbte Lampenglocken genügen für diesen Zweck nicht. Aus dem gleichen Grunde ist der Aufenthalt in überhitzten, trockenen Räumen zu ver- meiden, die Arbeit am Herde u. dergl. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 15 Einträufelungen. Augentropfen. Technik der Einträufelungen. Einträufelungen in den Bindehautsack werden in der Weise am besten ausgeführt, daß man den Patienten den Kopf zurücklegen und nach der Decke blicken läßt. Zieht man jetzt das Unterlid ab, so läßt sich leicht aus einer Höhe von V2—I cm ein oder einige Tropfen einträufeln, ohne daß die Pipette die Lider berührt. Das ist besonders zu beachten, wenn aus ein und demselben Tropfglas verschiedene Kranke bedient Averden, damit nur nicht durch die Pipette eine Übertragung stattfindet. Fig. 9. Einträufelung. Man hält zweckmäßig mit der Hand, welche das Unterlid abzieht, etwas Watte auf die Lidhaut, damit überfließende Tropfen nicht durch das Gesicht des Kranken fließen, ihm nicht in den Mund kommen und seine Kleidung nicht beschmutzen, was besonders bei Silberpräparaten sehr unangenehm ist. Auch die Einträufelungen, welche die Patienten sich selbst machen oder machen lassen, werden in dieser Weise am sichersten und leichtesten ausgeführt, Alle Einträufelungen werden meistens leichter und mit geringerer Gegenwehr angenommen, wirken deshalb auch besser, besonders auch bei Kindern, wenn man die Tropfen vorher leicht erwärmt (durch Einstellen des Fläsch- chens in lauwarmes Wasser, oder in ein Termophor). Die in den unteren Konjunktivalsack eingeträufelte Flüssigkeit verbreitet sich auch unter das Oberlid und genügt deshalb bei leichteren Entzündungen der Bindehaut. Will man aber bei den schwereren Katarrhen (Blennorrhöen, Trachom etc.) auch die ganze obere Konjunktiva ausgiebig ätzen, so muß man das Oberlid ektropionieren. Mit gegen die Orbitalränder ge- spreiztem Daumen und Zeigefinger lassen sich die beiden ektropionierten Lider halten; fordert man dabei den Patienten auf, zu schließen, so präsentiert sich jetzt die ganze Bindehaut, und man kann mit der anderen Hand aufträufeln 16 Axenfeld, oder das Mittel mit einem Pinsel auf streich en (tuschi er en), oder adstringiereude Stifte darüber führen, oder eine medikamentöse Wattemassage vornehmen (Fig. 10). Will man besonders sorgfältig bis in die obere Übergangsfalte vordringen (z. B. bei der Ausrollung der trachomatösen Bindehaut, cf. Abschnitt „Trachom"), so arbeitet man am ektropionierten Oberlid allein. Fig. 10. Ektropionierthalten beider Lider zur medikamentösen Massage (oder zum Tuschieren, Aufträufeln etc.). Mydriatica (pupillenerweiternde Mittel). Zu diagnostischen Zwecken, um einen besseren Einblick mit dem Augenspiegel zu gewinnen, genügt in vielen Fällen eine Einträufelung von Kokain (4°/o); nach V*—1h Stunde ist der Dilatator der Pupille erweitert. Sol. Cocain mur. 2—4% (in dunklem Fläschchen) hat außer der schon erwähnten anästhesierenden auch eine mäßig pupillenerAveiternde Wirkung. Die- selbe tritt erst nach 1/i—'/* Stunde zutage, ist nicht maximal; auch die Licht- kontraktion nur geringer, nicht aufgehoben, weil das Kokain nur den Dilatator reizt, nicht aber den Sphinkter lähmt (ebensowenig die Akkommodation). Für sich allein wird Kokain als Mydriatikum wohl nur zu diagnostischer Erleichterung der Augenspiegeluntersuchung angewandt. In Verbindung mit den anderen Mydriatica unterstützt es deren Wirkung. Man träufelt dann gern zuerst Kokain ein, und nach 5 Minuten das andere, kann aber auch gleich beides miteinander mischen. Will man zu diagnostischen Zwecken kräftig erweitern und gleichzeitig auch den Sphinkter iridis und die Akkommodation lähmen, was besonders zur Refraktionsbestimmung bei jugendlichen Personen erforderlich ist (cf. S. 50), so gibt man, am besten nach vorheriger Kokaineinträufelung Sol. Homatropin sulfur. oder hydrobrom. 1k °/o. Dasselbe lähmt den Sphinkter und die Akkommodation innerhalb von 1I* bis '/2 Stunde. Da diese Wirkung am nächsten Tage vorüber zu sein pflegt, ist das Homatropin für Untersuchungszwecke geeigneter als die länger wirkenden Mydriatica, die deshalb aber vorzuziehen sind zur Behandlung von Iritis und Iridocyklitis. Diese Mittel sind: Das Atropin, verordnet als A. sulfur icum in 1/i—l°/oiger Lösung, gern mit Kokain (1—2°/o) kombiniert. Bei schweren Fällen wird es mehrmals (8—4mal) täglich eingetropft, eventuell auch jedesmal mehrere Tropfen mit 5 Minuten Zwischenpause. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 17 Um auch während der Nacht Atropinwirkung zu erhalten, kann man abends l°/oige Atropinsalbe einstreichen, die viel länger fortwirkt (Fig. 11). Das gleiche gilt für Kinder, bei denen Tropfen oft sofort mit den Tränen herausgespült werden, ferner für Kranke, die unter Verband gehalten werden. Fig. 11 Einstreichen von Salbe, von der Seite her. Man hält die Lider gespreizt, legt das Salbenstäbchen auf die Innenfläche des Unterlides, läßt schließen und zieht dann das Stäbchen heraus. [In der Praxis elegans kann man auch die besonders in England und Amerika verfertigten kleinen Gelat in etablett chen benutzen, welche trocken in den Konjunktivalsack gelegt werden.] Will man eine sehr energische Wirkung herbeiführen, so kann man auch 1 oder 2mal täglich nach vorheriger Kokaineinträufelung eine ganz kleine Menge reinen Atropins in den unteren Konjunktivalsack legen. Danach verbindet man leicht für 1h Stunde. Nicht alle Menschen vertragen das Atropin in gleicher Weise. Es gibt disponierte Personen, welche schon auf eine einmalige Einträufelung hin Lidödem, Konjunktivalreizung bekommen. Bei anderen wird das Mittel zunächst gut vertragen, bewirkt dann aber (durch kumulative Wirkung) eine Entzündung der Bindehaut, besonders eine follikuläre, die schließlich wie ein Körnertrachom aussehen kann. Mitunter gesellt sich auch starke Blepharitis hinzu. Von anderen Kranken wird über Trockenheit im Halse, über Schluck- beschwerden geklagt. Es beruht das auf der bekannten Sekretionslähmung und ist teils die direkte Wirkung des durch den Ductus nasolacrimalis geleiteten Atropins auf die Rachenschleimhaut, teils ein Zeichen der allgemeinen Intoxi- kation. Läßt man nach der Einträufelung die Gegend des Tränensacks zudrücken oder auf die Gegend der Tränenpunkte etwas Watte halten, so tritt bei vielen die störende Beschwerde zurück. Wo sie aber ansteigt und immer wiederkehrt, soll man das Atropin weglassen und durch ein anderes Mydriatikum ersetzen, Eine stärkere Atropin-Intoxikation äußert sich außerdem in Trockenheit der Haut, Sistieren der Speichel- und Schweißsekretion, fliegende Erytheme der Haut, Herzpalpipationen, Tremor und nervöse Erregtheit, in schweren Fällen delirienartige Zustände mit Halluzinationen, schließlich Lähmungen usw. Besonders bei Menschen mit labilem psychischem Gleichgewicht, insonderheit sehr alten Leuten ist darauf zu achten. Antidot bei Atropinvergiftung ist Morphium. Das Atropin Avirkt ferner im Auge etwas druck erhöhend. Es ist des- halb bei Glaukom und Glaukomdisposition streng zu vermeiden. Es soll auch, besonders bei älteren Personen, aus diesem Grunde nicht ohne ärztliche Kontrolle den Patienten zum längeren Selbst- gebrauch gegeben werden! Das gilt besonders für Fälle von beginnender Katarakt, wo durch Mydriasis sich das Sehen manchmal noch längere Zeit ver- bessern läßt. Für eine derartige, rein optische Mydriasis genügt es übrigens, Lehrbuch der Augenheilkunde. 2 18 Axenfeld, wenn jeden 3. oder 4. Abend 1 Tropfen einer dünnen (Vio—V«0/0) Lösung einge- träufelt wird. Das Atropin lähmt den Sphinkter iridis und die Akkommodation. Es be- wirkt am normalen Auge maximale Mydriasis, und zwar eine einmalige Einträu- felung gleich für mehrere Tage, so daß erst nach ca. 1 Woche die Wirkung ganz abgeklungen zu sein pflegt. Gleichwertig und zum Ersatz des Atropins sehr geeignet ist das Skopo- lamin. V*0/0^ Lösung wirkt schon energisch, dabei weniger toxisch als V2°/oiges Atropin. Es wird fast immer gut vertragen (das früher als Atropinersatz ange- wandte Hyoscin ist durch das Skopolamin ganz verdrängt worden). Auch das Skopolamin kann in Salbenform gegeben werden. Miotica (pupillenverengernde Mittel) finden in der Behandlung des Glaukoms weitgehende Anwen- dung (cf. „Glaukom") wegen ihrer druckherabsetzenden Wirkung. Sol. Eserini salicyl. 0,25: 10,0. in brauner Flasche (ältere Eserinlösungen werden rötlich; so- lange sie klar sind, kann man sie trotzdem brauchen). Sol. Pilocarpini muriat. 1—-2°''o (wirkt weniger energisch). Beide Mittel können auch kombiniert werden, z. B.: Eserini salicyl. 0,02 Pilocarpin mur. 0,1 Aqu. dest. 10,— Auch gegen die Miotica gibt es, wenn auch selten, Idiosynkrasien. Stärkere Dosen Eserin wirken leicht allgemein-toxisch. Auch das Morphium wirkt pupillenverengernd; lokal wird es am Auge nicht angewandt. Es eignet sich aber bei Glaukomkranken als allgemeines Nar- kotikum. Adstringentien für die Bindehaut. (Näheres über ihre Indikation cf. Kapitel Bindehauterkrankungen). Sol. Tannin 1,0:10,0 Natr. bibor. 0,3 (schwaches Adstringens, hält sich Acid. bor. 0,1 nicht lange). Aqu. dest. 15,0 DS. bei leichten, chronischen Reizungen Sol. Plumbi acetici perf. neutral. der Bindehaut, Conjunctivitis folli- 0,1 — 10,—. culosa. (zum Aufpinseln oder Aufträufeln auf die ektropionierte Schleimhaut Sol. Argent. nitr. 0,1-0,2: 10- unter Schonung der Kornea; Nach- ^o . ° ' ' " spülen mit Wasser). Db' in biauner Flasche. Nachträufeln von Kochsalz. (Im allgemeinen nicht zum Selbst- Sol. Zinc. sulf. 0,1:20,-30,0 gebrauch verordnen, wegen der Mög- DS. tägl. einträufeln. lichkeit der Argyrose. Vom Arzt (bei Konjunktivitis, besonders bei KTT"*? KßlePharitis' Binde- Diplobazilleninfektionen). hautkatarrhen, besonders den stark ' sezernierenden. Einleitung zur Therapie der Augenkrankheiten. 19 Sol. Protargol 0,2—2,0:10 — (frisch kalt zu bereiten). DS. in dunkler Flasche. (Bei Blennorrhoe, zur Credöisierung). Cupr. sulf. 1,0 Glyzerin 10,— (Kupferglyzerin, zum Einträufeln bei Trachom). Sol. Cuprocitrol 1 :10,0. (Trachom). Collyrium adstringens. Acid. lacticum (30°/o bis purum), (Für Bindehauttuberkulose.) In Stiftform findet Anwendung der Cuprumstift (Cuprum sulfuricum). Alaunstift (Alumen). Man gibt vorher ein Tröpfchen Kokain (2°/o) und streicht sanft mit dem Stift über die evertierte Bindehaut, träufelt dann Wasser nach. Der Argentumstift (Höllensteinstift) ist in der Augenheilkunde entbehrlich. Augensalben. Die äußerliche Anwendung von Salben an den Augen darf nur mit wenig reizenden Mitteln geschehen, weil die Lidhaut und beson- ders die Konjunktiva durch scharfe Salben stark gereizt werden kann. Wir verordnen deshalb in der Augenheilkunde zum Selbtsgebrauch im allgemeinen indifferente oder nur schwach medikamentöse Salben. Wo wegen chronischer Lidhauterkrankungen eine energischere desinfizie- rende oder resorbierende Wirkung gewünscht wird, tut der Arzt besser, einigemale zu tuschieren (2°/o Argent. nitricum mit nach- folgender Kochsalzneutralisation), im übrigen aber milde Salben zu verordnen. Man muß eine Auswahl dieser Salben kennen, weil die- selben nicht allen Personen gleich gut bekommen. Augensalben: 1. Hydr. oxyd. tiav. via hum. par. 0,1 oder 0,2 Ol. olivar. gtt. 4 Vasel. alb. 10,—. m. subt. f. ungt. DS. Gelbe (Pagenstechersche) Augen- salbe. (Stärkere Konzentrationen, bis 10% sind nur vom Arzt selbst anzu- wenden). 2. Zinc. oxyd. 0,1—1,0 Vasel. alb. 10— DS. Zinksalbe. (In der Praxis elegans anstatt Vaselin Ugt. simpl. Ugt. leniens äa 5,0.) 3. Zinc. oxyd. 1,0 Bismuih. subnitr. 1,0 Ugt. simpl. \ Q Ugt. leniens ä~k. S ' DS. Neissers Zink-Wismutsalbe. (Ausgezeichnet für empfindliche Haut). Byrolin (Boroglyzerinlanolin), in Tuben. Borsalbe. Zinc. oxyd. 0,1-1,0 Ammonium sulfo-ichtbyol 1,0 Amyl. trit. 1,0 Vasel. alb. 10,0 DS. Peters Zinkichthyolpaste. (Diplobazillenconjunctivitis). Cupr. citr. 1,0 Vasel. alb. 10,0 (bei Trachom). Jodoformii subt. pulver. 1,0 Vasel. alb. 10,— m f. ugt. 2* 20 Axenfeld. (Hornhautgeschwüre, besonders Ke- ratomalazie; Xerose der Bindehaut, Diphtherie). In gleicher Weise können Xero- form, Kollargol, Europhen, Ortho- form und ähnliche Präparate ange- wandt werden. Wie sehen beim „Atropin" auf S. 17 (oben) betont wurde kann man die als Tropfmittel angewandten Medikamente auch m Salben- form darreichen. Ihre Wirkung ist dann eine längerdauernde. Pulver-Einstäubungen. Man läßt den Kranken den Kopf zurücklegen, zieht das Unter- lid ab und bestäubt seine Innenfläche, indem man durch leichtes An- klopfen aus dem Pinsel feine Wolken des Pulvers austreten laßt. 12. Einstäuben. Die Augenpulver dürfen keinerlei gröbere Bröckel enthalten. Es werden angewandt Kalomel (vapore parat.), sehr beliebtes und wirksames Pulver bei den sog. skrofulösen (ekzematösen) Augenentzündungen, mit Ausnahme der Fälle von starker Sekretion und tieferen Geschwüren. Cave bei innerem Gebrauch von Jodpräparaten! Jodoform, subtile pulveratum, zur Behandlung infektiöser Wunden und Ge- schwüre. Von anderer Seite werden in gleicher Weise angewandt Xero- form, Airol, Kollargol als Pulver. Diese Pulver können auch direkt auf die Hornhaut gepudeit werden, eventuell nach Einträufelung von etwas Kokain. Dionin in kleinen Mengen wird gelegentlich angewandt aus den auf S. 7 angeführten Indikationen. Untersuchung des Auges. Von Professor Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i/Br. Die Untersuchung des Sehorgans liefert uns nicht nur die Er- kennung der Augenkrankheiten und die Möglichkeit ihrer Verhütung und Heilung, sondern sie ist auch in besonderem Maße geeignet, unsere Beobachtungsgabe zu schärfen. Viele Prozesse spielen sich hier in außerordentlicher Feinheit und Klarheit ab. Die Mannigfaltigkeit unserer Sehwahrnehmungen und die Empfind- lichkeit des Auges sind eine weitere Ursache dafür, daß krankhafte Veränderungen sich vielfach sehr genau verfolgen lassen. Eine sorg- fältige Prüfung gibt aus dem gleichen Grunde dem Arzt oftmals eine so exakte Analyse mit den sich daraus ergebenden Schlüssen über den Sitz der Störung, wie sie an anderen Organen oft nicht in diesem Grade erreichbar ist. Noch bedeutsamer aber ist, daß wir mit sicheren, auf einfachen physikalischen und physiologisch- optischen Gesetzen beruhenden Untersuchungsmethoden bis in die Tiefe des Augenhintergrundes eindringen und vielfach Befunde fest stellen können, welche wegen der zahlreichen Beziehungen des Auges zum übrigen Körper, besonders zum Zentralnervensystem, bedeutsame Anhaltspunkte für anderweitige Erkrankungen liefern. Wie überall in der Medizin darf sich deshalb hier der Arzt nicht nur mit dem kranken Organ beschäftigen, sondern er muß das sonstige Be- finden weitgehend berücksichtigen. Die genannten Vorteile sind aber nur dann mit Sicherheit zu gewinnen, wenn sowohl die Prüfung der subjektiven Wahrnehmungen der Patienten, wie auch die Handhabung der objektiven, von den Angaben der Kranken unabhängigen Untersuchungsmethoden in streng methodischer Weise und in richtiger Reihenfolge geschieht. Auf diese Methode, die dem Lernenden die Auffassung er- leichtert und allein ihm Sicherheit gibt, ist deshalb besonderes Ge- wicht gelegt. Oft genug freilich kommen Augenkranke in Behandlung, denen wir auf den ersten Blick eine bestimmte Veränderung ansehen, z. B. ein Hornhautgeschwür, eine Katarakt usw. Es ist nichts dagegen 22 Axenfeld, einzuwenden, daß unsere Aufmerksamkeit solchen auffälligen Ver- änderungen sich zuwendet; aber es wäre grundfalsch, wollte man mit ihrer Feststellung den Fall als erledigt ansehen. Sondern immer ist eine vollständige methodische Untersuchung durchzu- führen ! Zunächst wird man beachten, welchen Gesamteindruck der Kranke macht, nicht nur hinsichtlich seiner körperlichen Beschaffen- heit, seines Aussehens, sondern auch bezüglich seines psychischen Verhaltens. Dem aufmerksamen Frager wird schon bei der Anamnese bemerkbar, ob er es mit nervös erregbaren, mit ängstlichen, mit deprimierten Personen zu tun hat, und der gewissenhafte Arzt wird derartigen Besonderheiten zwar nicht nach- geben, aber Rechnung tragen. Gerade auch unter den Augenkranken sind viele „nervöse" und ängstliche Personen, welche durch unnötig brüske Diagnosen und Prognosen sehr ungünstig beeinflußt werden können. Auf der anderen Seite ist es für den Verlauf mancher Augenkrankheiten von erheblichem Ein- fluß, daß man den Kranken soweit als möglich beruhigt und bei psychischem Gleichgewicht erhält, z. B. beim Glaukom, bei den zahlreichen chronischen Er- krankungen! Im einzelnen wird die Anamnese sich auf Dauer, Entstehung und Verlauf der von den Kranken bemerkten Veränderungen subjek- tiver und objektiver Art erstrecken. Subjektive Beschwerden. Jucken, Brennen, Stechen sind häufige Erscheinungen bei Lid-Binde- hauterkrankungen; in der Sonne, an der Lampe, in Staub und Rauch, bei der Arbeit steigern sie sich oft. Eigentliche Schmerzen kommen bei Adnexerkran- kungen, wenn nicht nervöse Überempfindlichkeit und eine Neuralgie mit im Spiele ist, im allgemeinen nur den heftigeren Entzündungen zu. ,,Fremdkörpergefühl", das besonders unter das Oberlid verlegt wird, kommt nicht nur bei wirklicher Anwesenheit von Fremdkörpern, bei reibenden Zilien vor, sondern auch bei anderen Reizzuständen, Entzündung der Bindehaut. War es durch einen Fremdkörper (cf. Abschnitt „Verletzungen" verursacht, so überdauert es nicht selten dessen Entfernung noch um einige Zeit, weshalb es ratsam ist, das Corpus alienum immer dem Patienten nach der Herausnahme zu zeigen. „Schmerzen" kommen bei heftigen Adnexentzündungen vor, außerdem aber besonders auch bei den Erkrankungen des Augapfels: bei Erkrankungen der Hornhaut, der Uvea. Sie strahlen von hier nicht selten in die Stirne und Schläfe aus, besonders bei akuter Entzündung] des Iris- und des Ziliarkörpers, sowie bei Glaukom. Sie können dabei einen hemikranischen Charakter annehmen, bis in den Hinterkopf strahlen, beim Glaukom sogar bis in die Zähne; auch erhebliche Störung des Allgemeinbefindens kann sich hinzugesellen. Diese Beschwerden können sich so in den Vordergrund drängen, daß die Kranken nur davon sprechen und die ursächliche Augenkrankheit nicht be- achten. Deshalb ist bei allen Personen, welche über Kopfweh klagen, besonders über halbseitiges in der Stirn, immer auf die Beschaffenheit der Augen zu achten, damit nicht, wie das leider viel zu oft gesehen ist, ein Patient mit Glaukom für eine „Influenza mit heftigem Kopfschmerz", „nervöses Kopfweh", „Migräne" oder dergleichen gehalten wird, bis vielleicht unheilbare Erblindung eingetreten ist, während die rechtzeitige Beachtung und Behandlung der ursächlichen Augen- krankheit den Kranken von allen seinen Beschwerden befreit und das Sehen gerettet hätte. Noch aus anderen Gründen ist die Augenuntersuchung bei Kopfweh angezeigt: Überanstrengungen der Akkomodation besonders bei Hypermetropen, Untersuchung des Auges. 23 Astigmatikern, ferner Störungen im Muskelgleichgewicht rufen nicht selten Kopf- weh hervor, besonders bei Nervösen, und ihre Korrektion befreit den Kranken oder erleichtert wenigstens die Beschwerden und macht ihn leistungsfähiger. Soweit Kopfschmerzen auf Hirnkrankheiten beruhen, liefert der Augen- spiegel oft die wichtigsten Aufschlüsse. Für manches Kopfweh, das bis dahin nur für „nervös" gehalten wird, deckt der Augenspiegel schwere organische Ursachen auf: Hirntumoren, Nierenerkrankungen usw. Auch die Sehprüfung kann ähnlich wichtige Aufschlüsse geben. Bei allen Kranken mit hartnäckigem Kopfschmerz (wie auch bei anderen cerebralen Beschwerden) soll deshalb der gewissenhafte Arzt für eine Augenuntersuchung sorgen. Nicht selten werden auch Beschwerden an den Augen oder in ihrer Nähe durch Erkrankungen benachbarter Teile, besonders der Nase und ihrer Neben- höhlen ausgelöst. Auch auf diese ist zu achten. Über die Verwertung der Angaben betreffend die einzelnen Funktionen des Sehens cf. die Ausführungen im Abschnitt ,,Seh- prüf ung". Objektive Untersuchung des Auges. Es ist niemals außer acht zu lassen, daß das Sehorgan zart und empfindlich ist. Seine Berührung muß vorsichtig und darf niemals derb geschehen. Es ist sehr empfehlenswert, daß die Medizinstudierenden Maßnahmen, wie das Ektropionieren, die Druckpalpation, die seitliche Beleuchtung, das Augenspiegeln u. a. auch aneinander gegenseitig üben; sie lernen dann selbst fühlen, wie mit einem Auge umzugehen ist. Besonders ist folgendes zu beachten: Wenn wir zur Besichtigung die Lider auseinanderziehen, müssen wir immer wieder von Zeit zu Zeit dem Kranken Gelegenheit bieten, einen Lidschlag auszu- führen zur Erholung; es darf kein stärkerer Druck auf den Augapfel geübt werden. Bei der Anwendung des künstlichen Lichtes ist überlange Blendung durchaus zu vermeiden, da sie dem kranken Sehorgan schädlich sein kann. Es ist deshalb auch unbedingt erfor- derlich, daß man an die Untersuchung kranker Augen mittelst des Augenspiegels usw. herantritt mit einer gewissen Fertigkeit in der Methode. Etwa an einem kranken Auge sich noch üben wollen, überhaupt den Aügengrund zu sehen, ist ein Unrecht, und wer sich in der Einstellung des Bildes noch unsicher fühlt, muß am Gesunden zunächst diese Lücke ausfüllen! Bei lichtscheuen Personen, bei solchen, welche Schmerzen haben, soll man die Besichtigung nicht sogleich erzwingen wollen. Ist sie auf Zureden hin nicht ohne Gewalt durchzuführen, so gebe man erst einige Tropfen 2—4° oiges Kokain, am besten lauwarm, event. dazu etwas Supra- renium hydrochloricum oder Adrenalin, welches durch seine gefäßkontrahierende Wirkung den Reiz weiter herabsetzt (cf. S. 6). Fest zugeschwollene oder zugekniffene Lider wolle man nicht gewaltsam auseinanderreißen; wenn sie auf Zureden und auf Zug an den Orbital- rändern sich nicht öffnen wollen, so darf man nicht einen gewaltsamen Druck auf die Lidränder ausüben. So lange derüntersucher nicht weiß, was hinter solchen geschlossenen Lidern sich verbirgt, ist das durchaus unstatthaft. Es könnte z. B. ein tiefes Geschwür, eine Wunde dadurch zum Platzen gebracht werden. Man 24 Axenfeld, nehme vielmehr den Desmarresschen Lidhalter zur Hand und hebe vor- sichtig das Oberlid empor und vom Bulbus ab. Feuchte oder fettige Lider trocknet man vorher ab, da sie sonst leicht ab- gleiten. Eventuell legt man unter die Finger, mit denen man die Lider ausein- anderziehen will, etwas trockenen Mull oder Watte. Besondere Verhaltungsmaßregeln sind erforderlich für die Äußere Untersuchung- und Behandlung- von Kindern. Es empfiehlt sich dringend, zunächst ohne jede Berührung und ohne die Kinder festhalten zu lassen, auch ohne daß man sie gleich blendend beleuchtet oder ans helle Fenster bringt, eine Besichtigung vorzunehmen; man gelangt so, wenn man das Vertrauen der Kinder gewinnt und durch Unterhaltung etc. ihre Aufmerksamkeit ablenkt, zur Feststellung mancher Diagnose, die bei Berührung usw. wegen der Gegenwehr viel schwieriger ist. Auf diese Weise ist es auch manchmal möglich, von der Seite her fast unmerklich eine Kokain- einträufelung, eventuell mit Adrenalin, in die Lidspalte zu machen, welche die Besichtigung weiter erleichtert. Augentropfen werden von vielen Kindern besser angenommen, ohne durch Weinen gleich wieder herausgespült zu werden, wenn man ungefähr körper- warm eintropft, da Kälte einen starken Reiz ausübt. Man kann dazu einen geeigneten Thermophor benützen, in der Praxis genügt es, das Tropfglas kurze Zeit in lauwarmes Wasser zu stellen (cf. S. 15). Nach dieser Einträufelung läßt man die Kinder zunächst zehn Minuten oder länger warten; viele Kinder öffnen dann so weit, daß man nunmehr eine Diagnose stellen kann. Wehren sich die Kinder gegen die Besichtigung, lassen sie sich keine Tropfen geben, kneifen sie die Lider zu, wie das besonders oft bei den sogenannten skrofulösen (phlyktänulären, ekzematösen) äußeren Augen- entzündungen sowie bei Neugeborenen der Fall ist, so muß man zur Besichtigung besondere Methoden verwenden. Führt ein vorsichtiger manueller Lidzug nicht zum Ziel, so darf man die Lidspreizung mit den Fingern nicht for- zieren, auch deshalb nicht, weil oft genug durch das gleichzeitige Kneifen die Lider sich dabei ektropionieren; die sich vordrängende Schleimhaut erschwert dann wieder die Besichtigung des Bulbus, besonders der Kornea. Man greift vielmehr zu den Desraarressehen Lidhaltern (cf. Fig. 13), schiebt die Platte hinter das Oberlid und hebt dasselbe empor, gleichzeitig etwas vom Bulbus ab nach vorn, während man das Unter- lid mit der Hand etwas herunterzieht. Erlangt man auch jetzt noch keinen genügenden Einblick, so legt man in gleicher Weise einen Lidhalter hinter das Unterlid. Fig. 13. Desmarres- scher L i d h a 11 e r. Bei dieser gewaltsamen und doch möglichst schonenden Inspektion muß der Kopf widerspenstiger Kinder fixiert werden. Zu diesem Zwecke setzt sich eine Wärterin dem Arzt nahe gegenüber, legt das Kind auf ihrem Schoß auf den Rücken derart, daß sein Kopf zwischen die mit einem Handtuch bedeckten Knie des Arztes, seine Beine unter den einen Arm der Wärterin zu liegen kommen. Untersuchung des Auges. 25 Die Beine des Kindes drückt die Wärterin mit dem Arm fest an sich, ergreift die Hände des Kindes und zieht sie herunter. Der Arzt kann jetzt den Kopf des Kindes mit den Knien festhalten; um den Kopf sich genügend nahe zu bringen, stellt er die Füße am besten auf eine Fußbank. Jetzt werden die Lider abge- trocknet und in der beschriebenen Weise auseinandergezogen. In dieser Stellung gibt man dann Kokain und die sonst erforderlichen Medikamente (Fig. 14). Fig. 14. Untersuchung eines Kindes mit D esm arresschem Lidhalter. Bei sehr verantwortlichen Fällen, bei tiefen Hornhautgeschwüren, besonders wenn die Augen krampfhaft nach oben gewandt werden, ferner nach schweren Verletzungen, bei sehr verantwortlichen Verband- wechseln muß man mitunter auch zur allgemeinen Narkose greifen, doch werden solche Fälle am besten einer Augenklinik zugewiesen. Bei der Untersuchung zusammengekniffener oder zugeschwollener Lider, hinter denen sich reichliche Mengen infektiösen Exsudats an- sammeln können, muß der Arzt sich hüten, daß ihm beim Ausein- anderziehen kein Eiter ins Gesicht spritzt. Bei sehr infektiösen Er- krankungen, besonders bei blennorrhoischen Zuständen, soll der Arzt nicht zu nahe herangehen oder eine Schutzbrille aufsetzen. Adnexe des Auges. Wir stellen den Kranken mit dem Gesicht gegen ein Fenster, so daß beide Seiten gleichmäßig beleuchtet sind. Wir betrachten zunächst die Lider und ihre Umgebung. (Näheres cf. Abschnitt Liderkrankungen.) Ein entzündliches Zuschwellen der Lider kommt nicht nur bei heftisen Lidentzündungen (besonders Abszessen) vor, sondern kann auch sekundär von Entzündungen der Nachbarschaft herrühren, so von phlegmonösem Tränen- leiden, von schweren Bindehautinfektionen (Blennorrhoe, Diphtherie, von schweren septischen Entzündungen des Bulbus (besonders Panophthalmie) nach Geschwüren, 26 Axenfeld, Verletzungen, Metastasen) oder des Orbitalgewebes (Phlegmone, periostale Abszesse). Durch sorgfältige Untersuchung läßt sich die ursächliche Erkrankung sicher fest- stellen. Man wird aber wegen all dieser Möglichkeiten bei der Öffnung zuge- .schwollener Lider vorsichtig sein (cf. S. 23). Ein Schluß der Lidspalte kann auch auf einem Krampf des Schließ- muskels (Blepharospasmus) oder auf Lähmung der Lidhebung beruhen (Ptosis). Wir beachten die Breite der Lidspalte, die Lidwinkel, besonders den äußeren, ob hier nicht Rhagaden vorhanden sind. Wir prüfen den leichten Lidschluß, wie er besonders für den Schlaf in Betracht kommt, und den festen. Wir lassen zukneifen und prüfen durch Gegenzug an den Lidern, welche Gewalt erforderlich ist, um die zusammen- gezogenen Lider passiv auseinanderzuziehen. Bei Fazialisparesen sind schon im Beginn deutliche Unterschiede bemerkbar. Mangelhaften Lidschluß (Lagophthalmus) mit seinen schädlichen Folgen für Bindehaut und Hornhaut sehen wir auch bei schwer kachektischen, dekrepiden Personen. Weitklaffende Lidspalten durch Anziehung resp. Auseinanderdrängung der Lider sehen wir bei Narbenzug, bei Exophthalmus sowie beim Morbus Basedowii. Wir prüfen alsdann, ob beim Blick nach unten das Oberlid sich in normaler Weise herunter- senkt oder im Gegenteil stehen bleibt resp. retrahiert wird (Graefesches Symptom bei Morbus Basedowii). Auch dem reflektorischen Lidschlag, der bei Fazialislähmung schweren Kachexien, Anästhesien so- Fig. 15. Graefesches Symptom bei wje beim Morbus Basedowii an Zahl Morbus Basedowii. nnc[ Ausgiebigkeit verliert, schenken wir unsere Aufmerksamkeit. Wir beachten den Lidrand, auf Stellungsanomalien, und zwar: a) Entropium, wie es entweder durch Narbenzug auf der Innenseite der Lider oder durch krampfhafte Zusammenziehung der dem Lidrand aufliegenden Züge des Muse, orbicularis entsteht. b) Ektropium höheren Grades ist an der freiliegenden, meist geröteten Bindehaut leicht erkennbar. Naturgemäß ist das Ektropium des Unterlides viel häufiger; dasjenige durch Schlaffheit kommt ausschließlich unten vor. Ein be- ginnendes Ektropium macht sich bemerkbar durch einen spaltförmigen Zwischen- raum zwischen dem Bulbus und dem Lid und besonders (am unteren Lid) durch das Abstehen des unteren Tränenpunktes. Besteht Ektropium, so ist festzustellen, ob dasselbe durch Narbenzug in der Haut (nach Verletzungen, Verbrennungen, Geschwüren, Lupus etc.) oder durch Schlaffheit des Lides entsteht, wieweit entzündliche Zustände daran beteiligt sind. Am Lidrande stellen wir fest, ob die Wimpern in normaler Zahl und Beschaffenheit vorhanden sind. Um bei Blepharitis Ausdehnung und Tiefe der Veränderungen festzustellen, haben wir zunächst durch Aufweichen und Abieiben die vorhandenen Schuppen und Borken zu beseitigen. Wenn bei Bindehautent- zündungen Sekret an den Lidrändern festklebt, so ist nach dessen Entfernung der Lidrand unverändert; bei Blepharitis zeigt er sich verdickt, oft wund und ulzeriert, die Zilien verkümmert oder in Pusteln steckend. (Näheres cf. „Liderkrankungen".) Wir gehen dann über zur Besichtigung der Tränenorgane. (Tränendrüse, tränenableitende Wege, cf. Kapitel Tränenorgane, sodann zur Beurteilung der Konjunktiva. Wir beachten, ob eine gesteigerte Sekretion, ob Tränen besteht, ob doppelseitig oder einseitig (bei einseitiger Absonderung und Ent- zündung ist besonders sorgfältig nach Fremdkörpern, Zilien, Tränen- leiden, Bulbusveränderungen zu suchen, da die rein von der Bindehaut Untersuchung des Auges. 27 ausgehenden katarrhalischen Entzündungen mit Vorliebe doppelseitig sind oder werden). Zur Besichtigung der Bindehaut ek- tropionieren wir die Lider. Während die untere Konjunktiva durch einfaches Ab- ziehen vollständig sichtbar wird, indem der Kranke nach oben sieht (Fig. 16) müssen wir den oberen Tarsus um- wenden. Man läßt dazu den Patienten nach unten sehen. Besitzt der Lidrand in ausreichender Länge, Zahl und Festigkeit Zilien, so faßt man mit Zeigefinger und Daumen der linken Hand fest die Zilien und etwas auch den Lid- rand, zieht an ihnen das Oberlid etwas vor und nach unten (Fig. 17). Dann legt man hori- zontal auf die Haut des Lides in der Höhe des oberen Tarsusrandes (etwa in der Mitte zwischen Lidrand und Augenbraue) eine Sonde oder irgend einen anderen schlanken Gegenstand — auch der Daumennagel ist dazu zu brauchen — und drückt damit den oberen Tarsusrand nach unten, während gleichzeitig der Lidrand an den Zilien aufwärts bewegt wird (Fig. 18). Dann Fig. 16. Ektiopionierung des Unterlides. Fig. 17. Ektropionierung des Oberlides. I. Akt. 7! (\V Fig. 18. II. Akt. 28 Axenfeld, erscheint die Innenfläche des Tarsus, sein oberer Rand jetzt zu unterst. Laßt man jetzt die Sonde fort und zieht man den Zeigefinger zurück, so kann man, indem man den Lidrand mit dem Daumen, während man mit der einen Hand das Oberlid hält, gegen den Orbitalrand drückt, das Lid evertiert halten (Fig. 19). Man überblickt jedoch damit nur einen Teil der oberen Binde- haut, nämlich die Conjunctiva tarsi. Um das geräumige Gebiet der noch weiter oberhalb gelegenen Übergangsfalte einzustellen, hält man das Oberlied ektropioniert, fordert den Patienten auf, nach unten zu sehen und drängt gleich- zeitig mit der anderen das Unterlid und den Bulbus vorsichtig etwas zurück gegen das Orbitalgewebe (Fig. 20). Dann läßt der erhöhte Orbitaldruck auch die Bindehaut der Übergangsfalte mehr oder weniger vortreten. Fig. 19. III. Akt. Ektropioniert- Halten. Fig. 20. Vordrängen der oberen Übergangsfalte. In sehr vielen Fällen genügt dieser Handgriff, um die Übergangsfalte voll- ständig zu übersehen. Ist ein tiefes Geschwür etc. vorhanden, ist ein Auge sehr druckempfindlich, dann ist diese Methode mißlich. Man kann auch die Übergangs- falte gleich bei dem 2. Akt (Fig. 4) von der Haut aus vordrängen, indem man einen stärkeren ektropionierenden Druck mit der Sonde ausübt, während man das evertiei te Lid an den Wimpern stark nach oben anzieht. Dann pflegt die Über- gangsfalte breit hervorzutreten. In Fig. 4 ist ein Teil der Übergangsfalte sichtbar. Nur ausnahmsweise wird man den ektropionierten Tarsus derart herum- wälzen, daß man seinen jetzt zu unterst liegenden oberen Rand nach Kokainisie- rung mit einer Pinzette faßt und noch einmal in die Höhe schlägt. Die Besichtigung der oberen Konjunktivalbucht ist klinisch sehr wichtig, sowohl deshalb, weil manche Fremdkörper, besonders Grannen, Strohteilchen etc. sich gern in den Nischen der oberen Übergangs- falte festsetzen, als auch weil dort manche Erkrankung der Binde- haut besonders das Trachom, die Körnerkrankheit zu beginnen pflegt. Besonders zu erörtern sind noch die nicht seltenen Fälle, wo die Zilien keinen ausreichenden Halt bieten oder aus- reißen. Das ist bei manchen Patienten die Folge chronischer Ble- pharitis, die schließlich zu vollständigem Verlust der Wimpern (Mada- rosis) und Verkürzung der Lidränder führen kann. Auch bei manchen Fällen von altem Trachom sehen wir die Zilien auffallend verkümmert; nicht selten sind sie auch durch Operation entfernt. Es kann schließ- Untersuchung des Auges. 29 lieh schwierig sein, die Zilien zu halten und an ihnen zu ektro- pionieren, wenn dieselben sehr schlüpfrig und glatt sind, durch Salbenanwendung oder bei feuchter Mazeration der Lidränder. Auch bei Neugeborenen ist das Ektropionieren an den kleinen Wimpern einfach nicht möglich. In vielen Fällen dieser Art gelingt es, mit der bereits beschriebenen Methode zu ektropionieren, wenn man die Haut des Lidrandes fester faßt. Vielen Unter- suchern aber ist für diese Fälle das folgende Verfahren bequemer: Man läßt nach unten blicken, legt den Daumen von außen her schräg auf das Unter- lid, und zwar den rechten zur Ektropionierung des linken, den linken zur Ektro- pionierung des rechten Oberlides. Fig. 21. Ektropionierung mit einer Hand. Drängt man jetzt mit dem Daumen Unterlid und Bulbus ein wenig nach hinten, so kommt die konjunktivale Lidkante des Oberlides auf die Fingerbeere des Daumens zu liegen. Legt man gleichzeitig den Zeigefinger derselben Hand auf die Haut des Oberlides in der Höhe des oberen Tarsusrandes, so hat man das Lid in ganzer Dicke zwischen den Fingern. Wälzt man jetzt mit dem Daumen die Lidkante nach oben, während der Zeigefinger von der Haut her den oberen Tarsusrand einwärts und nach unten drückt, so ektropioniert sich das Oberlid. Man muß nur darauf sehen, daß die Spitzen der beiden Finger neben- einander vorbeigleiten. Auf diese Weise kann man auch stark verkrümmte Lider ektropionieren. Auch dieses Verfahren hat zart zu geschehen, ein derbes Kneifen der Lider ist dazu durchaus nicht erforderlich. Bei entzündlicher Injektion am Auge und seinen Adnexen ist sorgfältig festzustellen, wo die wesentliche ursächliche Erkrankung gelegen ist. Viel zu oft wird z. B. „Konjunktivitis" diagnostiziert und behandelt, wo nur eine Mitrötung der Bindehaut vorliegt! Umgekehrt kann der Bulbus sich mitröten bei Adnex- erkrankungen. Hierüber wie über den sonstigen Befund an der Bindehaut, die Untersuchung des Sekretes usw. cf. Kapitel „Konjunktiva". Wir achten schließlich auch auf die zum Auge bezw. seinen Adnexen gehörigen regionären Lymphdrüsen (Präaurikulardrüse; Halslymphdrüsen unter dem Kieferwinkel). 30 Axenfeld; Untersuchung des Bulbus. Cornea Pupille Vordere Kammer Iris Corpus ciliare Zonula Linse Ora serrata Glaskörper Retina Chor Sclera N. opticus Malcula utea Papille Fig. 22. Augapfeldurchschnitt nach Merkel. Lage, Stellung und Bewegung des Bulbus. Um zu beurteilen, ob der Bulbus abnorm vorragt, müssen wir berücksichtigen, daß die Stellung schon von Geburt an wie auch während des Lebens, je nachdem stärkeres Fettpolster oder Ab- magerung besteht, etwas verschieden sein kann. Auch der Bau des Auges ist von Einfluß darauf, ob die Hornhaut relativ weiter nach vorn liegt, indem der Scheitel des kurzsichtigen, langgebauten Auges weiter nach vorn ragt. Ein eigentlicher „Exophthalmus" ist das nicht, der Bulbus in toto ist nicht verlagert; für die Besichtigung von vorn ist jedoch bei hoch- gradigen Fällen der Eindruck der gleiche. Meist ist physiologisch die Stellung beider Augen im Vergleich miteinander die gleiche, nur bei höhergradiger Asymmetrie des Gesichts, ferner bei starker Refraktionsdifferenz (Anisometropie) kann das eine Auge etwas stärker vorragen als das andere. Liegen die letzteren Umstände nicht vor, so ist eine Hervor treibung eines Auges im Sinne eines pathologischen Exophthalmus zu deuten. Untersuchung des Auges. 31 Der Exophthalmus ist das wichtigste Zeichen der Orbitalerkrankungen, seine nähere Bestimmung, ob entzündlich, ob durch Geschwulst u. a. bedingt, wird im Abschnitt „Orbita" erörtert. Über die Stellung der Augen und ihre Bewegungen cf. Näheres „Motilitätsstörungen". Fig. 23. Prüfung des intraokularen Druckes mit beiden Zeigefingern. Prüfung des intraokularen Drucks (Tension). Man läßt den Kranken nach unten sehen und prüft mit den auf das Oberlid aufgesetzten beiden Zeigefingern fluktuierend die Span- nung jedes Auges für sich. Dann legt man gleichzeitig Zeige- und Mittelfinger der linken und rechten Hand auf je ein Auge und ver- gleicht (Fig. 22 u. 23). Da die physio- logische Spannung bei den verschiedenen Men- schen etwas verschie- den sein kann, ist für leichte Erhöhung oder Herabsetzung des intra- okularen Drucks nur der Vergleich beider Augen beweisend, wenn man nicht etwa die Spannung eines Auges fortgesetzt verfolgen kann. Es ist deshalb auch erhebliche Übung nötig, um in der Span- nungsbeurteilung sicher zu werden. Von größter Wichtigkeit ist der Nachweis einer Druckerhöhung für die verschiedenen Arten des Glaukoms. Herabsetzung findet sich, abgesehen von offenen Wunden und Geschwüren, bei Erkrankungen des Ziliarkörpers, be- sonders bei schweren destruktiven Veränderungen, bei denen die sezernierenden Teile im Augeninnern zerstört werden (Phthisis bulbi). In seltenen Fällen tritt Druckherabsetzung selbständig (wohl als Folge von Sympathikusstörungen) auf (Ophthalmomalacie). Die zur Tensionsprüfung konstruierten „Tonometer", welche den Druck einer Feder, eines Gewichtes usw. angeben, sind für den praktischen Arzt nicht geeignet. Zur Untersuchung in der Klinik ist besonders das Tonometer von Schioetz vielfach beliebt. Wir betrachten nun die Fig. 24. Gleichzeitige vergleichende Druckbetastung beider Augen. Kornea. Sensibilitätsprüfung der Kornea. Bei der hochgradigen Empfindlichkeit der Kornea prüft man sehr zart mit einem weichen Wattefiöckchen oder einem Stückchen angefeuchteten Filtrier- 32 Axenfeld, papier. Schon dabei erfolgt sofortiger reflektorischer Lidschluß und Tränen. Bei herabgesetzter Sensibilität, wie sie bei Trigeminuslähmungen, beson- ders oft auch bei Glaukom, sowie auf alten Narben, im Gebiet von Geschwüren und Infiltraten vorkommt, kann man mit der Fingerkuppe, einer Sonde, einem Glasstab vorsichtig berühren. Mitunter ist eine Sondenbelastung auch angezeigt zur Prüfung auf Resistenz und Verdünnung. So pflegt beim Keratokonus die Spitze leichter eindrückbar zu sein, man hat daran einen Maßstab für die Verdünnung. Zu diesem Zweck muß man vorher kokainisieren. Wölbung, Glätte der Kornea. Die Oberfläche der Hornhaut gleicht bekanntlich einem Rotationsellipsoid indem nach der Peripherie die Wölbung etwas flacher wird. Die mittleren Teile nähern sich sehr einer gleichmäßigen Konvexität und geben von ihnen gegen über befindlichen Ob- jekten ein gleichmäßiges, klares, auf- rechtes und verkleinertes, virtuelles Spiegelbild. Hochgradige Wölbungsanomalien (Keratokonus, Ektasien, andererseits starke Abflachungen, wie Phthisis an- terior, Geschwüre) sind zwar von der Seite durch Visieren erkennbar (cf. Abb. im Abschnitt „Kornea")- Leichtere Un- ebenheiten und Anomalien der Wölbung und Glätte sind dagegen nicht immer ohne weiteres erkennbar; sie treten aber aufs deutlichste hervor an dem Spiegel- bild der Kornea. An diesem Spiegel- bild üben wir die sogenannte Kerato- skopie, auf der, unter Zuhilfenahme Fig. 25. Keratoskop von messender, vergrößernder Instrumente, Placido. die Ophthalmometrie beruht. Keratoskopie. Schon das sich spiegelnde Bild des hellen Fensters, gegen welches wir das zu untersuchende Auge sich richten lassen, läßt erkennen, ob Unebenheiten vorhanden sind. Ist die Oberfläche ganz zart und gleichmäßig granuliert, wie es beim entzündlichen Glaukom und bei tiefer diffuser Hornhautentzündung vorkommt, so erscheint das Spiegelbild za.rt gekörnt, im übrigen aber von regel- mäßigen Verhältnissen. Bei oberflächlichen Entzündungen, Verletzungen, Fremdkörpern, Geschwüren, Narben finden sich dagegen unregelmäßige Stellen, Unterbrechungen, Verzerrungen im Spiegelbild, das auf diese Weise zur Diagnose wesentlich beiträgt1), (cf. die Bildchen ax bis dx auf Fig. 25.) ') Sehr erheblich erleichtert wird die Auffindung von frischen Epithel- läsionen und Unebenheiten durch Einträufelung einer wässerigen Lösung von Flu oresceinnatrium, welches die veränderte Stelle intensiv grün erscheinen läßt. Besonders zur Erkennung kleiner Verletzungen ist dies Mittel sehr brauchbar. Untersuchung des Auges. 33 Noch deutlicher treten diese Verzerrungen hervor bei Benutzung des Keratoskops von Placido (Fig. 25), einer Scheibe mit konzentrischen schwarzen und weißen Ringen. Die in Abb. 26 wiedergegebenen Spiegelbildchen erläutern die Brauchbar- keit der Methode. © © © o ai b, c, d, Fig. 26. Spiegelbildchen der Kornea; a —d von dem Keratoskop, a:—dx vom Fensterkreuz. at at normal; bj b, bei gleichmäßig gestichelter Oberfläche (Glaukom, Keratitis parenchymatosa); cx Cj bei unregelmäßigen Narben, Ulzerationen; d beim Keratokonus; dj bei einem frischen Epitheldefekt (senkrechte Kratzwunde). Um über die ganze Hornhautoberfläche ein Urteil zu gewinnen, muß man den Patienten nach den verschiedenen Seiten blicken lassen, da beim Blick gerade- aus das Spiegelbild nur auf den mittleren Teilen erscheint. Es ist dabei zu beachten, daß in der Peripherie die Kornea normalerweise flacher und deshalb das Spiegelbild radiär in die Länge gezogen ist; im übrigen aber hat es normaler- weise auch hier glatte Umiis>e. Lassen wir auf der Hornhautmitte eine regelmäßige Figur, wie das Placidosche Ringkeratoskop, oder ein Quadrat sich spiegeln, so läßt sich an dem Spiegelbilde beobachten, ob die Vieridiane der Hornhaut die gleiche Wölbung haben oder ob Unterschiede (Astigma- tismus) bestehen. In der Hornhautmitte, welche für das Sehen und die Sehpiüfung vorwiegend in Betracht kommt, kann man beim Normalen ein völlig rundes Spiegelbild er- warten; beim Astigmatismus dagegen erscheint kein kreisrundes, sondern ein ovales Spiegelbild. Je kleiner nämlich der Krümmungsradius, je stärker eine Wölbung ist, um so kleiner wird der Durchmesser des Spiegelbildes, und umgekehrt. Besteht also ein Unterschied in der Krümmung, z. B des senkrechten und des horizon- talen Meridians, so wird von einem runden Objekt ein ovales, von einem quadrati- schen ein rechteckiges Spiegelbildchen entstehen; immer entspricht der kleinere Durchmesser dem stärker gekrümmten Meridian. Wir bezeichnen Krümmungs-Unterschiede zwischen Zu einander senkrecht stehenden Meridianen als .,regulären Astigmatismus". Lehrbuch der Augenheilkunde. 3 34 Axenfeld, (Näheres über den Strahlengang und das Sehen bei Astigmatikern.) Ein starker Astigmatismus ist an dem Spiegelbild schon mit bloßem Auge zu erkennen. Um aber den Grad dieser Wölbungsdifferenz und seine Bedeutung für die Brechung der durchtretenden Strahlen und für das Sehen genau zu beurteilen, müssen die Durchmesser des Spiegelbildchens gemessen, daraus der Krümmungsradius der ver- schiedenen Meridiane und daraus wieder der Strahlengang ins Augen- innere berechnet werden. Diese Berechnungen werden aber dem Augenarzt vollkommen erspart dadurch, daß das Ophthalmom eter, welches nichts anderes ist als ein messendes Keratoskop, für diesen Zweck einfach mit Vorrichtungen zum Messen der Spiegelbilddurch- messer versehen ist, welche die Wölbungs- und Brechungsdifferenzen ohne weiteres ablesen lassen. Für den praktischen Arzt kommt das Ophthalmometer zwar nicht in Betracht, weil es sich um einen kostspieligen Apparat handelt. Bei seiner großen augenärztlichen Wichtigkeit sei jedoch sein Prinzip hier kurz beschrieben. Fig. 27. Untersuchung mit dem Javaischen Ophthalmometer. Die genaue Bestimmung der Differenz in den Spiegelbilddurch- messern und die Feststellung auch der leichteren Grade erfordert, daß das Spiegelbild mit Vergrößerung betrachtet werden kann. Das berühmte He Im ho Hz sehe, für wissenschaftliche Messungen genaueste, dem wir unsere Kenntnisse über die Refraktion von Horn- haut und Linse verdanken, wie das für schnelle klinische Unter- suchung beliebteste Ophthalmometer von Javal bedienen sich zur Messung gewisser Verdoppelungsvorrichtungen von konstantem respek- tive bestimmbarem Verschiebungswert. Beim Java Ischen Ophthalmometer (cf. Fig. 26) wird die Verdoppelung durch einen Kalkspat oder ein Doppelprisma erzeugt. Das Objekt, repräsentiert Untersuchung des Auges. 35 durch zwei auf einem drehbaren Kreisbogen verschiebliche Figuren (ein Rechteck und eine Treppenfigur), ist hier veränderlich groß. Man stellt zunächst den horizontalen Meridian ein; infolge der Verdoppelung sieht man zwei Rechtecke und zwei Treppenfiguren, in der Mitte stehen nebeneinander ein Rechteck und eine Tieppe (Fig. 28a und b). Man hat dann zu beobachten, ob die Basis der Spiegelbildchen bei horizontaler Stellung des Kreisbogens in gleicher Höhe erscheint. Ist das nicht der Fall, so stehen die Hauptmeridiane schräg; man dreht dann den Kreisbogen langsam, bis gleiche Basis der Spegelbilder in einer Geraden liegt, und vergleicht damit den dazu senkrechten Meridian. Der Grad der Sehr ägstellung läßt sich an derKieisteilung (kleinen Scheibe), welche hinten senkrecht dem Fernrohr aufsitzt, ablesen. Nun verändert man die Objektgröße durch Ver- Fig. 28. Kontakteinstellung der Ophthalmometerbildchen. Schiebung der Figuren auf dem Kreisbogen so lange, bis Treppe und Rechteck im Spiegelbild einander berühren (Kontaktstellung, Fig. 28). Jetzt dreht man den Kreisbogen um 90°. Ist hier eine andere Wölbung, so wird nicht mehr Kontakteinstellung der beiden Mittelfiguren zu sehen sein; die beiden F guten haben sich entweder übereinander geschoben, dann bat der zweitein- gestellte Meridian stärkere Wölbung (Fig. 29), oder umgekehrt. Es ist nun die Fig. 29. Übereinanderschi>ben der imitieren Bildchen am stärker gekrümmten Meridian. Es haben sich 3 Stufen gedeckt, also besteht hier eine um 3,0 Dioptrien stärkere Krümmung resp. Brechung. Objektgröße und die Größe der einzelnen Treppenstufen so gewählt, daß die Verschiebung im Spiegelbild um jede Stufe = 1 Dioptrie-Brechungs- differenz ist. Der Gesa mtbrech wert eines Meridians ist auf dem Kreisbogen abzulesen, auch steht dort in einer zweiten Skala gleich die zugehörige Größe des Krümmungsradius. Die klinische Handhabung des Instrumentes ist sehr leicht, die Bestim- mung dauert wenige Minuten: der Patient lest das Kinn auf die Kinnstütze und blickt mit dem zu untersuchenden Auge in das Fernrohr, welchem zunächst mittelst Visier und Korn durch die Fußschraube die richtige Höhe gegeben wird (Fig. 27). Dann blickt der Untersucher durch das Fernrohr, indem er die seitlichen Füße des Apparates mit beiden Händen faßt. Er schiebt jetzt den Apparat in der 3* 36 Axenfeld, Fernrohrrichtung näher oder weiter ab, bis ihm die Spiegelbildchen scharf sicht- bar sind. Dann verschiebt er die Objektfiguren auf den Kreisbogen zueinander, bis er die mittleren Spiegelbildchen genau im Kontakt sieht (wie in Fig. 28); er dreht dann den Kreisbogen um 90° und beobachtet, ob dabei die Bildchen sich verschieben und um wieviel. Die Differenz erkennt man sofort, die Gesamtwerte liest man auf dem Kreisbogen ab. Zur konstanten Beleuchtung der Objektfiguren sind an denselben kleine elektrische Lampen angebracht. Zur klinischen Bestimmung des Astigmatismus leistet diese Methode her- vorragende Dienste. Eine geringe Wölbungsdifferenz des horizontalen und vertikalen Meridians ist schon normalerweise vorhanden, der vertikale pflegt 0,5—0,75 D stärker zu brechen. Diese geringe Differenz kommt aber für das Sehen des Auges nicht störend in Betracht. Im Gegenteil gar k ein e Differenz ist oft schon ein Zeichen eines leichten (inversen) Gesamtastigmatismus, bei dem die Vertikale etwas schwächer bricht als der horizontale Meridian. Wir untersuchen nunmehr die Durchsichtigkeit (Transparenz) der Kornea, stellen fest ob und welche Trübungen im Gewebe be- stehen ; wir achten auf etwaige Gefäßneubildung. Xeugebildete Gefäße in der Kornea, wie sie bei Keratitis sich oft bilden, sind großenteils schon mit bloßem Auge, bei Tages- licht und bei seitlicher Beleuchtung zu sehen. (Näheres cf. Kapitel „Kornea".) Zur Beurteilung sehr feiner Veränderungen empfiehlt sich die Besichtigung mittelst vergrößernder Gläser. Es ist schon von Wert und für den Praktiker ausreichend, bei der seitlichen Beleuchtung und auch bei Tageslicht außer der be- leuchtenden Linse durch ein zweites Konvexglas oder mit der Hart- nacksehen Kugellupe sich das Auge unter Vergrößerung an- zusehen. Die Binokularlupen und Binokularmikroskope von Westien-Zehender und von Zeiß, welche in Augenkliniken Verwendung finden, geben ausgezeichnet klare, gut beleuchtete Bilder. Mit dem Zeiß sehen Instrument ist es sogar möglich, die Blut Zir- kulation in den Bindehautgefäßen und in neugebildeten Horn- hautgefäßen in vivo zu studieren. Wir gehen nunmehr über zur Untersuchung an der Lampe. Auch die weitere Untersuchung des Augapfels muß un- bedingt in durchaus methodischer Reihenfolge geschehen, wenn ma'h-nicht Zufälligkeiten undlrrtümern sich aus- setzen will. Es ist unabweislich nötig, daß man sich zuerst über die vorderen Teile und über die brechenden Medien eine vollständige Übersicht verschafft, bevor man zur Besieh tigun g des Augenhintergrundes schreitet; sonst wird man Erscheinungen, welche auf Medientrü- bungen beruhen, ganz falsch lokalisieren und deuten! . Es empfiehlt sich dringend, sich an eine einzige ganz be- stimmte Reihenfolge in der Untersuchung zu gewöhnen und diese bei jede:m Kranken zu befolgen, auch wenn man von vornherein beson- Untersuchung des Auges. 37 ders an ein bestimmtes Leiden denkt. Nur so ist man sicher, nichts zu vergessen, nur so wird man auch alle die wichtigen Anhaltspunkte gewinnen, welche oft weit über das Gebiet der augenblicklichen Be- schwerden uns hinausführen können. Eine empfehlenswerte 11 eihenfolge ist: 1. Fokale (seitliche) Beleuchtung der Kornea, der Vorder- kammer, der Iris, der Pupille (Reaktionsprüfung!), der Linse. 2. Durchleuchtung der Augenm edien mit dem Augen- spiegel. Augenleuchten, Feststellung und Lokalisation tiefer Trübungen, Ableuchten der Peripherie bei bewegtem Auge. 3. Skiaskopie (Schattenprobe). Feststellung, ob Myopie be- steht und welcher Grad (annähernd). 4. Bei Nicht-Myopen Unterscheidung von Emmetropie und Hyperopie an der Sichtbarkeit des Lupen- bildes. 5. Umgekehrtes Bild zur Betrachtung der Einzelheiten an Papille, Macula, Perpherie; eventuell zur Ergänzung das aufrechte Bild. Fokale (seitliche) Beleuchtung. Wir bedienen uns zunächst der fokalen (seitlichen) Beleuch- tung, indem wir im Dunkelzimmer den Patienten neben eine Lampe setzen. Wir konzentrieren nun mit starker Konvexlinse das Bild der Lampenflamme auf den zu untersuchenden Teil des Auges (Fig. 30), Fig. 30. Seitliche (fokale) Beleuchtung. 38 Axenfeld, indem wir in die Verbindungslinie zwischen Lampe und Auge die Linse senkrecht einschalten. Man hält dieselbe mindestens um ihre Brennweite vom Auge entfernt, nicht zu fern und nicht zu nah, und führt nun das Lichtbild über die Hornhaut, indem man das Auge in die verschiedenen Richtungen blicken läßt. Die Lampe darf nicht zu nahe stehen, damit die Linse das Licht bis zum Auge hin zu vereinigen vermag! Wir beginnen mit der Kornea. Die Wölbung und Glätte der Oberfläche wird nochmals auf die in den vorigen Seiten erörterten Einzelheiten untersucht und wir beachten dabei das Reflexbildchen der Flamme. Die Durchsichtigkeit der normalen Kornea ist bis an den konjunktivalen Limbus derart, daß bei konzentrierter seitlicher Be- lichtung mittelst Lampe und einer starken Konvexlinse (Brenn- punkt des Flammenbildes gerade in der Kornea!) das Hornhaut- gewebe nur durchscheinend graulich aufleuchtet. Wir führen die Beleuchtungslinse hin und her und beachten, ob in diesem grauen Schein vielleicht stärker gesättigte Trübungen auftreten, die wir alsdann für pathologisch zu halten haben. Dabei läßt man das Auge nach verschiedenen Richtungen blicken, um die einzelnen Teile der Hornhaut auf dem verschiedenen Hintergrund der Iris und der Pupille sich abheben zu lassen1). Bei diesem Verfahren sind auch die zartesten Trübungen erkennbar, während bei der einfachen Be- sichtigung bei Tageslicht und ebenso, wenn man die Linse zu nah oder zu weit abhält und nur im Zerstreuungskreise beleuchtet, die feineren Flecken und Infiltrate leicht übersehen werden. Wir beachten dabei die Form der Trübungen: strichförmig scharfe, strahlige sprechen für traumatische Entstehung, unregelmäßig rundliche für entzündliche, wobei allerdings zu beiücksichtigen ist, daß Fjntzündungen und Geschwüre sich auch an Verletzungen anschließen können. Radare durch- scheinende, vom Rande ausgehende, bandartige Trübungen sprechen für skrofulösen Ursprung (K< rat. fasciculosa), baumartig verästelte (Kerat. dendiitica) für einen Herpes f'ebrilis corneae (Näheres cf. Abschnitt „Kornea"). Wir unterscheiden sodann, ob ein frischer oder ein abgelaufener Prozeß vorliegt (vgl. „Kornea"). Auch für die Unterscheidung zwischen frischer Veränderung und älteren Flecken ist das Flu<>reszin ins'fern nützlich, als Narben sich nicht färben, während alle Epitheldefekte die Farbe annehmen. Nicht epithelentblößte frische Infi.träte färben sich jedoch auch nicht immer. Als Hornhauttrübungen erscheinen auf den ersten Blick auch die der Hinterfläche aufl egemien Prä zipitäte (Niederschläge aus dem entzündlich ver- änderten Kammerwassar bei Entzündungen d^r Iris und des Ziliarkörpers). Sie sind als solche erkennbar an ilrer tiefen Lage, an ihrer Lokalisation besonders im unteren Teile, wo sie gern sich in Forni eines gleichsehtnkeligen Dreieckes anordnen, dessen Spitze nach der Hornhautmitte hin liegt. Die Präzinitate er- scheinen zumeist als feine Punkte, oft bräunlich gefärbt. (Sehr schön sind sie auch mit dem Lupenspiegel bei der Durchleuchtung zu sehen.) Wie tief eine TiÜbung ins Hornhautgewehe reicht, läßt sich schon aus ihrer Sättigung schließen. Ob sie die Hornhaut durchbohrt, ob eine Perfora- tion vorhanden ist oder war, erkennt man in fiischen Fällen am Fehlen der Vorderkammer oder Vorfall der Iris; an älteren sehr oft daran, daß die Iris i) Wie dies auch schon bei der Besichtigung am Tageslicht ausge- führt wird. Untersuchung des Auges. 39 sich anlegt respektive eingeheilt ist (vordere Synechie). Man wird auf das Bestehen solcher Adhäsionen hingewiesen durch Verziehung der Pupille, Ver- engung der Vorderkammer. Zur Erkennung feiner, fadentörmiger Adhäsionen muß man sorgfältig schräg visieren. Bei kleiner Perforation braucht nicht immer Synechie zurückzubleiben ; ebenso fehlen sie oft, wenn die Durchbohrung der Kornea im irisfieien Pupillar- gebiet geschah. Für diese Fälle, wie überhaupt, ist dann von großer Bedeutung. ob die tiefen Teile dahinter Veränderungen zeig-n (lri^einrisse, Cataracta trau- matica, Glaskörperveiletzung usw.). Nach zentraler Hornhautperforation im Ver- lauf eitriger Geschwüre bleibt oft umschriebene vordere Polarkatarakt bestehen. (Näheies cf. Abschnitt „Verletzungen".) Neugebildete Gefäße cf. Abschnitt „Kornea". Vordere Kammer. Wir besichtigen bei seitlicher Beleuchtung die Tiefe der vor- deren Kammer. Man muß sich hüten, zu schnell „Verengerung" zu diagnostizieren, weil physiologische Verschiedenheiten vorkommen (Enge bei Kurzbau (Hyperopie), im Alter; Tiefe bei Myopie). Pathologisch ist es in der Regel, wenn die Vorderkammern beider Augen verschieden tief sind. Unter allen Umständen pathologisch ist es auch, wenn eine Vorderkammer ungleichmäßig tief ist; wir beobacht n das, abgesehen von vorderen Synechien, partiellen Vortreibungen durch Exsudation resp. Ver- wachsungsabs(hnürung der Iris, besonders bei Lngeverändeiungen (Subluxation Ektopie), der Linse. Die zurückgesunkene Partie der Iris zeigt alsdann bei Bewegungen Schlottern (Iri d odones is), das man am besten sieht, wenn man von der Seite, fast in der Irisebene das Licht einfallen läßt. Bei reifender und reifer Katarakt pflegt die Kammer flacher zu werden durch die Quellung der Linse. Allgemeine hochgradige Verengerung der Kammer läßt an Glaukom denken; bei totalen hinteren Synechien mit ringförmiger Vorlreibung der ganzen Iris ist die Kammer nur peripher aufgehoben. Starke allgemeine Vertiefung, bei der die Irisfläche oft konkav erscheint, sehen wir besonders bei totaler Luxation und nach Verlust der Linse (Aphakie). In der Vorderkammer kann bei Entzündungen außer den schon er- wähnten „ Präzipitaten" (cf. S. 38) fibrinöses Exsudat auftreten, das sich bei manchen Formen, besonders syphilitischer Iritis, Scheiben- oder linsen- förmig gestalten kann. Flüssige Beimengungen senken sich zu Bnien; Blut, das nach Verletzungen, besonders auch na>h Kontusion mit Einreißen der Iris- wurzel (Iri dodialy se) und seltener spontan bei Entzündungen sich findet, erscheint als Bodensatz mit horizontalem Spiegel, bleibt bis zur Resorption in der Regel flüssig, unter Umständen (bei aufgehobener Filtration) sogar jahre- lang. Läßt man den Kopf seitlich neigen, so verschiebt sich ein solches Hyphäma. Das Gliche beobachtet man bei der Eitersenkung, dem Hypopyon, das bei septischer Keratitis wie bei intraokularen Infektionen auitritt. Es ist hierauf Rücksicht zu nehmen, wenn man einen Patienten zuerst in aufrechter Stellung und später liegend untersucht. In letzterem Falle scheinen kleine Hypopyen oder Blutergüsse oft verschwunden; sie sammeln sich aber wieder bei aufrechter Stellung; große scheinen im Liegen die Kammer vollständiger zu füllen. Sehr kleine Eitersenkungen bedürfen genauer Beobachtung zu ihrer Er- kennung; man sieht die Kreiskontur der Kornea unten scheinbar eine Spur abge- schrägt. Läßt man zwischen Lidrand und unterem Hornhautrand sich Tränen ansammeln, so erscheinen solche kleinen Hypopyen etwas deutlicher durch die prismatische Strahlenablenkung in der Tränenflüssigkeit. Auch kann man durch Druck auf den Bulbus solche Bodensätze ein wenig ansteigen lassen. Iris. Die mannigfaltige Färbung und Zeichnung der Iris ist be- sonders bei Lupenbetrachtung sehr deutlich (cf. Kapitel: „Uvea"). 40 Axenf el d, Farbenunterschiede [angeboren, oder entzündlich, oder atrophisch, oder siderotisch (rostbraun, bei Eisensplitter im Auge), oder hämor- rhagisch sein können] sind besser bei Tageslicht erkennbar. Von größter Wichtigkeit ist Beurteilung der Form und Weite der Pupille. Die normalerweise runde, annähernd zentral gelegene Pupille wird bei Anwesenheit einzelner hinterer Synechien (Verwachsungen zwischen Iris und Linse bei Iritis) unregelmäßig oder zackig (Näheres cf. Abschnitt „Uvea"). Entrundung der Pupille ohne hintere Synechien sehen wir nach Kon- tusionen, wenn der Sphinkter einreißt (Mydriasis traumatica), nach partieller Atrophie, dann auch bei Tabikern und Paralytikern (infolge partieller Lähmung), in letzterem Falle meist mit einer gewissen allgemeinen Enge und abnormer Reaktion kombiniert. Auch die glaukomatöse Erweiterung der Pupille ist oft etwas oval, besonders oft nach innen oder oben innen. Angeborene Anomalien der Pupille cf. Abschnitt „Mißbildungen". Bezüglich der W eite der Pupille (bei mittlerer Beleuchtung) ist zu berücksichtigen, daß dieselbe physiologisch schwankt: Relativ eng ist sie beim Neugeborenen, bei stark Hyperopen, im höheren Alter. Relativ weit bei älteren Kindern, bei Kurzsichtigen. Auch im übrigen schwankt ihre Weite in ziemlich erheblichen Grenzen. Stärkere Miosis und noch öfter stärkere Mydriasis ist jedoch in der Regel pathologisch. Bevor wir überdieNatur einer Pupillenverengerung oder Erweiterung urteilen, müssen wir natürlich wissen, ob nicht ein Miotikum (Eserin, Pilokarpin) oder ein Mydria- tikum (Atropin, Homatropin, Skopolamin, Kokain usw.) eingeträu- felt wurde. Die erste Frage muß sich immer darauf richten ! Auch die innere Darreichung solcher Mittel muß berücksichtigt werden, wo- bei man sich daran erinnert, daß Nikotin und Opiate, Morphium die Pupille verengern, während Belladonna, Hyoszin, Skopolamin u. a. mydriatisch wirken. Ebenso werden wir vorher nachsehen, ob nicht durch lokale Veränderungen am Irisgewebe selbst die Weite ver- ändert ist (Mydriasis bei Glaukom, nach Kontusion, Miosis bei Ver- wachsungen, Irisatrophie usw.). Im allgemeinen sind bei sonst Gesunden die beiden Pupillen gleich. Ungleichheit (Anisokorie) muß dem Untersucher sofort auffallen und ihn zu besonders sorgfältiger Pu- pillenreaktionsprüfung veranlassen; es ist die Anisokorie oft ein Wegweiser zur Feststellung wichtiger nervöser Erkrankungen. Es wäre aber falsch, Ungleichheiten immer so zu beurteilen; sie kommen ausnahmsweise physiologisch vor bei Verschiedenheit der Refraktion beider Augen (Anisometropie), in geringem Grade gelegentlich auch ohne das. Die pathologische Anisokorie beruht entweder auf .Miosis (Verengerung) der einen Seite; ein Beispiel ist die Sympathikus- lähmungsmiosis, meist kombiniert mit inkompletter Ptosis; dabei ist die Lichtreaktion, wenn auch nicht ausgiebig, so doch erhalten. Sehr charakteristisch aber ist, daß Kokain, welches nur den vom Sympathikus innervierten und deshalb gelähmten Dilatator reizt, dabei keine Erweiterung bewirkt. Miosis ist auch oft bei Tabes und Para- lyse an einer Anisokorie beteiligt. Auch bei beiderseitiger, aber ungleich starker Miosis (resp. Mydriasis) entsteht Ungleichheit. Anisokorie entsteht ferner durch Erweiterung, Mydriasis. Es können bei einer solchen im Spiele sein: Untersuchung des Auges. 41 1. Dilatatorreizung. Das ist z. B. bei der wechselnden, springenden Mydriasis der Fall bei gewissen Formen von Migräne. Die Sympathikusreizung durch psychische Erregung trifft dagegen beide Seiten. Auch bei Trigeminusneuralgie kann die Pupille weiter sein. Wieweit die Weite und Starre der Pupille im epileptischen Anfall (nur ausnahmsweise im hysterischen) auf Dilatatorreizung oder Ausschaltung des Sphinkters beruht, ist nicht sicher. 2. Sp hinkt er lähmung, die meist mit Akkommodationsläh- mung kombiniert ist, oft auch mit anderen Lähmungen im Bereich des Okulomotorius. Bei Parese des Sphinkter ist die Reaktion für alle Reiz-Qualitäten beeinträchtigt resp. erloschen. Nicht nur bei Anisokorie, sondern überhaupt bei jedem Auge muß eine Prüfung der Pupillenreaktion vorgenommen werden, am besten nach der Besichtigung der Iris mittelst der seitlichen Beleuchtung. Klinisch am wichtigsten sind folgende bei Normalen nachweisbare Pupillen- bewegungen1): 1. Die Verengerung und Erweiterung der Pupille unter dem Einfluß von Belichtung resp. Beschattung. Der Lichtreiz trifft die Retina, wird aufwärts (zentripetal) in der optischen Bahn weitergeleitet und geht dann im Reflexbogen (zwischen den Kerngebieten) auf die motorische (zentri- fugale) Bahn über, welche im Okulomotorius durch die Ziliarnerven zum Sphincter iridis verläuft. Die Intensität der Lichtkontraktion ist physiologisch verschieden, indem im allgemeinen Kinder und jugendliche Personen, die überhaupt relativ weitere Pupillen haben, eine relativ lebhaftere und schnellere Reaktion entwickeln. Im höheren Lebensalter, über 60 Jahre, wird die ja meist auch enger werdende Pupille träger in der Reaktion, die Bewegungsbreite kann sogar sehr gering sein. Erloschen ist aber auch im höchsten Alter die Reaktion wohl niemals. Man muß aber, um diese Reaktionen nicht zu übersehen, besonders sorgfältig prüfen. Der Lichtreiz eines Auges veranlaßt infolge der Halbkreuzung auch auf dem zweiten Auge eine Reaktion (indirekte, konsensuelle Reaktion). Deshalb ist zuerst jedes Auge für sich unter Verdeckung des anderen auf seine eigene direkte Pupillen-Lichtkontraktion zu prüfen; dann erst läßt man beide Augen frei und prüft konsensuell, d. h. man beobachtet, wie bei Belichtung und Beschattung der einen Seite die andere Pupille sich bewegt. Ist die direkte und die konsensuelle Lichtreaktion geprüft, so vergleicht man damit die Bewegung der Pupillen bei Konvergenz. i) Für die klinische Diagnostik kommen weniger in Betracht folgende Be- wegungen : Reflektorisch tritt Erweiterung ein durch Sympathikusreiz bei psychischer Erregung, ebenso bei heftigem Schmerz, in geringerem Grade schon bei gesteigerter Aufmerksamkeit. (Dies fehlt oft bei Dementia praecox.) Auch der Ha ab sehe Hirnrindenreflex, [welcher darin bestehend, daß ohne Wechsel der Einstellung und der Lichtstärke die Pupille sich verengt, wenn man einer Lichtquelle seine Aufmerk- samkeit schenkt, dürfte hierher gehören]. Eine eigentümliche Reaktion, welche auch an sonst lichtstarren Pupillen gelegentlich noch beobachtet werden kann, tritt bei forciertem Lidschluß ein (Lidschlußreaktion A. v. Graefes). Sie beruht auf einer Miterregung respektive einem Reflex vom Fazialis aus. Man läßt einige Sekunden forciert schließen und beobachtet bei der Öffnung, ob die Pupille weiter wird. Gelegentlich kommen angeboren eigentümliche Kontraktionen der Pupille bei Bulbusbewegungen vor, sehr selten auch periodische Krämpfe im Sphincter iridis bei angeborener Ophthalmoplegie. 42 Axenfeld, 2. Die normale Pupille verengt sich bei der Konvergenz und der Akkommodation (Konvergenzreaktion). Es ist das eine Mitbewegung, der Innervationsreiz springt von dem benachbarten Konvergenzzentrum auf die Sphinkterkerne über. Wenn mm bei sehendem Auge, wo also die zentripetale optische Bahn sicher leitungsfähig ist, die direkte und die indirekte (konsensuelle) Lichtreaktion erloschen oder verlangsamt ist, so kann dies liegen a) an einer LeitungsStörung im motorischen, absteigenden Re- flexschenke 1, Sphinkterlähmung. Dies ist bei Lähmung der inneren Okulo- motoriusfasern der Fall, wie sie sowohl isoliert (Ophthalmoplegia interna, Kernlähmung), als auch zusammen mit Paresen der äußeren Okulomotonuszweige (periphere Srammerkrankung), als auch nach Kontusionen (Sphinkterrisse, trauma- tische Mydriasis) und unter der Einwirkung von Giften (Atropin und andere My- driatica) vorkommt (cf. das Kapitel „Motilitätsstörungen"). Die Pupille ist dabei erweitert und auch die Konvergenzreaktion ist gestört; b) an einer Unterbrechung der Verbindung zwischen optischer und motorischer Bahn. Eine solche rein „reflektorische Pupillenstarre" nehmen wir an, wenn an einem sehenden Auge die direkte und kon- sensuelle Lichtre aktio n fehlt, die Konvergenzreaktion aber nor- mal erhalten ist. Mit dem Vorhandensein der Konvergenzreaktion ist nämlich in einem solchen Falle bewiesen, daß die zentrifugale motorische Bahn an und für sich leitungs- fähig ist und daß der Sphincter iridis funktionieren kann. Da andererseits auch die optische Bahn leitet (wie aus dem vorhandenen Sehvermögen hervorgeht), so kann die Unbeweglichkeit bei Belichtung nur daran liegen, daß die beiden an sich leitungsfähigen Reflexschenkel die Verbindung verloren haben, daß der Reflexbogen zwischen den Kernen unterbrochen ist. Diese Form der Reaktionsstörung wird speziell als „reflektorische Pupillen- starre" oder „Argyll Ro bertsonsches Phänomen" bezeichnet. Die Pupille ist dabei für gewöhnlich nicht erweitert. Gerade diese Alt der Starre, der eine Zeit der Trägheit vorangehen kann und die sich häufig mit Miosis, Ungleichheit und Entrundung der Pupillen kombiniert, besitzt eine außerordentliche all- gemein diagnostische Bedeutung (besonders für Tabes, Paralyse, Lues cerebrospinalis). Die reflektorische Starre ist fast immer doppelseitig. Sehr selten nur ist sie Folgezustand einer peripheren Okulomotoriuslähmung, eines Schädeltraumas n. A. [cf. Allgemeinerkrankungen]. (Bei der reflektorischen Lichtstarre ist meist auch die reflektorische Erweite- rung bei Schmerz und psychischer Erregung erloschen.) Bei nicht sehendem Auge infolge Erkrankung des Optikusstammes oder seiner intraokularen Ausbreitung erlischt natürlich die eigene Lichtreaktion (amau- rotische Starre). Dagegen ist, wenn es sich nur um eine einseitige Seh- slörung handelt, die Pup lle auch eines blinden Auges noch durch Lichtreiz des anderen, wenn dieses noch sieht, konsensuell erregbar. Für Fälle von retro- bulbärer Erblindung, wo der Augenspiegel keinen Aufschluß gibt, ist das Erlöschen der eigenen Lichtreaktion entscheidend für organische Störung im Sehnerven gegenüber einer Hysterie oder Simulation. Nicht immer gehen dabei Lichtempfindung und Lichtreaktion der Pupille ganz gleichen Schritt, weil die Sehfasern und die Pupillarfasern im Sehnerv ver- schieden stark betroffen sein können. Es gibt ausnahmsweise periphere Seh- stöiungen mit erloschener eigener Lichtreaktion, aber noch etwas erhaltener Lichtempfindung, und umgekehrt. Die in letzteren Fällen noch erhaltene Reaktion ist aber fast immer doch sehr herabgesetzt. [Natürlich kann die eigentliche reflektorische Pupillenstarre sich mit peri- pherer Erblindung kombinieren. Doch ist dies bei beiderseitiger Erblindung un- sicher zu diagnostizieren, da auch blinde Augen , so lange sie auf ihren Finger noch konvergieren, noch Konvergenzreaktion zeigen können.] Untersuchung des Auges. 43 Bei starker konzentrischer Gesichtsfeldeinengung, großen Gesichtsfeld- defekten infolge intraokularer oder Sehnerven-Erkrankung gibt die Belichtung der nicht sehenden Netzhautpartie eine geringere Reaktion, als die der sehenden. In ausgesprochener Weise, aber nicht immer, ist eine solche regionäre Licht- reaktion auch bei temporaler Hemianopsie (Chiasmaerkrankung) vorhanden (hemianopische Reaktion). Man muß dazu aber bei ruhigem Blick möglichst unter gleichem Winkel die beiden Netzhauthälften belichten. Neuerdings wird übrigens das Vorhandensein dieser regionären, auf exzentrische Beleuchtung ein- tretenden Reaktion bestritten. Wenn eine Sehstörung ihren Sitz oberhalb der Kerne hat (Corp. geniculatum für den Optikus), so kann die Lichtreaktion erhalten bleiben; das beobachtet man besonders bei zentralen Erblindungen infolge von Urämie, ferner bei gleichnamigen Hemianopsien infolge von Hemisphärenerkrankung. [Nicht selten, besonders bei intrakraniellen Erkrankungen, wechselt die Pupillenweite von selbst, auch bei konstanter Beleuchtung (Hippus). Man muß sich in solchem Falle hüten, eine Lichtreaktion zu diagnostizieren, wenn nur eine Hippusbewegung mit der Belichtung zufällig zusammenfällt, und muß zu diesem Zwecke mehrfach prüfen. Wenn in sehr seltenen Fällen bei der Belichtung die Pupille weiter wird (paradoxe Lichtreaktion), so handelt es sich in der Regel darum, daß Pa- tienten mit reflektorischer Pupillenstarre während der Beschattung in die Nähe fixierten, und daß sie jetzt unter dem Einfluß der Blendung abspannen und in die Ferne einstellen.] Technik der Pupillarreaktionsprüfung. 1. Lichtreaktion. Um auch die physiologisch geringe Reaktion bei alten Leuten etc. nicht zu übersehen, muß man den Unterschied zwischen dunkel und hell möglichst groß wählen. Jedenfalls darf man ein völliges Erlöschen der Reaktion erst behaupten, wenn man im Dunkelzimmer mit Lampenbeleuchtung geprüft hat. Die Prüfung der Reaktion im Dunkelzimmer ist auch deshalb empfindlicher, weil das an die Dunkelheit sich adaptierende Auge reicher an Sehpurpur und empfindlicher wird. Man kann bei Tageslicht beginnen, indem man den Kranken, der bis dahin vom Fenster abgewandt saß, gegen das Fenster in die Ferne blicken läßt, beide Augen mit der Hand bedeckt und von Zeit zu Zeit die eine Hand fortnimmt. Erhält man dabei lebhafte und deutliche Reaktion, so kann man sich damit begnügen. Bleibt sie aus oder ist sie träge und undeutlich, so muß die Prüfung im Dunkelzimmer vervollständigt werden. Hier hält man ein Auge zu und läßt mit dem zu prüfenden Auge in der Richtung der Lampenflamme resp. dicht an der Lampenflamme vorbei ruhig in die Ferne blicken (Fig. 31). Diese Ferneinstellung ist notwendig, damit nicht schon zu Beginn der Lichtprüfung eine Konvergenz- oder Akkommodations- kontraktion eingetreten ist, die natürlich das Spiel der Lichtreaktion beeinträchtigt. Man muß den Kranken immer wieder zur Fern- einstellung ermahnen, auch darauf achten, daß nicht im Moment der Belichtung eine Naheinstellung eintritt, die natürlich eine Licht- reaktion vortäuschen könnte. Wir lassen in der Richtung der Flamme blicken, damit das Licht bei der Belichtung die reflex-empfindlicheren zentralen Teile trifft. In die Flamme selbst sehen zu lassen, ist weniger gut, weil dabei in dem Bewußtsein der Einstellung auf die nahestehende Lampe von manchen akkommodiert wird. 44 Axenfeld, Ist die Ferneinstellung in der genannten Richtung geschehen, dann beschattet man tief (mit dem Schatten einer breiten Linseneinfassung oder auch mit der Hand) die ganze Lidspalte und die Lidhaut (Fig. 31). (Es ist das sehr zu beachten; denn wenn man vor der Belichtung der Pupille etwa schon die Sklera und die be- nachbarte Lidhaut beleuchtet, so wird eben schon vor der Pupillar- Fig. 31. a) 1. Akt. Prüfung der direkten Lichtreaktion, b) II. Akt. X = Gegend der Lichtquelle. In Fig. a ist die ganze Lidspalte durch den Schatten des Linsenrades verdunkelt; in Fig. b der Brennpunkt aufs Auge geworfen. belichtung eine gewisse Kontraktion der Pupille angeregt, da auch durch die Sklera und die Lidhaut etwas Licht ins Auge eindringt). Von dieser tiefen Beschattung des in die Ferne eingestellten Auges ausgehend wirft man nun durch Verschiebung der Linse plötzlich konzentriertes Licht in die Pupille (Fig. 31) und wiederholt einigemale den Versuch. Tritt keine Kontraktion ein, so ist die Pupille jeden- falls lichtstarr. In gleicher Weise wird nun das andere Auge geprüft. Alsdann wird bei frei- gelassenem anderen Auge ab- wechselnd belichtet und be- schattet und die indirekte Reaktion festgestellt. 2. Jetzt schließt sich die Prüfung der Konvergenz- reaktion an: Man läßt den Kranken mit beiden Augen ruhig wieder wie vorhin in die Ferne blicken, dann mit einem Mal auf einen in einer Entfernung von ca. 10 cm —nicht unmit- telbar vor seine Nase — ihm vorgehaltenen Gegenstand blicken. Noch besser ist, die eigene Hand des Patienten, bezw. einen Finger des Patienten den man kräftig drückt, als Objekt für die Naheeinstellung fixieren zu Fig. 32. Prüfung der Konvergenzreaktion. Untersuchung des Auges. 45 lassen (Fig. 32i. Der Impuls zur Konvergenz ist dann ein doppelter, ein optischer und sensibler. Auch widerstrebende, stupide Menschen pflegen auf diese Methode hin eine Konvergenzeinstellung auf ihren eigenen Finger vorzunehmen, was gerade für Paralytiker und andere Psychosen von Wichtigkeit ist. Unter normalen Verhältnissen zieht sich dabei die Pupille prompt zusammen. Die Prüfung der reflektorischen Erweiterung der Pupille bei Schmerz geschieht durch plötzliche, unerwartete, starke Faradisierung einer Ex- tremität, durch Nadelstiche etc. In der Praxis kann man auf diesen Versuch ver- zichten. Zur Messung der Pupillenweite dienen sogenannte Pupillometer. Für die Praxis reicht es aus, die Pupillenweite bei den verschiedenen Prüfungen zu schätzen oder sie über einen Millimetermaßstab zu visieren. Linse. Kataraktuntersuchung. Nach der Prüfung der Pupillenreaktion betrachten wir die'Farbe der Pupille; sie ist gewöhnlich tiefschwarz, bei konzentrierter seitlicher Beleuchtung leuchtet aber auch die normale Linse zart graulich. Bei älteren Personen, auch ohne daß eine eigentliche kataraktöse (Trübung besteht, ist dieses Aufleuchten etwas stärker und bei weiter Pupille oft schon bei Tageslicht bemerkbar. Diesen Altersreflex der Linse soll man nicht mit Katarakt (grauem Staar) verwechseln. Die Entscheidung liefert die Durch- leuchtung mit dem Spiegel, welche bei Katarakt Schatten, bei reinem Altersreflex klares rotes Licht ergibt. Gelegentlich findet sich im Gebiet eines starken zentralen Reflexes eine abnorm hohe Brechung (zentrale Linsenmyopie, Linse mit doppeltem Brennpunkt). In solchen Linsen pflegt sich Katarakt zu entwickeln. Bei echter Katarakt sieht man vielmehr bei seitlicher Beleuchtung ent- weder in der Kortex radiär gerichtete graue Streifen, meist äquatoriell beginnend, allmählich immer dichter werdend, oder, was seltener ist, eine mehr diffuse zentrale oder perizentrale Trübung. Über die Formen und Stadien des Stars cf. Abschnitt „Linse". Zu einer genauen Stardiagnose ist Erweiterung derPupille1) undaußer der seitlichen Beleuchtung auch die Untersuchung im durchfallenden Licht mit dem Augenspiegel durchaus erforderlich. Es ist kein Star vor- handen, wenn das durchfallende Licht, besonders das des Planspiegels ganz schattenlos bleibt; kein Star ist vollständig trübe, der noch rötlichen Reflex durchläßt. Ausgezeichnete Dienste leistet hier die Lupenspiegeluntersuchung: Planspiegel mit dahintergelegtem Konvexglas (5,0—20,0), welche die Trübungen der beginnenden Ka- tarakt vielfach in ihre Elemente auflöst (Tröpfchen, Striche usw.). Besonders vorzüglich ist sie auch zur Beurteilung des Nachstars (Ca- taracta secundaria), dem membranösen Rest nach Extraktion oder Resorption traumatischer Katarakte; bei seitlicher konzentrierter Beleuchtung sehen wir die mehr oder weniger zarten Membranen und Stränge. Aber erst bei durchfallendem Licht ist sicher festzustellen, ob die schwarz erscheinenden Lücken wirklich ganz durchsichtig sind, oder ob nicht doch in ihnen unregelmäßige, chagrinierte Brechung besteht, die das Sehen erheblich .beeinträchtigen kann. Das Fehlen der Linse bei Luxation und Aphakie ist kenntlich daran, daß die beiden der Vorder- und Hinterfläche angehörigen Purkinj e-Sanson- i) 2mal mit 5 Minuten Zwischenpause Kokain 4°/o. Dann pflegt nach i,4_i 2 Stunde die Pnpille ausreichend erweitert zu sein (cf. S. lfi). 46 Axenfeld, sehen Bildchen in der Pupille nicht vorhanden sind. (Näheres cf. „Funktions- prüfung".) Die sonstigen Zeichen der Luxation und Aphakie cf. Kapitel „Linse". Ob eine Katarakt „kompliziert" ist, d. h. ob hinter ihr weitere, tiefe Veränderungen bestehen, welche für sich das Sehen gefährden oder schon zerstört haben, eine für die P> ognose sehr wichtige Frage, ist oft schon bei der seitlichen Beleuchtung ersichtlich. Wenn eine gelblich kreidige Katarakt sich findet (Kataracta calcarea), besonders wenn sie mit starken Synechien sich verbindet, ist in der Regel eine komplizierte K. vorhanden. Wenn ferner bei Katarakt keine Lichtreaktion besteht, ist ein solcher Verdacht begründet; ebenso wenn die Iris atrophisch, vielleicht adhärent ist. Einzelne hintere Synechien brauchen zwar nicht für tiefe Komplikationen zu sprechen, sie sollen aber stets die Möglichkeit nahelegen, weil nur zu oft der ganze Tractus uvealis erkrankt. Aufschluß darüber, ob bei Trübung der Medien, besonders bei Katarakt die tiefen Teile noch über die Fähigkeit zur Perzeption verfügen, ob Aussicht auf Erfolg für die Operation besteht, gibt erst die Lichtseheinprüfung, welche gleich bei der seitlichen Be- leuchtung vorzunehmen ist. (Näheres darüber cf. im Abschnitt „Sehprüfungen".) Man muß immer, wie überhaupt bei Medientrübungen, das Ergebnis der Sehprüfung mitdemGradder Trübungvergleichen undbesonders beachten, ob Mißverhältnisse zwischen beiden bestehen, ob nicht die Sehstörung auffallend stark ist, im Verhältnis zur Trübung, deren Stärke sich ja immer an dem mit dem Spiegel noch erhältlichen Licht beurteilen läßt. Wenn wir z. B. mit dem Spiegel den Augengrund noch deutlich sehen, so müßte, so weit es auf die Medien ankommt, auch der Patient noch ein leidliches Seh- vermögen haben. Be-teht z. B. Kataracta ineipiens oder eine leichte Hornhaut- trübung, das Sehen beträgt aber nur Handbewegungen, so ist außer der Trübung noch mehr vorhanden! Beherzigt man dies, sucht man weiter, so wird nicht so oft die ausschließliche Diagnose „Katarakt" zu Unrecht gestellt werden. — Die seitliche Beleuchtung reicht bei erweiterter Pupille bis in die hinteren Linsenteile. Doch sind Trübungen am hinteren Pol so schon oft nicht mehr zu sehen. Für den Glaskörper ergibt sie nur bei starken, weit nach vorn reichenden Veränderungen gelegentlich ein Resultat (rötlicher Schein bei starker Blutung, gelblicher bei Eiterung oder alter totaler Amotio; Tumorreflexe, besonders der gelbliche Schein bei dem Glioma retinae; vorn gelegene Fremdkörper). Über die Beschaffenheit der hintersten Partie der Linse und des Glaskörpers ist vielmehr mit Sicherheit nur das durchfallende Licht, der Augenspiegel zu gebrauchen. Augenleuchten, Durchleuchtung der tieferen Medien. Wir setzen nunmehr die Lampe seitlich und hinter den Kopf des Patienten, wir lassen den Kranken dicht an uns vorbeiblicken und werfen mit dem Spiegel Licht in sein Auge, während wir durch die Spiegel-Perforation hindurchblicken. Dann leuchtet die Pupille für uns rot auf. In diesem „durchfallenden" Licht werden sich Untersuchung des Auges. 47 Trübungen der Medien als mehr oder weniger starke Schatten zeigen. Schatten, welche nicht Trübungen entsprechen, die wir von vorn bei seitlicher Beleuchtung festgestellt haben, müssen ihre Ursache in den tieferen, der fokalen Beleuchtung nicht mehr zugänglichen Medien haben. Um tiefste Linsentrübung von Glaskörpertrübungen zu unter- scheiden, ist folgendes verwendbar: 1. Die Schatten von Linsentrübungen gehen nur so weit mit, als das Auge sich gerade bewegt; Glaskörpertrübungen flottieren, bewegen sich weiter, auch nachdem das Auge stehen geblieben, schwimmen und senken sich, verschwinden usw. 2. Auch die tiefsten Linsentrübungen sind oft noch etwas stern- oder punktförmig (Cataracta polaris posterior). Glaskörper- trübungen sind wolkig, fadenförmig, staubförmig etc. [3. Achtet man auf das Flammen-Reflexbildchen der Hornhaut, hinter dem in allen Stellungen der (im vordersten Teil des Glas- körpers gelegene) Drehpunkt des Auges liegt, so zeigt sich bei Be- wegungen des Auges, daß Trübungen am hinteren Linsenpol, welcher dem Drehpunkt naheliegt, die gleiche Lage zu diesem Bildchen fast unverändert beibehalten, resp. sich mit ihm fast decken, während tiefere Glaskörperschatten sich von ihm wachsend entfernen etc. Alle nach vorn vor dem Drehpunkt gelegenen Schatten, die von Hornhaut- und mehr vorn gelegenen Linsenveränderungen herrühren, entfernen sich gleichnamig mit der Kornea von dem Fiammen-Reilex- bildchen, die dahinter gelegenen entgegengesetzt.] Bei sehr starken Glaskörpertrübungen (Durchblutung, diffuse Exsudation) kann beim Durchleuchten alles dunkel bleiben. Die Glaskörperkrankheit ergibt sich dann daraus, daß die vorderen Medien frei oder doch nicht derart verändert sind, um kein Licht durchzulassen. Tritt Resorption ein, erscheinen wieder helle Stellen, so wird das Flottieren (dem Patienten und dem untersuchenden Arzt) von neuem sichtbar. (Eine völlige Dunkelheit beim Durchleuchten trotz klarer vorderer Medien wird außerdem nur bei totaler Netzhautablösung beobachtet; doch sind deren Falten dann hinter der Linse bei weiter Pupille sichtbar.) Andererseits sind die Schatten, welche sehr feine, staubförmige Glas- körpertrübungen geben, bei Gebrauch des lichtstarken Konkavspiegels oft so zart, daß sie nicht auffallen. Der Planspiegel mit hintergelegter Konvexlinse (Lupen- spiegel) gibt hier wieder sehr gut die zarten beweglichen Schatten, indem in seinem schwächeren Licht auch feinste Trübungen sich zeigen. Wir müssen nun während dieser Spiegeldurchleuchtung den Kranken veranlassen, mehrmals nacheinander nach den beiden Seiten, nach oben und unten zu sehen und zwar so ausgiebig wie möglich, damit wir auch bis in die äußerste Peripherie hineinleuchten; dann bekommen wir ein Urteil darüber, ob auch aus allen Teilen klarer Reflex kommt, dann erst werden einzelne vielleicht zu Boden gesunkene Glaskörpertrübungen auf- gewirbelt und durch das Gesichtsfeld schwimmen. Auch die bei alten Leuten mitunter vorkommenden Cholesterinkristalle (Synchysis scintillans) zeigen sich dabei besonders schön als goldglitzernde Kristallenen. Auch etwaige Fremdkörper im Auge sind so am leichtesten aufzufinden. Wir gewinnen aber gleichzeitig bei diesem Absuchen des Augenleuchtens nach allen Richtungen schon sehr wichtige 48 Axenfeld, Aufschlüsse über den Augengrund, ganz besonders über das Vor- handensein von Netzhautablösung (cf. Abschnitt „Retina")- Diese, meist peripher beginnende, flächenhafte Erkrankung trübt frühzeitig den roten Augenreflex im Gebiet der Ablösung in eigentümlicher Weise; er wird graurötlich, graugrün 1 ich. Wenn man beim Ableuchten solche trübe oder dunkle Stellen bemerkt, muß der Verdacht der Amotio retinae sofort auftaueben. Wir suchen dann in dem getrübten Gebiet weiter, ob wir vielleicht weißliche Falten und besonders, ob wir abgehobene, geschlängelte schwärzliche Ge- fäße sehen, die wegen der stark hyperopischen Refraktion bei dieser Betrachtung auffallend dünn erscheinen; mit ihrem unschweren Nachweis ist die Diagnose gesichert. Wir lassen dann, während wir das abgelöste Gebiet mit dem Spiegel beobachten, das Auge kleine Bewegungen machen. Ist die Ablösung bucklig, liegt die Netzhaut der sie empordrängenden Masse fest an, so denken wir an eine Tumorablösung, flottiert sie, an eine seröse. Zu bedenken ist allerdings, daß hinter großen serösen Ablösungen doch ein Tumor stecken kann. Wer sich gewöhnt, nach allen Richtungen bei durchfallen- dem Licht abzuleuchten, wird die Netzhautablösung leicht er- kennen, während sie im umgekehrten Bild oft übersehen wird. Einen ähnlichen graugrünlichen Reflex geben nur manche dichte präretinale Glaskörpertrübungen, auf denen aber Falten und Gefäße fehlen. [Zur Unterscheidung der serösen Netzhautablösung von der Geschwulst- ablösung ist auch sklerale Durchleuchtung angewandt worden. Durch einen kleinen Tubus, der vorn eine Konvexlinse trägt und mit derselben auf die Sklera aufgedrückt wird, wird das Licht eines Glühlämpchens durch die Sklera ge- worfen. Eine seröse Ablösung läßt dies Licht so reichlich durch, daß die Pupille rot aufleuchtet, ein Tumor nicht. Die Resultate dieser Methode sind bezüglich der Diagnose „Tumor" insofern nicht immer zutreffend, als auch Blutungen, selbst solche von mäßigem Umfang, das Licht nicht durchlassen. Schmidt-Rimpler hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Sonden- palpatio-n des Bulbus respektive der Sklera im Gebiet der Ablösung eine deutlich erhöhte Resistenz ergibt.] Objektive Refraktionsbestimmung. Nach Besichtigung des aus dem Auge kommenden Reflexes be- nützen wir weiter das Augenleuchten zur objektiven Fest- stellung der Refraktion des Auges, die an dieser Stelle, noch vor der Besichtigung der Einzelheiten des Augenhinter- grundes zu geschehen hat, weil die Beurteilung der Größenverhält- nisse im ophthalmoskopischen Bild von der Kenntnis der Refraktion abhängt, ferner weil bei starker Hyperraetropie der Untersucher weiter abrücken muß, um ein deutliches umgekehrtes Bild des Augen- grundes zu erhalten, dann auch deshalb, weil die Kenntnis der Re- fraktion von vornherein für die Deutung mancher Veränderungen bedeutsam ist, z. B. der myopischen Degenerationen. Optische Vorbemerkungen. (Näheres cf. „Funktionsprüfung".) Wir können das Auge schematisch einer Sammellinse gleichstellen Wir unterscheiden Emmetropie (Normalsichtigkeit), Myopie (Kurzsichti°-keit), Hyperopie (Übersichtigkeit, Weitsichtigkeit Fig. 32, 33, 34). Untersuchung des Auges. 49 Bei der Emmetropie liegt die Netzhaut in der Hauptbrennweite dieses Saininelwertes, so daß parallel einfallende, aus der Ferne kommende Strahlen sich auf der Netzhaut schneiden, und umge- kehrt von der Netzhaut ausgehende Strahlen das Auge parallel verlassen. Bei der Myopie ist das Auge im Verhältnis zu seiner Brech- kraft zu lang, die Netzhaut liegt weiter ab, als die Brennweite für pa- rallel einfallende Strahlen beträgt. Pa- rallel eintretende Strahlen schneiden sich im kurzsichtigen Auge vor der Netzhaut. Umgekehrt Strahlen, die von der Netzhaut ausgehen, verlassen das Auge konvergent und schneiden sich in einer, dem Langbau des Auges entsprechenden Entfernung zu 'einem umgekehrten Bilde (Fig. 33). Auf diesen Schnittpunkt, seinen „Fernpunkt" ist das Auge eingestellt; die Lage dieses Fernpunktes bezeichnet den Grad der Myopie, das Auge ist in die Nähe eingestellt, es erhält ein deutliches Netzhaut- bild nur von Strahlen, welche aus jenem Fernpunkt kommen und kann in die Ferne nur dann deutlich sehen, wenn die aus der Ferne kommenden parallelen Strahlen vor ihrem Eintritt ins Auge durch ein Konkavglas so zerstreut werden, als kämen sie aus dem Fernpunkt (Näheres cf. Abschnitt „Myopie"). Fig. 33. Emmetropie. Der in der Brennweite liegende Augengrund ist auf die Ferne eingestellt. Von ihm ausgehende Strahlen verlassen das Auge parallel. Fig. 34. Myopie. Der jenseits der Brennweite gelegene Augenhintergrund (A) ist auf die Nähe eingestellt. Von ihm ausgehende Strahlen verlassen das Auge konvergent und schneiden sich im „Fernpunkt" (F). Die gewöhnliche Myopie beruht darauf, daß bei durchschnittlicher Brech- kraft (von gleicher Stärke wie beim Emmetropen) die Augenachse zu lang ist (Achsenmyopie). Es kann aber auch in einem normal tiefen und selbst in einem zu kurzen Auge Myopie entstehen (und eine Achsenmyopie kann dadurch ge- steigert werden), wenn seine Brech- kraft abnorm stark wird: Abnorm starke Wölbung der Hornhaut beim Keratokonus; Erhöhung der Linsen- brechung bei Cataracta incipiens, be- sonders der diabetischen; vermehrte Linsenwölbung durch Spannung des Akkommodationsmuskels (Span- nungsmyopie, die sich auf Atropin ausgleicht); Vorrücken und stärkere Wölbung der Linse bei Subluxation nach vorn). Bei der Hypermetropie ist das Auge im Verhältnis zu seiner Brennweite zu kurz; dies geschieht entweder durch ab- norme Kürze der Augenachse bei Lehrbuch der Augenheilkunde. -----_----=>► Fig. 35. Hypermetropie. Der Augen- grund steht innerhalb der Brennweite in der „Lupenstellung". Von ihr ausgehende Strahlen verlassen das Auge divergent. 4 50 Axe nf eld, durchschnittlicher Brechkraft (gewöhnliche angeborene Übersichtigkeit), oder durch abnorm geringe Brechkraft bei normaler Länge (bei Abflachung der Hornhaut, Ab- flachung der Linse im höheien Alter), Subluxaiion der Linse nach hinten und besonders durch Entfernung der Linse (nach Starextraktion, Aphakie). Es schneiden sich parallel eintretende Strahlen nur dann auf der relativ zu nahe gelegenen Netzhaut zu einem scharfen Bilde, wenn sie entweder schon vor ihrem Eintritt ins Auge durch ein Konvexglas entsprechend konvergent gemacht werden, oder wenn das Auge durch eigene Akkommodation die Strahlen in der kürzeren Entfernung zu- sammenzuziehen vermag (Selbstkorrektion des Übersichtigen, s. Figur im Abschnitt „Hyperopie"). Wieweit ein Hypermetrop imstande ist, durch Akkommo- dation seine Hyperopie zu kompensieren, wird abhängen 1. vom Grade der Hyperopie, 2. von einer Akkommodationskraft, die bekanntlich mit dem Alter nachläßt. Denken wir uns im ruhenden (nicht akkommodierenden) übersichtigen Auge Strahlen von der Netzhaut ausgehend, so werden dieselben das Aug^ noch divergent verlassen. Sie scheinen dann für den ophthalmoskopischen Untersucher von einem virtuellen, weiter zurückliegenden Brennpunkt zu kommen (Fig. 35). Daher die Erscheinung, daß man beim Hyperopen schon aus der Ferne mit dem Augen- spiegel das aufrechte Lupenbild wahrnimmt. Da der Brechungszustand des Aug>s durch den Akkommodationsmuskel und die von ihm abhängige Wölbung der Linse willkürlich verändert werden kann, so ist es zurGewinnung sicherer Werte für den Ruhezustand notwendig, den Akkommodationsmuskel vorübergehend zu läh- men; besonders bei jugendlichen Personen (bis zu 30 Jahren) mit ihrem lebhaft tätigen Akkommodationsapparat muß unter Mydriasis kontrollieit werden. Es genügt im allgemeinen, nach der ersten Bestimmung (ohne Mydriasis) in das eine Auge ein Mydriatikum einzuträufeln, da der Akkommodationsimpuls beiderseits gleich erfolgt und daher Von dem einen Auge auf das andere geschlossen werden darf. Zu dieser diagnostischen Mydriasis e> "" ,, i ,5 >' *> •> )> 4U ,, 0 >> >1 ;> j5 5U ,, 2,5 >> >! )) 55 bU ,, 0 " '? ii 5> 70 ,, —1, Das Akkommodations,,gebiet" liegt zwischen dem Nahepunkt und dem Fernpunkt. Unter letzterem verstehen wir den fernsten Punkt, der sich eben noch bei Ruhe der Akkommodation in der Netzhaut scharf abbilden kann. Die Akkommodationsbreite ist normaliter einzig abhängig vom Alter, das Akkommodationsgebiet einzig von der Refraktion (bei konstantem Alter). Praktisch Prüfen wir die Akkommodation, indem wir eine feine Druckprobe (Snellen 0,4, Nieden 1, Schweigger 0 3 Jäo-er 1) dem Auge so weit nähern lassen, bis die Schrift undeutlich wird Funktionsprüfung. 93 Geschieht die Annäherung bis auf J, 1 oder m, so hat das Auge 3, 5 oder x D. Akkommodation. Da der Kulturmensch für die meisten Arbeiten in der Nähe einen Abstand von 30—40 cm innehält, so muß (s. Tab.) für den Emmetropen in der Mitte der 40 er Jahre ein Zeitpunkt kommen, wo die Akkommodation zur genügenden Annäherung der Dinge nicht mehr ausreicht, avo die Alters- oder Weitsichtigkeit (nicht Über- sichtigkeit!), die Presbyopie, beginnt. Zur Ergänzung der Akkom- modation verordnen wir daher dem 45 jährigen Emmetropen -{-1,0 50 ., ,. +1,5 55 ,, ., +2.5 60 ., ., -+-3,0 70 ., „ +4,0 80 „ „ -r5,0 In der Tabelle der Akkommodation bedeutet bei 70 —80jährigen —1 und —2, daß dem betreffenden 1 resp. 2 D. fehlen, um die senile Hyperopie auszugleichen (s. unten S. 100). Der Hypermetrop wird unter dieser gesetzmäßigen Abnahme der Akkommodation schon früher zu leiden haben, da er ja zur Überwindung seiner Übersichtigkeit seine Akkommodation schon für das deutliche Sehen in die Ferne mehr oder weniger verbraucht. Höhergradige Hyperopen bedürfen deshalb oft schon in der Schule der Gläser. Andererseits wird für die unkorrigierten Myopen die Altersveränderung des Akkommodationsapparates in vielen Fällen gar nicht oder doch viel später bemerkbar werden. So wird der .Myop von 3,0 D. bis an sein Lebensende ohne Glas lesen können, der von 2,0 Dioptrien wird erst jenseits 50 Jahren für feinere Schrift ein schwaches Konvexglas brauchen. Myopen, welche gewohnt Avaren, für Ferne und Nähe das ihre Kurzsichtigkeit vollkorrigierende Glas zu tragen, werden natürlich ebenso wie der Emmetrop mit 40 bis 45 Jahren bemerken, daß sie mit der Vollkorrektion in der Nähe zu ermüden anfangen. Sie müssen dann für die Nähe ein schwächeres Konkavglas benutzen, oder über ihre vollkorrigierende Brille einen Konvexklemmer setzen. Man kann auch für Personen, welche ungern die Gläser wechseln und in ihrem Beruf fortwährend zwischen Fern- und Naheeinstellung wechseln müssen, das eine Auge für die Ferne, das andere für die Nähe korrigieren. Eine andere Möglichkeit bieten die Gläser mit doppeltem Brenn- punkt (k double foyer, Bi-Fokusgläser), bei denen in die untere Hälfte des voll- korrigierenden Glases ein kleiner Meniscus für die Nähe eingeschliffen oder ein- gekittet ist. Da beim Lesen und Arbeiten der Blick gesenkt wird, genügt dies kleine Feld. Diese, besonders in Amerika üblichen Gläser sind vielen Patienten sehr angenehm. Sie sind aber teurer und erfordern sehr sorgfältige Ausführung. Bei all diesen Gläserverordnungen kommt es natürlich auch darauf an, welche Art von Arbeit und in welcher Entfernung sie ge- leistet werden soll. Wer sehr feine Arbeit macht, wird früher der Gläser und stärkerer Gläser bedürfen. So beginnt bei emmetropschen Näherinnen. Stickerinnen etc. die Zeit der presbyopischen Beschwerden oft schon vor dem 40. Jahre. Ein 60 jähriger Schuhmacher dagegen, der in 50 cm Abstand seine Arbeit auf den Knien hält, wird nur 94 Heine, 2,0 D. Konvex dazu brauchen, ein Schreiner gleichen Alters, der in 75 cm Entfernung hobelt, nur 1,5 D.; ein Kupferstecher oder Retu- scheur, der seine feine Arbeit in 20 cm Abstand hält, dagegen 5,0 D. usw. Die allmähliche Verhärtung der Linse geht mit einer beachtenswerten Regelmäßigkeit vor sich, so daß Abweichungen von den oben gegebenen Regeln kaum vorkommen, wohl gemerkt unter normalen Verhältnissen. Vorzeitiger Eintritt der Presbyopie, wenn es sich nicht um Hyperopen handelt, auf beiden Augen meist gleich deutlich ausgesprochen, findet sich bei diabetischen Linsenveränderungen auch ohne daß Linsentrübungen zu sehen sind. Verspäteter Eintritt der Presbyopie, wenn es sich nicht um typische Myopen oder Anisometropen handelt, deren eines Auge kurzsichtig ist, und wenn nicht sehr enge Pupillen ein stenopäisches Sehen gestatten, findet sich bei stareinleitender Myopie, bei diabetischer Linsensklerose, also bei er- worbener Brechungsmyopie. Es handelt sich dann also schon um pathologische Verhältnisse, meist der Linse. Die Verschlechterung des Sehens in die Ferne kann dem Patienten dabei leicht entgehen. Die Lähmungen der Akkommodation sind meist Paresen, seltener Paralysen, sie können einseitig oder doppelseitig auftreten mit und ohne Pupillenbeteiligung. Danach haben sie ganz verschiedene diagnostische Bedeutung. Sehr selten sind Reizzustände im Akkommodationsapparat. Vom sogenannten Akkommodationskrampf wird noch die Rede sein (s. u.). Die subjektiven Störungen, die die Akkommodations- lähmung im Gefolge hat, sind sehr verschieden, je nach dem Alter des Patienten und der Refraktion der Augen. Ist die Störung doppelseitig und hochgradig, so beeinträchtigt sie die Sehbedingungen, am meisten bei Hyperopen, die ihre Akkom- modation schon für die Ferne brauchen, wenn sie gar nicht oder unterkorrigiert sind. Emmetropen werden für die Ferne gar nicht, wohl aber bei der Nahearbeit Störungen haben, Myopen auch bei letzterer nur, wenn sie ihr Glas tragen. Sie brauchen also dieses, wenn es sich um Myopien mittleren Grades handelt, nur abzusetzen, um ohne Akkommodation in der Nähe zu sehen. Die Störungen, die bei Anisometropen auftreten, lassen sich aus dem Gesagten leicht ableiten. Ist die Störung nur einseitig, so sind die Klagen wesentlich andere: Die Patienten können ja dann mit dem gesunden Auge scharf einstellen, aber das gelähmte bedeckt dann alles mit dem Schleier seiner undeutlichen Bilder, die im Wettstreit beider Augen dann doch hier und da auftauchen. In zweiter Linie sind es Störungen des binokularen Sehaktes für die Nähe, die durch einseitige Akkommo- dationsbeeinträchtigung bedingt sind. Ist diese nur gering, so klagen die Patienten öfter darüber, daß dem einen (kranken) Auge alle Gegen- stände in der Nähe wesentlich kleiner erscheinen als dem anderen, zumal Gegenstände bekannter Größe, z. B. die eigene Hand (akkom- modative Mikropsie). Die erhöhte Akkommodationsinnervation ist hier anscheinend von der Vorstellung größerer Nähe des Objektes begleitet, und bei gleichem Sehwinkel erscheint uns ein Objekt um so kleiner, je näher Funktionsprüfung. 95 es uns zu liegen scheint, in die Wolken projiziert, nimmt es Riesen- größe an. Ist die Störung der Akkommodation doppelseitig, so ist auch die Mikropsie doppelseitig, entgeht jedoch dann leicht der Beobachtung. Mikropsie kann auch die Folge erschwerter Konvergenz sein (Kon- vergenzmikropsie), sie muß prinzipiell von der durch Akkommodationslähmung be- dingten geschieden werden, erfordert natürlich auch eine ganz andere Behandlung, läßt sich aber wegen des innigen Zusammenhangs zwischen Konvergenz und Ak- kommodation nicht immer ohne weiteres unterscheiden. Alle diese subjektiven Beschwerden können wir an uns selbst erleben und studieren, wenn wir uns ein- oder doppelseitig Homatropin (1 °/o) einträufeln. Zur Diagnose der Akkommodationslähmung gehört zu- nächst eine sorgfältige Refraktionsbestimmung jedes einzelnen Auges. Das Auge wird dann mit dem korrigierenden Glase versehen — emmetropisiert — und ganz, wie oben, die Akkommodationsbreite be- stimmt. Kann ein 30jähriger Patient feinste Schrift dem Auge nur bis 30 cm nähern (Akk. = 3 D.), während er sie doch noch in 15 cm lesen sollte (Akk. = 7,5 D.), so hat er eine Parese von ca. 4 D. Die Differenz zwischen vorhandener und normalerweise zu erwartender Akkommo- dation gibt uns also einen zahlenmäßigen Ausdruck für die Parese für Fortschritt oder Rückgang. Liest der 30jährige Patient gar nichts von feinerer Druckschrift, so geben wir ihm (Emmetropie vorausgesetzt) -j- 3,0 D. Damit muß er in 1/3 m feinste Druckschrift lesen, liest er sie in V4 m nicht mehr, so verfügt er nicht mehr über 1 D. Akkommodation. Die Lähmung ist dann eine vollständige. Nach eingetretener Presbyopie ist die Diagnose einer Parese sehr viel schwieriger, Avegen der geringen Werte der Akkommodations- breite, Paralysen sind auch dann noch sicher zu erkennen. Natürlich muß mittelst presbyopischer Gläser untersucht werden. Ursachen: Einseitige Lähmung kann bedingt sein durch Trauma. Zunächst ist die Pupille dabei gewöhnlich verengt (Reiz- zustand), sie kann aber auch sehr bald weit und starr oder auch schlecht reagierend sein. Die Beeinträchtigung der Akkommodation ist meist nicht hochgradig. Öfter ist Subluxatio lentis (tiefe vordere Kammer und Linsenschlottern) mit Sphinktereinrissen (Efeublattform der Pupille) zu konstatieren. Die Anamnese gibt schon einen Hin- weis für die Diagnose. Die einseitige Akkommodationslähmung mit Pupillenlähmung nennt man ()p hthalmopiegia oder Ophthalmoparesis interna. Nie zu vergessen ist, daß das klinische Bild dieses Symptoms auch durch Atropin- oder Homatr opi nein tr auf elung bedingt sein kann. Auch wenn der Patient beteuert, nichts in das Auge getropft zu haben, man glaube solchen Versicherungen grundsätzlich nicht, da die Patienten beim besten Willen oft nicht bemerken, daß ihnen der Arzt etwas eingetropft hat. — Freilich sollte dieser stets ausdrücklich darauf aufmerksam machen. — Man stelle also grundsätzlich erst nach acht Tagen Wartezeit die Diagnose der Ophthalmoplegie, nachdem man dem Patienten eingeschärft hat, nichts in seine Augen eintropfen zu lassen. Bei der Wichtigkeit der Diagnose ist diese Vorsichtsmaßregel nie außer acht zu lassen, denn bedingt ist die Ophthalmoplegia interna meist durch zerebrale L u e s oder durch andere schwere Nervenleiden : Tabes, Paralyse. Sehr viel seltener schon durch kleine Blutungen oder sonstige Affektionen im Kerngebiet des Okulomotorius am Boden des Aquaeductus Sylvii (Diabetes, Polioencephalitis sup., Tuberkeln u. a.). 96 Heine, Die Ophthalmoplegia interna aus den geschilderten Ursachen ist häufiger einseitig. Doppelseitig ist sie stets bei den verschiedenen Formen des Botulismus (Wurst-, Fisch-, Käse-, Fleisch-, Schinken-, Austern-, Hummer Vergiftung, allgemeine Atropinvergiftung). Die Anam- nese und sonstige Begleiterscheinungen (Gastroenteritis, Trockenheit der Schleimhaut, besonders im Halse, Blicklähmungen und Bulbär- symptome) geben Fingerzeige für die Diagnose. Während die einseitige Akkommodationslähmung ohne Pupillenbeteiligung ein sehr seltenes Krankheitsbild darstellt und meist durch Lues, Tabes oder Paralyse bedingt sein dürfte, stellt die doppelseitige Akkommodationslähmung ohne Pupillen- beteiligung ein sehr häufiges, fast stets durch Diphtherie bedingtes Krankheitsbild dar. 4—6 Wochen nach einer, Avenn auch noch so leicht verlaufenen, vielleicht gar nicht erkannten Angina diphtherica, fast immer bei Kindern, treten die Störungen akut ein. Besonders alarmierend sind diese natürlich bei Hyperopen aus den oben dar- gelegten Gründen; die Eltern bringen solche Kinder oft in höchster Bestürzung mit der Angabe, das Kind sei erblindet. Alle anderen Ursachen treten der Diphtherie gegenüber derartig in den Hinter- grund, daß man aus dem Bilde der typisch-doppelseitigen Akkommo- dationslähmung ohne Pupillenbeteiligung schon allein die zurück- liegende Angina als diphtherisch ansprechen kann. Oft finden sich dann noch andere Lähmungssymptome: Nasale Sprache, Schluckbeschwerden, fehlende Kniephänomene, so daß die Unterscheidung von hysterischer Amblyopie kaum Schwierigkeiten bieten dürfte. Die Therapie der Lähmung richtet sich natürlich ganz nach den Ursachen. Da die postdiphtherische Akkommodationslähmung erst 4—6 Wochen nach der eigentlichen Erkrankung als Intoxikationssymptom, nicht als infektiös aufzufassen ist, so kommt man mit allen gegen die Diphtherie selbst gerichteten Maßnahmen zu spät. Auch scheinen die rechtzeitigen Injektionen von Serum bei Diphtherie die Lähmungen nicht zu verhindern. Man wird also durch roborierende Behandlung die Toxine möglichst schnell aus dem Körper zu entfernen suchen. Gute, leichte aber kräftige Kost, Bäder usw. erreichen das in einigen Wochen. Mit Resorbentien (J K u. dgl.) verderbe man den Kindern nicht den Magen, auch nehme man von Verordnung einer Brille lieber Abstand — außer vielleicht bei Hyperopen — und betrachte die Dauer der Akkommodationslähmung lieber als Schonzeit, zumal für den Schulbesuch. Die sonstigen Lähmungen behandle man ätiologisch; erst wenn ein stationärer Zustand erreicht ist, wende man Palliativ- mittel an. Als solche kommen in erster Linie korrigierende Gläser in Frage, die je nach der Hochgradigkeit der Störung ver- schieden stark sein müssen. Bei einseitigen Affektionen werden diese freilich oft nur vorübergehend vertragen. Instillationen von 1li°ioiger Eserinlösung oder 1—lh°/o\gev Pilokarpinlösung haben weniger heilenden Einfluß als eben pal- liativen. Aber selbst als kosmetisches Mittel tun sie bei einseitiger Pupillenerweiterung gute Dienste. Pupillendifferenzen haben beim Laienpublikum ein gewisses Odium bekommen, so daß die Patienten schon dankbar sind, wenn man ihr Leiden wenigstens verdecken kann. Funktionsprüfung. 97 Die Prognose richtet sich ganz nach der zugrunde liegenden Ursache. Für die postdiphtherische Form können Avir die Prognose durchaus günstig stellen. In einigen Wochen tritt Spontanheilung ein. Für alle anderen Formen ist jedoch rechte Vorsicht geboten. Bei der Lues ist durch kombinierte Hg- und JK- Therapie ja oft erstaunlich viel zu leisten, bisweilen beseitigen aber auch kräftige Injektionskuren diese Störungen nicht oder nur teil- weise. Bei der Tabes gehen selbst hochgradige Störungen oft spontan restlos zurück. Eine gute Prognose haben auch die durch Blutungen bedingten. Oft tritt naturgemäß die Augenprognose an Bedeutung gegen die Prognose des Allgemeinleidens zurück (Polioencephalitis u. ä.). Reizzustände im Akkoinniodationsapparat. Wirkliche, ein- oder doppelseitige Reizzustände im Akkommo- dationsapparat sind sehr seltene Vorkommnisse und deuten fast immer auf sclnvere organische Schädigungen im Kerngebiet oder an der Hirnbasis. Häufig sind dagegen labile Gleichgewichtszustände im Akkoinnio- dationsapparat in dem Sinne, daß durch irgendwelche äußeren oder inneren Veranlassungen Akkommodationsinnervationen ausgelöst wer- den. Es sind das also nicht eigentliche Krampfzustände, denn sie kommen und gehen oft momentan. Besteht z. B. eine dynamische Divergenz der Augenachsen, so erfordert diese eine erhöhte Konvergenzinnervation, die ihrerseits wieder eine Akkommo- dationsinnervation zur Folge hat. Fällt diese außerhalb der relativen Akkommo- dationsbreite, so Avird akkommodative Myopie die Folge sein. Therapeutisch wäre ein solcher Zustand mit Abduktionsprisma zu bessern oder zu heilen, ein Umstand, der schon an sich auf die Abnormität der äußeren Augenmuskeln als Ursache für den scheinbaren Akkommodationsspasmus hinweist. Ein junges Mädchen mit StrabismusdiA'ergenz konnte diesen — wo es ihr darauf ankam — überwinden, sie bemerkte aber selbst, daß sie dann stark kurzsichtig wurde. Diese Kurzsichtigkeit zeigte den fast konstanten Betrag von 6 D. Leichte (funktionelle) Reizbarkeit des Akkommodationszentrums kann natürlich ganz ähnliche klinische Bilder zeigen. Der „Akkommodationskrampf ist früher in seiner Bedeutung offenbar sehr überschätzt worden; es ist aber nicht mehr zu bezweifeln, daß er für Myopie, Glaukom, Kataraktbildung usw. so gut wie bedeutungslos ist. Die meisten Fälle dürften sich überhaupt auf die oben gegebenen Erklärungen zurückführen lassen. Auch folgende Fälle verdienen nicht eigentlich den Namen des Akkommo- dationSnkrampfes": Es kommt nicht so selten vor, daß Schulkinder mit normalen Augen mit der Angabe zu uns kommen, sie könnten in der Ferne schlecht sehen. Setzen wir ihnen schwache Konkavgläser vor, so ist das Sehen plötzlich normal. Einige haben bereits normalen Visus, wenn wir sie durch ± 0,25, also durch Fensterglas sehen lassen — oder gar, wenn wir ihnen nur ein leeres Brillen- gestell aufsetzen. Hier handelt es sich also um funktionelle Zustände, die einer psychischen Beeinflussung zugänglich sind (suggerierte Myopie). Solche Kinder haben meist in der Schule gehört, daß es Schwachsichtige gibt, die nur durch ihre (Konkav-) Brille gut sehen, sie haben eine solche Brille mal aufgesetzt und bilden sich nun ein, auch selbst nur mit einer Brille sehen zu können, die ihnen das eigen- tümliche Druckgefühl vermittelt, welches eine Konkavbrille wegen der dabei nötigen Akkommodation erzeugt. In solchen Fällen sind Brillen natürlich unnötig. Andere Kinder haben durch Krummsitzen, Lesen im Dämmerlicht, sich ange- wöhnt, viel zu nahe heranzugehen und sehr stark zu akkommodieren. Schließlich 98 Heine, kann eine starke Akkommodationsspannung ihnen so gewohnt sein, daß sie bei jeder Sehprobe, auch für die Ferne, akkommodieren und dann natürlich myopisch scheinen. Der Grad dieser .Spannungsmyopie" wechselt oft bei der- selben Prüfung; im Dunkelzimmer an der Lampe verliert er sich in vielen Fällen. Beweisend ist das Versch winden der Spannung unter dem Ein- fluß eines Mydriatikums. Aber auch solche Fälle sind hier zu erwähnen und wohl öfter als Akkom- modation „krampf gedeutet, wo eine myopische Refraktion an der Macula wirk- lich vorhanden ist, wo aber der Optikus (bei der objektiven Refraktionsbestimmung) normale Refraktion zeigt. Dies erklärt sich durch exzentrischen Keratokonus oder durch Niveaudifferenzen des Fundus selbst. Hier sind die notwendigen Gläser natürlich strikt indiziert. Asthenopie. Zum ausdauernden Sehen und Arbeiten in der Nähe bedürfen wir 1. scharfer optischer Einstellung, 2. guter Konvergenz, 3. nervöser Ausdauer. Fehlt es an einer dieser Funktionen, so wird die Nahearbeit gestört. Man faßt die bei der Nahearbeit eintretenden Störungen (schnelle Ermüdung, VerschAvimmen und Undeutlichwerden der Buch- staben, bei manchen Menschen Augenschmerzen, Kopfweh und all- gemeines Unbehagen) zusammen mit dem Namen der Asthenopie1). „Asthenopische Beschwerden" sind also Besclrwerden bei der Nahe- arbeit. Ursächlich können für diese Beschwerden all diejenigen Funktionen in Betracht kommen, wie schon gesagt, welche wir bei unserer Nahe- arbeit brauchen: Akkommodation, Konvergenz, nervöse Ausdauer. Man unterscheidet danach 1. Akkommodative Asthenopie. Es besteht ein Mißverhältnis zwischen der geforderten Naheeinstellung und der Akkommodation; das kann bei all denen, Avelche zur Erlangung deutlicher Bilder der Akkommodation bedürfen, der Fall sein: a) infolge von Alters Veränderung der Linse, Pres- byopie (cf. S. 93); b) infolge von Hypermetropie, indem der Kurzbau des Auges übermäßige Anforderungen an die Akkommodation stellt (cf. S. 100 ff.); c) infolge von Lähmung der Akkommodation (cf. S. 94); [d) infolge von Undeutlichkeit der Bilder, z. B. bei Medien- trübungen, bei Astigmatismus (cf. S. 117), welche den Patienten nötigen, sehr nahe heranzugehen und dadurch die Akkommodation übermäßig anzuspannen]. 2. Muskuläre Asthenopie. Sie tritt ein bei Schwäche der Konvergenz, infolge deren das eine Auge in divergente Stellung ab- ') Dieser Name bedeutet wörtlich übersetzt nur „schwaches Sehen" und ist deshalb wenig bezeichnend. Es wird darunter aber nicht „Schwachsichtigkeit" im allgemeinen verstanden, besonders auch nicht die eigentliche Herabsetzung des Unterscheidungsvermögens (die man „Amblyopie" nennt), sondern die mangelnde Ausdauer und Störung des Nahesehens. Funktionsprüfung. 99 zuweichen neigt. Die Anstrengung, trotzdem die Augen richtig zu halten, und die beim Abweichen beginnenden Doppelbilder wirken er- müdend und störend. Diese Konvergenzsclnväche beobachtet man besonders bei unkorrigierten Myopen (cf. S. 114), aber auch bei anderen Personen, auch bei allgemeinen Schwächezuständen (Rekon- valeszenten, Anämischen usw.). Sie wird im Kapitel ^Motilitätsstörungen" näher erörtert. 3. Nervöse Asthenopie. Bei Personen, bei welchen weder in der Akkommodation noch in der Konvergenz sich ein Grund finden läßt oder wo trotz der Korrektion etwaiger Mängel dieser Funktionen die asthenopischen Beschwerden andauern, ist nervöse Erschöpfbarkeit anzunehmen, wie solche ja auch die Ursache mannigfacher anderer Störungen sein kann. Es handelt sich dann um nervöse, erschöpfte oder hysterische Personen, die der Allgemeinbehandlung, der Suggestion und Aufsicht bedürfen. Eine „nervöse Asthenopie" ist also nur zu diagnostizieren, wenn die andern ätiologischen Möglichkeiten im Stiche lassen. Natürlich können sich die verschiedenen Formen der Asthenopie mannigfach kombinieren. Es ist bei allen Personen mit asthenopischen Beschwerden immer sowohl die Akkommodation; wie die Konvergenz- Verhältnisse, wie das Allgemeinbefinden zu berücksichtigen. Schließlich ist noch hervorzuheben, daß bei Personen mit entzündlicher Reizung der Lider und der Bindehaut die asthenopischen Beschwerden verschie- dener Art verstärkt hervortreten. Da die Nahearbeit vielfach abends an der Lampe verrichtet wird, so können solche Reizzustände, auch ohne daß ein sonstiger Grund für Asthenopie vorliegt, infolge der strahlenden Hitze der Lampe beim Lesen etc. so beschwerlich werden, daß man von einer „konjunk- tivalen Asthenopie" gesprochen hat. Auch leichtere Entzündungen (z. B. die sog. Conjunctivitis sicca, die Conjunctivitis folliculosa, die Diplobazillencon- junctivitis cf. „Erkrankungen der Bindehaut") können in Betracht kommen. Es sind deshalb jedenfalls auch diese Dinge zu beachten und zu behandeln; die strahlende Hitze muß durch Lampenschirme etc. ferngehalten werden. Auch ist, zur Vermeidung übermäßiger Annäherung, immer für gutes Licht zu sorgen. Lesen im Dämmerlicht usav. ist strengstens zu meiden. Übersichtigkeit oder Hyperopie. Das Wesen der Übersichtigkeit besteht darin, daß parallele Lichtstrahlen nicht in der Netzhaut, sondern hinter ihr in einem Punkt vereinigt werden, daß die hintere Brennweite also größer ist als die Bulbuslänge, resp. daß das Auge im Verhältnis zu seiner Brechkraft relativ zu kurz ist. Dieses Mißverhältnis zwischen Brechkraft und Länge kann ver- schiedene Ursachen haben; die selteneren sollen kurz vorwegge- nommen werden: I. Hyperopie infolge zu geringer Brechkraft. 1. Die korneale Hyperopie ist bedingt durch einen zu großen C-Kadius 0> s mm), Kerato-Globus oder durch Aplanatio corneae. Es ist dies eine seltene Form der Hyperopie. 100 Heine, 2. Die lentale (Linsen-) Hyperopie hat ihre Ursache darin, daß a) die Linse fehlt infolge Operation, Luxation usw.: apha- kische Hyperopie. Ersetzt wird die Brechkraft der Linse z. B. wenn sie wegen Starbildung aus einem sonst normalen Auge entfernt wurde durch ein Glas von + 10,0—11,0 D. b) die Linse kann nach hinten verlagert sein, wie es gelegentlich nach Trauma vorkommt, dann ist die vordere Kammer deutlich vertieft. c) die Brechkraft der Linse kann abgenommen haben. Der Strahlengang in der Linse ist nämlich ziemlich kompliziert dadurch, daß die Linse einen geschichteten Körper darstellt, dessen Kern den höchsten Brechungsexponenten hat, dadurch verläuft der Lichtstrahl in einer Kurve. Wird die Linse im Alter homogener, so nimmt die Brechkraft ab und es ergibt sich die senile Hyperopie von 1—2 D, auf die bei Verord- nung des Naheglases Rücksicht zu nehmen ist. Die im Vorstehenden beschriebenen Hyperopieformen sind „Brechungshyperopien", bedingt durch Verringerung der Brechkraft der Medien. Weit häufiger sind II. die Aehsenhyperopien, die gewöhnliche „Übersichtigkeit". Bei dieser ist die Brech- kraft der Medien unverändert, nur die Augenachse ist zu kurz, die Brechkraft der Medien also relativ zu gering. Die Anatomie der Hyperopie. Ein achsenhyperopisches Auge ist ein in der Entwickelung zurückgebliebenes Auge. Sämtliche Durchmesser sind zu klein, nicht nur der sagittale, dieser aber meist in besonderem Grade. 1 mm Achsenverkürzung bedingt 3 D. Hyperopie. Der Kornealradius ist normal, die vordere Kammer aber flach, der Ziliarmuskel stark entwickelt und gegen den Linsenäquator vorspringend. Die Linse hat normale Größe, ist also für das kleine Auge relativ zu groß, stößt gelegentlich an die Ziliarfortsätze an und bedingt dadurch vielleicht Reizzustände (s. Theorie des Glaukoms), die Sklera ist viel- leicht etwas übernormal dick. Ophthalmoskopisch zeigt der Optikus gelegentlich das Bild der Pseudo- neuritis optica cong. hyperopum. Die ophthalmoskopische Diagnose der Hyperopie cf. S. 52. Den Strahlen verlauf und die Wirkung des korrigierenden Glases haben wir uns folgendermaßen vorzustellen: Parallele Strahlen werden durch die brechenden Medien des Auges ca. 24 mm hinter der Kornea, in zu kurz gebautem Fig. 71. Abbildung eines fernen Punktes in der Netzhaut mit Hilfe der Akkommodation (Selbstkorrektion). Funktionsprüfung. 101 Auge also hinter der Netzhaut vereinigt. In der Netzhaut vereinigen sich dem- nach nur Lichtstrahlen, die schon mit einer gewissen Konvergenz auf das Auge auffallen, sie müssen auf den Fernpunkt des Auges zu gerichtet sein oder — was dasselbe bedeutet — scheinbar aus dem Fernpunkt herkommen. Dieser liegt dem- nach — wie Fig. 72 zeigt — hinter dem Auge. Fig. 72. Vereinigung konvergenter Strahlen in der Netzhaut (Fernpunkt p. r.) Fig. 73. Abbildung eines fernen Punktes bei Gläserkorrektion, welche die parallelen Strahlen auf p. r. zu konvergent macht. Parallele Strahlen müssen also auf irgend eine Weise auf F zu konvergent gemacht werden. Es kann dies geschehen durch ein „korrigierendes Konvex- glas", welches vor das Auge gesetzt wird und dessen Brennpunkt mit F zusammen- fällt, es kann aber auch durch die Akkommodation des Auges selbst bewirkt werden. Je näher das Glas an das Auge herangerückt wird, um so stärker muß es sein, je weiter es vom Auge und somit von F entfernt wird, um so schwächer darf es sein, um die genannte Forderung zu erfüllen (cf. S. 111 bei Myopie). Wann bei einem Hyperopen sich Beschwerden geltend machen, hängt von dem Grade der Hyperopie, dem Akkommodationsver- mögen und den an die Augen gestellten Anforderungen, ab. Viele leichte Grade von Hyperopie (1,0—2,0 D.) fühlen sich in den ersten beiden Dezennien gar nicht oder nur dann belästigt, wenn sie feine Arbeit leisten müssen, oder auch in Zeiten allgemeiner Er- schöpfung (Anämie, Chlorose etc.), an der auch der Akkommodations- muskel teilnimmt. Die höheren Grade pflegen aber immer, auch schon in der Schule, die Beschwerden der „Asthenopie" zu machen (cf. S. 98), d. h. der mangelnden Ausdauer in der Nähe. Bei der Schilderung der Patienten wird uns nicht immer ein Undeutlich- werden angegeben; manche klagen mehr über Augenschmerzen oder auch Kopfweh bei der Arbeit. Durch die starke Inanspruchnahme der Akkommodation neigen die Hyperopen zu konvergentem Schielen (cf. hierüber den Abschnitt „ Muskelstörungen"). Die Diagnose der Hyperopie gründet sich, abgesehen davon, daß die Patienten angeben in der Ferne besser zu sehen als in der Nähe, zunächst auf die objektive Untersuchung (s. d. in Kap. II), sodann erst auf die subjektive, d. h. die Sehprüfung in folgender Weise: Liest ein Patient aus 6 m Entfernung die mit 6 bezeichnete Reihe der Snellenschen Buchstaben oder andere 6 Meter-Proben, Lehrbuch der Augenheilkunde. ' 102 Heine, so hat er f V. also normale Sehschärfe, aber keineswegs ist damit normale Refraktion erwiesen. Eine nennenswerte Kurzsichtigkeit kann freilich nicht vorliegen (allenfalls könnte Patient mit — 0,5 D. oder höchstens —0,75 D. übernormale, z. B. doppelte Sehschärfe haben), wohl aber kann Hyperopie bestehen. Die Akkommodation, die beim normalen nur beim Sehen in der Nähe benutzt wird, wird vom Hyperopen schon beim Blick in die Ferne in Tätigkeit gesetzt, am parallele Lichtstrahlen nicht erst hinter dem Auge, sondern in der (zu nah hinter der Linse gelegenen) Netzhaut zu vereinigen. („Selbstkorrektion des hyperopisch en Auges".) Diese Akkomo- dationsleistung können wir durch Konvexgläser ersetzen. Wird der Visus durch ein vorgesetztes -f- 1,0 D. (oder +0,5) bereits ver- schlechtert, so haben wir das Auge nun schon künstlich kurzsichtig gemacht, es war also emmetropisch, nun erst ist die Diagnose „nor- male Refraktion" gerechtfertigt. Ist der Visus mit + 1,0 D. noch £ oder |, so ist nun die Diagnose auf Hyperopie zu stellen, denn 1 D. selbstkorrigierender Akkommodation ist durch + 1,0 D. ersetzt, Verschlechtert auch -)- 2,0 und + 3,0 D. den Visus noch nicht, wohl aber z. B. +4,0, so diagnostizieren wir +3,0 manifeste Hyper- opie. Die manifeste Hyperopie (M. H) ist nun noch nicht ohne wei- teres die totale (T. H.), wie sie der Achsenlänge des Auges ent- sprechen würde, vielmehr bleibt ein Teil der T. H. gewöhnlich aus folgendem Grunde latent (L. H.). Da die Hyperopen gewöhnt sind, schon für die Ferne beständig eine gewisse Akkommodation zu leisten, so hat sich für sie habituell ein Zustand ausgebildet, der sich ana- tomisch in einer Verlagerung des Ziliarmuskels nach vorn, in einer leichten Entspannung der Zonula und in einer mäßig verstärkten Linsen- wolbung ausdrücken dürfte. Zumal kann die hyperopische Form des Akkommodationsmuskels nun offenbar nicht sofort in die dem Ruhezustand entsprechende willkürlich übergeführt werden. Der Muskel mußte sozusagen bei jedem optischen Eindruck sofort mit einer Kon- traktion antworten, aber nicht nur, wenn er beim Nahsehen eine Kon- vergenz zu begleiten hatte. Diese beständige Kontraktionsbereitscbaft muß ihm erst mit der Zeit abgewöhnt werden. Je ausgiebiger die Akkommodation, also je jünger der Patient ist, und je höher die Hyperopie ist, um so größer ist der latente durch Akkomodation ge- deckte Teil der Hyperopie. Ist keine Akkommodation mehr vorhanden — und schon eher —, so ist die manifeste Hyperopie ohne weiteres gleich der totalen. Wie viel von der TH latent ist, hängt also ab vom Alter und absolutem Grad der Hyperopie, ferner aber davon, ob der Patient schon Gläser längere Zeit regelmäßig getragen hat und endlich von den Verhältnissen seiner äußeren Augen- muskeln (dynamische Insuffizienzen). Stark schematisiert kann man sagen, daß die L.H. im 1. Dezennium etwa *,2 T.H. beträgt 2- , , Va , „ 3- » , V*' , 4. , , 0 , , oder umgekehrt ist die M.H. bei Kindern im 1. Dezennium etwa l/2 TH. 2- , „ 2/3 , 3- ., „ 3A „ 4. „ „ TH. Wegen der genannten Akkommodationsspannung ist bei jugendlichen Personen die Sehprüfung immer Funktionsprüfung. 103 auch unter Mydriasis, d. h. Lähmung der Akkommodation durch Homatropin oder Atropin zu kontrollieren). Besonderheiten bieten gelegentlich Hyperopien höheren Grades (über c. 5 D.) dadurch, daß wir hier oft nicht volle Seh- schärfe finden. Man erinnere sich, daß wir es beim hyperopischen Auge mit einem in der Entwickelung mehr oder weniger zurückge- bliebenen Auge zu tun haben, wir finden auch öfter hyperopischen Astigmatismus (s. d.), ophthalmoskopisch Konus nach unten, klinisch Amblyopia cong. mit zentralem Skotom, also Abnormitäten im Sinne angeborener Defekte. Um ihre Sehschwäche möglichst unschädlich zu machen, nähern solche Patienten die Druckschrift, die wir ihnen zur Unter- suchung der Akkommodation in die Hand geben, dem Auge ganz außerordentlich. Sie vergrößern sich dadurch die Netzhautbilder erheblich, machen aber ganz den Eindruck hochgradig Kurzsichtiger, nur sehen sie auch bei dieser Annäherung nicht entfernt so scharf, wie wirklich Kurzsichtige. Der hochgradig Hyperope liest in diesem Falle meist nur mittelgroße Druckschrift, nicht die kleinsten Proben. Außer der oft vorhandenen Schwachsichtigkeit ist an dieser Annäherung der hochgradigen Hyperopen noch Schuld der Umstand, daß die höchsten Grade der Achsenhyperopie (-)- 10,0 D. z. B.) zu einem scharfen Einstellen in der Nähe so enormen Akkomodationsleistungen von dem (unkorrigierten) Patienten ver- langen würden, daß derselbe lieber auf die Akkomodation ganz verzichtet. Dafür nimmt er dann die unscharf gesehenen Leseproben dicht ans Auge heran, um wenigstens recht große Zerstreuungskreise zu haben, in deren Entzifferung solche Leute eine große Virtuosität entwickeln. Man redet deshalb auch wohl von „Scheinmyopie". Die objek- tive Refraktionsbestimmung, besonders die einfachste Form der Skia- skopie (s. d.), die man immer zur Orientierung der Sehprüfung voraus- schicken soll, kann natürlich keinen Irrtum aufkommen lassen. Während die Akkommodationsbreite in Dioptrien ausgedrückt normaliter nur vom Alter abhängt, liegt das Akkommodationsge- biet beim Hyperopen wesentlich anders als beim Normalen. Ein Emmetrop von 20 Jahren mit einer Akkommodationsbreite von 10 D. beherrscht ein Akkommodationsgebiet zwischen 10 cm und oo, ein Hyperop von 5 D. verwendet, wenn er gleichalterig ist, die Hälfte seiner Akkommodation zur Deckung der Hyperopie und hat nur noch 5 D. zur Verfügung, um seine Augen bis auf l/s m = 20 cm einzustellen. Sein Nahepunkt liegt also in 20 cm, sein Fernpunkt 5 D. jenseits von oo, also 20 cm hinter dem Auge. Das Akkommo- dationsgebiet jedoch zwischen 20 cm und oo. Durch die volle Kor- rektion der Hyperopie (durch Emmetropisierung) wird auch das Ak- kommodationsgebiet an die richtige Stelle verlegt. Die Therapie der Hyperopie ergibt sich aus dem Vorstehen- den, sie besteht in Verordnung der passenden Brille: Als allgemeine Regel läßt sich der Satz aufstellen: man verordne das stärkste Konvexglas, welches die Sehschärfe noch nicht verschlechtert, dieses ist möglichst beständig zu tragen. Häufiger Wechsel zwischen Glas- tragen und Nichttragen macht oft Kopfweh, Migräne usw. Freilich muß man bei der Korrektion der Hyperopie — wie auch bei der Myopie (s. d.) — Rücksicht auf die äußeren Augenmuskeln nehmen. 7* 104 Heine, Ist Neigung zu Konvergenzstellung vorhanden, so wird man die Hyperopie mindestens voll, vielleicht sogar etwas über korrigieren, um durch teilweise Ausschaltung der Akkommodation, die diese stets begleitenden — pathologisch gesteigerten — Konvergenzimpulse günstig zu beeinflussen. Sollte im Gegenteil — was weit seltener der Fall ist — Neigung zu Divergenz der Gesichtslinien bestehen, so wird man die manifeste Hyperopie nicht voll ausgleichen. Der Presbyopie bei Hyperopie, die sich relativ früher äußert als beim Emmotropen, muß in gleicher Weise wie bei Emmetropen Rechnung getragen werden, d. h. ein Presbyop von beispielsweise -f 3D. erhält für die Naharbeit mit 45 Jahren etwa + 4 D., mit 50 Jahren c + 5,0 D., mit 60 Jahren +6,0 D. Prognose. Besondere Gefahren hat die Hyperopie ihrem ganzen Wesen nach nicht. Wenn ein Hyperop klagt, seine Augen würden immer schwächer und er brauche immer stärkere Gläser, so liegt das in der Natur der Sache, indem von der totalen Hyperopie dem Alter nach immer mehr manifest wird. Ist aber die totale Hyperopie voll korrigiert, so ist der Zustand stationär und die Seh- schärfe braucht keineswegs abzunehmen. Da die Hyperopen diesen stationären Zustand etwa im 40. Lebens- jahr erreichen, so versteht sich von selbst, daß sie nach wenigen Jahren dann schon wieder ein stärkeres Glas — nämlich für die Nähe — gebrauchen, da nun die Presbyopie auftritt. Dieses beständige Verstärken des Glases ängstigt die Patienten oft in hohem Grade, sie übertragen die Erfahrungen, die sie in Bekanntenkreisen mit der Myopie gemacht haben, dann auf ihre Verhältnisse, und es ist manch- mal nicht leicht, sie aufzuklären. Wenn somit die Hyperopie als solche keine Gefahren hat, so ist doch an die Disposition solcher Augen für Drucksteigerungen (Glaukom) zu denken; die Brillen können diese Gefahr nicht besei- tigen, höchstens sie insofern mildern, als das Sehen müheloser wird und Überanstrengungen vermieden werden. Zur Kataraktbildung, Retinitis pigm. usw., wie wohl behauptet ist, hat die Hyperopie keine Beziehungen. Die Knrzsichtigkeit oder Myopie. Das Wesen der Myopie besteht darin, daß parallele Lichtstrahlen nicht in der Netzhaut, sondern vor ihr in einem Punkt vereinigt werden, daß die hintere Brennweite also kleiner ist als die Bulbus- länge. Das Auge ist im Verhältnis zu seiner Brechkraft zu lang. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Die selteneren sollen kurz vorweggenommen werden: I. Brechungsmyopien. Die Brechkraft ist zu hoch, ihre Brennweite zu kurz für das Auge. 1. Die korneale Myopie ist bedingt durch einen zu kleinen C-Radius « 7,5 mm) oder durch Keratokonus. Funktionsprüfung. 105 2. Die lentale (Linsen-) Myopie kann ihre Ursachen haben in a) einer Verlagerung der Linse nach vorn unter Ab- flachung der vorderen Kammer oder indem die Linse in die vordere Kammer hineinluxiert ist, oder in b) einer Erhöhung der Brechkraft der Linse. Letzteres geschieht entweder durch Erhöhung des Brechungsexponenten, z. B. bei beginnender Starbildung und bei diabetischer Linsensklerose oder aber durch Gestaltsver- änderung: Lentikonus ant. und post.1). Alle diese Myopieformen sind „Brechungsmyopien", bedingt durch Erhöhung der Brechkraft der Medien. Weit häufiger sind II. die Achsenmyopien. Sie entsprechen der gewöhnlichen „Kurzsichtigkeit". Bei dieser ist die Brechkraft der Medien unverändert, nur die Augenachse ist relativ zu lang. Fig. 74. Links normales, rechts myopisches Auge. Die Anatomie der Myopie läßt uns wesentlich andere Verhältnisse als bei der Hyperopie erkennen. Handelte es sich bei dieser um einen angeborenen stationären Zustand, so liegt hier meist ein mehr oder weniger progressiver krank- hafter Prozeß vor. Die angeborenen stationären Myopien sollen nicht ganz ge- leugnet werden, sie stellen aber sicherlich das geringere Kontingent dar. Ana- tomisch findet die Myopie ihren Ausdruck in einer Verdünnung der Sklera, zumal in der hinteren Bulbushälfte. Es kann zu einer gleichmäßigen Ekta- sierung des Fundus oder auch zu zirkumskripten Ausbuchtungen (Staphyloma verum) kommen. 1 mm Achsenverlängerung bedingt 3 D. Myopie. Ophthalmoskopisch ist hier an die Rarefizierung des Pigmentepithels in der Aderhaut und an die Weiß sehen Schatten zu erinnern. Innerhalb der Ektasien ') Eine Linsenmyopie stellt auch unsere Akkommodation dar: durch vermehrte Wölbung unserer Linse stellen wir uns für die Nähe ein. Eine Spannung der Akkommodation stellt deshalb eine „Spannungsmyopie* dar. 106 entstehen bei höheren Graden Dehiszenzen der Lamina elastica („Lacksprunge ) mit sekundären Wucherungen des Pigmentepithels. So entstehen wahrscheinlich fast immer die makularen Veränderungen, der Fuchssche „schwarze Fleck" m der Macula, und das, was man früher Chorioretinitis centralis ex myopia nannte. Fig. 75. Normaler Optikuseintritt. Fig. 76. Hochgradig myopischer Optikus. Fig. 77. Mäßig myopischer Optikuseintritt. Man hat gelernt, diese Erscheinungen weniger als Entzündung, sondern als Folgen mechanischer Veränderungen (langsam erfolgte Zerreißungen, Dehnungs- atrophie, Blutungen und deren Folgen) anzusehen. An der Papille zeigen Funktionsprüfung. 107 sich die Folgen der ungleichmäßigen Dehnung der Augenhüllen: Sklera und Retina geben den dehnenden Kräften etwa in gleicher Weise nach, nicht so die Aderhaut, im speziellen die Lamina elastica setzt der Dehnung einen erhöhten Widerstand entgegen, zieht sich deshalb relativ zurück und zerrt eine Nervenfaserfalte aus dem Sehnerven heraus, unter deren Druck die Ader- haut der Atrophie verfällt (Conus myop.). Während sich dieses auf der temporalen Seite abspielt, kann auf der nasalen der entgegengesetzte Prozeß ein. setzen, wodurch Retina und Aderhaut auf die Sehnervenscheibe herübergezerrt werden (Schrägstellung des Gefäßtrichters, nasale Supertraktion, früher Neuritis nasalis myopum genannt). Setzt auch hier nachträglich die Retraktion ein, so entsteht der „ringförmige Konus". Der Akkommodations-Muskel zeigt — entsprechend seiner Untätigkeit — die Form der absoluten Ruhelage, indem der Muskelbauch zurückgelagert, ge- legentlich atrophisch erscheint; denn dem mittel- und hochgradig kurzsichtigen Auge nützt die Akkommodation ja nichts, da es schon in der Ruhe für nahe Ent- fernung eingestellt ist. Die vordere Kammer ist daher vertieft. Eine weitere Ursache für die Vertiefung der vorderen Kammer ist die Glaskörperverflüssigung. Da der Glaskörper nicht mitwächst, so bilden sich in ihm Höhlen, die sich mit Ersatzflüssigkeit füllen oder es kommt — jedoch seltener — zu Glaskörperablösung am hinteren Pol. Schrumpft der Glaskörper strangartig, so kann er wohl imstande sein die gedehnte Retina an der Ora serrata, wo er ihr meist fest anhaftet, einzureißen. Ergießt sich dann der ver- flüssigte Glaskörper oder die Ersatzflüssigkeit zwischen Netzhaut und Pigment- epithel, so entsteht die bei Myopen so gefiirchtete Netzhautablösung, deren plötzliche Entstehung in dem Augenspiegelbild mit den oft sichtbaren Netzhautlöchern dadurch gut erklärt wird. (Theorie von Leber-Nordenson.) Sekundäre Veränderungen sind nach totaler Ablösung Kataraktbildung mit hinteren Synechien. Denken wir uns in beiden Augen die temporalen Hälften ,mehr gedehnt als die nasalen, was sich auch anatomisch erkennen läßt, so müssen dadurch die beiden Foveae einander genähert oder da sie im Interesse des binkularen Einfachsehens doch wieder durch eine Konvergenzinnervation der Recti interni an die ihnen zukommende Stelle befördert werden, die Korneae einander genähert werden. Beide Korneae werden sozusagen nasalwärts gegen die Gesichtslinie verschoben. Daraus ergibt sich — da wir die Stellung der Augen nach der die Hornhaut, Iris und Pupille senkrecht durchbohrenden Achse, nicht aber nach der Lage der unsichtbaren Foveae beurteilen — der scheinbare Strab. convergens myopum. Etwas Analoges haben wir übrigens auch bei den Hyperopen und kleinen Kindern zu konstatieren, nämlich einen scheinbaren Strab. divergens hyperopum. Der Winkel, den die Gesichtslinie mit der Achse der Hornhaut usw. bildet, nennen wir <$Z y, er wird negativ genannt, wenn er nasal, positiv, wenn er tem- poral von der Gesichtslinie liegt. Die Ursachen der Dehnung des hinteren Bulbusabschnittes hat man z. T. im Bulbus selbst gesucht. Man hat hier — und wohl mit Recht — an eine angeborene Schwäche der Sklera gedacht, die deshalb den beständigen Steigerungen des intraokularen Druckes durch den Druck der äußeren (nicht der inneren) Augenmuskulatur nicht standhalten könne. Ferner hat man an Ursachen im Bau der Orbita gedacht: Eine zu niedrige Orbita soll den Grund dafür abgeben, daß die Sehne des Obliq. sup. zu stark auf den Bulbus drücke und so schädigend wirke (StiHing). Zu große P^pillen- distanz und dementsprechend erhöhte Kontraktion und Druck- 108 Heine, Wirkung der Recti ext. und int. nahm Mannhardt an. Wir er- kennen, daß die Myopiefrage damit z. T. zu einer Rassenfrage wird. Einen zu kurzen Optikus und dementsprechend „zu kurze Ab- rollungsstrecke" des Sehnerven und dadurch Herauszerrung des hinteren Bulbuspols nahm Weiß und Hasner an. Schlechte — gebückte — Körperhaltung, Stauungen in den Blutgefäßen des Kopfes (auch durch enge Kragen) wurde von den älteren Autoren besonders beschuldigt. Daß angestrengte Näharbeit den Prozeß der Myopie begünstigt, ist dadurch bewiesen, daß die Anzahl der myopischen Schüler an Gymnasien größer ist als in Elementarschulen, daß sie um so höher ist, je mehr man sich der Prima nähert und daß der Grad der Myopie in gleicher Weise zunimmt. Auch die hereditäre Belastung spielt eine bedeutende Rolle. Kann man doch gelegentlich „Myopenfamilien" sehen, in denen kaum einer normale Augen hat. Daß die Nahe arbeit die Myopie ungünstig beeinflußt, ist als bewiesen anzusehen. Dagegen spricht auch nicht die Erfahrungstatsache, daß sich recht hochgradige Myopien auch wohl ohne gesteigerte Nahearbeit entwickeln können. Eine andere Frage ist freilich, wodurch die Nahearbeit schädigend wirkte. Die Akkommodation scheint durchaus mit Unrecht hier angeschuldigt zu sein, denn der intraokulare Druck wird von ihr sicherlich nicht gesteigert, wohl aber ge- schieht dies sicher von seifen der äußeren Augenmuskeln. Allein die Konvergenz sollte hier aber auch nicht etwa in den Vordergrund geschoben werden, denn bei der mit Blicksenkung verbundenen Konvergenz kommen natürlich noch ganz andere Muskeln mit in Frage als nur die recti interrni, ferner haben wir beim Lesen und Schreiben mit beständig wechselnden Seitenbewegungen zu rechnen, die bei kürzerem Arbeitsabstand größere Bahnen zu durchmessen haben, endlich kommen bei akkommodationslosem Lesen der (unkorrigiertdh) Myopen als Begleiterschei- nung der willkürlichen Unterdrückung der Akkommodation aller Wahrscheinlich- keit nach Divergenzimpulse in Frage, die durch weitere Steigerung der Konver- genzinnervation neutralisiert werden müssen. Alles dieses spricht dafür, daß die Druckwirkung der äußeren Augenmuskeln bei Myopie als gesteigert anzu- sehen ist. Summieren sich die Schädlichkeiten, indem beide Eltern kurzsichtig sind, so wachsen die Gefahren. Mit einer Theorie wird man die große und schwierige Myopiefrage nicht beantworten können, man wird gut tun, an möglichst viel schädigende Noxen zu denken, sich aber nicht versucht fühlen dürfen, etwa einer Rassenfrage gegenüber die Hände untätig fatalistisch in den Schoß zu legen. Daß es harmlose Myopie gibt, ist selbstverständlich. Ob wir aber be- rechtigt sind, zwei streng getrennte Gruppen anzunehmen, in der einen die harmlosen Schulmyopien, die nur niedere Grade erreichen, in der anderen die progressiven malignen hochgradigen', das ist zum mindesten sehr zweifelhaft. Wahrscheinlich ist, daß die meisten Myopien bei unzweckmäßigem Veihalten progressiv werden können und daß wir es jedenfalls einer geringen Myopie nicht ansehen können, ob sie harmlos oder maling ist. Die alte Donderssche Ein- teilung in stationäre, zeitlich progressive und dauernd progressive Myopie haben wir deshalb mit guten Gründen verlassen. Wir teilen nur noch ein in schwache M bis........3 D mittlere......... , 4.__7 hochgradige..........8—15 höchstgradige (event. operative) über 16. Die Diagnose der Myopie gründet sich, abgesehen von der Angabe der Patienten, in der Nähe gut, nur in der Ferne schlecht zu sehen, zunächst auf die objektive Untersuchung, sodann auf die subjektive in folgender Weise. Funktionsprüfung. 109 1. Bestimmung des Grades der Myopie mittelst korri- gierenden Glases. Besonders bei schwachen und mittleren Myo- pien entspricht dem Grade der Myopie eine gewisse Herabsetzung der Sehschärfe für die Ferne. Die Sehschärfe für die Ferne kann natürlich auch aus ganz anderen Gründen herabgesetzt sein. Nur für den Fall, daß einzig die myopische Refrak- tion die Ursache für die Visusherabsetzung ist, versteht sich folgendes Schema: Einer unkorrigierten Myopie von 6D entspricht etwa eine Sehschärfe von 3/«o 3L> „ „ „ „ „ «/eo 2D „ „ „ „ „ 6/36 1D „ „ „ „ 6/i2. Finden wir also bei einem Auge z. B. V.: ohne Glas 6/eo mit — 1,0 D 6/36 „ — 2,0 D 6/i2 „ — 3,0 D 6,e oder 6 4 so gibt letzteres Glas die Myopie an. Hat Patient mit — 4,0D ebenfalls 6/s oder G,t so ist er etwas ü b e r korrigiert, er ist künstlich um 1D hyperopisch gemacht und korrigiert dies selbst durch 1D Akkommodation. Besitzt er keine Akkommo- dation, so verschlechtert ihm das zu starke Konkavglas den Visus. Bei der Myopie suchen wir also das schwächste Glas, welches den relativ besten Visus erzielt. Sehr zu achten ist bei allen diesen Untersuchungen darauf, daß die Patienten nicht blinzeln, denn stenopäisch ist die Sehschärfe natürlich wesentlich besser. Wie einem Myopen von c3D die Welt aussieht, das kann sich ein Nor- maler gut vor Augen führen, wenn er sich selbst durch -4- 3,0 D z. B. im genannten Grad myopisch macht. In der Nähe hat er damit natürlich volle Sehschärfe, wie ja auch der Myop entsprechenden Grades feinste Schrift in Va m ohne Korrektur liest. 2 Fernpunktsbestimmung. Die Fernpunktsbestimmung eignet sich besonders für höhere und höchste Grade der Myopie, wenn die Visusverschlechterung noch über ^20 geht, also die Myopie die Höhe von 6 D. überschreitet. Wir geben dem Patienten also feine Druckschrift in die Hand und fordern ihn auf, die Schriftprobe mög- lichst weit vom Auge zu entfernen. Wir finden so den fernsten Punkt, in dem die Probe noch eben gelesen werden kann. Wird von den Sehproben für die Nähe, die für 1 Meter Ent- fernung und Bruchteile eines Meters eingerichtet sind, 1,0 nicht mehr in 100 cm, sondern z. B. nur in 50 cm gelesen, so diagnostizieren wir V : 5%oo oder 5/io, und, falls durch Myopie bedingt — 2 D. Myopie, denn der Fernpunkt 50 cm = 1/a m entspricht einer Myopie von 2 D. In diesem Falle muß, wenn der Visus sonst normal ist, auch Leseprobe 0,5 in 50 cm gelesen werden. Wird Leseprobe 0,3 m in 30 cm Entfernung gelesen, so kann das mit Hilfe der Akkommodation geschehen bei Emmetropie, es kann aber auch Myopie vorliegen. Dann liest das Auge sie in seinem Fernpunkt. Im ersten Falle wird es für die Ferne normalen Visus haben, im letzteren ca. Vio. Wird Leseprobe 0,3 nicht in 30 cm gelesen, sondern muß der Patient sie dem Auge bis auf 8 cm nähern, so hat er Myopie — 12 D. Der Visus würde in letzterem Falle mindestens 8/3o betragen, „mindestens", denn vielleicht lese er im Fernpunkt noch feineren Druck, wenn wir solche hätten. Aus technischen Gründen hat man von der Herstellung solcher Leseproben bisher Abstand genommen. Man beachte, daß der „Fernpunkt" also nicht immer in der Ferne, sondern 110 He ine, dem Auge auch recht nahe liegen kann. Auch kann der „Nahepunkt" gelegent- lich recht weit entfernt sein, z. B. bei einem 60jährigen Emmepen. Ferner ist stets zu berücksichtigen, daß Patienten, deren Sehschärfe aus irgend einem Grunde schlecht ist, ihre Sehbedingungen durch stärkere Annäherung der Sehproben zu bessern suchen und so eine höhere Myopie vortäuschen. Bei Kindern ist dies wegen der Leichtigkeit der Akkommodation besonders zu beachten. Es gehört also zur Diagnose Myopie — 6,0 D der Nachweis der relativ besten Sehschärfe für die Ferne mit Hilfe eben dieses Glases. Bei Kindern empfiehlt sich stets die Untersuchung mit und ohne Atropinanwendung. Vor einer beliebten Verwechselung von seiten des Anfängers sei hier noch ausdrücklich gewarnt, das ist die von Brechkraft und Sehschärfe. Direkt haben beide nichts mit einander zu tun. Bei der Bestimmung der Sehschärfe für die Ferne zogen wir ja allerdings aus der Höhe der Sehschärfe gewisse Schlüsse auf den Myopiegrad; über die Größe der Sehschärfe für Aufsuchung des Fernpunktes können wir aber schon allein aus dem Grunde nichts Bestimmtes sagen, weil uns nicht genügend feine Leseproben zur Verfügung stehen. Von den feinsten (für 0,3 m berechneten) erscheint dem Auge etwa in '/3 m jeder Buchstabe unter 5 Winkelminüten, bei größerer Annäherung stellen solche Lese- proben also zu geringe Anforderungen an die Sehschärfe des Auges. Die beiden geschilderten Methoden müssen bei einem und dem- selben Fall von Myopie nun aus physikalischen Gründen etwas ver- schiedene Resultate geben. Die Wirkung des korrigierenden Glases haben wir uns folgender- maßen vorzustellen: Parallele Lichtstrahlen werden durch die brechenden Medien x Fig. 78. Abbildung eines fernen Objektes in Zerstreuungskreiseu. Fig. 79. Scharfe Abbildung eines nahen Objektes. „Fernpunkt" des myopischen Auges. p.r. Fig. 80. Abbildung eines fernen Objektes bei Glaskorrektion, welche die parallelen Strahlen vor dem Eintritt ins Auge so zerstreut, als kämen sie aus dem „Fern- punkf. Funktionsprüfung. 111 ca. 24 mm hinter der Hornhaut, im langgebauten Auge also —• wie gesagt vor der Netzhaut vereinigt, in der Netzhaut demnach Licht- strahlen, die von einem in endlicher Entfernung gelegenen Punkte ausgehen, nämlich von dem Fernpunkt. Den parallelen Strahlen muß also das korrigierende Glas eine solche Divergenz geben, also ob sie aus dem Fernpunkt des Auges kämen. Dieser Anforderung entspricht ein Zerstreuungsglas, dessen Brennpunkt mit dem Fernpunkt des Auges zusammenfällt, denn nur dieses Glas gibt den parallelen Strahlen die gewünschte nötige Divergenz. p.r. p r. Fig. 81. Unterschied zwischen „wahrer Myopie" und „Glasmyopie". Es geht aus Fig. 81 deutlich hervor, daß das Glas um so stärker sein muß, daß seine Brennweite um so kürzer sein muß, je näher das Glas dem Fernpunkt liegt oder — was dasselbe bedeutet — je weiter es vom Auge entfernt ist. Könnten wir das Glas an die Stelle des Hauptpunktes (in der Vorderkammer) setzen, so könnte es schwächer sein als vor dem Auge, könnten wir es an die Stelle des Knotenpunktes (am hinteren Linsenpol) setzen, so dürfte es noch schwacher sein. Nun messen wir bei der Methode der Fernpunktsbestimmung gewöhnlich vom äußeren Lidwinkel an, da die Knotenpunkte beider Augen etwa auf der Verbindungslinie beider äußerer Lidwinkel liegen. Finden wir nun z. B. gemessen vom Knotenpuukt des Auges, Fernpunkts- abstand 12 cm, so entspricht das einer „wahren Myopie" von 8D; korrigiert würde eine solche Myopie aber durch ein Glas von — 8D nur, wenn wir es an Stelle des Knotenpunktes ins Auge hineinsetzen könnten; da das nicht möglich ist, wird man das Glas viel mehr vor das Auge bringen müssen, nehmen wir an 2 cm diesseits des Knotenpunktes, so muß es, wie die Fig. 81 zeigt, 10cmf=10D haben. Erst duich — 10,0 D vor das Auge gesetzt würde also eine Myopie von 8D vollkorrigiert werden. Trotzdem ist — 10 als das schwächste Glas zu bezeichnen. Bei der Hyperopie wären die Sachen umgekehrt, nur können wir hier den Fernpunkt nicht direkt in der Weise finden wie bei der Myopie, da er hinter dem Auge liegt. Wir würden sonst finden, daß ein wahrer Hyperope von 12—13 D korrigiert wird durch ein Glas von c -\- 10,0D, wenn es vor das Auge gesetzt wird i) i) Das vor das Auge gesetzte Glas muß also bei Hyperopie schwächer, bei Myopie stärker sein, als ein der „wahren" Refraktionsanomalie — d. h. einer vom Knotenpunkt aus gemessenen — entsprechendes, welches aber in das Auge 112 3 p.r. Fig. 82. Unterschied zwischen „wahrer Hyperopie" und „Glashyperopie". DasAkkommodations gebiet liegt bei nichtkorrigierten Myopen wesent- lich anders als bei Normalen. Ein Myop von 10 D besitzt im Alter von 20 Jahren noch 10 D Akkommodation. Sein Fernpunkt liegt 10 cm vor dem Auge, mit Hilfe seiner Akkommodation kann er einen Gegenstand soweit dem Auge nähern, wie ihm Myopie (10 D) plus Akkommodation (10 D) also im ganzen 20 D gestatten, d. h. bis auf 720 m = 5 cm. Zwischen 5 cm (Nahepunkt) und 10 cm (Fernpunkt) liegt sein Akkommodationsgebiet. Durch Emmetropisierung wird es an seine normale Stelle verlegt: der Fernpunkt in die Unendlichkeit, der Nahepunkt in 10 cm. Prognose: Der Verlauf der Myopie ist ein außerordentlich verschiedener, und man kann es einer Myopie nicht von vornherin an- sehen, ob sie gutartig oder maling werden wird. Stammt der Patient aus einer Myopenfamilie, zumal wenn hochgradige Kurzsichtigkeit in beiden Aszendenten vertreten ist, so nehme man auch geringe Grade zumal bei Kindern nicht leicht. Hat ein Kind von 10 D be- reits 10 D Myopie, so nimmt dieselbe etwa jährlich um 1 D zu, bei älteren Patienten langsamer, ebenso bei geringem Myopiegrade, noch schneller bei jugendlicherem Alter und höherer Myopie. Um das 20. Lebensjahr herum werden die meisten Myopien stationär, wenigstens die gutartigen, aber durchaus nicht alle! Die Vollkorrektion ist kein Allheilmittel, aber neben allen rationellen hygienischen Maßnahmen eines der besten Mittel, den Progreß der Myopie zu ver- hindern. Die sonstigen Gefahren, die die Myopie im Gefolge haben kann, sind die oben unter Anatomie schon erwähnten: Konus- bildung, Vitium maculae, Amotio retinae. Die Konus- bildung schädigt die Nervenfasern durch die Dehnung, die Dehiszenzen führen zu Verwachsungen zwischen Netzhaut und Aderhaut unter Vernichtung der Sinnesepithelien; sie finden sich bei den höchst- hineingesetzt werden müßte, denn die Brennweite des Korrektionsglases muß gleich sein der Entfernung seines Ortes vom Fernpunkt des Auges. Heine, Funktionsprüfung. 113 gradigen Myopien sehr häufig, scheinen aber sogar einen gewissen Schutz gegen Amotio zu gewähren, die sich häufiger bei den hohen, weniger häufig bei den höchsten Graden findet. Glaskörpertrübungen leiten die Amotio öfter ein, ebenso sog. Metamorphopsie, retinale Mikropsie und Makropsie. Sekundär bildet sich Katarakt und hintere Synechien aus, so daß das Auge nachher das Bild der „komplizierten Katarakte" bietet. Die Therapie besteht zunächst in der Verordnung eines richtigen Glases nach sorgfältiger objektiver und subjektiver Untersuchung ev. mit Atropinanwendung. Das Glas soll die Myopie möglichst vollkommen ausgleichen und möglichst immer für Ferne und Nähe getragen werden. Bei jugendlichen Personen mit guter Akkommodation läßt sich diese Forderung leicht erfüllen. Bei älteren Personen werden natür- lich für die Nähe schwächere Gläser zu verordnen sein. Die Angewöhnung an die vollkorrigierenden Gläser macht in der Jugend keine Schwierigkeiten, jenseits des 20. Jahres ist sie oft mühsam, da der Akkommodationsmuskel nicht geübt ist. Mit einiger Konsequenz erreicht man aber auch hier noch oft das Ziel; anderen- falls kann man auch allmählich zu höheren Gläsern übergehen. Zu beachten ist auch, ob nicht etwa die ungewohnte Akkommoda- tion der vollkorrigierten Myopen anfangs übermäßige Konvergenz veranlaßt. (Man prüft dies unter abwechselnder Verdeckung eines Auges bei Fixation in die Nähe.) Wo dies der Fall ist, muß man mit schwächeren Gläsern beginnen. Wie stark das Glas ist, darauf kommt es nicht wesentlich an. Auch stärkste Gläser werden oft ausgezeichnet vertragen und zwar um so leichter je frühzeitiger sie verordnet wurden. Damit darf sich die Therapie nun freilich nicht begnügen. Der Zweck der Gläser ist: 1. das Sehen für die Ferne zu normalisieren und 2. einen genügenden Arbeitsabstand d. h. 73 m zu ermöglichen. Besonders bei Kindern ist mit der Ermöglichung dieses Arbeits- abstandes oft noch nicht viel erreicht, man muß sie vielmehr dazu zwingen, diesen Abstand innezuhalten. Dieses erreicht man durch Kinnstützen (nach Sönnecken), durch Kopfhalter (nach Kall mann) u. a. Auch sollten die Myopen mittleren und höheren Grades, zumal die Kinder, in der Schule stets vorn sitzen, um immer vom Lehrer beaufsichtigt zu werden. Weite Halskragen und ganz im allgemeinen eine vernünftige Körperpflege, Turnen, Sportübungen sind nicht nur jedem Menschen zumal den wachsenden zu empfehlen, sondern ganz besonders den Myopen, denn man hat die Erfahrung gemacht, daß erschöpfende Krankheiten die Myopie ungünstig beeinflussen. Hygienisch konstruierte Schulbänke mit „negativer Distanz", guter Lehne (siehe hierüber die Lehrbücher der Hygiene), der Größe der Kinder entsprechend, und gute Beleuchtung sollten heutzutage Bedingungen sein, ohne die eine Schule nicht benutzt werden dürfte. Man begnüge sich keinesfalls mit einer einmaligen Untersuchung, sondern veranlasse Wiederholung derselben in Zeiträumen von höchstens einem Jahre. Nur so kann das Prinzip der Vollkorrektion der Myopie wirklich konsequent durchgeführt werden. 114 Heine, Schreitet die Myopie trotz aller hygienischer Maßnahmen fort, so scheue man sich nicht, das Kind auf V* Jahr ja auf 1 Jahr vom Schulbesuch fernzuhalten oder man lasse es nur dem Unterricht bei- wohnen und verbiete jede Beschäftigung in der Nähe. Dadurch kann man gelegentlich den Kindern ihr wichtigstes Sinnesorgan erhalten, man darf deshalb nicht auf Zeitersparnis allein Rücksicht nehmen. Bei Mädchen wird sich die Forderung der Schonung noch leichter durch- setzen lassen, weniger leicht aber die des Brillentragens. Betreffs der Verhältnisse der äußeren Augenmuskulatur ist noch einiges zu erwähnen, was im entgegengesetzten Sinne schon bei der Hyperopie angedeutet wurde, hier aber — der praktischen Wichtigkeit wegen — etwas genauer besprochen werden muß. Normaliter, bei Emmetropie sollen beide Augen bei einer Kon- vergenz auf V4 m 4D akkommodieren. Dank der „relativen Akkom- modationsbreite" können die Augen aber bei dieser festgehaltenen Konvergenz auch 2 D mehr oder 2 D weniger — also 2 oder 6 D akkommodieren. Entsprechend können wir bei festgehaltener Akkom- modation mehr oder weniger konvergieren. („Relative Fusionsbreite") Akkommodation und Konvergenz sind also innerhalb gewisser Grenzen voneinander zu lösen. Ein Myop von 4 D liest in 25 cm Entfernung akkommodations- los, er hat dann den physiologischen Zusammenhang zwischen Akkom- modation und Konvergenz so weit gelöst, wie dies irgend möglich ist. Teils durch diese willkürliche Unterdrückung der Akkommo- dation, als deren physiologische Begleiter wir Divergenzimpulse annehmen müssen, teils auch wohl durch die mechanischen Bedin- gungen, die durch die Größe und besondere Länge der Bulbi ge- schaffen werden, kommt es zu einer Neigung der Augenachse zur Divergenz. Diese bekämpfen wir zunächst dadurch, daß wir die natürlichen Beziehungen zwischen Konvergenz und Akkommodation durch Voll- korrektion wieder herzustellen suchen. Genügt das nicht, so können wir die prismatische Wirkung der Konkavgläser in folgender Weise ausnützen. Lassen wir den Patienten nicht durch die Mitte der Konkavgläser blicken, sondern durch die nasalen Gläser- hälften, so kommt die Abduktionswirkung der Gläser zur Geltung, d. h. bei einer gewissen Divergenzstellung der Augenachsen wird das Bild eines fernen Gegenstandes doch noch in der Fovea entworfen. Wir diszentrieren also die Brillengläser jederseits um 1—2 mm, so daß die Glasdistanz die Pupillendistanz um 2—4 mm über- trifft. Genügt auch das noch nicht, so können wir die Brillengläser mit Abduktions - Prisma (Basis nasal, brechende Kante temporal) kombinieren, oder schließlich die Tenotomie eines (oder selbst beider) Recti externi ausführen, noch besser wirkt die Vorlagerung des Rectus internus. Der Presbyopie der Myopen muß in derselben Weise Rech- nung getragen werden wie bei Emmetropen. Ein Myop von 6D er- hält demnach mit 45 Jahren für die Naharbeit etwa — 5 D, mit Anm. Analog kann man bei Hyperopie die -f Gläser bei Neigung der Augenachse zur pathologischen Konvergenz diszentrieren, denn die Adduktions- wirkung der nasalen Hälften der Konvexgläser erlaubt den Augen nun eine leichte Konvergenzstellung. Funktionsprüfung. 115 55 Jahren — 4 D, mit 60 Jahren — 3 D. Für die Ferne behält er sein vollkorrigierendes Glas bei. Schwache Myopen bedürfen im Alter der Konvexgläser für die Nähe, z. B. ein Myop von 1,0 D wird mit 50 Jahren -f 1,0, mit 60 Jahren -\- 2,0 D für die Nähe brauchen, usw. Operative Behandlung der Myopie. Die Indikationen zur opera- tiven Entfernung der klaren Linse aus dem Auge wurde eine Zeitlang recht weitherzig gestellt, von einer zu ausgedehnten Anwendung der Diszission mit sekundärer Extraktion oder der primären Linearextraktion muß jedoch entschieden gewarnt werden, wenn auch zugegeben werden muß, daß in bestimmten Fällen die Operation einen großen Segen darstellen kann. Bedingung ist zunächst, daß die Myopie größer als c 15 D ist, daß beider- seits im Fernpunkt noch feinste Druckschrift gelesen wird, daß keine größeren Gesichtsfeld defekte bestehen und endlich, daß die möglichst volle Korrektion durch Gläser keine genügenden Sehbedingungen schaffen kann. Je konsequenter man korrigiert und auf dem Tragen der Gläser besteht, um so seltener wird die Myopie- Operation gewünscht werden. Unter diesen Bedingungen ist es gestattet, ein Auge der Operation zu unterziehen. Handelt es sich um Einäugige, so wird nur ganz ausnahmsweise Operation zu empfehlen sein. Geht alles gut bei der Operation, so kann man eine Myopie von 17—18 D in Emmetropie überführen. Der Visus kann 1/z—3/4 des normalen erreichen, wenn auch 1/3 — 7« das häufigere sein wird. Für die Nähe benützen solche einseitig Aphakisierte ein Konvexglas von 3—4 D oder das andere Auge. Das aphakisch- emmetropische Auge ist ein außerordentlich einfaches optisches Instrument, in- dem es nur eine einzige Trennungsfläche besitzt, nämlich die Hornhautoberfläche, deren hinterer Brennpunkt zirka 30 mm zurück liegt. Hier befindet sich die Netz- haut, der Knotenpunkt liegt im Krümmungsmittelpunkt der Kornea, der Haupt- punkt in ihrem Scheitel. Meist wird man nach Entfernung der klaren Linse etwas Hyperopie oder geringe Rest-Myopie erhalten. Anisometropie. Verschiedene Brechkraft auf einem Auge. Anisometropie. Unter Anisometropie versteht man ungleiche Brechkraft beider Augen: Es kann demnach ein Auge normal, das andere kurzsichtig oder übersichtig sein, oder es sind beide ametropisch aber in verschiedenem Grade, oder endlich das eine ist übersichtig, das andere kurzsichtig. Es folgt daraus die allgemeine Regel, daß jedes Auge einzeln für sich untersucht werden muß unter vollständigem Abschluß des anderen Auges. Steckt man in das Brillengestell nur eine undurchsichtige Scheibe, so machen die Patienten gerne seitliche Kopfbewegungen und sehen an der Scheibe vorbei über ihren Nasenrücken hinweg. Beachtet man das nicht, so begeht man leicht Irrtümer. Man verschließt das eine Auge am besten mit einem Wattebausch und einer leichten Binde. Findet man auf einem Auge Emmetropie mit normaler Seh- schärfe, so wird man das andere bei höherer Hyperopie oder Myopie überhaupt nicht korrigieren, zumal wenn der Visus doch nicht nor- mal wird. Ist Ametropie mittleren oder schwächeren Grades vor- 116 Heine, handen, so wird man bedenken müssen, daß schon schwache Ame- tropien die Sehschärfe meist stark herabsetzen: dementsprechend den binokularen Sehakt (s. d.).. Legt man Wert darauf, diesen durch Herstellung normaler Sehbedingungen auf beiden Augen zu ermög- lichen, so muß man solche einseitigen Ametropen korrigieren. Bei Medizinern und naturwissenschaftlich Arbeitenden sollte man stets diesen Versuch machen. Es kann sich nur um einen Versuch handeln, denn ältere Anisometropen vertragen öfters die Korrektion einseitiger Ametropien nicht; wenn auch nach Nagel die Bildgrößen in solchen Fällen nicht wesentlich verschieden sind, so sind doch die Seh- bedingungen verschiedene, jedenfalls ungewohnte und es ist nicht von vornherein zu sagen, ob Gewöhnung eintritt. Ähnlich verhält es sich mit der oben zuletzt aufgeführten Gruppe der einerseits Hyperopischen, andererseits Myopischen. Unser Be- streben geht in allen Fällen von Anisometropie solcher Art auf volle Korrektion, wenn die Sehschärfe jederseits angenähert normal wird. Bleibt ein Auge wesentlich zurück, so muß man vielfach auf dieses überhaupt verzichten. Handelt es sich um Myopie beider Augen, oder um doppelseitige Hyper- opien, ist jedoch die Ametropie auf beiden Augen verschieden hochgradig, so kommt es ganz auf die Größe der Differenz an. Haben wir z. B. R — 3,0 D L — 3,5 D gefunden, so wird entweder diese Korrektion beim freien Sehen mit beiden Augen gut vertragen und gelangt dann zur Verordnung; oder es wird beiderseits —3,25 D als „angenehmer" empfunden, oder aber es ist beiderseits —3,0 am angenehmsten. Wir sind in diesen Fällen auf das Probieren angewiesen. Beträgt die Differenz 1 D, also z. B. —3,0 D und —4,0 D, so probieren wir in derselben Reihenfolge zunächst volle anisometropische Korrektion, so dann mittlere Korrektion z. B. — 3,25 und —3,75 oder beiderseits —3,5 D, endlich einseitige Unterkorrektion. Übersteigt die Differenz 1 D, so wird auch leichter Überkorrektion eines Auges meist nicht mehr vertragen, dann wird man meistens das schwächer ametropische Auge voll, das andere entweder auch voll oder — wenn das unangenehm emp- funden wird, mehr oder weniger unterkorrigieren; oft wird dann das Glas des anderen Auges auch für das stärker ametropische Auge als das angenehmste be- zeichnet. Alle diese Überlegungen basieren auf der klinischen Erfahrungstatsache, daß eine ungleiche Akkommodation beider Augen, welche die Anisometropie ganz oder zum Teil ausgleiche, nicht existiert. Die nach den oben gegebenen Ratschlägen verordneten Gläser werden fast ausnahmslos auch für die Nähe vertragen. Daß dabei der Presbyopie auf beiden Augen in gleicher Weise Rechnung ge- tragen werden muß, ist selbstverständlich, doch wird man mit an- isometropischer Korrektion bei Presbyopen nicht mehr viel Glück haben. Je eher die Anisometropien korrigiert werden, um so leichter wird die volle Korrektion vertragen. Kinder machen bei alledem selten Schwierigkeiten. Verschiedene Brechkraft auf einem Auge. Verschiedene Brechungsverhältnisse können wir auch auf einem Auge neben- einander finden: Ein typisches Krankheitsbild ist die, meist doppelseitige, angeborene Linsenluxation nach oben (Ectopia lentis cong.). In solchen Fällen kann der untere Teil der Pupille völlig aphakisch werden, so daß eine hochgradige Hyperopie von c 4- 10 D entsteht. Der obere Teil der Pupille ist durch die untere Linsenhälfte gedeckt; da deren Aufhängeband aber nur ganz rudimentär entwickelt ist, unten meist ganz fehlt, so fällt auch die abplattende Wirkung der Zonula auf die Funktionsprüfung. 117 Linse fort, diese wölbt sich wie bei der Akkommodation und gibt dem Auge eine dem Alter des Patienten entsprechende Linsenwölbungsmyopie. Im Alter von 10 Jahren würde diese also c — 15 D betragen. Ein solches Auge würde also eine einseitige Refraktionsdifferenz von 25 D zeigen und sowohl mit — 15 D als mit -f 10,0 D relativ beste Sehschärfe haben. Die letztere wird gewöhnlich besser vertragen als die erstere, natürlich kann man nur eine Korrektion anwenden. Verdeckt die Linse die Pupille zum größten Teil, so muß sie eventuell entfernt werden. Diese Operationen sind sehr verantwortlich und technisch schwierig. Der Strahlenverlauf in solchen Augen ist aus beistehender Figur ersichtlich. Die Figur zeigt auch, daß in solchen Fällen monokulare Diplopie zustande kommt, dementsprechend sieht man mit dem Augenspiegel zwei Papillen, eine kleinere durch den linsenhaltigen, eine größere durch den aphakischen Teil der Pupille. Fig. 83. Strahlenverlauf bei Ektopia lentis. Fig. 84. Strahlenverlauf bei Aplanatio corneae. Auch auf andere Weise können ähnliche dioptrische Bedingungen entstehen: Befindet sich eine größere Fazette (Delle) im Zentrum der Kornea, so ist hier die Refraktion hochgradig hyperopisch, in der Peripherie der Kornea kann sie da- gegen myopisch sein. Die Figur 84 zeigt den Strahlengang. Astigmatismus. Unter Astigmatismus verstehen wir „Brennpunktslosigkeit", als Gegensatz zur Sphärizität. Eine sphärisch gewölbte Fläche, die, wie ihr Name sagt, den Abschnitt einer Kugeloberfläche darstellt, ver- einigt die Lichtstrahlen — wie oben näher ausgeführt wurde — von der Aberration abgesehen, in einem Punkte, nicht so eine astigma- tische Fläche. Ist diese Begriffsbestimmung zunächst auch nur eine negative, so werden wir sofort sehen, daß wir für die eine Form des Astigmatismus, nämlich den irregulären überhaupt keine bessere geben können, für den zweiten dagegen — den regulären — sehr wohl den Strahlenverlauf genauer werden bestimmen können. 1. Der irreguläre Astigmatismus. Beim irregulären Astig- matismus der Hornhaut ist die Oberfläche in jedem einzelnen Lehrbuch der Augenheilkunde. 8 118 Heine, Meridian so unregelmäßig gewölbt, daß wir nicht einen gemeinsamen Radius finden können. Zeigt sie auch im ganzen eine Konvexität, so ist doch die Wölbung an den verschiedenen Stellen so verschieden, daß von einer Lichtstrahlenvereinigung nicht die Rede sein kann, die Fläche hat in jedem Meridian viele Krümmungsradien. Der irreguläre Astigmatismus des Auges ist fast immer bedingt durch die Kornea; so sind es Infiltrationen und Ulzerationen meist skrofulöser Natur gewesen, die je nach der Tiefe, in die sie vor- gedrungen sind, Leukome, Makeln, Nubekeln oder nur irregulär astigmatische Brechungsverhältnisse hinterlassen. Lassen diese Narben- bildungen die Mitte der Hornhaut frei, so stören sie das Sehen nicht, betreffen sie nur das Zentrum bei freier Hornhautperipherie, so sind sie therapeutisch nicht absolut unzugänglich. Weniger häufig ist der irreguläre Astigmatismus durch die Linse (Katarakt) und zwar durch Linsenkernsklerose bedingt. Die Diagnose stellt man demnach — objektiv durch seitliche Beleuchtung und Augenspiegeluntersuchung sowie mit Hilfe des Kera- toskops — subjektiv dadurch, daß kein sphärisches und wie wir so- gleich sehen werden, kein zylindrisches Glas das Sehen bessert. „Gl. b. n." (Gläser bessern nicht). Die Therapie muß daher von einer Korrektion durch Gläser Abstand nehmen. Auch Kontaktgläser, Wasserkammerbrillen und andere haben sich keinen Eingang verschaffen können. Haben wir Hoffnung, die Trübungen noch mehr aufzuhellen, so werden wir Massagekuren mit gelber Hg-Salbe von 5—10% zu machen haben. Diese müssen allerdings monatelang fortgesetzt werden. Ist dies erfolglos und beschränken sich die astigmatischen Brechungsverhältnisse auf die Mitte der Kornea, so können wir eventuell durch optische Iridektomie und Tätowage der irregulären Bezirke das Sehen bessern. Vorbedingung ist, daß bei weiter Pupille (Atropin) mit stenopäischem Loch das Sehen wesentlich gebessert wird. Die Prognose hängt ganz von der Intensität ab, die die Irre- gularität hervorgerufen hat. Ist der Zustand jahrelang stationär, so werden wir ihn wenig beeinflussen; frische, auch höchstgradige, skrofulöse Infiltrationen gehen oft fast restlos zurück, so daß das Auge wieder auf fast normale Sehschärfe kommt. Selbst nach zen- tral gelegenem Ulcus serpens eile man mit der optischen Iridektomie nicht. Auch ein Leukom verwandelt sich nach einigen Monaten oft noch in ein Nubekel oder verschwindet ganz. Andere Fälle verhalten sich freilich außer- ordentlich torpid und es bleibt bei ihnen nur noch qualitatives Sehen (hell und dunkel) zurück. 2. Der reguläre Astigmatismus. Unter „regulärem Astigmatismus" verstehen wir dem- gegenüber etwas wesentlich anderes. Physikalisch ist das einfachste reguläre astig- matische System gegeben durch den Abschnitt einer Zylinderoberfläche. Schneiden wir von einem hohlen Glas- zylinder (s. Fig. 85) durch die Ebenen ab cd parallel zur Zylinderachse einen Oberflächenteil ab, so haben wir eine zylindrisch gewölbte Trennungsfläche, war der Zylinder Fig. 85. Funktionsprüfung. 119 solid, z. B. aus Glas (eine Walze), so erhalten wir eine einfachste konvexe Zylinderlinse. Der Strahlenverlauf ergibt sich aus Fig. 86. Legen wir durch die „Achse" des Zylinders, deren Lage aus der Figur er- sichtlich ist, irgend eine Ebene, so schneidet diese die Zylinderoberfläche in einer zur Achse parallelen Linie senkrecht. Sämtliche auf die Zylinderoberfläche senk- recht auffallenden Strahlen gehen ungebrochen weiter. Das rote Bündel paralleler Strahlen liegt etwa in der Ebene des Papiers (untere etwas diesseits, obere etwas jenseits derselben). Das grau schraffierte Bündel liegt in einer Ebene senkrecht zu jener, die starke Linie diesseits, die schwache jenseits, also auch senkrecht zur Achse. Alle innerhalb dieser Ebene unter sich parallelen Lichtstrahlen werden nach dem diesem Meridian zugehörigen Brennpunkt konvergent gemacht (dieser Brenn- punkt liegt in der doppelten Entfernung des Krümmungsradius = Zylinderdurch- messer). Fig. 86. Denken wir uns zu dieser grau schraffierten Ebene Parallelebenen über- einander geschichtet, so wird jedes, innerhalb einer jeden Ebene parallel auf- fallende Strahlenbündel je in einem Punkt vereinigt. Diese Punkte bilden zu- sammen eine der Achse parallele Linie: die Brennlinie. Die Gesamtheit der parallel (aus der Unendlichkeit) auf eine Zylinderlinse auffallenden Lichtstrahlen wird also in einer Linie vereinigt, eben dieser Brennlinie. Von einem Brenn- punkt dürfen wir hier nur in bezug auf einen Meridian reden. Der Brennpunkt des durch die roten Strahlen markierten Meridians liegt in der Unendlichkeit, d.h. der Meridian hat unendlich großen Radius, er selbst wird also durch eine gerade Linie dargestellt, die roten Strahlen fallen senkrecht auf und gehen un- gebrochen durch. Die zylindrische brechende Fläche hat also einen Meridian geringster Wölbung (R = oo), dieser Meridian läuft der Zylinderachse parallel, und ein Meridian stärkster Wölbung, dieser schneidet den obigen senkrecht. Lassen wir durch einen stenopäischen Spalt den zweiten Meridian allein zur Wirkung kommen, so erhalten wir scharfe Bilder, lassen wir den ersten allein zur Geltung gelangen, so erhalten wir keine Lichtbrechung. Ein wenig komplizierter gestalten sich die Verhältnisse, wenn wir nicht nur einem, sondern beiden Meridianen eine gewisse aber verschiedene Wölbung 120 Heine, geben. Der rote Meridian sei jetzt nicht mehr durch eine gerade Linie, sondern durch einen schwach gewölbten Kreisbogen dargestellt. Der senkrecht dazu liegende Meridian habe — wie vorher — die stärkste Wölbung. Die roten Strahlen werden weiter rückwärts, die in der grau schraffierten Ebene ge- legenen schon weiter vorn punktförmig vereinigt: wir können also jetzt von einem hinteren Brennpunkt reden, der zum schwächer brechenden Meridian ge- hört und von einem vorderen Brennpunkt, der zum stärker brechenden Meridian ge- hört. Aus einem aus der Unendlichkeit kommenden Strahlenbündel haben wir hier zwei Ebenen herausgeschnitten: die Ebene der rot gezeichneten Strahlen schwächster Brechung und die Ebene der grau schraffierten Strahlen stärkster Brechung. Lassen wir nun sämtliche Strahlen eines Bündels auf die Vorderfläche eines solchen astigmatischen Systems auffallen, so erhalten wir hinter der brechen- den Fläche, wenn der vertikale Meridian der stärker brechende ist, zunächst liegende Ellipsen, dann die vordere (horizontale) Brennlinie, dann wieder liegende Ellipsen, dann den Brennkreis, danach stehende Ellipsen, schließlich die hintere (vertikale) ßrennlinie, endlich wieder stehende Ellipsen. Eine regulär astigmatisch gewölbte Fläche erhalten wir, wenn wir von einem eiförmigen Körper (genauer gesagt von einem Ellipsoid) durch eine Ebene seitlich (nicht in den Polen) eine Kalotte abschneiden. Wir können diese Fläche uns auch in der Weise entstanden denken, daß wir eine sphärisch gewölbte Fläche in einem Durchmesser etwas zusammenbiegen, dann verliert sie in dem dazu senkrechten Durchmesser entsprechend an Wölbung. Fig. 87. Schwarz: Die am stärksten gebrochenen Lichtstrahlen. Rot: Die am schwächsten gebrochenen Lichtstrahlen. Grün: Die Strahlen mittlerer Brechung. Übertragen wir das über regulär-astigmatische Brechung Erörterte auf das menschliche Auge, so zeigte sich zunächst, daß auch das „normale" Auge eine etwas stärkere Wölbung des senkrechten Horn- hautmeridians gegenüber dem wagrechten zeigt. Der Krümmungs- radius des senkrechten Meridians ist in der Regel um Vi2 mm kleiner als der des wagrechten, was einer Refraktionsdifferenz von ca. 1h D. entspricht. 1 mm Radius = 6 D. Dieses Verhalten nennt man die „physiologische Regel" und erklärt sie aus dem Druck der Lider, der den senkrechten Meridian etwas zusammendrückt, den wagrechten daher etwas abflachen soll. Beim beständigen Zukneifen der Lider (Blinzeln unkorrigierter Myopen) kann dieser Astigmatismus wesent- lich zunehmen. Je nach der Achsenlänge des Auges kann nun eine astigmatisch gewölbte Kornea verschiedene Formen der astigmatischen Refraktion bedingen. Zunächst ist zu bemerken, daß meistens der Funktionsprüfung. 121 vertikale Meridian auch bei höherem Astigmatismus der stärkere gewölbte ist. Wir nennen diese Formen daher „A. nach der Regel". Ist es umgekehrt, so reden wir von A. „gegen die Regel". Fällt beim A nach der Kegel die vordere (jetzt also horizontale) Brennlinie in die Retina, so liegt die hintere (vertikale) hinter dem Auge: Astigmatismus hyperop. horiz. spl. Fällt die hintere Brennlinie in die Retina, so liegt die vordere diesseits, wir haben dann eine Astig. myop. vert. spl. Liegt die Retina zwischen beiden Brennlinien, so haben wir einen Ast. mixtus n. d. R. (ver- tikale Myopie, horizontale Hyperopie). Beim Astigmatismus gegen die Regel kann die Retina mit der vorderen senkrechten Brennlinie zusammenfallen (Ast. hyperop. vertic. spl.) oder mit der hinteren wagrechten (Ast. myop, horiz. spl.), oder zwischen beiden (Ast. mixt, gegen die Regel). Nun brauchen die Meridiane stärkster und schwächster Wölbung nicht immer senkrecht und wagrecht zu stehen, sie können vielmehr 5, 10, 20 usw. Grade gegen die Vertikale gedreht sein, meist sind sie es dann auf beiden Augen im symmetrischen Sinne (seltener parallel), in sehr seltenen Fällen endlich sind sie genau um 45° ge- dreht, so daß man den Astigmatismus weder „nach der Regel" noch „gegen die Regel" nennen kann. Stets stehen aber die Meridiane der stärksten und die der schwächsten Brechung eines Auges senkrecht aufeinander. E Hat das Auge einen Astigmatismus hyp. von 4 D. -f- + 4 so kann sich durch -f- 4,0 D. sphärische Akkommodation dieser — 4 Astigmatismus in einen vertikalen myopischen gleichen Grades E -\-, durch eine Akkommodation von 2 D. in einen Astigmatismus mixtus — 2 von -j- + 2 verwandeln. Eine astigmatische Akkommodation scheint praktisch — etwa zur Selbstkorrektion des Astigmatismus — kaum vorzukommen. Fig. 88. Von einer Strahlenfigur (Fig. 88) erscheint demnach dem vertikal- myopischen Auge der vertikale Strich scharf, alle übrigen verwaschen, am meisten der horizontale. umgekehrt dem horizontal-hyperopischen 8* 122 Heine, Auge, wenn es in Akkommodationsruhe ist, alle Striche gleichmäßig verwaschen erscheinen im Auge mit Astigmatismus mixtus. Die Klagen der Astigmatiker bestehen darin, daß das Sehen sowohl für die Ferne wie für die Nähe schlecht ist, ersteres noch besonders bei myopischem, letzteres bei hyperopischem Astigmatis- mus. Die geringsten Beschwerden macht der A. mixtus. Bei ihm sind von fernen Gegenständen die Netzhautbilder in gleichem Maße in den horizontalen wie in den vertikalen Konturen verwaschen und dadurch leidet die Erkennbarkeit der Objekte am wenigsten. Diese wichtige Tatsache kann man sich selbst gut auf folgende einfache Weise vor Augen führen. Wer ein normales Auge hat, macht sich im horizontalen Meridian um 4 D. hyperopisch, indem er sich ein Cyl. — 4,0 D. Axe I vor das Auge setzt. Der vertikale Meridian wird dadurch nicht geändert, der horizontale erhält die gewünschte Hyperopie. Alle horizontalen Konturen erscheinen scharf, alle verti- kalen verwaschen. Die Lesbarkeit der Buchstaben ist schon für die Ferne erheblich gestört. Verwandeln wir jetzt den hyperopischen Astigmatismus in einen mixtus, indem wir 2 D. akkommodieren oder diese Akkommodation durch Versetzen von -4- 2,0 D. ersetzen, so ist die Erkennbarkeit der Buchstaben weit weniger gestört. Entsprechend kann ein vertikaler myopischer Astigmatismus von — 4 D. durch — 2,0 D sph. in einen Astigmatismus mixtus ver- wandelt werden. Weitere Klagen der Astigmatiker sind oft Kopfweh und Schwindel mit Steigerung bis zur Migräne. Es mag dahingestellt bleiben, ob dieser durch ungleichmäßige Kontraktionen des Ziliarmuskels ausgelöst wird. Jedenfalls ist Grund genug vorhanden, in allen solchen Fällen eine sachgemäße Augenuntersuchung vorzunehmen. Die Ursachen des Astigmatismus sind meist angeborene Wöl- bungsanomalien der Kornea. Solche sind als stationäre Zustände anzusehen, insofern sie sich nicht mit sphärischer Myopie kom- binieren. Aber auch vorübergehende Astigmatismen kennen wir als Be- gleiterscheinungen partieller Aufquellungen der Kornea, z. B. Keratitis parench., nach perforierenden Verletzungen u. dgl. Nach jeder Star- operation erhalten wir einen Astigmatismus gegen die Regel, der sich gewöhnlich innerhalb einiger Monate von selbst wieder ausgleicht. Selten liegen die Ursachen in der Linse, dann linden wir gelegentlich einen Astigmatismus gegen die Regel, z. B. bei be- ginnender Kataraktbildung. Die Diagnose des Astigmatismus darf keineswegs nur auf subjektivem Wege geschehen. Ausschlaggebend ist hier aufrechtes Bild, Skiaskopie, Ophthalmometrie (s. objektive Untersuchungen). Die Schwierigkeit ja fast Unmöglichkeit der rein subjektiven Diagnose geht aus den obigen Darlegungen ja ohne weiteres hervor, da sich ein hyperopischer Astigmatismus durch Akkommodation sowohl in einen mixtus wie in einen myopicus verwandeln und sogar noch mit Akkommodationsmyopie kombinieren kann. Dies ist sogar sehr häufig der Fall. Von der allein subjektiven Methode soll daher grundsätzlich Abstand genommen werden. Über die Prognose ist wenig hinzuzufügen. Das wesentliche ist unter den Ursachen erwähnt. Fnnktionsprüfung. 123 Einfache myopische und hyperopische Astigmatismen sind meist als stationär anzusehen, verändern sich nur scheinbar durch Akkommo- dation, ähnlich wie die Hyperopie. Sorgfältige Beachtung beansprucht der die progressive Myopie begleitende Astigmatismus, indem er die Sehbedingungen der Myopen verschlechtert und so ungünstig auf den Verlauf der Myopie einwirken kann. Er kann auch selbst eine gewisse Zunahme oder Abnahme zeigen und muß deshalb gelegentlich neu korrigiert werden. Die Therapie besteht in Gläserkorrektion. Wie die Myopie durch Minusgläser, so wird der myopische Astig- matismus durch Minuszylinder korrigiert, deren Achse in der Richtung des normalen Meridians liegt, denn dieser soll durch das Glas nicht beeinflußt werden; dieser Bedingung entspricht der der Achse parallele Meridian. Die zu starke Brechung des vertikalen Meridians soll ver- mindert werden, dieser Forderung entspricht der zur Achse senkrecht konkav gewölbte Meridian. Die Prinzipien der Gläserkorrektion des Astigmatismus sind dieselben wie bei sphärischen Brechungs-Anomalien: bei Myopie schwächstes, bei Hyperopie stärkstes Glas (s. oben). — 3 Ein Patient mit -4- E würde also für die Ferne durch Cyl. — 3 -*■ korrigiert sein, braucht er als Presbyop in den 50er Jahren -\- 3,0 D. sph. dazu,1 so kann man ihm statt dessen den einfachen Cyl. -4- 3,0 i allein vorschreiben. Anhang: Die Prüfung der Sehschärfe, Refraktion und Akkommodation wurde früher vielfach mit sogenannten Optometern vorgenommen. Optometer sind Instrumente zur subjektiven Bestimmung der Refraktion des Auges. Wir sind dabei also auf Angaben des Patienten angewiesen. Da wir heutzutage über genügend objektive Methoden verfügen, so sind die Opto- meter sehr außer Gebrauch gekommen. Aus dem großen Heer der Instrumente seien deshalb nur einige Typen erwähnt: 1. Optometer, die auf dem Seh einer sehen Versuch beruhen. Durch eine doppelte Pupille sieht das Auge nur alles das einfach, worauf es scharf eingestellt ist, alles andere doppelt. Den Strahlenverlauf zeigt die Figur. Befestigen wir dicht unter dem Auge einen nach vorn in den Raum hineinreichenden Streifen Pa- pier, ziehen wir auf diesem Papier einen sagittal verlaufenden Strich, und setzen wir unmittelbar vor das gg Dpr gcheinersche Versuch. normale Auge eine Konvexhnse von -j- 10,0 D mit einem doppelten steno- päischen Loch oder Spalt, so sieht das Auge 2 Striche, die sich in 10 cm Ent- fernung — dem „künstlichen Fernpunkt" — kreuzen. Liegt der Kreuzungspunkt diesseits, so ist das Auge myopisch, liegt er jenseits, so ist es hyperopisch. 124 Heine, Eine Skala gestattet die Refraktion abzulesen, Akkommodation kann leicht Myopie vortäuschen. 2. Leseprobenoptometer. Am Ende eines Tubus befindet sich eine Leseprobe, die das zu untersuchende Auge im durchfallenden Licht (auf Matt- glas) mit einer Linse von beispielsweise 4- 10,0 D. betrachtet; erscheint sie noch in 10 cm Entfernung (graduierte Skala) deutlich, so besteht Emmetropie, muß sie genähert werden, Myopie, kann sie weiter entfernt werden, Hyperopie. Bei allen diesen nach dem Schein er sehen Prinzip und dem Prinzip der Leseprobenoptometer konstruierten Apparaten müssen wir also den fernsten Punkt suchen, in dem die Leseprobe noch deutlieh erscheint, oder in dem sich die Linien kreuzen; wir müssen das Instrument möglichst „ausschrauben". Gleichwohl steht der zu Unter- suchende unter der Vorstellung, daß sich das Objekt in der Nähe befindet und zeigt oft Neigung zu Akkommo- dation, so daß wir bei Optometer- untersuchung weit mehr Myopie fin- den. Bei Schuluntersuchungen ist dies nicht ohne Bedenken. Mit den Optometern können wir nun auch die Akkommoda- tionsbreite untersuchen, indem wir das Instrument möglichst „ein- schrauben", und so den „künstlichen Nahepunkt" finden, doch hat diese Methode keine Vorteile gegenüber der oben gegebenen. 3. Die Farbenoptometer beruhen darauf, daß blaues Licht im Auge stärker gebrochen wird als rotes. Lassen wir das Auge durch ein Kobaltglas, welches nur rote und blaue Strahlen passieren läßt, nach einem fernen elektrischen Glühfaden blicken, so sieht ihn ein normales Auge violett, ein kurzsichtiges rot mit blauen Rändern, ein übersichtiges blau mit roten Rändern. Die Methode eignet sich gut, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein Auge voll oder unter- korrigiert ist. Ein Myop, dem mit seinem Glase der Faden wie bei 1 erscheint, ist schon etwas übersichtig, also überkorrigiert, sieht er ihn wie bei 2, so ist er noch etwas kurzsichtig, also unterkorrigiert. Fig. 90. Farbenoptometer. Bedeutung der Anamnese für die Beurteilung von Sehstörungen, Perimetrie oder Gesiehtsfeldmessung. Hat die objektive Untersuchung normale Verhältnisse er- geben, zeigt die subjektive der Sehschärfenbestimmung aber nicht das Erwartete, so wird in den meisten Fällen die Perimetrie den Aufschluß geben. Aber auch das Umgekehrte muß hier erwähnt werden: Hat die objektive Untersuchung des Augengrundes irgendwelche patho- logische Verhältnisse erkennen lassen, so braucht doch die Sehschärfe keineswegs immer gestört zu sein. In vielen Fällen werden wir dann allerdings typische Gesichts- feldanomalien finden, aber auch die können — trotz pathologischen Augenspiegelbefundes — gelegentlich fehlen. Diese Verhältnisse behalte man immer im Auge und wider- stehe der Versuchung, aus dem objektiven Befund ohne weiteres bindende Schlüsse auf die zu erwartende Sehleistung des Auges zu ziehen. Daß wir unter Berücksichtigung und Vergleichung aller Ergeb- Funktionsprüfung. 125 nisse der objektiven und subjektiven Methode und unter Bewertung der Anamnese schließlich doch ein Auge „abschätzen" können, ist allerdings zuzugeben und versetzt uns den Begutachtungspatienten gegenüber in eine angenehme Lage, wie das sonst nicht oft der Fall ist. Einige Beispiele mögen das Gesagte erläutern. Hat die Augenspiegeluntersuchung eine typisch doppelseitige Stau- ungspapille ergeben, ohne daß eine Verwechselung mit Pseudoneuritis opt. cong. möglich ist, so können wir trotzdem normale Sehschärfe und freies Gesichts- feld finden. Die Anamnese wird freilich meist „Verdunkelungen" und dergleichen ergeben, aber auch diese können noch fehlen. Manche Stauungspapille wird entdeckt, ohne Sehstörungen gemacht zu haben. Temporale Abblassung, einseitig bei multipler Sklerose, auch doppel- seitig bei Intoxikationen kann mit Sicherheit pathologisch sein, ohne Sehstörungen zu bedingen. Anamnestisch kann Nebelsehen angegeben werden, braucht es aber nicht. Hochgradige Chorioretinitid e n brauchen, wenn sie die Macula frei- lassen, den Visus nicht zu schädigen und können das Gesichtsfeld — zumal die Außengrenze — ziemlich normal lassen. Anamnestisch wird allerdings oft über Flimmern geklagt werden. Ist bei objektiv normalem Befund die Sehschärfe nicht normal. besteht also eine eigentliche „Sehschwäche" (Amblyopie), so ergibt auch hier die Anamnese oft wertvolle Fingerzeige: Hat das Auge immer schlecht gesehen, in der Jugend vielleicht zeitweise ge- schielt, so liegt angeborene Schwachsichtigkeit vor. Finden wir hierbei meist typische Gesichtsfeldanomalien. so gibt uns einerseits die Anamnese einen Fingerzeig, worauf wir bei der Perimetrie zu achten haben, andererseits gibt es aber auch Seh- störungen, die, ohne daß s tan d ige Gesichtsfeldanomalien vorhanden sein müssen, durch die Anamnese mit Sicherheit erkannt werden können (Flimmerskotom). .Man befragt also den Kranken vor der Gesichtsfeldmessung noch ganz besonders über die Art seiner Sehstörungen und zwar befrage man ihn methodisch. Die verschiedenen Beschwerden sollen kurz besprochen werden: Blendung ist eine häufige Angabe, aus der man meist wenig schließen kann; über sie wird geklagt bei äußeren Augenkrankheiten sowohl wie bei Affektionen der brechenden Medien und endlich auch der optischen Bahnen. Vielfach wird Blendung von dem Patienten verwechselt mit Nebelsehen. Auch dies kann seine Ursache in Trübung der brechenden Medien (Kornea, Linse, Glaskörper) haben; feiner in Erkrankung der Retina und des Optikus (meist Retinitis und Neuritis optica). Schattensehen finden wir bei Trübungen der Kornea und Linse seltener als bei denen des Glaskörpers, weil letztere wechselnde Stellen der Retina beschatten und so viel auffälliger werden. Einen Schleier oder Vorhang sehen Patienten mit Glaskörpertrübungen und besonders mit Netzhautablösung. Flimmern ist seltener bedingt durch äußere, entzündliche Augenaffek- tionen, meist handelt es sich um entzündliche Erkrankungen der Retina oder Chorioidea, um mechanische Reizungen bei Vitium maculae bei Myopie und bei Amotio retinae. Auch als Blitze werden solche subjektiven Lichterscheinungen beschrieben. Blitze, begleitet von leichten oder stärkeren Verdunkelungen. Ver- schleierungen oder Regenbogensehen mit halbseitigen Kopfschmerzen deuten auf Glaukom (die Blitze entstehen durch den als Reizung wirkenden Arterien- 126 Heine, puls). Flimmern meist halbseitig — von den Patienten oft fälschlich als ein- seitig bezeichnet - mit nachträglichen Verdunkelungen und halbseitigen Kopt- schmerzen - meist der gegenüberliegenden Kopfhälfte-deuten auf Flimmerskotom (Migraine ophtalmique). Verzerrtsehen erklärt sich fast stets durch Retinitis und Amotio ret., durch Verlagerung der retinalen Elemente. Kleinersehen und Grüß ersehe n (Mikro- und Makropsie) kann denselben Grund haben wie das Verzerrtsehen, kann aber auch durch Störungen im Akkommo- dationsapparate oder durch Insuffizienzen der äußeren Augenmuskeln bedingt sein. Schließlich ist es gelegentlich funktionelles Symptom bei Neurasthenie und Erschöpfungszuständen sowie Fieber. Verdunkelungen („schwarz vor den Augen") finden wir als Hirndrucksym- ptom bei Tumor und Lues cerebri, als Intoxikationssymptom bei Nephritis, Diabetes, ferner bei Arteriosklerose besonders des Gehirns, aber auch einseitig bei Blut- gefäßerkrankungen des Auges (arterielle oder venöse Thrombose einleitend). Erblindungen1), ganz plötzliche einseitige, deuten auf Gefäß- verschluß der Netzhaut, nicht ganz so plötzlich, aber auch akut können sie ent- stehen durch retrobulbäre Neuritis opt., multiple Sklerose, funktionell sind sie bei Hysterie event. nach Trauma (am Erhaltensein der Pupillarreaktion leicht zu erkennen); allmählich entwickelt sich eine Erblindung aus den verschie- densten Ursachen in der optischen Leitungsbahn peripher vom Chiasma. Plötzliche doppelseitige Erblindungen sind sehr seltene Vor- kommnisse: Doppelseitige Hemianopsie, wovon die eine vorher schon bestanden haben aber latent geblieben sein kann. Doppelseitiger peripherer Gefäßverschluß. Allmählich entstandene doppelseitige Erblindung finden wir am häufigsten bei der Tabes, wo der Degenerationsprozeß außerordentlich lang- sam verläuft, ferner bei Lues basilaris und Atrophia opt. aus verschiedenen Ursachen. Sehstörungen besonders in der Dämmerung finden wir meist bei Adaptationsstörungen: Amotio ret., Chorioretinitis atrophicans, Retinitis pigm. (Ringskotom!) hochgradige Myopie, allgemeine Ernährungsstörungen. Besseres Sehen in der Dämmerung (bei Störungen am Tage) haben die total Farbenblinden und Patienten mit zentral sitzenden Trübungen der brechen- den Medien (s. u.). Doppeltsehen ist meist binokulares Symptom, bedingt durch Augen- muskellähmungen (s. u.), kann aber auch bei Verschluß eines Auges bestehen bleiben und ist dann durch Anomalien der brechenden Medien oder durch Hysterie bedingt. Eine doppelte Pupille macht nur bei unscharfer Einstellung Diplopie (s. Optometer). Störungen des Sehens nur für die Nähe („Asthenopie") klagen Patienten mit hyperopischer Refraktion, besonders Presbyopen, ferner Astigmatiker und solche mit Akkommodationslähmung (s. o.) und Insuffizienzen (s. u.), schließ- lich auch Nervöse. Leichte Ermüdbarkeit beim Lesen deutet auf ähnliche Zustände wie die soeben genannten, ferner auf die als Copiopia hysterica und Dyslexie be- schriebenen Krankheitsbilder. Störungen des Lesens findet sich ferner bei den verschiedenen Formen der Alexie und bei (besonders rechtsseitigen) Hemianopsien. ') Eine vollständige Erblindung (beliebiger Ursache) bei der jede Licht- empfindung erloschen ist, wird auch Amaurose genannt. Im praktischen Leben dagegen wird als „blind" bereits jeder Zustand bezeichnet, bei welchem ein Mensch hilflos ist bezüglich seiner Augen, und in „Blindenanstalten" finden bereits alle diejenigen Aufnahme, welche außer Stande sind, vermittelst ihres Sehens zu arbeiten und mit anderen zu konkurrieren. Darunter sind viele nur schwachsichtig (amblyopisch). Funktionsprüfung. 127 50 40 30 70 50 40 temp. Das normale Gesicht fehl. Die Ausdehnung des normalen Gesichtsfeldes ist individuell ver- schieden je nach der Prominenz der Bulbi des Nasenrückens, sowie des Orbitaldaches. Im allgemeinen kann man für 1 qcm große Objekte etwa folgende Mittelwerte angeben: nasal und oben f. weiß 60 unten 70 temporal 90 blau 50 rot 40 grün 30 Zumal die Farbengrenzen sind sehr verschieden je nach der Größe der Farbobjekte, der Sättigung der Farbe, der äuße- ren Helligkeit und endlich der individuellen Empfindlichkeit. Wie die verschiedenen Far- ben in verschiedener Ausdeh- nung gesehen werden, zeigt sich z. B. daran, daß für ein be- stimmtes Grün die Grenzen ebensoweit sind, wie für ein bestimmtes Rot möglichst gleicher Helligkeit und Sättigung. Ent- sprechendes gilt für Gelb und Blau. Daß die Grenzen für Grün meist enger sind, hängt davon ab, daß die grünen Objekte (besonders die Tuche) meist viel dunkler sind und daß das Rot reichlich Gelb enthält. In unserer Retina haben wir demnach eine gewisse total farben- blinde Zone (wenigstens für diese Untersuchungsmethode farbenblind); dann folgt eine rotgrün-blinde Zone, in der aber gelb und blau ge- sehen wird. Nur in der Mitte des Gesichtsfeldes (30—40° Rad.) werden alle Farben gesehen. Wie wir an den pathologischen Gesichtsfeldtypen noch genauer sehen werden, dient das periphere Gesichtsfeld wesentlich anderen Zwecken als das zentrale. Dieses vermittelt das genaue Sehen und Erkennen, jenes die Orientierung im Raum. Geht das feine zentrale Sehen verloren, so kann Patient nichts lesen, nichts deutlich erkennen, er wird aber nie fremde Führung nötig haben; geht da- gegen das der Orientierung dienende Gesichtsfeld verloren, so kann er noch feinste Schrift lesen, muß jedoch wie ein Blinder geführt werden, da er über jedes Hindernis fällt, weil ihm die peripheren Eindrücke fehlen. Fig. 91. Prüfung- des Gesichtsfeldes. Die Art der Prüfung des Gesichtsfeldes richtet sich ganz nach der vorhandenen Sehfähigkeit. Kann ein Auge nur noch „hell und dunkel" unterscheiden, so haben wir nur noch „qualitatives Sehen". In solchen Fällen nehmen wir im Dunkelzimmer die Lichtschein- prüfung vor, ob das mit dem Spiegel in das Auge geworfene schwache Licht nach allen Richtungen richtig „projiziert" wird, d. h. ob Patient richtig anzugeben weiß, ob das Licht von oben, unten, rechts, links oder geradeaus ins Auge fällt. 128 Heine, Ist er dazu imstande, so hat er „guten Lichtschein' und „gute Projektion", die Vorbedingung zur operativen Behandlung der Katarakte. Erkennt er den Lichtschein nicht, wenn er z. B. von oben kommt, so hat er defekte Projektion, lokalisiert er falsch, so ist fehlerhafte Projektion vorhanden. Ist noch mehr Sehvermögen vorhanden, werden z. B. Hand- bewegungen noch wahrgenommen, so untersuchen wir, ob diese auch in allen Teilen des Gesichtsfeldes gesehen werden, werden Finger gezählt, so sehen wir, ob Fingerbewegungen auch in den peri- pheren Teilen des Gesichtsfeldes überall erkannt werden. Ist noch Vso—Vio Visus vorhanden, so greifen wir zu den Perimeterob- jekten, d. s. quadratische weiße und farbige Täfeichen von 50 bis 1 mm Seitenlänge. Parallelversuch oder Kontrollprüfung. Wir verbinden dem Patienten ein Auge, z. B. das rechte, mit einer leichten Binde, lassen ihn mit seinem linken Auge in unser Fig. 92. Sogenannte Kontrollprüfung. rechtes Auge hineinblicken, führen die Perimeterobjekte auf halbe Entfernung von außen her nach dem Zentrum zu — die weißen Objekte am besten mit leicht zitternden Bewegungen vor. Von den weißen Objekten soll nur die Bewegung von den farbigen die Farbe erkannt und genannt werden. An seinem eigenen Gesichtsfeld hat man bei dieser Prüfung eine gute Kontrolle und bei einiger Übung kann man mit ziemlicher Sicherheit das Wesentliche erkennen. Zu- mal ist die Kontrolle, daß der Patient wirklich sein Auge still hält, bei dieser Methode die sicherste und das ist ein außerordentlicher Vorzug. Die Diagnose des doppelseitigen zentralen Skotoms ist auf diese Weise verhältnismäßig leicht, auf andere oft recht schwierig. Funktionsprüfung. 129 Man führe übrigens die Objekte nicht zu schnell gegen das Zentrum vor, sonst erhält man leicht eine „konzentrische Einschrän- kung", weil der Patient nicht Zeit genug hat, seine Angaben zu machen. Dazu brauchen die verschiedenen Patienten sehr verschieden viel Zeit. Auch wechsele man die Farben oft, damit der Patient nicht schon weiß, was kommt. Man ermüde ihn nicht durch zu lange fortgesetztes Untersuchen. Man lasse ihn nicht starr fixieren, son- dern veranlasse öfteren Lidschlag, wenn dieser nicht spontan erfolgt. Man beobachte endlich bei wiederholten Prüfungen stets möglichst gleichmäßige Bedingungen, nicht nur in der Größe der Objekte, son- dern auch von Tageszeit, Licht usw. Nun genügt es nicht, auf die geschilderte Weise nur die Außen- grenzen des Gesichtfeldes festzustellen und aus dem Vorhandensein von guter Sehschärfe auf Fehlen eines zentralen Skotoms, also zusammenge- nommen auf normale Verhältnisse zu schließen. Das könnte erhebliche Irrtümer herbeiführen: Ein Ringskotom würde stets übersehen werden, eine Quadrantenhemianopsie (s. u.) jedenfalls sehr leicht. Wir be- stimmen deshalb die Außengrenzen von mindestens 8 Meridianen und führen das Objekt durch jeden Meridian von einem Ende bis zum anderen hindurch unter beständigem Befragen des Patienten: „Ist es jetzt auch deutlich? Sehen Sie es jetzt auch? Jetzt auch? usw. Vermag das zu untersuchende Auge nicht zentral zu fixieren, so fordern wir den Patienten auf, es möglichst ruhig geradeaus ge- richtet zu halten. Wir suchen uns ihm gegenüber dann die Stelle, von der aus sich unser Kopf in der Mitte seiner Pupille spiegelt, dann etwa ist seine Gesichtslinie auf unser Auge gerichtet und nun perimetrieren wir wie oben. Fig. 93. Untersuchung an Foersters Perimeter. 130 Heine, Die Gesichtsfeldmessung stellt auch an die Intelligenz des Patienten einige Ansprüche, die bei Potatoren, Neurasthenikern usw. oft erst nach mehrtägigem Üben erfüllt werden. Die Perimetrie kann daher nie allein aus Büchern gelernt werden. Perimeterprüfung. Wollen wir genau Rückbildung oder Fortgang einer Gesichts- feldstörung bestimmen, so setzen wir den Patienten an den Förster- schen Perimeterbogen und bestimmen zahlenmäßig in Graden die Größe des Defektes, wenn wir die Mitte des Bogens — weiße Marke — fixieren lassen und wie oben — von außen her — die Objekte nähern. Überwachung der Blickrichtung ist hierbei ganz besonders nötig. Die Befunde nach Untersuchung von mindestens 8 Meridianen für Weiß und 3 Farben tragen wir in Schemata ein (s. oben). Grundsätzlich wird stets nur ein Auge untersucht, wenn auch bei manchen Gesichtsfeldstörungen eine gleichzeitige Untersuchung beider Augen theoretisch statthaft erscheinen könnte (homonyne Hemianopsie). Binokulare Perimetrie (nach Schlösser). Für besondere Zwecke z. B. für den Nachweis einseitiger (auch angeborener) zentraler Skotome ist die binokulare Perimetrie sehr geeignet. Durch ein passend gewähltes rotes Glas erscheint ein grünes Objekt, dem einen Auge schwarz, wird die grüne Farbe erkannt, so geschieht dies mit dem anderen Auge, wo sie nicht erkannt wird, ist ein Defekt für Grün für dieses Auge vorhanden. Skotome. Alle Defekte im Gesichtsfeld, die wir mit Hilfe der Perimetrie feststellen, nennen wir Skotome und zwar objektive (= negative), die wir durch die Perimetrie finden, im Gegensatz zu der subjektiven (= positiven), die der Patient selbst als dunkle Schatten bemerkt. Die Skotome können nun absolut oder relativ sein d. h. absolut nennen wir ein Skotom, wenn schwarze und weiße Objekte in seinem Bereich gar nicht wahrgenommen werden. Relativ wird es genannt, wenn in den gedachten Bezirken schwarze und weiße nur undeutlicher also grauer erscheinen. Ist ein Skotom für schwarz und weiß relativ, su kann es doch für alle Farben absolut sein, d. h. alle Farben er- scheinen nur verschieden grau. Relativ für Farben nennen wir es, wenn die Farben an der betr. Stelle weniger gesättigt erscheinen als in den normalen Teilen des Gesichtsfeldes. Für kleine Farb- objekte oder für verdünnte Farben pflegen solche Skotome absolut zu sein. Die feinste Funktion der Retina ist die Rotgrünempfindung, diese leidet meist eher als die Gelbblauempfindung, es kann also ein Skotom auch für Rot und Grün absolut, für Gelb und Blau nur relativ sein, aber auch umgekehrt, gerade bei Retina-Leiden. Positiver (subjektiver) Charakter der Skotome deutet auf Sitz der Schädigung im Bulbus selbst, wobei die Sinnes- epithelien noch nicht zerstört sein dürfen. Eine Ausnahme bildet nur das Flimmerskotom, welches positiv und doch kortikal — ev. subkortikal bedingt ist. Negativ (objektiv) sind fast sämtliche durch Affektionen der optischen Leitungsbahnen bedingten Skotome. Die subjektiven Störungen, die die Skotome machen, sind sehr verschieden. Die subjektiven (positiven) Skotome erscheinen als Funktionsprüfung. 131 dunkle Schatten und stören den Patienten oft sehr. Jeder kennt die als „fliegende Mücken" bezeichneten kleinen Skotome, die schon durch physiologische Glaskörperveränderungen bedingt sind. Zentrale Sko- tome können, auch wenn sie klein aber absolut sind, jedes feine Sehen unmöglich machen. Andererseits brauchen große absolute Skotome — wenn sie exzentrisch sind — selbst Hemianopsien, keine Symptome zu machen. Es werden hierbei keine Erregungen zur Hirnrinde geleitet, so kann auch der Defekt nicht wahrgenommen werden oder bei anderen Ursachen liegt er so weit peripher, daß er nicht störend auffällt. Über den Unterschied von zentralem und peripherem Sehen s. o. 1. Zentrales Skotom. Haben wir bei der Sehschärfenbestimmung schlechten Visus konstatiert, ohne daß in den brechenden Medien oder im Bau des Fig. 94. Fig. 95. Relatives zentrales Farbenskotom für rot und grün, beiderseits, bei Intoxikations- amblyopie. Fig. 96. Fig. 97. Zentrale relative Skotome für alle Farben bei disseminierter Sklerose. Fig. 98. Einseitiges großes relatives (absolut wäre doppelt schraffiert) zentrales Skotom während der Rückbildung einer akuten retrobulbären Neuritis (bei dis- seminierter Sklerose). 132 Heine, Auges oder auch an der Macula ophthalmoskopisch eine Erklärung dafür zu finden wäre und haben wir bei der Perimetrie die Außen- grenzen des Gesichtsfeldes frei gefunden, so liegt vermutlich ein zentrales Skotom vor. Mitunter genügt schon die Anamnese zur Wahrscheinlichkeitsdiagnose: zentr. Skotom: Ein Patient gab an, daß ihm seit einiger Zeit eine rote Rose, wenn er sie ansehe, fast grau erscheine, sehe er aber dann vorbei, so sei sie schon rot. Ein anderer hatte dieselbe Beobachtung mit den roten Köpfchen der Streichhölzer gemacht. Oft geben die Patienten allerdings nur an, es sei „alles so neblig ge- worden". Zum Nachweis des zentr. Skotoms gehört die Feststellung, daß ein Objekt (weiß oder farbig), exzentrisch besser erkannt wird als in der Gesichtslinie, wenn es sich in der Fovea abbildet. Zum Nachweis kleiner zentraler Skotome bediene man sich farbiger Objekte von 1 mm Durchmesser, die in der Horizontalen langsam vorüber geführt werden, während Patient seinen Blick absolut ruhig hält. Er muß nun angeben, ob ihm das exzentrisch erkennbare Objekt etwa in der Mitte des Gesichtsfeldes undeutlicher oder dunkler erscheint, um auf der anderen Seite wieder deutlicher zu werden. „Dunkler" nennen viele die Farben, wenn sie ihnen gesättigter erscheinen: derartige Angaben würden also keineswegs zur Diagnose eines c. Sc.'s berechtigen. Oder aber, man hält ihm ein kleines Farbobjekt in der Gesichtslinie vor, jedoch so, daß die farbige Seite dem Patienten abgewendet ist, nun dreht man das Objekt einmal um 360° herum und fragt, ob eine Farbe sichtbar geworden war. Dasselbe wiederholt man mehrmals mit verschiedenen Farben zentral und exzentrisch. Das zentrale Skotom kann plötzlich und langsam, einseitig und doppelseitig auftreten, es kann minimal sein, so daß noch Va V. nachzuweisen ist, es kann auch so große Dimensionen annehmen und so absolut sein, daß vom ganzen Ge- sichtsfeld nur eine temporale schmale Sichel übrig bleibt, in der nur noch Licht- schein wahrgenommen wird. Die Ursachen sind je nach dem Auftreten und dem Arer1auf sehr ver- schieden. Einseitige kleine Skotome, gelegentlich nur aus einer gewissen Herabsetzung der Sehschärfe zu vermuten — und schwer exakt nachzuweisen — finden wir bei Affektionen der Retina und Chorioidea: Retinitis und Chorioiditis centralis, Dehnungsfolgen, zentrale Blutungen, Blendungseinflüsse bei hoch- gradiger Myopie, von denen die ersteren allmählich, die letzteren plötzlich ent- stehen. Auch können alle die genannten Veränderungen durch Progreß der Krank- heit auch größere Ausdehnung annehmen. Von vornherein größere Sehstörungen veranlassen meist Stamm- affektionen, durch die das papillomakuläre Bündel getroffen wird. Ein relativ kleiner Herd richtet hier, wo die Nervenfasern eng beieinander liegen, schon leicht größeren Schaden an. (cf. die Lage des papillomakulären Bündels Fig. 113, pag. 137.) Die durch Affektionen der Aderhaut und Netzhaut bedingten zentralen Skotome unterscheiden sich von den retrobulbären noch durch ein markantes Symptom, das ist einleitende Metamorphopsie oder retinale Mikro- oder Makropsie. Einseitiges retrobulbär bedingtes zentrales Skotom finden wir bei den so- genannten rheumatischen Affektionen des Opt.-stammes, bei multipler Sklerose und Lues basilaris. Angeboren ist das einseitige zentrale Skotom verschiedenster Größe bei der kong. Amblyopie und Coloboma maculae. Doppelseitige zentrale Skotome sind meist Stammaffektionen des Optikus und haben meist ganz andere Ätiologie; in erster Linie stehen die Intoxi- kationen besonders Alkohol und Nikotin, sehr viel seltener Blei, Schwefel- kohlenstoff u. a. Als Autointoxikationen fassen wir die bei Diabetes und Karzi- nomkachexie vorkommenden auf, wenn diese nicht etwa durch ophthalmoskopische sichtbare Retinalaffektionen zu erklären sind. Große doppelseitige zentrale Skotome finden sich aus hereditären Gründen als familiäre Form der temporalen Abblassung (Axiale Neuritis). Funktionsprüfung. 133 Die Prognose und Therapie des zentralen Skotoms richtet sich natür- lich ganz nach der Ätiologie. 2. Die konzentrische Einschränkung. Die konzentrische Einschränkung macht, wenn sie nicht hoch- gradig ist, keine Erscheinungen, sie wird erst durch die Perimetrie entdeckt, ist sie hochgradig und organisch bedingt, so setzt sie Orientierungsstörungen, nicht so die funktionellen konzentrischen Einschränkungen, s. u. S. 14-1. Häufiger sind diedoppelseitigen hochgradigen konzentrischen Einschränkungen. temp. ™ nas nas f f>« temp. Fig. 99. Fig. 100. Beiderseits hochgradige konzentrische Einschränkung bei Retinitis pigmentosa. Wir finden sie bei Pigmentdegeneration der Retina, Chorioretinitis spe- cif. hereditaria, Perineuritis gummosa, hochgradiger besonders atrophierender Stau- ungspapille, einfacher Opt.-atrophie (Tabes, Paralyse), Chinin amblyopie, funktionell, doch ohne Orientierungsstörungen bei Hysterie und Neurasthenie. Einseitig kommt konzentrische Einschränkung aus den genannten Ur- sachen auch gelegentlich vor, nicht aber bei der Pigmentdegeneration, die immer, und der hereditären Chorioretinitis, die meist doppelseitig ist. Auch die Chinin- vergiftung greift stets beide Augen an. Auch Glaukom und Amotio retinae können ausnahmsweise konzentrische Einschränkungen bedingen. 3. Ringförmige Skotome. Ringförmige Skotome bei freier Peripherie und freiem Zentrum finden wir — meist ohne markante subjektive Erscheinungen — bei temp. oi l«?o nas. nas. mi Fig. 101. Beiderseits Ringskotom bei Retinitis pigmentosa. 134 Heine, Affektionen der hinteren Ciliargefäße: einseitig bei Lues, Diabetes, doppelseitig bei Pigmentdegeneration der Retina und Chorioretinitis specifica besonders der hereditären Form. temp. Fig 103. Großes Ringskotom nach der Peripherie sich öffnend und mit peripherer Einengung bei Retinitis pigmentosa. 4. Sektoren förmige Skotome. Haben die Skotome einen Winkel von 90° und liegt ihre Spitze im blinden Fleck bei horizontalen und vertikalen Begrenzungslinien, so diagnostizieren wir Gefäßverschluß, hierbei fallen die Grenzen für Weiß und Farben mit der Grenze des Skotoms meist zusammen, während in allen bisherigen Typen die Farbenbeeinträchtigung der temp. 3(0 360 10 Fig. 104. , Fig. 105. Sektorenförmige Skotome bei doppelseitiger tabischer Sehnervenairophie. Rechts rot und grün schon verschwunden. JO 3» JM Fig. 106. Tabische Optikusatrophie. Einschränkung mehr konzentrisch. Rot-grün fehlen bereits. Funktionsprüfung. 135 Weißbeeinträchtigung vorauszugehen pflegt und größere Ausdeh- nung hat. Als Ausfall zweier benachbarter Sektoren lassen sich die Typen erkennen, wo obere oder untere Retinalhälfte erblindet ist. Aus der Gefäßverteilung in der Retina (Art. temp. sup. und inf. ferner nasalis sup. und inf.) erklärt sich das Gesagte ja ohne weiteres. Sektorenförmige Skotome mit unregelmäßigeren Begrenzungen finden wir manchmal bei multipler Sklerose, häufig bei tabischer Optikusatrophie, wobei jedoch Farben- und Weißgrenzen nie so eng beieinander liegen. Der Defekt für Farben, besonders Rot und Grün ist hierbei weit größer. Sehr oft wird nur noch Blau erkannt. Doppelseitige Sektoren finden wir bei partieller Hemianopsie (s. u.). Anhangsweise erwähnt seien hier die parazentralen Gesichtsfeldreste, wie wir sie nach vollständigem Verschluß der Zentral-Arterie oder Vene gelegentlich finden. Es entsprechen diese Retinalbezirken, die durch hintere cilioretinale Ge- fäße versorgt werden. Diese Gesichtsfeldreste sind oft nur mit Mühe zu finden, sie liegen meist nasal vom blinden Fleck. 5. Exzentrische (periphere) Skotome. Von den exzentrischen Skotomen sind zwei bis zu einem ge- wissen Grade typisch d. i. die nasale Einschränkung bei Glaukom und die meist nach oben gelegene Einschränkung bei Amotio ret. 160 180 Fig. 107. Frische Amotio retinae. Große periphere Einschränkung. Fi«. 108. Vorgeschrittene Amotio Fig. 109. Dasselbe Auge bei herab- retinae. Einengung besonders gesetzter Beleuchtung. stark für blau. 136 Heine, Über die Entstehung der nasalen Einschränkung bei Glaukom vergl. man das Kapitel über Glaukom. Auch die Netzhautablosung und die dadurch bedingten Störungen sind nicht an dieser Stelle ab- zuhandeln. Fig. 110. Fig. m- Beiderseits Glaukom. Einschränkung besonders stark von der nasalen Seite. Unregelmäßige exzentrische Einschränkungen von der Peripherie her, nasal, temporal, oben oder unten sitzend, finden wir mitunter bei Lues, Sehnervenerkrankung durch Tabes, Paralyse und Multiple Sklerose. Haben sie buckel- oder sektoren-ähnliche Formen, so sitzt die breite Basis stets der Peripherie des Gesichtsfeldes auf. 6. Vergrößerung des blinden Flecks. Eine Vergrößerung des blinden Fleckes, der im normalen Ge- sichtsfeld 12—18° temporal vom Fixierpunkt liegt, finden wir aus Fig. 112. Vergrößerung des blinden Flecks bei Stauungs-Papille. leicht ersichtlichen Gründen bei Stauungspapille, myopischem Konus und markhaltigen Nervenfasern. 7. Hemianopsie. In den bisher besprochenen Gesichtsfeldformen hatten wir es mit Störungen zu tun, die Retina und Optikus betrafen und, wenn sie doppelseitig auftraten, auch zwei periphere Ursachen hatten. Jede Schädigung, die das Chiasma, die Traktus, die sub- kortikalen Ganglien, die Sehstrahlung oder endlich die zu- gehörigen Teile der Okzipitalrinde ergreift, äußert sich .in den Gesichtsfeldern beider Augen, wie aus dem beigegebenen Schema der optischen Leitungsbahnen ja ohne weiteres hervorgeht. Funktionsprüfung. 137 Cos Cod Rechter Sehnerv. Die. (hi£rschnitte. entsp rechen den Schnitten 1-5 des Schemas. n.oju. (Xiicrschnitt hinter dem r. Bulbus ri.o. zwischen (Lern, r Bulbus il. ChiasmxL [gekH nxax Bd n.opt. uor dem Chzasma linker o/it. rechter ofit. Unker rechter tratt. Chloasma, r. Tractus opticus Fig. 113. Schema der optischen Leitungsbahnen. 138 Heine, a) Homonyme Hemianopsie. Betrifft eine Schädigung eine Stelle der optischen Leitungsbahnen zwischen Chiasma und Okzipitalrinde, nehmen wir an den ganzen rechten Iractus opt., so erblindet dadurch die rechte (temporale) Hälfte des gleichseitigen (rechten) und die rechte (nasale) Hälfte des gegenüberliegenden (linken) Auges. Es ergibt sich eine homonyme Hemianopsie und zwar eine linksseitige. Eine senkrechte schnur- gerade Trennungslinie teilt das Gesichtsfeld jedes Auges in eine sehende und eine temp. 91 Fig. 114. Fig. 115. Linksseitige Quadrantenhemi anopsie (Läsion im rechten Traktus). temp. » »«° nas. nas. w 160 ISO Fig. 116. Fig. 117. Rechtsseitige homonyme Hemianopsie nach Apoplexie in die linke innere Kapsel. (Makulares Gesichtsfeld). ISO 20 Fig. 118. Fig. 119. Makulares Restgesichtsfeld nach doppelseitiger homonymer Hemianopsie. blinde Hälfte. Legen wir nun beide Gesichtsfelder aufeinander, so daß die Fixier- punkte beider Augen ineinander fallen, so fehlt im gemeinsamen Gesichtsfeld eine ganze Hälfte. Homonym heißt „gleichnamig". Die Namen, um die es sich handelt, sind „rechts" und „links", nicht etwa „temporal11 und „nasal". Liegen die blinden Bezirke in beiden Augen rechts, oder in beiden Augen links, so reden Funktionsprüfung. 139 wir von homonymer Hemianopsie. Liegen sie dagegen in beiden Augen nasal (also im rechten Gesichtsfeld links, im linken rechts) oder in beiden temporal (also im RA rechts, im LA links), so sprechen wir von heteronymer Hemia- nopsie (s. u.) Die den Traktus angreifende Schädigung braucht nun nicht den ganzen Traktus leitungsunfähig zu machen, sondern beispielsweise nur die Hälfte, dann erhalten wir eine Quadrantenhemianopsie. Die Spitzen solcher Sektoren (z. B. von 90°) liegen also jetzt nicht im blinden Fleck, wie oben, sondern in dem Fixierpunkt. Dieser Unterschied ist von prinzipieller Wichtigkeit (Fig. 114,115). Da die den Traktus angreifenden Schädigungen gewöhnlich nicht im Innern des Traktus ihren Sitz haben, sondern von außen her zunächst auf die Peripherie des Traktus einwirken, so reichen die symmetrischen Skotome in beiden Ge- sichtsfeldern meist bis an die Peripherie, denn die Nervenfasern, die von den peripheren Netzhautteilen kommen, halten sich in der Peripherie des Traktus. Wie die Figg. opt. L.-bahnen zeigen, tritt dabei nur eine Verlagerung um 90° ein, indem die von den temporalen Retinalhälften kommenden Fasern nun die obere, die von den nasalen kommenden nun die untere Traktushälfte einnehmen. Im Zentrum des Traktus liegen die Makulafasern, sie schwenken erst zirka 12 mm hinter dem Bulbus nach der temporalen Seite des Optikus über, um zui Makula zu gelangen. Greift eine Schädigung das Sehzentrum in der einen Okzipitalrinde an, so hängt es ganz von der Größe des zerstörten Bezirks ab, welche Ausfalls- Erscheinungen wir im Gesichtsfeld feststellen können. Bei geringen Schädigungen finden wir z. B. inselförmige homonyme hemianopische Defekte, die nicht bis in die Peripherie des Gesichtsfeldes reichen, wie der Name sagen soll. Oder wir finden symmetrische Sektoren von mehr oder weniger als 90°, nun aber mit dem Unter- schied, daß die Spitze der Sektoren sich in jedem Gesichtsfeld ein Stück vom Fixierpunkt fernhält. Ist das ganze Sehzentrum in einem Okzipitallappen zer- stört, so ist dennoch nicht eine ganze Hälfte des gemeinsamen Gesichtsfeldes ver- loren, sondern dank der „Aussparung der Makula" bleibt in der Mitte des Gesichtsfeldes ein Teil des zur zerstörten Hirnrinde gehörigen Gesichtsfeldes für jedes Auge erhalten (Fig. 116, 117). Tritt zu dieser einseitigen homonymen Hemianopsie nun noch eine Hemi- anopsie der anderen Seite, so daß wir also eine doppelseitige Hemianopsie vor uns haben, so braucht trotzdem nicht völlige Amaurose einzutreten, es kann vielmehr nun auch auf der zu zweit angegriffenen Seite eine Aussparung übrig bleiben, so daß ein minimaler zentraler Gesichtsfeldrest für blinde Augen übrig bleiben kann (Fig. 118, 119). Solche Patienten sind wegen Fehlens des peripheren Sehens allerdings hilflos und können ohne Führung sich nicht umherbewegen, trotzdem können sie gelegent- lich feinste Schrift lesen, wenn auch nur einzelne Zahlen oder kurze Worte, so viel eben im Gesichtsfeld noch Platz haben. Diesen Gesichtsfeldlest überzeugend nachzuweisen kann die größten Schwierigkeiten bereiten, auch wenn man den Patienten aufs sorgfältigste durch Gläser korrigiert und ihn nach der eigenen unter die Leseprobe gehaltenen Fingerspitze sehen läßt, um die fehlende optische Orientierung durch die taktile zu ersetzen. Das Besprochene sind klinische Tatsachen, deren Vorhandensein unabhängig ist von ihrer theoretischen Deutung. Am einfachsten erklären sich die Tatsachen vielleicht durch eine doppelseitige Vertretung der Makula jedes Auges in der Hirnrinde. Möglich ist dies durch eine interkortikale Balkenkommissur, welche die Erregungen von einer Makulahälfte z. B. der temporalen des rechten Auges von der rechten Okzipitalrinde — oder der Sehstrahlung — in die links- hirnigen Bezirke hinüberleitet. Entsprechend wäre es möglich, daß die nasale Hälfte der Makula des rechten Auges, nicht nur in der linken Okzipitalrinde ihr Zentrum hätte, sondern von da — oder schon von der Sehstrahlung aus — Fasern zur rechten Okzipitalrinde senden könnte. Auf gleiche Weise könnte die ganze Makula des linken Auges in jeder Hirnrinde einmal vertreten sein. Als charakteristisch für kortikale und subkortikal bedingte Hemi- anopsie haben wir also — sowohl für komplette als für partielle Formen — die 140 H e ine, Aussparung der Makula und das Vorkommen der inseif örmigen homo- nymen Skotome kennen gelernt. Charakteristisch bei Traktushemianopsien ist für die kompletten das „Durchgehen der Trennungslinie" ohne Aus- sparung und für inkomplette die Lage der Sektorenspitze im Fixierpunkt selbst. Dazu kommt nun noch ein weiteres wichtiges Moment, das ist die hemi- anopische Pupillenstarre Wernickes. Die den Pupillarreflex auf Licht vermittelnden Sehnervenfasern gehen näm- lich aus dem Traktus zum Kern des Okulomotorius am Boden des Aquaeductus Sylvii hinüber. Ist ein Traktus, z. B. der rechte, völlig zerstört, so muß die Lichtreaktion der Pupillen und zwar direkt sowohl wie konsensuell ausbleiben, wenn die gleichnamigen (rechten) Retinahälften vom Licht getroffen werden, sie muß eintreten, wenn die linken Netzhauthälften beleuchtet werden. Technisch ist es nicht ganz leicht, das Licht auf diese oder jene Retinahälfte isoliert auf- fallen zu lassen, man begnügt sich daher mit deutlichen Differenzen der Pupillen- reaktion bei gleicher Exzentrizität der Lichtquelle. Auch die homonymen Hemianopsien können ebenso wie die oben geschil- derten monokularen Skotome absolut oder relativ für Weiß sowohl wie für Farben sein. Setzt sich eine komplette und absolute rechtsseitige Hemianopsie in eine partielle linksseitige Farbenhemianopsie fort, so deutet dies auf Sitz der Affektion dicht hinter dem Chiasma, denn nun werden die zunächst liegenden Fasern. des anderen Traktus in Mitleidenschaft gezogen und zwar zunächst die höhere Funktion der Farbenempfindung. Ergreift von einer homonymen Hemianopsie aus die Störung die Zentren beider noch sehender Gesichtsfeldhälften, so ist Ausbreitung der Schädigung im Chiasma selbst anzunehmen. Wird nach einer homonymen Hemianopsie eine Stammaffektion des Optikus bemerkbar, indem das Gesichtsfeld nur eines Auges weiter verfällt, so sitzt die Schädigung dicht vor dem Chiasma. Alle diese Verhältnisse sind an der Hand des Schemas leicht zu verstehen. Homonym hemiopische Gesichtsfeldreste meist verbunden mit starker Herabsetzung der Sehschärfe beider Augen — bei normalem Augenspiegel- befund und prompter Pupillarreaktion — finden sich bei diffusen doppelseitigen Konvexitätserkrankungen der Okzipitalrinde z. B. bei Genickstarre. Kombiniert sich eine homonyme Hemianopsie mit anderen neurologischen Symptomen, z. B. Halluzinationen, so ist sie meist subkortikal bedingt, die zugehörige Kortex selbst — wenigstens teilweise — noch intakt, sonst könnte sie keine Halluzination vermitteln. Hinzutretende Orientierungsstörungen, ferner Aphasie oder Alexie sprechen für Mitbeteiligung transkortikaler Fasersysteme also für intra- zerebralen Sitz, Hemianästhesie, Hemiplegie, für Sitz im hinteren Schenkel der inneren Kapsel, in der die Optikusbahn am meisten nach hinten, dicht vor ihr die große sensible umotorische Bahn gelegen ist. Ätiologisch spielt bei der Traktushemianopsie die Lues basilaris die Hauptrolle, seltenere Ursachen sind Tumoren der Schädelbasis oder des Cerebrums, Meningitis basilaris und Schlafenlappenabszesse. In der inneren Kapsel sowie subkortikal sind Blutungen und Thrombosen die häufigste Ursache, kortikal Encephalitis, Meningitis und Encephalo- pathia saturnina. Konvexitätsblutungen können vorübergehende Hemianopsien bedingen. Zu letzteren kann auch das Flimmerskotom gerechnet werden. b) Heteionyme Hemianopsie. Greift eine Schädigung die Mitte des Chiasmas, zumal von hinter her, an, so werden zunächst die gekreuzten Nervenfasern, die also von den nasalen Retinalhälften kommen, zerstört werden und zwar zuerst die zu den nasalen Funktionsprüfung. 141 Hälften der beiden Stellen des schärfsten Sehens gehörigen. Ist die Noxe derart daß nicht eine sofortige Zerstörung, sondern eine allmähliche Schädigung eintritt] so entsteht zunächst im Gesichtsfeld jedes Auges ein temporal von der vertikalen Trennungslinie gelegenes relatives Farbenskotom für Rot und Grün, dieses kann nun zunächst absolut für Farben, dann auch für Weiß werden und sich über die ganzen temporalen Gesichtsfeldhälften ausbreiten bis in die Peripherie derselben. Denken wir uns die Gesichtsfelder beider Augen ineinander gelegt, so daß sich die Fixierpunkte decken, so ergänzen sich beide nasale Gesichtsfeldhälften zu einem etwa kreisrunden Gesichtsfeld. Gegenüber dem Normalen ist also im bin- okularen Gesichtsfeld nur eine temporale Einschränkung bis zirka 60° zu kon- statieren. Die Sehschärfe ist meist auf etwa die Hälfte der Norm herabgesetzt. Greift der schädigende Prozeß nun weiter auf die ungekreuzten Bahnen über, so verfallen auch die nasalen Gesichtsfeldhälften und zwar von der Mittel- linie aus. Symmetrische nasale Gesichtsfeldreste (beteronym-hemiopische) müssen uns in erster Linie an Chiasmaaffektionen denken lassen. Freilich zeigt auch die Tabes bei der einfachen Optikusatrophie gelegentlich eine gewisse Symmetrie der erkrankten Sehnervenbahnen, so daß in vorgeschritteneren Stadien eine Unter- scheidung nicht immer leicht ist. Um so mehr erwünscht erscheint die Früh- diagnose der bitemporalen Hemianopsie, zumal eine Therapie viel Nutzen bringen kann. Fig. 120. Fig. 121. Heteronyme (temporale) Hemianopsie bei Chiasmaerkrankung. Die bitemporale Hemianopsie hat also einen ganz anderen Entstehungs- modus als die homonyme: sie hat nie eine Makulaaussparung und geht fast immer von der Mittellinie aus, indem sie die Peripherie zunächst freiläßt. Die häufigsten Ursachen für die bitemporale Hemianopsie sind der Hypo- physentumor und die Lues basilaris, seltener Hydrops des III. Ventri- kels und Basis — besonders Keilbeintumoren. Charakteristisch für die spezifischen Affektionen ist der oft schnelle Wechsel der Erscheinungen, was sich wohl aus der Beteiligung der Blutgefäße erklärt. Die bitemporale Hemianopsie mit Wachstums an omalien (Adipositas, Akromegalie, Infantilismus) scheint durch Hypophysisvergrößerung (Tumor? vika- riierende Hypertrophie bei Schilddrüsenatrophie?) erklärbar. (Eine binasale Hemianopsie scheint ein außerordentlich seltenes Vor- kommnis zu sein: Wir müssen hier 2 symmetrische Schädigungen temporal von der Mitte der Chiasmen annehmen. Hier befindet sich die Carotis interna. Doppelseitiges Carotis aneurysma könnte also wohl gelegentlich eine binasale Hemi- anopsie bedingen, ebenso vielleicht symmetrisch gelegene Gummen.) Funktionelle Gesiehtsfeldstöruiigen. 1. Die konzentrische Einschränkung. Die häutigste funktionelle Störung des Gesichtsfeldes ist die konzentrische Einschränkung, die wohl außerdem noch häufiger ge- 142 Heine, funden wird, als sie wirklich vorhanden ist. Hält man strikt daran fest, daß bei bewegtem weißen Objekt nur eben die Erkennung einer Bewegung verlangt wird und ermuntert man den Patienten wieder- holt zur Aufmerksamkeit, so verschwindet manche konzentrische Ein- schränkung. Mäßige, geringe und höchste Grade finden sich bei Hysterie einseitig sowohl wie doppelseitig. Charakteristisch ist, daß bei doppelseitiger hochgradiger Einengung oder bei einseitiger — wenn das normale Auge verschlossen ist — doch die Orientierung im Raum nicht leidet wie bei organisch bedingten starken Einengungen. Die peripheren Eindrücke werden eben doch — wenn auch unbe- wußt — verwertet. Man schließe daraus aber nicht ohne weiteres auf Simulation. Stellen wir einen Patienten V* m von einer Wandtafel entfernt auf und zeichnen sein konzentrisch eingeengtes Gesichtsfeld auf, so beträgt der Durch- messer beispielsweise 20 cm, lassen wir ihn nun bis auf 1 m Entfernung zurück- treten, so sollte der Durchmesser 40 cm betragen, wenn die Störung organisch bedingt wäre, denn bei konstantem Gesichts-Winkel wachsen die linearen Maße entsprechend der Entfernung. Oft wird nun bei dieser Prüfung der lineare Durchmesser bei verschiedenen Entfernungen gleich groß an- gegeben. Auch dieses Symptom wolle man nicht ohne weiteres für die Diagnose der Simulation verwerten, man rechne immer mit der weitgehenden Suggestibilität Hysterischer. Die konzentrische Einschränkung des Gesichtsfeldes braucht nun keineswegs einen konstanten Grad zu haben, im Gegenteil ist gerade der Wechsel für den funktionellen Charakter bezeichnend. Fig. 122. Fig. 123. Rechtsseitige konzentrische (funktionelle) Gesichtsfeldeinschränkung bei hysterischer rechtsseitiger Hemianästhesie. Die leichtere Ermüdbarkeit der Patienten kann man auf folgende Weise geradezu graphisch darstellen: Perimetriert man nämlich in der Weise, daß man die Meridiane der Reihe nach im Sinne des Uhrzeigers untersucht, oben, oben rechts, rechts, unten rechts, unten, unten links, links, links oben, so erhält man auf dem Papier eine spiralige Kurve, die am Anfangsmeridian also nicht in sich zurückläuft, sondern näher dem Fixierpunkt liegt, perimetriert man nun nochmal um die ganze Peripherie herum, so endigt die Kurve wieder etwas näher dem Fixierpunkt, so daß also bei fortschreitender Ermüdung sich das Gesichtsfeld immer mehr verengt. 2. Försterscher Verschiebungstypus. Der Förstersche Verschiebungstypus gründet sich auf die Tatsache, daß das Auftauchen eines Objekts einen stärkeren Reiz darstellt als das Verschwinden desselben: Perimetrieren wir das RA von außen her in dem horizontalen Meridian, so wird das Objekt z. B. bei 90" Exzentrizität wahrgenommen; führen wir es jetzt Funktionsprüfung. 143 langsam über den ganzen Perimeterbogen hin, so verschwindet es dem Patienten z. B. schon bei 30 oder 40° nasaler Exzentrizität. Beginnen wir nun aber die Perimetrie bei 90° nasal, so taucht es schon bei 60° oder 50° auf, um — in der horizontalen langsam vorübergeführt —, nun temporal schon bei 60 oder 70° Ex- zentrizität zu verschwinden. Das Entsprechende findet in den vertikalen und schrägen Meridianen statt. Es findet sich dieser Verschiebungstypus besonders bei Hysterie und traumatischer Neurose. Er spricht, wenn er deutlich ausgeprägt ist, in gewissem Grade gegen Simulation. Farbensinn. Störungen des Farbensinnes. Die Störungen des Farbensinnes können wir einteilen in a) er- worbene, b) angeborene. a) Die erworbenen Störungen. Die erworbenen Störungen des Farbensinnes sind der Haupt- sache nach schon bei den Gesichtsfeldstörungen erörtert worden. Es soll deshalb hier kurz nur noch einmal folgendes zusammengefaßt werden. Isolierte Störungen des Farbensinnes können bedingt sein durch Schädigungen der optischen Bahnen von Ketina his Hirnrinde. Etwas spezifisch Lokalisatorisches haftet also diesen Symptomen nicht an. Da der Rot-Grünsinn die feinste Funktion der Retina und der optischen Bahnen darstellt, so äußert sich eine Schädi- gung oft zuerst am Rot-Grün-, später am Gelb-Blausinn. Störungen, welche die Ader haut betreffen, oder eine Trennung der Retina von der Aderhaut bedingen, geben sich dagegen öfters zuerst durch Störungen des Gelbblau-, seltener des Schwarzweiß- (Licht-)sinnes (s. u.) zu erkennen. Die häufigste Ursache solcher Störungen von seifen der Sehbahnen sind zentrale Skotome, ein- fache und andere Atrophien der Sehnerven, seltener die verschiedenen Hemianopsien, ein Auge betrifft die Störung bei Amotio ret. und einigen anderen Netzhaut-Aderhautaffektionen. Starke Blausinnstörungen finden wir besonders bei den Er- krankungen, die auch zu Lichtsinnstörungen (s. u.) führen, also bei Pigmentdegeneration, bei der Retinitis albuminurica und Amotio retinae. Eine seltene erworbene Farbensinnstörung ist die Xanthopsie (Gelbsehen) bei innerlichem Gebrauch von Santonin und ferner die Erythropsie der Staroperierten, die wir wohl als Blendungs- erscheinung auffassen dürfen. b) Die angeborenen Störungen. Die häufigste angeborene Störung des Farbensinnes ist'die Rot- und Grünblindheit. Je nach dem theoretischen Standpunkt, auf dem die Autoren stehen, spricht man von Rot blindheit (Protanopsie), Grünblind- heit (Deuteranopsie) und Violettblindheit (Tritanopsie) oder aber von Rot-Grünblindheit einerseits und Gelbblaublind1 heit andererseits. - Die Rotblindheit ist dadurch charakterisiert, daß dem Be1 treffendem das Spektrum an dem roten Ende verkürzt erscheint, 144 Heine, normal ist seine Grünempfindung meist auch nicht, immerhin unter- scheidet ihn von einem Grünblinden hauptsächlich eben diese Verkürzung des Spektrums im Rot, die sich beim Grünblinden nicht findet. Normal ist die Rotempfindung des letzteren allerdings meist auch nicht. Beide sehen in der linken Hälfte des Spektrums vermutlich ein Gelb, mit verschiedener Lage der größten Helligkeit. Von ihrem neu- tralen Punkt, den sie grau sehen, links gelegene Farben können also verwechselt werden, wenn man die Helligkeitsunterschiede aus- gleicht etc., also ein Gelbgrün mit Rot, etc. I. Spektrum des Normale n. II. u. III. Spektrum, wie der Dichromat es sieht. II. Spektrum des Grünblinden (Deuteranopen). III. Spektrum des Rotblinden (Protanopen). IV. Spektrum, wie der Totalfarbenblinde es sieht. Beide sehen in der rechten Hälfte des Spektrums nur blau. Also wird hier ein Blaugrün mit Blaugrau verwechselt. Daß so zwei Gruppen von Farbenblinden unterschieden werden können, ist nicht zu leugnen, auffallend ist aber, daß sowohl die Rot- wie die Grün blinden Rot mit Grün verwechseln, sie machen, wie man sagt, eine Gleichung zwischen einem bestimmten Rot und einem bestimmten Grün. Dieses Farbenpaar, welches einem be- Funktionsprüfung. 145 stimmten Grau gleichgesetzt wird, ist aber bei den sog. Rotblinden ein anderes als bei den Grünblinden. Immerhin kann man Rot- blinde und Grünblinde unter dem Namen Rot-grünverwechsler zusammenfassen. Die Rot-grünhlindheit ist eine weit verbreitete Anomalie. Etwa 4°/0 aller Männer und nur 0,4% aller Frauen sind davon befallen. Man hat oft beobachtet, daß anomale Männer die Anomalie durch Vermittlung normaler Töchter auf ihre männlichen Enkel über- tragen. Es bestehen also ähnliche Vererbungsgesetze wie bei Hämo- philen u. a. Die ersten Anzeichen der Anomalie ergeben sich oft schon im Kindesalter beim Erdbeerensuchen und Kirschenpflücken. Für den Rot-grünblinden heben sich die roten Früchte von dem grünen Grund nicht ab. Oft wird die Anomalie erst weit später entdeckt, z. B. beim Militärdienst, oft bleibt sie wohl auch dauernd unbeachtet. Die praktische Bedeutung der Rot-grünblindheit liegt auf der Hand: beim Militärdienst, bei Eisenbahn- und Schiffsverkehr kann durch Rot-grünverwechselung natürlich das größte Unheil an- gerichtet werden, es ist deshalb durchaus gerechtfertigt, Rotgrün- blinde von diesen Berufen auszuschließen. Da aber die Rot-grünblindheit auch erworben sein kann durch Alkohol- oder Nikotinmißbrauch, durch tabische Atrophie u. a., so ergibt sich die Notwendigkeit der wiederholten Untersuchung solcher Beamten. Oft wird man erstaunt sein, mit welcher Sicherheit ein Rot- grünblinder die einzelnen ihm vorgehaltenen Farben zu benennen weiß und kaum den geringsten Fehler macht, die Betreffenden lernen auf feinste Sättigungs- und Helligkeitsunterschiede viel mehr achten als die Normalen und bringen es so oft zu einer erstaunlichen Fertig- keit, daraus auf die Farben Rückschlüsse zu machen. Daß sie trotz- dem die Farben nicht sehen wie die normalen, sondern gelegentlich den gröbsten Irrtümern ausgesetzt sind, ergibt eine geschickte Ver- suchsanordnung und geeignete Untersuchungsmethode. Diagnose: Eine der leichtest anzuwendenden Methoden ist die der Holmgreenschen Woll- und Wahlproben. Aus einer möglichst großen Menge bunter Wollenbündel nimmt man eine — grüne oder rote — Probe heraus, legt sie gesondert und fordert den Patienten auf, alle in der Farbe ähnlichen, nur heller oder dunkler erscheinenden möglichst schnell dazu zu legen. Die Farbe braucht dabei gar nicht benannt zu werden. Zu einer grünen Probe werden von solchen Patienten graue und rotbraune hinzugelegt, andere grüne, die der Normale ohne weiteres dazu legen würde, dagegen refüsiert, wenn ihm eine geringe Beimischung von gelb oder blau auffällt oder wenn er eine Verwechselung mit rot fürchtet. Aus dem Benehmen der Patienten bei dieser Untersuchung, aus der Schnelligkeit und Sicherheit des Sor- tierens einerseits, und der Langsamkeit, Unvollständigkeit, Bedenklichkeit anderer- seits, wird man meist leicht auf Anomalien des Farbensinns aufmerksam werden, wenn auch deren genaue Feststellung selbst dem geübten Untersuchet- Schwierig- keiten machen kann. Lehrbuch der Augenheilkunde. 10 146 Heine, Der Prüfung mit farbigen Signalen auf der Bahnstrecke, auf dem Wasser am nächsten kommen wir, wenn wir im mäßig abgedunkelten Zimmer eine höher oder niedriger brennende Petroleumlampe durch verschiedene gefärbte Gläser verdecken und auf mehrere Meter Entfernung - eventuell unter Benutzung eines Spiegels — den Patienten die Farben schnell benennen lassen. Zumal blau- grüne und blaurote oder auch gelbgrüne und gelbrote Gläser, in denen rot oder grün vorherrscht, werden oft als gelb oder blau bezeichnet, wodurch die Diagnose gesichert ist. Die Adlersche F arbstif t pr ob e besteht darin, daß man aus einer größeren Menge verschiedener farbiger Stifte einen mit einer Verwechslungsfarbe auswählt, damit auf weißem Papier einen oder mehrere Striche zieht und den Patienten auffordert, mit dem Stift den Namen der Farbe dahinter zu setzen. Allein sich selbst überlassen kann er mit beliebig vielen Stiften auf solche Weise eine protokollarische Darstellung seiner Farben Wahrnehmung geben. Vom Patienten mit Namen unterzeichnet, hat das Blatt den Wert eines Dokumentes. Stillings pseudoisochromatische Tafeln, Daaes pseudoiso- chromatische Reihen, Nagels F arben täf eich en sind Modifikationen der auf obigem Prinzip beruhenden Methoden, sie erfordern einen gewissen Apparat, dem die Gebrauchsanweisung beigegeben ist. In Deutschland ist in Heer, Marine, Eisenbahndienst die Untersuchung mit den Nageischen Proben obliga- torisch (Verlag Bergmann in Wiesbaden): dieselben werden den beamteten Ärzten von den Behörden geliefert. Das Vollkommenste leistet — abgesehen vom spektralen Mischapparate — der Heringsche Farbenmisch ap parat mit farbigen Gläsern. Der Pf lüg ersehe Florpapier versuch besteht darin, daß helle Buch- staben oder Felder auf sattfarbigem Grunde durch ein Seidenpapier betrachtet in dem zum Grunde gegenfarbigen Kontrast erscheinen. Der Farbenblinde sieht die subjektive Farbe meist nicht. Von einer eigentlichen Therapie der Anomalie kann zwar keine Rede sein, denn der Zustand ist als angeborener und stationärer zu betrachten. Auch von einer Erziehung des Farbensinnes kann man bei solchen Defekten nichts erhalten. Immerhin kann man solchen Patienten einen großen Dienst er- weisen durch folgenden kleinen Kunstgriff: Durch ein rotes Glas betrachtet verlieren alle grünen Farben am meisten an Helligkeit, am wenigsten oder gar nicht die roten. Umgekehrt erscheint alles Grüne durch ein grünes Glas relativ hell, alles Rote dunkel. Trägt der Patient also beständig ein rotes Glas bei sich, so kann er im Zweifels- falle, ob es sich um Rot oder Grün handelt, mit dem Glase die Unterscheidung treffen. Ein rot-grünblinder Chemiker half sich auf diese Weise stets bei Farbehreaktionen, ein Arzt selbst bei mikro- skopischen Diagnosen. Durch ein abwechselndes Benutzen sowohl eines grünen wie eines roten Glases können bei einiger Übung selbst geringe Bei- mengungen von rot oder grün zu einer anderen Farbe erkannt werden. Dichromaten nennt man zusammenfassendProtanopen, Deutera- nopen und Tritanopen, da sie von den drei normalen Komponenten des Farbensinnes (Trichromasie: Rot, Grün, Violett) nur zwei empfinden. Nach Hering scher Benennung wären Rotgrünblinde sowohl wie Gelb- blaublinde als Dichromaten zu bezeichnen. Mono Chromaten sind die total Farbenblinden (s. unten). Die Gelbblauhliiidheit, auch Violettblindheit oder Trita- nopie genannt, ist eine außerordentlich seltene Affektion, die mehr Funktionsprüfung. 147 theoretisches als praktisches Interesse verdient und deshalb hier nicht näher erörtert werden soll. Häufiger und praktisch wichtiger ist die totale Farbenblindheit, die, wenn sie angeboren ist, ein sehr typisches Bild darstellt. Abgesehen von der anamnestischen Angabe, daß nie irgend eine Farbe erkannt worden sei, ist das auffallendste Symptom zunächst eine ausgesprochene Lichtscheu. Zumal gegen das Licht besteht ein beständiges Blinzeln . Die Sehschärfe ist — besonders im Hellen — stark herabgesetzt und hebt sich bei mäßiger Abdunkelung auf 1l5—'7io des normalen. Oft bestehen Refraktionsanomalien mäßigen Grades, meist Astigmatismus, doch hebt sich der Visus selten über j/ö bei mäßig herabgesetzter Beleuchtung und bester Gläserkorrektion. Die Außengrenzen des Gesichtsfeldes sind normal, als Ursache für die Herabsetzung der Sehschärfe läßt sich oft ein kleines zentrales Skotom nachweisen, doch ist dieses wegen eines intermittierenden Nystagmus-oft mit großen Schwierigkeiten verbunden. Das Sehen im Dunkeln ist dagegen wesentlich besser als bei Normalen: schon nach 1—2 Minuten ist fast das Optimum erreicht, wozu der Normale 10—15 Minuten gebraucht (s. unten). An den Farben unterscheidet der Totalfarbenblinde nur die Hellig- keiten und zwar liegt für ihn im Spektrum die größte Hellig- keit nicht im Gelb, wie bei Normalen, sondern im Grün, wo es auch der Normale dann sieht, wenn sein Auge lange im Dunkeln gehalten ist. Das Sehen der Totalfarbenblinden ähnelt demnach dem des Normalen nach längerem Verweilen im Dunkeln ganz außer- ordentlich. Die totale Farbenblindheit kann ausgesprochen familiär sein. Nehmen wir nach M. Schultze und v. Kries an, daß im nor- malen menschlichen Auge die Zapfen der Wahrnehmung sowohl aller Farben, wie auch von Schwarz und Weiß dienen aber nur bei einer gewissen Helligkeit, die nicht unter eine bestimmte Grenze sinken darf, daß dagegen die Stäbchen bei einer noch wesentlich geringeren Helligkeit — aber nur auf farbloses Licht — reagieren, so liegt der Gedanke nahe, daß die Totalfarbenblinden Stabchenseher sind, wie die Normalen im Dunkeln. Der Sehpurpurgehalt der Stäbchen sensibili- siert diese besonders für grünes Licht, daher das Helligkeitsmaximum am Spektrum im Grün. Therapeutisch empfiehlt es sich, solchen Patienten eine mittelrauchgraue Brille unter Korrektion einer bestehenden Refrak- tionsanomalie zu verordnen, was meist ein bedeutend angenehmeres und besseres Sehen ermöglicht. Zwischen den Totalfarbenblinden und den Farbentüchtigen finden wir nun Übergänge von Farben schwäche (anomale Trichromasie). Von solchen Patienten werden entweder alle Farben schlechter, d. h. erst in mittleren oder höheren Sättigungsgraden gesehen, oder aber es fällt die eine oder die andere Farbe mehr oder weniger aus. Zumal wenn man die Farbenschwelle, d. h. das Minimum an Farbe teststellt, welches eine Versuchsperson eben zu erkennen vermag, so findet man große individuelle Verschiedenheiten. Immerhin macht es meist doch keine Schwierigkeiten, wirkliche Defekte von „Schwächen" zu trennen. Gelegentlich kann aber sehr wohl die Farbenschwäche 10* 148 Heine, einen solchen Grad annehmen, daß die Betreffenden von gewissen Berufen auszuschließen sind. Lichtsinn. Bei der Untersuchung des Lichtsinnes handelt es sich um zwei verschiedene Dinge: 1. Um die Anpassung des Auges an herabgesetzte Beleuchtung, um die Empfindlichkeit für kleinste Lichtmengen. Wir prüfen zu ihrer Beurteilung die Reiz- schwel 1 e. 2. Um die Unterschiedsempfindlichkeit. ©Weniger wichtig ist das letztere und • soll hier nur kurz erwähnt werden: Man untersucht das Auge auf seine Empfind- lichkeit für geringste Helligkeits- unterschiede bequem mit der Masson- schen Scheibe (Fig. 124). Wird eine solche Scheibe in schnelle Umdrehung versetzt, so sehen wir mehrere graue Ringe, die vom Zentrum nach der Peripherie zu an Inten- sität abnehmen. Je mehr Ringe jemand zählt, um so feiner ist sein Unterscheidungs- vermögen für Helligkeitsdifferenzen. Praktisch in Frage kommt diese Fähigkeit z. B. bei saccharometrischen Unter- suchungen mit dem Halbschattenapparat Fig. 124. Massonsche Scheibe. und allen ähnlichen Apparaten, wo es darauf ankommt, geringe Helligkeitsdiffe- renzen wahrzunehmen oder verschiedene Helligkeiten auf gleich einzustellen. Klinisch hat dieses Gebiet weniger Wichtigkeit als das der Reizschwelle. Auf einfache Weise können wir untersuchen, ob gröbere Störungen des Lichtsinnes vorliegen. Schon bei herabgelassenen Vorhängen, bei kleingeschraubter Lampe kann man feststellen, ob Handbewegungen, Finger ebenso und in gleicher Entfernung erkannt werden, wie wir Gesunde sie erkennen. In der Klinik begeben wir uns zusammen mit dem Patienten in ein Dunkelzimmer, dessen Fensterladen ein Aubertsches— großes —Diaphragma enthält; stellen wir uns neben dem Patienten unter das Fenster und befindet sich an der gegen- überliegenden Wand eine Sehprobentafel, so können wir unter allmählicher, aber ziemlich schneller Verkleinerung des Fensters feststellen, ob die Sehschärfe des Patienten wesent- lich schneller abnimmt als die unsere als normal an- genom mene. Kinder läßt man unter ähnlichen Bedingungen kleine Watte- bäusche oder Papierschnitzel suchen, um sich über ihren Lichtsinn zu unterrichten. Genauer bestimmen wir die Reizschwelle im absolut dunkeln Raum mit Hilfe des Förster sehen Photometers (eigentlich Photopto- meter) oder ähnlicher Apparate (Adaptometer) s. u. Funktionsprüfung. 149 Die Anpassung unseres Auges an herabgesetzte Be- leuchtung und unsere Wahrnehmung kleinster Lichtmengen, also unser Lichtsinn im eigentlichen Sinne des Wortes beruht darauf, daß bei Abnahme der Beleuchtung der Sehpurpur sich regeneriert; mit seiner steigenden Anhäufung in den Außengliedern der Stäb- chen steigt unsere Lichtempfindlichkeit, wir adaptieren uns, unsere „Reizschwelle" sinkt, die Erregbarkeit steigt. Beim Aufent- halt im Dunkelzimmer steigt die Erregbarkeit anfangs schnell, dann langsamer, um nach 15—20 Minuten fast das Maximum zu erreichen. Die Schnelligkeit, mit der wir die volle Adaptation erreichen, hängt ab von der vorhergehenden Belichtung, ihrer Dauer und Intensität und ist in diesem Sinne wechselnd. Es ist deshalb zur Prüfung eines Kranken notwendig, daß an dem Auge eines Gesunden (am besten an den eigenen Augen des Untersuchers), der der gleichen Belichtung ausgesetzt war, dieselbe Prüfung im Dunkelzimmer zu machen und die Ergebnisse zu vergleichen. Fig. 125. Försters Photometer. Nach längerem Verweilen im Dunkeln wird man bemerken, daß sich auf jedem Auge ein zentrales Skotom ausbildet: Schwache Lichtreize werden nur exzentrisch wahrgenommen und verschwinden, wenn wir sie fixieren wollen. Die Fovea hat ein verzögertes Adaptationsvermögen. Man erklärt dies durch die geringere Anzahl oder — im innersten Bezirk — durch das Fehlen der sehpurpur- haltigen Netzhautstäbchen. Der innerste Teil der Fovea enthält bekanntlich nur Zapfen. Auf der Innenseite der Rückwand eines zirka 30 cm langen Kastens befinden sich größere weiße Striche, Balken oder Scheiben, die an die Sehschärfe keine Anforderungen stellen, auf schwarzem Grunde und werden von einer an der gegenüberliegenden Kastenwand stehenden Normalkerze beleuchtet, deren Licht- menge durch ein Aubertsches Diaphragma abgestuft werden kann. Den Seh- objekten gegenüber, neben der Kerze, befinden sich zwei Eingucklöcher für die Augen. Zunächst muß das Diaphragma sehr weit gemacht werden, um die Wahr- 150 Heine, nehmung der groben weißen Objekte den vom Tageslicht noch geblendeten — an die Dunkelheit noch nicht gewöhnten — Augen zu ermöglichen. Haben die Augen die Objekte gesehen, so wird das Diaphragma verengt, die verstrichene Zeit und die Diaphragmaweite notiert. Blicken die Augen — nicht starr, sondern leicht bewegt — weiter in den Kasten hinein, so tauchen bald wieder die Objekte auf, um bei weiterer Verengerung des Diaphragmas wieder zu verschwinden. Nach zirka 10 Minuten geht der Prozeß der Adaptation wesentlich langsamer vor sich, man begnügt sich daher, den Effekt der Adaptation nach 10 Minuten Dauer in Millimetern Diaphragma anzugeben. Bei Verschluß der Diaphragma- öffnung durch ein Blatt Kanzleipapier (zur Gleichmäßigmachung der Leuchtfläche) verlangen wir unter diesen Bedingungen 2—3 mm Diaphragmadurchmesser. Ist die Reizschwelle erhöht, d. h. die Lichtempfindlichkeit des Auges ver- mindert, brauchen wir also gröbere Reize, so darf das Diaphragma etwa nur auf 5 oder gar 10 mm im Verlauf von 10 Minuten verengt werden. Ist die Reizschwelle niedrig, so erreicht die Adaptation schon nach 2—3 Minuten den Normalwert von 2 3 mm und nach 10 Minuten Adaptation haben wir dann einen minimalen Diaphragmadurchmesser von 1 oder V2 mm. Die Störungen der Adaptation bestehen meist in einer Verlangsamung, derart, daß nach 10 Minuten Dunkelaufent- halt das Diaphragma nur auf 20 oder 10 mm verengt werden kann. Solche Werte sind mit Sicherheit pathologisch. Soweit diese Störungen doppelseitig gleich stark sind, z. B. bei Ret. pigment. etc., so unter- suchen wir beide Augen zu gleicher Zeit, doch gestattet das For- st er sehe Photometer auch Einzeluntersuchungen, was z. B. bei Amotio retinae erwünscht ist. Verlangsamung der Adaptation finden wir am häufigsten bei allgemeinen Ernährungsstörungen; bei Kindern ärmerer Be- völkerungsschichten, besonders im Frühling, wenn durch den Aufent- halt im Freien der Stoff- und Kraftverbrauch ein lebhafter, auch der Stoffwechsel in Retina und Aderhaut durch größere Lichtmengen ein gesteigerter ist und die Ernährung mit Kartoffeln und Kaffee den Verbrauch nicht ersetzt, so treten oft als erstes Symptom markante Störungen ein, die den Eltern nicht entgehen können: bricht die Dämmerung schnell herein, so finden die Kinder nicht nach Hause, oder laufen in den mangelhaft erleuchteten Wohnräumen gegen Tisch und Stühle. Ein objektives Symptom der tiefgreifenden Ernährungs- störung sind die Xerose-Flecke in der Konjunktiva. Den Zustand nennen wir Hemeralopie oder Torpor retinae (Nacht- oder Hühnerblindheit). Auch bei Erwachsenen kennen wir diese Krank- heit, z. B. früher in Arbeitshäusern, wo die Ernährung im Verhältnis zur Arbeit unzureichend war. Hier kommt es zunächst zur Hemera- lopie und Xerosis conj., dann in sehr schweren Fällen zur Keratitis xerotica und event. zum Verlust eines oder beider Augen. Es handelt sich also hier um denselben Prozeß, wie bei päd- atrophischen kleinen Kindern, deren Augen unter dem Einfluß der allgemeinen Ernährungsstörung eintrocknen, nur daß wir bei diesen nicht durch vorangehende Hemeralopie gewarnt werden. Wie auf ein Zauberwort verschwinden Hemeralopie usw. nach Einführung einer genügenden, besonders fett- und eiweißhal- tigen Ernährung. Auch andere Ernährungsstörungen können Hemeralopie erzeugen: die chronische Gastritis der Potatoren, die Kachexie der Krebs- kranken, chronische Leberleiden usw. wo die Therapie freilich weniger glücklich ist. Funktionsprüfung. 151 Lokal bedingt ist die Hemeralopie doppelseitig bei der Pigmentdegeneration der Netzhaut, bei chronischen Aderhaut- und Netzhautdegenerationen, wie wir sie z. B. bei Lues hereditaria haben, bei hochgradiger Myopie, bei Siderosis bulbi, in geringerem Grade auch bei Optikusatrophie. Reine Aderhautleiden z. B. Chor, dissem. führen dazu viel weniger als Netzhautdegeneration, um so weniger. als bei der Chor, dissem. zwischen den Herden meist noch normale Stellen funktionieren. Einseitig finden wir sie besonders bei Amotio retinae und einseitigen Aderhaut- oder seltener Sehnervaffek- tionen. Störungen der Adaptation im Sinne einer Steigerung finden wir fast nur bei Totalfarbenblinden (Nyktalopie) (s. oben). Wir kennen außerdem auch eine dioptrisch bedingte Tag- und Nacht- sichtigkeit (oder Nacht- und Tagblindheit). Diffuse Hornhauttrü bungen stören nämlich das Sehen bei enger Pupille — also bei Tage — weit weniger (stenopäisches Sehen) als Abends, wenn bei geringer Helligkeit die Pupillen weit sind (dioptrische Hemeralopie), zentral gelegene Hornhaut- oder Linsentrübungen schädigen dagegen, zumal wenn sie intensiv sind, das Sehen bei enger Pupille — also bei Tage — besonders „gegen das Licht" vielmehr als Abends (diop- trische Nyktalopie). Der Verlauf der Adaptation ist dabei in nicht komplizierten Fällen nicht gestört. Auch Lähmungen und Verengerungen der Pupillen (Ver- wachsungen) können in Betracht kommen; bei enger adhärenter Pupille ist die Erweiterung im Dunkeln ausgeschlossen und damit die Adaptation beeinträchtigt. Bei Mydriasis dagegen wird eine gewisse Nyktalopie und Blendungsgefühl im Hellen bestehen. Therapeutisch kommt für dioptrische Hemeralopie ein Miotikum, für die Nyktalopie ein Mydriatikum oder die optische Iridektomie in Frage. Binokulares Sehen. In den vorstehenden Betrachtungen hatten wir uns mit jedem Einzelauge allein beschäftigt und Wert darauf gelegt, daß jedes Auge für sich untersucht wird, da man sonst den gröbsten Irrtümern aus- gesetzt ist. Die hemianopischen Gesichtsfeldformen führten uns schon an das Gebiet des „Doppelauges" heran, diesen Weg wollen wir jetzt weiter verfolgen. Zweierlei ist dabei zunächst zu überlegen: 1. Unter welchen Bedingungen sehen wir einen Gegenstand nicht doppelt, obwohl wir 2 Netzhautbilder von ihm (in jedem Auge eines) erhalten, und unter welchen Bedingungen sehen wir ihn doppelt'.-' 2. Welche Bedingungen ermöglichen uns die Binokulare Wahr- nehmung der III. Dimension, die Tiefenwahrnehmung im strengen Sinne? Korrespondenz der Netzhäute. Legen wir in jedem Auge durch den Knotenpunkt eine vertikale Gerade, legen wir ferner durch diese Gerade und durch den Fixierpunkt eine Ebene, so schneidet diese die Netzhaut im Längsmittelschnitt oder mittleren Längsschnitt. Legen wir nun durch die beiden Knotenpunktsvertikale parallelen Paare von Ebenen, so schneiden diese die Netzhäute in meridianähnlichen Linien (s. Fig. „Netz- häute" 126, 127, 128 und 129). 152 Heine, Legen wir ferner durch beide Knotenpunkte eine horizontale Ebene, die also durch beide Fixierpunkte (bei Primärstellung) geht, so schneidet diese jede Retina im „mittleren Quer sehnitt". Jede durch beide Knotenpunkte (oder deren Verbindungslinie) gelegte Ebene schneidet die Retina jedes Auges in Linien wie Fig. 126—128 zeigt. ai und aä> bx und b2, qt und q2 usw. nennen wir (identische oder) korrespondierende Punktpaare. Der Sinn der Korrespondenz ist der, daß ein Punkt der Außenwelt, dei; sich auf korrespondierenden Punkten in beiden Augen abbildet, binokular einfach gesehen und in dieselbe Entfernung verlegt wird wie der binokular fixierte Punkt, dessen Bilder in Fj und F2 liegen. Korrespondierende Punkte sind ferner sämtliche Schnittpunkte der oben gezeichneten meridianähnlichen Linien. I bl c d "TT / ■' •i F, e, fi 9i hl| 2 bl °2 d5 / k. h ■+vA e2 fj 92 H Fig. 126. Fig. 127. Netzhäute von hinten, Fig. 128. von der — linken — Seite, Legen wir die Netzhäute beider Augen wie 2 hohle Halbkugeln in der der Primärstellung entsprechenden Orientierung (ohne Rotation) ineinander und stechen wir von irgend einer Stelle mit einer Nadel durch beide Retinae hindurch, so treffen wir stets ein Paar korrespondierende Punkte. Diese Korrespondenz beider Retinae betrachten wir nach Hering als an- geborene Einrichtung. Zwei Punkte, von denen je einer in jeder Retina liegt und die nicht im obigen Sinne korrespondieren, nennen wir „disparat*. Es wäre also z. B. a! zu b> disparat und zwar querdisparat, Fx zu i._, längsdisparat. Reizung disparater Punkte vermittelt uns Doppelbilder, auch wenn die Reizung von einem Lichtpunkte der Außenwelt ausgeht, vorausgesetzt daß die Disparation eine gewisse Größe besitzt, während uns Reizung korrespondierender Funktionsprüfung. 153 Punkte nie Doppelbilder vermittelt, auch wenn 2 Lichtpunkte der Außenwelt den Reiz aussenden. Wird Fx von einem Lichtreiz getroffen, so sieht das LA am Fixierpunkt einen Lichtleuchtpunkt. Bildet sich diesorselbe Lichtpunkt im RA in c2 ab — was nur bei einer Adduktionsstellung des rechten Auges, durch die c> an Stelle von F., gerückt wird, möglich ist —, so sieht das RA nunmehr einen zweiten Lichtpunkt rechts vom Fixierpunkt an der Stelle, die dem ursptünglichen Ort von c2 gegenüberliegt. Das Auge weiß sozusagen nichts von seiner ver- änderten Stellung und verlegt den empfangenen Reiz an die Stelle der Außen- welt, woher es seine Reize unter normalen Verhältnissen erhält; es hat c2 für die Außenwelt den Rauinwert „rechts neben dem fixierten Punkt". Das vom RA gesehene Doppelbild liegt also bei Konvergenz der Blicklinie rechts von dem des linken Auges, wir nennen es gleichnamig, die Querdisparation eine gleich- namige. Bildet sich ein vom LA fixierter Lichtpunkt im RA in e2 ab — was nur bei einer Abduktionsstellung des rechten Auges, durch die e, an Stelle von F2 gerückt wird, möglich ist — so sieht das RA nun einen zweiten Lichtpunkt links vom Fixierpunkt an der dem ursprünglichen Ort von F2 gegenüberliegenden Stelle der Außenwelt: es erhält ein ungleichnamiges oder gekreuztes Doppelbild, die Querdisparation ist eine ungleichnamige oder gekreuzte. Zum Zustandekommen von Doppelbildern gehört — wie oben schon ange- deutet — eine gewisse Größe der (Quer- oder Längs-) Disparation. Was geschieht nun, wenn diese Größe unter einem gewissen Betrag bleibt? (cf. Fig. 130). Es bilde eich ein Lichtpunkt im LA in F^ im RA in F2 ab, d. h. es fixieren beide Augen den Licht- punkt. Nähern wir jetzt rechts von diesem binokular fixierten Punkt einen zweiten Lichtpunkt unserem Kopfe, so wird sich dieser im RA beispielsweise in c , im LA dagegen nicht in cx, sondern etwa in bt ab- bilden, wie die Fig. 130 zeigt, oder umgekehrt ausgedrückt: bildet sich bei binokularer Fixation von F ein zweiter Punkt im LA in b1; im RA aber in c2 ab, so vermittelt uns der Doppelreiz, bevor er Doppelbilder auslöst eine Nähe vorstellung (in bezug auf F). Bildet sich dagegen unter gleichen Bedingungen ein zweiter Lichtpunkt im RA in e2, im LA in di ab, so ergibt sich eine Fernvor- stellung. Das erstere nennen wir un- gleichnamig-gekreuzte, das letztere gleichnamige oder ungekreuzte Quer- disparate,, denn im ersten Falle sind unsere Augen für den zweiten Punkt relativ divergent, im zweiten Falle aber relativ konvergent, was einer relativen Abduktion im ersten, einer relativen Adduktion im zweiten Falle (s. o.) entspricht. Die Längsdisparation ist für unsere — neben- und nicht übereinander stehenden - Augen bedeutungslos, soweit sie uns nicht — bei Abweichung eines Auges nach oben oder unten — vertikal distante Doppelbilder ver- mittelt. Hier haben wir also die physiologischen Grundlagen für die Wahrnehmung der III. Dimension vor uns. Fig. 130. 154 Heine, Untersuchung auf binokulares Sehen. 1. Verdecken wir das eine Auge eines Patienten locker mit der Hand — doch so, daß das Auge hinter der Hand offen gehalten wird — und lassen wir das andere Auge eine vorgehaltene Stecknadel fixieren, so weicht das verdeckte Auge meist um eine Kleinigkeit nach innen oder außen ab, denn ein ideales „Muskelgleicbgewicht" ist meist nicht vorhanden. Geben wir das ver- deckte Auge nun wieder frei, so wird es eine Einstellungsbewegung auf das Fixierobjekt machen, wenn es Interesse am binokularen Einfachsehen hat, wenn also ein gewisser Grad von binokularem Sehakt vorhanden ist. Bleibt es in deutlicher Konvergenz oder Divergenz, so ist das binokulare Sehen mangelhaft. 2. Lassen wir beide Augen nach einer Lichtflamme sehen und halten wir vor das eine ein Höhenprisma von zirka 10° (Basis nach oben oder unten), so entstehen vertikaldist ante Doppelbilder in dem Falle, daß ein gewisser Grad von Binokularsehen vorhanden ist. 3. Holten wir das Prisma mit der brechenden Kante nasal, mit der Basis temporal gerichtet (Adduktionsprisma), so werden gekreuzte Doppel- bilder erzeugt, die eine Konvergenzinnervation und eventuelle Ver- schmelzung der Doppelbilder auslösen, falls ein gewisser Grad von Binokular- sehen vorhanden ist. 4. „Sammelbilder" im Stereoskop werden nur von 2 Augen gebildet, die ein Interesse an gemeinsamer Arbeit haben. (Stereoskopbilder für Schielende von Kroll, Dahlfeld, Hegg, Hausmann u. a., denen eine kurze Gebrauchs- anweisung beiliegt.) Hatten wir es bisher nur mit der Feststellung zu tun, ob überhaupt Bin- okularsehen vorhanden ist, so gestatten uns die folgenden Methoden ein Urteil ob stereoskopisches Sehen im engeren Sinne vorhanden ist, d. h. ob das Binokularsehen zur Wahrnehmung der dritten Dimension richtig verwertet wird. 5. Im Stereoskop lassen wir z. B. nebenstehende Figur 131 betrachten. Bei richtigem stereoskopischen Sehen scheint der kleine Kreis vor der Ebene des größeren zu schweben und zwar vor dessen Mitte. © © Fig. 131. Hier haben wir es also mit eigentlicher körperlicher Wahrnehmung zu tun. Durch größere oder geringere symmetrische Exzentrizität der kleinen Ringe kann man auf die Feinheit des Binokularsehens Schlüsse ziehen. 6. Befindet sich ein Patient 2 oder 3 Stricknadeln gegenüber, deren obere und untere Enden ihm verdeckt sind, so muß er sofort richtig angeben, wenn wir eine davon nach vorn oder hinten verschieben, nachdem sie z. B. zunächst in einer Front gestanden hatten. Auf einige Meter Entfernung kann man auf diese Weise schon Entfernungsunterschiede von einigen Millimetern erkennen (Stäbchenversuch). 7. Lassen wir einen Patienten durch ein schlitzförmiges Diaphragma nach einer in ca. 30 cm Entfernung vor einem schwarzen Hintergrund aufgestellten Fixationsmarke blicken und lassen wir diesseits oder jenseits derselben Erbsen oder Perlen herunterfallen, so muss er — ohne Fehler zu machen — erkennen, ob die Erbse vor oder hinter der Marke fiel (Herings Fallversuch). 8. Fixiert ein Patient mit dem rechten Auge einen vertikalen weißen (ca. xji cm breiten) Papierstreifen auf schwarzem Grunde 15 Sekunden Funktionsprüfung. 155 lang mit dem linken Auge unter Verschluß des rechten, dann einen hori- zontalen ebensolchen Streifen — oder denselben, nachdem er um 90° gedreht ist — mit ruhig gehaltenem Blick, so sieht das geschlossene Doppelauge ein Kreuz (Nachbild versuch). Statt des Papierstreifens kann man zweckmäßig einen elektrischen Glühkörper mit linear gestrecktem Kohlenfaden benutzen und das Nachbild durch Blinzeln gegen den hellen Himmel erzeugen. Störungen des Binokularsehens. Störungen des Binokularsehens sind meistens bedingt durch ein- oder doppelseitige Sehschwäche. Die häufigste Ursache der einseitigen Herabsetzuug der Sehschärfe ist die kongenitale Amblyopie (Schielamblyopie). Als kongenitale Amblyopie bezeichnen wir ge- ringste oder höchstgradige Sehschwäche, für die sich weder in den brechenden Medien, noch im Augenspiegelbefund eine genügende Er- klärung findet, die so lange besteht, als Patient denken kann und als stationärer Zustand anzusehen ist. Früher hat man diese kongenitale Amblyopie als Schielamblyopie bezeichnet und damit sagen wollen, daß das Auge durch Schielen schwachsichtig werde (Amblyopie ex anopsia: Sehschwäche durch Nichtgebrauch). Man verband daher das sehtüchtige Auge und ließ die Kinder methodische Sehübungen machen. Die Erfolge waren derartige, daß man diese Therapie aufgab und zu der Überzeugung kam, daß das Auge nicht schwachsichtig werde, weil es schiele, sondern daß es schiele, weil es von Hause aus schwach- sichtig sei. Sind auch theoretisch beide Möglichkeiten zuzugeben, so scheint doch letzteres das bei weitem häufigere zu sein; dafür spricht das Vorkommen von kongenitaler Amblyopie in Augen, die nie geschielt haben, denn nicht alle angeborenermaßen schwachsichtigen Augen lernen schielen, woher soll also hier die „Schielamblyopie" kommen. Ferner schielen Augen, ohne schwachsichtig zu sein (Strab. alternans). Endlich spricht auch das fast regelmäßige Vorkommen von Refrak- tionsanomalien, zumal Hyperopie mit Astigmatismus, und ein zentrales Skotom von einer der Sehschwäche entsprechenden Größe für eine angeborene Entwickelungshemmung. Daß diese angeborene Sehschwäche durch psychische Einflüsse — innere Hemmung — vergrößert werden kann, soll nicht geleugnet werden, und so erklären sich wohl die Mitteilungen, daß sich die Sehschärfe eines früher schwachsichtigen Auges nach Verlust des sehtüchtigen Auges erheblich gebessert habe. Leider stellen auch diese Fälle die Ausnahmen dar. Die Mitteilungen Worth's, daß durch Übung des schwächeren Auges von frühester Jugend und Ausschaltung des besseren Auges für die Nähe (durch chronische Atropinanwendung) der Übergang der kongenitalen Am- blyopie (leichteren Grades) in die Schielamblyopie höheren Grades verhindert werden könne, bedürfen noch weiterer Untersuchung. Eine zweite Ursache für Störungen des binokularen Sehens stellt die Anisometropie dar. Sie stört die Tiefwahrnehmung im gleichen Grade als ob beide Augen den höheren Grad der Ametropie hätten. Von diesem Gesichtspunkte ist es durchaus nicht als Luxus » zu betrachten, auch einseitige Refraktionsanomalien auszugleichen. In den 20er Jahren schon wird eine solche anisometropische Kor- rektion freilich oft nicht mehr vertragen. Lehrbuch der Augenheilkunde. 11 156 Heine, Die einseitige Sehschwäche kann nun auch erworben sein durch dioptrische Anomalien (Maculae corneae, Opacitates lentis), durch Retinal- und Chorioidealerkrankungen, endlich durch Erkran- kungen der Sehnerven und der Sehbahnen und anschließende Ge- sichtsfeldstörungen. Außer Sehschwäche und Anisometropie kommen als Ursache für die Störungen des Binokularsehens motorische Beeinträch- tigungen in Betracht: Alle Augenmuskellähmungen, einseitige Ak- kommodationslähmung u. a. Während die auf angeborener oder in früher Jugend erworbener einseitiger Sehschwäche beruhenden Störungen der Tiefenwahrnehmung die Patienten nie belästigen, machen die Erworbenen oft erhebliche Unannehmlichkeiten. Zumal bei subjektiven Skotomen stören der dunkle Fleck, bei Akkommodationsstörungen der Wettstreit der Netzhäute und bei Lähmungen der äußeren Augenmuskeln die Doppel- bilder. Die Therapie richtet sich ganz nach dem Grundleiden, endigt jedoch in manchen Fällen bei der Ausschaltung des geschädigten Auges durch Blendglas u. dergl., falls sich die subjektiven Störungen auf keine andere Weise beseitigen lassen. Simulation und Aggravation. Im Zeitalter der Unfalls- und Invaliditäts-Gesetzgebung ist das Heer der Simulanten und Aggravanten ganz erheblich gewachsen. Wenn auch der Hang zu Trägheit und Betrug wohl immer eine der stärksten Triebfedern war, so wurde dies doch durch die genannte Ge- setzgebung in oft erschreckender Weise offenkundig. Ferner ist beim Aushebungsgeschäft die Aufmerksamkeit auf solche Dinge ja allererste Forderung. Die augenärztlichen Untersuchungsmethoden sind wohl die exak- testen in der gesamten Medizin; wir sind daher fast stets in der Lage, ein Urteil abzugeben, ob eine Sehschwäche objektiv begründet oder nur subjektiv (funktionell) ist. Daß sie simuliert ist, soll damit freilich noch nicht gesagt sein, die Differentialdiagnose gegenüber der Hysterie, traumatischer Neurose und Neurasthenie ist vielmehr mit aller Sorgfalt zu stellen. Ein sicheres Urteil, ob eine Sehschärfe funktionell oder objektiv begründet ist, ist aber nur dem möglich, der die objektive Unter- suchung (inkl. Astigmatismus) beherrscht. Man verkenne nicht, daß diese Differentialdiagnose eine große persönliche Verantwortung in sich schließt, da es sich fast nie um subjektive Auffassung des Be- gutachters, sondern um kontrollierbare Tatsachen handelt, Man soll sich möglichst keinen Fall von Simulation durch die Finger schlüpfen lassen, man soll aber noch viel weniger Simulation da annehmen, wo sie nicht vor- liegt und die fehlerhafte Diagnose auf Rechnung des Untersuchers zu setzen ist. So erinnere ich mich eines Falles, wo ein älterer Mann mit Hyperopie und Astigmatismus im Gutachten für einen Simulanten erklärt war. Refraktionsanomalie war nicht erwähnt. Mit korrigierendem Glase gab Patient sofort befriedigende Funktionsprüfung. 157 Sehschärfe an, das Trauma hatte keine Folgen gehabt. Aber selbst wenn die Sehschärfe durch Gläser nicht zu heben gewesen wäre, hätte der Begutachter besser getan, eine angeborene Schwachsichtigkeit anzunehmen, denn daß selbst Erwachsene erst durch ein Trauma veranlaßt werden, die Sehverhältnisse ihrer Augen einzeln zu untersuchen und bei der Gelegenheit dann zufällig die ange- borene Schwachsichtigkeit entdecken, ist uns eine wohlbekannte Erfahrungstat- sache, gehört aber natürlich nicht in das Gebiet der Simulation. Ganz besonders vorsichtig sei man bei der Beurteilung von Kindern. Was man bei Erwachsenen Lug und Betrug gröbster Sorte nennt, kann bei Kindern sehr wohl einer durchaus harmlosen Auffassung zugänglich sein. Hat man eine Sehschwäche als sicher funktionell erkannt, so hängt es vom allgemeinen Nervenstatus von der Beurteilung des psychischen Verhaltens ab, ob man diese als simuliert oder als hysterisch auffassen soll. Man hüte sich namentlich, einzig und allein aus dem Augenbefund (einschließlich der Gesichtsfeldprüfung) die sichere Diagnose auf Simulation zu stellen. Daß das Jammerbild eines bewußten Simulanten mit seinem lichtscheuen Blinzeln, seinen absichtlich unbeholfenen Bewegungen, seinen vorgestreckten tastenden Händen, die auf das zu vermeidende Hindernis schon von weitem hinzeigen usw. ein eindeutiges ist, versteht sich von selbst, es gibt aber von da bis zur durchaus unbewußten Funktionsstörung, die den Menschen unglücklich macht und ihm keinerlei Vorteil ver- schafft, alle Übergänge und man wird im Zweifelsfalle lieber einen Aggravanten etwas zu milde als einen Kranken ungerecht be- urteilen. In schwierigen Fällen ist nicht nur eine öfter wieder- holte Untersuchung, sondern auch eine Beobachtung für einige Tage in der Anstalt gelegentlich unerläßlich. Betreffs der sonstigen nervösen und psychischen Erscheinungen der traumatischen Neurose und der Hysterie sei hier nur auf die Kapitel der betreffenden Lehrbücher hingewiesen (Mering, S. 907 ff.). Simuliert werden kann: 1. Doppelseitige Blindheit, 2. Einseitige Blindheit, 3. Doppelseitige Schwachsichtigkeit, 4. Einseitige Schwachsichtigkeit. 1. Ob die doppelseitige Blindheit wirklich objektiv begründet oder nur funktionell ist, unterscheidet man am besten durch längere Beobachtung in einer Anstalt. Es ist sehr schwer, wohl fast unmöglich, dauernd alle Seheindrücke der? artig zu ignorieren, daß man den Eindruk des Blinden macht, zumal, wenn sich plötzlich dem Auge die scharfe Spitze eines Messers nähert u. ä. Ein solcher Simulant wurde dadurch entlarvt, daß ihm beide Augen fest verbunden wurden. Er hatte sich trotz seiner „Blindheit" in der Anstalt bereits so gut zurechtfinden lernen, daß er allein gehen konnte, nun aber stieß er plötzlich überall an, so daß man an einer Verwertung seiner optischen Eindrücke im unverbundenen Zustand nicht zweifeln konnte. Da der Annäherungsreflex mit erstaunlicher Konsequenz unterdrückt wurde, kann man an der bewußten Simulation wohl kaum zweifeln. Übrigens sind simulierte und hysterische doppelseitige Blindheiten seltene Dinge. Die Hysterie würde sich durch ihre Beeinflußbarkeit unterscheiden lassen. 11* 158 Heine, Eventuell schon mit Fenstergläsern ist die Sehschärfe normal, oder mit Konkav- gläser oder unter der Behandlung mit dem elektrischen Strom u. ä. 2. Einseitige wirkliche Blindheit ist meist leicht zu erkennen am Fehlen der direkten Pupillarreaktion bei erhaltener konsensueller. Auch bei höchstgradiger Amblyopie ist diese Pupillarreaktion noch nachweisbar und es ist sehr selten, daß in einem blinden Auge die Pupille noch reagiert. Ist sie vorhanden und will Patient gar nichts, auch nicht starken Lichtschein wahrnehmen, so liegt fast stets Simu- lation vor, denn völlige einseitige Amaurose ist wohl höchst selten ein hysterisches Symptom. a) Lassen wir einen solchen Simulanten sein sehendes Auge mit der einen Hand verschliessen und fordern wir ihn auf, mit seinem blinden Auge nach seiner anderen Hand hinzusehen, so sieht er absichtlich ganz wo anders hin und verrät sich damit. Auch den Untersucher, der mit ihm spricht, sieht er — wenn er dazu aufgefordert wird — nicht an, obwohl er das nach der akustischen Lokalisation genügend genau tun könnte. b) Lassen wir einen Simulanten nach einer brennenden Flamme sehen und halten wir ihm vor das „blinde" Auge ein Adduktionsprisma von zirka 10°, so wird das Auge eine Adduktionsbewegung machen, wenn es sieht, dagegen nicht, wenn es blind ist. c) Wir verdecken ihm das „blinde" Auge mit der Hand und erzeugen ihm monokulare Doppelbilder dadurch, daß wir die scharfe brechende Kante einesPrismas horizontal vor die Mitte derPupille halten. Haben wir ihn so von der Möglichkeit, mit einem Auge doppelt zu sehen überzeugt, so lassen wir — scheinbar ganz unabsichtlich — das mit der Hand verdeckte Auge frei, schieben aber gleichzeitig das Prisma etwas vor, so daß die ganze Pupille gedeckt ist. Nun fragen wir — nicht etwa, „sehen Sie jetzt auch noch 2 Lichter", denn das könnte den betreffenden leicht stutzig machen, sondern etwa — „Stehen die Lichter genau übereinander?" oder dergl. Sieht er auch jetzt noch doppelt, so sieht er das eine Bild mit dem angeblich blinden Auge. 3. Doppelseitige Herabsetzung der Sehschärfe wird seltener simuliert. In Frage kommen die Militärpflichtigen. Häufig findet man bei Schulkindern solche Angaben oft wechselnden Grades; oft ist dabei Hysterie im Spiel. Man wird nun unter möglichst wechseln- den Bedingungen prüfen und so die Patienten in Widersprüche verwickeln. Mit Plusgläsern oder Konkavgläsern erreichen wir dann bald volle Sehschärfe. Auch Androhung einer schmerzhaften elektrischen Kur (faradischer Pinsel) genügt oft schon. Bei den jetzt im größeren Maßstabe vorgenommenen Schuluntersuchungen sind selche Sachen nicht selten. Handelt es sich um Simulation, so stehen uns Verwechslungs- proben zur Verfügung, bei denen der Patient möglichst im Unklaren zu lassen ist über die Entfernung, in der sie zu lesen sind. Der Spiegel tut hier gute Dienste: Liest der Patient nur 6/36, stellen wir aber an Stelle der Leseprobe einen Spiegel und halten die Leseprobe (in Spiegelschrift) neben ihn, so hat er schon 12/36, wenn er dieselben Zahlen liest. Stellen wir ihn in die Mitte zwischen Spiegel und Zahlentafel, 3 m von jedem entfernt, liest er z. B. 3/36 direkt, so hat er beim; Lesen im Spiegel ceteris paribus 9/ae. Solche Differenzen liegen außerhalb der Fehlergrenze. Auf kleine Unterschiede von 2/s und 3/i lege man freilich keinen Wert. 4. Häufiger simuliert wird die einseitige Sehsclrwäche jeden Grades. Hier stehen uns die Methoden zur Verfügung, die darauf basieren, daß der Patient nicht weiß, ob er mit dem R.A. oder mit dem L.A. sieht. Selbstverständlich muß jeder — objektiv bestimmte — Brechungs- fehler des „schwachsichtigen" Auges zunächst korrigiert und unter Funktionsprüfung. 159 Verschluß des anderen Auges die gutwillig angegebene Sehschärfe bestimmt werden. a) Hat Patient z. B. V. < V« angegeben auf dem angeblich schwachsichtigen Auge, so machen wir ihm das gesunde Auge, wenn es emmetropisch ist, durch -f 3,0D. kurzsichtig, liest er nun mehr als Vio, so sieht er das ange- gebene mit dem anderen Auge. Natürlich darf keine Hyperopie des gutsehenden Auges vorliegen! b) Auch ein starkes Konvexglas von + 10,0 D. z. B. kann man ihm vor das gesunde Auge nehmen lassen und ihn in zirka 8 cm feinsten Druck lesen lassen, geht man nun langsam mit der Leseprobe weg, so wird bei 11 bis 12 cm Entfernung das andere Auge eintreten müssen, wenn es gute Sehschärfe und Akkommodation hat. Hat man es mit älteren Leuten zu tun, so nimmt man statt dessen -f- 5,0 D. und sucht die Leseprobe allmählich weiter als 20 zu entfernen. c); Auch im Stereoskop kann man solche Patienten lesen lassen, indem man zunächst dem normalen Auge eine Leseprobe ins Gesichtsfeld schiebt, dann dem angeblich schwachsichtigen. Wir benutzen dazu Stereoskope, denen oben das Schutzdach weggenommen ist, damit wir die Augen des Patienten beobachten können. Zukneifen eines Auges erweckt schon von vornherein stark den Verdacht auf Simulation. d) Rote Buchstaben werden auf weißem Grunde durch ein passend rotes Glas, auf schwarzem Grunde durch ein grünes ausgelöscht. Was Patient also an roten Buchstaben bei Vorsetzen eines roten Glases vor e i n Auge er- kennt, sieht er bei weißem Hintergrund mit dem freiem Auge, bei schwarzen mit dem rot bewaffnetem Auge , wenn das andere Auge ein grünes Glas bekommen hat. Man mache dabei selbst keine Verwechslungen! Untersuchen wir mit roten Buch- staben auf weißem Grunde, so geben wir das rote Glas vor das gesunde Auge, eventuell ein grünes vor das angeblich schwache, haben wir farbige Buchstaben auf schwarzem Grunde, so darf das rotbewaffnete Auge nur die roten, das grüne nur die grünen Buchstaben lesen. Werden beide gelesen, so sehen beide Augen. Hierher gehören die Haselbergschen Sehproben. Anleitung liegt bei. Man kann sich leicht ähnliche Sachen selbst anfertigen, indem man Zahlen abwechselnd mit rotem Stift und mit Tinte in einer Reihe auf weißen matten Karton zeichnet und dem gesunden Auge ein rotes Glas vorsetzt, durch das die roten Zahlen völlig ausgelöscht werden. Dem anderen Auge kann man ein grünes Glas vorsetzen, wodurch ihm dann die roten Zahlen schwarz erscheinen. Man überzeuge sich, daß sich die roten Zahlen nicht etwa durch Glanz oder dergl. erkennen lassen. Dann würde mau eventuell einen Unschuldigen verdächtigen. e) Läßt man einen Patienten in einem Buch lesen und hält ihm einen Blei- stift zwischen Buch und Nasenwurzel, so wird er fließend nur lesen, wenn beide Augen sehen, er wird stocken, wenn ein Auge schlecht sieht und dem anderen durch den Bleistift einzelne Worte verdeckt werden. Er muß natür- lich immer an entsprechender Stelle der nächsten Zeile stocken, wenn Bleistift, Kopf und Buch ihre Lage nicht verändert haben. Bei einseitigem Anophthalmus sind zur Entlarvung der Simula- tion auf dem 2. Auge die Verwechselungsproben (s. 3) zu benutzen. Die Zahl der Methoden zur Untersuchung auf Simulation ist außerordentlich groß und besonders sind alle möglichen z. T. recht sinnreichen Apparate angegeben. Sie sind jedoch fast alle entbehr- lich und das oben Angegebene dürfte für die meisten Fälle wohl aus- reichen. Dissimulation. Einer kurzen gesonderten Besprechung bedarf die Dissimu- lation d. h. die Verheimlichung bestehender Schwächen. Solches kommt bei jungen Leuten vor, die z. B. durchaus bei der 160 Heine. Marine eintreten wollen und an deren Sehvermögen bestimmte An- forderungen gestellt werden. Genügen sie diesen nicht, so lernen sie die Sehtafeln auswendig und können leicht den Arzt hinters Licht führen. Bestätigt dieser dann durch Attest, normale Sehschärfe ge- funden zu haben, so kann das rechte Unannehmlichkeiten im Gefolge haben. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Eisenbahnbeamten be- sonders Lokomotivführern (beginnende Katarakte u. a., Intoxikations- amblyopie). Man schützt sich dagegen durch Verwendung von Lese- proben, die Patient nicht kennt oder durch Hakentafeln, die man um 90 oder 180° drehen kann, so daß er sie kaum auswendig gelernt haben dürfte. Auch Farbenblindheit — erworbene oder angeborene — wird gar nicht selten zu dissimulieren versucht, davon war schon oben die Rede. Die Motilitätsstörungen und Stellungs- anonialien. Von Professor Alfred Bielschowsky, Leipzig. Die Störungen im Bewegungsapparate der Augen sind für den Arzt aus mehreren Gründen von Bedeutung: nicht nur wegen der subjektiven Beschwerden, die sie veranlassen —Doppeltsehen, Schwindel, kosmetische Entstellung —, sondern namentlich wegen der Anhalts- punkte, die von den paretischen Störungen im Bereiche der Augen- muskeln für die neurologische Diagnostik geliefert werden. Zum Verständnis der mannigfaltigen Krankheitsbilder, die zu erörtern sein werden, bedarf es einer einleitenden Betrachtung der für den okulomotorischen Apparat wichtigsten physiologischen und anatomischen Tatsachen und zwar zu- nächst derjenigen nervösen Einrichtungen, welche den sensorischen und moto- rischen Apparat der beiden Augen, die in ihrer gemeinsamen Tätigkeit als „Doppelauge" zusammengefaßt werden, zu einem einheitlichen Organe des Raumsinns machen, sodann der mechanischen Fakturen, welche Stellung und Beweglichkeit des Einzelauges bestimmen. Die Korrespondenz der Netzhäute (sensorische Korrespondenz). Bei parallel gestellten Gesichtslinien bilden sich alle über eine gewisse Entfernung (6 Meter) hinaus gelegenen Gegenstände auf korrespondierenden Netz- hautstellen ab: der fixierte Punkt auf den Foveae, den (physiologischen) Netz- hautmitten, jeder andere Punkt auf solchen (exzentrischen) Stellen, die zu den Netzhautmitten gleich gelegen sind und sich bei Aufeinanderlegen der Netzhäute decken würden (daher auch Deckstellen genannt). Bei derartigen Abbildungs- verhältnissen werden jene Gegenstände mit zwei Augen einfach und unge- fähr am richtigen Ort gesehen. Wird aber ein Auge — etwa durch Finger- druck — aus seiner Lage verschoben, während das andere unverrückt bleibt, so sieht man alle Gegenstände in Doppelbildern, von denen je ein („Trug-")Bild — mitunter auch beide — an einem anderen Orte erscheinen, als das zuge- hörige Objekt sich befindet. Diese Tatsachen ergeben sich aus der kurz als rK orrespondenz der Netzhäute" bezeichneten Einrichtung, welche die Unterlage des binoku- laren Sehakts bildet: beide Netzhäute eines Individuums sind gewissermaßen Teile eines einheitlichen Organs (des „Doppelauges" nach Hering), insofern als je zwei Deckstellen, wenn sie gleichartig — z. B. durch ein und dasselbe 162 Bielschowsky, Außending — erregt werden, stets eine einfache Empfindung vermitteln, oder aber die aus ungleichartiger Erregung der beiden Deckstellen hervorgehenden verschiedenen Empfindungen doch in einer und derselben (identischen Seh-) Richtung erscheinen lassen. [Diese Einrichtung kann man sich mittelst des in Fig. 132 skizzierten ein- fachen Versuchs sehr leicht veranschau- lichen. Während das rechte Auge verdeckt ist, blicke man mit dem linken durch ein Fenster (//') auf ein außerhalb gelegenes freistehendes Objekt, z. B. eine Esse (S) und mache auf der Fensterscheibe einen Tintenpunkt (P), der die fixierte Stelle der Esse verdeckt. Dann halte man vor das wieder geöffnete rechte Auge ein Karten- blatt (KK') mit kleiner Öffnung, welche dem rechten Auge nur den Punkt P sicht- bar werden läßt. Wird nun P binokular fixiert, so erscheint >S' hinter P (wie 2), also gerade vor dem Beobachter, während in Wirklichkeit die Esse nach rechts von ihm gelegen ist. Ebenso würde eineNadel (JV), die man nahe vor das Kartenblatt bringt, nicht an ihrem wirklichen Ort, sondern (bei y') in der Medianebene vor P er- scheinen. Kurz, alles, was in den Eig.l/132. beiden Gesichtslinien liegt, wird in eine und dieselbe Richtung, die den beiden Foveae gemein- same „Hauptsehri ch tun g" lokalisiert1).] Ebenso gehört zu einem beliebigen anderen Deckstellen p a a r immer nur eine einzige Sehlichtung, in welcher das erscheint, was auf den beiden Richtungslinien der betreffenden Stellen wirklich liegt. Sehrichtungen und Richtungslinien würden zusammenfallen, wenn wir statt zweier Augen nur ein dazwischen gelegenes — nach Art des Zyklopenauges — hätten. Der Scheitel der von den Sehrichtungen gebildeten Winkel — das Zentrum der Sehrichtungen — liegt bei den meisten Menschen in der Gegend der Nasenwurzel (C in Fig. 132). Während bei Parallelismus (Fernstellung) der Gesichtslinien die Bilder ferner Objekte, wie wir sehen, auf korrespondierenden Netzhautstellen liegen, ist hei Kon vergen z-(Nahe-)Stellungen die Anzahl der korrespondierend ab- gebildeten Raumpunkte eine sehr beschränkte: sie sind enthalten in der Kreis- linie, die durch den Fixations-(Blick-)Punkt und durch die Knotenpunkte beider Augen zu legen ist, sowie in der Senkrechten, welche in der Medianebene auf dem Blickpunkte errichtet ist (Punkt hör opt er). In Fig. 133 gehören zu den im Horopterkreise gelegenen Punkten F und A die korrespondierend gelegenen Bilder f und /' bezw. a und a'; die zu den Punkten B und C gehörigen Bilder ß und ß' bezw. y und y' sind nicht- korrespondierende (disparate) Bildpaare. Wir unterscheiden Quer- und Längsdisparatien der Netzhautbilder, je nachdem diese nur in horizontaler oder nur in vertikaler Richtung von der korrespondierenden Lage abweichen. [Man stelle vor sich 3 dünne Stäbe, die von einem gleichmäßigen Hinter- grunde möglichst abstechen sollen, auf einem Tische so auf, daß sie sämtlich in der Medianebene liegen (A, B, C in Fig. 134). Fixiert man den mittleren Stab (B), !) In allen Textfiguren, wo Richtungslinien und Sehrichtungen einander gegenübergestellt werden, sind die Richtungslinien (sowie die in der Zeich- nung angedeuteten Objekte) schwarz, dagegen die Sehrichtungen (sowie die Trugbilder jener Objekte) rot gezeichnet. Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 163 so sieht man diesen einfach und am richtigen Ort, dagegen beide anderen Stäbe in Doppelbildern (a und a' bezw. y' und y), die sämtlich außerhalb der Median- ebene — gleichweit von ihr nach beiden Seiten entfernt — erscheinen. Schließt man das rechte Auge, so verschwindet vorn das linke (a), hinten das rechte Trugbild (y): die vorderen sind gekreuzte (ungleichseitige), die hinteren gleichseitige Doppelbilder. Alle näher als der Blickpunkt gelegenen Punkte geben Netzhautbilder von gekreuzter, alle ferner ge- legenen solche von gleichseitiger Disparation]. Bei dem (vorherrschenden) Sehen mit konvergenten Gesichtslinien bilden sich die meisten Außendinge auf disparaten Netzhautstellen ab. Trotzdem er- scheinen sie uns für gewöhnlich einfach, teils weil wir unsere Aufmerksamkeit in der Regel ausschließlich auf den fixierten Punkt und dessen nächste noch im Horopter gelegene Umgebung konzentrieren, während wir die auf peripheren Teilen der Netzhäute disparat abgebildeten Dinge nicht beachten, die sonst doppelt gesehen würden; teils deswegen, weil von zwei verschiedenartigen Bildern, die auf korrespondierenden Netzhautstellen liegen, in der Regel nicht beide gleich- zeitig in der jenen Stellen gemeinsam zugehörigen Sehrichtung erscheinen, sondern entweder im Wettstreit abwechselnd das eine bezw. andere oder aber nur das eine, wenn es mehr Konturen enthält, als das andere Bild (Prävalenz der Konturen im Wettstreit der Sehfelder). Von größter Wichtigkeit für Fig. 133. Fig. 134. das binokulare Einfachsehen ist indessen ein drittes Moment: auch die auf disparaten Stellen abgebildeten Objekte können, wenn die Disparation innerhalb gewisser Grenzen bleibt, binokular einfach gesehen werden, aber — und darin liegt das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem Einfachsehen mit korrespondierenden Stellen — jene Dinge erscheinen näher oder ferner als der fixierte Punkt, je nachdem die (quere) Disparation eine gekreuzte oder gleichseitige ist. Alles dagegen, was sich korrespondierend abbildet, erscheint in gleicher Entfernung, wie der fixierte Punkt. [Punkt B in Fig. 133 (S. 163) sollte wegen der gekreuzten Disparation der zugehörigen Netzhautbilder (ß und ß') doppelt (links und rechts von B) erscheinen. Wer aber im Beobachten von Doppelbildern nicht besonders geübt ist, sieht B in der Regel einfach und annähernd an seinem richtigen Ort. Das gleiche gilt für den Punkt C].' Die soeben besprochenen Tatsachen bilden die Unterlage für die Fähigkeit der unmittelbaren Erkennung feinster Tiefenunterschiede, wie sie nur dem binokular Sehenden zusteht. Wir werden hierauf zurückkommen. 164 Bielschowsky, Der Korrespondenz der Netzhäute liegt die partielle Kreuzung der Sehbahnen im Chiasma zugrunde: der rechte Tractus opticus enthält die von den beiden rechten Netzhau th älften, der linke die von den linken Hälften entspringenden Nervenfasern. Eine ei n s ei t ige Läsion im Bereich der kortikalen Sehsphäre hat stets einen hemianopischen Gesichtsfeld- defekt im Gefolge d.h. den Ausfall der Funktion korrespondierender Netzhautbezirke in beiden Augen. Die Augenbewegungen unter dem Einfluß der sensorischen Korrespondenz. Wenn ein Objekt auf irgendwelche Weise — z. B. durch plötzliche Be- wegung, durch Aufleuchten oder dergl. — unsere Aufmerksamkeit erregt, so stellen wir die Augen, ohne uns erst einer besonderen Absicht dazu bewußt zu werden, so auf jenes Objekt ein, daß es sich auf den Netzhautmitten, den Stellen des schärfsten Sehens, abbildet. Die Bewegung beider Augen ist eine gleich- sinnige, wenn die Bilder des die Aufmerksamkeit erregenden Dinges von Anfang an schon auf Deckstellen der Netzhäute liegen, die Gesichtslinien also nur eine andere Richtung zu erhalten haben; die Bewegung ist gegensinnig, wenn ein disparat abgebildetes Ding fixiert werden soll, die Gesichtslinien also für eine andere (größere oder geringere) Entfernung einzustellen sind. Beide Augen bewegen sich in der erwähnten Weise auch dann, wenn das eine vom Sehakt ausgeschlossen wird, weil — unter normalen Verhältnissen — die mo- torische Innervation, wodurch immer sie veranlaßt ist, stets gleichmäßig beiden Augen zufließt. Dabei kann unter gewissen Be- dingungen die Bewegung beider Augen — als Effekt mehrerer, gleichzeitig einwirkender Innervationen — ungleichmäßig (sogar nur einseitig) sein. Bringt man, während ein Punkt a binokular fixiert wird, ein Prisma mit der Basis schläfenwärts vor das linke Auge, so erscheint a im ersten Moment in (gekreuzten) Doppelbildern, weil das Prisma die von a ausgehenden Strahlen so ablenkt, daß sie nicht mehr auf der linken Fovea, sondern temporal- wärts von dieser zur Vereinigung kommen. Un- mittelbar danach erscheint aber a wieder einfach, weil das linke Auge — wie Fig. 135 zeigt — eine die Bildverschiebung ausgleichende Einwärtsdrehung (von a nach a') gemacht hat, so daß das Bild von a auch im linken Auge wieder auf die Fovea gelangt ist1). Wenn man das Prisma mit der Basis nasenwärts vor ein Auge hält, so entstehen gleichseitige Doppelbilder, weil das eine foveale Bild auf die mediale Netzhauthälfte verschoben ist. War das Prisma nicht zu stark (nicht über 4°), so pflegen die Doppelbilder in der Regel sehr bald aneinander heran zu rücken und schließlich zu verschmelzen, woraus ersichtlich ist, daß das Auge hinter dem Prisma die ablenkende Wirkung des letzteren durch eine Abduktionsbewegung korrigiert hat. Auf analoge Weise lassen sich (sehr kleine) einseitige Auf- und Abwärtsbewegungen hervoirufen, durch welche Netzhautbilder von entsprechender Längs disparation wieder zur korrespondierenden (fovealen) Lage gebracht werden. Alle derartigen einseitigen bezw. gegensinnigen Bewegungen, die durch die Erregung disparater Netzhaustellen hervorgerufen werden, nennt man auch Fusionsbewegungen, weil sie die bei disparater Abbildung eines Dinges bestehenden Doppelbilder mittelst Herstellung der korrespondierenden Bildlage zur Fusion (Verschmelzung) bringen. ') Die einseitige Bewegung des linken Auges ist der Effekt zweier (durch das Prisma ausgelöster), den beiden Augen gleichzeitig und gleich- mäßig zufließender Innervationen:, zur Rechtswendung und zur Konvergenz. Fig. 135. Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 165 Die Fusionsbewegungen lassen den eigenartigen Mechanismus, durch welchen der Bewegungsapparat mit dem sensorischen Apparat der Augen verknüpft ist, besonders deutlich hervortreten. Dieser Mechanismus hat eine gewisse Ähnlich- keit mit einem reflektorischen, insofern als die Augenbewegungen in der Regel unbewußt, mitunter sogar gegen unseren Willen eintreten, wenn durch Erregungen des sensorischen Apparates die entsprechenden Bedingungen gegeben sind. Auf diese Weise kommen auch Bewegungen zustande, die willkürlich — d. h. ohne Herstellung künstlicher (Zwangs-)Bedingungen — gar nicht ausführbar sind, wie die einseitige Abduktions-(Divergenz-)Bewegung u. a. Die den Fusionsbewegungen zugrunde liegenden Innervationen sind an das Be- stehen eines binokularen Sehakts gebunden. Ein blindes Auge macht zwar die Bewegungen des sehenden in gleichem Sinne und Umfange mit, weil der motorische Impuls stets beiden Augen gleichmäßig zugeht, aber zur Entstehung gegen sinniger Bewegungs-Impulse fehlt bei einseitiger Amaurose (oder höher- gradiger Amblyopie) die Vorbedingung: daß nämlich zwei von disparaten Netzhautstellen vermittelte Eindrücke mit annähernd gleichem Gewicht ins Bewußtsein treten, woraus eben das sogenannte Fusionsbestreben entspringt. Für die Konvergenzbewegung trifft dieser Satz allerdings nur mit einer gewissen Einschränkung zu, weil — vermutlich auf Grund einer präformierten nervösen Einrichtung — normalerweise die Ein- stellung der Gesichtslinien für eine gewisse Entfernung mit der durch die Mm. ciliares vermittelten Einstellung des dioptrischen Apparates (der Akkommodation) für die nämliche Entfernung assoziiert ist. Und der Impuls zur Akkommodation, der unter allen Umständen beiden Augen zufließt, löst auch bei unokularem Sehen einen Konvergenzimpuls aus. Allerdings ist der Einfluß jener Assoziation auf die Konvergenz in der Regel weit geringer, als der Einfluß der binokularen (querdisparaten) Netzhauterregung. Man ersieht das einmal aus der Tatsache, daß nach einseitiger Erblindung nach und nach die Konvergenz verloren geht, trotzdem der Akkommodationsimpuls unverändert fort- besteht. Ferner daraus, daß unter dem Einfluß des Fusionsbestrebens das Band zwischen Akkommodation und Konvergenz erheblich gelockert werden kann, wie die als „relative Akkommodations- und Konvergenzbreite" bezeich- a' / f Fig. 136 a. (zu S. 166) Fig. 136 b. neten Erscheinungen beweisen. Wenn ein Emmetrop eine nicht zu starke Konkav- brille aufsetzt, so muß er, um deutlich zu sehen, diese Konkavgläser durch Akkommodation überwinden, also den dioptrischen Apparat seiner Augen für eine relativ zu kurze Entfernung einstellen — relativ zur Entfernung des betrach- teten Objektes. Eine dem Grade der Akkommodation entsprechende Konvergenz 16G Bielsch o wsky, würde (gleichseitiges) Doppeltsehen zur Folge haben, da sich die Gesichtslinien schon vor dem betreffenden Objekt schnitten. Dem wirkt aber das Interesse am binokularen Einfachsehen entgegen und erzwingt die (partielle) Lösung der assoziierten Inner- vationen, eine Lösung, die innerhalb gewisser Grenzen sowohl im Sinne einer Zu- als einer Abnahme der Akkommodation bei unveränderter Konvergenz erfolgen kann. Auf analoge Weise wird mittelst seitlich ablenkenderPrismen innerhalb gewisser Grenzen eine Zu- oder Abnahme der Konvergenz bei unveränderter Akkommodation erzwungen; dies wird durch Fig. 136a und b veranschaulicht, wobei die Gesichtslinien — gegenüber der gleichbleibenden Einstellung des dioptrischen Apparates (für die Entfernung des Punktes P) — einmal für kürzere, das andere Mal für größere Distanz (a bezw. a') eingestellt sind, um die durch die Prismen bewirkte Verschiebung der Netzhautbilder auf disparate Stellen zu korrigieren. Welche Bedeutung die eben geschilderten Verhältnisse bei Refraktions- und Stellungsanomalien der Augen besitzen, wird bald zu erörtern sein. Die anatomischen Einrichtungen des Bewegungs- apparates der Augen. Die Augenbewegungen werden jederseits durch 6 Muskeln — 4 Mm. recti und 2 Mm. obliqui — vermittelt, die mit Ausnahme des M. obliquus inferior sämtlich von einem, das Foramen opticum um- ziehenden, sehnigen Ringe entspringen. Unmittelbar oberhalb des letzteren ist auch der Ursprung des M. levator palp. super. Die nach vorn divergierenden Muskeln umgrenzen einen trichterförmigen Raum, wo im orbitalen Fettpolster eingebettet der Sehnerv und die übrigen Nerven und Gefäße zum Bulbus verlaufen. Der M. rectus lateralis (Fig. 137) verläuft annähernd sym- metrisch zum horizontalen Meridian des Augapfels und inseriert etwa Fig. 137. Rechte Augenhönle von rechts (nach Spalteholz). Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 167 7 mm entfernt vom temporalen Hornhautrande. Er abduziert die Gesichtslinie. Ganz analog ist der Verlauf des M. rectus medialis an der medialen Bulbuswand. Seine Insertion liegt 5,5 mm vom Hornhautrand entfernt. Er adduziert die Gesichtslinie. Tendo m. obliqui superioris Bulbus oculi M. rectus superior rectus lateralis Sinus frontalis — ■ Trochlea m. obliqui __ superioris M. obliquus superior — M. rectus medialis — Lamina cribrosa •— M. levator palpebrae superiores — fabgeschnitten) Annulus tendineus communis [Zinni] Foramen opticum--- N. opticus — Fig. 138. Muskeln des rechten Auges von oben (nach Spalte holz). Der M. rectus superior (Fig. 138) verläuft an der oberen Bulbuswand (grösstenteils gedeckt vom M. levator palp. sup.) derart, daß er mit der geradeaus („primär") gestellten Gesichtslinie einen Winkel von etwa 23° einschließt. Die Lage der Insertionslinie zum Hornhautrande zeigt Fig. 139 (s). Seine Wirkung hängt ab von der je- weiligen Stellung der Gesichtslinie. Ist diese von der primären Stel- lung aus um 23° abduziert, so bewirkt die Kontraktion des Rect. sup. lediglich eine Hebung der Gesichtslinie, weil diese jetzt mit der (den Muskel in seiner Verlaufsrichtung halbierenden) Muskel- Fig. 139. Muskelansätze am rechten Augapfel (nach Spalteholz): von oben von innen von unten von außen. s: (Ansatz des) m. rect. sup. m: T „ n „ med. i: „ B „ „ infer. I: „ „ „ „ later. os: „ „ „ obl. super. oi: „ „ „ infer. Die Zahlen bedeuten Millimeter. 168 Bielsc ho wsky, ebene des Rect. sup. zusammenfällt. Wäre eine Augenstellung möglich, bei der die Gesichtslinie senkrecht zur Muskelebene des Rect. sup. läge — also bei einer Adduktion um 67° —, so würde dieser Muskel nur eine Rollung des Auges um die (unverrückt bleibende) Gesichtslinie als Achse veranlassen können, so zwar, daß sich der obere Augenpol nasenwärts neigt („Einwärtsrollung"). Bei allen anderen Stellungen der Gesichtslinie wirkt der Rect. sup. gleichzeitig hebend und einwärts rollend. Die hebende Komponente überwiegt bei weitem bei primärer und abduzierter Blickrichtung, wird dagegen bei zunehmender Adduktion im Verhält- nis zur rollenden Komponente immer kleiner, während die letztere entsprechend wächst. Von untergeordneter Bedeutung ist die dritte WTirkungskomponente: aus der primären Stellung wird die Gesichts- linie durch den Rect. sup. nicht nur gehoben, sondern gleichzeitig um ein Geringes adduziert. Der M. rect. inferior (Fig. 137) verläuft an der unteren Aug- apfelwand annähernd so, daß seine Muskelebene mit der des M. rect. sup. zusammenfällt. Daher ist auch die Wirkungsweise des Rect. inf. in mehrere Komponenten zerlegbar: eine senkende, die bei Abduktion der Gesichtslinie um 23° allein hervor- tritt und eine (auswärts-) rollende (Neigung des oberen Augen- pols schläfenwärts), die bei allen anderen Stellungen der Blick- linie neben der senkenden Komponente und um so stärker im Ver- hältnis zur letzteren hervortritt, je stärker adduziert die Ge- sichtslinie steht, je größer also der von der letzteren mit der Muskelebene der graden Vertikalmotoren eingeschlossene Winkel wird. Gleich dem Rect. sup. bewirkt auch die isolierte Kontraktion des Rect. inf. eine geringe Adduktion der (aus ihrer Primärstellung) gesenkten Gesichtslinie. Der M. obliquus superior (Fig. 138) verläuft, der Orbital- wand anliegend, zunächst zur Trochlea, einer kurzen, an der Spina trochlearis befestigten, faserknorpeligen Röhre, wendet sich dann unter einen Winkel von etwa 50° lateral-, rückwärts und etwas nach unten und tritt unter dem Rect. sup. an den Augapfel, wo er hinter dem Äquator (vergl. Fig. 139 os) inseriert. Für das Verständnis der Wirkungsweise kommt nur die Muskelstrecke zwischen Trochlea und Insertion in Betracht. Die Wirkung hängt wiederum von der je- weiligen Lage der Gesichtslinie relativ zur Verlaufsrichtung der End- strecke des M. obl. sup. ab. Bei einer AdduktionsStellung von etwa 50° würde die Verkürzung des Muskels eine reine Senkung der Gesichtslinie bewirken, weil diese mit der Muskelebene zu- sammenfiele. Bei einer um 40° (aus der primären) abduzierten Stellung der Gesichtslinie, die nunmehr senkrecht zur Muskel- ebene der Obliqui stände, kommt die Wirkung des Obl. sup. nur in einer Einwärtsrollung des oberen Augenpols zum Ausdruck. Bei allen sonstigen Ausgangsstellungen der Gesichtslinie ist also der Obl. sup. gleichzeitig Senker und Einwärtsroller. Von der Pri- märstellung aus wird die Gesichtslinie durch den Obl. sup. nicht nur gesenkt, sondern auch abduziert. Der M. obl. inf. (Fig. 137) entspringt vorn an der unteren Orbitalwand dicht neben dem Anfang des Canalis naso-lacrym. Er zieht, den Rect. inf. überkreuzend, nach hinten, außen und oben. Seine Insertion am Augapfel ist aus Fig. 139 (oi) ersichtlich. Der Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 169 Obl. inf. zieht bei seiner Verkürzung die hintere Bulbushälfte medial- und abwärts, bewegt also die Gesichtslinie (aus der Primärstellung) nach außen und oben, während er gleichzeitig den oberen Augenpol schläfenwärts neigt. Das Verhältnis der heben- den zur rollenden Komponente ist in derselben Weise, wie beim Obl. sup., von der Lage der Gesichtslinie zur Muskelebene abhängig, die für beide Obliqui annähernd zusammenfällt: je stärker die Ge- sichtslinie adduziert ist — je näher sie also der Muskelebene der Obliqui steht—, um so größer ist die hebende auf Kosten der rollenden Komponente des Obl. inf., während das entgegengesetzte Verhalten bei der Abduktion des Auges eintritt, wobei der Winkel zwischen Gesichtslinie und Muskelebene wächst. Hätten wir nur je einen Heber und Senker, wie wir nur je einen Rechts- und Linkswender der Augen haben, so wäre nur bei einer einzigen Ausgangs- lage der Gesichtslinie eine maximale Hebung und Senkung möglich: nur dann nämlich, wenn die Gesichtslinie in der Muskelebene der Vertikalmotoren läge. Von allen anderen Lagen aus wäre Hebung bezw. Senkung um so geringer, je größer der Abstand der Gesichtslinie von der Muskelebene wäre. Durch das Zusammenwirken je zweier Heber (und Senker) aber wird es ermöglicht, daß das Hebungs- bezw. Senkungsmaximum im größten Teil des Blickfeldes beibehalten werden kann, weil in demselben Maße, als bei Seitenwendungen der Einfluß des einen Hebers (bezw. Senkers) auf die Höhen- lage der Gesichtslinie schwächer wird, der Einfluß des zweiten Hebers (bezw. Senkers) wächst. Bezüglich der rollenden (und auch seitenwendenden) Komponente sind die zur Hebung (bezw. Senkung) zusammenwirkenden Muskeln Antagonisten: der gerade Heber (rect. sup.) und der schräge Senker (obl. sup.) sind „Einw ärtsr o 11er", die beiden anderen (rect. und obl. infer.) ,,Auswärtsroller". Bei völliger Gleichwertigkeit der Vertikalmotoren steht daher der Netzhautmeridian, dessen Erregung die Empfindung „vertikal" vermittelt, bei Hebung, Senkung und reinen Seiten Wendungen der Gesichtslinie auch wirklich vertikal. Bei schrägen (diagonalen) Blickrichtungen neigt sich allerdings der Vertikalmeridian, doch hält sich die Neigung beim gewöhnlichen Sehen in sehr engen Grenzen, weil wir allen in der Blickfeldperipherie gelegenen Dingen, sobald sie unsere Aufmerksamkeit erregen, den Kopf zuzudrehen pflegen, so daß sich die Augen aus der mittleren Lage nicht weit zu entfernen brauchen. Mit einigen Worten muß auch der Beziehungen der Tenonsehen Fascie zu den Augenmuskeln gedacht werden. Beider Ursprung liegt an der Spitze der Orbita dicht beieinander. Die Faszie, deren tiefes Blatt die hintere Bulbushälfte umkleidet, hüllt mit ihrem oberflächlichen die Muskeln bis zur Insertion ein und verbindet die benachbarten. In der Gegend des Äquators ziehen dünnere oder dickere Stränge von den Muskelfaszien zu der benachbarten Orbitalwand und den Lidern. Diese sogenannten Faszienzipfel wirken dem nach hinten gerichteten Zuge der geraden Augenmuskeln entgegen, stützen also den Bulbus in seiner Lage. Außerdem verhindern sie zu plötzliche Augenbewegungen und beschränken deren Umfang dadurch, daß sie um so straffer gespannt werden, je stärker sich die Muskeln kontrahieren. Das Zusammenwirken der beiderseitigen Augen- muskeln. Aus der Tatsache, daß die beiden Augen stets gleichmäßig innerviert werden, ergeben sich für die einzelnen Muskeln sehr verschiedenartige Gruppie- rungen, in denen sie zur Aktion gelangen: der Impuls zur Rechtswendung geht 170 Bielscho wsky, dem rechten Lateralis und linken Medialis, zur Linkswendung dem linken Lateralis und rechten Medialis, zur Konvergenz beiden Mediales, zur Divergenz (bezw. Minderung der Konvergenz) beiden Laterales zu. Beim Blick geradeaus auf ein bestimmtes fernes Objekt sind sämtliche Augenmuskeln leicht angespannt (tonisch innerviert). Wird ein Impuls zur Rechtswendung erteilt, so verstärkt sich die Anspannung der Agonisten (Rechtswender), während der Tonus der Antagonisten (Linkswender) nachläßt. Unter dem Einfluß des Fusionsbestrebens sind, wie wir sehen, auch in vertikaler Richtung gegensinnige Bewegungen der Gesichtslinien in ge- ringem Umfange möglich, ebenso gegensinnige Rollungen der Augen um die Ge- sichtslinien als Achsen. Die hierzu erforderlichen Innervationen gehen — wie auch sonst—zu den beiderseitigen Augenmuskeln in gleichem Maße, wenn gleich der Innervationseffekt nur in einseitiger Bewegung zutage zu treten braucht (vgl. S. 164). Schließlich kommt auch noch eine gleichsinnige (parallele) Rollung der Augen um die Gesichtslinien vor. Sie ist eine echte Reflexbewegung, die — gänzlich unabhängig vom Willen und vom Fusionsbestreben — ausschließ- lich durch Seitwärtsneigung des Kopfes oder Körpers ausgelöst wird. Die nach der (der Kopfneigung) entgegengesetzten Seite erfolgende Rollung der Augen beträgt höchstens 7—8°. Der Reflex entsteht in den Bogengängen des Labyrinths, wo die Endigungen des N. vestibul. durch die bei Drehungen des Kopfes entstehenden Strömungen der Endolymphe in Erregung versetzt werden. Das Blickfeld. Aus der Mittelstellung kann jede Gesichtslinie um 45—50° sowohl ab- als adduziert werden. Das Maximum der Senkung beträgt 50—60°, das der Hebung wird von den meisten Autoren erheblich kleiner angegeben, schwankt aber stark (zwischen 20—55°), was seinen Grund hat in den erheb- lichen Verschiedenheiten, die individuell in den Beziehungen zwischen Bulbi und Orbitae bestehen. Das binokulare Blickfeld ist der Raum, innerhalb dessen jeder Punkt binokular fixiert werden kann. Es ist in diagnostischer Hinsicht von weit größerer Bedeutung, als das unokulare Blickfeld. Denn ein paretischer Muskel kann auf Grund einer exzessiven Innervation eine Augenbewegung zustande bringen, die von der normalen (Durchschnitts-)Grenze nicht merklich zurückbleibt. Das unokulare Blickfeld braucht in solchem Falle also nicht verändert zu sein, während auch die leichteste Parese bei Prüfung des binokularen Blick- felds zutage treten muß. Denn da die im Vergleich zur Norm gesteigerte Innervation, die der paretische Muskel zur Ausführung einer Bewegung von be- stimmter Größe braucht, auch dem intakten assoziierten Muskel des anderen Auges zufließt, so fällt dessen Bewegung relativ zu groß aus, seine Gesichtslinie schießt an dem vom paretischen Auge gesuchten Ziele vorbei, und das letztere erscheint in Doppelbildern. Die Nervenbahnen für die Augenbewegungen. Von mehreren Rindenbezirken beider Hemisphären — in Stirn-, Schläfen- und Hinterhauptslappen — sind assoziierte (beiderseitige) Augenbewegungen, ge- wöhnlich verbunden mit gleichgerichteten Kopfbewegungen auszulösen. Das okzipitale „Blickzentrum" liegt in unmittelbarster Nähe der Sehsphäre (Fiss. cal- carina). Reizung des rechtsseitigen Blickzentrums bewirkt Linkswendung der Augen usw. Von der Rinde ziehen die Nervenbahnen für die Augenbewegungen durch die innere Kapsel und die Haube zu den Augenmuskelkernen, die am Boden des IV. Ventrikels und unter dem Aquaed. Sylvii zu beiden Seiten der Medianebene liegen. Am weitesten nach vorn liegt das III. (Okulomotorius-) Kernpaar. Es be- ginnt schon in der Höhe des (hintersten Teils des) III. Ventrikels und reicht nach hinten bis unter die hinteren Zweihügel. Daran schließt sich fast ohne Grenze das IV. (Trocblearis-) Kernpaar an, während das VI. (Abducens-) Paar nach einem Die Motilitätsstörungen und Stellungsauomalien. 171 größeren Zwischenraum unter dem Boden des IV. Ventrikels liegt, umschlossen durch das von den Fazialiswurzeln gebildete „Knie" (Fig. 140). Die Verbindung der Rindenbahnen mit den Augenmuskelkernen wird ver- mutlich durch sogen. — im zentralen Höhlengrau verstreute — Schaltzellen be- sorgt, die möglicherweise in der Rolle von untergeordneten motorischen Zentren das Zusammenwirken bestimmter Muskelgruppen beider Augen je nach den Be- dürfnissen des binokularen Sehakts beherrschen. Die Bahn, durch welche die Seitenwender — je ein Lateralis mit einem Medialis des anderen Auges — zu gemeinsamer Aktion verbunden werden, läuft durch das hintere Längsbündel (s. Fig. 140). Dieses enthält auf- und absteigende Faserzüge: erstere aus Zellen des vorderen Zweihügelpaares (Verbindungen der primären optischen Zentren mit den Augenmuskelkernen?), letztere teils aus dem Rückenmark, teils aus den End- kernen des N. vestibularis stammend. Die vom dorsalen Längsbündel an das III., IV. und VI. Kernpaar abgegebenen Kollateralen verbinden die Augenmuskeln nicht nur zur gemeinsamen Tätigkeit im Dienste des Willens und des Fusions- zwanges, sondern bilden auch die Unterlage für reflektorische Augenbewegungen, die durch verschiedenartige sensorische und sensible Erregungen, namentlich auch vom Labyrinth her durch Vermittelung des N. vestibul. und des Deitersschen Kerns ausgelöst werden. Fig. 140 (nach Edinger) [aus v. Merings Lehrb. d. inneren Med. S. 854]. Die Wurzelfasern des X. oculomotorius entspringen zum Teil aus dem gleichseitigen, zum (kleineren) Teil aus dem Kern der anderen Seite. Wahr- scheinlich erhält der M. rectus medialis sowohl Fasern gleichseitigen als auch solche gekreuzten Ursprungs, erstere zur Vermittelung des Konvergenz-, letztere zur Übertragung des — gleichzeitig dem Lateralis des anderen Auges zugehen- den — Seitenwendungsimpulses. Diese Verhältnisse machen ein Krankheitsbild, das wir noch zu besprechen haben werden, verständlich: die sogen, seitliche ßlicklähmung, die dadurch charak- terisiert ist, daß ein Medialis nur auf solche (Seitenwendungs-) Impulse versagt, die ihm zugleich mit dem Lateralis des anderen Auges zufließen, während er normal reagiert, wenn er zugleich mit dem anderen Medialis, also zur Konver- genz innerviert wird. Die Okulomotorius-Wurzeln durchsetzen die Großhimschenkel, wo sie der Pyramidenbahn für die (gekreuzten) Extremitäten so nahe liegen, daß ein kleiner Herd in dieser Gegend das Bild der Hemiplegia altern, super, („gekreuzte Okulomotorius-Lähmung") hervorrufen kann. Die Trochlearis - Wurzeln ziehen zunächst dorsalwärts und kreuzen sich im Velum medull. ant. mit den Wurzeln der anderen Seite. Dicht hinter den Vierhügeln austretend umgreifen sie jederseits den Hirnschenkelfuß und gelangen so zur Hirnbasis. 172 Bielschowsky, Der Verlauf der Abducens ■ Wurzeln ist aus Fig. 140 ersichtlich. Die genannten 3 Nervenpaare verlaufen durch den Sinus cavern. nach vorn und treten durch die Fiss. orbit. sup.: der N. abducens zum M. rect. lateralis, der N. trochlearis zum M. obl. superior, der N. oculomot. mit einem Ramus super, zum M. rect. sup. und M. levat. palp. sup.. mit einem Ramus infer. zu den übrigen Muskeln. Der Ast für den M. obl. infer. gibt die Radix brevis für das Ggf ciliare ab. Die Ruhelage der Augen. Die Lage der Bulbi innerhalb der Orbitae wird durch mecha- nische und nervöse Faktoren bestimmt. Die ersteren sind ge- geben durch die topographisch-anatomischen Verhältnisse: die Form und Größe der Bulbi und Orbitae, sowie den Öffnungswinkel der letzteren, ferner durch die Beziehungen zwischen Bulbi und ihren Adnexen (Bindehaut, Lidern, Muskeln, Faszien, Fettgewebe etc.), welche individuell in vielfacher Hinsicht (Verlaufsrichtung, Art der Insertion, Elastizität, Volumen etc.) variieren können. Auf nervösem Wege wird die Augenstellung beeinflußt: 1. durch den Willen; 2. durch das vom Willen nicht unmittelbar abhängige Fusionsbestreben; 3. durch die Assoziation von Akkommo- dation und Konvergenz; 4. durch den Muskeltonus, der teils reflektorischen Ursprungs ist (wie bei den Gliedmassen), teils wohl von der Aufmerksamkeit und dem jeweiligen Interesse für die Ge- sichtseindrücke abhängig und demzufolge sehr variabel ist. Wir sprechen von normaler Kuhelage („Muskelgleich- gewicht") oder besser von Orthophorie, wenn die Augen — unbeeinflußt durch die nervösen Faktoren — lediglich auf Grund der in den anatomischen Verhältnissen gegebenen mechanischen Kräfte geradeaus gerichtet und die (die Empfindung „vertikal" vermittelnden) Vertikalmeridiane der Netzhäute senkrecht stehen. Eine derartige Idealform der Kuhelage, wie sie nur bei ab- soluter Kongruenz der beiderseitigen anatomischen Verhältnisse denkbar ist, kommt natürlich viel seltener vor, als größere oder kleinere Ab- weichungen, die man unter dem Begriff der Gleichgewichts- störungen zusammenfaßt. Wir verstehen hierunter Stellungs- anomalien der Augen, die entweder in manifestem Schielen zu- tage treten oder — unter dem Einfluß des Fusionsbestrebens — latent sind, aber unter gewissen Bedingungen gleichfalls manifest werden (Heterophorien). Die Gleichgewichts - Störungen umfassen die eigentlichen Motilitätsstörungen (Lähmungen und Paresen) und die Stellungsanomalien (manifeste und latente Strabismen). Das allen Formen gemeinsame Hauptmerk- mal ist die Schielablenkung, die Ablenkung einer Gesichtslinie von demjenigen Punkte, auf den jeweils die Aufmerksamkeit konzen- triert ist (Blickpunkt). Die Untersuchung auf Gleichge wichts Störungen hat daher mit dem Nachweis der Schielablenkung zu beginnen. Man läßt den Patienten ein möglichst entferntes, gerade vor* ihm liegen- des Fenster oder eine Flamme fixieren und achtet darauf, ob°die beiden Hornhäute innerhalb der Lidspalten symmetrisch bezw. ob die Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien, 173 Hornhautreflexbildchen beiderseits gegenüber der Pupillenmitte liegen oder nicht. Scheinbares Schielen. Das in der Abbildung (Fig. 141) wiedergegebene Beispiel läßt auf den ersten Blick eine Divergenz der Ge- sichtslinien annehmen, und zwar er- scheint das rechte Auge als das (nach außen) schielende. Der Be- weis, daß es schielt, wäre aber erst erbracht, wenn es nach Verdecken des linken Auges eine entsprechende Einstellungsbewegung machen würde, um der Aufforderung, die bisher vom linken Auge fixierte Flamme weiter zu fixieren, nachzukommen. Erfolgt keine Einstellungsbewegung und weiß man (auf Grund der vor- ausgeschickten Funktionsprüfung), daß das betreffende Auge eine gute Sehschärfe und zentrales Fixations- vermögen besitzt, so liegt — wie in dem abgebildeten Beispiel — scheinbares Schielen vor, Fig. 141. > 9 8 7 © 5 4-321(1)123456 7 8 9 10 \ bedingt dadurch, daß die Gesichtslinie nicht die Hornhaut- (bezw. Pupillen-) Mitte passiert, sondern eine exzentrische (mediale) Stelle. Das ist die Regel, weil die Fovea meist etwas temporal wärts vom hinteren Augenpol liegt, und die Gesichtslinie infolgedessen mit der vom hinteren Pol zur Hornhautmitte gehenden Linie einen Winkel (y) bildet. Die Größe des Winkels differiert individuell be- trächtlich, kann aber — wie im reproduzierten Falle — derart sein, daß sie bei Parallelstellung der Gesichtslinien eine Divergenz vortäuscht, ein tatsächlich vorhandenes Konvergenzschielen hingegen zunächst übersehen läßt. Viel seltener ist der zL y negativ, wie wir es nennen, wenn die Gesichtslinie nach außen vom Hornhautscheitel vorbeigeht. In einem solchen Falle kann Einwärtsschielen vor- getäuscht, wirklich bestehendes Auswärtsschielen verdeckt werden. Messung des Sehielwinkels. Von den verschiedenen Methoden, den Schielwinkel zu messen, sei nur folgende erwähnt. Der Patient fixiert eine in Augenhöhe gerade vor ihm befind- lichen Flamme. Die Strecke zwischen ihr und dem Punkte, an welchem die schielende Gesichtslinie die Wand trifft, ist die Tangente des Schiel- winkels. Sind die Augen bei- spielsweise 2 Meter von der Wand entfernt, so beträgt die Tangente für einen Schiel- winkel von 5°: 17 cm ., 10°: 35 „ „ 15°:54 „ „ '20°: 73 „ u.s. f. Man verzeichnet in den angegebenen (oder für eine andere Entfernung des Fixa- tionsobjekts vom Patienten be- rechneten) Abständen die Win- kelgrade auf einer Tafel, aus- gehend von der Mitte, wo sich 174 Bicl.scho wsky, die fixierte Flamme befindet — dem Nullpunkt —, nach beiden Seiten und nach oben und unten (Tangentenskala nach Maddox, Fig. 142). Besteht Einwärtsschielen des linken Auges so mißt man den Schiel- winkel objektiv, indem man den Patienten mit dem rechten Auge die Zahlen links von der Flamme nacheinander fixieren läßt, bis das Reflexbildehen der Flamme auf der Hornhaut des schielenden linken Auges gerade vor der Pupillenmitte steht (Fig. 142). Die in diesem Moment vom rechten Auge fixierte Zahl (6) gäbe unmittelbar den Schielwinkel an, wenn der z£ y = 0 wäre. In diesem Falle müßte das linke Auge, zur Fixation der Flamme veranlaßt, seine bisherige Stellung unverändert beibehalten. Marht es jedoch, während das (bisher fixierende) rechte Auge verdeckt wird, noch eine kleine Bewegung nach links, um sich auf die Flamme einzustellen, so folgt daraus, daß der Schielwinkel etwas größer (als 6°) ist, daß das rechte Auge also eine Zahl links von der roten 6 fixieren müßte, damit die linke Gesichtslinie zur Einstellung auf die Flamme gelangt. Am einfachsten und exaktesten ist der Schielwinkel zu messen, wenn die disparate Abbildung der Außendinge sich in Doppelt- sehen zu erkennen gibt. Man hält dem Patienten ein dunkelrotes oder violettes Glas vor ein Auge, dem danach nur noch die (rote) Flamme sichtbar ist. Werden die Doppelbilder der Flamme nicht gleich bemerkt, so kann man sie durch abwechselndes Verdecken beider Augen gewöhnlich leicht zum Bewußtsein bringen. Die Zahl auf der Tangentenskala, die das farbige Bild der Flamme zu tragen scheint, gibt die Größe des Schielwinkels an. .__________________________________________^ Das rote Glas sei vor \lO 9 8 7 6 5 4-3 21Qi z 3 ©5 6 7 8 9 10\ dem rechten Auge (Fig. 143), il / das die Flamme fixiert. Wäh- | / rend also auf der rechten ! 1 / Fovea das (rot gefärbte) Flam- i / menbild liegt, trägt die linke ; 1 / Fovea das Bild der schwar- I / zen 4. Diese beiden Bil- '1/ dermüssen (bei intakter ; I / Korrespondenz der Netzhäute) | 1/ — da sie auf Deck stellen | jf liegen — in einer und der- j n selben (der Hauptseh)-Rich- | / tung erscheinen: die < / rote Flamme deckt die \ schwarze 4. Ein zweites 7 -+- (ungefärbtes) Flammenbild — /h /TS der Stelle a des linken Auges ffö H^ zugehörig — erscheint im Mit- telpunkte der Tafel (also links hig- U6- von dem roten Bilde) ent- sprechend der Lagebeziehung der Stelle a zur Netzhautmitte (f). Primärer und sekundärer Schiel winkel. Wenn wir durch Verdecken des fixierenden eine Einstellungs- bewegung des schielenden Auges veranlassen, so bewegt sich zur gleichen Zeit und in gleichem Sinne das anfangs fixierende Auge in die Schiel- ablenkung (die wir als „sekundäre" der früheren „primären" gegenüberstellen). Da der Bewegungsimpuls für beide Augen gleich stark ist, so muß der sekundäre Schielwinkel gleich dem primären sein, wenn der gleiche Impuls auch den gleichen (Bewegungs-) Effekt an beiden Augen erzielt. Eine erhebliche Differenz zwischen primärem und sekundärem Schielwinkel ist ein Haupt- Die Motilitötsstörungen und Stellungsanomalien. 175 merkmal der paretischen — zum Unterschied von der ge- wöhnlichen (strabotischen) — Ablenkung. Die Lähmungen der Augenmuskeln. Die Lähmung eines Augenmuskels hat eine Störung des Gleich- gewichtes der auf die Stellung des betreffenden Auges wirkenden Kräfte zur Folge: die Antagonisten des gelähmten Muskels erlangen schon infolge des reflektorischen Tonus das Übergewicht und bringen das Auge in („paralytische") Schielstellung. Bei Parese des linken N. abducens z. B. entstände also Einwärtsschielen des linken Auges (primäre Schielablenkung). Veranlaßt man dieses zur Ein- stellung auf das zuvor vom rechten Auge fixierte Objekt, so geht zu gleicher Zeit das rechte Auge in eine erheblich stärkere (sekun- däre) Ablenkung, als sie vorher am linken Auge bestand. Bedingt ist diese Differenz durch die Parese des die Einstellung des linken Auges vermittelnden Rectus lateralis. Da dieser eine abnorm starke Innervation braucht, und diese in gleichem Grade auch dem assoziierten Rectus medialis dexter zufließt, so muß bei normaler Reaktion dieses Muskels die Bewegung des rechten Auges größer ausfallen als die des linken Auges mit dem paretischen Muskel. Wie diese Differenz des primären und sekundären Schielwinkels in der Doppel- bilder-Prüfung zutage tritt, zeigen die Figg. 142 und 143. Fig. 143 stelle die primäre Ablenkung des linken Auges, infolge Parese des N. abduc. sin., dar. Die linke Gesichtslinie ist auf die schwarze 4 gerichtet, während mit dem rechten Auge die Flamme fixiert wird. Wird das — jetzt mit dem roten Glase bewaffnete — linke (paretische) Auge zur Einstellung auf die Flamme veranlaßt (Fig. 142), so erscheint das rote Bild der Flamme auf der roten 6, ein Beweis dafür, daß diese Zahl jetzt auf der rechten Fovea abgebildet ist. [Bei gewöhnlichem (nicht- paretischen) Schielen müßte die rechte Gesichtslinie bei Einstellung der linken auf die Flamme nur bis zur roten 4 abweichen.] Die paretische Ablenkung wächst, je weiter das fixierte Objekt in den Wirkungsbereich des paretischen Muskels gebracht wird; ist der linke Lateralis völlig gelähmt, so gelangt beim Impulse zur Linkswendung das linke Auge höchstens bis zur Mittel- stellung, während das rechte in die stärkste Adduktion geht. Rückt das fixierte Objekt in den Bereich des gesunden Anta- gonisten des gelähmten Muskels, so verringert sich die paretische Ablenkung und verschwindet schließlich, wenn das pareti- sche Auge in eine Stellung gekommen ist, auf die der gelähmte Muskel auch unter normalen Verhältnissen wenig oder gar keinen Einfluß hat. Will man das Verhalten des Schielwinkels bei verschiedenen Blickrichtungen mittelst der Doppelbilder messen, so dreht man — statt das Fixationsobjekt zu verschieben — den Kopf des Patienten derart, daß dessen Augen, um die Fixation beizubehalten, die gewünschte Richtung annehmen müssen: Linksdrehung des Kopfes bewirkt — bei gleichbleibender Lage des Fixationsobjektes — Rechts- wendung der Augen, Senkung des Kopfes also Hebung der Augen usf. Das Blickfeld des paretischen Auges zeigt bei Vergleich mit dem des normalen Auges eine Einschränkung im Bereich des pareti- schen Muskels, wie man bei höhergradigen Störungen ohne weiteres aus dem Zurückbleiben des betreffenden Auges bei bestimmten Blick- richtungen ersieht. 176 Bielschowsky, Fig. 144. Die Grenzen des Blickfelds werden so bestimmt, daß der Kranke (bei fixiertem Kopf eine am Perimeterbogen entlang bewegte kleine Sehprobe mit dem zu untersuchenden Auge verfolgt, bis er sie nicht mehr deutlich sieht. In Fig. 144 umgrenzen die ausgezogenen Linien das Blickfeld des (normalen) linken, die gestrichelten das Blickfeld des rechten Auges der auf S. 184 (unten) abgebildeten Patientin, deren M. obl. infer. dexter ge- lähmt ist. Man sieht, daß die rechte Gesichtslinie aus abduzier- ter Stellung (durch den M. rectus super.) nahezu soweit erhoben werden kann, wie die linke Ge- sichtslinie , während die in der Hauptsache vom M. obl. inf. zu verrichtende Hebung aus ad- duzierter Stellung am rechten Auge unmöglich ist. Genaue Bestimmungen des Blickfeldes sind für die Diagnose meist entbehrlich, zumal — wie schon erwähnt — bei geringergradigen Pa' resen eine deutliche Ein- schränkung zuweilen gar nicht gefunden wird, wenn der Patient eine exzessive Innervation des paretischen Muskels aufzubringen vermag. Unter den subjektiven Symptomen, die für viele Kranke mit Lähmungen der Augenmuskeln ungemein störend und beun- ruhigend sind, steht die Diplopie im Vordergrund. Sie bringt die (paretische) Schielablenkung auch schon bei sehr geringen Graden, bei denen sie objektiv oft kaum erkennbar ist, zum Ausdruck; dem Unterschied zwischen primärem und sekundärem Schielwinkel, sowie der Abhängigkeit des Schielwinkels von der Richtung, in welcher der Gegenstand der Aufmerksamkeit gelegen ist, entsprechen ana- loge Differenzen im Abstände der Doppelbilder voneinander. Die im ersten Stadium der Parese bestehenden Schwankungen zwischen Einfach- und Doppelsehen, sowie zwischen größeren und kleineren Doppelbilder - Abständen stören die Orientierung des Kranken in hohem Maße; er weiß nicht, welches von den beiden Bildern am „richtigen Ort" liegt, d. h. sich mit dem wirklichen (zugehörigen) Objekte deckt. Infolgedessen greift oder tritt er fehl oder stößt sich an Gegenständen, die er im gegebenen Moment auf Grund der „falschen" (oder Trug-)Bilder lokalisiert. Durch das Auseinanderweichen bezw. Zusammen- rücken der Doppelbilder bei wechselnder Blickrichtung — je nachdem der paretische Muskel oder sein Antagonist mehr in Anspruch genommen wird — kommt es zu Scheinbewegungen der Außendinge, die eine erhebliche Unsicherheit des Kranken in seinen Bewegungen, sowie öfters ein derartiges Schwindelgefühl bewirken, daß die Kranken, wenn sie auf irgend ein Ziel losgehen, zu Fall kommen. Aus den Bemühungen, sich vor diesen Störungen zu schützen, resultiert die eigenartige Kopfhaltung bei Augen- muskellähmungen, die dem geübten Arzt oft schon aus der Ent- Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 177 fernung die Diagnose verrät. Die Kopfhaltung ist derartig, daß durch sie der paretischeMuskel möglichst entlastet wird, d.h. der Kopf wird zum jeweiligen Gegenstand der Aufmerksamkeit so gestellt, daß bei der Fixation jenes Gegenstandes der paretische Augenmuskel wenig oder gar nicht mitzuwirken hat, was noch bei den einzelnen Lähmungen näher zu zeigen sein wird. Die Störung der Orientierung läßt sich durch den von A. v. Graefe angegebenen Tastversu ch unmittelbar demonstrieren. Man verdeckt das gesunde Auge des Patienten und fordert ihn auf, rasch nach einem vorgehaltenen Fixationsobjekt mit dem Finger zu stoßen. Er stößt in der Regel nach derjenigen Richtung am Objekt vorbei, nach welcher der paretische Muskel das Auge bewegt, also nach rechts bei Parese eines Rechtswenders, nach unten bei Parese eines Senkers usf. Der Patient darf seinen zum Tasten ausgestreckten Arm und Finger nicht sehen, da er ihn sonst ebenso falsch lokalisiert, wie das Objekt, so daß kein deutlicher Tastfehler erkennbar wird. Man läßt daher zweckmäßig den Kranken an der Hinterfläche einer (seinen Arm und Finger verbergenden) vorgehaltenen Papptafel die Stelle berühren, wo ihm eine an der Vorder fläche angebrachte Fixationsmarke zu liegen scheint. Die Erklärung der fehlerhaften Lokalisierung bei Augenmuskelparesen hat von der Tatsache auszugehen, daß man unter normalen Verhältnissen für ge- wöhnlich eine ganz bestimmte (und auch meist annähernd richtige) Vorstellung davon hat, ob und in welchem Sinne (nach rechts, links, oben oder unten) das (Doppel-) Auge von der Primärstellung abweicht, — vorausgesetzt, daß die jeweilige Stel- Fig. 145 a. hing des Auges willkürlich (spontan) herbeigeführt ist. Verdeckt man das eine Auge und verschiebt das andere z. B. durch Fingerdruck aus der (in Fig. 145 a eingenommenen) Primärstellung nach rechts, wobei die anfangs auf a gerichtete Ge- sichtslinie auf das Ding 6 eingestellt wird (Fig. 145 b), so verschiebt sich das ganze Sehfeld in entgegengesetzter Richtung. Das in der passiv herbeigeführten zweitenStellung (Fig. 145b) auf der Fovea abgebildete Ding b erscheint (um den Winkel der Verschiebung) nach links vom wirklichen Ort. M. a. W.: Wenn die hier angenommene Bewegung nicht durch einen entsprechenden Willensimpuls veranlaßt ist, so behält man die Vorstellung, daß sich das Auge noch in der 1. Stellung (Fig. 145a) befinde; demzufolge wird das in Wirklichkeit nach rechts gelegene Ding 6 geradeaus lokalisiert1). ') In Fig. 145b ist der „scheinbare" Ort der Gegenstände rot, der wirk- liche schwarz gezeichnet. 178 Bielscho wsky, Nehmen wir jetzt an, jemand, dessen rechter Lateralis paretisch sei, brächte willkürlich nach Verdecken des linken Auges das rechte zur Ein- stellung auf ein geradeaus gelegenes Objekt a (Fig. 146). Sobald die Bewegung beginnt, sieht der Kranke alles scheinbar nach rechts wandern, und wenn das rechte Auge das Ziel erreicht hat, scheint das Ding a nach rechts von seinem wirklichen Ort (bei a in Fig. 146) zu liegen. Schuld an der Schembewegung und der fehler- haften Lokalisierung ist das Miß Verhältnis zwischen Innervations- und Bewe- gungsgröße, ein Mißverhältnis, das durch die Parese des in Anspruch genommenen Muskels bedingt ist. Auf Grund der (relativ) zu starken Rechtswendungs-Innervation glaubt der Kranke, der a fixiert, daß er weiter nach rechts blicke, nämlich in die Richtung von a. Die Beziehung zwischen Lokalisie- rung und Innervationsgröße wird auch daraus ersichtlich, daß die linke Gesichts- linie — deren Lage die Innervation erkennen läßt, unter welcher beide Augen stehen — hinter der Deckung) auf a gerichtet ist, Fig. 146. wenn o vom (paretischen) rechten Auge fixiert wird. In Fällen, in denen das paretische Auge als das sehtüchtigere zur Fixation verwendet wird, findet man beim Tastversuch einen Fehler nur bei Fixation mit dem nichtparetischen Auge, das als das sehschwächere für ge- wöhnlich in (Sekundär-) Ablenkung steht. Hier hat sich die Lokalisierung all- mählich der abnormen Innervation angepaßt und wird daher fehlerhaft, wenn der Innervationseffekt anders (größer) ist, als es jener Anpassung entspricht. Spezielle Symptomatologie der Lähmungen. Wer den Verlauf und die Zugwirkung der normalen Augen- muskeln kennt, ist ohne weiteres imstande, die Folgen einer be- stimmten Augenmuskellähmung anzugeben. Das von dem gelähmten Muskel beherrschte Bewegungsgebiet wird eingeschränkt, die Antago- nisten erhalten das Übergewicht und ziehen das Auge zu sich herüber, es wird also eine der Zugrichtung des gelähmten Muskels entgegen- gesetzte Schielstellung eintreten. In dieser Weise wird man stets aus der Kenntnis der normalen Funktionen die Symptome der Lähmung ableiten können und umge- kehrt lässt sich ebenso leicht aus den Symptomen die Art der Muskel- störung diagnostizieren. Dagegen ist es durchaus zu wider- raten, die Symptome und Diagnostik der verschiedenen Lähmungen gedächtnismäßig nach einem Schema aus wendig zu lernen! Bringt man der Bewegungsbeschränkung und der Schielstellung das richtige Verständnis entgegen, so ist es auch nicht schwer, die dazugehörige Stellung der Doppelbilder abzuleiten: das durch die Lähmung abgelenkte Auge „wirft" das Doppelbild (Trug- bild) in die seiner Schielstellung entgegengesetzte Rich- tung, nach dem Gesetz, daß unsere Netzhautbilder von der gegen- überliegenden Seite des Raumes stammen und jedes Bild auch in der Schielstellung dahin verlegt wird, wohin es von dem betreffenden Netzhautbezirk bei normaler Augenstellung lokalisiert wird. Also Die Motilitätsstöiungen und Stellungsanomalien. 179 z. B. ein nach der Nase (konvergent) abgelenktes linkes Auge wird das Doppelbild schläfenwärts (nach links) projizieren, ein konvergentes rechtes Auge nach rechts, m. a. W.: bei konvergentem Schielen tritt gleichnamiges Doppelsehen ein. Ein divergent (schläfenwärts) abgelenktes Auge „wirft" dagegen sein Doppelbild nasalwärts, also auf die andere Seite: der divergenten Schielstellung entspricht gekreuztes Doppelsehen usw. Man kann diese Tatsachen auch folgendermaßen zusammen- fassen: bei Lähmung eines Augenmuskels wird das Doppel- bild dorthin verlegt, wohin das Auge normalerweise durch den betreffenden Muskel gezogen wird. Bei Läh- mung des rechten Abduzens wird von dem rechten Auge ein nach rechts liegendes (gleichnamiges) Doppelbild angegeben. Wird z. B. der linke Rectus superior gelähmt [der normalerweise das linke Auge nach oben, etwas nasalwärts (nach rechts) zieht und gleichzeitig die obere Bulbushälfte etwas nasalwärts (nach rechts) rollt], so erscheint ein Trugbild nach oben und etwas nach rechts vom „richtigen" Bilde; •das erstere ist außerdem mit seinem oberen Ende nach rechts geneigt. An der Hand der oben (S. 166—169) gegebenen Darstellung der normalen Anatomie der Augenmuskeln dürfte die nun- mehr anschliessende Darstellung der Symptomatologie der ein- zelnen Lähmungen unschwer verständlich sein. Die verschiedenen Lähmungstypen sollen an je einem bestimmten Krankheitsfalle erläutert werden. 1. Paresis M. recti lateralis seu externi (N. abduc.) sin. a) Kopfhaltung. Der Kranke hält den Kopf in einer sehr gezwungen ■erscheinenden Linksdrehung, so daß er jeden Gegenstand mit rechtsgestellten Gesichtslinien betrachtet. b) Schielstellung. Stellt man den Kopf gerade und läßt nach einer geradeaus (vom Kranken) gelegenen Flamme blicken, so sieht man, daß die linke Hornhaut dem inneren Augenwinkel näher steht und der Lichtreflex nicht zentral liegt, wie an der rechten Hornhaut. c) Sekundäre Schielablenkung. Verdeckt man das rechte Auge, so macht das linke eine kleine Bewegung lateralwärts, wodurch es auf die Flamme «ingestellt wird. In demselben Moment bewegt sich das rechte (verdeckte) Auge — und zwar um einen erheblich größeren Winkel — medialwärts (in die sekun- däre Schielablenkung). d) Blickfeld. Läßt man den Kranken maximal nach rechts blicken, so erreicht die rechte Hornhaut die äußere Lidkommissur; blickt er maximal nach links, so bleibt die linke Hornhaut um einige Millimeter von jener Kommissur entfernt. Hebung und Senkung des Blickes erfolgen gleichmäßig. e) Diplopie. Hält man ein dunkelrotes Glas vor das linke Auge, so er- scheint die fixierte Flamme in gleichseitigen Doppelbildern (das rote Bild liegt links vom weißen). Je nachdem das rechte oder linke Auge auf die Flamme eingestellt ist, beträgt der D.-B..Abstand (in dem als Beispiel gewählten Falle) 10° bezw. 15°. Wird der Kopf bei festgesetzter Fixation der Flamme nach links gedreht, so verringert sich der Abstand der Doppelbilder, die schließlich ver- schmelzen. Bei Rechtsdrehung des Kopfes (Linksstellung des Auges) wächst der Abstand der Doppelbilder bis zu 20°. f) Lokalisierung. Beim Tastversuch wird, wenn das linke Auge fixiert •(das rechte verdeckt ist), nach links am Objekt vorbeigetastet; der Fehler wächst, wenn das Objekt in die linke Blickfeldhälfte rückt. 180 Bielscho wsky, Epikrise. Die Kopfhaltung des Kranken weist auf eine Parese eines Linkswenders hin, weil bei Linkswendung des Kopfes (rechtsgestellten Augen) die Linkswender der Augen entlastet werden. Die bei geradeaus gestelltem Kopfe erkennbare konver- genteSchielstellung zeigt an, dass die a d duzierenden Muskeln im Übergewicht über die abduzierenden sind. Wenn also die Schielstellung paretischen Ursprunges ist, so muß einabduzierender und gleichzeitig links w endender Muskel betroffen sein: der M. rect. lateralis sin. Bestätigt wird diese Annahme durch den Nachweis, daß bei Einstellung des schielenden linken Auges eine erheblich größere Schielstellung des rechten Auges zustande kommt, und daß die Abduktion des linken im Vergleich mit der des rechten Auges beschränkt ist. 2. Paresis M. recti medialis (seu interni) dextri. Auch an diesem Kranken fällt die habituelle Linksdrehung des Kopfes auf, die wiederum binokulare Fixation ermöglicht. Bei gerader Kopf- stellung und primärer Blickrichtung besteht hingegen Auswärtsschielen des rechten Auges. Verdeckt man das linke, so macht es zugleich mit dem anderen Auge eine Linkswendung, durch die das rechte Auge zur Fixation, das linke in eine erheblich größere (Auswärts-) Schielstellung gelangt. Bei maxi- maler Rechtswendung der Augen erreicht links der mediale Pupillenrand eben die Verbindungslinie der Tränenpunkte, bei Linkswendung kommt rechts nur der mediale Hornhautrand bis zu genannter Linie. Die Doppelbilder sind gekreuzt: das zum rotbelichteten rechten Auge gehörige Flammenbild steht links vom anderen; ihr Abstand voneinander wächst bei Links-, nimmt ab bei Rechtswendung. Epikrise: Es muß ein Linkswender paretisch sein, der gleichzeitig ein adduzierender Muskel ist, d. i. der Rectus med. dext. Denn während bei Rechtsstellung der Augen binokulare Fixation möglich ist (daher habituelle Linksdrehung des Kopfes), ist die Schielstellung beim Blick nach links maximal. Die Divergenz läßt das Übergewicht der ab- über die adduzierenden Muskeln erkennen. 3. Paresis M. obl. sup. (N. trochl.) dext. Der Kranke hält den Kopf für gewöhnlich gegen die linke Schulter geneigt, das Kinn etwas gesenkt. Wird der Kopf aufgerichtet, so liegt der Hornhautreflex der fixierten Flamme links im Zentrum, rechts unterhalb desselben: die rechte Gesichtslinie weicht also nach oben (von der linken) ab. Wird sie zur Einstellung gebracht, so weicht die linke Gesichtslinie in höherem Grade nach unten ab(Fig. 147a). Beim Blick nach unten bleibt das rechte Auge hinter dem linken zurück, in viel höherem Grade noch beim Blick nach links unten (Fig. 147b), während beim Blick nach links oben, sowie beim Blick nach rechts unten keine Stellungsdifferenz erkennbar ist (Fig. 147 c und 147 d). In den Seitenwendungen ist kein Auge merklich beschränkt. Epikrise: Der Unterschied in der Höhenlage der Gesichts- linien weist auf eine Störung im Bereich der Vertikalmotoren hin. Da die Schielablenkung bei Hebung verschwindet, bei*Senkung wächst, muß die Parese einen (oder beide) Senker desjenigen Auges betroffen haben, dessen Gesichtslinie im Vergleich mit der anderen nach oben abgewichen ist, also des rechten Auges. Beim Blick uach links unten war die Abweichung maximal, beim Blick nach rechts unten an- Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 181 nähernd Null: Daraus folgt, daß nur der eine Senker des rechten Auges und zwar der M. obliquus superior paretisch ist, weil dieser das Auge aus der adduzierten Stellung nahezu allein zu senken hat, während die Senkung aus abduzierter Stellung so gut wie ausschließ- lich vom M. rect. inf. besorgt wird. Fig. 147 a. Par. n. trochl. dext. Fig. 147 b. Blick nach rechts unten: Fixation mit dem gelähmten Auge Keine Stellungsdifferenz der Augen. (sekundäre Schielstellung). Fig. 147c. Blick nach links oben: Fig. 147 d. Blick nach links unten: Keine Stellungsdifferenz der Augen. Zurückbleiben des rechten Auges (maximale Stellungsdifferenz). Die weiteren Merkmale eines solchen Falles vervollständigen das Krankheitsbild, dessen Diagnose auf Grund der vorher besprochenen Symptome bereits gesichert ist. Die differente Höhenlage der Gesichtslinien bedingt verschieden hoch stehende Doppelbilder. Zu dem nach oben abgelenkten rechten Auge ge- hört das tiefer stehende Bild, dessen Abstand von dem höher stehenden — dem Verhalten des Schielwinkels entsprechend — bei Hebung des Blicks ab-, bei Senkung zunimmt, bei gleichzeitiger Senkung und Linkswendung maximal wird. Nimmt man als Fixationsobjekt einen nicht zu kurzen horizontalen Streifen, z. B. die vorher beschriebene Tangentenskala, so sieht der Patient die D.-B. des Streifens gegeneinander geneigt, ein Phänomen, worin die durch Aus- 182 Bielschowsky, fall eines Muskels mit r o 11 en der Wirkungskomponente bedingte Meridian. abweichung eines Auges zutage tritt. Zur Erklärung diene die folgende Betrachtung. Analog den korrespondierenden Netzhaut punkten verhalten sich korrespondierende -Meridiane oder Netzhaut- schnitte: die Erregung eines jeden Paares wird in eine und dieselbe Seh- richtuno-s-Ebene lokalisiert; was sich beispielsweise auf den queren Mittel- schnitten der beiden Netzhäute abbildet, erscheint in der (durch die Gesichtshnien ge- logten) Blickebene. Bei Lähmung einesMuskels mit rollender Komponente gelangen die Meridiane des betr. Auges (L in Fig. 148) unter dem Übergewicht der antago- nistischen Roller" in eine von der normalen abweichende Lage, und das Bild eines (fixierten) horizontalen Streifens liegt im gelähmten Auge nicht mehr - wie im gesunden Auge -- auf dem queren Mittelschnitt mm', sondern auf einem Schrägschnitt (««'). l n Är.:::::::::^^—»--ij Fig. 148. Die D.-B. des Streifens (ab und cd in Fig. 148) erscheinen daher so gegen- einander geneigt, wie der Schrägschnitt (ss') gegen den queren Mittelschnitt (mm'). In der Regel sieht der Patient das vom queren Mittelschnitt empfangene Bild horizontal, infolgedessen das zugehörige, auf dem Schlägschnitt (-■&') gelegene Bild des zweiten Auges schief. Die Lage des dem gelähmten Auge zugehörigen Bildes ist also auch hier derart, als hätte der paretische Muskel selbst das betr. Bild aus seiner richtigen (das andere Bild deckenden) Lage entfernt. Nehmen wir die D -B. in dem zuvor als Beispiel angeführten Falle. Das zum paretischen (rechten) Auge gehörige Bild (c in Fig. 149 a) steht tiefer, etwas nach rechts und entgegen dem Laufe des Uhrzeigers aus der richtigen (horizontalen) Lage verdreht. Hieraus entnehmeu wir, dass der paretische Muskel ein Senker, Abduktor und Einwärtsroller, also der M. obl. sup. ist. I l i Fig. 149 a. Fig. 149 b. Fig. 149 c. Daß beim Blick nach links unten die Neigung der D.-B. gegeneinander verschwendet, während ihr Höhenabstand maximal wird (Fig. 149 b), beim Blick uach rechts unten die Neigung maximal, der Höhenabstand minimal ist (Fig. 149c) Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 183 folgt aus der oben (S. 168 ff.) erörterten Abhängigkeit der Wirkungsweise der Vertikalmotoren von der jeweiligen Lage der Gesichtslinie zur Muskelebene. Zu erklären bleibt noch die oben erwähnte, für Paresen des M. obl. sup. charakteristische Kopfhaltung. Die Abbildungen 150a und b lassen sofort den Einfluß der Seitwärtsneigung auf die Vertikaldivergenz der Gesichtslinien er- kennen. Die betr. Patientin mit einer Par. des M. obl. sup. sm. vermag bei Rechtsneigung des Kopfes (Fig. 150a) binokular einfach zu sehen, bei Links- neigung (Fig. 150b) ist der Höhenunterschied der D.-B. noch größer als bei auf- rechter Kopfhaltung. Woher kommt dieser Einfluß der Seitwärtsneigung? Es ist festgestellt, daß bei Neigung des Kopfes auf eine Seite eine kleine par- allele Rollung der Augen (um die Ge.sichtslinien) nach der entgegen- gesetzten Seite erfolgt, daß also z. B. bei Linksneigung des Kopfes die „Rechtsroiler" beider Augen (reflektorisch — vom Labyrinth aus) innerviert werden. „Rechtsroller" sind am linken Auge die „Einwärtsroller" (rect. und obl. sup.), am rechten Auge die „Auswärtsroller' (rect. und obl. inf.). Wenn diese Muskeln zugleich innerviert werden, so kann bei ungestörtem Gleichgewicht nur eine Fig. 150 a. Fig. 150 b. Einfluß der Seitwärtsneigung des Kopfes auf paretische Vertikalablenkungen. Rollung (um die Gesichtslinien) erfolgen, da die an jedem Auge in Aktion tretenden Muskeln sich in ihren übrigen Funktionen auf Höben- und Seiten- stellung der Gesichtslinien entgegenwirken. Ist aber — wie in dem abgebildeten Falle — der M. obl. sup. sin. paretisih, so erfolgt bei Linksneigung des Kopfes, die eine gleichzeitige Innervation der als „Rechtsroller" wirkenden Augenmuskeln ver- anlaßt, eine Abweichung der linken Gesichtslinie (nach oben und etwas nach innen), weil die hebende und abduzierende Komponente des linken M. rect. sup. durch die antagonistischen Komponenten des paretischen M. obl. sup. nicht mehr auf- gehoben wird. Bei Rechtsneigung des Kopfes wird der paretische M. obl. sup. sin. entlastet, da jetzt die ihm entgegenwirkenden „Roller" innerviert sind (am linken Auge rect. und obl. inf.). Infolgedessen geht die Ablenkung auf ein Minimum zurück. Der Kranke behält natürlich eine so unbequeme Kopfhaltung nur bei, wenn sie ihm Binokulaisehen ermöglicht: daher fehlt eine charakteristische Kopfneigung, wenn die Ablenkung so hochgradig, daß sie auf keine Weise zu korrigieren ist. •lo leichter die Parese, um so weniger braucht auch die Kopfhaltung für die mög- lichste Entlastung des paretischen Muskels zu soigen. Ein Kranker mit Parese eines M. obl. sup. kann unter Umständen schon durch eine bloße Senkung des Kopfes, Lehrbuch der Augenheilkunde. 12 1S4 Bielschowsky, die eine Hebung der Gesichtslinien veranlaßt, oder durch bloße Drehung nach einer Seite, wodurch das paretische Auge in eine mehr abduzierte Stellung (in welcher die mm obliqui keinen Einfluß auf die Hebung bezw. Senkung haben) gebracht wird, binokulares Einfachsehen erzielen. 4. Paresis M. recti sup. sin. Bei anfrechtei Kopfhaltung linie etwas nach unten gerichtet. und Blick geradeaus steht die linke Gesichts- Wenn das linke Auge zur Fixation veranlaßt wird, weicht die rechte Gesichtslinie um einen noch größeren Winkel nach oben ab. Bei Senkung des Blicks ist eine Stellungsdifferenz der Augen nicht wahrzunehmen, bei Hebung des Blicks ist sie auffälliger als bei der Primärstellung, am auffälligsten beim Blick nach links oben (Fig. 151), wesentlich ge- ringer beim Blick nach rechts oben. Epikrise: Es muß ein Heber des linken Auges paretisch sein, da dieses bei der Hebung zurückbleibt, und zwar ein Heber, der hauptsäch- lich dann zur Wirkung gelangt (und dessen Ausfall dementsprechend dann am stärksten hervortritt), wenn sich die Gesichtslinie in abduzierter Stel- lung befindet. Dieser Heber ist der M. rect. super, sin. Die D.-B. des horizontalen Streifens stehen verschieden hoch (das zum linken Auge gehörige Bild höher) und konvergieren nach rechts. Der Höhenunterschied ist am stärksten beim Blick nach links oben, wobei sie aber annähernd parallel sind. Fig. 151. 5. Paresis M. obl. infer. dextri. Das rechte Auge ist nach unten abgelenkt, bleibt beim Blick nach oben deutlich, beim Blick nach rechts oben aber kaum merklich zurück (Fig. 152a). Fig. 152 a. Fig. 152 b. Beim Blick nach links oben erhebt sich die rechte Gesichtslinie gar nicht über die Horizontalebene (Fig. 152b). Bei Senkung des Blicks gleichmäßige Bewegung beider Augen. (Vergl. auch das hierzu gehörige Blickfeld Fig. 144 auf S. 176.) Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. ISO Epikrise: Es ist ein Heber des rechten Auges gelähmt. Da dieses aus abduzierter Stellung fast in normalem Umfange, dagegen gar nicht aus adduzierter Stellung gehoben werden kann, muß der R. sup. intakt, der Obl. inf. allein gelähmt sein. Von den Doppelbildern des horizontalen Streifens gehört der höher gelegene zum rechten Auge, die D.-B. konvergieren nach rechts. 6. Paresis M. reeti infer. sin. Beim Blick geradeaus steht die linke Gesichtslinie etwas höher als die rechte, noch mehr bei der Senkung des Blickes, am stärksten beim Blick nach links unten. Beim Blick nach oben keine Stellungsdifferenz. Es muß also ein Senker des linken Auges paretisch sein und zwar der M. rect. inf., weil hauptsächlich die Senkung der abduzierten Gesichtslinie behindert ist. Doppel- bilder: das tiefer liegende Bild gehört zum linken Auge. Die Bilder konvergieren nach rechto. 7. Paresis N. oeulomot. sin. Das linke Oberlid hängt schlaff herab (Fig. 153a) und kann willkürlich nicht gehoben werden. Hebt man es auf, so sieht man das linke Auge nach außen Fig. 153 a. Fig. 153b. und gleichzeitig etwas nach unten abgelenkt (Fig. 153 b). Die linke Pupille ist erweitert und absolut starr. Nur die Linkswendung führen beide Augen gleich- mäßig aus. Bei der Rechtswendung gelangt die linke Gesichtslinie nur in die Mittelstellung, Erhebung über die Horizontalebene ist ihr unmöglich. Beim Blick nach unten geht auch das linke Auge ein wenig abwärts, zugleich macht es eine — an der Iris und den Konjunktivalgefäßen deutlich erkennbare — Rad- drehung nach innen: ein Zeichen, daß der M. obl. super, allein tätig und seine rollende Wirkung nicht durch die entgegengesetzte des M. rect. infer. aufgehoben ist. Epikrise: Es sind sämtliche Muskeln gelähmt, die der linke X. oculom. versorgt, während die beiden selbständig innervierten Muskeln (Rect. lat. und Obl. sup.) intakt sind. Als Ophthalmoplegia exterior bezeichnet man die Lähmung der sämtlichen äußeren bei Intaktheit der „interioren" Augenmuskeln. Die letzteren (M. sphincter iridis und M. ciliaris) sind mitunter eben- falls für sich allein gelähmt: Ophthalmoplegiainterior. Außer- dem spricht man von partiellen und totalen Ophthalmoplegien, wenn mehrere oder sämtliche Augenmuskelnerven gelähmt sind. 12* 186 Bielschowsky, Assoziierte (oder konjugierte) Blicklähmungen. Es besteht ein gleichmäßiger Beweglichkeitsausfall an beiden Augen in gleichem Sinne: also ein Ausfall der Rechts- bezw. Links- wendung, oder ein Ausfall der Hebung bezw. Senkung. Der Kopf ist in der Regel nach der Seite der fehlenden Blickbewegung gedreht, also nach rechts bei Lähmung der Rechtswendung, so daß mit links- gestellten Augen fixiert wird. Doppelbilder fehlen in denjenigen Fällen, in welchen der Beweglichkeitsausfall ein ganz gleichmäßiger an beiden Augen ist. Bei seitlicher Blicklähmung vermag der Medialis, der zugleich mit dem Lateralis des anderen Auges auf den Impuls zur Seitenwendung versagt, in vielen Fällen noch eine Adduktions- bewegung zu vermitteln, wenn er zur Konvergenz innerviert wird. In manchen Fällen kann die willkürlich nicht ausführbare Blickbewegung noch reflektorisch— vom Ohrlabyrinth aus: z.B. durch passive Drehung des Kopfes nach der der fehlenden Blick- bewegung entgegengesetzten Seite — ausgelöst werden. Bei den Blicklähmungen stehen die Augen durch den Einfluß der nicht ge- lähmten Muskeln in „konjugierter Deviation", die indessen willkürlich meist so- weit korrigiert werden kann, daß die Gesichtslinien bis nahe oder in die Mit- telstellung gelangen. Bei der Deviation conjuguee, wie sie zuerst von Prevost beschrieben wurda als eine bei apoplektischen Insulten oder sonstigen akut einsetzenden Störungen iuuerhalb einer Hirnhemisphäre für das erste Krankheitsstadium charakteristische Erscheinung sind Augen und Kopf in der Regel von der gelähmten Körperseite ab- und der Seite des Herdes zugewendet. Die Dev. conj. ist zum Teil Lähmungs-, zum Teil Reiz- symptom. Ein Herd in der linken Hemisphäre, der die Bahn für die Rechts- wendung der Augen zerstört, würde diese durch das Übergewicht der intakten Linkswender nach links abweichen lassen. Vermutlich besteht aber in solchen Fällen auch noch ein vorübergehender Reizzustand in den Zentren für die Links- wender der Augen, wodurch zunächst die Deviation verstärkt und die Rückkehr der Augen nicht einmal bis zur, Mittelstellung ermöglicht wird. Die als Konvergenzlähmungen beschriebenen Krankheits- bilder zeigen als Hauptmerkmal die Unfähigkeit, zu konver- gieren, während die Seiten Wendungsfunktion der Mediales ungestört ist. Beim Blick in die Ferne stehen die Augen der- artiger Patienten parallel (bezw. bei Aufhebung des binokularen Seh- aktes gewöhnlich in geringer Divergenz). Atypische Kranklieitsbilcler. Von den oben skizzierten Typen der verschiedenen Lähmungsformen kommen im einzelnen Falle natürlich oft kleinere oder größere Abweichungen vor. So findet man z. B. nicht selten das Auge mit dem paretischen Muskel als fixierendes, das nichtparetische in (sekundärer) Schielstellung. Noch weiter er- schwert wird die Entscheidung, welches Auge von der Parese betroffen ist, wenn sich die Differenz zwischen primärem und sekundärem Schielwinkel, wie über- haupt die Differenz verwischt-, die sonst im Verhalten des Schielwinkels bei ver- schiedenen Blickrichtungen zu erwarten ist. Die Ursache dafür liegt in der Aus- bildung von sekundären Kontrakturen in den Antagonisten der paretischen Muskeln, während gleichzeitig die Parese mehr oder weniger zurückgehen kann. Diese Fälle, in denen die Ablenkung vorwiegend oder ausschließlich durch die Verkürzung eines bezw. mehrerer Muskeln unterhalten wiid, bieten d;is Bild der gewöhnlichen (nichtparetischen) strabotischen Schielablenkung. Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 187 Das Hinzutreten einer Lähmung zu einem alten Strabismus oder einer Hetero- phorie verleiht dem Falle — oder wenigstens einzelnen Symptomen — ebenfalls ein ungewöhnliches Gepräge. In allen solchen Fällen bedarf es zur richtigen Analyse des Krankheitsbildes einrr sorgfältigen Anamnese über die Dauer der Störung, die Art ihres Auftretens usw., ferner der Ausnutzung sämtlicher dia- gnostischer Merkmale, auch solcher, die in typischen Fällen für die Diagnose entbehrlich sind, wie des Tastversuchs, der Feststellung des Einflusses der Kopf- neigung auf die Größe von Vertikal- ablenkungen etc. Die kongenitalen Beweglich- keitsstörungen präsentieren sich teils in gleicher Gestalt wie die verschieden- artigen erworbenen Lähmungstypen — als partielle oder totale Ophthalmo- plegien , Lähmungen eines einzelnen oder assoziierter Muskeln — teils zeigen sie Besonderheiten von prinzipieller Be- deutung. So kommen kongenitale Ab- dukti onsdef ekt e vor mit enormer Schielstellung durch (sekundäre) Kon- Fig. 154. Kongenitale Lähmung der traktur der Mm. mediales (Fig. 154), lateralen mit höchstgradigerKontraktur andere wieder ohne Spur einer Schiel- der medialen Muskeln. Stellung. In manchen Fällen der letzteren Art rührt das Ausbleiben der pare- tischen Ablenkung daher, daß mit den lateralen zugleich die medialen Muskeln funktionsunfähig sind, in anderen Fällen daher, daß der laterale Augenmuskel fehlt und durch ein elastisches Band ersetzt ist, das den Bulbus am Einwärts- schielen verhindert. Öfters ist dann auch der Medialis nicht in normaler Weise entwickelt: die Adduktion des Auges ist sehr beschränkt und statt derselben ist eine Retraktionsbewegung des Augapfels (Enophthalmus) zu beobachten. Die Lokalisierung der Krankheitsherde bei Augen- muskellälimungen. In jedem einzelnen Falle hat man zu versuchen, ob der klinische Befund Anhaltspunkte für den Sitz und die Art der zugrunde liegenden Läsion liefert. Die verschiedenartigen Krankheitsbilder lassen sich im allgemeinen nach dem Ort der Läsion in drei Gruppen einteilen. 1. Die erste umfaßt diejenigen Fälle, in denen eine Schädigung der motorischen Zentren oder Bahnen oberhalb der Augenmuskelkerne anzunehmen ist (Blutungen, embolische bezw. thrombotische Er- weichungsherde, Tumoren, Traumen). Das hervorstechendste Merk- mal der Hemisphärenläsion ist die „Deviation conjuguee", die gleichsinnige Ablenkung der Augen (mitunter auch des Kopfes) nach der Seite des Krankheitsherdes (von den ge- lähmten Glieder weg, s. S. 186). Dagegen spricht die Hemiplegia alternans (seitliche Blicklähmung kombiniert mit Lähmung des N. fa- cialis der gleichen und der Extremitäten der an- deren Seite, konjug. Ablenkung der Augen nach den gelähmten Gliedern) für einen Ponsherd (Gliome, Tuberkel, Erweichungsherde), da in der Brücke die schon gekreuzten Nervenbahnen für die Seiten- 188 Bielschowsky, wender der Augen und den N. facialis sehr nahe bei den noch un- gekreuzten Pyramidenbahnen verlaufen, so daß sie sämtlich durch einen isolierten Herd zerstört werden können. Der durch einen solchen Herd für die Seitenwendung gelähmte Medialis reagiert in der Regel noch auf Konvergenzimpulse, weil die den Medialis zur Konvergenz innervierende Bahn getrennt von der Bahn für Seiten- wendungsimpulse nach dem Vierhügelgebiete verläuft. Auch für die Blickheber und -senker werden subkortikale Zentren in den Vierhügeln angenommen, weil umschriebene Läsionen im Bereiche der letzteren öfters als anatomische Grundlage von streng assoziierten vertikalen Blicklähmungen gefunden werden. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß solche Herde auch durch eine gleichmäßige Schädigung der nahe gelegenen Okulomot.-Kerne das Bild der vertikalen Blicklähmung entstehen lassen. ?. Kern- und Wurzelerkrankungen der Augenmuskel- nerven sind meist schwieriger zu diagnostizieren als die Erkrankungen der ersten Gruppe, weil das klinische Bild der Abduzens- oder Trochlearis-Lähmung das gleiche ist, ob die Läsion im Kern oder im Nervenstamm (an der Basis) sitzt. Auch der Ausfall einzelner der vom N. oculomot. versorgten Muskeln ist nicht unbedingt — wie man früher glaubte — für Kern läsion entscheidend, da man in derartigen Fällen post mortem wiederholt basale Affektionen des Nervenstammes gefunden hat. Einseitige Lähmung sämtlicher (bezw. nur der exterioren) Okulomotorius-Aste ist in der Regel nicht nuklearen Ur- sprungs, da der N. oculomotorius ja teils aus Zellen der gleichen, teils aus solchen der gekreuzten Seite ent- springt. Ist aber ein Okulomotorius zugleich mit denExtremi- täten der anderen Seite gelähmt (Hemipl. altern, super.), so liegt in der Regel ein Herd im Hirnschenkelfuß vor, wo die Okulomotorius-Wurzeln dicht an den Pyramidenbahnen vorüberziehen. Doppelseitige Okulomotorius-Lähmung weist auf einen Prozeß in den Vierhügeln hin, der auf das III. Kernpaar übergreift oder es durch Druck in Mitleidenschaft zieht. Eine primäre Erkrankung des Kerngebietes ist anzu- nehmen: a) bei den akuten und chronischen (meist exterioren — s. S. 185—) beiderseitigen Ophthalmoplegien, die teils selb- ständige Krankheitsformen darstellen, teils im Verlaufe akuter In- fektionskrankheiten (Diphtheritis, Influenza, Masern, Typhus), teils bei verschiedenen Erkrankungen des Zentralnervensystems (Tabes, progr. Paralyse, multiple Sklerose etc.) auftreten. Das pathologisch-ana- tomische Substrat bilden entweder entzündliche Prozesse (Poliencephal. acuta haemorrhag. sup. et inf.) auf toxischer (Alkohol, Blei) oder infektöser Grundlage (Influenza, Syphilis) oder degenerative Vorgänge in Kernen und Wurzeln (Tabes etc.); b) bei alleiniger Lähmung der inferioren Augenmuskeln (Pupille und Akkommodation), wenn eine periphere Ursache (Atropin- oder Skopolamin-Einträufelung) auszuschließen ist. Die unilaterale Form der 0. inter. ist oft und lange Zeit das einzige Symptom der Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 189 Lues cerebrospinalis, seltener der Tabes oder Paralyse. Die bilaterale Form ist meist toxischen Ursprungs (Botulismus). c) Isoliert auftretende Augenmuskellähmungen bei hochgradiger Arteriosklerose beruhen in der Regel auf Blutungen im Kern- oder Wurzelgebiet. 3. Läsionen an der Hirnbasis können mit einiger Sicher- heit nur diagnostiziert werden, wenn zugleich mit Lähmungen der Augenmuskeln — oder relativ rasch danach — Schädigungen anderer Hirnnerven (N. opticus, facialis, trigeminus) einsetzen. Pathologisch- anatomisch kommen in Betracht: Tumoren, Gefäß warirlerkrankungen, meningitische Exsudate, gummöse Wucherungen in den Meningen, dem Periost oder in den Nervenstämmen selbst, endlich Verletzungen, besonders Basisfrakturen, wobei die Nerven durch Blutung oder durch die Verschiebung und Absprengung von Knochenteilen gequetscht bezw. zerrissen werden können. 4. Orbitale Affektionen (Blutungen, Tumoren, periostitische Prozesse luetischer oder tuberkulöser Herkunft, von den Nebenhöhlen ausgehende Geschwülste oder Entzündungsprozesse) sind bei Augen- muskellähmungen anzunehmen, wenn Protrusion, spontane oder Druckempfindlichkeit des Auges, Stauungspapille be- stehen, zumal wenn in der Umgebung des Bulbus eine Geschwulst fühlbar ist. Endlich hat man bei isolierten, namentlich flüchtigen Lähmungen einzelner Muskeln an eine periphere Neuritis, wie sie bei Infektionskrankheiten vorkommt, zu denken. Prognose und Therapie der Aiigenmnskellälimnngen hängen natürlich in erster Linie von der Ätiologie der Lähmungen ab. Günstig ist die Prognose für die Mehrzahl der meist flüchtigen, sog. rheumatischen, ferner für die toxischen und infektiösen Formen, die vielfach ohne jede —■ bezw. unter diaphoretischer und symptomati- scher — Therapie heilen. Die syphilitischen Lähmungen geben stets eine zweifelhafte Prognose. Die spezifische Therapie ist zwar vielfach erfolgreich, bleibt aber auch häufig ohne jeden Einfluß. Relativ günstigen Charakter besitzen die durch kleine Kernblutungen ver- ursachten Paresen. Die tabischen Lähmungen gehen oft rasch zurück, neigen aber zu Rezidiven an den gleichen oder anderen Augenmuskeln. Wenn die kausale (allgemeine) Therapie erfolglos ist, so leistet natür- lich auch die symptomatische Behandlung wenig. Dies gilt von der vielfach geübten Galvanisation mit schwachen Strömen (Kathode auf den Nacken, Anode auf die Lider oder Schläfe), deren günstige momentane Wirkung in der Regel auf die Dauer nicht vorhält. Stört die Diplopie, so muß ein Auge durch Schutzklappe oder ein undurch- sichtiges Brillenglas ausgeschaltet werden. Die operative Therapie kommt in Betracht, wenn nach mehr- monatlicher Behandlung ein erheblicher Grad von paretischer Ab- lenkung bestehen bleibt oder durch sekundäre Kontrakturen noch wächst. Zunächst ist die Vorlagerung des paretischen Muskels indiziert, eine Tenotomie (Rücklageiung) des Antagonisten nur bei hochgradiger (Sekundär-) Kontraktur desselben im Anschluß an die Vorlagerung. 190 Bielscho wsky, Bei Lähmung eines M. obliquus empfiehlt sich die Rücklagerung des gleich- sinnig wirkenden geraden Muskels am andern Auge oder die Yorlagerung von dessen Antagonisten. Wenn z. B. infolge einer Lähmung des N. trochl. sin. das linke Auge nach oben (und etwas nach innen) abgelenkt, sein oberer Pol schläfenwärts (nach links) geneigt ist, so wird durch Rücklagerung des rechten M. rect. inf. die Vertikaldivergenz verringert (die rechte Gesichtslinie gleichfalls nach oben abgelenkt), ebenso die geringe Konvergenz mehr oder weniger kor- rigiert und die Stellung der korrespondierenden Meridiane dem Parallelismus ge- nähert, weil sich bei Schwächung eines rechten „Auswärtsrollers" der rechte obere Pol — ebenso wie der linke — nach links neigt. Über die Technik der Operation s. S. 198 ff. Heterophorie und Strabismus. Das (nichtparalytische) latente und manifeste Schielen. Wie oben (S. 172) schon angedeutet, vermag der Fusionszwang Stellungsanomalien der Augen durch Einleitung einer (gegensinnigen) „Ausgleichs"-Innervation zu verdecken, so lange die Anomalie nicht zu hochgradig und die Leistungsfähigkeit des Individuums nicht aus irgend welchen Gründen vermindert ist. Schon bei Ermüdung oder Erschöpfungszuständen kann aus dem latenten ein (zeitweilig oder dauernd) manifestes Schielen entstehen, was natürlich unver- meidlich ist, wenn durch einseitige ScliAvächung der Seh- kraft das Fusionsbestreben verloren geht. Schaltet man das Fusionsbestreben vorübergehend aus, um etwaige latente Gleichgewichtsstörungen zutnge treten zu lassen, so klingt die während der Dauer des Binokularsehens tonisch gewordene „Ausgleichs"-Innervation nur allmählich und gewöhnlich nicht restlos ab, wobei allerdings das individuelle Verhalten außer- ordentlich variiert. Die Ausschaltung des Fusionsbestrebens erreicht man durch Verdecken eines Auges oder durch Vorsetzen eines sehr dunkelfarbigen Glases: dann geht das verdeckte Auge in Schielstellung, und eine zuvor binokular fixierte Flamme erscheint eventuell in Doppelbildern. Tritt kein Schielen ein (wenn der Fusionszwang sehr kräftig entwickelt ist), so kann man mit dem farbigen Glase zugleich ein starkes Prisma (8°—10°) mit der Kante nach oben (oder unten) vor ein Auge setzen Bei „idealem" Gleichgewicht (Orthophorie) müßten jetzt die beiden verschiedenfarbigen Bilder der Flamme lediglich den durch die ab- lenkende Wirkung des Prismas bedingten Vertikalabstand (4°—5°) zeigen. Ist dieser aber größer oder kleiner oder besteht daneben noch ein Lateralabstand der D.-B., so gelangt darin eine Heterophorie zum Ausdruck. Wir unter- scheiden Exophorie (latente Divergenz), Esophorie (latente Kon- vergenz), Hyperphorie (latenten Höherstand), Kataphorie (latenten Tieferstand des rechten bezw. linken Auges). Die Messung erfolgt am ein- fachsten in der oben (S. 173) beschriebenen Weise. Von größter Wichtigkeit für die therapeutische Indikations- stellung ist die Feststellung, ob die Anomalie in den anato- mischen Verhältnissen (d. i. also mechanisch) oder im ner- vösen Mechanismus, speziell in den Beziehungen zwischen Akkom- modation und Konvergenz begründet ist. Wir haben daher in jedem Einzelfalle zunächst die Refraktion und deren etwaigen Einfluß auf die Heterophorie festzustellen. Der Hypermetrop, der für alle Entfernungen stärker akkommodieren muß, wie der Emmetrop, um deutlich zu sehen, würde auch eine im Verhältnis zur Ent- fernung des Objekts zu starke Konvergenzinnervation aufbringen, wenn dem nicht der Fusions zwang entgegenwirkte (relative Akkommodationsbreite). Findet man nun bei der Ausschaltung des Fusionszwanges eine Esophorie, so ist zu- Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 191 nächst zu prüfen, ob diese auf einem durch Hyperop ie bedingten Akkom- modationsüberschuß beruht. Dies wäre erwiesen, wenn durch Korrektur der eventuell bestehenden Hyperopie die Esophorie verschwände. Ist aber keine Hyperopie da, oder bleibt trotz Korrektur derselben noch Esophorie bestehen, so spricht das im allgemeinen für eine mechanisch (anatomisch) be- dingte Stellungsanomalie. Geringgradige Heterophorien sind weit häufiger wie Orthophorie und verursachen relativ selten erhebliche Beschwerden. Letztere be- stehen darin, daß sich bei andauernder Beschäftigung der Augen (namentlich bei Nahearbeit) ein Gefühl von Unbehagen und Druck über den Augen einstellt, die Objekte verschwimmen oder in Doppel- bilder zerfallen. In schwereren Fällen steigert sich das Unbehagen bis zu heftigen Kopfschmerzen, Schwindel und Übelkeit. Charak- teristisch für diese „muskuläre Asthenopie" ist das Aufhören der Beschwerden bei Schließen eines Auges (Aus- schalten des Fusionszwanges), während bei der „Akk ommodations- Asthenopie" der Hyperopen die — sonst ganz ähnlichen — Be- schwerden erst beim Aufgeben der Nahearbeit nachlassen. Schuld an der muskulären Asthenopie ist die Anstrengung, die zur Aufbringung der die Heterophorie korrigierenden Ausgleichs-Innervation erforderlich und durch das Fusionsbestreben gleichsam erzwungen wird. Das Allgemeinbefinden der betreffenden Individuen ist von großem Einfluß auf die erwähnten Beschwerden: sie treten vielfach erst auf (oder steigern sich) bei Ermüdung oder schwächenden Krank- heiten , sie verschwinden oft schon nach ausgiebigem Schlaf oder in der Rekonvaleszenz. Therapie. Besteht muskuläre Asthenopie infolge gering- gradiger Heterophorie, so kann durch Prismen die Ausgleichs- Innervation (ganz oder teilweise) ersetzt und dadurch eine Erleich- terung für den Patienten geschaffen werden. Fig. 136 a ('S. 165) zeigt die Wirkung der (adduzierenden) Prismen bei Esophorie: sie ermög- lichen die binokulare Fixation des Objektes P trotz der relativ zu starken Konvergenz der Gesichtslinien. Bei Exophorie müssen die Prismen die entgegengesetzte Lage (Kante nach außen) haben, bei Hyperphorie des rechten (oder Kataphorie des linken) Auges muß die Vertikaldivergenz so ausgeglichen werden, daß rechts ein Prisma mit der Kante nach oben bezw. links mit der Kante nach unten) vorgesetzt wird. Im allgemeinen verordnet man Prismen nur bis zu 3°—4° jeder- seits, womit eine Ablenkung von ebensovielen Winkelgraden kom- pensiert wird, da die Lichtstrahlen annähernd um die Hälfte des Prismenwinkels abgelenkt werden. Stärkere Prismen sind zu schwer und haben störende Nebenwirkungen. Natürlich ist nötigenfalls auch eine allgemeine (roborierende) Therapie einzuleiten. Stereoskopische Übungen kommen bei geringeren Graden von Heterophorie kaum in Frage; auch bei höheren Graden nur selten, da die Übungen viel Geduld und Ausdauer beanspruchen, wenn sie erfolgreich sein sollen, und sie für schwächliche (nervöse) Patienten zu ermüdend sind. Näheres siehe S. 197. Operative Behandlung ist nur bei höhergradigen Hetero- phorien mit erheblichen asthenopischen Beschwerden indiziert. Über die Indikationsstellung und Methodik siehe S. 198 ff. 192 Bielschowsky, Insuffizienz der Konvergenz. In vielen Fällen, die über asthenopische Beschwerden klagen, findet man bei Fernstellung der Augen keine Heterophorie^ wohl aber beim Sehen in die Nähe (gewöhnliche Arbeitsdistanz: 25 - 35 cm), und zwar dann meist eine Exophorie, d. h. bei zunächst richtiger (binokularer) Fixation eines nahe gelegenen Objektes hat Verdecken eines Auges dessen Abweichung schläfenwärts zur Folge. Läßt man in einem solchen Falle ein aus größerer Entfernung langsam heran- geführtes Objekt (Fingerspitze) binokular fixieren, so sieht man oft, daß die binokulare Fixation schon bei noch relativ großer Distanz des Objektes verloren geht1): es bleibt nur eine Gesichtslinie ein- gestellt, die andere geht mit zunehmender Annäherung des Objektes immer weiter nach außen (statt nach innen). Diese Insuffizienz der Konvergenz beruht nicht etwa auf einer Schwäche des betreffenden M. rectus medialis: bei Seitenwendungen bringt derselbe Muskel eine ganz normale Adduktion zustande; vielmehr handelt es sich um eine Schwäche der Konvergenz-Innervation, deren Erscheinungsform sich von der Konvergenz-L ä h m u n g nur graduell unterscheidet. Die Insuffizienz kommt sehr häufig bei im übrigen völlig gesunden Indi- viduen vor, namentlich allerdings bei schwächlichen, anämischen Per- sonen der verschiedensten Altersklassen. Sie kann mit der Hebung des Allgemeinbefindens zurückgehen. Höhere Grade der Störung ver- ursachen oft keinerlei subjektive Beschwerden, weil die betreffenden Individuen bei der Nahearbeit die Netzhautbilder des nach außen abgewichenen Auges nicht beachten („unterdrücken"). Die Exophorie unkorrigierter Myopen beim Nahe sehen ist nicht ohne weiteres als Insuffizienz der Konvergenz anzusehen. Denn die Myopen arbeiten in der Nähe mit einer unternormalen Akkommodation, der bei Aus- schaltung des Fusionszwanges eine relativ zu geringe Konvergenz entspricht. Erst wenn nach Korrektur der Myopie noch immer eine Exophorie beim Nahe- sehen gefunden wird, liegt eine Insuffizienz der Konvergenz vor. Therapie. Jugendliche Myopen müssen ihre Konkavbrille auch beim Nahesehen tragen, damit die Harmonie zwischen Akkommodation und Konvergenz hergestellt wird. Prismen (mit der Kante nach außen) sind nur selten von Nutzen, weil damit nur sehr geringe Grade der Störung — die gewöhnlich keine Beschwerden verursachen — zu korrigieren sind. Mitunter läßt sich durch stereoskopische und andere Konvergenz-Übungen eine Besserung erzielen. Die operative Behandlung kommt bei reiner Insuffizienz der Konvergenz — d. h. wenn keine Anomalie der Ruhelage (Heterophorie im engeren Sinne) besteht --in der Regel nicht in Betracht. Schielen (Strabismus). besteht, wenn sich die Gesichtslinien nicht im Blickpunkte—dem Gegen- stande der Aufmerksamkeit — schneiden. Das gewöhnliche (kon- komittierende) Schielen ist keine eigentliche Motilitätsstörung, sondern eine Stellungsanomalie eines oder — in der Regel — beider Augen. Es beruht entweder auf Besonderheiten der topo- 1) Normalerweise bleibt die binokulare Einstellung bis auf etwa 5 cm Ent- fernung erhalten. Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 193 graphischen Verhältnisse innerhalb der Orbitae, also auf mechanisch wirkenden Einflüssen (s. S. 172) oder auf Störungen nervösen Ur- sprungs, namentlich auf abnormer Konvergenzinnervation. Der Strabismus convergens, die häufigste Form des Schielens, entsteht meist in den ersten Lebensjahren. In vielen Fällen ist, wie Donders zuerst erkannt hat, die hyperopische Refraktion ein wesentlicher ätiologischer Faktor. Das Interesse am deutlichen Sehen zwingt den Hyperopen zu erhöhter Anspannung der Akkommodation. Wäre diese unlösbar verknüpft (assoziiert) mit der Konvergenzinner- vation, so müßten sich bei (relativ) zu starker Akkommodation die Ge- sichtslinien schon vor dem Gegenstand der Aufmerksamkeit schneiden, und dieser würde doppelt erscheinen. Aber das Fusionsbestreben (Streben nach binokularem Einfachsehen) überwiegt in der Regel den Einfluß jener Assoziation und lockert sie derart, daß die Konvergenzinnervation trotz des Akkommodationsüberschusses der Entfernung des zu fixierenden Objektes angepaßt wird. Eine der- artige Lösung der assoziierten Innervationen ist jedoch nur innerhalb gewisser Grenzen möglich: wird die Differenz zwischen den an beide gestellten Anforderungen zu groß, so hat das Individuum nur die Wahl, entweder binokular einfach aber unscharf, oder scharf aber doppelt zu sehen (konvergent zu schielen). Solche Fälle von rela- tiver Hyperopie (s. d.) schielen periodisch und zwar dann, wenn sie etwas scharf sehen wollen. Die Herkunft ihres Schielens ist daran zu erkennen, daß es sofort und dauernd verschwindet, wenn durch eine Konvexbrille die Hyperopie korrigiert und die Akkommodation dadurch auf das richtige Maß zurückgeführt wird. Fehlt das Fusionsbestreben — z. B. bei einseitiger Sehschwache infolge von Erkrankungen oder Verletzungen eines Auges — so können natürlich schon geringere Grade von Hyperopie auf Grund der oben erörterten Assoziation den Anstoß zur Entstehung von Strab. conv. geben. Für die Amblyopie des schielenden Auges fehlt häufig eine objektiv nachweisbare Unterlage. Besonders hochgradig ist die Funktion der Fovea geschädigt; das Schielauge kann bei Verdecken des anderen nicht in die Fixationsstellung gebracht werden, sondern irrt hin und her. In solchen Fällen mögen z. T. kongenitale bezw. intra partum entstandene, später nicht mehr nachweisbare organische Störungen (z. B. Blutungen in die Maculagegend) die Amblyopie ver- schulden, zum Teil ist aber die Störung zweifellos nur funktioneller Natur und als Folgezustand eines andauernden Nichtgebrauchs des schielenden Auges anzusehen („Amblyopia ex anopsia"). Dafür spricht die Erfahrung, daß bei Schielenden der Prozentsatz derer mit Amblyopie des Schielauges um so höher gefunden wird, je längere Zeit die Entstehung des Schielens zurückliegt (Priestley-Smith, Worth), ferner die Beobachtung von Fällen, in denen sehtüchtige Augen durch an- dauerndes Schielen amblyopisch wurden, und von solchen, bei denen das hochgradig amblyopische Schielauge durch ausschließlichen Gebrauch eine mehr oder weniger vollkommene Sehschärfe wieder gewann. Für eine zweite (größere) Gruppe von Einwärtsschielenden muß nach einer anderen als der von Donders ermittelten Ätiologie gesucht werden. Es sind das Fälle mit emmetropischer, myopischer oder so geringgradig hyperopischer Refraktion, daß darin die Entstehung des Strab. conv. nicht begründet sein kann, namentlich in Anbetracht 194 Bielscho wsky, der Tatsache, daß die weit überwiegende Mehrzahl der Hyperopen (auch höherer Grade) kein Schielen erwirbt. Weiter lehrt die Er- fahrung, daß die den Refraktionsfehler korrigierende Konvexbrille selbst im ersten Stadium des Schielens auf dieses oft keinerlei Ein- fluß übt. Für viele solcher Fälle muß wohl eine anatomische Dis- position angenommen werden — „Mißverhältnis zwischen den mittleren Muskellängen" (A. v. Graefe) bezw. „relative Kürze des Schielmuskels" (Schnabel u. a.) —, zu deren Korrektur der Fusionszwang nicht ausreicht. Auch die Tatsache, daß im Verlaufe des Wachstums der Strab. conv. nicht selten spontan verschwindet oder doch viel geringer wird, und daß plötzlich eintretende Sehschwäche eines Auges in den ersten Lebensjahren meist konvergentes, später meist divergentes Schielen nach sich zieht, läßt den Anteil erkennen, den die — während des Wachstums sich ändernden — mechanischen Faktoren an der Entstehung des Strab. conv. haben können. Die wichtigste Rolle bei der Entstehung des Strab. conv. dürfte aber der mangelhaften (bezw. gestörten) Entwickelung der- jenigen Einrichtung zuzusprechen sein, die dem binokularen Sehakt (und damit dem Fusions vermögen) zugrunde liegt. Dafür sprechen folgende Erwägungen und Erfahrungen: 1. Bei normalem Fusionsvermögen kommt es allenfalls zu latentem oder periodisch manifestem Schielen infolge von Anomalien der Refraktion (Hyperopie) oder der Ruhelage (Esophorie), aber nur ganz ausnahmsweise zu permanentem Strabismus. 2. Der Strab. conv. ist nicht nur in hohem Grade vererbbar, sondern relativ häufig mit anderen nervösen Störungen ver- gesellschaftet. 3. Er entwickelt sich sehr häufig in unmittelbarem Anschluß an akute Infektionskrankheiten des frühesten Kindesalters (Masern, Keuchhusten etc.), bei denen das Zentralnervensystem in Mitleiden- schaft gezogen zu werden pflegt. 4. Nach operativer Beseitigung der Schielstellung ist oft trotz beiderseits guter Sehschärfe kein Binokularsehen zu erzielen: die beiden Augen verhalten sich wie zwei von einander ganz unabhängige Organe, weil die Unterlage für die normale Korrespondenz der Netz- häute fehlt. Derartige Individuen, bei denen eine Schielablenkung objektiv gar nicht mehr nachweisbar zu sein braucht, sehen mitunter die Gegenstände in Doppelbildern, die nur um Bruchteile eines Winkel- grades von einander entfernt und auf keine Weise zur Verschmelzung zu bringen sind. Erwähnt seien auch die ziemlich seltenen Fälle von intermittierendem Einwärtsschielen. In den schielfreien Intervallen, die ziemlich regelmäßig — z-B. einen um den andern Tag — mit den Perioden des Schielens abwechseln können, braucht nicht einmal latente Konvergenz nachweisbar zu sein. Die Ursache ist in derartigen Fällen zweifellos in nervöser (reflektorischer) Beeinflussung der Konvergenzinnervation zu suchen, näheres darüber weifi man noch nicht. Strabismus divergens entsteht nur ausnahmsweise in den ersten Lebensjahren. Da sich in mehr als der Hälfte der Fälle myopische Refraktion findet, nahm Donders an, daß die geringe Inanspruch- nahme der Akkommodation bei Myopie auch zu einer Schwächung der Konvergenzfunktion und weiterhin zum Übergewicht der lateralen über die medialen Augenmuskeln führt. Dagegen ist einzuwenden, Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 195 daß auch dauernder Verlust des Konvergenzvermögens (bei Konver- genzlähmung oder hochgradiger Sehschwäche eines Auges) nur eine relative Divergenz (ungenügende Konvergenz beim Nahesehen), keineswegs aber regelmäßig eine absolute Divergenz nach sich zieht. Letztere setzt stets eine anatomische Disposition (diver- gente Ruhelage) voraus, wie sie insbesondere bei höhergradiger Myopie durch die abnorme Verlängerung der Bulbi gegeben sein kann. Der Übergang von latentem (Exophorie) in (periodisch oder permanent) manifestes Auswärtsschielen hängt lediglich von der Leistungsfähig- keit des Fusionsvermögens im einzelnen Falle ab. Auch das Hölienschielen (Strabismus sursum bezw. deorsum vergens) ist stets als eine (anatomisch begründete) Anomalie der Ruhelage anzusehen, wenn sich nicht Anhaltspunkte für eine paretische Genese finden lassen. Es ist schon oben (S. 186) erwähnt worden, daß ein Schielen paretischer Herkunft mit der Zeit den Charakter des gewöhnlichen Schielens annehmen kann, indem im Antagonisten des gelähmten Muskels eine sogenannte sekundäre Kontraktur entsteht, die nach Ausheilung der Parese eine Schielstellung vorübergehend oder dauernd unterhalten kann mit allen Merkmalen des einfachen (gewöhnlichen) Schielens. Wodurch unterscheidet sieh das gewöhnliehe vom Lähmungs- schielen? Die wesentlichsten Merkmale des letzteren sind die Folge davon, daß ein Bewegungsimpuls an beiden Augen verschieden großen Effekt erzielt, weil der paretische Muskel schwächer reagiert, wie der ihm assoziierte normale Muskel des anderen Auges. Beim gewöhn- lichen Schielen, dem entweder ein bloßer Stellungsfehler oder aber eine Innervationsstörung zugrunde liegt, die beide Augen gleich- mäßig (im Sinne einer abnormen Konvergenz) beeinflußt, hat jeder Bewegungsimpuls an beiden Augen einen annähernd gleichgroßen Effekt. Daher ist beim gewöhnlichen Schielen: 1. der primäre gleich dem sekundären Schiel- winkel; 2. der Schielwinkel vomWechsel der Blickrichtung gar nicht oder nur in sehr geringem Maße ab- hängig1); 3. nur ausnahmsweise ungewöhnliche Kopfhaltung oder sub- jektive Beschwerden durch Scheinbewegungen, Schwindel etc. zu beobachten. Der auffälligste Unterschied zwischen einfachem und paretischem Schielen besteht in der großen Mehrzahl der Fälle jedoch im Fehlen der Doppelbilder bei ersterem. Der Grund für das Fehlen der Doppelbilder bei dem frühzeitig entstehenden Schielen liegt darin, daß von vornherein die von dem einen Auge vermittelten Eindrücke minderwertig sind oder ihre „Unterdrückung" aus anderen, hier nicht näher zu erörternden Gründen begünstigt wird. Die Lähmungen hin- gegen befallen meist Personen mit wohlausgebildetem Binokularsehen, und das paralytische Schielen hat daher Diplope zur Folge, die um so störender und hartnäckiger zu sein pflegt, als hier — im ') Man nennt daher das gewöhnliche Schielen auch „Begleitschielen" oder Strab. concomitans, weil das Schielauge die Bewegungen des anderen Auges in gleichem Sinne und Umfange begleitet. 196 Bielschowsky, Gegensatz zum gewöhnlichen Schielen — die Größe der Ablenkung je nach der Blickrichtung erheblichen Schwankungen unterliegt. Immerhin kann auch bei Lähmungen im Laufe der Zeit das Doppelt- sehen durch „Unterdrückung" des einen Bildes aufhören. Andererseits fehlen bei kongenitalen oder sehr früh entstehenden Lähmungen die Doppelbilder in der Regel, und wenn einmal ein „gewöhnliches" (konkomitierendes) Schielen bei einem Erwachsenen beginnt (z. B. eine früher latente Divergenz manifest wird), so geht es zuweilen mit störendem Doppeltsehen einher. Aber das ist nicht häufig, so daß in praxi ein Schielen mit Doppelbildern immer des.paretischen Ursprungs verdächtig ist, ein Schielen ohne Doppelbilder dagegen meist ein konkomitierendes sein wird. Besonders merkwürdig ist das Fehlen der Diplopie in den Fällen, die beiderseits so gute Sehschärfe haben, daß sie alternierend mit dem einen oder anderen Auge fixieren können. Wenn man in einem solchen Falle z.B. von Strab. convergens Doppelbilder künst- lich hervorruft, etwa durch Vorsetzen eines starken, vertikal ab- lenkenden Prismas, so zeigen die Doppelbilder in der Regel nur den Vertikalabstand, der die Prismenwirkung zum Ausdruck bringt, während man in Anbetracht der Schielstellung außerdem noch einen gleich- seitigen Seitenabstand erwartet. Beseitigt (oder verringert) man in solchen Fällen die Konvergenz operativ, so tritt nicht selten spontan sehr störendes (sogen, paradoxes) Doppeltsehen auf. Und zwar sieht der Betreffende gekreuzte Doppelbilder, auch wenn noch ein Rest der ehemaligen Konvergenz zurückgeblieben ist. Fig. 155 mag dieses Yer- halten erläutern. Bei länge- rem Bestände des Schielens kommt es in der Regel zur Ausbildung einer der Schielstellung ange- paßten (anomalen)Netz- h autkorrespondenz, so zwar, daf3 diejenigen Stellen, welche ständig Bilder eines und desselben Aufiendinges erhalten — z. B. die rechte Fovea und die Stelle a' des linken Auges —, ihre Er- regungen in eine gemein- schaftliche Sehrichtung loka- lisieren. Denkt man sich die nunmehr sensorisch miteinan- der verknüpften Stellen zu f' a' \ : einer Doppelnetzhaut auf- i_*"_"l"J.'U""_"'l ^"_"i" j "__'_'_ Ji"i"i-^-u"_'i--: einander gelegt, so sieht man, daß z. B. die Fo- Fig. 155. veae nicht — wie bei der normalen (angeborenen) Kor- respondenz — in eine und dieselbe, sondern in verschiedene, um den Betrag des Schielwinkels voneinander abweichende Richtungen lokalisieren. Was zur Folge hat, daß trotz Schielens die Objekte einfach und ungefähr am richtigen Ort gesehen werden, während sie beim Lähmungsschielen, bei dem wegen des wechselnden Schielwinkels so gut wie niemals anomale Netz- hautbeziehungen zur Ausbildung gelangen, doppelt und daher zum Teil am un- Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 197 richtigen Ort erscheinen. Die während des Schielens erworbene (anomale) Kor- respondenz bleibt auch nach (operativer) Beseitigung des Schielens noch kürzere oder längere Zeit wirksam; wenn dann die Foveae Bilder eines und desselben Dinges erhalten, lokalisiert sie der Patient nach wie vor in verschiedene, um den Betrag des früheren Schielwinkels voneinander abweichende Richtungen, so daß jenes Ding — wie die roten Linien der Fig. 155 zeigen — in gekreuzten Doppelbildern erscheinen muß. Der Abstand dieser „paradoxen" D.-B. voneinander bringt also die Differenz zwischen der ehemaligen und der ope- rativ korrigierten Schielstellung zum Ausdruck. Ist ein Strab. conv. von 20° auf 5° reduziert worden, so sieht der Patient gekreuzte D.-B. von 15° Abstand: die korrigierte Schielstellung ist gewissermaßen — bezogen auf die frühere — eine (re'ative) Divergenz von 15°. Das „paradoxe* Doppeltsehen der Schieloperierten verschwindet meist früher oder später. Wenn die normale Kor- respondenz überhaupt angelegt (präformiert) ist, tritt sie nach der operativen Korrektur auch wieder in Aktion. Bei höhergradigem Schielen ist fast stets das Exkursionsgebiet beider Augen gegen die Norm verändert, und zwar im Sinne einer (mehr oder minder) vermehrten Beweglichkeit nach der einen Richtung (nach innen beim Strab. conv., nach außen beim Strab. div.) und einer (mehr oder minder) verringerten Beweglichkeit im entgegengesetzten Sinne. Näheres siehe S. 198 ff. Über die Messung des Schiel wi nkels siehe S. 173. Therapie. Bei Strab. conv. ist zunächst stets aufHyperopie zu fahnden und eine möglichst vollkorrigierende Konvexbrille zum ständigen Tragen zu geben. Und zwar so früh als mög- lich, um dem amblyopischen Verfall des Schielauges vorzubeugen. Erfahrungsgemäß werden Brillen schon im 1. Lebensjahre gut ver- tragen. Zwecks genauer objektiver Bestimmung der Hyperopie ist bei Kindern mehrtägiges Einträufeln von Atropin (täglich 1 — 2 Tropfen einer Lösung von 0,1 : 10,0) unerläß- lich, da sonst ein Teil der Hyperopie durch die tonische Inner- vation des Ziliarmuskels gedeckt bleibt. Mitunter verschwindet der Strab. conv. schon durch die Atropinwirkung, Bei einseitiger Amblyopie kann durch tägliches Verbinden (für mehrere Stunden) oder durch wochenlang fortzusetzendes Atropinisieren des guten Auges das schwächere zur Fixation gezwungen wer- den; je früher damit begonnen und je mehr Ausdauer namentlich seitens der Eltern des Kindes darauf verwandt wird, um so eher kann eine Besserung der Amblyopie erwartet werden. Ist das ge- lungen, so muß versucht werden, die Bilder des schielenden zu- gleich mit denen des führenden Auges ins Bewußtsein treten zu lassen (durch Abschwächung der Eindrücke des besseren Auges mittelst dunkler Gläser). Der weitere Erfolg hängt davon ab, ob sich der Fusionszwang spontan einstellt bezw. durch künstliche Mittel zu erwecken ist. Unter letzteren stehen die Übungen mit dem Stereoskop obenan. Im Stereoskop, dessen Einrichtung als bekannt vorausgesetzt werden kann, wird vor jedes Auge ein (dem anderen Auge nicht sichtbares) Halbbild ge- bracht. Die Halbbilder bestehen aus zum Teil identischen, zum Teil etwas von- einander abweichenden Partien (s. Fig. 156, wo die oberen und unteren schwarzen Scheibchen im Inneren der Halbbilder nach innen bezw. außen dezentriert ge- zeichnet sind); dies hat zur Folge, daß die Scheibchen bei binokularer Ver- schmelzung der Halbbilder als nichti den tische Bildteile vor bezw. hinter den identischen Teilen zu liegen scheinen , je nachdem Netzhautstellen von ge- kreuzter oder gleichseitiger Disparation Bilder der Scheibchen empfangen (s. S. 163). 198 Bielschowsky, Wenn man die binokular verschmolzenen Bilder etwas voneinander entfernt oder näher zusammen rückt — was sich mit dem in Fig. 156 abgebildeten Apparate durch Drehung an einer der seitlichen Rollen bewirken läßt — so ändert sich die Augenstellung ganz entsprechend unter dem Einfluß des Fusionszwanges. Ge- lingt es, einem Schielenden beide Halbbilder zum Bewußtsein zu bringen —durch Vorsetzen eines dunklen Glases muß eventuell das vor dem besseren Auge be- findliche Bild abgeschwächt werden — und durch eine der Schielstellung ange- paßte Bildstellung binokulare Vereinigung zu eriielen, so kann weiter versucht werden, die Bildstellung ganz allmählich, ohne daß das binokulare Sammelbild zerfällt, so zu verändern, daß die Augen unter dem Einfluß des Fusionszwanges Fig. 156. Stereoskop. der normalen Stellung mehr und mehr genähert werden. Bei Strab. conv. müßten also die zunächst nur bei sehr großer Annäherung aneinander zu verschmelzenden Bilder allmählich voneinander entfernt werden. Sobald Doppeltsehen eintritt, muß man zur Ausgangsstellung der Bilder zurückkehren und die Übung wieder- holen. Die operative Behandlung bei Strab. conv. ist indiziert, wenn keine Hyperopie vorliegt oder trotz Korrektur der letzteren ein erheblicher Schielgrad £> 10°) bestehen bleibt, der sich auch bei mehrmonatlicher Beobachtungszeit und Behandlungsversuchen (Stereo- skop) nicht wesentlich ändert. Ein längeres Zuwarten ist bei Patienten, deren Wachstum abgeschlossen ist, unnötig. Vor dem 5. oder 6. Lebensjahr ist die operative Behandlung des Strab. conv. nicht zu empfehlen wegen der Möglichkeit spontanen Zurückgehens während des Wachstums. Auch vom 6. Jahre an ist die Kontrollierung des Schielwinkels noch während eines Jahres zweckmäßig, eine Ver- längerung der Beobachtungszeit bei Tendenz zu spontaner Rückbildung indiziert. Vorzeitiges Operieren hat sehr häufig späteres Divergenzschielen zur Folge (vergl. Fig. 159). Die Rücklagerung (Tenotomie) des M. rect. medialis ist bei Strab. conv. dann indiziert, wenn eine über das normale Maß erheblich hinaus- gehende Adduktion möglich ist, d. h. wenn bei maximaler Einwärtswendung die Tangente zum medialen Pupillenrande über die Verbindungslinie der Tränen- punkte hinweg nach innen geht. Die Operation ist in folgende Akte zerlegbar (vgl. die in Fig. 157 gegebene Skizze einer Tenotomie des M. rect. lateralis): Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 199 1. Inzision einer mit der Pinzette aufgehobenen Konjunktivalfalte dicht vor der Insertion der abzulösenden Sehne; 2. nach Freilegen der (in die Faszie eingehüllten) Sehne wird diese mit der Pinzotte angehoben und knapp an der Sklera abgelöst; 3. ein feiner Seidenfaden wird von der hinteren zur vorderen Fläche der Sehne (von a nach b in Fig. 157), sodann bei c durch den angrenzenden lateralen und endlich bei d durch den medialen Wundrand der Bindehaut geführt, die Fadenenden zunächst lose geschlungen; 4. einseitiger Verband für 2—3 Tage. Fig. 157. Tenotomie (Rücklagerung). Fig. 158. Vorlagerung. Die Rücklagerung darf unter keinen Umständen eine ab- norme Schwäche des betreffenden Muskels hinterlassen, sondern nur das Plus der Beweglichkeit in seinem Wirkungsbereich be- seitigen. Ebensowenig darf mit der Rücklagerung beim Strab. conv. die un- mittelbare völlige Beseitigung der Konvergenz (bis zum Parallelismus der Ge- sichtslinien) angestrebt, geschweige denn eine noch so geringe Divergenz als Operationseffekt belassen werden. Andernfalls kommt es später fast immer zu sehr entstellendem Auswärtsschielen (vgl. Figg. 159 und 160) infolge von abnormer Schwächung des Rect. med. Mit Rücksicht auf diese Gefahr legt man den oben erwähnten Faden durch die abgelöste Sehne und kann so eine starke Retraktion verhüten, indem man den zunächst nur lose geschlungenen Faden nach Bedarf mehr oder minder fest knotet, was auch noch am Tage nach der Operation ge- schehen kann. Die Verlagerung des M. rect. lateralis ist bei Strab. conv. indiziert: 1. wenn die Beweglichkeit des Auges nach außen erheblich beschränkt ist; 2. wenn nach Beseitigung des etwaigen Adduktionsüberschusses (mittelst der Rücklagerung des Rect. med.) noch ein erheblicher Grad von Schielen übrig ist; 3. wenn sehr hochgradiges und veraltetes Schielen von vornherein einen be- sonders starken Operutionseffekt erheischt, wie ihn nur die Kombination der Rücklagerung des Schielmuskels mit der Vorlagerung des Antagonisten erreichen läßt. Fig. 158 veranschaulicht eine einfache Methode der Vorlagerung, die in folgende Akte zerfällt: 1. Nach Freilegen und Ablösung der Sehne werden die Nadeln eines doppelt armierten Fadens unmittelbar am Hornhautrande zu beiden Seiten des horizontalen Meridians (bei a und a') in die Konjunktiva und die oberen 200 Bielschowsky, Schichten der Sklera eingestochen, ein kurzes Stück durch letztere fort- geführt und bei b und b' ausgestochen; 2. weiter werden die Nadeln (bei c und c') von hinten durch Sehne und Bindehaut geführt; 3. nach Bedarf wird die Sehne um ein kleines oder größeres (vor den Fäden gelegenes) Stück verkürzt; 4. eine der Nadeln wird durch die der Hornhaut anliegende Fadenschlinge geführt, dann werden die Fadenenden angezogen — wobei die Sehne nach vorn rücken muß (bis bb') — und geknotet; 5. binokularer Verband für fünf Tage zur Aufhebung der Augenbewegungen. Der unmittelbare Effekt der Vorlagerung pflegt sehr bald be- trächtlich nachzulassen, weshalb zunächst ein Übereffekt (bei Strab. conv. also eine mäßige Divergenz) anzustreben ist. Der Strabismus divergens ist stets eine Anomalie der Ruhelage und bei fehlendem Fusionszwange (einseitiger Amblyopie oder angeborenem Fusionsmangel) keiner spontanen Rückbil- dungfähig. Stereoskopische Übungen haben nur bei latentem bezw. periodischem Divergenzschielen — und auch dann meist vorübergehen- den— Einfluß. Daher ist die operative Behandlung schon bei geringeren Ablenkungen (von 6°—8° an), wenn sie Be- schwerden verursachen oder aus kosmetischen Gründen beseitigt werden sollen, und schon im Kindesalter ohne langes Zuwarten indiziert. Die Rücklagerung des M. rect. lateralis leistet relativ wenig, wenn die Auswärtswendung nicht über das erlaubte Maß beschränkt werden soll. Daher ist die Rücklagerung bei Strabismus divergens von mehr als 10° mit der Vorlagerung des M. rect. medialis zu kombinieren. Als unmittel- barer Effekt der Operation soll eine mäßige Konvergenzstellung (8°—101) beim Sehen in die Ferne angestrebt werden, da der Effekt innerhalb der nächsten Tage stets erheblich zurückgeht. Fig. 159. Fig. 160. Vor der Vorlagerung. Den Schaden, den eine fehlerhafte Rücklagerung durch die hochgradige Schwä- chung des tenotomierten Muskels anrichtet, lassen die Figg. 159 u. 160 erkennen: aus Die Motilitätsstörungen und Stellungsanomalien. 201 dem ehemaligen Strab. conv. ist ein Strab. div. entstanden, fernerwirkt der Exophthal- mus des linken Auges sehr unschön, und beim Blick nach rechts (Fig. 160) zeigt sich die völlige Aufhebung der Funktion des (tenotomierten) M. rect. med. sin.& Fig. 161 zeigt die operative Korrektur des Schadens, erreicht durch die Vor- lagerung des zu stark retrahierten Medialis, unterstützt durch vorsichtige Rück- lagerung des Lateralis. Daß der vorgelagerte Medialis wieder eine ausgiebige Einwärtswendung zustande bringen kann, ist aus Fig. 162 ersichtlich. Fig. 161 , Fig. 162. Nach der Vorlagerung. Vertikalschielen höheren Grades ist durch entsprechende Verlagerung derjenigen geraden Vertikalmotoren zu beseitigen, in deren Wirkungsbereich die Ablenkung am größten ist. Nystagmus (Augenzittern) nennt man rasche, in einem gewissen Rhythmus aufeinander folgende Augenbewegungen vom Charakter klonischer Krämpfe. Gewöhnlich sind es kurze, gleichsinnige Pendelbewegungen beider Augen in hori- zontaler Richtung, seltener im Sinne paralleler Raddrehungen um die Gesichtslinien (Nyst. rotatorius); noch seltener ist der vertikale und diagonale Nystagmus. Ganz vereinzelt beobachtet man auch unilateralen und dissoziierten Nystagmus (ungleichmäßige Bewegungen beider Augen). Der Nystagmus stört die Ausführung der willkürlichen Augenbewegungen nicht. Er ändert sich zeitweilig bezüglich der Geschwindigkeit und Größe der Zuckungen, wobei mitunter die jeweilige Blickrichtung von Einfluß ist, z. B. hemmt vielfach ein starker Konvergenzimpuls den Nystagmus, während er durch psychische Erregungen oft gesteigert wird. Mit dem Nystagmus kombinieren sich öfters pendelnde, unwillkürliche Kopfbewegungen. Von ätiologischen Gesichtspunkten aus unterscheidet man: 1. den „angeborenen'' („optischen") Nystagmus, der meist im Verein mit angeborener oder früh erworbener Schwach- sichtigkeit (bei Albinismus, Pigmentdegeneration der Netzhaut, Catar. congen., Hornhaut!!ecken blennorrhoischen Ursprungs) gefunden wird. Lehrbuch der Augenheilkunde. 13 202 Bielschowsky. Normalerweise beherrscht das Streben, den Gegenstand der Aufmerksam- keit auf den Stellen des schärfsten Sehens, den Foveae, zur Abbildung zu bringen, die Bewegungen und die Stellung der Augen. Da bei hochgradiger Schwachsichtig- keit die erhebliche funktionelle Überlegenheit der Foveae fehlt, so wirken zahl- reiche, sonst untergeordnete sensorische Erregungen gleichzeitig und mit nicht sehr differentem Gewicht auf den motorischen Apparat, woraus zunächst eine ge- wisse Unruhe solcher Augen entspringt. Hierzu kommt wahrscheinlich in manchen Fällen ein seinem Wesen nach bisher unbekannter Prozeß, der die eigen- artige, im Nystagmus zutage tretende Erregung bestimmter Hirnzentren bewirkt. Ein solcher Erregungsvorgang braucht mit der Schwachsichtigkeit nichts zu tun zu haben; auch bei Kindern mit ganz normalem Sehvermögen stellt sich mit- unter ein dem vorher beschriebenen ganz gleichartiger Nystagmus ein, der jedoch meist im Laufe der Zeit spontan verschwindet, während er in den Fällen mit Schwachsichtigkeit meist bestehen bleibt. Charakteristisch für. den angeborenen Nystagmus ist das Fehlen von Scheinbewegungen, mit denen sonst alle unwillkürlichen Augenbewegungen — wie auch die nachstehenden Nystagmusformen — einhergehen. 2. Eine andere Art des Nystagmus tritt bei manchen Arbeitern in Kohlenbergwerken als eine funktionelle Neurose auf infolge von Überanstrengung der Augenmuskeln. Die Leute müssen bei ihrer Arbeit gewöhnlich in Rückenlage oder kauernd mit schräg nach oben gerichteten Gesichtslinien konvergieren, wobei die Anstrengung durch die Dunkelheit noch vermehrt wird. Der Nystagmus tritt zuerst nur anfallsweise (bei Blickhebung und besonders im Dunkeln), später immer häufiger und anhaltender auf. Die infolge der Scheinbewe- gungen der Außendinge durch Schwindelgefühl sehr belästigten Patienten müssen schließlich ihre Arbeit aufgeben, wonach Heilung eintritt. 3. Eine dritte Hauptgruppe wird durch den Nystagmus bei Erkrankungen des Zentralnervensystems dargestellt; wie er besonders bei disseminierter Sklerose (als konstantes Intentions- zittern), aber auch gelegentlich bei anderen Hirnkrankheiten vorkommt. Von dem rhythmisch „u n d u 1 i e r e n d e n" (echten) Ny- stagmus zu trennen sind die bei verschiedenen Nervenleiden (mul- tipler Sklerose, hereditäre Ataxie, Meningitis, Hirntumoren und -Abszessen u. a.) vorkommenden nystagmischen Zuckungen, die sich in eine rasche und eine (entgegengesetzt verlaufende) lang- same Komponente zerlegen lassen und besonders in den seitlichen Endstellungen häufig vorkommen. Ahnliche Zuckungen finden sich auch bei Gehörorganleiden als Folge der labyrinthären Vestibularis- Reizung, aber auch unter normalen Verhältnissen nach raschen Drehungen um die Körperachse. Die Möglichkeit liegt vor, daß die nystag- mischen Zuckungen bei zerebralen Leiden — wenigstens in manchen Fällen — auf direkte Reizung (Druck) des N. vestibul. oder seiner Verbindungen mit den Augenmuskeln zurückzuführen sind. Von „Krämpfen" der Augenmuskeln sei außer dem Nystagmus noch der sogen. Konvergenzkrampf erwähnt. Er kommt meist bei Hysterie (seltener bei Chorea und Epilepsie) zur Beobachtung, gelegentlich aber auch bei Kindern mit Entzündungsprozessen an Binde- und Hornhäuten, zugleich mit deren Heilung wieder verschwindend. Der Konvergenzkrampf geht meist einher mit entsprechendem Akkommodationskrampf (scheinbarer Myopie)und Pupi 11 en- verengerung. Charakteristisch für den hysterischen Ursprung ist die Un- beständigkeit des Krampfes (Schwankungen des Schielwinkels und Myopiegrades) und seine leichte Beeinflussung durch suggestive Therapie. Entwickehing'sgesehicbte und angeborene Anomalien. Von Professor E. von Hippel, Heidelberg. Allgemeines. Die erste sichtbare Anlage der Augen stellen die zu beiden Seiten der Medianlinie gelegenen Seh gruben dar, Ausbuchtungen der Wand des primären Vorderhirns, die zu einer Zeit entstehen, wo das Medullarrohr in seinem vorderen Teil noch ungeschlossen ist (Fig. 163). Mit dem Schluß desselben rücken die Sehgruben in die Tiefe und wölben sich nunmehr als Augenblasen (primäre Augenblasen) an der Fig. 163. a Sehgruben bei noch offenem Medullarrohr (ausFroriep, Entwickelung des Auges. Handbuch der vergleichenden u. experimentellen Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere). Oberfläche stärker vor, ihr Lumen steht durch den kurzen Augen- blasenstiel mit dem Ventrikel in offenem Zusammenhang. Retina und Sehnerv, die aus den Augenblasen und ihrem Stiel entstehen, sind also Teile des Gehirns (Fig. 164). Die primäreAugenblase wird durch eine gleichzeitig distal und ventral erfolgende Einstülpung ihrer Wand in das embryonale 13* Fig. 164. .1 Primäre Augen- blasen und St Augenblasen- stiel (aus Froriep). 204 E. von Hippel, Auge, den Augenbecher oder die sekundäre Augenblase ) umgebildet. Dieselbe ist nunmehr doppelwandig und zeigt aut ihrer ventralen Seite einen auf den Augenblasenstiel übergehenden Spalt, Fig. 165. Sekundäre Augenblase mit Augenblasenspalte (aus Froriep). den Fötalspalt oder Augenspalt, dessen Ränder aufeinander zu- wachsen und miteinander verschmelzen. Der dorsale Umschlagsrand der beiden Blätter der sekundären Augenblase liegt viel weiter distal Pigmentepitliel , Hohlraum der primären Augenblase / .- ^r, Retina Fig. 166. Frontalschnitt der sekundären Augenblase mit noch offenem Fötalspalt (aus Froriep). als der ventrale, die Form des Augenbechers wurde deshalb ganz zutreffend mit einem Schöpflöffel verglichen. i) Die Bezeichnungen „primäre" und ,sekundäre Augenblase", die Froriep (Handbuch der vergleichenden und experimentellen Entwickelungs- geschichte der Wirbeltiere, 1906) gewiß mit Recht für unzweckmäßig hält, können in der Ophthalmologie einstweilen mit Rücksicht auf die Literatur über Miß- bildungen nicht entbehrt werden. Die Umwandlung der primären in die sekundäre Augenblase ist nach neueren Untersuchungen nicht als Einstülpungsvorgang, sondern vielmehr als Ausstülpung des vorwachsenden Randes über den stehenbleibenden Grund der Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 205 Die distale Öffnung des Augenbechers wird größtenteils von der Linse eingenommen, welche als Einsenkung des die Augenblase über- ziehenden an umschriebener Stelle verdickten Ektoderms entsteht. Augenblasenstiel Fig. 167. Sekundäre Augenblase vom Kaninchen. Das zunächst hohle Linsenbläschen steht durch einen Stiel mit der Oberfläche in Verbindung, schnürt sich dann aber ab; das Ektoderm wächst darüber wieder zusammen (Fig. 168, 1(50). Fig. 168. Beginnende Abschnürung Fig. 169. Vollständige Abschnü- der Linse vom Ektoderm. rung der Linse vom Ektoderm. Die Einstülpung der Augenblase erfolgt nicht, wie es scheinen könnte und wie früher angenommen wurde, durch die Linse, sondern ist ganz unabhängig davon. Die Abschnürung der Linse und der Schluß des Fötalspalts er- folgen am Ende des ersten Monats. Augenblase aufzufassen. Die von mir wiedergegebene ältere Auffassung scheint mir aber für das Verständnis des Anfängers und im Rahmen dieser äußerst knappen Darstellung geeigneter. 2(»3 E. von Hippel, Aus dem die Augenblase umgebenden Mesoderm entstehen Chorioidea, Sklera, Substantia propria Corneae, der bindege- webige Anteil von Corpus ciliare und Ligamentum pectinatum, Iris, sowie die Pupillarmembran, ferner die sämtlichen Gefäße des Auges. Das intraokuläre Mesoderm (Gefäßkapsel der Linse) steht mit dem den Augenbecher umgebenden an zwei Stellen in Verbindung: 1. durch den Fötalspalt bis zu dessen Schluß, 2. vor dem Umschlags- rand des Augenbechers. Der Glaskörper ist ektodermaler Her- kunft, ebenso Sphinkter und Dilatator pupillae. Spezielles. Aus dem äußeren Blatt der sekundären Augenblase entsteht das Pigment- epithel ; aus dem inneren die Retina. In dieser differenzieren sich die späteren Schichten in der Reihenfolge, daß zuerst die innersten, zuletzt die äußeren Lagen sich abgrenzen. Die Differenzierung beginnt in der Gegend des hinteren Pols und schreitet nach vorne weiter. Sehr früh erscheinen die zarten Nervenfasern, welche von der Retina zentripetal in den Augenblasenstiel vordringen. Die Stäbchen und Zapfen sind die späteste Bildung. In der Fovea centralis sind die Zapfen noch beim Neugeborenen unvollständig ausgebildet. Die Fovea centralis hat nichts mit dem Fötalspalt zu tun, wie früher angenommen wurde, sondern ist eine späte Bildung. Der vordere Rand der Retina erfährt eine Rückbildung zu einer einfachen Lage von Zylinderzellen — Pars caeca, Pars ciliaris retinae. Der Umschlagsrand des Augenbechers wächst distal aus und liefert den doppelten Epithelbelag des Corpus ciliare und der Iris; an dieser ist auch das innere retinale Blatt pigmentiert. Aus der Pars iridica retinae entsteht Ende des IV. Monats der Muse. sphincter iridis, aus dem äußeren Blatt wird der Dilatator abgeleitet. Die Stützsubstanz der Netzhaut (Neuroglia) ist, wie die nervöse Substanz selbst, ein Umwandlungsprodukt bestimmter Zellen der Augenblasenwand, also rein ektodermaler Natur. Die Netzhaut ist relativ lange völlig gefäßlos, die erste Anlage der Vasa retinae ist eine gefäßhaltige Membran, welche fest mit der Innenfläche der Netz- haut zusammenhängt, ihre Gefäße gehen ursprünglich aus dem Ziliargefäßsystem hervor und gewinnen erst später den Zusammenhang mit der A. centralis. Mit 3 Monaten ist die Netzhaut noch gefäßlos, mit 6 Monaten vaskularisiert. Die Umbildung des Augenblasenstiels in den Sehnerv erfolgt durch 3 mit einander verlaufende Vorgänge: 1. Differenzierung der den Stiel bildenden Zellen in Gliazellen und Fasern, 2. Zentripetales Einwachsen der Sehnervenfasern, 3. Ein- dringen von gefäßhaltigem Mesoderm von außen her. Der Einschluß der A. centralis in die Achse des Nerven ist bereits beim Schluß des Fötalspalts erfolgt. Die ektodermalen Bestandteile — Glia und Nervenfasern — bleiben durch sogenannte Gliamembranen, Ausscheidungsprodukte der Gliazellen, gegen die mesodermalen abgegrenzt. Aus der Retina entsteht der bis vor kurzem vom Mesoderm hergeleitete Glaskörper, indem von der Innenfläche der Netzhaut ausgehende Fibrillen radiär nach der Linse hin ausstrahlen und zahlreiche Queranastomosen bilden. Ihnen gesellt sich ein vom Umschlagsrande der Augenblase entspringender stärkerer Faserzug bei. Mit den Wänden der in den Glaskörperraum eingedrungenen Gefäße gehen jene Fasern sekundäre Verbindungen ein. Mesodermzellen sind äußerst spärlich, eine Beteiligung derselben am Aufbau des Glaskörpers ist nicht sicher erwiesen. Die Fasern der Zonula entwickeln sich aus den Zellen der Pars ciliaris retinae. Die Entwickelung der Linse erfolgt nach der Abschnürung des Linsen- bläschens in der Weise, daß die Zellen der proximalen Wand zu den Linsen- Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 207 fasern auswachsen, während aus denen der distalen das Kapselepithel wird. Die weitere Ausbildung neuer Fasern erfolgt durch Umbildung der äquatorialen Kapselepithelien zu Fasern (näheres unter Anat. d. Linse). (Fig. 170.) Die erste Anlage der Chorioidea ist an einem die Augenblase schon in sehr frühem Stadium umgebenden dichten Kapillarnetz und einer Streckung und konzen- trischen Anordnung der Mesodermzellen erkennbar. Allmählich tritt eine deut- liche Abgrenzung gegen die gleichzeitig angelegten inneren Schichten der Sklera hervor; die äußeren Lagen der letzteren entstehen erheblich später. Die Pigmen- tierung der Chorioidea beginnt frühestens im VII. Monat und ist bei der Geburt noch sehr geringfügig oder fehlt gänzlich. Die Ziliarfortsätze entstehen am Ende des III. Monats durch radiäre Faltung des distalen Teiles der Augenblasenwand, das umgebende Mesoderm füll die Täler der Falten aus. Spaltraum der vorderen Kammer durch Schrumpfung des Präparats entstanden Ketina N. opticus Fig. 170. Embryonales Auge vom Kaninchen. Die Iris entsteht aus dem bereits erwähnten retinalen Anteil, und aus dtm mesodermalen, den man als Fortsetzung der Chorioidea betrachten kann. Ihre Ent- wickelung beginnt am Ende des IV. Monats; noch im Anfang des VI. Monats liegt der Pupillarrand nur wenig einwärts vom Äquator der Linse, erst im VII. Monat bekommt die Pupille ihre definitive Lage. Die Hornhaut entwickelt sich aus dem zwischen Ektoderm (späteres Hornhautepithel) und Linse eingedrungenen Mesoderm. Letzteres ist die gemein- same Anlage für Hornhaut, Pupillarmembran, Iris und Lig. pectinatum. Eine Differenzierung in Grundsubstanz, Descemetsches Endothel und Pupil- larmembran ist schon bei Embryonen zwischen Ende des zweiten und dritten Monats deutlich, die Teile liegen einander aber unmittelbar an, eine der vorderen Kammer entsprechende Spaltbildung ist erst am Ende des V. Monats im Beginn, 208 E. von Hippel, um die Mitte des VI. Monats in voller Ausbildung nachweisbar. Bei nicht ganz vorsichtiger Härtung kann durch Schrumpfung ein Spalt entstehen (vergl. Abb. 170). Die regelmäßige Schichtung der Hornhaut ist im IV.—V. Monat vorhanden, Gefäße hat die normale Kornea zu keiner Zeit der Entwickelung. Mit dem Schluß des Fötalspaltes wird die Art. hyaloidea in die Achse des Augenblasenstiels und des Bulbus aufgenommen. Beim 3 Monate alten Fötus zieht sie von der Papille nach der Hinterfläche der Linse und gibt die in der Peripherie des Glaskörpers verlaufenden Vasa hyaloidea propria ab, welche reichliche Anastomosen besitzen und mit ihren Endästen zu den äquatorialen Teilen der Linse ziehen. Diese Glaskörpergefäße bilden sich zwischen dem III. und VI. Monat zurück und der Ursprung der Äste der A. hyal. ist jetzt der hinteren Linsenfläche näher. Sie versorgen vorwiegend den hinteren Teil der die Linse einhüllenden zarten gefäßtragenden Membran, der Membrana capsulopupil- laris, deren vorderer, die Oberfläche der Linse überziehender Teil — die Pupil- larmembran — noch arterielle Zuflüsse vor dem Augenblasenrand aus den Aa. eil. longae erhält. In der Äquatorialgegend besteht ein von beiden Zuflüssen gespeistes Kapillarnetz, der venöse Abfluß geschieht ausschließlich vor dem Rande der Augenblase in die Gefäße der Chorioidea. Die Pupillarmembran ist in späteren Stadien mit der Vorderfläche der Iris in der Gegend des kleinen Kreises in fester Verbindung. Ihre Rückbildung erfolgt im VIII. Monat, zunächst in der Mitte. Fig. 171. Epitheliale Verschmelzung der Lider. Die A. hyaloidea mit ihren Verzweigungen bildet sich bereits früher zurück und ist beim Neugeborenen nur noch als kurzer aus der Papille hervorragender Zapfen nachweisbar. Die Augenlider entstehen im IL Monat als Hautfalten, die von oben und unten über die Hornhaut wachsen und durch epitheliale Vereinigung der Lidränder im III. Monat verschmelzen. Diese Verwachsung bleibt bis gegen das Ende der Gravidität bestehen. Die Innenfläche der Hautfalten bildet sich zur Kon- junktiva um (Fig. 171). Die Tränendrüse entsteht während des III. Monats als solide Wucherung des Konjunktivalepithels. Die Anlage des Tränennasengangs sproßt als solider Epithelzapfen in die Kutis ein, schnürt sich von der Obeifläche ab und bekommt erst sekundär ein Lumen. Durch Auswachsen nach oben und unten und Hohlwerden der Anlage wird der Anschluß an die Nasenhöhle und den Konjunktivalsack erreicht. Die Tränenröhrchen sprossen aus diesem Epithelstrang hervor. Die offene Verbindung mit der Nasenhöhle ist manchmal zur Zeit der Geburt noch nicht vorhanden, wodurch Sekretretention und Dacryocystitis entstehen kann. Nähere Angaben über die Entwickelung der Augenhöhle, der Muskeln und Nerven sollen wegen der Kompliziertheit der Verhältnisse nicht gemacht, sondern Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 209 nur hervorgehoben werden, daß die Entwickelung dieser Gebilde in weiten Grenzen von der des Bulbus unabhängig ist, so daß sie bei Fehlen des letzteren in nor- maler Ausbildung gefunden werden können. Mißbildungen des Auges und seiner Adnexe. Allgemeine Ätiologie. Wie in der allgemeinen Mißbildungslehre kann man auch bei den Mißbildungen des Auges „formale" und „kausale" Genese unterscheiden ; die erste kann durch genaue anatomische Untersuchung unter Be- rücksichtigung der Tatsachen der normalen Entwickelungsgeschichte erforscht werden. Wenn man z. B. feststellen kann, daß beim Kolobom abnorm starkes Mesodermgewebe den Schluß des Fötalspaltes verhinderf, so hat man die „formale Genese" ermittelt. Viel schwieriger ist es, etwas Näheres über die kausale Genese zu erfahren. Hier kommen „innere" und .äußere' Ursachen in Betracht. Bei den „inneren" Ursachen handelt es sich um eine f e hlerha ft e Besch af f en heit des Keimes (Ei oder Sperma). Man wird demnach Mißbildungen, bei welchen schon die klinische Erfabiung den Einfluß der Heredität deutlich zeigt, mit Wahrscheinlichkeit auf innere Ursachen zurückführen dürfen. Manchmal kann dies mit großer Sicherheit geschehen. So vererbte z. B. ein männliches mit Kolobom behaftetes Kaninchen diese Anomalie auf ca. 20 %> seiner Nachkommen- schaft. Hier kann also die Ursache nur in einer abnormen Beschaffenheit des Spermatozoon gelegen sein. Das Ei erhielt durch die Befruchtung die Potenz, sich zu einem Embryo mit Kolobom zu entwickeln. Anatomisch nachweisbar wird dabei die Anomalie erst zu der Zeit, wo sich normalerweise der Fötalspalt schließen sollte; latent vorhanden ist sie aber schon vom Moment der Befruch- tung an. In solchem Falle spielen deshalb äußere, während der Entwickelung ein- setzende Ursachen (Entzündungen, Toxine, abnormer Druck usw.) keine Rolle. Gleichzeitig lehrt dies Beispiel, daß man bei einer Mißbildung immer nur anzugeben vermag, wann das ursächliche Moment spätestens eingewirkt haben muß. Liegt wie hier eine Störung im Schluß des Fötalspaltes vor, so kann die veranlassende Schädlichkeit nicht später als zu der Zeit, wo sich normalerweise der Spalt schließen sollte, eingesetzt haben, wohl aber zu jeder früheren Zeit der Entwickelung bis zum Moment der Befruchtung. Den spätesten möglichen Termin nennt man die teratogenetische Terminationsperiode. Diese kann für viele Mißbildungen auf Grund anatomischer Untersuchung mit ziemlicher Ge- nauigkeit angegeben werden. Für eine ganze Reihe von Mißbildungen ist es die Zeit, wo sich die Fötalspalte schließen soll (Ende des I. Monats). Die Heredität spielt bei einer ganzen Anzahl von Mißbildungen eine große Rolle; dabei braucht nicht immer in der nächsten Generation genau die gleiche Anomalie aufzutreten, sondern es kann z. B. ein mit Kolobom behafteter Vater ein Kind mit Irismangel haben usw. Daß Mißbildungen, auch solche des Auges, durch „äußere Ursachen" ent- stehen können, lehren sowohl klinische, wie besonders experimentelle Unter- suchungen; hier nur ein paar Beispiele: Druck durch ein abnorm enges Amnion oder durch amniotische Stränge spielt sicher eine wichtige Rolle, allerdings gehen die Ansichten darüber, wie häufig diese Ursache in Betracht kommt, sehr auseinander. Für sehr wahr- scheinlich amniogenen Ursprungs darf man die Lidkolobome, den Kryptophthal- mus und die epibulbären und zirkumbulbären Dermoide ansehen. Experimentell konnte durch schräge Schuürung des sich furchenden IVitoneis Duplicitas anterior mit Cyklopie des schwächer entwickelten Kopfes erzeugt werden. Röntgenbestrahlung gravider Kaninchen hatten bei einem Teil der Embryonen das Entstehen von angeborenem Schicht- und Zentralstar zur Folge; ebenso Cholininjektionen beim Muttertier. Freilich ist es zweifelhaft, ob man solche Fälle zu den eigentlichen Mißbildungen rechnen darf. 210 E. von Hippel, Ob Fötalkrankheiten zu echten Mißbildungen führen können, ist wohl noch nicht genügend sicher gestellt; ebensowenig, ob „Toxine", die von der Mutter auf die Frucht übergehen, diese Wirkung haben. Als aufgegeben ist die früher viel diskutierte Annahme zu betrachten, daß Entzündungen des embryonalen Auges die Ursache der an ihm zur Beobachtung kommenden Mißbildungen seien. Auch von Entwickelungsstörungen des Gehirns hat man die Mißbildungen des Auges abhängig machen wollen. Abgesehen davon, daß man mit dieser Annahme die Frage nach der Ursache nur verschiebt, ist aber darauf hinzuweisen, daß gewisse Beobachtungen eine sehr weitgehende Unabhängigkeit des Auges vom Gehirn schon in außerordentlich frühen Stadien beweisen. Bei der Cyklopie fehlt manchmal der Optikus völlig und die experimentellen Unter- suchungen lassen annehmen, daß hier eine vollständige Abschnürung des Auges vom Gehirn zu der Zeit erfolgt, wo die primäre Augenblase sich in den Augen- becher umbildet, daß gar kein Augenblasenstiel und demnach kein Optikus ge- bildet wurde. Trotzdem kann das Auge bis auf die Ganglienzellen und Nerven- fasern der Retina normal entwickelt sein. Von den Mißbildungen, die man experimentell erzeugt hat, ist bis jetzt nur als bewiesen anzusehen, daß sie durch äußere Ursachen herbeigeführt werden können. Damit ist aber nicht gesagt, daß sich die spontan entstandenen ebenso verhalten. In sehr vielen Fällen ist es eben bis jetzt unmöglich, eine sichere Ursache anzugeben. Fötalkrankheiten kommen auch am Auge vor, nicht immer lassen sich ihre Folgezustände mit Sicherheit von Mißbildungen unterscheiden. Je ähnlicher der Befund den auch im extrauterinen Leben durch Erkrankungen herbeigeführten Veränderungen ist, desto wahrscheinlicher ist die Annahme einer Fötalkrankheit. Im allgemeinen entstehen die echten Mißbildungen in den frühesten Zeiten der Entwickelung, die Fötalkrankheiten betreffen mehr das ausgebildete Organ. Bei der Besprechung der einzelnen Mißbildungen wird die Ätiologie nurtda kurz besprochen werden, wo es möglich ist, eine einigermaßen begründete An- nahme zu machen. Kolobom. Mit dem Namen Kolobom bezeichnet man angeborene Defekte — Spaltbildungen — in gewissen Teilen des Auges, die in der überwiegenden Mehrzabl der Fälle nach unten — typische Kolobome —, viel seltener in anderen Richtungen gelegen sind — atypische Kolobome —. Dieselben kommen in normal großen, sowie in abnorm kleinen — mikrophthalmischen — Augen vor. Fig. 173. Typisches angeborenes Kolobom nach unten. Jedes Kolobom (von Iris, Corpus ciliare, Linse, Netzhaut, Ader- haut, Sehnerv) kann für sich allein oder mit anderen in verschiedenster Weise kombiniert vorkommen. Das typische Iriskolobom hat Bogenform, die Übergangs- stellen in den Pupillarrand sind abgerundet und manchmal durch eine Gewebsschicht miteinander verbunden (sog. Brückenkolobom). Die Form des Defektes läßt ihn schon fast mit Sicherheit von einem Fig. 172. Angeborenes Brücken- Kolobom. Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 211 operativ entstandenen unterscheiden. Die geringsten Grade des Iris- koloboms bestehen in einer leichten Einkerbung des unteren Pupillar- randes bezw. im Auftreten eines pigmentlosen Streifens oder einer Verdünnung des Gewebes in der unteren Medianlinie. Die Pupille ist beim Kolobom oft im ganzen nach unten verzogen. Das Iris- kolobom ist häufiger einseitig als doppelseitig (Fg. 172, 173). Das Kolobom des Ziliarkörpers entzieht sich der klinischen Diagnose. Das Linsenkolobom ist klinisch nur dann zu diagnostizieren, wenn der Linsenrand sichtbar ist. Dies ist bei Vorhandensein eines Iriskoloboms regelmäßig, sonst im allgemeinen nur dann der Fall, wenn die Pupille durch Atropin erweitert und der Defekt der Linse nicht zu klein ist. Der Linsenrand zeigt beim Kolobom eine Einkerbung von ver- schiedener Form und Tiefe oder er nähert sich einer geraden Linie. In der Einkerbung ist manchmal ein weißlicher Gewebszapfen sicht- bar. Die Zonulafasern können, dem Kolobom der Linse entsprechend, fehlen. Das Netzhaut-Aderhautkolobom verrät sich durch den intensiv hellweißen bis bläulich oder grünlichweißen Reflex, den man bei abwärts gerichtetem Blick mit dem Augenspiegel erhält. Derselbe stammt von einer im allgemeinen längsovalen, scharf begrenzten durch völligen oder fast völligen Pigmentmangel ausgezeichneten Stelle des Augen- hintergrundes. Dieselbe reicht bis unter die Papille oder schließt diese noch ein, der vordere Rand ist bei der ophthalmoskopischen Untersuchung oft nicht zu er- reichen. Die Größe des Bezirkes ist aber in den einzelnen Fällen sehr verschieden, er kann auch aus mehreren durch Brücken normalen Hintergrundes getrennten Teilen zusammengesetzt sein. Die Ränder sind meist intensiv pigmentiert, die Augenwand im Bereich des Koloboms oft ektatisch, manchmal in Stufenform. Eine in der Medianlinie verlaufende vorspringende Leiste kann es in zwei sym- metrische Hälften teilen. Die Netzhautgefäße pflegen einen Teil des Koloboms zu überziehen, unter denselben sieht man andere die Sklera durchbohrende, oft stark geschlängelte Gefäße verlaufen (Tafel X, Fjg. 2). Als Kolobom des Sehnerven und seiner Scheiden sind Be- funde beschrieben, die besser als „Kolobom am Sehnerven- eintritt" bezeichnet werden, weil aus dem Augenspiegelbefund das anatomische Verhalten des Sehnerven nicht erschlossen werden kann. Man findet an der Stelle der Papille eine Grube mit steilen Rändern, welche die Größe einer normalen Papille ums zwei- bis vielfache über- trifft. Die Gefäße können dabei nur oben, nur unten oder im ganzen Umfang der Grube hervortreten. Die mit Netzhaut-Aderhautkolobom behafteten und nicht gleich- zeitig mikrophthal mischen Augen sind meist stark kurz-und schwach- sichtig, dem Kolobom entspricht ein Gesichtsfelddefekt, doch läßt sich öfters bei Anwendung stärkerer optischer Reize noch Licht- empfindung nachweisen, woraus folgt, daß die Retina nicht fehlt, sondern nur minderwertig ist. Wegen der ausgesprochenen Neigung der kolobomatösen Augen zu chronisch-entzündlichen Erkrankungen und Katarakt kann die Prognose für die Erhaltung des Sehvermögens nur mit Vorsicht gestellt werden. Ein isoliertes Iriskolobom ist dagegen belanglos. 212 E. von Hippel, Eine Therapie kommt nur gegenüber Komplikationen in Betracht. Über das anatomische Verhalten der einzelnen Membranen beim Kolobom der inneren Augenhäute gibt der Augenspiegel ungefähren, die histo- logische Untersuchung genaueren Aufschluß, letztere um so besseren, je jünger das Individuum, da bei älteren sekundäre Veränderungen (Entzündung, Dehnungs- atrophie) das ursprüngliche Bild zu beeinträchtigen pflegen : Pigmentepithel, Chorio- idea und innere Lagen der Sklera fehlen oder sind rudimentär, die Netzhaut ver- hält sich verschieden: entweder sie ist in der Medianlinie unterbrochen und im übrigen Bereich des Koloboms verdoppelt, wobei das innere Blatt besser ausge- bildet ist als das ganz rudimentäre äußere, oder die Netzhaut ist — allerdings meistens mangelhaft differenziert — im ganzen Kolobom vorhanden. Im ersten Falle springt in der Regel eine mit der Sklera zusammenhängende, längs verlau- fende Leiste ins Innere des Bulbus vor, an deren Rande die Umschlagsstelle der beiden Blätter der Retina liegt. Die „Kolobome am Sehnerveneintritt" sind auf Grund der anatomischen Untersuchung in der Mehrzahl als ektatische Netzhaut-Aderhautkolobome unter- halb des Optikus zu bezeichnen, es gibt aber auch ein echtes Sehnervenkolobom, wobei der Querschnitt des Optikus nierenförmig ist und der unterhalb der Zentral- gefäße gelegene Teil vorwiegend aus Bindegewebe besteht und der Nervenfasern fast völlig entbehrt. Sämtliche typischen Kolobome entstehen durch eine Störung im Schluß des Fötalspaltes, welcher sich ent- weder gar nicht oder verspätet schließt. Die Mißbildung entsteht demnach am Ende des I. oder am Anfang des IL Monats. Das normaler- weise in den Fötal- spalt eindringende äußerst zellarme Me- soderm entwickelt sich aus uns unbe- kannten Grün den ab- norm stark und bil- det deshalb ein Hin- dernis für den Ver- schluß des Spaltes. Dies konnte mit voller Sicherheit durch embryologische Unter- suchungen der frühesten Stadien des Koloboms bei Kaninchenembryo- nen erwiesen werden. Das abnorm stark ent- wickelte Mesoderm liegt entweder nur im Spalt zwischen den Rändern der Augenblase oder dringt auch ins Innere des Bulbus. Das Hindernis bewirkt eine Duplikatur der Retina (Fig. 174). Die Chorioidea und inneren Lagen der Sklera differenzieren sich nur genau soweit, wie das Pigmentepithel reicht, während die später entstehenden äußeren Lagen der Lederhaut den ganzen Bulbus einschließen. Die abnorme Dünne der unteren Augenwand erklärt die Ausdehnbarkeit derselben durch den normalen intraoku- laren Druck. Die Größe eines Koloboms beurteilen wir ophthalmoskopisch nach dem fehlen von Pigmentepithel und Aderhaut. Fig. 174 zeigt, wie eine schmale Meso- dermleiste Ursache der breitesten Kolobome werden kann. Die verschieden starke Entwickelung und die verschieden frühe Rückbil- dung des den Schluß der Spalte behindernden Mesoderms erklärt die ungleiche Fig. 174. Kolobom beim Kaninchenembryo vom 18. Tag. Duplikatur der Retina am Rande des Mesodermzapfens. Schnitt senkrecht auf den Fötalspalt hinter der Linse. Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 213 Beschaffenheit der Netzhaut in den einzelnen Fällen von Kolobom, Einzelheiten können hier nicht besprochen werden. Unter allen Umständen betrifft aber beim Kolobom die primäre Störung die Augenblase, währen d Ch ori oidea undSklera erst sekundär beteiligt werden. Der gebräuchliche Ausdruck „Ad erhautk olobom" ist daher nicht genau und wird besser er s et zt durch ,,Netzhaut-Aderhautkolobo m". Bleibt der Fötalspalt ganz vorne ungeschlossen, so kann dieser Stelle ent sprechend, der Augenblasenrand nicht vorwachsen, die Bildung der Iris unter- bleibt, es entsteht das typische Iriskolobom. Die Mesodermleiste kann die Entwickelung der Linse im unteren Umfang behindern ; es entsteht das Linsenkolobom. Schwindet das Mesoderm später, so bleibt die Einkerbung der Linse bestehen. Manchmal aber persistiert der Meso- dermzapfen und füllt das Kolobom der Linse aus. Soweit die „formale Genese" des Koloboms. Was die „kausale Genese" angeht, so bat man Entzündungen der Augenblase, Übergang von Toxinen (Syphilis, Tuberkulose, Alkoholismus) von der Mutter auf die Frucht, Druck durch zu enges Amnion, Hydrocephalus, abnorme Größe der Linse u. a. beschuldigt. Ein Beweis für die Richtigkeit dieser An- nahmen liegt nicht vor, manche sind widerlegt. Experimentell bewiesen ist da- gegen als ätiologisches Moment die Heredität; in dem Augenblick der Ver- einigung von Sperma und Ei kann schon darüber entschieden sein, ob ein Kolo- bom entstehen wird. Atypische Kolobome. In der Iris werden in seltenen Fällen eine oder selbst mehrere (Polykorie) angeborene Spalten beobachtet, die nicht nach unten, sondern in den verschiedensten anderen Rich- tungen gelegen sind. Dieselben entstehen wohl dadurch, daß die normalerweise zwischen gefäß- haltiger Linsenkapsel und dem die Augenblase umgebenden Mesoderm vorhan- denen mesodermalen Verbindungen an gewissen Stellen abnorm derb sind und dadurch das Vorwachsen des Augenblasenrandes verhindern. Sie kommen später noch zur Resorption, die restierenden Lücken entsprechen den Stellen, wo sie bestanden. Auch im Augenhintergrund kommen gelegentlich Stellen vor, welche in hrem ophthalmoskopischen Aussehen den typischen Kolobomen durchaus gleichen und sich nur durch die abweichende Richtung unterscheiden. Unter diesen ist das sogen. Maculakolobom das häufigste. Dasselbe ist kreisförmig oder queroval, seltener eckig, in bezug auf Größe, Pigmentierung, Niveauverhältnisse, Sehschärfe bestehen große Verschiedenheiten. Die formale Genese der atypischen Kolobome des Fundus einschließlich der Maculakolobome ist in wirklich befriedigender Weise zurzeit noch nicht festzu- stellen. Sicher ist, daß sie nichts mit dem normalen Fötalspalt zu tun haben. Ob wir sie auf abnorm gelegene Spaltbildungen der sekundären Augenblase be- ziehen dürfen, ist noch nicht sicher entschieden. Auch a typische Kolobome der Linse und des Ziliark örpers werden beobachtet. Angeborener Irismaiigel (Aniridia, Irideremia congenita). Klinisch findet man meist völligen, seltener teilweisen Irismangel. Die Anomalie ist meist doppelseitig. Das abnorm große Pupillar- gebiet erscheint graulich, spontanes Augenleuchten ist leicht zu beob- achten. Die Ziliarfortsätze sind meist unsichtbar, weil sie mangelhaft entwickelt oder nach hinten verzogen sind. Vordere und hintere Polarkatarakt, sowie Schichtstar sind häufig, Totalkatarakt und spontane Linsenluxation kommen vor, ferner verhältnismäßig oft Glaskörpertrübungen, chorioiditische Herde, Netzhautablösung und ganz besonders Glaukom. 214 E. von Hippel, Die Sehschärfe ist herabgesetzt, oft sehr erheblich, die Akkommo- dation dagegen ungestört. Anatomisch wurde stets ein ganz kurzer Irisstumpf gefunden , der wegen seiner peripheren Lage klinisch nicht zu erkennen war. Es ist zu vermuten, daß eine im ganzen Umfang bestehende abnorm feste Verbindung zwischen gefäßhaltiger Linsenkapsel und dem Mesoderm am Rande der Augenblase ein Wachstumshindernis für die Iris abgibt. Die Prognose ist bei dieser Mißbildung wegen der Häufigkeit der oben erwähnten Komplikationen im allgemeinen ungünstig. Membrana pupillaris persistens. In der Gegend des kleinen Iriskreises - • niemals aus dem Pupillarrand — entspringen Fäden von wechselnder Zahl und Stärke, welche entweder frei im Pupillargebiet endigen oder an einer zentralen Platte ansetzen, die frei vor der Linsenkapsel schwebt oder mit ihr verwachsen ist. Die Bewegung des Pupillar- randes ist ungestört, sehr selten verursachte die Platte Sehstörung und wurde operativ beseitigt (Fg. 111). Anatomisch unterscheidet sich die persi- stierende von der normalen Pupillarmembran durch die Fig. 175. Membrana pupil- Derbheit ihres Gewebes. laris persistens u. Linsen- Fäden der Pupillarmembran sind manchmal in trübung am vorderen Pol. fester Verbindung mit der Hornhauthinterfläche (Mp. p. Corneae adhaerens); in einem Teil dieser Fälle handelt es sich um Verwachsungen, welche infolge einer Entzündung mit oder ohne Perforation der Hornhaut intrauterin oder post partum (Blennorrhoe) ent- standen waren. Eine solche Verbindung kann aber auch darauf beruhen, daß die gemeinsame Mesodermschicht, aus der Cornea propria und Pupillarmembran hervorgehen, an einzelnen Stellen ungetrennt geblieben ist. Korektopie wird eine stärker exzentrische Lage der Pupille genannt, die entweder als einzige Anomalie oder zusammen mit Iriscolobom, ferner in Verbindung mit einer auffallend atrophi- schen Beschaffenheit der Iris, endlich gleichzeitig mit angeborener Linsenluxation vorkommt, letzterenfalls so gut wie immer doppelseitig. Die Verlagerung der Linse ist fast immer der der Pupille entgegen- gesetzt. Die Pupille ist bei Korektopie nicht normal rund, sondern oval oder in verschiedener Weise unregelmäßig gestaltet. Anatomisch wurde bei Korektopie mit Linsenluxation der schmale Anteil der Iris abnorm dick, der breite sehr verdünnt und in die Länge gezogen gefunden. Von dem ersteren ging ein um den Pupillarrand nach hinten umbiegender Gewebs- strang aus, der eine starke Arterie einschloß und sich glaskörperwärts allmählich auflöste. Wahrscheinlich ist dieser Strang als persistierendes, abnorm stark ent- wickeltes Mesoderm aufzufassen, dessen Anwesenheit eine Zusammenschiebung (Verdickung) des Irisgewebes und damit eine Verlagerung der Pupille und gleich- zeitig eine Verschiebung der Linse nach der entgegengesetzten Seite bewirkte. Arteria hyaloidea persistens. Von der Papille zieht ein in der Achse des Glaskörpers verlaufender Strang nach der Hinterfläche der Linse, wo er sich ansetzt, während er sie in anderen Fällen nicht erreicht, manchmal enthält er ein blutführendes Gefäß; der Ursprung des Stranges aus der Zentralarterie oder einem ihrer stärkeren Äste ist in einzelnen Fällen sichergestellt. Im durchfallenden Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 215 Lichte sieht er dunkel aus, bei Drehungen des Auges macht er meist lebhafte peitschenschnurartige Bewegungen. Während solche Stränge in sonst normalen Augen als einzige Anomalie beobachtet sind, finden sie sich in anderen Fällen mit Colobom, Mikrophthalmus, hinterer Polarkatarakt sowie anderen Linsentrübungen, ferner mit eigentüm- lichen membranösen Gebilden im Glaskörper zusammen. Anatomisch bestehen sie aus einem sehr regelmäßig angeordneten meso- dermalen Gewebe mit längsgestellten Kernen. Differentialdiagnostisch kommen fädige Glaskörpertrübungen in Betracht, welche sich — besonders gern in stark myopischen Augen — von der Papille aus in den Zentralkanal des Glaskörpers hineinerstrecken. Sie erreichen aber wohl nur ganz ausnahmsweise die hintere Linsenfläche und sind deshalb im allgemeinen nur mit Rudimenten der A. hyaloidea zu verwechseln, während eine in ganzer Länge vorhandene A. hyaloidea persistens ein sehr typisches Bild gibt. Im Glaskörper kommen noch andere angeborene schlauchartige oder mem- branöse Gebilde vor, die aber als sehr seltene und in ihrer Bedeutung z. T. noch unklare Anomalien hier nicht weiter besprochen werden können. Optikus und Retina. Völliger Mangel des Sehnerven (Aplasie) wurde bei Anophthalmus und Mikrophthalmus, ferner bei sonst gut entwickeltem cyklopischem Auge, end- lich auch in einem sonst normalen Auge mit kleiner Orbitalzyste (s. später) gefunden; es handelt sich aber um ein im ganzen sehr seltenes Vorkommnis. In der Retina fehlen in diesen Fällen die Ganglienzellen und Nervenfasern. Ent- wickelungsphysiologische Experimente machen es wahrscheinlich, daß bei der Umbildung der primären Augenblase in den Augenbecher eine vollständige Ab- schnürung vom Gehirn erfolgen kann, so daß gar kein Augenblasenstiel und dem- zufolge auch kein Sehnerv entsteht. Bei der sogenannten Anencephalie und Hemicephalie enthält der Optikus keine Nervenfasern, ebenso die Retina. Die normalen Ganglienzellen der Retina fehlen, an ihrer Stelle kommen vereinzelte kleine Zellen mit stark gefärbtem Kern ohne erkennbaren Protoplasmasaum vor. Es handelt sich hier um eine Hemmungsbildung, indem gewisse zentripetale Bahnen, welche in nicht entwickelte Gehirnteile einstrahlen sollen, nicht zur Ausbildung kommen. Markhaltig-e Nervenfasern der Retina. Sie stellen sich oph- thalmoskopisch als weiße Flecke dar, welche auf der Papille be- ginnen und über den Rand derselben in die Retina ziehen (Tafel III. Fig. 6); das Mark kommt an diesen Fasern erst nach der Geburt zur Ausbildung. Sie stellen also im strengen Sinne keine „ange- borene" Anomalie dar. Eine klinische Bedeutung kommt ihnen nicht zu; sie sollen sich aber verhältnismäßig oft gemeinsam mit anderen „Degenerationszeichenu bei psychisch abnormen Personen finden. Angeborene Hornhauttrübungen. Es gibt stationäre Trübungen sowie solche, welche sich nach der Geburt noch verändern. Das sogenannte Embryotoxon stellt eine zarte grauliche Trübung des Hornhautrandes dar; die normale scharfe Abgrenzung zwischen Kornea und Sklera fehlt, Die Trübung beruht auf einem abnorm weiten Hinüberreichen des episkleralen Gewebes über den Hornhautrand und findet sich vorwiegend bei Vergrößerung der Kornea. Maculae und Leukome (totale und partielle, adhärente und nicht adhärente) sind sicher in einem Teil der Fälle als Folgen intrauterin abgelaufener Keratitis zu betrachten (daß solche Entzündungen tatsächlich vor- kommen, ist einwandfrei bewiesen). Weniger klar ist die Bedeutung 216 E. von Hippel, gewisser, beim echten Mikrophthalmus vorkommender Hornhaut- trübungen; hier sprechen einige Befunde dafür, daß die normale Differenzierung des zwischen Linse und Ektoderm befindlichen Meso- derms zur Subst. propria corneae unterbleiben und an ihrer Stelle gewöhnliches gefäßhaltiges Bindegewebe sich entwickeln kann. Manchmal findet sich bei der Geburt eine diffuse paren- chymatöse Hornhauttrübung beider Augen mit Mattigkeit des Epithels. Im Verlaufe tritt dabei eine konische Vorwölbung der Hornhaut ein. Je nach der Schwere der Erkrankung kann es zu teilweiser oder völliger Aufhellung der Hornhaut mit oder ohne Ver- größerung derselben oder schließlich sogar zum typischen Bilde des Hydrophthalmus kommen. Wie anatomische Untersuchungen gezeigt haben, ist in einem Teil der Fälle ein Geschwür der Hornhauthinterfläche die Ursache der Trübung. Die Ätiologie des Geschwüres selbst ist noch nicht aufgeklärt. Die sogenannte Megalokornea sowie der M egalophthal- mus sind sonach sehr wahrscheinlich, in manchen Fällen sicher als Folgezustände fötaler Krankheitsprozeße zu betrachten, Ob es einen echten Riesenwuchs des Auges als angeborene Anomalie gibt, ist dagegen noch zweifelhaft. Der eigentliche Hydrophthalmus gehört in das Kapitel „Glaukom". Er kann sowohl intrauterin als auch post partum ent- stehen. Es ist möglich, daß angeborenes Fehlen oder mangelhafte Entwicklung des Schlemmschen Gefäßplexus ein Hindernis für die Filtration des Kammerwassers abgibt und dadurch zu Drucksteigerung führt (s. Glaukom). Schließlich ist zu erwähnen, daß Geburtstraumen, besonders bei schweren Zangenentbindungen zu Quetschungstrübungen der Horn- haut mit Einreißungen der De sc em et sehen Membran führen können. Angeborene Totalstaphylome sind als Folgezustände intrauteriner Zerstörung der Hornhaut zu betrachten. Mikrophthalmus congenitus. Es gibt sehr seltene Fälle, in welchen eine abnorme Kleinheit der Augen die einzige Anomalie darstellt (reiner Mikrophthalmus)1), viel häutiger sind aber gleichzeitig schwere Störungen in der Beschaffenheit der inneren Teile vorhanden, die zum Teil erst die anatomische Untersuchung genauer festzustellen vermag. Die Größe des mikrophthalmischen Bulbus ist außerordentlich verschieden: eben nachweisbare Kleinheit der Hornhaut auf der einen, kaum Erbsengröße des ganzen Bulbus auf der andern Seite, dazwischen alle Übergänge. Die Kornea, welche meist erheblich hinter der normalen Größe zurückbleibt, kann klar sein, zeigt aber oft Trübungen in Gestalt von Zungen und Streifen oder Rand- trübungen ähnlich dem Gerontoxon, ferner totale Trübung mit Vas- kularisation, manchmal war sie überhaupt nicht sicher erkennbar. Sehr oft besteht typisches Iriskolobom, ein gleichzeitig vorhandenes Retinochorioidealkolobom ist dem klinischen Nachweis entzogen, wenn, wie es oft der Fall ist, Katarakt besteht. Bei klarer Linse sieht *) Hochgradig hypermetropische Augen können als die geringsten Grade des reinen M. angesehen werden. Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 217 man manchmal ein Netzhaut-Aderhautkolobom [oder man erhält aus dem Glaskörperraum einen gelblichen Reflex, wie bei Glioma retinae. Der Pupillarrand ist oft etwas unregelmäßig, auf Atropin pflegt sich die Pupille nur unvollständig zu erweitern. Ein leidliches Sehvermögen ist selten, normaler Lichtschein öfters vorhanden, eine Anzahl der mikrophthalmischen Augen ist aber blind. Die anatomische Untersuchung läßt keinen Zweifel darüber, daß die allermeisten Mikrophthalmen genetisch mit dem Kolobom im engsten Zusammen- hang stehen. Es gibt aber auch Fälle von angeborener Kleinheit der Augen, wo man Veranlassung hat eine Phthisis bulbi, entstanden durch intrauterine Ent- zündung, anzunehmen. Diese sind aber zweifellos viel seltener als die der ersten Art. Eine klinische Differentialdiagnose ist nicht immer möglich und für anatomische Untersuchungen ist zu beachten, daß mikrophthalmische Augen ebenso wie kolobomatöse zweifellos sehr zu inneren Erkrankungen disponiert sind. Man kann deshalb bei der Untersuchung von Mikrophthalmen, welche älteren Kindern oder Erwachsenen enukleiert wurden, sehr wohl entzündliche Verände- rungen finden, ohne daß dieselben etwas mit der Genese der Mißbildung zu tun zu haben brauchen. Eine Therapie kommt nur gegenüber der Katarakt in Betracht. Die Vorhersage ist hier insofern eine ungünstige, als sich häufig entzündliche Reiz- zustände an operative Eingriffe anschließen und Sehvermögen nur erzielt werden kann, wenn es sich um die seltenen Fälle handelt, wo neben der abnormen Kleinheit des Auges Katarakt die einzige Anomalie ist. Anophthalmus congenitus. Hinter einer kleinen, wenig ge- öffneten Lidspalte findet man einen engen Konjunktivalsack, an dessen Grunde meist eine kleine Hervorragung sichtbar ist, die Bewegungen macht. Die Anomalie ist häufiger doppelseitig, bei einseitigem An- ophthalmus kam auf der anderen Seite Mikrophthalmus und Kolobom zur Beobachtung. Manchmal bestand zur Zeit der Geburt eiterig« Konjunktivitis. Die anatomische Untersuchung ergab völliges Fehlen eines Bulbus- rudimentes, in anderen Fällen Vorhandensein eines solchen von verschiedener Ausbildung. Der Anophthalmus kann dadurch entstehen, daß die Anlage des Auges sich überhaupt nicht bildet, in anderen Fällen ist er als höchster Grad des Mikro- phthalmus zu betrachten. Möglicherweise entsteht er manchmal dadurch, daß abnormer Druck eines zu engen Amnions die Augenanlage in früheren Stadien mehr oder weniger vollständig vernichtet. Dagegen ist eine Zerstörung des Auges durch fötale eiterige Entzündung, auf die man früher den Anophthalmus zurück- führen wollte, unbewiesen und gänzlich unwahrscheinlich. Mikrophthalmus und Anophthalmus mit Unterlidzyste. Von einem Bulbus ist bei der klinischen Untersuchung in den meisten Fällen nichts zu sehen, die Lidspalte ist eng und kann nur wenig oder gar nicht geöffnet werden. Das untere Lid ist von einer fluk- tuierenden Geschwulst vorgewölbt. Die anatomischen Untersuchungen haben gezeigt, daß in diesen Fällen immer ein Bulbus vorhanden ist, der allerdings außerordentlich klein sein kann. Die fluktuierende Geschwulst ist eine Zyste, welche mit ihm durch einen Stiel in Verbindung steht; ihre Wand besteht aus einer bindegewebigen Hülle, einer Fortsetzung der Sklera, die innere Auskleidung aus einem oder beiden Blättern der sekundären Augenblase, welche wenig oder sehr hochgradig in ihrer Struktur verändert sind. Genetisch sind diese Zysten als der höchste Grad eines ektati- schen Koloboms anzusprechen; in ganz seltenen Fällen werden solche Bulbuszysten Lehrbuch der Augenheilkunde. 14 218 E. von Hippel, auch im oberen Lide beobachtet; in diesen Fällen begegnet ihre Erklärung den gleichen Schwierigkeiten, wie die des atypischen Koloboms. Cyklopie. Das cyklopische Auge liegt in dem mittleren unteren Teil der Stirne etwas über der Stelle, wo sich im normalen Gesicht die Nasenwurzel befindet. Entweder ist wirklich nur ein Auge vor- handen oder zwei Augen sind in verschiedener Weise miteinander verschmolzen. Die Lidspalte läßt die Zusammensetzung aus 4 Lidern mehr oder weniger deutlich erkennen. Über dem Auge sitzt meist ein rüsselförmiger Vorsprung, welcher als rudimentäre Nase zu be- trachten ist. Abnorme sowie annähernd normale Größe, ferner Mikrophthal- mus und scheinbarer Anophthalmus kommen bei Cyklopie vor. Mißbildungen der Lider. Das Kolobom des Lides stellt einen seltener rechteckigen, häufiger dreieckigen Defekt dar, dessen Basis zum Lidrand, dessen Spitze gegen den Orbitalrand gerichtet ist. Die Größe ist sehr ver- schieden, bei demselben Individuum kann ein Kolobom an mehreren Lidern, sowie mehrere Defekte an demselben Lid vorkommen. Zwischen den Schenkeln des Defektes findet man nicht selten epibulbäre und subkonjunktivale Lipodermoide; von anderen gleichzeitig beobachteten Mißbildungen sind zu nennen: am Auge Hornhauttrübungen, Mikroph- thalmus, Korektopie, Kolobom, Membrana pupillaris persistens, am Körper Exencephalie, Hemicephalie, Anencephalie, Hasenscharte, Wolfsrachen, Bauchbrucb, Syndaktylie, Spontanamputationen von Ex- tremitätenteilen. Die Lage der Kolobome hat nichts streng typisches, doch ist meist der mediale Teil der Lider betroffen; ein Fehlen der äuße- ren Lidkommissur kommt eben- falls vor (Fg. 176). Das Lidkolobom kann die einzige Anomalie sein, in anderen Fällen aber stellt der Liddefekt die Verlängerung einer Gesichtsspalte, meistens der so- Fig. 176. Angeborenes Kolobom des genannten schrägen dar, welche durch oberen Lides. mangelhafte Vereinigung der Stirn- und Oberkieferfortsätze zustande kommt. Lidkolobome können entstehen, wenn an umschriebener Stelle die Bildung des Lides verhindert oder wenn das gebildete Lid hier wieder zerstört wurde. Beide Wirkungen können amniotische Stränge und Verwachsungen haben und in der Tat hat die Auffassung, welche in den Lidkolobomen ein amniogene Misbil- dung sieht, zurzeit die größte Wahrscheinlichkeit. Kryptophthalmus. Bei dieser Mißbildung zieht die Haut von der Stirne kontinuierlich über die Augäpfel auf die Wange, eine Lidspalte fehlt oder es ist nur ein kleines Stück einer solchen vor- handen. Der Hautüberzug ist durch deutlich fühlbare Bulbi vor- gewölbt, die sichtbare Beweglichkeit derselben beweist das Vorhanden- sein von Muskeln, Runzelungen der Haut, welche bei Einfall grellen Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 219 Lichtes eintreten, sprechen in einzelnen Fällen für das Vorhanden- sein von Lichtempfindung (Fig. 177). Der Kryptophthalmus entsteht nicht dadurch, daß eine Verwachsung der Lider mit der Obeifläche des Auges stattfindet, etwa durch eiterige Konjunktivitis mit Zerstörung der Kornea und Ausbildung eines Symblepharon , sondern es ist in diesen Fällen gar nicht zu einer Entstehung von Lidern und Konjunktivalsack gekommen. Das die Augenblase bedeckende Mesoderm und Ektoderm differen- ziett sich nicht zur Kornea, sondern zu Haut, die den vorderen Abschluß des Bulbus bildet. Infolgedessen ist auch ein opera- tiver Versuch, durch Freilegung des Auges Sehvermögen herzustellen, zwecklos und bisher stets gescheitert. Die Prognose ist demnach absolut ungünstig. Die Mißbildung entsteht wahrscheinlich infolge Drucks eines zu engen Amnions bezw. von Amnion- strängen, spätestens am Anfang des zweiten Monats, vielleicht noch früher. Bemerkensweit ist es, daß mit Kryp- tophthalmus gleichzeitig bestimmte andere Mißbildungen auffallend häufig vorkommen: vor allem Syndaktylie an Händen und Füßen und Mißbildungen der Genitalien. Symblepharon. In seltenen Fällen hat man vom oberen Lid ausgehende Haut- brücken beobachtet, welche fest mit dem Bulbus verwachsen waren. Vermutlich handelt es sich hier um einen geringeren Grad der als Kryptophthalmus beschriebenen Mißbildung. Ankyloblepharon, Mikroblepharie, Entropium und Ektro- pium sind sehr seltene angeborene Mißbildungen, auf die hier nicht näher einge- gangen werden kann. Bei angeborener Distichiasis sproßt außer der normalen Wimpern- reihe im hinteren Teil der intermarginalen Fläche eine ganz regelmäßige Reihe feiner Härchen hervor. Anatomische Untersuchungen ergaben das Fehlen der Meibomschen Drüsen, an ihrer Stelle befand sich die zweite Zilienreihe. Fig. 177. Kryptophthalmus. Epicanthus nennt man eine Anomalie, bei welcher eine Haut- falte im medialen Augenwinkel vom oberen auf das untere Lid über- geht und mit einem lateralwärts konkaven freien Rande die eigent- liche Lidkommissur sowie die hier gelegene Karunkel und die Tränen- punkte, bei besonderer Breite sogar noch eine größere Partie der Lider deckt. Die Falte ist also nicht etwa eine Kommissur der Lid- Doppelseitiger Epicanthus. ränder, sondern der Lidhaut. Verhältnismäßig oft findet sich mit Epicanthus Ptosis congenita und mangelhafte Beweglichkeit der Bulbi nach oben sowie Strabismus convergens. In einzelnen Fällen von Epicanthus ist ausgesprochene Vererbung durch mehrere Gene- rationen nachgewiesen. Die Beseitigung der Anomalie hat nur kosmetische Bedeutung. 14* 220 E. von Hippel, Man exzidiert ein ovales Hautstück auf dem Nasenrücken, unter- miniert die Wundränder und vereinigt dieselben durch Nähte. Dermoide und Teratome des Bulbus und der Orbita. Am Sklerokornealrande, besonders außen oder unten außen sitzen die Dermoide als gelbliche halbkuglige oder mehr flache Geschwülste von verschiedener Größe, oft kann man feine Härchen an ihrer Ober- fläche erkennen. Die subkonjunktivalen Lipodermoide nehmen die Gegend der Übergangsfalte ein, sind verschieblich und schimmern in gelblicher Farbe durch die Konjunktiva hindurch; ihr Lieblings- sitz ist zwischen R. sup. und R. externus. Histologisch findet man in beiden Fällen Elemente der Kutis. Häufig sind gleichzeitige andere Anomalien am Auge sowie am Körper (vergl. die bei Lidkolobom angeführten). Sehr selten sind die der Kornea aufsitzenden epibulbären und zirkum- bulbären Dermoide, bei welchen gleichzeitig vordere und hintere Synechien, Katarakt, sowie höchster Grad von Mikrophthalmus beobachtet wurde. Die Dermoide werden als Beste amniotischer Verwachsungen mit dem Bulbus aufgefaßt. Ihre Entstehung muß vor den normalen Schluß der Lidspalte, also in die ersten 2 Monate verlegt werden. Die Dermoidzy sten der Orbita sitzen im vorderen Teil derselben als kugelige verschiebliche Geschwülste, die bei der Exstirpation oft einen weit nach hinten in die Orbita reichenden und am Knochen inserierenden Fortsatz zeigen. Ihre Wand zeigt die Elemente der Haut, der Inhalt ist eine schmierige Masse, die aus verfetteten Epithelzellen besteht. Sie werden durch Abschnürungen der Haut erklärt. Das angeborene Teratom der Orbita ist eine bei der Geburt meist schon sehr große rasch wachsende Geschwulst, welche zu hochgradigem Ex- ophthalmus führt. In den beobachteten Fällen wurde nur einmal durch Exente- ratio orbitae Heilung erzielt, die übrigen starben. Das histologische Bild ist ein äußerst buntes; man findet Elemente zweier oder aller drei Keimblätter: Knorpel, Knochen, Muskel, Drüsen, Nervensystem, Augenanlagen usw. in unregelmäßigem Durcheinander. Die Gewebselemente haben zum Teil ausgesprochen embryonalen Charakter. Die Meniiigocelen und Encephalocelen der Orbita sind im medialen oberen Winkel sitzende halbkugelige weich-elastische Ge- schwülste oft mit deutlicher Pulsation. Der aus Dura bestehende Bruchsack stülpt sich im allgemeinen durch einen Defekt zwischen Siebbein und Stirnbein vor; diese Biuchpforte ist manchmal mit dem Finger zu fühlen, die Geschwulst selbst ist unverschieblich, aber kompri- mierbar. Bei Druck entstehen mitunter Hirnsymptome (Schwindel etc.) Diffe- rentialdiagnostisch kommen nur Dermoidzysten in Betracht, welche die erwähnten Symptome nicht zeigen. Die Prognose ist im allgemeinen ungünstig, die meisten Kinder gehen früh zugrunde. Während Bulbus und Sehnerv bei den im medialen Teil der Orbita sitzenden Encephalocelen normales Verhalten zeigen, fehlten die- selben einmal völlig, an ihrer Stelle fanden sich kugelige Körper, die aus Gan- glienzellen und Gliagewebe bestanden. Angeborene Anomalien der Tränenorgane. Atresie der Tränenpunkte bei freiem Lumen der Kanäl- chen und normalem Verhalten der übrigen Tränenwege, Fehlen aller oder einzelner Tränenpunkte, wobei das betreffende Röhrchen Entwickelungsgeschichte und angeborene Anomalien. 221 vorhanden war oder fehlte, überzählige Punkte und Röhrchen, angeborener Mangeides Tränensackes, angeborene Tränen- sackfisteln und Tränensackblennorrhoe kamen zur Beob- achtung. Im letzteren Falle handelt es sich um die Folgen von Sekretretention, wenn eine aus der Fötalzeit persistierende Mem- bran die untere Öffnung des Tränennasenkanals abschließt. Sprengung derselben durch Druck auf den Tränensack oder einmalige Sondierung bringt in der Regel Heilung. Die übrigen Anomalien sind auf Grund der entwickelungsgeschichtlichen Verhältnisse (s. oben) verständlich. Anomalien der Pigmentierung. Der Albinismus, der bei Menschen und Tieren vorkommt, ist entweder vollständig oder unvollständig. Im ersten Falle sieht die Pupille nicht schwarz, sondern rot oder rötlich aus, was darauf be- ruht, daß diffus durch die Sklera einfallendes Licht im Innern re- flektiert wird und durch die Pupille ins Auge des Beschauers gelangen kann. Der Augenspiegel zeigt einen sehr hellen Fundus, sämtliche Chorioidalgefäße sind sichtbar. Es besteht meist hochgradige Licht- scheu und ausgesprochene Schwachsichtigkeit, nicht selten Nystagmus und Strabismus. Der Pigmentmangel betrifft nicht nur das Auge, sondern auch die Zilien, Brauen und übrigen Körperhaare. In der noch unklaren Ätiologie spielt die Heredität zweifellos eine wichtige Rolle, wie sowohl aus Beobachtungen am Menschen als aus der Tatsache hervorgeht, daß man bei Tieren, z. B. Kaninchen, pigmentlose Rassen züchten kann. Unter Melanosis versteht man besonders starke Pigmentierung in Form umschriebener Flecken, dieselbe kommt an den Lidern, Konjunktiva, Sklera, Sehnerv und Uvealtraktus vor. Ihre Bedeutung liegt darin, daß von solchen Flecken nicht allzuselten maligne Tumoren ihren Ausgang nehmen. Heterochromie nennt man eine ungleiche Färbung der Iris, wobei entweder die Farbe an beiden Augen oder an beiden Hälften derselben Iris verschieden sein kann. Es hat sich gezeigt, daß bei Heterochromie das Auge mit der hellblauen Iris eine ausgesprochene Neigung besitzt an schleichender Cyklitis mit feinen Hornhautbeschlägen und Katarakt zu erkranken. Man hat angenommen, daß dieselbe Krankheitsursache, welche später zu Cyklitis führt, in früherem Lebensalter Ursache der mangelhaften Pigmentierung ist, andererseits die letztere auch als Hemmungsbildung gedeutet. \/ Erkrankungen der Lider. Von Professor E. von Hippel, Heidelberg. Anatomie und Physiologie. Die Lider bilden zusammen mit der Fascia tarsoorbitalis und den Lid- bändern das sogen. Septum orbitale, welches die Augenhöhle nach vorne abschließt. Die Fascia tarso-orbitalis steht mit den peripheren Piändern der Lid- knorpel in fester Verbindung und inseriert andererseits im ganzen Umfang der Orbita am Knochen etwas einwärts vom Augenhöhlenrand. Oben ist der Ansatz am Knochen durch drei Öffnungen (für N. Art. und V. supraorbitalis sowie fron- talis, ferner für V. ophthalmica sup. mit V. angularis) unterbrochen. Temporal verschmilzt die Fascie mit dem aus derbem Bindegewebe bestehenden Lig. pal- pebr. laterale. Nasal inseriert das Septum orbitale hinter der Crista lacry- malis posterior; vor ihm setzt sich das Lig. pal pebr. mediale, mit dessen hinterem Schenkel es untrennbar verwachsen ist, am Knochen an. Das Septum orbitale wird durch den Bulbus und das Fettgewebe der Orbita nach vorne vorgewölbt und in einer gewissen Spannung erhalten. Deshalb sinkt es wie ein schlaffes Segel zurück, wenn der Bulbus fehlt. Blutergüsse gelangen wegen des festen Abschlusses des Septums aus der Orbita leichter unter die Konjunktiva als in die Lider. Die vordere kutane und die konjunktivale Lidfläche gehen durch Vermitt- lung des zirka 2mm breiten freien Lidrandes oder intermarginalen Teils ineinander über. An der vorderen etwas abgerundeten Kante sproßen die Zilien hervor, die hintere Kante ist nahezu rechtwinklig. Die Lider bestehen aus zwei Platten: die vordere wird gebildet von der Haut und der Muskulatur, die hintere vom Lidknorpel (Tarsus) und der mit ihm fest verbundenen Conjunctiva Tarsi. Im Lidknorpel liegen die Meibomschen Drüsen, deren Mündungen als feine Punkte in der hinteren Hälfte des Lidrandes sichtbar sind. Vor denselben markiert eine dunklere Linie die Grenze der beiden Platten. Temporal und nasal verschmelzen die Lidränder zum Canthus lateralis und medialis, welch letzterer ausgebuchtet ist und die Carunkel umschließt. Einige mm vom medialen Winkel entfernt liegen in der Lidkante die beiden Tränenpunkte. Ein senkrechter Durchschnitt durch das obere Lid zeigt folgende Einzel- heiten: die sehr zarte und fettarme Haut mit ihren Drüsen und Haaren, die abgesehen von den Wimpern Lanugocharakter haben; es folgen die quer getrof- Erkrankungen der Lider. 223 fenen Bündel des Muse, orbicularis, dann der Tarsus, der aus derbem Binde- gewebe besteht und die Meibomschen Talgdrüsen einschließt, deren Sekret die Lidränder fettig erhält. Im obersten Teil des Tarsus finden sich einzelne Schleimdrüsen (sogen. Krausesche Drüsen). Die Innenfläche des Knorpels bekleidet die Konjunktiva. .'■'.:! '■:■■:-K-&' <*&?.*,'■■■■■-''■(■ «5 ""-5, g£ Zwischen dem Rande des Knorpels, der nicht bis zum freien Lidrand reicht, und dem letzteren finden sich unmittelbar vor der hinteren Lidkante in der Um- gebung der Ausführungsgänge der Meibomschen Drüsen Muskel querschnitte (Muse, subtarsalis s. Riolani s. Horneri). Im vorderen Teil des'Lidrandes sieht man die Haarbälge der Zilien, in 224 E. von Hippel, welche die Ausführungsgänge der sogen. Molischen modifizierten Schweiß- drüsen, sowie der Zeißschen Talgdrüsen einmünden. Die Lidmuskulatur hat im einzelnen folgende Anordnung: Die kreisförmigen Bündel des M. orbicularis liegen dem Septum orbitale auf, die zentralsten Teile derselben, die eigentlichen Lidschließmuskeln (M. pal pe- br al es) bilden Halbkreise, die vom medialen zum lateralen Lidband ziehen. Zu dieser oberflächlichen Portion kommt eine tiefe, der Muse, subtarsalis s. Horneri, welcher von dem Tränenbeinkamm und dem hinteren Schenkel des Lig. palp. med. entspringt und sich am inneren Winkel in einen Zug für das obere und einen für das untere Lid teilt; derselbe liegt in der Lidkante und strahlt in die Haut derselben ein, er reicht temporal nicht ganz bis zum äußeren Lidwinkel. Der Heber des oberen Lides — Levator palpebrae superioris — ent- springt am Foramen opticum, seine Sehne setzt mit einem hinteren Blatt in ganzer Breite am oberen Knorpelrand an, während eine vordere Lamelle bis auf die Vorderfläche desselben reicht und ßindegewebsbündel zwischen den Fasern des Orbikularis zur Haut schickt; infolge dieser Verbindung wird bei Hebung des Lides eine Hautfalte eingezogen. Die schlaffe über der Einziehung befindliche Haut bildet die sogen. Deckfalte. Ausstrahlung der Levatorsehne in der Haut A. margin. sup. Lidmuskel Fig. 180. Schematischer Durchschnitt des oberen Lides (kombiniert nach Merkel und Kallius). Im oberen und unteren Lid findet sich noch je ein glatter vom Sympathikus innervierter sogen. Müller scher Tarsalmuskel, von denen der obere kurz vor dem Ende des Lavator zwischen dessen Fasern entsteht und am oberen Lid- rand endigt, während im unteren Lid die Muskelbündel unmittelbar unter der Konjunktiva vom Fornix bis zum Lidrand reichen. Die Muskeln unterhalten einen gewissen Tonus, bei ihrer Lähmung verengert sich die Lidspalte. Beim leichten Lid seh lag ist nur der Subtarsalmuskel, bei festem Lid- schluß auch die Lidportion tätig. Die Kontraktion der Muskeln bewirkt bei offener Lidspalte Verengerung bezw. Schluß derselben und leichtes Andrücken der Lider an den Bulbus, bei geschlossener Lidspalte einen erhöhten Druck der Lider gegen das Auge. Die Öffnung der Lidspalte bewirkt der Levator, welcher den oberen Rand des oberen Lides nach hinten und oben zieht, das untere Lid senkt sich bei Nach- lassen des Orbikularistonus seiner Schwere nach. Die physiologische Bedeutung des Lidschlags besteht in der Erkrankungen der Lider, 225 Reinigung und Feuchterhaltung der Bulbusoberfläche sowie in der Fortschaffung der Tränenflüssigkeit. Beim Lidschluß bilden die einander anliegenden Ränder des oberen und unteren Lides einen wasserdichten Abschluß des Konjunktivalsacks. Die Blutvcrsorgung der Lider geschieht durch die A. palpebr. med. und Iater. sup. und infer.; die medialen entspringen aus der A. frontalis, die late- ralen aus der A. lacrymalis. Sie verbinden sich zu dem Are. tars. sup. und inf., welche zwischen dem Rand des Knorpels und dem freien Lidrand liegen; von hier aus gehen den Orbikularis perforierende Äste zur Konjunktiva. Das obere Lid besitzt noch einen seinem oberen Rand entsprechenden arteriellen Gefäßbogen, der Verbindungen mit den Asten sämtlicher benachbarter Arterien eingeht. Die Venen der Lider sammeln sich zu den V. palp. med. und lateral., von denen die eisten in die V. angularis oder ihre Verbindung mit der V. facialis ant., die letzteren in die V. supraorbitalis münden. Die motorischen Nerven sind der Okulomotorius (zum Levator), der Fazialis zum Schließmuskel und der Sympathikus zu den glatten Müllerschen Muskeln. Die sensiblen Nerven entstammen dem I. und IL Ast des Trigeminus, speziell dem Supra- und Infratrochlearis, frontalis, Supra- und infraorbitalis, lacri- malis; die Verzweigung ist sehr reichlich, daher die hochgradige Empfindlichkeit der Lidhaut. Die Lymphgefäße entspringen aus einem zur Haut gehörigen, sowie einem prätarsalen und konjunktivalen Lymphkapillarnetz. Die Stämmchen ziehen teils zu den submaxillaren, teils zu der präaurikularen und einigen anderen Parotis- lymphdrüsen. Erkrankungen der Lider. I. Hyperämie, Odem, IJ1 utung-en sind zwar keine selbständigen Erkrankungen, aber oft so im Vorder- grund stellende Symptome, daß sie eine kurze Besprechung erfordern. Aktive Hyperämie bewirkt Rötung und Schwellung, ist meist mit Odem verbunden und findet sich im wesentlichen bei den entzündlichen Erkrankungen der Lider. Passive Hyperämie bewirkt bläuliche Färbung, die Venen treten deutlich hervor. Stauungen im Gebiete des kleinen Kreislaufs oder der orbitalen Venen sind die Ursache. Das 0 dem ist durch Schwellung und Verdickung der Lider gekenn- zeichnet. Das obere Lid sinkt durch die Schwere herab, die Lidspalte ist verengt oder geschlossen, die Beweg- lichkeit des Lides herabgesetzt oder aufgehoben. Die Haut ist in ver- schiedenem (irade gespannt, oft sehr prall, erst beim Abklingen des Pro- zesses zeigt sie wieder Fältchen. Die Farbe der Haut ist blaß, hellrot oder blaurot, je nachdem eine gleichzeitige Entzündung fehlt oder besteht. Das von einerSeite ausgehende Ödem kann Fig. 181. Hochgradiges Lidödem sich über den Nasenrücken auf die bei Nephritis. andere Seite erstrecken. Meistens handelt es sich um ein entzündliches Odem. Entweder sind Bulbus und Konjunktiva dabei normal (Hordeolum, akute Dacryocystitis, Erysipel, Periostitis der Orbitalknochen) oder 226 E. von Hippel, das Ödem ist Folge einer Erkrankung des Auges oder der Orbita (Diphtherie, Blennorrhoe, Panophthalmitis, Orbitalphlegmone, Throm- bose des Sinus cavernosus). Stauungsödem findet sich bei schweren Erkrankungen des Herzens und der Nieren in Verbindung mit anderen Symptomen der Wassersucht (Fig. 181). Selten sind die flüchtigen sog. angioneurotischen Ödeme, welche rezidivierend auftreten und mit Ödemen an anderen Körper- stellen verbunden zu sein pflegen. Sehr selten kommt Lidödem als Spätsymptom der Syphilis vor; es schwindet bei spezifischer Behandlung. Blutungen treten mehr fleckweise bei den zu Hautblutungen führenden Allgemeinerkrankungen auf, in mehr diffuser Form dagegen 1. bei stumpfen Traumen, 2. bei starker Erhöhung des Blutdrucks (heftiges Husten, Pressen, Erbrechen, epileptischer Anfall, schwere Thoraxkompression), 3. fortgeleitet im unteren Lide nach basalen Schädelbrüchen; sie sind von erheblicher diagnostischer Bedeutung. Vor den Lidblutungen pflegen solche in die Conjunctiva bulbi auf- zutreten. Die Blutungen machen den bekannten Farbenwechsel durch und verschwinden spurlos. Nur bei stärkeren Blutungen ist ein Verband am Platze. Im übrigen läßt man Umschläge machen. Eine weitere Behandlung ist nicht erforderlich. II. Abnorme Sekretionen. Die Seborrhoe des Lidrandes — in ihrer reinen Form zweifellos als Sekretionsanomalie der Talgdrüsen zu betrachten — wird wegen ihrer klinischen Stellung bei der Blepharitis Besprechung finden. Der blutige sowie der blaue Schweiß (Chromhidrosis) sind sehr seltene Zustände, die teils als artefizielle Veränderungen bei Täuschungsversuchen seitens hysterischer Personen zu betrachten sind, teils noch näherer Aufklärung bedürfen. Blutige Absonderung aus den Liddrüsen ist gleichzeitig mit der Menstruation be- obachtet worden. III. Entzündliche Erkrankungen. Akute Exantheme. Bei Masern, Scharlach, Pocken, Varicellen kann sich die Lidhaut an der Erkrankung beteiligen, aber nur die Pocken haben insofern eine größere Bedeutung, als es in ihrem Gefolge zu schweren Stellungsanomalien der Lider kommen kann. Praktisch wichtig ist die im Gefolge der Impfung vorkommende Vaccineerkrankung- der Lider. Dieselbe lamn von dem Impfling auf andere Personen übertragen werden oder eine Autoinokulation dar- stellen und sowohl auf normale wie auf ekzematöse Haut erfolgen. Die Eruptionen der Lidvaccinola sitzen auf dem intermarginalen Teil als flache Geschwüre diphtherischen Aussehens. Der Grund zeigt einen abziehbaren weißen Belag. Vom Lidrand können sie auf die Lidhaut übergreifen und haben hier das gewöhnliche Aussehen gedellter Pusteln. Das Lid ist ödematös, die Haut blaurot verfärbt, die Kon- junktiva ist chemotisch, die präaurikulare Drüse geschwollen und schmerzhaft. Nach 8—12 Tagen beginnt der Heilungsprozeß, meist Erkrankungen der Lider. 227 tritt völlige Heilung ohne Narbenbildung auf; die Krankheit kann aher auch durch sekundäre Beteiligung der Hornhaut eine ernste Bedeutung erlangen, indem durch Hornhautgeschwüre oder Keratitis disciformis schwere Sehstörungen, ja selbst Erblindung entstand. Bei Übertragungen auf ekzematöse Haut kann es zu schwerster, selbst tödlicher Allgemeinerkrankung kommen. Zum mindesten entstehen in diesen Fällen sehr häßliche an Blattern erinnernde Narben sowie Verlust der Augenbrauen und eines Teiles der Kopfhaare (Fig. 182). Differential diagnostisch kommt bei derVaccinola das Ulcsu durum und das diphtheritische Ge- schwür in Betracht. Ersteres ist durch geringere entzündliche Ver- änderungen, größere Härte, specki- gen Grund, Indolenz der Drüse, letzteres durch die meist gleich- zeitig vorhandene Diphtherie der Konjunktiva zu unterscheiden. Da die Therapie bei der Lidvaccinola eigentlich machtlos ist, und nur in indifferenten Um- schlägen und Salben bestehen kann, so ist von umso größerer Wichtig- keit die Prophylaxe: Impfverbände, zum mindesten Verhütung der Be- rührung der Pusteln durch das Kind und regelmäßige sorgfältige Reini- gung der Hände, die mit dem Impf- Fig. 182. Vaccine - Erkrankung nach ling in Berührung gekommen sind, Impfung bei bestehendem Ekzem. Narben ist erforderlich. Ekzematöse Kin- wie bei echten Blattern. der dürfen nicht geimpft werden. — Beim Erysipel des Gesichtes bleiben die Lider zwar oft frei, sie können aber an der Erkrankung teilnehmen. Sie sind dann gerötet, ödematös, gespannt, schmerzhaft, manchmal mit Blasen be- deckt, die Lidspalte kann nicht geöffnet werden. In schweren Fällen kann es zu Gangrän (E. gangraenosum), Vereiterung der Tränendrüse oder auf dem Wege der septischen Thrombophlebitis zu Orbital- phlegmone, Protrusio Bulbi, Erblindung, ja sogar zu Meningitis und Exitus kommen. Der Erreger des Erysipels ist der Streptococcus, selten vielleicht der Staphylococcus. Die Prognose ist abgesehen von diesen seltenen Komplikationen günstig. Therapeutisch sind Einpinselungen mit Ichthyol zu emp- fehlen, beim gangränösen Erysipel sind tiefe Entspannungssclmitte erforderlich. Psoriasis, Pityriasis rubra, Erythema exsudativum, Urti- caria, Pemphigus und Akne rosacea kommen in seltenen Fällen auch an den Lidern vor, bedürfen hier aber keiner eingehenden Schilderung. Herpes facialis febrilis und Herpes zoster. Beim fieberhaften Herpes facialis sitzen Gruppen von wasser- hellen Bläschen auf der geröteten Lidhaut, welche bald eintrocknen 228 E. von Hippel, und nach Abstoßung des Schorfes ohne Narben heilen. Als Kom- plikation ist Herpes corneae zu nennen. Ursächlich kommen wie beim Herpes labialis besonders akute Erkrankungen des Respirations- tractus in Betracht. Der Herpes zoster beginnt mit heftigen einseitigen Schmerzen im Gesicht und Kopf. Unter Fieber tritt dann die Bläschen-Eruption vorwiegend im Bereich des I. Trigeminusastes d. h. am oberen Lid, der Nasenwurzel, der Stirn und behaarten Kopfhaut auf, selten am unteren Lid. Diagnostisch wichtig ist die scharfe Abgrenzung des Prozesses in der Mittellinie. Der Inhalt der Bläschen wird bald eiterig und trocknet ein. Wegen der exponierten Lage im Gesicht nimmt der Herpes ophthalmicus (im Gegensatz zum H. z. intercostalis, der meist ohne Narben abheilt) meist die gangränös-hämorrhagische Form an. Es bilden sich dunkelbraune und schwärzliche Krusten, unter denen sich Geschwüre befinden, daher entstehen bei der Heilung Narben, die weißlich und etwas vertieft sind. Noch nach Jahren ist an solchen einseitigen Narben ein früherer Herpes zoster ophthal- micus zu erkennen. Bis zur Vernarbung vergehen ca. 3 Wochen, Schmerzen können aber noch wochen- und monatelang bestehen, dabei kann die Haut anästhetisch sein (Fig. 183). Komplikationen von seiten des Auges sind: Herpes con- junctivae und corneae, Ulcus corneae, Keratitis disci- formis; diese Hornhautkompli- kationen treten besonders auf, wenn auch das Ausbreitungs- gebiet des Nasociliaris (Nasen- wurzel) beteiligt ist, von wel- chem die Ziliarnerven zum Bulbus gehen. Seltenere Kom- plikationen sind Episcleritis, Iritis, Neuritis optica, Läh- mungen der äußeren und inneren Muskulatur. Anatomisch hat man ent- zündliche Infiltration und Blutungen im Gangl. Gasseri und ciliare, sowie im Trigeminusstamm gefunden. Der nähereZusammenhang zwischen ihnen und der Hauteruption ist noch nicht völlig klargestellt. Die Ä t i o 1 o g i e ist wohl nicht einheitlich. Infektionskrankheiten, Intoxikationen, Autointoxikationen wie Gicht und Diabetes, Traumen, Wirbel- erkrankungen werden angeschuldigt. Die Prognose ist, sofern kein unheilbares Grundleiden vor- liegt, günstig: die Krankheit heilt in einigen Wochen oder Monaten aus und kehrt meist nicht wieder. Therapeutisch ist längerer Gebrauch von Natr. salicyl. (2 XI Vag) oder Aspirin (2 X 1 g) zu empfehlen und die eventuelle ursächliche Erkrankung (Nerven- und Hirnkrankheiten etc.) zu be- Fig. 183. Herpes zoster ophthalmicus, der Ausbreitung des linken I. Trige- minusastes entsprechend, mit Beteiligung des Auges. Erkrankungen der Lider. 229 rücksichtigen. Die enormen Schmerzen erfordern oft subkutan Morphium. Lokal wird der Ausschlag eingepudert, eventuell auch mit nicht reizenden Salbenlappen ganz lose, unter Vermeidung von Druck zugedeckt. Die eventuelle Keratitis erfordert Atropin. Ekzem der Lidhaut. An der Lidhaut kommen alle Formen des Ekzems vor, am häufigsten aber das impetiginöse: die Lider sind gerötet, ge- schwellt, mit Bläschen und Pusteln bedeckt; dieselben platzen, es entstehen nässende Flächen, später bräunliche und gelbe Krusten. Kopf und Gesicht, besonders die Nase sind gleichzeitig ekzematös, seltener besteht die Liderkrankung für sich allein. Phlyktänuläre Keratitis und Konjunktivitis, infolgedessen Tränen, Lichtscheu und Lidkrampf sind häufige Begleiter. Das Jucken veranlaßt die Patienten (meist Kinder) zu fortwährendem Reiben, wodurch die Sekrete im Gesicht verschmiert, der Prozeß verschlimmert wird. Die Krankheit setzt oft akut ein, der Verlauf ist aber meist ein schleppender, Verschlimmerungen und Remissionen wechseln, der Einfluß der Therapie ist meist ein großer. Ätiologisch ist zweifellos eine gewisse Disposition von Wichtig- keit, die besonders bei skrofulösen Kindern, bei Anämischen vor- liegt, die ätiologische Bedeutung der regelmäßig vorhandenen massen- haften Eiterkokken ist noch nicht völlig geklärt. Bei empfindlichen Personen können gewisse mechanische und chemische Reize ein Ekzem zum Ausbruch bringen z. B. Umschläge oder feuchte Verbände, ferner Berührung gewisser Pflanzen, besonders der Primula japonica. Die Prognose ist insofern günstig als es schließlich zu Heilung ohne Narben kommt, ernstere Bedeutung haben dagegen die Kompli- kationen seitens der Hornhaut. Therapie: Vorsichtige und sorgfältige Beseitigung der ange- trockneten Sekrete, Abschluß der wunden Stellen durch Salben (Hebra- Zinksalbe, Unnas Zinkpaste); oft bewährt sich ausgiebiges Pinseln mit 2—3°/o Arg. nitr.-Lösung oder mit Ichthyol. Es bilden sich dabei trockene Krusten, unter denen Heilung eintritt. Die bei dem Atropinkatarrh der Bindehaut auftretende Rötung, Schwellung und Excoriation der Lider, besonders des unteren, kann Ähnlichkeit mit dem Ekzem haben. Blepharitis inarginalis s. ciliaris. Unter dem Namen Blepharitis werden die klinisch und ätiologisch verschiedenartigen entzündlichen Erkrankungen des Lid- randes zusammengefaßt. Hyperämie und leichte Schwellung der Lid- ränder, die bei jeder Anstrengung der Augen, bei kalter Luft etc. zunimmt, kann als leichteste Form betrachtet werden. Wohl charak- terisiert ist ferner die durch die Diplobazillenkonjunktivitis verur- sachte sogen. Bleph. angularis, bei welcher besonders die Lidwinkel gerötet und wund erscheinen. Bei der sogen. Bleph. squamosa finden sich trockene, seltener fettige Schuppen zwischen den Zilien auf dem Lidrand. Beseitigt man sie, so ist der Lidrand gerötet, 230 E. von Hippel, aber nicht geschwürig im Gegensatz zu der sogen. Bleph. ulcerosa, wo die Lidrandfläche von ungleich dicht stehenden, runden Ge- schwürchen bezw. Abszeßchen bedeckt ist, in deren Mitte eine oder mehrere Zilien herausragen; diese sind im allgemeinen leicht epilier- bar und stellen häufig eine sogen. Knopfzilie mit sehr dunkel aus- sehender Wurzel dar, regelmäßig folgen bei der Epilation der er- krankten Wimpern Bestandteile des epithelialen oder bindegewebigen Haarfollikels. Benachbarte Geschwürchen können konfluieren, so daß der Lidrand eine wunde Fläche bildet. Bei der squamösen und ulze- rösen Blepharitis tritt häufig Verlust der Zilien ein, bei der ersten mehr gleichmäßig, bei letzterer an den Stellen der Geschwüre, daher entstehen kahle Stellen zwischen dichten Büscheln. Sich selbst über- lassen oder nicht konsequent behandelt ist die Blepharitis ulcerosa eine äußerst hartnäckige Krankheit, die schließlich zu mangelhaftem Lidschluß, Verkürzung der Lider, Abstumpfung der Lidränder und einem Ektropium führen kann, bei dem die Schleim- haut um die Lidkante herumgezogen ist. Diese Ektropiumform ist Fig. 184. Blepharitis. Fig. 185. Abstumpfung der Lidränder, Verlust der Zilien, Ektropium nach vernachlässigter Blepharitis ulcerosa. Ausgedehnte Hornhaut- trübungen. besonders schwierig zu beseitigen. In diesem Stadium wird auch die Hornhaut infolge des mangelhaften Schutzes häufig von Entzündungen befallen. Aus diesem Grunde ist die Blepharitis ulcerosa stets als eine ernste Krankheit anzusehen, welche sorg- same, lang fortgesetzte Behandlung erfordert. Bei ihrem Zusammenhang mit einer allgemeinen Disposition bedürfen die Lidränder solcher Personen auch nach der Heilung der Ulze- rationen während des ganzen Lebens einer besonderen Pflege und Reinigung. Die squamöse Blepharitis wird von vielen als Seborrhoe aufgefasst und vom Ekzem getrennt. Nach Unna ist sie aber ein Anfangsstadium desselben. Die ulzeröse Form, bei der die Erkrankung der Haarbälge im Vordergrund steht, wird als ekzematöse Er- krankung der letzteren aufgefaßt, von anderen der Sykosis oder Akne zugezählt; eine scharfe Trennung ist bei diesen Prozessen, bei denen regelmäßig Infektion mit Eiterkokken vorhanden ist, nicht immer möglich. Erkrankungen der Lider. 231 Patho logisch-anatomisch handelt es sich bei der Blepharitis ulcerosa um eine Impetigo des Haartrichters, sowie um eine Follikulitis und Perifollikulitis meist eiteriger Natur. Die Ätiologie der Blepharitis ist nicht einheitlich: eine gewisse Dispo- sition ist von Wichtigkeit: Skrofulöse, Anämie, Rek< nvaleszenz von Infektions- krankheiten, z. B. Masern, ferner Diabetes und Erkrankungen des Verdauungs- traktes stellen eine solche dar; ebenso erbliche Veranlagung. Unkorrigierte Re- fraktionsfehler, besonders Hyperopie und hyperopischer Astigmatismus haben, wie der Einfluß der Behandlung zeigt, unter Umständen ursächliche Bedeutung.' Hindernisse in der Tränenableitung, welche zu Epiphora führen, chronische Konjunktivitis, besonders die Diplobazillenkonjunktivitis sind feiner zu nennen. Das Trachom kann zu einer selbständigen Entzündung der Lidränder mit Narbenschrumpfung und Trichiasis führen. Die Haarbalgmilbe (Acarus folliculorum), welche als Erreger der Blepharitis beschuldigt wurde, hat diese Bedeutung nicht, da sie auch sehr häufig bei Nor- malen vorkommt, vielleicht erleichtert sie den Kokken das Eindringen in die Haarbälge. Bakteriologisch wurde bei der Bleph. squamosa meist ein avirulenter Staphylococcus albus, bei der ulzerösen seltener der gleiche, häufiger der Staphylo- coccus aureus gefunden, dessen Virulenz verschieden war. Die Prognose der Blepharitis richtet sich nach der Ursache und der Behandlung; in den leichteren Fällen ist sie günstig, in den schweren, besonders ulzerösen Fällen, die nicht rechtzeitig energisch behandelt werden, kommt es zu Ausfall aller oder wenigstens eines Teils der Zilien, häßlichen Wulstungen der Lidränder, Trichiasis und Ek- tropium (Fig. 185). Therapie: Etwaige Refraktionsfehler sind festzu- stellen und zu korrigieren, Störung in der Tränenableitung zu beseitigen. Zinkeinträufelungen bewirken bei der durch Diplobazillenkonjunktivitis bedingten Blepharitis angularis Heilung. Regelmäßige sorgfältige Reinigung und Einfettung der Lidränder mit weißer oder l°/oiger gelber Präzipitat- salbe ist bei der Bleph. squamosa vorzunehmen. Ausgiebige Epilation und Pinselungen mit 2% Arg. nitric. oder Salbenverbände mit l°/0 Arg. nitr.-salbe oder 2—5°/0 Ichthyolsalbe bei der Bleph. ulcerosa. Sehr wirksam ist die lokale Behandlung der Geschwüre mit der armierten Sonde, die dadurch hergestellt wird, daß man die Spitze eines Silberdrahts in geschmolzenes Argent. nitr. taucht. Lange und regelmäßige Behandlung ist oft die Bedingung für einen Erfolg. Operative Behandlung ist bei den schwe- reren Folgezuständen notwendig (siehe unter Stellungsanomalien). Bei anämischen und skrofulösen Individuen ist Allgemeinbehandlung von Wichtigkeit, unter Umständen wirkt Entfernung der hypertrophischen Rachenmandel sehr günstig auf den Verlauf. i Fig. 186. Zilienpin- zette zum Epilieren. Hordeolum, Furunkel, Lidabszeß, Chalazion. Das Hordeolum entsteht durch eitrige Entzündung einer Lid- randdrüse (H. externum) oder einer Meibomschen Drüse (H. internum). Es beginnt mit stechenden Schmerlen und Ödem, das manchmal sehr stark ist und die Conjunctiva bulbi (Chemosis), sowie die Lider der anderen Seite beteiligen kann. Beim Betasten ist eine umschriebene 232 E. von Hippel, Stelle schmerzhaft. Schleimige Absonderung der Konjunktiva verur- sacht undeutliches Sehen. In einigen Tagen kommt es zur Absze- dierung. Fig. 187. HordeolumXam äußeren Lidwinkel. Fig. 188. Chalazion im Oberlid. Hordeola treten häufig bei der Blepharitis ulcerosa auf und rezidivieren manchmal sehr hartnäckig. Ätiologisch scheint die gleiche Disposition wie zu Blepharitis eine Rolle zu spielen. Auch an die Möglichkeit eines Diabetes ist in hartnäckigen Fällen zu denken; Fig. 189. Chalazion im oberen Lid. Fk 190. Dasselbe bei Ektro- pionierung. die direkte Ursache der Eiterung ist der Staphylococcus, meist aureus. Der dem Hordeolum ätiologisch gleichstehende Furunkel der Lidhaut geht von einer Infektion der Lanugofollikel, seltener der Erkrankungen der Lider. 233 Schweißdrüsen aus. In der Augenbrauengegend sind sie relativ häufig. Die Prognose ist bei beiden fast immer günstig, ganz ausnahmsweise kann eine tödliche septische Infektion entstehen. Therapie: Heiße Umschläge, Inzision, sobald gelbliche Ver- färbung sichtbar wird. Lidabszesse sind einmal als tiefer greifende Furunkel zu betrachten; ferner können sie auftreten als Folge infizierter Ver- letzungen, dann wohl metastatisch bei verschiedenen Infektionskrank- heiten, endlich fortgeleitet von Erkrankungen des knöchernen Orbital- randes. Auch bei den Abszessen ist frühzeitige Eröffnung vorzu- nehmen. Das Chalazion ist zwar keine eitrige Erkrankung, da es aber manchmal mit entzündlichen Reizerscheinungen beginnt und klinisch mit dem Hordeolum internum Ähnlichkeit hat, sei es hier besprochen. Es stellt eine kuglige Geschwulst von sehr verschiedener Größe dar, die im Tarsus sitzt und die innere, mehr noch die äußere Lid- fiäche vorwölbt; häufig tritt es multipel auf. Fig. 191. Riesenzellen aus einem Fig. 192. Inzision eines Chalazions von Chalazion. der Konjunktiva aus. Das Lid ist mit einer D es marresschen Klemme aus- wärts gekehrt. Es ist das Produkt einer Adenitis und Periadenitis der Mei- bomschen Drüsen, bedingt durch Sekretverhaltung und wahrschein- lich das Hinzutreten eines infektiösen Agens; das Chalaziongewebe besteht aus epitheloiden, Rundzellen und oft sehr zahlreichen Riesen- zellen (Fig. 191). Es ist aber nicht, wie vorübergehend angenommen wurde, ein Produkt lokaler Tuberkulose. Die ätiologische Bedeutung eines im Chalaziongewebe sehr häufig vorkommenden, den Pseudodiphtherie- bazillen zugehörigen Mikroorganismus ist noch nicht völlig sicher gestellt. Die Chalazien können durch ihre Neigung bei demselben Indi- viduum gehäuft aufzutreten, sehr lästig werden. Therapie: Inzision und sorgfältige Äuslöffelung von der Innen- seite des Lides aus unter Lokalanästhesie. Instrumente: Desmarres- sche Klemme, spitzes Messer, kleiner scharfer Löffel (Fig. 192). 234 E. von Hippel, Die Anästhesierung wird durch Einträufeln einer 5°/oigen Kokainlösung in den Konjunktivalsack und subkutane Injektion einer ] °/oigen Kokain- oder 2°/oigen Akoinlösung mit Zusatz einiger Tropfen Adrenalin oder Suprarenin in unmittelbarer Umgebung des Chalazions bewirkt. Kalkige Konkretionen in den Meibomschen Drüsen sind besonders bei älteren Individuen häufig. Wenn sie Beschwerden machen, sind sie mit einer Nadel oder einem spitzen Messer leicht zu entfernen. Lidgangrän. Bei dieser seltenen Erkrankung handelt es sich um eine meist nicht sehr stark in die Fläche, wohl aber rasch in die Tiefe fortschreitende nekrotisierende Entzündung, die manchmal ausgesprochen fötiden Charakter hat. Der Lidrand pflegt auch in den schweren Fällen erhalten zu bleiben, es gehen aber mehr oder weniger große Teile des Lides, manchmal in ganzer Dicke, verloren. Bei der Vernarbung tritt infolgedessen Ektropium leichten bis höchsten Grades ein. Die Erkrankung geht mit hohem Fieber und mit schwerer Störung des Allgemeinbe- findens einher. Fig. 193. Lidgangrän. Die Ätiologie ist keine einheitliche: Gangrän kann im Anschluß an schwere Infektionskrankheiten (Influenza, Masern. Scharlach, Typhus, Variola, Varicellen, Erysipel, Keuchhusten, Sepsis) entstehen und zwar entweder auf dem Wege der Metastase oder durch sekundäre Infektion einer an sich harmlosen Hauteffloreszenz, ferner durch Infektion kleiner Verletzungen, im Anschluß an Diphtherie der Kon- junktiva, gelegeutlich auch durch übertriebene Eisanwendung. Bakteriologisch wurden sowohl Diphtheriebazillen als Streptokokken nach- gewiesen, sonst meistens Streptokokken. Die Ursache der ausgesprochen fauligen Nekrose sollen anaerobe Mikroorganismen sein. Eine besondere Form der Gangrän bedingt die Milzbrandinfektion, welche meistens in Form der Pustula maligna, seltener unter dem Bilde einer sehr harten ödematösen Schwellung auftritt. Die Diagnose ist auf Grund des Nachweises von Milzbrandbazillen zu stellen. Die Prognose richtet sich nach der Schwere des Falles und der Ätiologie der Gangrän. Erkrankungen der Lider. 235 Therapeutisch ist feuchte Wärme anzuwenden, unter Umständen müssen tiefe Entspannungsschnitte gemacht werden. Die bakteriologische Untersuchung ist wichtig, weil sie zur Anwendung von Diphtherie-Streptokokken- oder Milzbrandserum Anlaß geben kann; freilich ist von diesen nur der Wert des Diphtherieserums genügend gesichert. Molluscum contagiosum. An den Lidrändern sowie der Lidhaut sitzen einzelne oder zahlreiche weiß- gelbliche, halbkugelige Knötchen mit zentraler Delle, aus denen sich auf Druck eine weißliche Masse entleert. Unter dem Mikroskop sieht man in derselben die sogen. Molluskumkörperchen, ovale, stark lichtbrechende, von einer doppelt konturierten Membran umgebene Ge- bilde, welche, wie das Schnittpräparat zeigt, in den peripheren Zellen der epi- thelialen Wucherung entstehen und nach dem Zentrum zu immer größer werden. Sie sind wohl als Degenerationsprodukte der Zellen, aber nicht, wie auch ange- nommen wurde, als Protozoen aufzu- fassen. Der eigentliche Erreger ist noch nicht bekannt, fest steht dagegen, daß das Molluskum übertragbar, also in- Fig. 194. Molluscum contagiosum. fektiöser Natur ist. Die Knötchen werden mit der Schere abgetragen, der Grund mit dem spitzen Paquelin oder dem Lapisstift geätzt. Favus, Herpes tonsurans, Rhinosklerom, Aktinomykose, Rotz, Ulcus molle und Blasto- mykosis (eine durch pathogene Hefe entstandene Entzündung) kommen in sel- tenen Fällen an den Lidern zur Beobachtung. Die Diagnose ist entweder schon klinisch, meist aber erst durch den mikroskopischen oder kulturellen Nachweis der Erreger zu stellen. Durch Filzläuse (Phthirius inguinalis) können entzündliche Reizzustände hervorgerufen werden. Man erkennt das Vorhandensein der Parasiten an den schwärzlichen, aus Eiern und Exkrementen bestehenden Krusten, welche den Zilien anhaften. Therapie: Einreibungen mit grauer Salbe. Kopfläuse sind an den Zilien sehr selten. Syphilis. Tuberkulose. Lupus. Lepra. Die Syphilis der Lider ist eine seltene Erkrankung; sie tritt in folgenden Formen auf: 1. Primäraffekt (Ulcus durum), meist als einfacher, seltener als doppelter Lidschanker beobachtet. Der innere Lidwinkel ist der häufigste Sitz. Die Übertragung geschieht durch Kuß, Auslecken der Augen, Auswaschen mit Speichel oder durch gemeinsamen Gebrauch von Handtüchern. Differentialdiagnostisch kommt das Hordeolum, das Chalazion, das Lidgumma und das Impfgeschwür in Betracht. Die charakteristische Härte, der graugelbe speckige Grund und die indolente Schwellung der Präaurikulardrüse sprechen für Schanker, doch kann unter Umständen erst längere Beobachtung Sicherheit bringen. Sehr wichtig wird in Zukunft der Nachweis der Spirochaete pallida sein. 2. Syphilitische Exantheme im Sekundärstadiuni kommen sehr selten an den Lidern, etwas häufiger an den Brauen vor (squamöses Syphilid und 230 E. von Hippel, Schleimpapeln). Alopecie der Augenbrauen und teilweiser Ausfall von Wimpern kann luetischer Natur sein. 3. Gummata der Lidhaut sind ebenfalls eine sehr seltene Erkrankung. Im nicht ulzerierten Zustand können sie dem Hordeolum oder Chalazion außer- ordentlich ähneln; ulzerieren sie, so kann die Differentialdiagnose gegenüber dem Schanker und der Tuberkulose Schwierigkeiten machen; von letzterer sind sie manchmal nur bei Ausnutzung aller diagnostischen Hilfsmittel zu trennen. 4. Die sog. Tarsitis syphilitica ist eine gummöse Erkrankung des Tarsus von sehr schleppendem Verlaut; entzündliche Erscheinungen sind gering oder können auch ganz fehlen. Der Zustand kann Ähnlichkeit mit der amyloiden und hyalinen Degenera- tion des Tarsus haben, welche im Anschluß an die gleichartige Erkrankung der Konjunktiva, besonders nach schwerem Trachom, vorkommen. 5. Ein hartnäckiges Lidödem auf syphilitischer Basis wurde bereits beim „Odem" erwähnt. Nicht nur die erworbene, sondern auch die kongenitale Lues kann zu spezifischen Erkrankungen der Lider führen. Die Prognose der syphilitischen Liderkrankungen ist bei richtiger Dia- gnose und entsprechender Therapie günstig, letztere muß natürlich eine spe- zifische sein. Tuberkulose der Lidhaut und des Tarsus kommt sekundär bei Konjunk- tivaltuberkulose vor. In seltenen Fällen kann dabei das klinische Bild des Chala- zions entstehen, das auch experimentell durch Einführung von Tuberkelbazillen in die Blutbahn erzeugt wurde. Lupusknötchen können in den Lidern primär auftreten, häufiger ist aber die lupöse Entzündung eine von der Umgebung fort- geleitete; sie kann zu schweren Störungen sowie Narbenektropien führen. Bei der Lepra ist es besonders die tuberöse Form, welche die Lider befällt. Die Erkrankung beginnt meist an den Augenbrauen und führt zum Verlust der Brauenhaare; die knotigen Infiltrationen der Lider stehen mit denen der Augenbraue in Zusammenhang oder bilden sich mehr isoliert. Sie können zu schweren Geschwürsbildungen und bei der Vernarbung zu hochgradigen Stellungs- anomalien führen. IV. Cysten. Milien und Atherome kommen an den Lidern vor, die ersteren sogar recht häufig. Die Dermoidzysten haben als Prädilektionsstelle die Gegend des äußeren oberen Ürbitalrandes. Hier sind sie unter der Lidhaut als prall elastische Geschwulst zu fühlen. Bei der Operation der- selben findet man sehr häufig, daß sich ein Fortsatz, der mit dem Knochen zusammenhängt, weit in die Orbita verfolgen läßt. Drüsen — Zysten. Zysten der Mollschen modifizierten Schweißdrüsen sitzen meist am Lidrand in der Gegend des inneren Winkels; ihr Inhalt ist in der Regel hell und durchsichtig, während Zysten, die von denZeißschen Haarbalgdrüsen aus- gehen, gewöhnlich einen weißlichen talgartigen, manchmal öligen In- halt aufweisen. Zur Beseitigung dieser Zysten genügt es, ihre vordere Wand anzuschneiden und eine ei te Atzung des Grundes mit dem Lapis mitigatus vorzunehmen. Zysten der Meibomschen Drüsen, wie sie hauptsächlich beim Trachom vorkommen, haben keine klinische Bedeutung und Erkrankungen der Lider. 237 werden im allgemeinen nur bei der anatomischen Untersuchung dia- gnostiziert. V. (Jesc h w ülste. a) Gutartige. Warzen sitzen gewöhnlich in der Gegend der vorderen Lid- kante. DasHauthoni(Uornu cutaneum) ist an den Lidern sehr selten; es stellt eine spitze Hervorragung dar und besteht hauptsächlich aus einer Wucherung der Epidermiszellen mit ungemein starker Ver- hornung, während die Beteiligung des Papillarkörpers sehr zurück- treten kann. Therapie bei Warzen und Hauthörnern: Abtragung mit der Schere und Atzung oder Thermokauterisation des Grundes. Angiome sind wenigstens in ihrer Anlage so gut wie immer an- geboren, wenn auch das stärkere Heranwachsen im extrauterinen Leben zu geschehen pflegt. Man hat zu unterscheiden: 1. Teleangiektasien, die als hellere oder dunklere rote Flecke in der Lidhaut liegen. 2. Tarifen (Tumor vasculosus, Naevus vasculosus). Dieselben stellen bläuliche unter der Haut gelegene, schwammig weiche Tumoren von sehr verschiedener Größe dar, die sich durch Kompression ver- kleinern lassen und häufig das Symptom der Erektilität beim Bücken zeigen. 3. Die kavernösen Angiome im eigentlichen Sinne, die klinisch in manchen Fällen den varikösen Tumoren gleichen, aber das Sym- ptom der Kompressibilität und Erektilität dann nicht zeigen, wenn sie von einer festen Bindegewebskapsel umgeben sind. Die varikösen und nicht abgekapselten kavernösen Tumoren haben die Neigung zu wachsen und sich auf die umgebenden Teile des Gesichtes, sowie auch auf das Orbitalgewebe auszubreiten, darin liegt ihre ernste Bedeutung. Therapie: Teleangiektasien werden am besten mit der galvano- kaustischen Schlinge behandelt, bei größeren Gefäßgeschwülsten kommt die Elektrolyse und die Exstirpation in Betracht. Bei der ersteren werden die beiden Nadeln an gegenüberliegenden Stellen eingestochen und ein Strom von 15—20 M.-A. hindurchgeschickt. Meistens sind mehrere Sitzungen erforderlich. Die Exstirpation führt manchmal zu größeren Blutungen, oft ge- lingt sie aber überraschend gut. Im allgemeinen sollte die Elektro- lyse zuerst versucht werden. Das Lymphangiom ist gleichfalls in seiner Anlage angeboren und hat auch die Neigung zu sehr ausgedehntem Wachstum; es ist identisch mit der sogenannten Elephantiasis congenita. Die Geschwulst wächst aus unscheinbaren Anfängen manchmal zu enormer Größe heran. Sie besteht aus einem Netzwerk von endothelbekleideten Hohl- räumen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind und einer reichlich entwickelten bindegewebigen Stützsubstanz. Die Behandlung kann nur chirurgisch sein. Die Elephantiasis aoquisita beginnt mit erysipelähnlicher Entzündung der Lidhaut, die sich öfters wiederholt und schließlich eine diffuse fibromatöse Ver. 238 E. von Hippel, dickung derselben zurückläßt. Die Ätiologie ist nicht näher bekannt, Traumen werden angeschuldigt. Die Behandlung ist operativ; sie ist angezeigt, wenn die Verdickung zu Sehstörung führt oder aus kosmetischen Rücksichten. Das Eankenneurom (Neurofibroma plexiforme), das, wenn es primär auftritt, immer im oberen Lid sitzt, ist eine sehr seltene angeborene Geschwulst von eigentümlich teigiger Beschaffenheit, in welcher bei genauer Palpation manch- mal eigentümlich gewundene Stränge gefühlt werden können. Der Tumor hat Neigung zu langsamem Wachstum und Übergang auf die Orbita. Manchmal werden die Lider, besonders das untere, erst sekundär von einem in der Schläfengegend beginnenden plexiformen Neurom ergriffen. Anatomisch bestehen die Stränge aus einer fibromatösen Wucherung des Nervenbindegewebes, während im Inneren Nervenfasern verlaufen, die verschiedene Stadien der Degeneration zeigen können. Interessant ist, daß das plexiforme Neurofibrom in einigen Fällen gleich- zeitig mit Buphthalmus derselben Seite beobachtet wurde. Therapie: operative Entfernung der Geschwulst. Das Lipom der Lider ist eine extreme Seltenheit. Das Xanthelasma bildet wenig prominierende, flache, an ihrer ausge- sprochen gelben Farbe kenntliche Flecken, welche einzeln, häufiger multipel vor- kommen, besonders in der Gegend des inneren Lidwinkels; die Größe der einzelnen Flecke ist sehr verschieden. Anatomisch setzt sich der Tumor aus nesterweise angeordneten, mit Fett erfüllten, rundlichen Zellen zusammen, welche als Abkömmlinge von Bindegewebs- zellen angesehen werden. Eine Veranlassung zur Behandlung besteht nur, wenn eine Entfernung aus kosmetischen Gründen gewünscht wird. Der Naevus pigmentosus kommt an den Lidern nur selten zur Beobach- tung; er kann den Ausgangspunkt eines malignen Tumors bilden; das gleiche gilt von den Papillomen. Die Fibrome erfordern nur kurze Erwähnung. Die Adenome, welche von den in den Lidern vorkommenden Drüsen aus- gehen, haben nur ein geringes klinisches Interesse und sind mehr als anatomische Kuriosa zu betrachten. Man hat Adenome der Meibomschen Drüsen (klinisch dem Chalazion gleichend), der Kr aus eschen Schleimdrüsen, sowie der Mol Ischen und Zeissschen Drüsen beschrieben; es ist aber besonders zu betonen, daß von den gleichen Drüsen auch Karzinome ihren Ausgang nehmen können. Die diffe- rentielle Diagnose, ob es sich um ein Adenom oder ein beginnendes Karzinom handelt, kann klinisch unsicher bleiben. Die mit der lymphatischen Leukämie in Zusammenhang stehenden, meist an mehreren oder allen vier Lidern auftretenden Lymphome werden genauer bei den Krankheiten der Orbita besprochen werden, als deren Teilerscheinung sie anzusehen sind ; es sind eigentlich Tumoren des vorderen Teils der Orbita, welche die Lider vordrängen (s. Abschnitt „Orbita"). Maligne Tumoren. Sarkome. Primäre Sarkome sind an den Lidern selten, manchmal handelt es sich um Melanosarkome, die aus einem pigmentierten Nävus hervorgegangen sind. Das Sarkom kann im Anfang Ähnlichkeit mit einem Chalazion aufweisen, das rasche Wachstum und das nach der Exzision bald einsetzende Rezidiv werden die Aufmerksamkeit auf die Bösartigkeit der Geschwulst lenken. Wenn die Diagnose gestellt ist. kommt therapeutisch in erster Linie möglichst ausgiebige Entfernung des Tumors in Betracht. Behandlung mit Röntgen- bezw. Radiumstrahlen war in einigen Fällen erfolgreich. Bei derartigen Bestrahlungen ist aber der Bulbus durch geeignete Metall- platten sorgfältigst zu schützen. Erkrankungen der Lider. 239 Karzinom. Dasselbe ist weitaus die häufigste und wichtigste Lidgeschwulst. Das untere Lid erkrankt viel öfter als das obere, die Gegend des inneren Winkels ist besonders bevorzugt. Die Geschwulst geht entweder vom Lidrand oder von der Lidhaut aus und bildet eine flache höckerige Erhabenheit; allmählich entsteht in den zentralen Teilen ein Geschwür, das ein Schorf deckt. Der Tumor schreitet infiltrierend nach der Tiefe und Fläche fort, oft viel weiter als es die unscheinbare oberflächliche Erkrankung annehmen läßt; dabei kann eine ausgesprochene Ver- kürzung des Lides und Verenge- rung der Lidspalte eintreten. Das Wachstum ist ein sehr langsames und kann sich über viele Jahre erstrecken. In anderen Fällen ist die Neigung zu geschwürigem Zer- fall eine sehr große, so daß das ganze Lid zerstört wird. Der Tumor greift dann auf den Bulbus und auf die Orbita über. Be- merkenswert ist, daß er nur ganz selten ins Innere des Bulbus eindringt, selbst wenn er ihn vollständig eingemauert hat (Fig. 17, 196 und 197). Fig. 196. Karzinom des oberen Fig. 197. Karzinomrezidiv im inneren Lides. Winkel. Anatomisch handelt es sich bei den Lidkarzinomen entweder um Epitheliome mit sehr typischen Hornperlen, oder um Adenokarzi- nome, die von den Liddrüsen ausgehen. Ein Teil der klinisch als Karzinome erscheinenden Tumoren wurde bei der mikroskopischen Untersuchung den Endotheliomen zugezählt. Die Prognose ist bei frühzeitig einsetzender Behandlung eine relativ günstige, da der Verlauf ein langsamer ist und weder Neigung zu Drüsenerkrankung noch Metastasenbildung besteht, indessen treten nicht selten Rezidive auf. Die Therapie ist im allgemeinen eine operative, man hat be- sonders darauf zu achten, möglichst im Gesunden zu operieren. Zur Deckung der Defekte sind plastische Operationen notwendig. In man- chen Fällen gibt die Behandlung mit Röntgen- (und Radium- Fig. 195. Karzinom im inneren Winkel. 240 E. von Hippel, strahlen) ausgezeichnete Erfolge mit viel geringerer Entstellung, als sie eine Blepharoplastik zu bringen pflegt. Wenn die Röntgen- therapie aber nicht bald eine Besserung bringt, so ist die Exzision anzuraten. Fig. 198. Karzinom des oberen und unteren Lides, Übergang eines Tumorknotens auf die Kornea. VI. Terletzungeii der Lider cf. Abschnitt „Verletzungen". VII. Steiluiigsuiiomalien der Lider. Ulepliaropliimosis. Über den äußeren Augenwinkel ist eine vertikale Hautfalte hinübergezogen, wodurch die Lidspalte verengt erscheint, obgleich der äußere Kanthus unter der überhängenden Haut normal ist. In anderen Fällen jedoch ist die Lidspalte wirklich zu eng. Man muß natürlich ausschließen, daß nicht etwa nur ein Krampf des Orbikularis die Lidspalte zusammenzieht. Die Anomalie entsteht entweder als Folge chronischer Konjunk- tivitis mit viel Tränenlaufen, dabei zieht sich die Lidhaut allmählich zusammen und wenn dies vorwiegend in horizontaler Richtung ge- schieht , so wird die angrenzende Schläfenhaut nachgezogen; ferner kommt sie vor bei narbigen Prozessen in der Bindehaut (besonders bei Trachom); in anderen Fällen ist sie angeboren. Eine solche Engigkeit ist besonders schädlich, wenn gleichzeitig Entzündungen der Bindehaut oder der Hornhaut bestehen. Die prall an- liegenden Lider erschweren die Zirkulation, stören Behandlung und Heilung, ganz besonders, wenn sich noch (wie besonders bei Skrofu- lösen) Lidkrampf hinzugesellt. Deshalb ist in vielen derartigen Fällen eine Erweiterung der Lidspalte von großem Nutzen. Erkrankungen der Lider. 241 Ankyloblepharon und Symblepharon. Unter Ankyloblepharon versteht man eine Verwachsung der Ränder des oberen und unteren Lides, die vollständig oder partiell sein kann. Sie ist die Folge von Verätzungen, Verbrennungen oder Geschwürsbildungen gegenüberliegender Stellen des Lidrandes. Fast regelmäßig ist sie verbunden mit Symblepharon verschiedener Aus- dehnung, d. h. mit einer Verwachsung zwischen Conjunctiva bulbi und tarsi (Näheres hierüber unter Krankheiten der Bindehaut). Die Operationen bei Ankyloblepharon und Symblepharon be- zwecken eine Trennung der verwachsenen Flächen und eine über- deckung der Wundflächen mit Schleimhaut, um eine Wieder Verwach- sung zu verhindern. Lagophthalinus. Man versteht darunter den Zustand, daß ein Schluß der Lid- spalte entweder gar nicht oder nur bei heftigem Zukneifen möglich ist. Infolgedessen ist ein mehr oder minder großer Teil der Bulbus- oberfläche beständig der Luft ausgesetzt. Öfters zeigt eine um- schriebene Rötung der Conjunctiva bulbi die Stelle an, welche des Schutzes entbehrt. Der Zustand kommt vor: 1. bei angeborener Kürze der Lider; 2. bei narbiger Verkürzung der Lidhaut aus verschiedener Ursache; 3. bei Ektropium; 4. bei schwer kranken Personen, deren Sen- sibilität herabgesetzt oder deren Sensorium benommen ist; 5. bei hochgradiger Protrusio bulbi (Tumor orbitae, Morb. Basedowii); 6. bei Fazialis- lähmung (L.paralyticus). Fast immer handelt es sich um eine periphere Lähmung (Fig. 19°). Die Folgen der ungenügen- den Bedeckung des Bulbus rich- ten sich nach der Hochgradig- keit der Anomalie: Tränen, Konjunktivitis, Blepharitis ulce- rosa, Keratitis, ja schwere Hornhautgeschwüre mit Verlust des Auges sind zu nennen. Die Prognose richtet sich nach der Ursache und nach der Behandlung. Die letztere hat eine Bedeckung des Bulbus anzustreben und zwar soweit das möglich ist durch Beseitigung der Ursache des Lagophthalmus (plastische Operationen, Behandlung der Fazialisläh- mung etc.). Bis zur wirklichen Heilung ist der Bulbus durch geeignete Verbände zu schützen. Die Annäherung der Lidränder kann durch Pliasterstreifen, im Notfall durch temporäre Vernähung der Lidspalte erreicht werden. Öfters genügt schon eine Verengerung der Lid- Fig. 199. Doppelseitiger Lagophthal durch Fazialislähmung. Versuchter Schluß. mus Lid- 242 E. von Hippel, spalte durch Anfrischung und Naht im temporalen Anteil (Tarso- rhaphie) (cf. S. 184, 185). Blepharospasmus. Als Blepharospasmus wird der Krampf des M. orbicularis be- zeichnet, er kann als klonischer oder tonischer auftreten. Weitaus am häufigsten ist er durch eine schmerzhafte Affektion der Oberfläche des Bulbus bedingt (Fremdkörper unter dem oberen Lid oder auf der Kornea, phlyktänuläre Konjunktivitis kleiner Kinder usw.). In diesen Fällen ist er durch Beseitigung der Ursache schnell zu heilen. Bei dem Blepharospas- mus kleiner Kinder mit phlyktänu- lärer Keratitis ist das wieder- holte Eintauchen des ganzen Ge- sichts in eine Schüssel mit kaltem Wasser ein vorzügliches Mittel. Der Krampf kann auch durch andere Reizzustände im Trigeminus- gebiet ausgelöst werden, so z. B. durch kariöse Zähne oder eine Neuralgie des Trigeminus. Manchmal findet man so- genannte Druckpunkte,d.h. Stellen, von denen aus ein mäßiger Druck sofort den Krampf aufhebt, seltener auslöst, z. B. die Austrittsstellen des Supra- und Infraorbitalis, ein kranker Zahn, Stellen der Nasenschleimhaut, ein Wirbelbogen usw. Extraktion eines kranken Zahnes kann Heilung, subkutane Injektion klei- ner Morphium- oder Kokaindosen an den Austrittsstellen der Nerven vorüber- gehendes Verschwinden des Krampfes Fig. 200. Blepharospasmus scrophulosus. Es scheint, daß ein Orbikulariskrampf auch von weiter entfernten Körper- stellen, z. B. von Genitalerkrankungen ausgelöst weiden kann. Häufig ist eine Ursache nicht nachzuweisen; in anderen Fällen handelt es sich um eine aus- gesprochene Hysterie. Bei der hysterischen Kontraktur kann ein der Ptosis sehr ähnliches Bild entstehen. Beim Versuch, das Lid in die Höhe zu ziehen, findet der Untersucher es aber gespannt, die Augenbraue ist etwas heiab- gezogen und die Stirne in vertikalen Falten (alles im Gegensatz zur schlaffen Ptosis). Der Orbikulariskrampf tritt entweder isoliert oder gleichzeitig mit dem der anderen vom Fazialis versorgten Gesichtsmuskeln auf (Tic. convulsif). Der sogenannte postparalytische Gesichtsmuskelkrampf wird nach zurückgegangenen Fazialislähmungen beobachtet. Die Beteiligung der Lid- muskulatur ist dabei an der leichten Verengerung der Lidspalte zu erkennen. Die Prognose ist beim Blepharospasmus günstig, wenn eine Beseitigung der Ursache möglich ist, sonst stellt er ein sehr hart- näckiges Leiden dar. Therapeutisch kommen Elektrizität in Form des konstanten Stromes, Massage, Nervina in Betracht. Ptosis. Unter Ptosis versteht man das Herabhängen des oberen Lides; von einem eben nachweisbaren Tieferstand bis zu völliger Bedeckung 75 Erkrankungen der Lider. 243 des Bulbus kommen alle Grade vor. Bei stärkerer Ptosis ziehen die Patienten die Stirnhaut in die Höhe und neigen den Kopf nach hinten, um möglichst günstige Verhältnisse für das Sehen zu schaffen. Man kann unterscheiden: 1. Ptosis spastica (siehe Orbikularis- Krampf), 2. Ptosis paralytica, a) durch Lähmung des Levator, b) des sympathisch innervierten glatten Lidmuskels, 3. Pseudoptosis, bedingt durch krankhafte Veränderungen im Lide selbst, wodurch dasselbe schwerer wird, z. B. bei Tumoren. Chalazion, Trachom, Blepharochalasis usw. Auch ein Teil der nach Ver- letzungen entstehenden Fälle von Ptosis beruht auf solchen mechani- schen Momenten. Aus diesem zuletzt angegebenen Grunde ist eine Lähmungs-Ptosis erst zu diagnostizieren, nachdem sorg- fältig auf Entzündungen usw. untersucht ist. Bezüglich der unter 1. und 3. fallenden Krankheitsbilder ist auf die betreffen- den Abschnitte zu verweisen. Die Ptosis sympathica zeigt stets nur geringe bis mittlere Grade und ist meist mit Miosis (die auf Lähmung des Dilatator iridis beruht, s. S. 41) kombiniert (Hornersches Symptom), wozu sich in seltenen Fällen Enophthalmus und Anomalien der Gefäßinnervation und Schweißsekretion der betreffenden Gesichts- hälfte hinzugesellen. Sie ist meistens einseitig. Ursächlich kommen Affektionen, welche einen Druck auf den Sympathikus ausüben können (Struma, Aneurysma, Karies der Wirbel, Verletzungen und Erkrankungen des Halsmarks) in Betracht, meist ist aber keine Ursache zu finden. Eine Behandlung kommt demgemäß nur selten in Betracht. Fig. 201. Ptosis congenita. Fig. 202. Rechtsseitige Ptosis mit charak- teristischer Kontraktion des Frontalis. Die Ptosis durch Levatorlähmung kann angeboren oder er- worben sein. Die angeborenePtosis ist im allgemeinen doppelseitig und von ungefähr gleichem Grade, nicht selten verbunden mit Beschränkung oder Fehlen der Funk- tion der Aufwärtswender. Viel seltener sind gleichzeitig andere angeborene Lähmungen äußerer Augenmuskeln vorhanden (Fig. 201). Ein sehr charakteristisches Bild gibt die mit Epicanthus (s. Mißbildungen) kombinierte doppelseitige, angeborene Ptosis. Bei älteren Personen, besonders Frauen, kommt eine doppelseitige langsam zunehmende (muskuläre) Ptosis als einzige Anomalie ohne Zeichen eines sonstigen Nervenleidens vor. Am häufigsten aber ist die Ptosis Teilerscheinung eines Nervenleidens; sie tritt dann kombiniert mit anderen Augen- 244 E. von Hippel, muskellähmungen oder isoliert auf. Erkrankung des Okulomotorius- stammes, der Wurzelbündel, der Nervenkerne und anscheinend auch der Rinde kann zu Ptosis führen. (Einzelheiten unter Augenmuskel- erkrankungen). Die Prognose richtet sich nach der Ursache. Die Therapie hat bei der erworbenen Ptosis die kausale Indikation zu berück- sichtigen. Erst wenn jede spontane oder medikamentöse Rückbildung ausgeschlossen ist, kommt für diese Form eventuell eine Operation in Betracht. Bei der angeborenen, der isolierten Ptosis älterer Per- sonen, sowie jeder stationär gewordenen kommt aus kosmetischen Gründen oder wegen der Behinderung beim Sehen entweder das Tragen sog. Ptosisbrillen oder die Operation in Betracht. Man wird aber bei der Ptosis congenita im allgemeinen nicht in den ersten Lebensjahren operieren, weil ein Teil des Fehlers sich noch von selbst ausgleichen kann. Bei den Ptosisbrillen schiebt ein dem Brillengestell ange- löteter Metallbügel eine Falte der Lidhaut zwischen Orbitalrand und Bulbus hinein und hebt dadurch das Lid; ähnliche Wirkung kann man mit einem gewöhnlichen Monokel erreichen. Von den vielen gegen Ptosis angegebenen Operationsmethoden bezweckt ein Teil die schon normalerweise vorhandene Wirkung des Musculus frontalis auf das Lid zu verstärken, ein anderer sucht die ungenügende Wirkung des Levators durch seine Verkürzung oder Vorlagerung zu erhöhen. Letztere Verfahren sind natürlich nur bei inkompletter Ptosis am Platze, nicht aber bei völliger Lähmung des Hebers. Ein Beispiel für die erste Gruppe ist die Ptosisoperation nach Hefa: Durch die Braue wird ein Hautschnitt in ganzer Länge derselben geführt; die Haut wird lospräpariert bis dicht zum Lidrand. Dann weiden 3 doppelt armierte Fäden etwa durch die Mitte des Hautstückes gestochen, 1 bis 2 cm oberhalb der Braue nach außen geführt und geknüpft. Schluß der Wunde durch Hautsuturen. Bei dieser Operation wird die Wirkung des Frontalis auf das Lid erhöht, außerdem eine Deckfalte hergestellt durch flächenhafte Verwachsung. Die Fäden müssen möglichst lange (10—14 Tage) liegen bleiben, sonst geht der Effekt zurück. Ein anfänglicher nicht gar zu großer Übereffekt ist unbedenklich. Eine Levator vorn ähung wird z. B. bei der Operation von Evers- busch ausgeführt. Das Lid wird in eine Klemmpinzette gefaßt, ein horizon- taler Schnitt in der Mitte zwischen Braue und Lidrand durch Haut und Muskel geführt, oberer und unterer Wuudrand werden ca. 4 mm zurückpräpariert. Dann werden 3 doppelt armierte Fäden durch die Levatorsehne gestochen, zwischen Knorpel und Muskel nach unten geführt, im freien Lidrand ausgestochen und geknüpft. Hautnähte. Hierbei kommt die Verkürzung des Levators dadurch zu Stande, daß sein Sehnenende in eine Falte gelegt wird, welche mit Knorpel und Muskel, zwischen die sie durch die Fäden gezogen wird, verwächst. Ein besonderes Prinzip hat die Operation von Motais, bei welcher ein aus der Mitte des M. rectus superior ausgeschnittener Muskelstreifen mit dem Lidknorpel zur Verwachsung gebracht wird, so daß bei Hebung des Bulbus zugleich das Lid mit gehoben wird. Es ist also das in der Orthopädie so viel verwendete Prinzip der Sehnenüberpflanzung. Blepharochalasis. Ein der Ptosis bei oberflächlicher Betrachtung ähnlicher Zu- stand ist die sog. Blepharochalasis (Erschlaffung der Lidhaut). Hierbei steht der Lidrand an normaler Stelle, er ist aber überdeckt Erkrankungen der Lider. 245 durch die in Form eines Wulstes herabhängende Deckfalte. Die Haut derselben ist leicht gerötet und öfters von auffallend sichtbaren Venen durchsetzt. Soweit bisher bekannt, können verschiedene Ursachen das Bild der Blepha- rochalasis bedingen: 1. Wenn die Faszienzüge, welche die Haut mit der Levator- ssehne und dem oberen Rande des Tarsus verbinden, nicht straff genug sind, so wird die Haut beim Heben des Lides nicht genügend hinaufgezogen und hängt als schlaffer Beutel herab. 2. Wenn häufige ödematöse Schwellungen des Lides vor- ausgegangen sind, so wird die Haut sehr schlaff, legt sich in feinste Fältchen und es tritt eine Erweiterung der Venen ein. 3. Symmetrische Lipome zwischen Orbikularis und Tarsus können das Bild der Blepharochalasis erzeugen, einmal bedingten symmetrische Fetthernien der Oibita ein ähnliches Bild. Eine Bedeutung hat die Blepharochalasis nur insofern, als die Entstellung, welche sie verursacht, zu Eingriffen führen kann. Handelt es sich nur um Erschlaffung der Haut, so ist eine Operation nach Art der Hotz sehen Entropiumoperation am Platze, eventuelle Lipome sind zu exstirpieren. Entropium und Trichiasis. Diese beiden ihrem Wesen nach verschiedenen Krankheits- prozesse werden hier gemeinsam besprochen, weil sie sehr häufig zu- sammen vorkommen, die gleichen Beschwerden und Folgezustände verursachen und weil viele Operationen gleichzeitig gegen beide ge- richtet sind. „Entropium" ist die Umkippung der freien LidrandHache nach hinten; bei geringen Graden ist die vordere Lidkante noch sichtbar, die Zilien berühren den Bulbus nur bei bestimmten Stellungen des- selben. Bei stärkeren ist der Lidrand durch zusammengeschobene Falten der Lidhaut verdeckt, die Zilien liegen auf der Oberfläche des Bulbus und bei den höchsten Graden ist die Einwärtsrollung der Lidhaut so stark, daß die Wimpern zwischen Bulbus und Lid mit den Spitzen nach dem Ubergangsteil zu geschoben und dadurch un- sichtbar sind. Der Lidrand selbst bleibt aber stets mit dem Bulbus in Berührung und ist niemals eingerollt, der Knorpel niemals um- gedreht. „Trichiasis" ist ein krankhafter Mißwuchs der Wimpern, wobei dieselben abnorm weit nach hinten aus dem Lidrand hervorwachsen oder eine abnorme Richtung nach hinten zeigen; dabei sind sie kurz, pigmentarm. teils dick und borstenartig, teils äußerst fein und schwer sichtbar. Sie stehen entweder regellos oder bilden eine annähernd regelmäßige zweite Reihe, weshalb dieser Zustand auch Distichiasis genannt wurde. Der Ausdruck bleibt aber besser für die angeborene Distichiasis reserviert. Anatomisch handelt es sich bei der Trichiasis teils um seit- liche Sprossenbildung aus normalen Follikeln, teils um Schiefstellung von Haaren infolge narbiger Prozesse oder endlich um echte Neu- bildung von Haaren in der hinteren Lidkante. Die Wesensverschiedenheit von Entropium und Trichiasis geht schon daraus hervor, daß jedes für sich allein vorkommen kann.' Da bei beiden Zuständen Wimperhaare — normale oder krank- haft veränderte bezw. neugebildete — auf der Bulbusoberfläche kratzen, so sind die subjektiven Beschwerden, sowie die Folgezustände die 246 E. von Hipp el, gleichen: Schmerzen, Fremdkörpergefühl, Tränen, Epitheldefekte und Geschwüre der Kornea, Trübungen und Pannus, chronische Ent- zündung der Konjunktiva und des Lidrandes. Auch die Therapie ist größtenteils die gleiche. Die wichtigsten ätiologischenMomente für die Trichiasis und das Narbenentropium (siehe unten) sind Trachom, Diphtherie der Bindehaut, Verbrennungen, Verätzungen. Beim Zustandekommen aller Entropien spielt die Muskulatur eine wichtige Rolle, entweder die alleinige (rein muskuläres Entro- pium bei schlaffen Lidern (im Alter) und Kontraktur des Orbikularis), oder wenigstens eine unterstützende (bei den Narben- en tropien). Da die normalen Lidrandflächen beim Lidschluß genau aufein- ander passen und die tangential wirkenden Kräfte des oberen und unteren Lides einander aufheben, so kann auch bei stärkstem Pressen kein Entropium entstehen. Wenn sich dagegen die Lidrandfläche aus irgend einem Grunde schief stellt, so daß die vordere Kante vor- rückt, die hintere mit der Bulbusoberfläche einen spitzen Winkel bildet, so können die der Lidspalte am nächsten befindlichen Bündel der Lidportion die vordere Lidkante gegen den Bulbus ziehen und damit die Lidrandfläche umkippen. Die Schiefstellung der Lidrandfiäche ihrerseits wird begünstigt durch Erschlaffung der Lidhaut und des Septum orbitale, durch geringe Steifheit des Knorpels, durch Abdrängung des konvexen Knorpelrandes vom Bulbus, endlich durch Mangel der normalen Unterlage, wie sie durch besonders tiefe Lage des Bulbus, Eröffnung desselben bei Verletzungen und Operationen oder durch Fehlen des- selben bedingt wird. Bei Vorhandensein eines dieser disponierenden Momente begünstigt ein Druck auf den freien Lidrand, wie er z. B. durch Verbände ausgeübt wird, sowie jeder Reiz, der zu Blepharo- spasmus führt, die Entstehung von Entropium. Die Schlaffheit der Lider und die tiefere Lage des Bulbus findet man nun oft bei alten Leuten, weshalb das spastische senile Entropium am unteren Lid wie es spontan oder unter dem Verband (z. B. nach Staroperation) auftritt, die häufigste Form des rein muskulären Entropiums darstellt. Bei kleinen Kindern mit Keratokonjunktiyitis kommt es ebenfalls vor, wenn die hochgradige Schwellung der Übergangsfalte den konvexen Knorpelrand vom Bulbus abdrängt. Eine Schiefstellung des Lidrandes kann aber auch durch Narbenzug in derhinterenLidplatte (Knorpel, Konjunktiva) herbeigeführt werden. Ist die Schrumpfung stark genug, so kann die vordere Lidkante ohne Mitwirkung der Muskulatur bis gegen den Bulbus gezogen werden. Die Zusammenziehung des Orbikularis führt dann noch zu einer Steigerung des Zustandes, sie spielt also hier eine sekundäre Rolle. Es ist ferner zu beachten, daß bei den hier in Betracht kommenden Fällen der Lidrand selbst durch chronisch entzündliche Prozesse mehr oder weniger stark deformiert zu sein pflegt, die Lidkanten sind „abgeschliffen"'. Der Unterschied zwischen dem rein muskulären und dem Narbenentropium ist leicht daran zu erkennen, daß bei ersterem ein einfacher Zug in vertikaler Richtung genügt die Stellung — wenn Erkrankungen der Lider. 247 auch nur vorübergehend — zur Norm zurückzuführen, beim Narben- entropium aber nicht. Die Prognose ist bei längerem Bestehen von Entropium und Trichiasis für das Auge ungünstig, weil sie zu Hornhautentzündungen mit ihren Folgen führen. Die Behandlung ist abgesehen von partieller Trichiasis, wo man sich mit wiederholter Epilation oder elektrolytischer Zerstörung der Zilien begnügen kann, eine operative. Die Wirkung der Opera- tionen beruht auf Verminderung der Spannung der Muskulatur, auf Zug in vertikaler Richtung und auf Korrektur der fehlerhaften Form des Lidrandes. Nur einige der vielen vorgeschlagenen Operationen können hier Erwähnung finden. Bei rein muskulärem (Sclilaffheits- oder spastischem) Entropium: 1. Exzision einer horizontalen Hautfalte, die nicht zu breit sein darf, damit nicht Ektropium entsteht. 2. Nach Anlegung eines Hautschnittes wird die dem Lidrand am nächsten gelegene Muskulatur exzidiert und die Haut wieder vernäht. 3. Fadenoperationen a) nach Gaillard - Arlt: 2 oder 3 doppelt armierte Fäden werden 3 mm unter- halb des Lidrandes durch die Basis einer emporgehobenen Hautfalte gestochen und geknüpft. (Wirkung vorübergehend, des- halb nur bei vorübergehender Ursache des E. anzuwenden). (Fig. 203.) b) Naht nach Sn eilen: 3 doppelt armierte Fäden werden von der Über- gangsfalte des Konjunktivalsacks her durch die Lidhaut gestochen, die Nadeln an den Ausstichstellen wieder eingeführt und subkutan bis in die Nähe des freien Lidrandes geführt, hier ausgestochen und geknüpft. Der Lidrand wird dabei nach unten gezogen, die Fläche des Tarsus nach hinten gedrückt. Bei narbigem und mit Trichia- sis kombiniertem Entropium kommen eingreifendere Operationen in Betracht. Der Intermarginalschnitt wird bei einer Reihe derselben angewandt. Er spaltet das Lid in eine vordere (Haut, Muskel) und eine hintere (Knorpel, Konjunktiva) Platte. Zur Ausführung wird eine Lidplatte unter das Lid ge- schoben, das Lid gegen dieselbe angedrückt und dann mit einer Lanze oder einem spitzen Skalpell die Spaltung in der ganzen Länge des Lidrandes bis zu der er- forderlichen Tiefe vorgenommen. Fig. 203. Fadenoperation von Gail- lard-Arlt. Lage der Fäden vor ihrer Knüpfung und nach Verstreichung der Hautfalte, um die Entfernung der Ein und Ausstichpunkte von einander undvom Lidrande zu zeigen (nach Czermak). Fig.204. Wagrechte Blepharotomie (Kanthoplastik nach v. Amnion). Fig. 205. Wagrechte Blepharotomie. 248 E. von H ippel, Oft ist wegen gleichzeitig vorhandenem Ankyloblepharon im temporalen Winkel, welches die Einwärtswendung verstärkt, die Lidspaltenerweiterung (Canthoplastik) notwendig: Mit einer geraden Schere, deren eine Branche in den Konjunktivalsack eingeführt wird, spaltet man die äußere Kommissur, die etwas abgelöste Konjunktiva wird in die Wundflächen eingenäht (Fig. 204 u. 205). Eine viel verwendete Operation gegen Entropium und Trichiasis ist die Hotz sehe: Hautschnitt durch das auf eine Lidplatte gelagerte Lid entsprechend dem konvexen Knorpelrand, Exzision eines 3 mm breiten Muskelstreifens. Wenn Fig. 206. Trichiasisoperation von Hotz. Fig. 207. Abtragung des Zilienbodens Die punktierten Teile der Fäden laufen nach Flar er-Stell wag. unter der Aponeurose durch den oberen Knorpelrand u. d. Fascia tarsoorbitalis. genügend Haut vorhanden ist, wird besser ein Streifen derselben mit fortge- noramen. Der obere Knorpelrand wird durch flache Messerzüge frei gelegt. Dann 3 Nähte durch unteren Wundrand, den oberen Knorpelrand, eventuell noch durch die Fascia tarsoorbitalis, Ausstich durch den oberen Wundrand. Dabei wird die Lidhaut zur Verwachsung mit dem oberen Knorpelrand gebracht und so ein Zug auf die vordere Lidkante ausgeübt (Fig. 206). Eine Reihe von Operationen bewirkt eine Verlagerung des AVimpern- bodens: Fig.208. Schnittlinien für die Vcrschie- Fig. 209. Operation von Jäsche-Arlt- bung des Wimporbodens nach J äs che- Waldhauer. Wunde der Lid haut ver- Arlt-Waldhauer. 1. Intermarginal- näht, Hautläppchen in die intermarginale schnitt. 2. dem Lidrande paralleler Haut- Wundfläche eingepflanzt. schnitt. 3. Bogenschnitt. Haut zwischen 2 und 3 abpräpariert. Intermarginalschnitt, die Enden derselben werden durch einen bogenförmigen Hautschnitt verbunden, der so umschriebene Lappen wird abgetragen und der Defekt der Vernarbung überlassen (Flarer) oder der Lappen wird, um 180° ge- dreht, wieder zur Anheilung gebracht (S t eil wag) (Fig. 207). Bessere Ergebnisse haben die Operationen, bei welchen in die Wundfläche, die der Inter- marginalschnitt setzt, ein gestielter oder ungestielter Hautlappen (aus dem Lid selbst oder der Stirn) oder ein Schleimhautlappen (Mund, Vagina) ein- gepflanzt wird. Es sind also Lidiamlplastiken (Fig. 208 u. 209). Erkrankungen des Lider. 249 Schließlich kann die Auswärtskehrung des Lidrandes dadurch erreicht werden, daß man einen keilförmigen Streifen aus dem Knorpel aus- schneidet, dessen Basis nach vorn, dessen Kante nach hinten gerichtet ist (Snellen). Ektropium. Unter Ektropium versteht man eine Umkehrung des Lides nach vorne, so daß die Schleimhaut oder ein Teil derselben freiliegt. Der Lid- rand, oft auch der Knorpel, sind dabei durch Dehnung verlängert, die Tränenableitung gestört, die Schleimhaut verschieden stark ent- zündet. Die Lidhaut ist von der umgekrämpten hinteren Lidplatte weg nach der Peripherie verzogen und liegt bei den höchsten Graden von Ektropium mit ihr in einer Ebene. Die Muskula- tur ist meist ausgesprochen schlaff, beim Knorpel hängt es von seiner Steifheit ab, ob er allmählich umgebogen oder mehr plötzlich herum- gedreht wird. Ätiologie: Mecha- nisch kann Ektropium herbei- geführt werden, sofern eine gewisse Dehnbarkeit des Lid- randes besteht: 1. durch Zug in der Fig 210. Narbenektropium nach multipler vorderen Lidplatte, wie Hautgangrän. er durch Narben, besonders durch dem Knochen adhärente, nach Karies des Orbitalrandes, durch Verkürzung der Lidhaut bei chronischerBlepharitis und Ekzem, Lupus, oder bei Durchtrennungen des Lidrandes, wo der Muskelzug ein Fig. 211. Ektropium bei altem Lupus Faciei. dreieckiges Klaffen der Wundränder bewirkt, ausgeübt werden kann (Fig. 210 und 211); 2. durch eine ausgesprochene Erschlaffung- des Lidrandes, welche die Haut, die Muskulatur und manchmal auch den Knorpel betrifft. Fazialislähmung (Ectropium paralyticum), chronische Blepharo- konjunktivitis, Trachom und senile Beschaffenheit der Gewebe sind hier zu nennen; 250 E. von H ippel, 3. in selteneren Fällen durch Schiefstellung des Knorpels, herbeigeführt ent- weder durch nach vorne gerichteten Druck auf die hintere Kante des freien Lid- randes oder durch Einwirkung auf den konvexen Knorpelrand, welcher durch Zug von innen oder Druck von außen gegen die Lidspalte'gedrängt wird. Ekta- sien des vorderen Bulbusabschnittes, Exophthalmus, Bindehaut- und Knorpelge- schwülste, sowie hochgradige wulstige Schwellung der Konjunktiva, welche sich zwischen den Bulbus und den Lidrand eindrängt, können diese Wirkung her- vorbringen. Die Muskulatur spielt beim Narbenektropium keine und beim Ectropium paralyticum keine aktive Rolle. In anderen Fällen steigert sie das Ektropium oder modifiziert es in charakteristischer Weise. Dies gilt z. B. ganz besonders für das akut entstehende Ektropium kleiner Kinder mit Blepharospasmus und hochgradiger Schwellung der Bindehaut: ein Wulst derselben drängt sich zwischen Lidrand und Bulbus, der Lidrand wird dadurch nach vorne, der konvexe Knorpel- rand nach hinten gedrückt; setzt jetzt der Blepharospasmus ein, so wird durch den Druck, welchen die peripheren Bündel der Lidportion auf den Rand des Knorpels ausüben, dieser plötzlich gegen die Lidspalte gedrängt und der ganze Knorpel umgedreht. Nach Art der Paraphimose wird der Schleimhautwulst ab- geschnürt und schwillt durch venöse Stauung weiter an, die blauroten Wülste ragen aus der Lidspalte. Allen Ektropien gemeinsam ist die gestörte Tränenableitung, die überlaufenden Tränen unterhalten die Entzündung des Lidrandes und das hierdurch ausgelöste Wischen erfolgt regelmäßig von oben nach unten und steigert die Auswärtswendung des unteren Lides. Die Prognose ist je nach der Hochgradigkeit und der Ursache durchaus verschieden; geringe Ektropien sind nahezu belanglos, bei schweren Narbenektropien kann dagegen der Lidschluß unmöglich werden und der Bulbus durch fehlende Bedeckung zugrunde gehen. Eine rechtzeitige und zweckmäßige Therapie vermag meistens Heilung herbeizuführen. Wo Tumoren der Konjunktiva oder des Knorpels, hochgradige Schwellung der Konjunktiva oder Ver- größerung des Bulbus (Staphylom etc.) die Ursache ist, kann mit Beseitigung derselben das Ektropium zugleich schwinden, wenn nicht durch zu langes Bestehen schon eine Erschlaffung und Verlängerung des Lides eingetreten ist. Das spastische Ektropium ist durch Reposition und Verband zu behandeln; gelingt die Beseitigung damit nicht, so ist die Kommissur zu spalten. Manchmal genügt auch das Eintauchen des Gesichtes in kaltes Wasser oder eine Anämisierung der Schleimhaut durch Neben- nierenpräparate. Beim Ektropium paralyticum ist die Fazialislähmung zu be- handeln. Fig. 213. Vernähte Wunde nach der Blepharorrhaphie von Fuchs (nach Czermak). Fig. 212. Blepharorrhaphie nach Fuchs mit eingelegtem Faden. Erkrankungen der Lider. 2öl Die Mehrzahl der Ektropien erfordert operative Beseiti- gung. Bei den leichtesten Graden (Eversion des Tränenpunktes)Jcann Schlitzen des unteren Röhrchens genügen. Bei partiellen Ektropien kann Snellensche Naht (Fig. 214) oder die Blepharorrhaphie (Fig. 215) erfolgreiche Verwendung finden; die Abbildungen ersetzen eine Beschreibung. Fig. 214. Snellensche Sutur bei Ektropium. Fig. 215. Ektropiumoperation von Szy- manowski ade. Hautdreieck, das ausgeschnitten wird; ab zu entfernende Strecke der vorderen Lidkante. Die eigentlichen Ektropiumoperationen haben also je nach der Lage des Falles die Verlängerung oder Erschlaffung des Lidrandes, den Zug in der Lidhaut oder Narbenstränge zu beseitigen, ferner den Knorpel durch Zug oder Druck einwärts zu kehren. Fig. 216. Ektropiumoperation nach Kuhnt-Müller. Fig. 217. Ektropiumoperation nach Kuhnt-Müller. Vernähte Wunde. 1. Operationen gegen Schlaff heits-Ektropium. Operation von Dieffenbach: Hautschnitt in der Verlängerung der Lidspalte, von ihm nach unten zwei konvergierende Schnitte, Exzision des Dreiecks, Abtragung des Lidrandes auf etwa 5 mm, Unterminierung der Haut, Vernähung der Wundränder. Das Lid wird verkürzt und ein Zug in horizontaler Richtung ausgeübt, Bei der Operation von Szymanowski wird daneben noch eine Hebung des unteren Lides erreicht. 252 E. von Hippel, Kuhnts Operation: Intermarginalschnitt. Aus dem Knorpel und der Konjunktiva wird ein Dreieck ausgeschnitten, dessen Basis im Lidrand, dessen Spitze am Anfang der Übergangsfalte liegt. Knorpel-Nähte. Damit die Haut sich nicht wulstet, wird sie eine Strecke weit abgelöst, die Nähte etwas schräg angelegt (Müller). (Fig. 216 und 217). ^2S Fig. 218. Lidplastik nach Fr icke. I Lappen, d Defekt, a Abklatsch aus Guttaperchapapier. Fis 219. Plastik nach Fricke wegen Karzinom des oberen Lides. 2. Operation des Narbenektropiums. Bei den Narbenektropien kann nur selten durch subkutane Durch- trennung der Stränge oder durch Exzision der Narbe mit Verschiebung der an- grenzenden Haut Heilung erzielt werden, meist sind plastische Operationen zur Deckung des Defektes nötig. Die Lidspalte wird dabei am besten tem- porär vernäht. Die Deckung kann mit gestielten Hautlappen aus der Nachbav- Fig. 220. Narbenektropium nach Ver- Fig. 221. Dasselbe nach plastischer brennung. Operation. Erkrankungen der Lider. 253 schaft oder durch Pfropfung ungestielter Lappen von beliebiger Stelle gemacht werden. Wo es irgend möglich ist, soll man gestielte Lappen benutzen, da die Dauererfolge viel bessere sind als bei der Pfropfung. Der gestielte Lappen muß stets um ein Drittel größer sein als die zu deckende Fläche, da er sich nach der Ablösung zusammenzieht. Als Beispiel für dieses Operationsverfahren sei das Fr icke sehe angeführt. Die Abbildung ersetzt die Beschreibung. (Fig. 218 und 219). Bei der Pfropfung wird entweder die ganze Haut nach sorgfältiger Ent- fernung des Fettgewebes oder die Epidermis mit den Papillenspitzen benutzt. Die Innenseite des Armes oder Oberschenkels eignet sich am besten. Die oft hochgradige Schrumpfung der Lappen stellt den Dauererfolg in Frage. Lehrbuch der Augenheilkunde. 15 Erkrankungen der Tränen organe. Von Professor O. Schirmer, Straßburg. Anatomische und physiologische Vorbemerkungen. Die Tränenorgane bestehen aus zwei räumlich und funktionell durchaus getrennten Abteilungen, aus dem tränenabsondernden und dem tränen- abführenden Apparat. Der tränenabsondernde Apparat besteht im wesentlichen aus den beiden Tränendrüsen, der größeren orbitalen und der kleineren palpe- bralen. Die erstere, etwa von der Größe einer geschälten Mandel und durch eine Kapsel scharf gegen die Umgebung abgesetzt, liegt hinter dem lateralen Ende des äußeren Orbitalrandes in der Fossa glandulae lacrimalis dicht unter der Peri- orbita. Zwischen ihr und dem äußeren Teil des oberen Fornix conjunctivae liegt die palpebrale Drüse, ein Konglomerat unregelmäßig im Bindegewebe zerstreuter Drüsenläppchen, die sich hier um die Ausführungsgänge der orbitalen Drüse gruppieren. Beide Drüsen sind im normalen Zustande weder sichtbar noch pal- pierbar. Wenn man aber bei umgeklapptem, oberem Lide mit einem Glasstäbchen die Übergangsfalte vordrängt, so sieht man temporal die palpebrale Drüse die Schleimhaut vorwölben. Eine Reihe kleinster akzessorischer Drüsen (Krausesche, Sappeysche Drüsen) von Tränendrüsenstruktur liegen spärlich verstreut im oberen und unteren Fornix. Sämtliche Tränendrüsen sind tubulöse Drüsen. Auf der Basalmembran der Schläuche sitzt eine einfache Lage hoher Zylinderzellen, die eigentlichen Drüsenzellen, welche bei ihrer Funktion ähnliche Formveränderungen durchmachen, wie sie für die Speicheldrüsen zuerst von Heidenhain beschrieben sind. — Ihre Nerven erhalten die Drüsen vom ersten und zweiten Trigeminusast durch den N. lacrimalis und subcutaneus malae. Die Nervenfasern treten jedoch erst ganz peripher in den Trigeminus ein, und zwar kommen sie durch den N. petrosus superficialis major und das Ganglion sphenopalatinum vom Fazialis her, in dessen Stamm sie bis zum Eintritt ins Gehirn verfolgt werden können. Ihr Zentrum ist jedoch wahrscheinlich nicht der Facialis-, sondern der Glosso- pharyngeuskern, von welchem sie durch die Portio intermedia Wrisbergs sich dem Fazialisstamm beigesellen. Lähmungen des Fazialis oberhalb des Ganglion geni- culi haben deshalb regelmäßig ein Versiegen der Tränenabsonderung zur Folge. Dasselbe macht sich jedoch nur beim psychischen Weinen und beim reflektori- schen Tränen bemerkbar; die gewöhnliche Befeuchtung des Bindehautsackes leidet Erkrankungen der Tränenorgane. nicht dabei, es entsteht auch kein Gefühl der Trockenheit, weil die Bindehaut durch eigene Absonderung sich feucht erhält. Die Tränendrüse sezerniert erstens bei direkter Innervation — psy- chisches Weinen, dasselbe fehlt bei Neugeborenen im ersten Monat — und zweitens bei reflektorischer Innervation vom Trigeminus — Oberfläche, des Auges und Umgebung, Nasenscbleimhaut — und bei greller Beleuchtung vom Opticus aus — reflektorisches Tränen. Bei Abhaltung äußerer Reize werden wenig mehr Tränen abgesondert, als durch Verdunstung wieder verschwinden. Die täg- liche Menge beträgt 0,5—0,6 g in 16 Stunden Wachens; im Schlaf sistiert die Absonderung voll- ständig, wie dies auch bei anderen Drüsen der Fall ist. — Die Tränen sind eine wasserklare, leicht alkalische Flüssigkeit, welche als wesentlichsten Bestandteil gegen 1 °/o Kochsalz ent- hält. d- \ '\ Der Tränen- abfuhrweg, ein- facher Tränen - schlauch genannt, beginnt im inneren Lidwinkel mit den Tränenpünkt- chen; dieselben se- hen nach hinten, sollen also nicht sichtbar sein, ohne daß man die Lider evertiert. Hier sind die Mündungen der beiden Tränen- röhrchen, welche zunächst eine ganz kurze Strecke senk- recht auf den Lid- rand nach oben, resp. nach unten verlaufen —wichtig für dieEin- führung des Tiänen- messerchens — dann unter rechtem Win- kel nasenwärts umbiegen und fast horizontal, leicht konvergierend zum Tränensack verlaufen; in diesen oder in eine röhrenförmige Ausstülpung desselben — Mün- dungsstück — münden sie getrennt ein. Sie tragen geschichtetes Pflasterepithel und sind von dichten Netzen elastischer Fasern, sowie von zahlreichen Muskel- bündeln umgeben. Letztere verlaufen dem horizontalen Schenkel parallel und umgeben den vertikalen und das Tränenpünktchen ringförmig. Dieser Sphincter puneti lacrimalis vermag das Lumen völlig zu komprimieren. — Tränensack und Tränennasengang stellen eine anatomische Einheit dar und bilden einen ge- raden Schlauch, der von oben nach unten, nach hinten und meist ein wenig nach außen läuft; er mündet unterhalb der unteren Nasenmuschel. Das Lumen dieses Schlauches ist im Normalzustände auf einen kapillaren Spalt reduziert. Seine Fig. 222. Tränen abführender Apparat. (Nach einem Präparat des Greifswalder anatomischen Instituts gezeichnet.) a Tränenpünktchen, b Tränenröhrchen mit seinem recht- winkeligen Knick, c gemeinsames Mündungsstück, d Trä- nensack, der hinter dem unteren Orbitalrand in den Tränennasengang e mündet. Um letzteren sichtbar zu machen, ist ein Fenster in den Oberkiefer gemeißelt. 15* 256 0. Schirmer, Wand besteht aus der derben, von zahlreichen Gefäßen, besonders Venen durch- zogenen Submukosa, der adenoiden Mukosa und einem zweischichtigen Epithel. Der Hauptunterschied zwischen Sack und Nasengang liegt in der Knochenein- fassung. Während der Nasengang völlig in einer knöchernen Röhre eingeschlossen ist, liegt der Sack nur mit seiner nasalen und hinteren Wand dem Knochen an, nämlich dem Sulcus lacrimalis des Tränenbeins. Seine vordere und temporale Wand liegen frei und enthalten weit weniger Gefäße, aber große Mengen elasti- schen Gewebes. Seine vordere Wand ist außerdem mit dem über sie hinweg zur Crista lacrimalis anterior ziehenden inneien Lidbande fest verwachsen, so daß sie dessen Bewegungen folgen muß. Diese anatomischen Verhältnisse bedingen es, daß Ektasien sich ausschließlich im Sack, Strikturen ausschließlich im Nasen- gang finden. Die Tränen sammeln sich im Bindehautsack durch ihre Schwere und wegen des elastischen Druckes der Lider auf dem intet marginalen Teil des unteren Lides und im Tränensee, in den die Tränenpünktchen eintauchen. Von hier saugt sie der Tränensack in sich hinein. Beim Lidschlag nämlich, jener leichten zuckenden Bewegung beider Lider, die meist unter der Schwelle des Bewußtseins verläuft und den Zweck hat, die Hornhaut ständig zu befeuchten, zieht der M. orbicularis seinen Insertionspunkt, das innere Lidband ein wenig nach vorn, und die fest mit ihm verbundene, vordere Wand des Tränensacks muß folgen. Hier- durch erweitert sich das kapillare Lumen des Sackes etwas und saugt Flüssig- keit in sich ein. Aus dem Tränennasengang kann dies nicht geschehen, da der Schleimüberzug seiner nasalen Mündung ein absolutes Hindernis bildet; so bleiben hierfür nur die Tränenröhrchen und der Tränensee. Läßt im nächsten Moment die Orbikulariskontraktion nach, so ziehen sich die Wandungen des Sackes durch ihre eigene Elastizität und die des Lidbandes wieder zusammen, und sein Inhalt muß entweichen. Dies geschieht nach der Nase hin, weil der Tränennasengang viel weiter ist, und der erwähnte Schleimüberzug einem Flüssigkeitsaustritt kein Hindernis bietet. Nun sondern, wie oben auseinandergesetzt, die Tränendrüsen beständig etwas mehr Flüssigkeit ab, als durch Verdunstung von der Bulbusoberfläche wieder verschwinden kann. Es wird also durch den eben geschilderten Mechanismus beständig eine Flüssigkeitssäule herabrücken, deren Bewegung allerdings sehr lang- sam ist (etwa 1 mm in der Minute). Treffen psychische oder reflektorische Reize die Drüse, so nimmt, entsprechend der vermehrten Absonderung auch die Abflufi- geschwindigkeit zu. Steigt die Tränensekretion noch mehr, so reicht der Abfuhr- mechanismus nicht mehr aus, die Tränen fließen über die Backen hinab. Der Lidschlag ist zugleich das einzige tränenabführende Moment. Weder der seit alteis dafür in Anspruch genommenen Schwerkraft, noch dem Lidschluß kommt eine solche Wirkung zu. Wir wissen auch aus eigener Erfahrung, daß man, um den gefüllten Konjunktivalsack zu entleeren, zahlreiche Lidschläge kurz nacheinander macht. Ist der M. orbicularis gelähmt — Fazialis- lähmung — oder tauchen die Tränenpünktchen nicht in den Tränensack ein — Eversion der Pünktchen — so ist Tränenabfuhr unmöglich, und es entsteht Tränenträufeln (Epiphora). I. Strönmngshindernisse im Tränensclilaucli. Die gemeinsame Folge von Strömlingshindernissen im Tränen- schlauch ist das Tränenträufeln, Epiphora {e.ruftQsodat, los- stürzen) oder Illacrymatio; es ist zugleich das lästigste Symptom der- selben, das Symptom, welches den Kranken gewöhnlieh zum Arzt treibt. Da die Tränendrüse beständig, wenn auch nur in geringer Quantität absondert, so muß eine Behinderung des Abflusses die Tränen im Bindehautsack anstauen. Sie sammeln sich hier auf dem Erkrankungen der Tränenorgane. 257 intermarginalen Teil des unteren Lides und im Tränensee an. Man erkennt dies an einer glänzenden Reflexlinie zwischen Unterlid und Bulbus, der sogenannten Tränenlinie. Diese verbreitert sich mehr und mehr, bis das untere Lid die Flüssigkeitsmenge nicht mehr zu tragen vermag; eine Träne fließt herunter und zwar gewöhnlich in der Mitte des unteren Lides. Wie schnell dies geschieht, hängt im wesentlichen davon ab, ob die Tränendrüse mehr oder minder stark reflektorisch gereizt wird. Die Epiphora wird deshalb in Wind und kaltem Wetter stärker sein, als im Zimmer; sie nimmt zu bei An- strengung der Augen mit Naharbeit. Während beim ruhigen Sitzen im Zimmer bis zwei Stunden vergehen können, ehe eine Träne herab- fließt, kann dies im Wind jede Minute geschehen. Aber es ist weniger das Herabfließen, was der Patient so lästig empfindet, als vielmehr das Gefühl einer Flüssigkeitsansammlung auf dem unteren Lid. Ge- fahren sind mit dem Tränenträufeln im allgemeinen nicht verknüpft; höchstens kann bei alten Leuten durch das beständige Abwischen der Tränen ein Ektropium des unteren Lides entstehen. Um diesem vorzubeugen, soll man solchen Patienten raten, sich die Tränen stets nach der Nase zu abzuwischen, nicht, wie man gewohnt ist, von der Nase fort. Kommt ein Patient w e g e n Tränenträufeliis zu uns, so müssen wir zuerst feststellen, ob ein Reiz- oder Entzündungszustand der Augen besteht, welcher die Tränendrüse reflektorisch reizen könnte. Besonders skrofulöse Konjunktivitiden und Keratitiden, aber auch andere Entzündungen dieser beiden Membranen, sowie der Iris sind in hohem Grade hierzu geeignet. Sind die Augen völlig reizfrei, so besteht ein Abfuhrhemmnis. Dasselbe kann in den Tiänenpunkten, den Tränenröhrchen oder im Tränennasengang seinen Sitz haben. Aber auch bei intaktem Verhalten aller dieser Teile kann eine Lähmung des Orbikularis Epiphora herbeiführen, indem sie den Lidschlag und damit die Aspiration der Tränen in den Sack unmöglich macht. Hierauf beruht das Tränenträufeln, das man regelmäßig bei kompletter Fazialislähmung findet. Auch in den Fällen, wo gleichzeitig die Tränendrüse gelähmt ist — Sitz der Lähmung am Ganglion geniculi oder oberhalb desselben — schwimmt das Auge beständig in Tränen, da die allerdings geringfügige Absonde- rung der Bindehaut sich auf dem unteren Lide ansammelt; zum Überfließen von Tränen kommt es unter diesen Umständen ge- wöhnlich nicht. Den Nachweis, daß der Tränenschlauch durchgängig ist, erbringt man durch Durchspritzen vom unteren Pünktchen, das unter nor- malen Verhältnissen ohne Schwierigkeit gelingt. Der Nachweis, daß der Abfuhrmechanismus auch funktioniert, wird dadurch geführt, daß man gefärbte Flüssigkeit (z. B. Fluorescin-Natrium in 1 %iger Lösung) im Überschuß in den Bindehautsack tropft. Dieselbe muß normaler- weise nach einigen Minuten in der Nase erscheinen und sich durch Schneuzen in einen Wattebausch zum Vorschein bringen lassen. a) K version der Tränenpünktchen. Sitzt das Abfuhrhemmnis an den Tränenpunkten, so handelt es sich gewöhnlich um eine Eversion derselben, wie wir sie in 258 0. S c h i r m e r, allen, auch den leichtesten Fällen von Ektropium, allerdings nur am unteren Lide, haben. Bei alten Leuten kommt diese Eversion relativ häufig dadurch zustande, daß die kleinen Papillen, auf welchen die Tränenpunkte sitzen, in die Länge wachsen und zitzenartig hervor- ragen. Hierbei verlieren die Pünktchen ihre normale Stellung, sie liegen nicht mehr dem Bulbus an, sondern stehen gerade nach oben, resp. unten. Sie tauchen also, ebenso wie bei Eversion, nicht mehr in den Tränensee ein, und können ihn deshalb auch nicht ableiten. Neben diesen Stellungsanomalien kommt in seltenen Fällen abnorme Enge der Pünktchen vor, selbst völlige Atresie findet sich als kon- genitaler Fehler. — In allen diesen Fällen stellt man die normale Abfuhr wieder her, indem man die Röhrchen schlitzt (Technik p. 263), wobei besonders darauf zu achten ist, daß der Schlitz wirklich dem Bulbus anliegt. Da seine Wundränder große Neigung haben, wieder miteinander zu verkleben, muß man sie an den nächsten Tagen stumpf aufreißen, bis sie von den Seiten her epithelisiert sind. Die Tränen- abfuhr geht dann durch diese Röhrchen nicht merklich langsamer vor sich, als durch die Pünktchen. — Anhangsweise sei bemerkt, daß ebenso wie Atresie auch Verdoppelung der Tränenpünktchen als angeborener Fehler vorkommt. Sie verursacht keine Störungen und wird deshalb meist nur zufällig entdeckt. b) Konkremente in den Tränenröhrchen. Die einzige und recht seltene Erkrankung der Tränenröhrchen ist die Bildung von harten, krümeligen Konkrementen in ihnen. Die- selben bestehen aus zusammengeballten Pilzmassen, und zwar aus ver- schiedenen Streptothrixarten; die Behauptung mancher Autoren, es handle sich um den Actinomyces bovis seu hominis ist nv,ch unbe- wiesen und unwahrscheinlich. Diese Pilzkonkremente rufen eine Ektasie des Röhrchens und Eiterung in demselben hervor; sie werden durch Schlitzung entfernt, worauf die AfTektion ohne Schwierigkeit ausheilt. e) Strukturen im Tränennasengang. Am häufigsten ist die Leitung im Tränenschlauch unterhalb des Tränensackes unterbrochen. Hier finden sich im Tränennasengang, teils an seinem Übergang in den Tränensack, häufiger an seiner Mündung gegen die Nase hin, jene Strikturen, welche wir später als die gewöhnlichen Vorläufer des Tränensackkatarrhs kennen lernen werden. Die Diagnose dieser Strikturen geschieht im allgemeinen per exclusionem. Besteht Tränen träufeln und können wir Anomalien der Pünktchen und Röhrchen durch Inspektion, des Tränensackes durch Fingerdruck auf denselben ausschließen, so bleibt nur die Annahme einer Striktur im Nasengang übrig. Ob dieselbe eine absolute ist, kann man feststellen, indem man mit einer kleinen Spritze vom unteren Tränenpunkt Flüssigkeit in die Nase zu spritzen versucht. Gelingt dies nicht, so ist damit die Striktur sichergestellt. Aber selbst, wenn dies gelingt, kann eine Striktur mit unvollständigem Verschluß be- stehen und die Tränenableitung so verlangsamen, daß die Patienten, zumal im Freien, durch lästige Epiphora geplagt werden. Die Ursache dieser Strikturen sind Erkrankungen der Nasenschleim- haut, welche sich kontinuierlich auf die Schleimhaut des Tränennasenganges Erkrankungen der Tränenorgane. 259 fortsetzen. Dieselbe wird also bei der Rhinitis hypertrophicans anschwellen und dadurch die Passage verlegen; bei der Rhinitis atrophicans schrumpft sie und bildet so echte, ringförmige Strikturen. — Eine weitere, jedoch viel seltenere Ur- sache sind Geschwüre, vor allem tuberkulösen oder luetischen Ur- sprungs, die von der Nase her noch in den Tränenschlauch hineinreichen und hier, bei ihrer Vernarbung, zumal wenn auch der Knochen ergriffen war, sehr feste Strikturen bilden können. Noch seltener kommt die Verlegung durch einen Nasenpolypen, eine Geschwulst oder eine Knochenfraktur mit Durchreißung des bindegewebigen Anteils des Tränennasenganges zustande. Ist eine Striktur sichergestellt, so soll man nach Schlitzung des unteren Pünktchens eine dünne Sonde (Technik p. 264) einführen. Hierbei fühlt man deutlich die verengerte Stelle und kann also auch ihren Sitz diagnostizieren; hauptsächlich aber haben wir in der Sondierung ein Mittel, die Striktur zu beseitigen. Indem man zunächst eine dünne Sonde einführt und etwa 10 Minuten liegen läßt, nach 8 Tagen eine dickere, ist es nach 14 Tagen bei der dritten Sondierung meist möglich, schon Nr. 5 oder 6 der Bowmann- schen Sonden durchzuführen. Hiermit ist die Striktur hinreichend erweitert, und man hat meist nur noch nötig, in etwas größeren Zwischenräumen dieselbe Sonde noch einige Male einzuführen, um den Erfolg, der gewöhnlich schon nach der zweiten Sondierung da ist, zu befestigen und einer neuerlichen Verengerung vorzubeugen. Natürlich kommen zuweilen nach einigen Monaten Rückfälle vor, aber nicht so häufig, wie vielfach angenommen wird, und um so seltener, je zarter die Sondierung vorgenommen wird. In den seltenen Fällen, wo eine Sondierung an der Nasen- mündung des Tränenschlauches auf unüberwindlichen Widerstand stößt, oder sich der Weg hier stets schnell wieder verlegt, ist es zuweilen noch möglich, durch rhinologische Behandlung — Resektion oder Kauterisation der geschwellten unteren Muschel — Heilung herbei- zuführen. Mißlingt auch dieser Versuch, so bleibt nur die Entfernung der palpebralen Tränendrüse, um die Patienten von ihrer lästigen Epiphora zu befreien. II. Dacryocystitis catarrhalis (Dacryocystoblennorrhöe). Definition: Die katarrhalische Tränensackentzündung ist die Entzündung der Schleimhaut, welche die Innenfläche des Tränen- sackes auskleidet. Dieselbe produziert im entzündeten Zustande, eben- so wie die entzündete Bindehaut, ein eiteriges oder schleimiges Sekret, welches wegen stets vorhandener Strikturen im Tränennasen- gang den Sack nicht verlassen kann, sondern sich in demselben staut, ihn ausdehnt und z. T. in den Konjunktivalsack zurückfließt. Ursachen: Der Tränensack entzündet sich katarrhalisch, wenn Infektionserreger in ihn eindringen. Dies geschieht stets vom Binde- hautsack aus und gewiß passieren ihn die verschiedensten Keime sehr häufig. Sie können jedoch im allgemeinen nur dann festen Fuß in ihm fassen, wenn Strikturen unterhalb des Sackes die Strömung im Tränenschlauch aufheben oder sehr stark verlangsamen. Es gehen also der Entwickelung des Ivatarrhs Strikturen im Tränennasengang vorher, deren klinisches Bild und Entstehung soeben besprochen worden ist. 260 0. Schirm er, Fig. 2231). Schnitt durch das Tränenröhrchen am Eintritt in den Sack, bei Dakryocystitis. Das Lumen ist ganz mit (blaugefärbten) Pneu- mokokken gefüllt, die an einer Stelle die Wan- dung zu durchbrechen beginnen. Fig. 224 '). Eiter einer Dakryocystitis catar- rhalis (nach Gram gefärbt), enthaltend Pneumokokken (blaugefärbte Diplokokken), Pneumobazillen (rote Kapselbazillen), In- fluenzabazillen (kleine rote Bazillen) Xerose- bazillen (blaue Bazillen). Durch dieselben stauen sich die Tränen im Tränen- sack und dehnen diesen aus. Jetzt finden die mit einge- drungenen Mikrobien (Pneu- mokokken, und andere Eiter- erreger (cf. Fig. 223 und 224), hingegen niemals Gono- kokken, wie man nach dem Namen Blennorrhoe anneh- men könnte) die nötige Zeit und Ruhe, sich zu vermeh- ren und auf der Schleimhaut anzusiedeln. Dieselbe ent- zündet sich, sie schwillt an, reichliche Rundzellenmengen sammeln sich in der Mukosa, und ihr in der Norm äußerst spärliches Sekret wird jetzt reichlich und eitrig und mischt sich den im Sack ge- stauten Tränen bei. Sehr selten ist die tuberkulöse Erkrankung des Tränensacks, bei welcher dicke, schlaffe Granulationen das Innere des Sackes ausfüllen. Auch ein echtes Trachom der Sackschleimhaut kommt zu- weilen vor. Symptome: Das aus- schlaggebende Symptom ist der Nachweis patho- logischen Sekretes in dem normalerweise lee- ren Tränensack. Der- selbe wird erbracht durch einen langsamen, aber kräf- tigen Fingerdruck auf den Sack, d. h. auf die Gegend unmittelbar unten innen vom inneren Lidwinkel. Ever- tiert man hierbei ein wenig die Lidränder und betrachtet aufmerksam die Tränen- punkte, so sieht man in dicken Tropfen oder in kleinem Strahl Flüssigkeit aus ihnen austreten, die bald mehr eite- rig, bald mehr schleimig ist. Bisweilen auch fühlt man, wie unter dem Drucke der Finger ') Aus Axenfeld, Bakteriologie des Auges. Erkrankungen der Tränen organe. 261 der Sack sich entleert; es erscheint aber keine Flüssigkeit im Binde- hautsack; dieselbe ist dann in die Nase durchgepreßt worden. Nur selten ist der Weg nach beiden Seiten hin verlegt. Die Haut über dem katarrhalisch entzündeten Sack ist stets völlig normal und frei verschieblich; ein Druck auf sie und den Sack ist nicht schmerzhaft, wie auch niemals spontane Schmerzen bestehen. Die Bindehaut ist in- folge des zurückfließenden Sekretes gerötet und geschwellt. Bei ein- seitiger katarrhalischer Bindehautentzündung soll man deshalb stets auf Erkrankungen des Tränenschlauches fahnden. Fig. 225. Katarrhalisch entzündeter Tränensack. a Epithel (an vielen Stellen zugrunde gegangen), 6 Mucosa dicht mit Rundzellen vollgepfropft, c Submucosa. Das Symptom, welches den Patienten mit katarrhalischer Dakryo- cystitis meisthin zum Arzt führt, ist das Trän enträufeln, das zu- gleich das lästigste Symptom dieser Erkrankung darstellt. Des weiteren bestehen gewöhnlich die leichten Beschwerden des chroni- schen Bindehautkatarrhs, Brennen, Stechen, Hitzegefühl und Verklebt- sein der Lider beim Erwachen. Außerdem birgt aber der Tränensack- katarrh erhebliche Gefahren für das betroffene Auge in sich. Der anfangs eitrige, später schleimige Inhalt des Sackes enthält 262 0. Schirm er, sehr erhebliche Mengen pathogener Keime, vor allem Eitererreger. (Pneumokokken, Staphylokokken, Streptokokken u. a.). So lange die Bulbushüllen intakt sind, können sie dieselben zwar umspülen, ohne Schaden zu verursachen; das intakte Epithel bildet einen ab- soluten Schutz gegen ihr Eindringen. Der geringste Epithel- defekt ermöglicht ihnen aber die Ansiedlung und das so ge- fürchtete Pneumokokkengeschwür der Kornea, das Ulcus serpens entsteht z. B. sehr häufig durch Infektion vom entzündeten Tränensack. Der Arzt soll deshalb eine bestehende Tränensack- entzündung niemals leichtnehmen, wozu der Kranke, zumal in den arbeitenden Klassen wegen seiner geringen Beschwerden nur zu geneigt ist, sondern stets energisch auf eine sorgfäl- tige Behandlung des Leidens dringen. Wird dasselbe ver- nachlässigt, so wird auch die kleinste Verletzung des Auges zu einer gefährlichen Erkrankung, und während sie sonst in wenigen Tagen geheilt wäre, kann sie jetzt den Verlust des Auges nach sich ziehen. Die Erkrankung ist eminent chronisch und kann sich über Jahrzehnte hinziehen; eine spontane Heilung tritt nur sehr selten ein. Im Laufe der Jahre verliert das Sekret seinen eitrigen, später auch seinen schleimigen Charakter und wird immer dünnflüssiger. Zugleich dehnt es den Sack, in dem es sich staut, mehr und mehr aus, vor allem seine vordere Wand. Dieselbe wölbt dann die bedeckende Haut vor und bildet unterhalb des inneren Lidbandes einen rundlichen, weichen bis prall elastischen Tumor, dessen Größe zwischen einer Bohne und einer Haselnuß schwankt, zuweilen aber selbst die einer Walnuß über- schreiten kann. Die Wandungen eines solchen ektatischen Sackes, der zuweilen nur wasserklare Flüssigkeit, Tränen, enthält, sind stets schlaff und ihrer Elastizität beraubt (Atonia s. lacry- malis). Da auf ihrer aktiven Zusam- menziehung die Entleerung des Sackes und damit die geregelte Tränenabfuhr beruht, ist bei Atonie eine Heilung un- möglich, und man tut am besten, eine konservative Therapie gar nicht zu versuchen, sondern den ganzen Sack zu exstirpieren. Therapie und Prognose: Die Behandlung des Tränensack- katarrhs muß eine lokale sein; eine Behandlung des ursächlichen Nasenleidens genügt niemals und ist im allgemeinen nicht nötig für die Heilung. Nur bei den schweren Formen der Rhinitis hypertro- phicans mit starker Muschelschwellung kann zur Verhütung der so häufigen Rezidive eine Abtragung oder Kauterisation der geschwellten Partien nötig werden. Zwei Aufgaben hat die lokale Therapie zu erfüllen: einmal die Sprengung der Strikturen und zweitens die Heilung der katarrhalisch entzündeten Schleimhaut. Ersteres er- reichen wir durch die Sondierung des Tränenschlauches, letzteres Fig. 226. Katarrhalische Tränen- sackentzündung mit Ektasie, rechts. Erkrankungen der Tränenorgane. 263 durch Durchspritzen desselben, also Überspülen der Schleimhaut mit desinfizierenden Lösungen. Die Sondierung erfordert (Geschicklichkeit und Delikatesse; sie ist stets eine schmerzhafte Manipulation; durch gewaltsames, brüskes Vorgehen kann man leicht falsche Wege bahnen, man macht dem Kranken unnötige Schmerzen und kommt doch häufiger nicht zum Ziel, als bei schonendem, vorsichtigem Mani- pulieren. Vor der Sondierung soll man ein Tränen- pünktchen erweitern, indem man von ihm aus das Röhrchen 2 mm weit aufschlitzt Der Eingriff ist am unteren Pünktchen leichter und ruft keine merkbare Störung der Tränen- abfuhr hervor. Man bedient sich dazu des geknöpften Weber sehen Tränenmesserchens; den Bindehautsack anästhesiert man vorher durch 5 Tropfen 4°/oiger Kokainlösung, in Zwischenräumen von 1 Minute eingetropft. Der Operateur steht hinter dem Kranken, wenn es sich um das rechte Auge handelt, er sitzt oder steht vor dem selben, wenn er das linke operieren will. Nun zieht er mit dem Daumen der linken Hand das untere Lid stark nach außen und unten, so daß sich das Pünkt- chen gut präsentiert und führt den Knopf des Messers in das nötigenfalls mit einer Stecknadel vorher etwas ausgedehnte Pünkt- chen ein. Hierbei soll das Messer senkrecht auf den Lidrand aufgesetzt werden, da ja der Anfangsteil des Röhrchens senkrecht zu dem- selben verläuft. Ist der Knopf eingeführt, so drehen wir das Messer in die Richtung des Röhrchens, d. b. so, daß es dem Lidrande parallel verläuft, also nach oben und nasal gerichtet ist. Hierbei muß die Schneide des Messers etwas nach hinten sehen, damit der Schlitz auf die Innenseite des Lides fällt; nur dann kann er der Tränenabfuhr dienen. Hat man das Messer in die richtige Lage ge- bracht, so schiebt man es langsam vor (Fig. 228), bis die Spitze an die mediale Sack- wand stößt und man den unmittelbar dar- unterliegenden Knochen fühlt. Erst wenn man sich durch mehrmaliges Hin- und Herschieben des Messers überzeugt hat, daß die Spitze wirklich frei im Sack sich befindet und keine Schleimhautfalte mit hineingezogen hat, richtet man dasselbe auf, immer die Schneide nach oben und hinten gerichtet (Fig. 229), bis der Schlitz die gewünscht Länge erreicht hat. Man soll es also in einer frontalen Ebene um den Knopf als Drehpunkt drehen, nicht aber, wie es vielfach geschieht, in einer horizon- talen Ebene. Ist das Rölnchen geschlitzt, so zieht man das Messer heraus, spritzt event, mit der An eischen oder besser mit der kleinen Liier sehen Tränenspritze etwas Kokainlösung in den Sack und führt die Sonde ein. Es ist falsch, zu glauben, daß die Verwendung dicker Sonden nötig sei, um eine hinreichend weite Passage wiederherzustellen. Ich verwende ausschließlich die Bowmanschen Sonden (Fig. 227), gehe also nie über Nr. 6 hinaus und fange stets mit dem dünnsten Kaliber an. Man führt die Sonde, die entsprechend der Prominenz des Augenbrauenbogens mehr oder weniger stark gebogen sein muß, wie das Weber sehe Messer ein, Fig. 227. Webersches Tränen- messer und B o wt m a n sehe Sonde. 264 0. Schirmer, Fig. 228. Vorschieben des Messers in das Tränenröhrchen also zunächst bei angespanntem unterem Lid in der Richtung des Tränen röhr chens. Hat man die innere Sackwand erreicht, so dreht man die Sonde um ihre Spitze, die ohne stärkeren Druck unverrückt an der gleichen Stelle stehen muß, nach oben und gleichzeitig ihre Konkavität nach vorn. Ist sie soweit gedreht, daß ihre Spitze genau auf den W inkel zwischen Nasenflügel und Wange gerichtet ist, so befindet sie sich in der Richtung des Tränennasenganges, und es gelingt meist ohne besondere Schwierigkeit , sie langsam und ohne heftigen Druck bis in die Nase vorzu- schieben und hierbei die Strikturen zu sprengen (Fig. 230). Daß sie in der Nase angelangt ist, er- kennen wir daran, daß ihre Platte der Augenbraue aufliegt (Fig. 231), auch fühlt es der Kranke meis- tens. Gelingt es bei vorsichtigem Vorschieben nicht, die Struktur zu über- winden, so ist dem An- fänger die Anwendung von Gewalt oder des unge- knöpften S tillingschen Messers zu widerraten; er soll lieber nach einigen Tagen den Versuch wieder- holen, nachdem er durch Einspritzung 1 ° o iger Ko- kainlösung, der einige Tropfen Paranephrinlösung beigesetzt sind, die Schleim- haut möglichst zum Ab- schwellen gebracht hat. Ist die Sondierung gelungen, so läßt man die Sonde 5—10 Minuten lie- gen, und es folgt dann die Durchspülung des Tränenschlauchs, um die katarrhalisch entzün- dete Schleimhaut zur Norm zurückzuführen. Die Ad- stringentien, welche wir zur Behandlung von Binde- hautkatarrhen gewöhnlich anwenden, haben sich hier als wenig zweckmäßig erwiesen; es ist mit Anti- septicis e.n viel schnellerer Erfolg zu erzielen. In erster Linie nenne ich das Hydrargyrum oxycyanatum in Lösungen von 1 : 500 und das Protargol in Fig. 229. Schlitzung des Röhrchens durch Aufwärts- bewegung in einer frontalen Ebene. Erkrankungen der Tränenorgane. 265 2—5°/oiger Lösung. Beide haben den Nachteil, daß sie starke und langdauernde Ödeme hervorrufen, wenn sie durch ungeschickte Führung der Spritze oder durch Einreißen der Sackwand ins Unterhautzellgewebe gelangen. Man vermeidet diesen höchst peinlichen Zwischenfall am besten, wenn man vorher eine Durch- spülung mit 3 0, o iger Borlösung vornimmt und nur wenn diese glatt durchläuft, die erwähn- ten Antiseptika anwendet; Bor ruft, auch in größeren Mengen unter die Haut gespritzt, kein reaktives Ödem hervor. Die Ausführung der Durchspülung ist der Sondie- rung ähnlich. Man verwendet dazu die Anelsche Spritze oder irgend eine Injektions- spritze, für welche man sich eine passende Kanüle besorgt. Nach leichter Erweiterung des Tränenpünktchens führt man die Spitze der Kanüle bis in den Tränensack. Nun läßt man den Patienten seinen Kopf stark vornüber neigen, damit die Flüssigkeit vorn aus der Nase herausläuft und schiebt den Stempel vor, während der auf den Sack gesetzte Zeigefinger der linken Hand kontrolliert, ob der Sack sich ausdehnt. Ist dies nicht der Fall, so muß man die Kanüle etwas zurückziehen, weil eine Schleimhautfalte ihre Öffnung verlegt. Bläht sich der Sack, ohne daß Flüssigkeit in die Nase dringt, so liegt das Hindernis im Tränennasengang. Hier kommt man öfters noch zum Ziel, wenn man die gebogene Kanüle in gleicher Weise, wie die Sonde, in den Anfangsteil des Ductus nasolacri- malis einführt. Läuft Flüssigkeit jetzt aus der Nase, so kann man die Kanüle meist bis in den Sack zurückziehen, ohne daß das Durchlaufen sistiert. Gelingt das Durch - spritzen auch jetzt nicht, so besteht noch eine Striktur in der nasalen Mündung des Ganges, die durch eine erneute Sondierung gesprengt werden muß. Ich habe das Sondieren und Durchspritzen so ausführlich ge- schildert, weil beides zu den wenigen augenärztlichen Eingriffen gehört, die jeder praktische Arzt mit einiger manueller Geschicklichkeit ausführen kann und ausführen sollte, zumal in kleineren Städten, wo ein Spezialist fehlt. Die Behandlung ist bei hin- reichender (ieduld seitens des Kranken und des Arztes eine durchaus Fig. 230. Die Sonde ist so weit gedreht, daß sie in den Tränennasengang vorgeschoben werden kann. Fig. 231. Die Sonde ist eingeführt und steckt mit der Spitze im Nasen- gang. 266 0. Schirmer, dankbare. Nur muß man den Patienten von vornherein auf eine Behandlungsdauer von 7—8 Wochen gefaßt machen und darf nicht glauben, durch eine Häufung der Eingriffe die Heilung zu be- schleunigen. Es wird im Gegenteil durch zu häufiges Einführen der Sonde die Schleimhaut des Tränenschlauches übermäßig gereizt; sie schwillt, reißt bei erneuter Sondierung ein, und stärkere Narben- schrumpfung ist die Folge. Aus dem gleichen Grunde sind die Dauersonden zu verwerfen, kleine silberne Sonden, die wochenlang im Tränenschlauch stecken sollen und durch ein kleines umgebogenes Ende im Bindehautsack festgehalten werden. Man soll im allgemeinen nicht häufiger als alle 8 Tage die Sonde einführen; das Durchspritzen kann man dagegen täglich vor- nehmen. Hat sich der Tränennasengang wieder verlegt, so darf man trotzdem nicht am folgenden Tage wieder die Sonde einführen, son- Fig. 232. Durchspülung des Tränenschlauchs vom unteren Röhrchen aus. dem muß sich damit begnügen, die Flüssigkeit aus dem oberen Tränenpünktchen wieder ablaufen zu sehen. Vielleicht bleibt nach der zweiten Sondierung 8 Tage später der Tränennasengang durch- gängig. Durch die eben skizzierte Behandlung ist es möglich, eine Re- stitutio ad integrum mit Wiederherstellung der normalen Tränen- abfuhr zu erzielen. Leider ist dieses Resultat gewöhnlich nur in der Praxis elegans ein dauerndes; bei der arbeitenden Bevölkerung ruft der schädliche Einfluß von Wind und Wetter häufig Rückfälle hervor. In anderen Fällen machen äußere Umstände die Durchführung der stets langwierigen Behandlung un- möglich, nicht selten entziehen sich auch die Patienten der Be- handlung in Fällen, wo die Sondierung schmerzt. In noch anderen ist von vornherein nicht auf Heilung zu rechnen. Hierzu gehören Erkrankungen der Tränenorgane. 267 erstens alle Fälle von Atonie der Sackwand; ist die Elastizität der Wandung verloren gegangen, so ist die normale Tränenabfuhr dauernd unmöglich geworden. Atonische Wandungen rinden wir vor allem bei ektatischen Säcken, die schon bei einfacher Betrachtung als rundliche Tumoren unter der Haut sichtbar sind; aber auch bei normaler Sack- größe finden sie sich häufig, wenn der Katarrh schon einige Jahre besteht. Weiter ist eine Heilung gewöhnlich unmöglich, wenn sich stärkere Veränderungen am Knochen finden, gewöhnlich luetischen oder tuberkulösen Ursprungs. Entweder verraten sich dieselben durch einen eingesunkenen Nasenrücken — Sattelnase — oder man stößt bei Einführung der Sonde direkt auf rauhen Knochen. Schließlich ist eine Heilung auch bei sehr ausgedehnten und festen Strikturen oft unmöglich. Alle diese Fälle sind für die Sondenbehandlung ungeeignet. Da sie von einem wenig erfahrenen Untersucher nicht immer ohne weiteres Fig. 233. Exstirpation des Tränensacks. erkannt werden können, soll der praktische Arzt es sich zur Regel machen, niemals die Son dierung zu forcieren, sondern alle Patienten, bei welchen er mit einem, eventuell wieder- golten vorsichtigen Versuch nicht zum Ziele kommt oder welche nach helungener Einführung der Sonde jedesmal stark aus der Nase bluten, zum Augenarzt zu schicken. Brüske Einführung der Sonde kann leicht schwere Verletzungen der Schleimhaut zur Folge haben, oder selbst falsche Wege bohren, welche die weitere Behandlung sehr er- schweren. Um auch in Fällen, die für die eben geschilderte konservative Behandlung ungeeignet sind, die Patienten von den Gefahren zu be- freien, welche ein beständig eiternder Tränensack mit sich bringt, ist die Exstirpation desselben das geeignete Mittel und seiner Zerstörung durch Ätzmittel weit vorzuziehen. 268 0. Schirmer, Von einem etwa 2 cm langen, fast vertikalen Hautschnitt über der Mitte des Sackes ausgehend, durchtrennt man das innere Lidband und die Faszie, welche den Sack an die Crista lacrimalis anterior anheftet. Nun löst man teils stumpf, teils mit dem Messer den Sack in toto aus seiner Umgebung und schneidet ihn zuletzt unmittelbar über dem Tränennasengang ab. Dieser wird mit einem scharfen Löffel ausgekratzt und zuletzt die Hautwunde durch einige Suturen ge- schlossen. Wenn nichts zurückgeblieben, so tritt stets glatte Heilung ein und der Patient kann nach 8 Tagen geheilt entlassen werden; die Narbe ist bald kaum noch zu sehen. Die Ausschaltung des Sackes hebt allerdings die Tränen- abfuhr vollständig auf; doch ist das Tränenträufeln geringer als vor- her, wo auch ein absoluter Verschluß des Tränenschlauches bestand und außerdem noch eine beständige reflektorische Reizung der Drüse durch die Entzündung des Sackes. Die Produktion von Tränen ist unter gewöhnlichen Verhältnissen so gering, daß etwa nur jede Stunde ein Tropfen über den Lidrand fließen würde. Es genügt also, um das Tränenträufeln zu verhindern, daß die Patienten sich in langen Zwischenräumen ihr Auge auswischen. Fühlen sich einzelne Kranke, die vielleicht viel in Wind und Wetter zu arbeiten haben, durch die Epiphora trotzdem stärker belästigt, so soll man ihnen die pal- pebrale Tränendrüse entfernen. Hierdurch wird auch die orbitale Drüse zur Degeneration gebracht, da man ihre Ausführungs- gänge zerstört. Es sinkt also die Tränenabsonderung durch diesen Eingriff nicht auf die Hälfte, sondern fast auf Null; nur die kleinen akzessorischen Drüschen funktionieren noch. Trotzdem leidet die Befeuchtung des Bulbus niemals Not, denn die Bindehaut produziert selbst die Flüssigkeit, welche der Konjunktivalsack braucht, um feucht zu bleiben. — Die Entfernung der palpebralen Drüse ist ein unge- fährlicher, kleiner Eingriff, den man in Infiltrationsanästhesie vom Fornix conjunctivae her ausführt; er hinterläßt also keine sichtbare Narbe. Eine besondere Stellung nimmt der angeborene Tränensackkatarrh ein, der klinisch ein vollkommen gleiches Bild bietet, aber keine eigentliche Ent- zündung der Schleimhaut ist, sondern lediglich eine Sekretstauung infolge Atresie des Schlauches. Die Öffnung desselben nach der Nase hm stellt sich nämlich normalerweise erst um die Zeit der Geburt ein. Läßt sie länger auf sich warten. so staut sich im Schlauch eine aus Schleim und abgestoßenen Epithelien be- stehende Masse, die auch den Sack ausfüllt und Epiphora bedingt. Gewöhnlich genügt ein Fingerdruck auf den Sack, die zarte Verschlußmembran am Nasen- eingang zu sprengen und damit die Heilung herbeizuführen; nur selten wird es nötig, durch eine Sondierung den Verschluß zu durchbohren. III. Dacryocystitis phlegmonosa (Tränensackabszeß). Definition: Die Dacryocystitis phlegmonosa ist die eiterige Entzündung des den Tränensack umgebenden Bindegewebes. Aus der anfänglich diffus phlegmonösen Entzündung entwickelt sich in der Regel bald ein Abszeß, der in offener Kommunikation mit dem Sack- mnern steht; er bricht in der Regel nach außen durch und hinter- läßt eine Tränenfistel. Erkrankungen der Tränenorgane. 269 Ursachen: Die phlegmonöse Dacryocj^stitis entwickelt sich stets aus einem Tränensackkatarrh. Meist ohne bekannte Ursache, zuweilen nach einer ungeschickten Sondierung, gelangen die patho- genen Mikrobien, welche sich beim Katarrh nur an der Oberfläche der Schleimhaut und im Inhalt des Sackes befinden, in das umgebende Binde- gewebe. Hier entwickeln sie sich üppig weiter und rufen eine ziemlich gut- artige Phlegmone hervor, ohne Tendenz zu weiterer Ausbreitung; trotzdem fin- det man fast stets Strepto- kokken im Eiter. Die Ur- sachen der phlegmonösen Tränensack entzündung sind also in letzter Linie die gleichen, wie bei der katarrhalischen Ent- zündung. Symptome: Unter lebhaften Schmerzen und leichter Temperaturstei- gerung entwickelt sich, oft in wenigen Stunden, ein entzündliches Ödem in derTränensackgegend. Die Haut ist prall gespannt, gerötet und auf Druck schmerzhaft. Übt man trotzdem einen kräftigen Druck auf sie aus, so läßt sich gewöhnlich Eiter aus den Tränenpünktchen auspressen. Diese entzündliche Schwellung be- schränkt sich nicht auf die nächste Umgebung des Sackes, sondern kann sich nach unten und außen weit in die Wangengegend erstrecken, sie kann auch das untere Lid in Mitleidenschaft ziehen und kon- junktivale Chemose machen. Charakteristisch ist hingegen, daß die Schwellung niemals in erheblichem Grade über das innere Lidband hinweg nach oben kriecht, sondern sich auf die Gegend nach unten vom inneren Lidwinkel beschränkt. Haben wir den Hauptsitz der Ent- zündung nach oben vom inneren Lidbande, so liegt keine Tränen- sackeiterung vor, sondern die Entzündung ist von einer der Neben- höhlen fortgeleitet; gewöhnlich handelt es sich um ein durchgebrochenes Empyem der Stirnhöhle oder des Siebbeins. Forscht man in einem Falle von phlegmonöser Dacryocystitis den Antezedentien nach, so wird man in der Regel vom Patienten hören, daß schon seit langen Monaten, oft schon seit Jahren das Auge träne, und daß bei Druck unten vom inneren Lidwinkel eiteriges Sekret hervorgequollen sei. Die Diagnose einer vorher bestehenden Dacryocystitis catarrhalis ist damit gesichert. Fehlt diese Angabe, behauptet der Kranke, bis zum Beginn der akuten Entzündung ein gesundes Auge gehabt zu haben, so muß man stets an die Mög- lichkeit eines einfachen subkutanen Abszesses vor dem Tränensack denken. In solchem Falle läßt sich der Tränenschlauch vom unteren Fig. 234. Dacryocystitis phlegmonosa. Die Schwellung sitzt unter dem inneren Lidband. 270 0. Schirmer, Pünktchen aus glatt durchspritzen, und die Inzision wird ergeben, daß eine Kommunikation der Abszeßhöhle mit dem Tränensack nicht besteht. Besteht die Phlegmone erst wenige Tage und ist die Entzündung nicht hochgradig, so kann sie sich zuweilen wieder zurückbilden, ohne daß es zur Perforation der Haut kommt. Meistens aber kon- fluieren die kleinen Eitertröpfchen des phlegmonösen Gewebes bald zu einer größeren Abszeßhöhle; über ihr tritt die bekannte gelbe Verfärbung der Haut ein; hier erfolgt der Durchbruch, und der Eiter entleert sich nach außen. Damit ist jedoch durchaus nicht die Heilung eingeleitet, wie es bei einem einfachen, subkutanen Abszeß der Fall sein würde. Denn beim Tränensackabszeß besteht ja ein Teil der Wandung aus der Schleimhaut des Tränensackes, die nie Granulationen bilden kann und nie zu sezernieren aufhört. Dies Sekret muß Abfluß haben, und da der normale Weg nach der Nase hin verstopft ist, bleibt ihm nur der Fistelgang. Der weitere Ver- lauf wird sich also derart ge- stalten, daß nach der Perfora- tion die entzündlichen Erschei- nungen abklingen und ein stetig schmaler werdender Fistel- gang sich ausbildet, aus dem in unregelmäßigen Intervallen Sekrettröpfchen hervorquellen, Fig. 235. Durchgebrochenes Empyem die ähnlich wie beim Katarrh an- des Sinus frontalis. Die Schwellung sitzt fangs eiterig, dann schleimig und oberhalb des inneren Lidbandes. schließlich wasserklar sind. In an- deren Fällen kann bei geringerer Absonderung ein vorläufiger Verschluß des Fistelganges eintreten, hinter dem sich das Sekret wieder staut; bald dringt es in die Umgebung ein, es bildet sich eine neue Phleg- mone aus und die Fistel wird wieder gesprengt. Dies Spiel kann sich mehrere Male wiederholen; der Endausgang ist aber auch hier die Bildung einer ständig sezernierenden Fistel. Spontane Dauer- heilung ist außerordentlich selten; sie kann nur eintreten, wenn sich die Passage im Tränenschlauch von selbst wieder herstellt. Prognose und Therapie: Ist die Entzündung im Beginn und nicht allzuheftig, so soll man versuchen, eine Abszedierung hintan zu halten. Zu dem Zweck schlitzt man das untere Röhrchen, läßt den Sackinhalt mehrmals am Tage ausdrücken und hinterher eiskalte Umschläge machen. Bildet sich hierbei die Phlegmone nicht bald zurück oder kam sie schon in einem Stadium in unsere Behandlung, wo eine Rückbildung ausgeschlossen erscheint, so soll man sie unverzüg- lich spalten; ebenso ist sofortige Spaltung indiziert, wenn sich schon em Abszeß nachweisen läßt. Man führt den kleinen Eingriff mit einem spitzen Skalpell aus, das man von außen unten her bis auf den Knochen in der Tränensackgegend einstößt und dann, ohne die Richtung der Schneide zu verändern, aufrichtet. Es entsteht hier- durch ein Schnitt, der schräg von außen unten nach oben innen verläuft, mindestens 2 cm lang sein soll und die Phlegmone in ihrer ganzen Ausdehnung bis in die Tiefe durchsetzt. Man muß sich sehr hüten, den Schnitt zu nah an den Lidrand heran zu führen, da haß- Erkrankungen der Tränenorgane. 271 liehe Stellungsanomalien des unteren Lides daraus resultieren können; hingegen lege ich kein Gewicht darauf, mit dem Schnitt zugleich die vordere Wand des Tränensackes zu spalten. Hierauf wird die Wunde tamponiert und ein feuchter Verband mit essigsaurer Tonerde ange- legt, der täglich gewechselt werden muß. Bei dieser Behandlung ist in 5—6 Tagen die Entzündung im wesentlichen geheilt und das Gewebe abgeschwollen. Jetzt muß man sich, wie auch beim Tränensackkatarrh entscheiden, ob man eine Heilung mit Erhaltung des Tränenschlauches erstreben will oder lieber auf die normale Tränenabfuhr verzichten und daher den Patienten durch die Exstirpation des kranken Tränensacks dauernd von seinem Leiden befreien. Als die Normalmethode müssen wir die konservative Behandlung bezeichnen; die Exstirpation ist in den Fällen vorzuziehen, wo man auf eine dauernde Heilung nicht mit Wahrscheinlichkeit rechnen kann. Das ist unter etwa den gleichen Umständen der Fall, wie beim Tränensackkatarrh, also bei ausgesprochenen Knochenveränderungen, bei sehr festen Strikturen und wenn lange Dauer des vorhergegangenen Katarrhs oder mehr- fache Rezidive der Phegmone erwarten lassen, daß die Elastizität der Sackwand schon erheblich gelitten hat, wenn also die Wieder- herstellung der normalen Tränenabfuhr nicht mehr zu erwarten ist. In diesen Fällen kann schon 1 Woche nach der Inzision die Ent- fernung des Sackes in der oben geschilderten Weise vorgenommen werden. Die Heilung erfolgt auch hier gewöhnlich per primam, aber allerdings nicht mit der Regelmäßigkeit, wie beim einfachen Katarrh. Will man die Durchgängigkeit des Tränenschlauches erhalten, so müssen vor allem die Strikturen beseitigt und der Katarrh be- kämpft werden. Hiermit soll man erst anfangen, wenn die entzünd- liche Schwellung zurückgegangen ist. Versucht man früher, die Sonde einzuführen, so macht man dem Patienten heftige und unnötige Schmerzen und kann leicht ausgedehnte Zerreißungen in der noch stark verdickten, brüchigen Schleimhaut herbeiführen. Also etwa am Ausgang der ersten Woche wird man den ersten Versuch machen, eine dünne Sonde durchzuführen und wenn dies gelingt, mit Bor und Hydrargyrum oxyeyanatum vom geschlitzten unteren Tränenröhrchen aus nachspülen. Indem man die Durchspülungen, auch wenn der größere Teil zur Fistelöffnung herausläuft, täglich oder alle 2 Tage und die Sondierungen etwa alle 8 Tage wiederholt, kann man täglich weniger tamponieren und die Fistel sich bald schließen lassen. Sie bleibt geschlossen, wenn der Weg nach der Nase wieder frei gemacht werden konnte. Einigermaßen Schutz vor Rezidiven ge- währt uns allerdings nur eine bis zum vollständigen Verschwinden des Tränensackkatarrhs fortgesetzte Behandlung mit Durchspülungen und Sondierungen. Unter Tränenfistel verstehen wir eine pathologische Kommunikation zwischen dem Tränensack und der äußeren Haut. Sie entsteht, wie oben auseinanderge- setzt, stets aus einem Tränensackabszeß, der zum Durchbruch gekommen ist. Die Lage der Perforationsstelle entspricht durchaus nicht immer der Lage des Tränensacks; vielmehr senkt sich der Eiter gewöhnlich, ehe er perforiert, mehr oder weniger weit, mitunter bis in die Gegend der Oberlippe, oder er wandert von dem straffen subkutanen Gewebe der Nasengegend mehr temporalwärts und bricht auf der Wange durch. In diesen Fällen kann die Diagnose oft auf Schwierig- keiten stoßen; sie ist gesichert, wenn es gelingt, den Zusammenhang der Fistel Lehrbuch der Augenheilkunde. 18 272 0. Schirmer, mit dem Tränensack nachzuweisen. Das ist bei kurzem, weitem Fistelgang durch die Einführung einer Sonde möglich; ist derselbe länger und eng, so muß man, um sicher zu gehen, eine gefärbte Flüssigkeit in das untere Röhrchen einspritzen und sehen, ob sie aus der Fistel hervorquillt. Ganz besonders nötig ist dies bei älteren Fisteln, bei welchen der Tränensackkatarrh zur Ausheilung gekommen ist. Hier pflegen die Fistelgänge sehr eng zu werden, ihre Mündung ist nicht mehr von Granulationen eingesäumt, sondern liegt als feinste Öffnung in dem von der Perforation herrührenden Narbenfelde. Eine solche Haarfistel wird sehr leicht übersehen und kann oft nicht gefunden werden, selbst wenn der Patient angibt, daß ab und zu ein Tränentröpfchen auf der Wange erscheine. Durch Druck auf den Sack kann man mitunter ein klares Tröpfchen hervorpressen und dadurch die Existenz und Lage der Fistel erfahren. Gelingt dies nicht, so klärt Durchspritzen von gefärbter Flüssigkeit den Sachverhalt auf. Eine Tränenfistel schließt sich im allgemeinen von selbst, wenn es gelingt, dem Sekret wieder den normalen Abfluß nach der Nase hin zu verschaffen. Man wird also zunächst die Strikturen im Tränennasengang durch Sondierung sprengen und, falls der Sack noch die Zeichen des Katarrhs erkennen läßt, durch Durch- spülungen diesen zu beseitigen suchen. Zeigt der Fistelgang noch starke Granu- lationsbildung, so beschleunigt man die Heilung durch Auskratzen des Ganges mit dem scharfen Löffel. Lange bestehende Haarfisteln sind zuweilen nahe ihrer Hautöffnung eine Strecke weit von einem Epithelüberzug ausgekleidet. Dieser macht natürlich einen spontanen Schluß der Öffnung unmöglich. Man muß ihn entweder durch den Galvanokauter zerstören oder besser mit einem schmalen, spitzen Skalpell exzidieren. Exzision und Naht der Fistel, ohne daß gleichzeitig die Strikturen im Tränenschlauch gesprengt werden, nützt gar nichts. Schließlich kann aus den gleichen Indikationen, wie bei der Dacryocystitis phlegmonosa, die Exstirpation des Sackes samt Fistelgang das zweckmäßigste Verfahren sein. VIT. Dacryoadenitis. Während die Erkrankungen des Tränenschlauches zu den häufigsten Augenkrankheiten gehören, wird die Tränendrüse nur selten Sitz einer Erkrankung. Hierzu trägt einmal ihre durch den Augenhöhlenrand geschützte Lage in der Orbita bei, zweifellos aber in noch höherem Maße der in ihren Ausführungsgängen stets abwärts gerichtete Flüssigkeitsstrom, welcher eine Infektion vom Bindehautsack her fast unmöglich macht. In der Tat entstehen ihre Entzündungen vermutlich alle durch endogene Infektion. Am häufigsten ist die Dacryo- adenitis purulenta. Unter heftigen Schmerzen und leichtem Fieber entsteht eine akute Schwellung der Tränendrüse, die zuweilen sich rückbildet, meist bald in Eiterung übergeht. Die Konjunktiva in der äußeren Bulbushälfte wird chemotisch, das obere Lid schwillt in seiner äußeren Hälfte stark an, wodurch die Lidspalte gerade Fig. 236. Dakryoadenitis. Ty- in dieser Partie verkleinert wird. Es ent- pische Schwellung außen und steht SOj wieauch auf nebenstehender 0 Photographie sehr schön zu sehen die höchst charakteristische Paragraphenform derselben, die jeden, der einmal einen solchen Fall gesehen hat, auf eine Entzündung der Tränen- drüse hinweisen muß. Unter dem oberen Lide fühlt man deutlich die stark geschwollene, schmerzhafte palpebrale Drüse, die im Normal- zustande nicht fühlbar ist. Die Behandlung besteht in warmen Um- Erkrankungen der Tränenorgane. 273 schlagen und, sobald sich ein Abszeß zeigt, in Inzision. Die Prognose ist gut. Weniger akut ist die Entzündung, welche zuweilen beide Tränendrüsen gleichzeitig mit der als Parotitis epidemica bezeich- neten Entzündung der Ohrspeicheldrüsen befällt und deshalb auch als Mumps der Tränendrüse bezeichnet wird. Der Verlauf ist analog jenem an der Parotis. In anderen chronischer verlau- fenden und in ihrer Ätiologie noch dunklen Fällen findet man die sämtlichen Speicheldrüsen zugleich mit der Tränendrüse ge- schwollen. — Auch die Tuberkulose der Tränendrüse ist zuweilen doppelseitig, meist allerdings einseitig. Sie verläuft chro- nisch, ohne deut- lich entzündliche Symptome und mehr unter dem Bilde ei- nes Tumors. Den Übergang zu den eigentlichen Tumoren bilden die symmetrischen Lym- phome beider Drü- sen, die sich bei Pseudoleukämie und bei Leukämie finden. Sie gehen, ebenso wie die sehr ähn- lichen Lymphome der Orbita und der Lider, oft auf Arsen prompt zurück, wenn sie auch nicht vollständig verschwinden. Von malignen Tumoren, die fast stets einseitig sind, seien die höchst malignen Sarkome und von epi- resp. endothelialen Typus die Zylindrome genannt; sie sind auch als Adenome oder Adeno- sarkome beschrieben. Bei all diesen Tumoren und auch bei der Tuberkulose kann nur die radikale Exstirpation in Frage kommen. Handelt es sich nicht noch um ganz kleine Gebilde, so erleichtert man sich die Entfernung durch die osteoplastische Resektion der äußeren Orbitalwand nach Krön lein. Schließlich sei darauf aufmerksam gemacht, daß an den Aus- führungsgängen der Drüse zystische Erweiterungen vorkommen, welche die Größe einer Haselnuß erreichen können und beim Weinen an- schwellen. Sie bilden ein völliges Analogon der an den Ausführungs- gängen der Speicheldrüsen entstehenden Ranula und führen den Namen Dacryops. Man beseitigt sie durch Exzision eines Teiles ihrer konjunktivalen Wand. Fig. 237. Subakute Dacryoadenitis. Die erheblich ge- schwollene Drüse wird unter dem gehobenen Lid deut- lich sichtbar. 18* Erkrankungen der Konjunktiva. Von Professor Dr. Th. Axenfeld, Freiburg i/Br. Normale Anatomie. Die Bindehaut bekleidet, vom Lidrande ausgehend, die Hinterfläche der Lider resp. des Tarsus (Conjunctiva palpebralis oder tarsalis). Sie geht dann als „Übergangsfalte" (Conjunctiva fornicis) zum Bulbus und bedeckt als „Conjunctiva bulbi" die Sklera bis zur Hornhaut, deren Peripherie sie als Limbus cornealis in einer Breite von 1—3 mm durchscheinend überzieht. Ihr Epithel geht hier glatt in das Hornhautepithel über (cf. Fig. 179 auf Seite 223). Entwickelungsgesehichtlich gehören das Epithel und die oberflächlichen Par- enchymschichten der Hornhaut mit zur Bindehaut (Conjunctiva corneae). Sie werden auch von den Gefäßen der Conjunctiva bulbi ernährt. Das läßt verstehen, warum bei manchen Bindehauterkrankungen es so oft zu oberfläch- licher Keratitis kommt. Am inneren Augenwinkel bildet die Conjunctiva bulbi eine senkrechte, dem Bulbus anliegende Falte, die Plica semilunaris (ein fiudiment, welches der „Nickhaut" [Palpebra tertia] mancher Tiere entspricht). Daran schließt sich ein epidermoidales, mit Härchen und Drüsen versehenes Wärzchen, die Caruncula lacrimalis. Die Conjunctiva tarsi haftet der Unterlage, dem Tarsus unverschieblich und vollkommen glatt an. Nur wenn durch krankhafte Vorgänge die normale Verbindung gelöst ist, läßt sie sich vom Tarsus abpräparieren (z. B. bei Narben- traehom und anderen chronischen Entzündungen). Man erkennt unter normalen Verhältnissen durch sie hindurch die Meibomschen Drüsen als feine von hinten zur Lidkante ziehende gelbliche Striche. Die Übergangsfalte ist dagegen außerordentlich verschieblich, reich an elastischen Fasern. Ihre geräumige, faltige Oberfläche und Elastizität gestattet dem Augapfel freieste Bewegung, auch extrem nach oben und unten. Bei Ent- zündung und Schwellung wird die Faltung noch stärker und bei hohen Graden (z. B. Blennorrhoe, Trachom) treten nach der Ektropionierung dicht aneinander gedrängte Leisten oder Wülste hervor. Die gleiche Elastizität besitzt die Con- junctiva bulbi, die man in hohen Falten von der Sklera emporziehen kann. Erst am Hornhautrande haftet sie der Unterlage fester an (man muß deshalb, wenn man den Bulbus mit der Pinzette fixieren will, immer in nächster Nähe des Limbus zugreifen). Das Epithel ist im Tarsalteil und in der Übergangfalte ein mehr- schichtig zylindrisches (cf. Fig. 238) und enthält in wechselnder Zahl Becher- zellen, welche sich bei katarrhalischen Erkrankungen vermehren (cf. Fig. 243). Erkrankungen der Konjunktiva. 275 In der Conjunctiva bulbi flachen sich die oberen Schichten des Epithels ab und erscheinen nach dem Hornhautlimbus hin als Plattenepithelien; Becher- zellen und eigentliche Drüsen fehlen hier. Die Conjunctiva bulbi ist infolgedessen nicht so feucht und durchlässig, wie die des Tarsus und der Übergangsfalten. Dieser Verschiedenheit des Epithels entspricht es, daß nur die Conjunctiva tarsi und die Übergangsfalte unter dem Epithel eine Schicht adenoides Ge- Fi?. 238. Conjunctiva palpebralis an Fig. 239. Conjunctiva bulbi nahe der Übergangsfalte. Geschichtetes dem Hornhautrand. Geschichtetes Zylinderepithel. PJattenepithel. webe besitzen. Dieses aden oide Gewebe enthält mikroskopisch lymphatische Zellen und bei den meisten erwachsenen Menschen vereinzelte kleinste Follikel. Vielleicht sind letztere die Folge der gelegentlichen Reizungen, denen die Kon- junktiva im Lauf des Lebens ausgesetzt ist. Während ferner in der Conjunctiva bulbi nur inkonstant vereinzelte ein- fach-tubulöse Drüsen vorkommen (Manzsehe Drüsen), sind in der übrigen Binde- haut folgende Drüsen vorhanden: 1. verzweigte tubulöse Drüsen (Krausesche) im hinteren Teil der Con- junctiva tarsi, oberhalb der Meibomschen Drüsen, 2. verzweigte tubulöse Drüsen in den Übergangsfalten, mikroskopisch den Läppchen der palpebralen Tränendrüse gleichend, [3. einzelne einfache tubulöse Drüsen]. In dem temporalen Teil der oberen Übergangsfalte bis zum Ligamentum canthi externum münden außerdem in die Bindehaut die Ausführungsgänge der orbitalen und palpebralen Tränendrüse. Alle diese Drüsen nehmen, ebenso wie die ganze Tarsal- und Übergangs- schleimhaut, an der konstanten Befeuchtung der Bindehaut und Augapfelober- fläche teil. Die Konjunktiva mit ihren kleinen Drüsen ist übrigens imstande, auch nach Entfernung der eigentlichen Tränendrüse die Befeuchtung genügend zu unterhalten und eine Vertrocknung zu verhüten. Im Bereich der Conjunctiva tarsi bestehen echte Papillen, indem kleine Gefäßchen mit umgebenden Stroma sich in regelmäßigem Abstand aus dem epitarsalen Netz erheben, während zwischen ihnen das Epithel sich etwas einsenkt. Trotzdem ist normalerweise die Epitheloberfläche vollkommen eben. Dagegen bei Reizzuständen verschiedenster Art treten diese Papillen entweder gleichmäßig als kleine Spitzen hervor und geben der Schleimhaut ein Aussehen „wie kurz ge- schorener Sammet" oder es entwickeln sich aus ihnen größere papilläre Pro- minenzen (Frühjahrskatarrh, Trachom etc.). Der Übergangsteil hat keine eigentlichen Papillen; aber auf dem Sagittal- schnitt bieten seine Falten und dazwischen die Einbuchtungen ein ähnliches Bild. Auch die Conjunctiva bulbi besitzt keine Papillen. Die arterielle Gefäßversorgung der Conjunctiva palpebralis des Oberlides (cf. Fig. 180 auf S. 224) geschieht teils durch Gefäße, die 2—3 mm hinter dem Lidrand den Tarsus von außen nach innen durchbohren (Arcus tarseus inferior), an der Stelle, welche am ektropionierten Lid sich als eine seichte, der Lidkante entlang verlaufende Furche abhebt [Sulcus subtarsalis]), 276 Axenfeld, teils durch den Arcus tarseus superior, welcher oberhalb des oberen Randes der Tarsus gelegen ist. Das Unterlid hat nur einen entlang dem konvexen Rand des Tarsus verlaufenden Bogen, der ebenso wie der Arcus tarseus superior des Oberlides auch den Übergangsteil der Bindehaut versorgt und seine Äste in die Conjunctiva bulbi weiterschickt. Diese oberflächlichen, von den Übergangsfalten in die Cenjunctiva bulbi ziehenden Gefäße gehen am Hornhautrande, im Limbus, Verbindungen ein mit dem sogenannten Randschlingennetz der episkleralen Gefäße. Beim normalen, reizlosen Auge ist das Randschlingennetz nicht deutlich wahrnehmbar. Die ganze Konjunktiva ist zart durchscheinend. Bei älteren Leuten freilich, mitunter aber auch schon in früheren Dezennien findet man bei genauer Betrachtung den Lidspaltenteil der sonst normalen Conjunctiva bulbi oft stärker trübe und leicht grau- gelblich verdickt. Dieser „Lidspaltenfleck"1) pflegt dreieckige Gestalt zu haben, die Basis am Hornhautrand, die Spitze nach den Lidwinkeln. Er stellt eine Art schwieliger resp. hyaliner Verdickung dar als Folge der den Lidspaltenteil treffenden Reize (Temperatur, Staub, Wind usw.). [In der normalen Bindehaut hebt sich diese Trübung in der Regel nur wenig ab (nur ausnahmsweise wird wegen „Entstellung" deshalb ärztliche Hilfe verlangt). In der entzündeten Bindehaut und vor der entzündeten Sklera aber können solche Lidspaltenflecke stark kontrastieren und sich als weißliche oder gelbliche Inseln abheben, die vom Anfänger öfters für „Abszesse" oder ,,große Phlyktänen" (cf. S. 303) gehalten werden. Die Lage der Flecken, ihre Form, wird vor diesem Irrtum schützen.] Untersuchung der Bindehaut. Wie die Bindehaut freigelegt wird durch Ektropionierung, ist auf S. 27—29 genau beschrieben und abgebildet. Die Beurteilung der freigelegten Bindehaut auf den Grad der Gefäßfüllung resp. entzündlichen Reizung muß schnell geschehen; denn ein langes Festhalten in ektropionierter Stellung, besonders am Oberlid, führt eine zunehmende Injektion herbei. Andererseits ist zu beachten, daß bei der Ektropionierung Teile der Schleimhaut über dem oberen Tarsus komprimiert werden können und alsdann weißlich er- scheinen; um solche Stellen nicht irrtümlich für Narben zu halten, muß man mit dem Druck nachlassen und die Haltung des ektro- pionierenden Fingers wechseln und dabei beobachten, ob die be- treffenden Stellen alsdann die normale Beschaffenheit annehmen. Über das Aussehen echter Narben und über die in Betracht kommenden narbenbildenden Krankheiten vergl. Abschnitt „Trachom", S. 313. Bei jeder entzündlichen (Jefäßinjektion ist sorgfältig festzustellen, ob die wesentliche ursächliche Erkran- kung in der Bindehaut selbst oder in der Umgebung ge- legen ist. i) Auch „Pinguecula" genannt, von der falschen Annahme ausgehend, es handle sich um Fetteinlagerung oder Verfettung. Erkrankungen der Konjunktiva. 277 Nur zu oft wird eine Konjunktivitis diagnostiziert und allein daraufhin behandelt, wo die Bindehaut nur mitgerötet ist! Durch methodische Untersuchung, Abschätzung des Befundes und der Intensität der Injektion an der einen und anderen Stelle gelangt man zu einem Urteil, welches die primäre oder vor- wiegende Krankheit ist, oder ob Kombination eines eigentlichen Bindehautleidens mit einer anderen Entzündung vorliegt. Man hat unter Zuhilfenahme der bereits geschilderten Methoden zu über- legen, ob nicht ein Tränenleiden, Blepharitis, Abstehen der Tränenpunkte, Distichiasis vorliegt; besonders, aber auch ist auf Entzündungen des Bulbus zu achten. Jede ausgesprochene Entzündung des Bulbus oder der Um- gebung versetzt auch die Bindehaut der Lider in Reizzustand, wenn auch dabei meist nur Hyperämie und Tränen, nicht aber eigentlicher Katarrh zustande kommt. Besonders wird man auf Bulbusentzündung unter- suchen, wenn um die Hornhaut eine diffus bläulich rote (perikorneale) Injektion besteht. Andererseits braucht Rötung des Bulbus nicht notwendig eine eigentliche Bulbusentzündung zu bedeuten, da bei heftigeren Bindehaut- und Lidentzündungen sich auch der Bulbus, insbesondere die Conjunctiva bulbi mitröten kann. Die Mitrötung desBulbus bei Konjunktivitis pflegt in der Gegend der Übergangsfalte am stärksten zu sein, und nach der Hornhaut hin abzuklingen, sie hat einen mehr ziegelroten Farbenton und zeigt reichlicher oberflächliche größere Gefäßchen. Auch beteiligt sich an ihr gern die Karunkel und die Plica semilunaris. Die eigentliche „pernikorneale Injektion" bei Bulbusentzündungen ist umgekehrt im Um- kreis der Hornhaut am stärksten, außerdem mehr bläulich-rot und diffuser. In vielen Fällen ist diese Verschiedenheit der Injektion diagnostisch verwertbar; bei den heftigen, schweren Entzündungen aber beteiligt sich das ganze Gefäß- system (konjunktivales und episklerales) so stark, daß man darnach nicht ur- teilen kann. Es gibt ferner eine Entzündung der Bindehaut, die sich vorwiegend auf die Conjunctiva bulbi wirft, die phlyktänuläre (ekzematöse, skrofulöse). Dieselbe ist jedoch in der Regel herdförmig, durch Eruption der Phlyktänen aus- gezeichnet (cf. S. 303). In letzterem, ferner in der anderen Art der Hornhautbetei- ligung liegt die Unterscheidung von dem herdförmigen skleritischen In- filtrat, über dem die Bindehaut verschieblich ist (cf. S. 306). Eine eigenartige Injektion ist die Erweiterung der vorderen Ziliar- venen bei manchen Fällen von Glaukom, besonders den chronischen. Man sieht dabei in relativ geringer Zahl die bläulichen episkleralen Venenstämmchen er- weitert, welche in einiger Entfernung von der Kornea sich in die Sklera einsenken. I. Entzündungen der Bindehaut. Allgemeines über die Ätiologie der Bindehautentzündungen. Der frei geöffnete Bindehautsack kann leicht durch von außen eindringende Schädlichkeiten in entzündlichen Zustand versetzt werden. Es kann sich dabei handeln 1. um rein physikalisch-chemische Reize oder 2. um Infektion, oder um beides. ad 1. Es bewirken Entzündung zunächst Verletzungen, Fremdkörper (Conjunctivitis traumatica, cf. Abschnitt „Verletzungen"). Länger ver- weilende Fremdkörper, z. B. Grannen in der oberen Übergangsfalte können heftige Entzündung unterhalten. Die Beseitigung der Causa nocens bringt aber diesen Zustand bald zur Rückbildung. 278 Axenfeld, Es gehören hierher aber nicht nur Fälle, wo einzelne größere Partikel ein- gedrungen sind, sondern auch Staub kann Konjunktivitis erzeugen. Zu- nächst in dem Sinne, daß bestehende Entzündungen durch Aufenthalt in staubiger Luft gesteigert werden können. Gelegentlich kann aber Staub allein heftige Ent- zündung bewirken, z. B. bei Sandstürmen, sowie wenn er reich ist an irritie- renden Elementen. So kann z. B. der mit den Härchen von Raupen durchsetzte Staub in Waldungen mit massenhaften Prozessionsraupen heftige Konjunktivitis herbeiführen; es wirkt dabei mit, daß solche RaupenhärcheD, wenigstens in frischem Zustand, auch einen chemischen Reiz ausüben1). Auch manche Pflanzenhärchen können erheblich reizen, z. B. Staub, der massenhaft kleinste Kaktusstacheln enthält. [Das trägt in manchen Teilen des Orients bei zur sommerlichen Exazerbation der Entzündungen.] Gelegentlich kann auch der Blütenstaub mancher Blumen (z. B. der Primula obconica) durch seinen Gehalt an ätherischem Öl eine heftige Entzündung, sogar mit Iritis bewirken. Die akute Konjunktivitis beim Heuschnupfen entsteht, wie dieser selbst, durch den Pollenstaub von Gramineen und zwar durch die darin enthaltene chemisch reizende Substanz (cf. S. 287). Staub, welcher direkt ätzende Chemikalien (Kalkstaub, Zement, Pfeffer, künstlicher Dünger, Schnupftabak etc.) enthält, kann natürlich sehr irritierend wirken und bei hohem Gehalt an Atzmitteln direkt verschorfen. Die Bindehaut ist für manche Chemikalien besonders empfindlich, so daß selbst deren Anwendung in Salbenform in der Umgebung des Auges mitunter die Konjunktiva entzünden kann. Ein besonders auffälliges Beispiel ist die Chrysarrhobinkonjunktivitis bei Anwendung von Chrysarrhobinsalbe an den Lidern. Sogar bis auf die Iris wirkt dieses Medikament entzündungserregend. [Deshalb sind überhaupt scharfe Hautsalben, welche z. B. Pyrogallussäure, Resorzin und anderes enthalten, für die Lider kontraindiziert.] Auch der Gebrauch mancher an sich überhaupt nicht ätzender Medika- mente kann bei vorhandener Idiosynkrasie oder langer Anwendung zu Konjunk- tivitis führen, z. B. Atropin; auffällig pflegt dabei die starke Follikelbildung zu sein (cf. S. 17). Erwähnt sei hier auch die schwere Konjunktivitis, welche durch Kalo- meleinstäuben herbeigeführt wird, wenn der Patient vorher innerlich Jod ge- nommen hat (Bildung von Jodquecksilber; cf. S. 20). Auch die absichtlich herbeigeführten Entzündungen, welche Simulanten und Hysterische sich beibringen, teils durch Scheuern, teils durch Einbringung von scharfem Staub u. dergl. sind hier zu nennen. Solche Fälle erregen meist dadurch sogleich Verdacht, daß vorwiegend oder nur die untere, leichter zugängliche Konjunktiva entzündet ist; mitunter findet man auch noch Fremdkörper u. dergl. Ein dicht abschließender Schutz- verband, event. klinische Beobachtung führen zur Entlarvung. Wie eine Art von Fremdkörper können auch die kleinen kalkigen In- farkte und Konkremente wirken, welche sich nicht selten bei älteren Leuten in der Bindehaut bilden. Auf physikalisch-chemischem Wege wirkt auch übermäßige strahlende Hitze, noch mehr übermäßige Bestrahlung mit Licht, welches reich ist an chemisch wirksamen ultravioletten Strahlen. Hierher gehört der sog. Gletscherkatarrh und der bei der sog. Schneeblindheit eintretende ent- zündliche Reizzustand. Auch die Stellungsanomalien der Lider sind hier zu nennen: Das Ektropium (cf. „Lider", S.249), welches die Schleimhaut der Luft, derAustrock- i) Wenn eine lebende Haarraupe aufs Auge fällt, so können ihre Haare sich einbohren und zur Bildung von Knötchen führen, in deren Innern, von Riesen- zellen umgeben, man das Haar wiederfindet. Sogar bis ins Augeninnere können die Spitzen vordringen. Diese Raupenhaarverletzungen sind wegen der tuberkel- artigen Knötchen wohl auch als „Ophthalmia nodosa" bezeichnet worden. Erkrankungen der Konjunktiva. 279 nung, der Verletzung aussetzt; das Entropium, welches die Zilien einwärts biegt und zu Kratzinsulten führt; mangelhafter Schluß (Lagophthalmus) infolge von Fazialislähmung, Lidverkürzung (sei sie angeboren oder erworben), Narben1) etc. (cf. S. 241). Auch die Beimischung von gasförmigen Irritantien zur Luft, z. B. schwefliger Säure und anderer Säuredämpfe kommt in Betracht, ferner die Bei- mischung von scharfem Rauch u. dergl. In geringerem Grade schädlich wirkt schon der regelmäßige Aufenthalt in schlecht ventilierten Räumen, besonders wenn in denselben im Dämmerlicht oder bei mangelhafter Beleuchtung und schlechter Körperhaltung die Augen angestrengt werden. Je nachdem die genannten Schädlichkeiten einen einmaligen heftigen oder längerdauernden weniger starken Reiz ausüben, wird ein akuter Katarrh oder ein mehr chronischer Reizzustand ver- schiedenen Grades die Folge sein. Es gibt zahlreiche Bindehaut- reizungen, besonders chronische, welche lediglich solche physikalisch- chemische Ursachen haben; man findet dann in dem Sekret nichts oder nur die gewöhnlichen Schmarotzer der Konjunktiva, also be- sonders Staphylokokken und Xerosebazillen. Wenn die genannten Schädlichkeiten gleichzeitig auf viele Menschen, z. B. in geschlossenen Anstalten eingewirkt haben, so können scheinbar „Epidemien'' vor- handen sein, ohne daß jedoch irgend welche Ansteckung geschehen ist. In zahlreichen anderen Fällen wirken die physikalisch-chemischen Schädlichkeiten disponierend, bahnen der Infektion den Weg oder steigern und unterhalten eine infektiöse Entzündung. Wie weit die einzelnen Arten der Infektion auf solche disponierende Momente angewiesen sind, wird noch erwähnt werden. Deshalb gehört zur Prophylaxe und Therapie aller Bindehaut leiden, daß man auf die genannten physi- kalisch-chemischen Schädlichkeiten achtet! ad 2. Infektion. Über 2/s aller Bindehautentzündungen sind sicher infektiöser Natur. Liegen nicht besondere physikalisch- chemische Insulte ohneweiteres zutage, so werden wir bei den selb- ständigen Bindehautentzündungen immer in erster Linie an eine Infektion denken. Vorwiegend handelt es sich um Übertragung der Keime von außen her. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß unter Umständen auch latent auf der Bindehaut als Saprophyten vorhandene Keime virulent werden und Entzündung erzeugen können; also eine Art Selbstinfektion. Das ist z. B. für manche sporadischen Fälle von akuter Pneumokokken Konjunktivitis anzunehmen. Virulenz- steigernd bezw. disponierend wirken hier vielleicht auch „Erkältungen", die ja auch für die Pneumonie bedeutsam sind. Auch bei manchen Katarrhen mit massen- haftem Staphylococcus aureus mag es sich um Vermehrung der präexistierenden Staphylokokken handeln, deren pathogene Bedeutung für die Bindehaut allerdings nicht erheblich zu sein pflegt. Ferner können in der Nase vorhandene Keime auf die Bindehaut übertragen werden. Es kann ferner die Bindehaut direkt von infektiösen Prozessen der Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen werden, von einer Blepharitis, einer Dacryocystis. i) Es liegt in der Natur der Sache, daß solche Fälle nicht selten ein- seitig sind. Man soll deshalb bei einseitiger Konjunktivitis besonders sorgfältig nach derartigen lokalen Ursachen suchen und dabei beachten, daß auch Erkrankungen des Tränensacks, Stenosen des Ductus nasolacrimalis, Lid- randveränderungen die zugehöiige Bindehaut in Mitleidenschaft ziehen können. 280 A xenf eld, Die Arbeiten der letzten 20 Jahre haben für eine Anzahl Keime mit voller Sicherheit den Beweis erbracht, daß sie eine Konjunktivitis erzeugen können. Am schlagendsten ist dies dadurch nachgewiesen, daß sich mit Reinkulturen auf der Konjunktiva von Ärzten, welche sich für solche Versuche aus wissenschaftlichem Eifer zur Verfügung stellten, die typischen Katarrhe erzeugen ließen. Durch genaue Ver- folgung des Sekretbefundes und des klinischen Verlaufes dieser Impffälle und Vergleich mit demjenigen bei zahlreichen Kranken sind wir dazu gekommen, die Mehrzahl der ätiologischen Diagnosen aus dem Sekretbild stellen zu können und die wesentlichen Bakterien von Nebenbefunden (Begleitbakterien) zu unterscheiden. Hinsichtlich der Übertragbarkeit ist zu bemerken, daß in erster Linie direkter oder indirekter Kontakt in Betracht kommt, d. h. die unmittelbare oder die durch gemeinsame Benützung von Handtuch, Taschentuch, Waschzeug vermittelte Übertragung von Sekret. Eine gewisse Übertragung bei sehr ansteckenden Katarrhen ist insofern durch die Luft denkbar, als beim Husten und Niesen die durch den Ductus nasolacrimalis in die Nase und den Rachen transportierten Keime als feinste Tröpfchen verstäubt und übertragen werden können. Deshalb sollen solche Kranke nur ins Taschentuch husten und niesen. Da die verschiedenen Konjunktivitiserreger infolge ihrer wechseln- den Virulenz und Menge, sowie der verschiedenen Empfänglichkeit des Patienten nicht immer die gleichen Erscheinungen hervorrufen, so ist eine Einteilung allein nach den Erregern nicht durchführbar. Im Gegenteil haben wir die alte klinische Einteilung in Conjunctivitis simplex (seu catarrhalis, acuta, chronica), „ pseudomembranosa (diphtherica), „ blennorrhoica, „ granulosa (Trachom), „ folliculosa beizubehalten. Aber die bakteriologische Sekretuntersuchung hat diese klinische Untersuchung in wertvoller Weise ergänzt. Manches klinische Krankheitsbild kann eben eine verschiedene infektiöse Ätiologie haben, und diese zu kennen, ist für Prognose, Kontagiosität und Therapie von Bedeutung. Besonders nützlich ist die Sekretuntersuchung für die Definition von Epidemien und die speziellen hygienischen Maßregeln, „ die frühzeitige Erkennung und Beurteilung schwerer Ent- zündungen, „ die individuelle Beurteilung wie Behandlung zahlreicher Fälle. Es kann vom praktischen Arzt natürlich nicht erwartet werden, daß er sich auf dieses Gebiet näher einarbeitet; für ihn bleibt das klinische Bild maßgebend. Aber eben so gut, wie er gonorrhoischen Eiter im einfachen Ausstrichpräparat nach der G ramschen Methode zu untersuchen eingeübt wird, kann er mit derselben Methode einige Haupttypen der Konjunktivitiserreger nach- zuweisen lernen und diese Kenntnis öfter nutzbringend verwenden; mindestens kann er bei Epidemien, in schweren Fällen, soweit er letztere nicht in die Klinik schicken kann, das auf einen Objektträger verstrichene Sekret zur näheren Bestimmung in ein hygienisches Untersuchungsamt oder eine benachbarte Augenklinik schicken. Erkrankungen der Konjunktiva. 281 Zur Vornahme einer Sekretuntersuchung sind folgende Gesichtspunkte von Bedeutung: 1. Es muß im richtigen Stadium Material entnommen werden, d. h. während des Ansteigens oder auf der Höhe der Erkrankung. Während des Abklingens sind die Erreger oft schnell verschwunden und nicht mehr mit Sicher- heit nachzuweisen, während die gewöhnlichen Saprophyten (Staphylokokken und Xerosebazillen) wieder massenhaft hervortreten können. 2. Es muß Eiter oder Schleim entnommen werden, nicht nur Tränenflüssigkeit. 3. Am besten entnimmt man von der Konjunktiva, nicht vom Lid- winkel oder von den Lidrändern, wo schnell eine starke Verunreinigung mit Hautkeimen stattfindet. Ist allerdings auf der Bindehaut kein Sekret vorhanden, so ist der im inneren Lidwinkel auf der Karunkel vorhandene Schleim zu nehmen. Da die Erreger die für gewöhnlich vorhandenen Saprophyten der Binde- haut (einzelne Xerosebazillen und Staphylokokken) zu verdrängen oder doch an Zahl sehr zu übertreffen pflegen, so lassen sich die Diagnosen der verschiedenen Infektionen zumeist aus dem Deckglas-Sekretpräparat unter Zuhilfenahme des Gramschen Verfahrens stellen1). Die Diagnose der Diphtheriebazillen bedarf wegen der großen Ähnlichkeit der nicht giftigen sogenannten Xerosebazillen (cf. Abb. 272 auf S. 334, sowie im Abschnitt „Tränenorgane", S. 260 Abb. 224) der Kultur und des Tierversuchs. Schließlich bleibt ein Teil der Konjunktivalentzündungen, bei denen weder die bereits aufgeführten physikalisch- chemischen Reize als Ursache nachweisbar sind, noch im Sekret die als Erreger sichergestellten Bakterien sich finden. Es sind das teils Fälle von einfachem Schwellungskatarrh, teils solche von phlyktänulärem s. ekzematösem Habitus (Bildung von Phlyktänen, cf. S. 303). Grade beim sogenannten skrofulösen Schwel- lungskatarrh ist oft das Sekret frei oder sehr bakterienarm. Sehen Wir vom Trachom ab, dessen infektiöse Natur ja zweifellos ist, ob- wohl der Erreger noch nicht endgültig festgestellt werden konnte, so bleiben für diesen bakteriell nicht definierbaren Rest von Binde- hautentzündungen folgende Möglichkeiten: 1. Es kann sich um noch nicht nachweisbare Erreger handeln. 2. Es handelt sich um endogen (hämatogen) erzeugte Binde- hautentzündung, bei der die Noxen in den Gefäßen sitzen, aber nicht in den Bindehautsack überzutreten brauchen. Daß es solche endogenen Katarrhe gibt, wird besonders deutlich be- wiesen durch das Vorkommen von doppelseitiger Bindehautentzündung mit nega- tivem Sekretbefund gleichzeitig mit Anfällen von Tripperrheumatismus. Es handelt sich dabei um Metastasen auch in der Konjunktiva. [Diese Form der Konjunktivitis ist nicht so schwer eitrig, wie die von außen übertragene Gonorrhoe, aber hartnäckig und rezidiviert gern mit den Gelenkanfällen.] !) Nachdem das Sekret auf dem Objektträger dünn verrieben und luft- trocken geworden ist, wird es 3mal durch die Flamme gezogen. Dann Färben mit Anilin wassergentianaviolett, dann kurzes Überschichten mit Lugolscher Lösung, dann Entfärben im Alkohol, bis keine Farbwolken mehr abgehen. Ab- spülen mit Wasser. Nachfärben einige Sekunden mit wässeriger Saffranin- lösung. Abspülen mit Wasser, Trocknen mit Fließpapier. Dann Untersuchung in Öl. Die Gram - negativen Bakterien geben im Alkohol das Violett ab, und färben sich dann mit der Kontrastfarbe (Sartranin) rot; die G r a m - positiven bleiben blau-violett. 282 Axenfeld, Vielleicht kommen solche metastatischen Katarrhe auch sonst vor; Infektionen des Blutes geschehen ja oft ganz unmerklich, auch ohne, daß allgemein krankhafte Erscheinungen deutlich zu werden brauchen. . Vielleicht sind auch manche exanthematische Konjunktivitiden (z. B. bei Masern) hämatogen. .,,■,.. Ob auch zirkulierende Toxine sich genügend in der Bindehaut lokalisieren können, um einen Katarrh zu erzeugen, ist noch unsicher. Conjunctivitis simplex. (Einfacher Katarrh.) Wir nennen eine Bindehautentzündung eine Conjunctivitis „simplex" wenn Einlagerungen (Trachomkörner, Pseudomembranen), Geschwüre, Narben, schwere Eiterung fehlen und nur die gewöhn- lichen Zeichen des Katarrhs: Sekretion, Rötung und Schwellung der Bindehaut bestehen. Nach Beginn und Verlauf kann man unterscheiden: Conjunctivitis simplex acuta oder Akuter Schwellungs« katarrh und Conjunctivitis simplex chronica. 1. Die einfache akute Konjunktivitis. (Akuter Schwellungskatarrh.) Klinisches Bild: Unter Jucken, Sandkorn- und Hitzgefiihl, oft auch Lichtscheu, beginnen die Lider leicht zu schwellen, ihre Ränder sich zu röten; das Oberlid sinkt herab („das Auge wird kleiner"). Es stellen sich Tränen und bald auch schleimige Absonderung ein, die des Nachts die Lid- ränder verklebt und in den Wimpern festtrocknet, bei Tage be- sonders am innern Winkel zutage tritt. Immer häufiger und reich- licher werden solche schleimig-eiterige Flocken abgesondert, in schweren Fällen schließlich fast kontinuierlich. Dies Höhestadium ist schnell er- reicht, mitunter schon innerhalb von 24 Stunden. Die Konjunktiva zeigt sich stark diffus gerötet, mit einem Stich ins Bläuliche, ihre Oberfläche glänzend; der Übergangsteil drängt sich infolge Schwellung faltig hervor; die Zeichnung des Tarsus kann durch die hyperämische und geschwellte Conjunctiva tarsi verdeckt sein. Tupft man die Feuchtigkeit und die Sekretflocken ab, so erscheint die Conjunctiva tarsi glatt oder doch nur leicht gestichelt. Auch die Conjunctiva bulbi ist mitgerötet, besonders nach den Übergangsfalten hin und soweit die Lider mit ihr in Berührung liegen. In dem meist weniger beteiligten, aber auch geröteten Lidspaltenteil ist besonders die Injektion der Karunkel und der Plica semilunans auffällig. Bei schweren Fällen kann die Bindehaut des Bulbus sogar leicht ödematös aussehen, und nicht selten findet man, besonders in der oberen Conjunctiva bulbi, verwaschene subkonjunktivale Blutungen (ganz besonders bei der akuten Pneumokokkenkonjunktivitis). In selteneren Fällen bilden sich am Limbus corneae phlyktänenartige gelbliche Herdchen, welche sich bald öffnen und zurückbilden. Die Präaurikulardrüse ist oft auf Druck empfindlich und etwas verdickt. Erkrankungen der Konjunktiva. 2s3 Die Entzündung hält sich verschieden lange auf der Höhe. Nur ausnahmsweise bei schweren Fällen kann durch die Schmerzen, die Schlaflosigkeit, mitunter auch durch Fieber das Allgemeinbefinden dabei erheblich gestört sein. Dann klingt der Katarrh ab, besonders wenn eine geeignete Be- handlung Platz greift, Als Komplikation treten bei manchen schweren Fällen ober- flächliche Infiltrate und Llcera der Hornhaut auf, besonders in der Nähe des Randes (katarrhalische Geschwüre); dieselben nehmen aber nur ausnahmsweise eiterigen Charakter an und pflegen mit Rück- gang des Katarrhs unter Hinterlassung oberflächlicher Hornhaut- narben zu verschwinden. Oft geht voraus oder folgt ein Schnupfen, in welchem man die gleichen Erreger finden kann, wie auf der Bindehaut. In den meisten Fällen ist die akute Konjunktivitis doppelseitig; die beiden Augen erkranken aber nicht selten einige Tage nach einander. Soweit man bei oder nach solchen akuten Katarrhen Fo 11 ike 1, d.h. rund- liche Körner findet, haben sie in einem großen Teil der Fälle schon präexistiert. Ob es sich dabei um eine Kombination mit Trachom oder mit gutartigen Follikeln (Conjunctivitis follicularis) handelt, wird sich nach Abklingen des akuten Katarrhs zeigen (cf. „Trachom" S. 310 u. 314). In anderen Fällen sind die Follikel wohl auch die Folge des Katarrhs (akute Conjunctivitis follicularis), oder eine zum Katarrh hinzutretende eigene follikuläre Erkrankung oder auch ein „akutes Trachom" (cf. auch hierüber „Trachom", S. 310). Die Rückbildung des Katarrhs kann krisenartig einsetzen (be- sonders bei der Pneumokokkenkonjunktivitis), bei anderen Fällen geschieht sie allmählicher. Die Lidschwellung, die Sekretion, die In- jektion nehmen ab; je nach der Schwere des Falles dauert es Tage bis Wochen, bis alles verschwunden ist. Außer dem geschilderten Vollbilde gibt es auch leichtere Verlaufs formen (bei gleicher Ursache) mit geringerer Beteiligung der Conjunctiva bulbi usw. Schon auf dem an zweiter Stelle erkrankten Auge verläuft der Katarrh oft milder; und auch sonst gibt es mehr abortive Fälle, deren Sekret aber bei anderen, empfänglicheren Leuten wieder sehr heftige Entzündung bewirken kann. Die Ätiologie ist, wie schon erwähnt, sehr oft eine bakterielle. In erster Linie hat man an die K och-Weekssehen Bazillen und an Pneumokokken zu denken. Akute Epidemien von Bindehautentzündungen werden in allererster Linie durch solche Infektionen hervorgerufen. Sie sind also als ansteckungsgefährlich anzusehen, freilich in verschie- denem Grade je nach der besonderen Ätiologie, der Virulenz des Sekretes, der Übertragungsgelegenheit, der Empfänglichkeit. a) Die akute kontagiöse Konjunktivitis des Koch-Weeks sehen Bazillus gibt infolge ihrer hochgradigen Kontagiosität für Personen jeden Alters gern zu großen Epidemien Veranlassung, besonders zur Sommerzeit. Freilich kommt sie nicht überall gleich häufig vor; die Konjunktivitis kann für längere Zeit vorschwinden, oder sich auf leichtere sporadische Fälle beschränken, um dann unter unbekannten klimatischen oder atmosphärischen Einflüssen wieder zu heftigen Epidemien zu führen. In Ägypten und in manchen Orten der Vereinigten Staaten 284 Axenfeld, kehren diese Sommerepidemien fast regelmäßig wieder; auch in anderen Ländern hält sich dieser Katarrh endemisch. In Deutschland ist bisher nur in Hamburg eine größere Epidemie, an vielen Orten aber ein sporadisches Vorkommen be- obachtet. Die bakteriologische Diagnose ist an den zahlreichen, sehr kleinen schlanken, nach Gram sich entfärbenden Bazillen schon im Deckglas- präparat sicher zu stellen (Abb. 240). Diese Bazillen sind den Influenzabazillen ähnlich, aber schlanker und dünner. Beim Ausbruch von Epidemien sind die Schulen unbedingt zu schließen. V r* ■H Vvi »■''7 ■■•']' v "V V Fig.240. Ausstrichpräparat Fig. 241. Diplobazillen Fig. 242. Ausstrichpräparat einerConjunctivitissimplex (zur Differentialdiagnose). einerConjunclivitissimplex acuta mit K och-Weeks- Große, plumpe Gram-nega- acuta mit Pneumokok- Bazillen Sehr kleine,Gram- tive Doppelbazillen. ken. Gram-positive (blaue), negative (rotgefärbte) Ba- z. T. deutlich längliche (lan- zillen. ceoläre) Doppelkokken. b) Die Pneumokokken- Konjunktivitis ist für Deutschland jeden- falls von allgemeinerer Wichtigkeit. Daß sie auch zu größeren Epidemien führen kann, beweisen die Beobachtungen in Marburg, Würzburg, Königs- berg , Rostock, Wien, den Vereinigten Staaten. Auch die Pneumokokken- Konjunktivitis stellt meist einen gutartigen, akut einsetzenden Katarrh dar, der auch bei stürmischen, heftigen Erscheinungen in der Regel nach wenigen Tagen spontan und oft geradezu kritisch (wie die Pneumonie) von seiner Höhe ab- fällt. Die Pneumokokken verschwinden mit der beginnenden Besserung auf- fällig schnell und sind in der abklingenden Sekretion oft nicht nachweis- bar. Ausnahmsweise kommt es zu oberflächlichen Pseudomembranen, sehr selten sind Hornhautveränderungen. Auffallend ist oft die starke Mitbeteiligung der Conjunctivitis bulbi, auch bei leichteren Fällen. Die Krankheit befällt besonders gern Kinder; sie ist nur bedingt kontagiös, indem öfters vergeblich Sekret- Übertragungen auf den Menschen gemacht worden sind. Dagegen ist es in anderen Fällen gelungen, positive Impfungen vorzunehmen. Während der eiterigen Ab- sonderung ist die bakteriologische Diagnose der bekannten länglichen, nach Gram sich positiv färbenden Diplokokken sehr leicht (Fig. 242). Beim Ausbruch von Epidemien, wenn dieselben nicht etwa ungewöhnlich heftig sind, genügt es, nur die erkrankten Kinder vom Schulbesuch auszu- schließen. Als seltenere Erreger akuter Konjunktivitis sind noch Diplobazillen (die so sehr oft chronische Konjunktivitis erzeugen), Influenzabazillen, Pneumo- bazillen, Bacterium coli, Streptokokken zu nennen. Doch haben dieselben keine allgemeine Bedeutung und kommen für Epidemien nicht in Betracht. Es gibt bei Skrofulösen nicht selten akute Schwellungskatarrhe ohne wesentlichen bakteriellen Sekretbefund. Das gleiche gilt für manche sporadischen Fälle mit negativem oder unzureichendem Bakterienbefund. In Betracht kommen hier auch hämatogene (metastatische) Entzündungen (cf. S. 281 die nieta- statisch-gonorrhoische Form). Erkrankungen der Konjunktiva. 285 Daß Traumen, Verätzungen das Bild des akuten Katarrhs aus- lösen können, wurde bereits auf S. 278—280 erwähnt. Auch die akute Konjunktivitis durch Heuschnupfen ist hier zu nennen. Sie entsteht, wie dieser selbst, durch den Pollenstaub von Gramineen und zwar durch die darin enthaltene chemisch reizende Substanz. Die Konjunktivitis setzt akut während der Grasblüte ein und erregt heftiges Jucken und Tränen; dabei pflegt nur wenig katarrhalische Absonderung zu bestehen. Auf manche Fälle — aber keineswegs auf alle — haben das DunbarschePollantin oder das Weichard t- sehe Graminol Einfluß; Kokain, Adrenalin lindern vorübergehend, anhaltender noch Einstäubung (und Schnupfen) von kleinen Mengen des (völlig ungiftigen) Anästhesin (Höchster Farbwerke). Auch das Einträufeln 1—3°/oiger Lösungen von Kai. chloric. wirkt auf manche Fälle günstig, ferner kalte Kompressen, oft auch ein Klimawechsel. Einfache (nicht eigentlich blennorrhoische) Katarrhe sind häufig auch beim Neugeborenen. Es handelt sich bei ihnen nur sehr selten um milde Gonorrhöen, meistens um Infektion mit harmloseren Keimen (besonders Pneumokokken, Bacterium coli, Staphylokokken). Auf das Zustandekommen dieser einfachen Neugeborenen- katarrhe haben mechanische und chemische Reizungen der Binde- haut bei und nach der Geburt (Quetschungen bei langem Partus, Hineinkommen von zersetzen Sekreten, Seifenwasser usw.) erheblichen Einfluß; in manchen Fällen, wo sich im Sekret gar keine oder nur nebensächliche (— vereinzelte Sta- phylokokken und Xerosebazillen) Keime finden, ist solch ein „Trauma" als die wesentliche Ursache anzusehen. Da diese Neugeborenenkatarrhe einer beginnenden Blennorrhoe resp. Gonorrhöe gleichen können, ist ihre baldige ätiologische Bestimmung zur recht- zeitigen Unterscheidung sehr nützlich. Diese Katarrhe bedürfen natürlich nicht der scharfen Maßregeln, welche die Gonorrhöe erfordert. Auch wenn ein nicht gonorrhoischer Katarrh sich zu einer Blennorrhoe steigert, so ist doch, wenn nicht jetzt Gonokokken auftreten, die Ansteckungsgefahr und die Gefahr der Hornhautkomplikation nicht entfernt so groß, wie bei der Gonorrhöe, Prognose und Therapie deshalb von vornherein viel milder. Es ist bei diesen Neugeborenenkatarrhen, besonders den ein- seitigen, immer auch zu beachten, ob nicht ein angeborenes Tränen- leiden besteht, infolge mangelnder Öffnung des Ductus nasolacrimalis. Es Fig. 243. Akuter Konjunktivalkatarrh. Infiltration des adenoiden Ge- webes. In dem infiltrierten Epithel massenhaft (dunkle) Becherzellen in allen Schichten. 286. Axenfeld, läßt sich alsdann aus dem Tränensack Sekret ausdrücken (cf. S. 260 u. 268). Verliert sich die Retention und der Katarrh im Tränensack nicht unter täglichem öfterem Ausdrücken, so bedarf ein solcher. Fall der Sondierung. Pathologisch-anatomisch findet man die Bindehaut bei der Conjunc- tivis simplex gelockert, ihre Gefäße hyperämisch und infiltriert, die adenoide Schicht dicht von Leukozyten durchsetzt, welche auch das Epithel durchdringen. Im Epithel massenhaft Schleimzellen (Becherzellen). Vergl. Abb. 243. Die Prognose ist im allgemeinen gut; die Pneumokokken- konjunktivitis, auch wenn sie sehr stürmisch auftritt, pflegt sogar fast immer spontan schnell abzufallen und fast nie der Hornhaut zu schaden. Die Koch-Weekssche kann schon hartnäckiger sein und bedarf jedenfalls energischerer Behandlung, damit sie und ihre Er- reger völlig verschwinden. Sehr hartnäckig kann der (metastatische) gonorrhoische Schwel- lungskatarrh sein. Therapie. Das Verkleben der Lidränder während der Nacht ist durch Aufstreichen einer indifferenten Lidsalbe (cf. S. 19) zu ver- hindern. Das Sekret ist öfters mit etwas 1—2°/o Borlösung ab- zuwaschen. Gegen die Schmerzen sind kalte Umschläge, eventuell Eis an- genehm (cf. S. 8). Sobald die Schleimabsonderung begonnen hat, kann auf die leicht (mit 1 Tropfen 2°/o Kokain) anästhesierte Bindehaut nach Ektropionierung (Technik cf. S. 15 u. 16), 1—2°/o Argentum nitricum aufgeträufelt oder aufgepinselt werden (cf. S. 15 u. 3 6), mit anschließender Neutralisation mit Kochsalzlösung; man läßt gleich nachher wieder Kompressen machen. Das Argentum nitricum ist das vorzüglichste Mittel gegen katarrhalische Sekretion der Bindehaut. Es vernichtet an der Oberfläche und auch in den obersten Epiihelscbichten die Bakterien; der sich abstoßende zarte Schorf hüllt alles ein und mit der Abstoßung der weißlichen Membranen — (7s—1 Stunde nach dem Tuschieren) fühlen die Kranken sich wesentlich erleichtert. Bei leich- teren Fällen genügt einmalige Argentumanwendung, um den Umschwung herbei- zuführen, in schweren bedarf es erneuter Tuschierung, nach 24 Stunden, wenn der Schorf der vorigen Ätzung abgestoßen ist. Geht der Katarrh zurück, so kann man zur Nachbehandlung Zincum sulfuricum 1/2°/o oder Natr. biborac. 2—4% täglich ein- träufeln lassen. Für ganz leichte Fälle genügen solche Mittel über- haupt. Bleiben Follikel zurück, so kann man einigemal den Alaun- stift oder den Kupferstift anwenden. Gegen die metastatische (gonorrhoische) Konjunktivitis sind Atzungen wenig wirksam. Man beschränkt sich auf Kompressen, gibt aber außerdem innerlich Aspirin und behandelt antirheumatisch. 2. Die einfache chronische Konjunktivitis. Klinisches Bild. Die Beschwerden (Fremdkörpergefühl, Jucken, Brennen, besonders an der Lampe, in Staub, Hitze, blenden- dem Licht, bei der Arbeit, Gefühl der Schwere der Lider und der Trockenheit, besonders auch beim Erwachen, Lichtscheu) sind von wechselnder Stärke. Es ist sogar nicht selten, daß von indolenteren Personen ein chronisches Bindebautlaiden kaum oder nur gelegentlich Erkrankungen der Konjunktiva. 287 empfunden wird, während bei nervös empfindlichen Menschen stärkere Beschwerden selbst bei sehr geringem Befund vorkommen. Äußerlich fallt oft Lidrandrötung auf, die Augen sehen aus, wie „verweint", die Augen tränen leicht. Zahlreiche Fälle zeichnen sich durch eine erythematöse Rötung der Haut an den Lidwinkeln aus. Die Sekretion ist meist nicht erheblich, dabei oft zäh, faden- ziehend, untermischt mit weißlichem, feinen Schaum (dem gesteigerten Sekret der Meibomschen Drüsen). Die Schleimhaut ist gerötet, die Rötung ist oft mehr gelb- lich-rot und beschränkt sich in vielen Fällen auf die Conjunctiva tarsi. Nur selten, besonders bei gleichzeitigem Ektropium ist die ganze Bindehaut stärker verdickt, samtartig, blutrot injiziert (vrgl Abb. 211 im Abschnitt „Lider" S. 249). Ganz leichte Grade zeigen nur geringe Injektion und Spuren von Sekret im Winkel, am reichlichsten noch morgens früh nach dem Erwachen. Diese letzteren Formen werden auch als Conjunctivitis sicca oder Catarrhus siccus bezeichnet. Soweit es sich nicht um die leichtesten, fast latenten Grade einer Diplo- bazilleninfektion, oder Teileischeinung einer leichten (aber oft übersehenen) Se- borrhöe der Lidränder oder squamösen Blepharitis (cf. S. 229) handelt, haben wir es mit einem Zustand der chronischen Hyperämie zu tun, wie er beim Arbeiten in überfüllten, überheizten, staubigen oder schlecht ventilierten Räumen, bei Überanstrengung der Augen eintritt. Es sind das Schädlichkeiten, auf welche die verschiedenen Individuen verschieden stark reagieren. Bei vielen Fällen treten ohne erhebliche Absonderung n der leicht geröteten Konjunktiva Tarsi des Oberlides die Papillen als kleinste Spitzchen hervor; besonders wenn man mit etwas Watte vorsichtig die Feuchtigkeit abtupft, sieht man die feine samtartige Uneben- heit. Die Zeichnung der Meibom sehen Drüsen pflegt trotzdem durchzuschimmern. Häufig gesellt sich zur chronischen Konjunktivitis die Bildung einzelner Follikel an der unteren Übergangsfalte, aber nicht selten auch in der oberen, besonders nahe den Winkeln. Diese Follikel pflegen klein, verhältnismäßig hell und scharf abgesetzt, die umgebende Schleimhaut nur wenig gerötet zu sein. Mitunter findet man diese Follikel in Schulen und anderen Anstalten bei den meisten Schülern in der fast reizlosen Bindehaut, ohne daß dies eine an- steckende Krankheit zu sein braucht. Natürlich dürfen solche „Schulfollikel" nicht für ein Trachon gehalten werden (vergl. S. 315). Es sei übrigens hier hervorgehoben, daß eine solche chronische Follikel- bildung doch auch infektiös sein kann. Ich habe mich selbst mit positivem Erfolg mit einem solchen Follikel von einer latenten Waisenhausendemie geimpft. Daß es sich aber nicht um Trachom handelte, geht daraus hervor, daß bei den Kindern und bei mir die Follikelbildung ohne Behandlung und ohne Narben- bildung verschwunden ist. Die mit reichlicher Follikelbildung in der entzündeten Schleim- haut einhergehenden Fälle nennt man auch im besonderen chro- nische „Conjunctivitis folliculosa". Ihre Unterschiede gegenüber dem Trachom sind S. 315 näher erörtert. Die Bindehaut ist bei der Conjunctivitis folliculosa nicht diffus verdickt, so daß man den Tarsus mit den Meibomschen Drüsen gut erkennen kann, während der- 2Ö8 Axenfeld, selbe durch eine trachomatöse Infiltration bald verdeckt zu werden pflegt. Auf jeden Fall unterscheidet der weitere Verlauf. Ätiologie. In vielen Fällen tritt chronische Konjunktivitis als Folge von physikalisch-chemischen Reizen auf: Arbeit in Staub, Dampf, Rauch etc. (cf. S. 278), als Folge von Ektropium, welches die Schleimhaut dem Kontakt der Luft aussetzt, ferner infolge mangel- haften Schlusses der Lidspalte, reibender Zilien. Auch die Bildung harter, kleiner, kreidig-gelblicher Konkremente in der Binde- haut, ferner abnorme Sekretanhäufung in den Meibomschen Drüsen, sowie Chalazionbildung kann den Reiz abgeben. Auch Blepharitis, Ekzeme, Acne rosacea etc. der Lidhaut, Tränensackleiden, ziehen die Bindehaut in chronische Mitleidenschaft. Besonders bei einseitiger chronischer Konjunktivitis sind sehr oft solche anderweitigen lokalen Veränderungen im Spiel! Soweit eine bakterielle Infektion die Ursache ist, so geht eine akut katar- rhalische Entzündung der Bindehaut (vergl. voriges Kapitel) verhältnismäßig selten in „f£ eine chronische Entzündung über. Viel häu- ^fft/> , .»,SI| figer entwickeln sich die infektiösen chro- nischen Entzündungen von vornherein sub- akut oder ganz schleichend. In erster Linie kommt in Betracht die Infektion mit dem Morax-Axenfeldsehen Diplobazillus. Dieser, auf der ganzen Welt weit verbreitete, sehr leicht nachweisbare Doppelbazillus verursacht einen großen Teil der chronischen Bindehautentzün- dungen; besonders oft ist dabei die Lid winkel- haut gerötet (Blepharokonjunktivitis). Diese Infektion ist sehr ansteckend, die Sekretion aber meist so gering, daß es trotzdem zur Entstehung von Epidemien nicht kommt. Sehr häufig sind dagegen kleinere Endemien in Familien usw. Pathologisch-anatomisch ist der Befund ähnlich, aber weniger hochgradig und infiltrativ, wie bei der akuten Form. Außerordentlich reichlich aber pflegen Becherzellen zu sein. Bei alter Conjunctivitis chronica, besonders bei gleichzeitigem Ektropium ist oft das Epithel gewuchert, an anderen Stellen mehr trocken (verhornt, xero- tisch) cf. Abb. 245). # Fig. 244. Ausstiichpräparat einer Conjunctivitis chro- nica mit Diplobazillen. Große, Gram- negative (rote) Doppelbazillen, z. T. in kurzen Ketten. Fig. 245. Epithelwucherungen und Infiltration in der Konjunktiva bei chronischer (Diplobazillen-) Konjunktivitis mit Ektropium. Erkrankungen der Konjuiktiva. 289 Komplikationen und Prognose. Nicht selten bilden sich Horn- hautinfiltrate und Ulcerationen, besonders in der Nähe des Randes (katarralische Geschwüre); dieselben können auch eiterigen Charakter annehmen. Auch wenn kleine Verletzungen die Hornhautoberfläche treffen, kann die Konjunktivitis zu septischer Infektion führen. Des- halb ist besonders die arbeitende Bevölkerung durch solche Bindehaut-Entzündungen gefährdet! Die chronische Konjunktivitis ist nur bei konsequenter, dem einzelnen Falle angepaßter Therapie zu beseitigen. Ganz veraltete Entzündungen bei mangelhaftem Schluß der Lidspalte, abgestumpften Lidrändern, Obliteration der Tränenwege lassen sich nicht selten überhaupt nur noch bessern, nicht mehr vollständig heilen. Therapie. Veränderungen an den Lidern (Blepharitis, Stellungs- anomalien) und ihren Drüsen, an den Tränenwegen, ferner traumatische, chemische Reizungen müssen beseitigt und vermieden werden. Finden sich im Sekret Diplobazillen, so ist das Zincura sul- fur i cum (V2°/o, cf. S. 18) ein geradezu souveränes Mittel. Es verdankt sicher seine alte Beliebtheit der auffälligen Heilwirkung auf diese so zahlreichen Fälle. So außerordentlich hartnäckig diese In- fektion ist, derart, daß selbst in vielen Jahren eine Spontan- heilung nicht vorzukommen pflegt, so bessern sich doch die ältesten Fälle auf wiederholte Zinkeinträufelungen sehr schnell. Eine dauernde Heilung erreicht man allerdings nur, wenn man auch nach dem Verschwinden der entzündlichen Symptome konsequent wochen- lang weiter einträufelt, im ganzen mindestens 6 Wochen lang. Kehrt trotzdem die Entzündung wieder, so ist erneute wochenlange Ein- träufelung angezeigt. Wesentlich unterstützt wird die Wirkung durch abendliches Aufstreichen einer Zinksalbe (cf. S. 19). Besonders die Fälle mit Lidwinkelerythem sind dieser Ätiologie verdächtig und jedenfalls zunächst einer Zinktherapie zu unter- werfen. Das Zink wirkt übrigens auch auf ätiologisch andersartige Ent- zündungen ein, nur nicht so schnell und sicher. Kommt man mit ihm nicht weiter, so kann man auch einmal Argentum nitricum l°/o cf. S. 18) anwenden. Im allgemeinen aber ist letzteres Mittel auf die Fälle mit stärkerer Absonderung und Schleimhautschwellung zu beschränken. Bei den ganz chronischen, fast latenten und sekret- losen Fällen mit Follikelentwickelung der Conjunctivitis sicca, ist ein häufigerer Argentum-Gebrauch nicht angebracht1). Über- haupt ist die fortgesetzte Anwendung stärkerer Reizmittel nicht zu empfehlen. Manche Fälle befinden sich im Gegenteil am besten mit ganz schwachen Zinklösungen (Vio—xA°/o). In anderen Fällen ist ein leichtes Tuschieren mit dem Alaunstift nützlich. Auch eine ganz leichte medikamentöse Wattemassage (cf. S. 320) mit 1 : 2000 Sublimat oder Hydrarg. oxycyanat. wirkt manchmal „umstimmend". Man kann auch ab und zu eine Massage der Bindehaut derart vornehmen, daß man das Lid zwischen zwei Glasstäbchen massiert; besonders wenn ') Bei fortgesetztem Gebrauch von Silberpräparaten kann es zu Agy- rose (schmutziggrauer, irreparabler Verfärbung der Bindehaut, auch des Bulbus) kommen. Auch die neueren, weniger ätzenden Silberverbindungen (Protargol, Agyrol etc.) können dazu führen und sind deshalb nur unter Kontrolle und nur kurze Zeit zu gebrauchen. 290. Axenfeld, gleichzeitig in den Meibomschen Drüsen abnorme Sekretmengen liegen, wirkt das günstig. Von anderer Seite wird bei alten Fällen trockener Konjunktivitis eine Abschabung des Epithels gerühmt. Die Zinktherapie kann von dem Patienten zu Hause gemacht werden, nachdem man ihm die Technik der Einträufelung gezeigt hat. Zur häuslichen Behandlung eignen sich ferner als milde Ad- stringentien auch das Natr. biboracicum (cf. S. 18), das Collyrium adstringens. Kühle Kompressen (cf. S. 8), des Abends Lidsalben (die l°/o gelbe u. a., cf. S. 19) wirken lindernd. Eine vorübergehende Abblassung läßt sich durch Einträufeln von Suprarenin (1:1000) oder Adrenalin erzielen; es wird das oft sehr an- genehm empfunden, besonders auch in kosmetischer Hinsicht in der Praxis elegans. Kokaineinträufelungen sind dagegen im allgemeinen zu vermeiden (cf. S. 7), höchstens gelegentlich sind sie statthaft. Sehr nützlich ist es, bei hartnäckigen Fällen von chronischer Konjunktivitis die Nase zu untersuchen. Die Beseitigung chronischer Nasenleiden beschleunigt oft sehr erheblich die Heilung. Ebenso ist auf Entzündungen der Gesichtshaut (chron. Ekzem, Akne) zu achten, ferner auf konstitutionelle Störungen, besonders Anämie, Skrofulöse, Obstipation. Optische Überanstrengung ist zu vermeiden; akkommodative Asthenopie (cf. S. 98) bedarf der Korrektion. Aufenthalt in frischer, reiner Luft, im Walde ist zu empfehlen, gegen Staub, Hitze, starke Blendung ist ein Schutzglas zu tragen. Hornhautkomplikationen erfordern die entsprechende Therapie (cf. S. 357 ff.). Conjunctivitis blennorrhoica. Klinisches Bild. Es entwickelt sich schnell eine lebhafte Schwel- lang und Rötung, gleichzeitig wird die ganze Konjunktiva ödematös und infiltriert. Bald schließt die Lidspalte sich und kann nicht mehr spontan geöffnet werden; in besonders schweren Fällen hängt das geschwollene Oberlid tief über das untere hinab, die Lidhaut ist prall gespannt und paukenförmig aufgetrieben, livide gerötet und auf Be- rührung schmerzhaft. Die anfangs gelblich-seröse, „weinfarbene" Absonderung wird nach einigen Tagen eiterig; vom ca. dritten Tage an wird unausge- setzt rahmiger Eiter abgesondert, der das Gesicht herunterfließt, wenn nicht die verklebenden Lider ihn zurückhalten. Zieht man die Lider auseinander, so quillt er in Strömen hervor. Während beim Neugeborenen und kleinen Kindern die Frei- legung und Ektropionierung der Conjunctiva palpebralis nicht be- sonders schwierig ist, da schon beim stärkeren Anziehen beider Lider gegen die Orbitalränder die Schleimhaut infolge des Pressens und der Schwellung sich vorzuwälzen pflegt, ist die Untersuchung bei der Blennorrhoe des Erwachsenen oft sehr mühsam. Die Konjunktiva des Unterlides ist zwar durch kräftiges Abziehen sichtbar zu machen, das enorm geschwollene Oberlid dagegen ist schwierig und nur unter Schmerzen zu ektropionieren. Schon aus diesem Grunde und wegen der enormen Gefahr für die Kornea sollen solche Fälle möglichst in die Klinik verlegt werden. Erkrankungen der Konjunktiva. 291 Die Konjunktiva der Lider zeigt sich höchstgradig diffus injiziert, bläulichrot und hochgradig geschwellt, blutet leicht. Der Tarsus ist völlig verdeckt, die Konjunktiva darüber samtartig durch Papillarschwellung. Der blutrote Übergangsteil wälzt sich in Fig. 246. Blennorrhoe; zugeschwol- Fig. 247. Blennorrhoe, lene, verklebte Lider. Am inneren Win- ektropioniert. kel tritt dicker Eiter hervor. dicken wulstigen Falten vor, hahnenkammartig; graue Fibringerin- nungen an der Oberfläche sind häufig, und immer wieder bedeckt sich dieselbe mit eiterigem Sekret (Abb. 247). In dieser Weise eitert es, wenn nicht eine Behandlung dazwischen- tritt, wochenlang weiter, dann beginnt die Absonderung abzuklingen, sie wird mehr schleimig, die Lider werden weicher. Die Schwellung der Konjunktiva läßt nach; aber noch längere Zeit pflegt die Binde- Fig. 248. Schwere Blennorrhoea neonatorum (gonorrhoica). Im Kon- junktivalsack hochgradige Papillarschwellung, eiterige Infiltration und Sekretion. Große Hornhautperforation, mit Vorfall der stark granulierenden Iris. Die Linse fehlt, ist durch die Perforation herausgetreten. 292 Axenfeld, haut ein unebenes, stark papilläres, körniges Aussehen zu bewahren, das dem Trachom ähnlich ist (cf. S. 316). Schließlich bildet sich diese „postblennorrhöische Konjunktivitis" narbenlos zurück; nur selten bleiben kleine Verwachsungen an der Übergangsfalte zurück. Hat während dieser furchtbaren und schmerzhaften Entzündung keine sachgemäße Pflege stattgefunden, so pflegt die Kornea1) in- zwischen eiterig zugrunde gegangen zu sein. Das hinter den zuge- schwollenen Lidern stagnierende Sekret greift die Hornhaut an, sie wird infiziert, vereitert und perforiert (vergl. Abb. 248). Die Iris fällt vor; die Linse, eventuell auch Glaskörper können sich entleeren. Schreitet die Eiterung in die Tiefe fort, so vereitert der Augeninhalt, es schließt sich Schrumpfung und Phthisis bulbi an. In anderen Fällen bleiben die tiefen Teile (Ziliarkörper, Chorioidea, Retinp, Glaskörper, eventuell auch die Linse) unbeteiligt. Dann bildet sich ein dichtes, mit der Iris verwachsenes Leu- kom. Die ausgedehnten vorderen Syne- chien (Verwachsungen zwischen Iris und Kornea) können durch die Verlegung des Kammerwinkels zu sekundärer Druckstei- gerung (Sekundärglaukom) führen, vorausgesetzt, daß die Ziliarfortsätze noch sezernieren. Dann wird infolge der er- höhten intraokulären Spannung die Horn- hautnarbe aufgetrieben, ektatisch; es ent- wickelt sich ein Staphylom, das in hoch- gradigen Fällen vor die Lidspalte ragt und nicht mehr von den Lidern bedeckt wird (vergl. „Kornea«, S. 349, 350). So wechselt der Befund bei den Blennorrhöeblinden zwischen höchst- gradig geschrumpften und ungestaltig ver- größerten, leukomatösen Augen. Besonders häufig wird die Kor- nea schon in den ersten Tagen der Eiterung ergriffen; aber auch in späteren Stadien, kann sie noch in Mitleidenschaft gezogen werden! Es gibt gelegentlich leichtere Fälle von Blennorrhoe, bei welchen die Eiterung früher spontan nachläßt und die Kornea nicht so hoch- gradig gefährdet ist. Ätiologie. Die typische, schwere Blennorrhoe wird in erster Linie durch Infektion mit Gonokokken verursacht, deren mikroskopicher Nachweis (Gram-negative, kaffeebohnenartige, mit Vorliebe intrazelläre Diplokokken, cf. Fig. 250 u. 251) unschwer gelingt2). Meistens ist die direkte oder indirekte Übertragung von den gonorrhoischen Genitalien aus ohne weiteres nachzuweisen. Für die Neugeborenen (Blennor- i) Zur Besichtigung des Bulbus ist meist der Desm ar res sehe Lidhalter notwendig (cf. S. 24). Man findet dann die Conjunctiva bulbi hochgradig ödematös, glasig und intensiv gerötet. Zur Beurteilung der Kornea (s. u.) ist zunächst das sie überziehende eiterige Sekret vorsichtig abzuspülen oder abzutupfen. 2) Es kommen zwar ähnliche Gram-negative Diplokokken (Micr. catarrhalis, Meningokokken) auch auf der Bindehaut gelegentlich vor, aber nicht als Erreger blennorrhoischer Zustände. Jedenfalls sind die typischen Gram-negativen Diplo- kokken immer für gonorrhöeverdächtig anzusehen und bei Blennorrhöen für Gono- kokken zu halten. Fig. 249. Blen norrhöeblinder. Rechtes Auge leukomatös, Linkes phthisisch. Erkrankungen der Konjunktiva. 293 rhoea neonatorum) findet die Ansteckung in den gonorrhoischen Genitalien der Mut- ter bei der Geburt statt und kommt dann nach 3—4tägiger Inkubation zumAusbruch. Beginnt bei einem neugeborenen Kind die gonorrhoische Augeneiterung noch früher, so handelt es sich entweder um einen sehr heftigen Fall mit verkürzter Inkubation oder um eine Infektion schon vor der Geburt (nach vorzeitigem Blasensprung); das letztere ist mit Bestimmtheit anzunehmen bei den seltenen Fällen, wo Kinder mitflorider blennorrhoischer Eiterung, gelegentlich sogar mit schon vereiteter Hornhaut geboren werden. Später einsetzende Gonoblennorrhöen der Neugeborenen sind durch In- fektion mit den Fingern, mit Badewasser oder durch Utensilien, die bei Gonorrhoikern benutzt wurden usw. zu erklären. In früherer Zeit haben in den Gebärhäusern solche Übertragungen häufig stattgefunden, heute sind sie glücklicherweise sehr selten. Epidemien durch Übertragung von Auge zu Auge kommen bei uns nicht mehr vor; im Anfang des vorigen Jahrhunderts, bei der „Ophthalmia militaris" (vergl. „Trachom") waren sie wahrscheinlich auch in Europa häufig und in Agpten sind sie es heute noch. Auch die Blennorrhöeen älterer Kinder, besonders der Mädchen sind fast alle gonorrhoisch. Man findet auch bei diesen Kindern oft schon eine Vulvovagi- nitis gonorrhoica, entstanden durch Berührung gonorrhischer Erwachsener. Fig. 250. Typische Gonokokken Fig. 251. Staphylokokken, bei Ophthalmoblennorrhoe : Gram-ne- Gram-positiv (blau). gative (rotgefärbte) Semmelkokken. Gelegentlich können blennorrhoische Zustände auch durch andere Infektionserreger hervorgerufen werden; besonders beim Neu- geborenen ist das zu beobachten. Die Blennorrhoea neonatorum ist also nicht ohne weiteres mit Gonorrhöe identisch1), wenn auch die Gono- blennorrhoe bei den typisch schweren Fällen die allerwichtigste Rolle spielt. Es ist also die bakteriologische Sekretuntersuchung unent- behrlich. Obwohl die Gonokokken sehr kontagiös für die Bindehaut sind, ist doch die Empfänglichkeit selbst diesen Keimen gegenüber nicht immer die gleiche. Das geht daraus hervor, daß manche Fälle ohne alle Vorsichtsmaßregeln einseitig bleiben. Die besondere Empfänglichkeit der Ne ugeborenenkonj un k- tiva liegt offenbar daran, daß das Geburtstrauma besonders disponiert und daß beim Durchtreten durch den gonorrhoischen Genitalkanal die Gonokokken geradezu eingerieben werden. J) Es kann das auch für forensische Fragen von Wichtigkeit sein. Es kann z. B. aus der rein klinischen Tatsache, daß ein Kind Blennorrhoea neonatorum gehabt hat, nicht ohne weiteres geschlossen werden, Mutter und Kind seien gonorrhoisch infiziert und es könne demnach ohne weiteres Schadenersatzklage gegen den Vater angestrengt werden. 294 Axenfeld, Pathologische-Anatomie. Es findet sich mächtige Schwellung, Hyperämie, Infiltration der Papillen und der Übergangsfalten. Das Epithel ist gelockert, z. T. desquamierend, von massenhaften polynuklearen Leukozyten durchsetzt, die in den Krypten und an den Oberflächen einen eiterigen Belag bilden (cf. Abb. 252). Abb. 248 zeigt außerdem die Zerstörung der Kornea mit Vorfall der granu- lierenden Iris. Die Gonokokken finden sich im Eiter und in den Epithelien, aber auch bis ins adenoide Gewebe hinein; sie können auch direkt in die Hornhaut und bei Perforation bis in die Iris eindringen. In anderen Fällen finden sich in den Hornhautinfiltraten die gewöhnlichen Eitererreger. Fig. 252. Papillarschwellung, Infiltration, Gefäßhyperämie bei Ophthalmo- blennorrhoe. Die Prognose ist für die gonor r hoi sehen Fälle (Gonoblen- norrhoe) eine sehr ernste, wenn nicht rechtzeitig sachgemäße Be- handlung stattfindet. Gutartiger von vornherein sind fast immer die selteneren Fälle mit anderem Bakterienbefund (Bact. coli, Pneumokokken, Staphylo- kokken, Koch-Weeks Bazillen). Sie verlieren in der Regel bald den eiterigen Charakter und sind meistens nur anfangs mit einer beginnenden Blennorrhoe klinisch übereinstimmend, verlaufen aber dann weiter meist als akuter Katarrh (vergl. S. 282). Nur selten be- teiligt sich bei ihnen die Kornea in schwerer Weise. Um so wichtiger ist es, durch frühzeitige Sekretuntei- suchung diese verschiedenen Ätiologien zu erkennen! Auch die beim Neugeborenen gelegentlich vorkommenden, bak- terienfreien Blennorrhöen, die auf starke Quetschung und chemische Reizungen bei und nach der Geburt zurückzuführen sind, sind prognostisch relativ gutartig. Man kann hinsichtlich der Neugeborenenblennorrhöen im allge- meinen sagen, daß die Spätblennorrhöen weniger bösartig und ge- fährlich zu sein pflegen, als die bald nach der Geburt beginnenden. Doch ist das nicht immer so. Auch das Allgemeinbefinden kann auf den Verlauf von Einfluß sein. Bei schwächlichen, frühgeborenen, hereditär syphilitischen Neu- geborenen ist die Gefahr besonders groß. Das sind auch die Fälle, Erkrankungen der Konjunktiva. 295 bei denen selbst rechtzeitige Behandlung nicht immer Komplikationen verhütet, während bei sonst gesunden Kindern die Kornea mit Aus- nahme exzeptionell heftiger Fälle1) sicher geschützt werden kann, voraus- gesetzt, daß die Kinder früh in sachgemäß e Behandlung kommen. Die Prognose ist für den rechtzeitig behandelten Neugeborenen noch besser in diesem Sinne wie für den Erwachsenen. Früher galt bei schwerer Erwachsenenblennorrhöe die Kornea für fast rettungs- los verloren; es hat sich jedoch durch die neuere Therapie auch diese Prognose ganz wesentlich gebessert. Prophylaxe. Die traurige Tatsache, daß auch heute noch zahlreiche Menschen durch Blennorrhoe und zwar besonders durch Gonoblennorrhoe ihr Sehen verlieren und die Blindenanstalten be- völkern, obwohl es sich um eine vermeidbare Erblindung handelt, muß schwer ins Gewicht fallen für die Notwendigkeit der Be- kämpfung und Verhütung der Geschlechtskrankheiten, ganz abge- sehen von den zahlreichen schweren Schädigungen, welche die Syphilis und die Gonorrhöe im übrigen im Bereich des Sehorgans anrichten. Kranke mit Genitalgonorrhöe müssen sofort vom Arzt auf die Gefahr der Augenansteckung hingewiesen werden. Schwangere mit stär- kerem Ausfluß müssen sich vor und nach der Geburt behandeln lassen. Am wichtigsten ist, daß bei allen Kindern sofort nach der Ge- burt die Lider mit sterilem Verbandstoff sorgfältig abgewischt und mit Borlösung abgewaschen weiden. In Gebäranstalten und überall da, wo vorher stärkere Absonderung seitens der Mutter bestand, soll gleich darauf 1 Tröpfchen einer l%igen Argentum nitri- cum-Lösung (C red escher Tropfen) eingeträufelt werden. Durch diese Einträufelung gleich nach der Geburt ist die Frequenz der Blennorrhoea neonatorum und der Blennorrhöenerblindungen erheblich herabgesetzt worden. Die meisten Kinder gonorrhoischer Mutter bleiben danach blennorrhöefrei! Von mancher Seite wird die Einführung der obligatorischen, allgemeinen Credeisierung durch Staatsgesetz verlangt; doch stehen dieser Forderuug Schwie- rigkeiten entgegen. In manchen Städten wird bei den standesamtlichen Ehe- schließungen ein Merkblatt überreicht. Immer erneute Belehrungen der Bevölke- rung sind notwendig. An Stelle des prophylaktischen Argentum-Tropfens hat sich an manchen Orten in neuerer Zeit das Protargol, 10—20°/o, 1 Tropfen der frisch (kalt) bereiteten Lösung, zur Credeisierung eingebürgert; es hat den Vorzug, weniger zu reizen. Das gleiche wird gerühmt vom Albargin, vom Sophol und anderen organischen Silberverbindungen. Von größter Wichtigkeit ist die genaue Instruktion der Hebammen. Eine leichte schleimige Absonderung, ein Katarrh, bei dem aber die Augen geöffnet gehalten werden, kann zwar von ihnen mit Reinigung und Abwaschen behandelt werden. Dahin ge- hört auch der durch den Argentum nitricum-Tropfen gelegentlich hervorgerufene, ungefährliche Argentum-Katarrh. Schwellen aber die Lider zu und können sie nicht mehr spontan geöffnet werden, tritt eiterige Absonderung auf, so soll die Hebamme unverzüglich die Eltern veranlassen, ärztliche Hilfe aufzusuchen. Die Unterlassung dieser Vorschrift wird gerichtlich bestraft! !) Bei solchen malignen Fällen können auch Diphtheriebazillen beteiligt sein. Man kann deshalb einen Versuch mit subkutaner Seruminjektion machen. Lehrbuch der Augenheilkunde 19 296 Axenfeld, Ist ein Auge erkrankt, so läßt sich beim Neugeborenen die In- fektion des anderen mitunter dadurch verhüten, daß täglich in das gesunde Auge mit einer besonderen Pipette aus besonderem Fläsch- chen und mit sorgfältig gereinigten Fingern Protargol 5—10°/o ein- geträufelt wird. Es kommt das einer fortgesetzten Crede- isierung gleich. Bei älteren Kindern und bei Erwachsenen legt man sofort einen Uhrglasschutzverband (cf. Abb. 6 auf S. 11) auf das gesunde Auge. Es ist das wesentlich besser, als ein gewöhnlicher Okklusiv- verband, weil der Patient sehen und der Arzt das Auge durch das Glas beobachten kann. Sonst könnte der erste Anfang der Entzündung übersehen werden. Es gelingt damit häufig, das zweite Auge zu schützen. Therapie. Die Blennorrhöebehandlung bedarf fortgesetzter, ge- schulter Pflege und täglicher ärztlicher Behandlung! Die schwereren Fälle bedürfen der Aufnahme in die Klinik! In erster Linie ist dafür zu sorgen, daß das infektiöse Sekret Abfluß hat und nicht sich hinter den Lidern an- sammelt! Zu diesem Zweck müssen alle Stunde die Lider mit den auf die Orbital- ränder aufgesetzten Fingern auseinandergezogen werden; der Eiter wird mit 2°/o Borlösung oder 1 : 2000 Hydrargyrum oxycyanatum abgespült. Dies muß in der ersten kritischsten Woche der Eiterung Tag und Nacht fortgesetzt werden; dann kann man, um dem Kranken Schlaf zu gönnen, in der Nacht größere Zwischenräume lassen. Um in der Zwischenzeit ein Verkleben der Lider zu verhüten, kann man die Lidränder etwas einsalben. Am wirksamsten ist es, wenn der Arzt ein oder zweimal täg- lich, (bei schweren Fällen, besonders bei Erwachsenen, auch einmal des Nachts), selbst eine Irrigatorspülung vornimmt. Diese „grands lavages" werden am besten mit lauwarmem Hydrargyum oxycyanatum 1:3000 oder einer ganz dünnen Lösung von Kalium permanganicum ausgeführt. Als Ansatz, den man vorsichtig hinter das Oberlid führt, verwendet man ein in der Hitze entenschnabelförmig plattgedrücktes, gut abgerundetes Glas- röhrchen, mit welchem man das Lid etwas vom Bulbus abhebt, oder einen ganz kurzen kleinen Glastrichter, den man zwischen die Lider bringt. Unter nur mäßigem Druck läßt man V2 bis 1 Liter der Flüssigkeit durch den Konjunktival- sack laufen. Es lassen sich diese Spülungen auch mit einer größeren Spritze mit entenschnabelartigem Ansatz ausführen; man darf aber nur mit leichtem Stempel- druck langsam spritzen. Diese großen Spülungen reinigen den Konjunktivalsack bis in seinen entferntesten Nischen. Sie sind ganz besonders wichtig für die Ophthalmoblennori'höe des Erwachsenen, bei welcher es sonst so sehr schwierig ist, bis in die Buchten der Übergangsfalten vorzu- dringen. Nächst der Sekretbeseitigung ist die Abtötung der Bak- terien, speziell der Gonokokken durch ein Silberpräparat ange- zeigt. Für die Blennorrhoea neonatorum ist das wirksamste und zuverlässigste Mittel auch heute noch das Argentum nitricum in 2°/o Lösung. Sobald die Eiterung begonnen hat, wird es auf die ek- tropionierte Konjunktiva aufgetropft und der Überschuß mit Koch- salzlösung neutralisiert. Am besten ist es, wenn der Arzt die Lider ektropioniert hält und die Pflege- rin aufträufelt oder aufpinselt. Erkrankungen der Konjunktiva. 297 Man kann die Ätzung dadurch dosieren, daß man die Arzneilösung sofort oder erst nach einer Reihe von Sekunden neutralisiert. Jedenfalls erreicht man mit dieser Lösung ausreichend intensive Wirkungen und kann den Höllensteinstift völlig entbehren! Insbeson dere der praktische Arzt sollte niemals die Bindehaut mit dem Stift ätzen, wegen der Gefahr der Überätzung. Die Tuschierung mit der 2°/o Argentum-Lösung wird im allgemeinen täg- lich einmal gemacht. Sollte von der früheren Tuschierung der weißliche Schorf sich noch nicht abgestoßen haben, so muß man mit der weiteren Silber- anwendung warten. Im ersten Stadium der Blennorrhoe, solange nur seröse, wein- farbene Flüssigkeit abgesondert wird, soll man noch nicht mit Argentum ätzen. Die Höllensteinätzung wird fortgesetzt, bis die Eiterung ver- schwunden ist. Man kann dann, solange noch Schwellung der Binde- haut besteht, ein- bis zweimal wöchentlich mit l°/o Argentum ätzen; schließlich gibt man zur Nachbehandlung nur noch Zink oder ätzt einige Male mit dem Kupferstift. Es muß bei der Argentum nitricum-Behandlung vermieden werden, daß das Mittel die Hornhaut berührt! Hält man die Lider gut ektropioniert, so bedeckt die geschwollene Schleimhaut von selbst die Kornea. An Stelle des Argentum nitricum sind in neuerer Zeit organische Silberpräparate empfohlen worden, welche ohne ätzende, koagulierende Wirkung bakterizid wirken und deshalb länger und in höherer Konzentration mit der Schleimhaut in Kontakt gelassen werden können. In erster Linie ist hier das Protargol zu nennen, eine Silbereiweißverbindung (cf. S. 19). Das Protargol hat den Vorzug, daß es auch im ersten Stadium der serösen Sekretion und beginnenden Entzündung, wo man mit Argentum nicht ätzen durfte wegen der Gefahr der Überreizung, bereits gegeben werden kann. Es gelingt in manchen Fällen durch einige Eint raufe hingen einer 10—20°/oigen Lösung, eine beginnende Blennorrhoe zu kupieren und die Eiterung überhaupt zu verhindern. Für die Behandlung der Eiterung beim Erwachsenen ist das Protargol der typischen Argentum-Therapie insofern überlegen, als das Protargol leichter der ganzen erkrankten Schleimhaut zugeführt werden kann, insbesondere den Buchten der oberen Übergangsfalten. Für die Erwachsenen -- Blennorrhoe bedeutet das Protargol, verbunden mit großen Spülungen, einen be- deutenden therapeutischen Fortschritt. Hat man den Konjunktivalsack rein gespült und träufelt dann 10—20°/o Protargol ein, so kann dieses Mittel, welches ja ungehindert im Konjunktivalsack und in Berührung mit der Kornea bleiben kann, allenthalben sich verbreiten und seine gonokokkentötende Wirkung ausüben. Man kann eine dünnere Lösung (5%) auch am Abend nochmals ein- träufeln, ev. auch nochmals in der Nacht. Es gelingt so fast immer, die Kornea auch beim Erwachsenen zu retten, vorausgesetzt, daß sie nicht schon bei Beginn der Behandlung infiziert war. In jüngster Zeit wird empfohlen, reichlich Bleno-Leniceth- Salbe in den vorher gereinigten Konjunktivalsack hineinzubringen. Diese Salbe ist in Tuben käuflich; man drückt aus der Tube direkt die Salbe zwischen die Lider. 19* 208 Axenfeld, Gegen die Schwellung, gegen die Schmerzen ist Eisanwendung seit alter Zeit beliebt; man kann (cf. S. 8) stundenlang kleine Eis- beutelchen auflegen, oder Kompressen, welche vorher auf Eisstücke gelegt: und öfters gewechselt werden; zwischendurch muß immer wieder der Eiter herausgelassen werden. Verbände sind bei Blennorrhoe durchaus zu verwerfen. Entwickelt sich eine Hornhautinfiltration, so gibt man außer der sonstigen Therapie Atropin. Tritt Geschwürsbildung ein, so ist beim Ektropionieren und bei der Behandlung die größte Vorsicht nötig und jeder Druck zu vermeiden; bläht sich der Geschwürsgrund vor, ist die Perforation unvermeidlich, so kann man im Geschwürs- grund eine kleine Parazenthese machen. Hat sich ein Leucoma adhaerens gebildet, so gelingt es mit- unter durch Iridektomie noch etwas Sehen wieder herzustellen. Sind die Hornhautulcera umschrieben geblieben, so hellen sich manchmal die Narben später langsam etwas auf. Conjunctivitis pseudomembranosa (Conj. crouposa, diphtherica). Schon bei heftigen Fällen von akutem, einfachen Bindehautka- tarrh finden sich nicht selten auf der geröteten Bindehaut, besonders auf der geschwellten Übergangsfalte zarte grauliche Fibrinbeläge. Auch bei der Blennorrhoe sind dieselben öfters vorhanden. Es ist das ge- ronnenes Sekret, welches der sezernierenden Oberfläche anliegt. Wenn nun aber dichte, graugelbliche oder grauweißliche, fester haftende Membranen sich finden, so sprechen wir von einer „Conjuncti- vitis pseudomembranosa". Man unterscheidet klinisch eine oberflächliche, leichtere Form: Die entzündlichen Erscheinungen sind etwa die eines akuten Schwellungskatarrhs (vergl. S. 282), die Membranen mit der Pinzette abziehbar, wonach dann eine blutende Schleimhaut sichtbar wird, die sich bald wieder mit den gleichen Belägen überzieht. Die Kornea ist in solchen Fällen wenig oder gar nicht gefährdet, das Allgemeinbe- finden nicht wesentlich gestört, der Verlauf der Entzündung ein günstiger. Diese leichtere Form hat man früher als „Conjunctivitis crouposa", der schweren, nekrotisierenden Diphtherie gegenüber- gestellt, und heute noch werden von manchen Autoren die leichteren Formen der Conjunctivitis pseudomembranosa unter diesem Namen zusammengefaßt. Man muß sich aber immer darüber klar sein, daß ätiologis ch die croupöse und die diphtherische Konjunktivitis zusammengehören! Die bakteriologische Unter- suchung hat bewiesen, daß auch die leichte Conjunctivitis crouposa durch echte Diphtheriebazillen hervorgerufen sein kann! Es wäre grundfalsch, an Loefflersehe Diphtheriebazillen etwa nur bei der schweren (früher ausschließlich „Diphtherie" genannten) Form zu denken. Andererseits gibt es grade auch unter den schwersten Fällen mit tiefer Nekrose des Gewebes und schwerer Allgemein- erkrariküng [zahlreiche reine Streptokokkeninfektionen! Deshalb; faßt man am besten diese ganzen Bilder unter dem Namen „Conjunctivitis pseudomembranosa" zusammen. Erkrankungen der Konjunktiva. 299 Bei den schweren Formen, welche klinisch sofort als „Diph- therie" erscheinen, schwellen die Lider vollständig zu, wie bei einer Blennorrhoe; sie können derartig infiltriert sein, daß sie sich „bretthart" anfühlen und kaum zu ektropionieren sind. Die Lymphdrüsen vor dem Ohr und am Halse schwellen schmerzhaft an. Die Absonderung ist dabei im Vergleich zur Blennorrhoe nur mäßig. Legt man die Schleimhaut frei, so sieht man intensiv schmutzig weißliche oder grau- gelbliche Einlagerungen, die nicht selten die ganze Bindehaut bedecken oder noch freie gerötete Inseln zwischen sich lassen (vergl. Abb. 252). Die Membranen lassen sich nicht abziehen, die Schleimhaut ist selbst in den Prozeß der Koagulationsnekrose tief hineingezogen, und bei den schweren Fällen bis in den Tarsus hinein nekrotisch; ja die ganzen Übergangsfalten und die Conjunctiva bulbi können in eine mißfarbige, nekrotische Masse verwandelt sein. Oft greifen die schweren Fälle auch auf die nächst benachtbarte Lid haut über und auch isoliert können auf der Lidhaut nekro- tische Inseln mit rotem Hof sich entwickeln (cf. Abb. 253). Mitunter können sogar die Lider in ganzer Dicke nekrotisch bezw. gangränös werden. Doch sind diese Fälle fast alle töd- lich, so daß es zur Demarkation und Ab- stoßung der Lider fast niemals kommt. Die Kornea ist höchstgradig ge- fährdet, teils durch die direkte Wirkung der Bakteriengifte, teils dadurch, daß sie bei stärkerer Beteiligung der Con- junctiva bulbi der Ernährung beraubt ist. Das Epithel wird durchlässig und es tritt, eiterige Infektion ein; mit- unter ist in kürzester Zeit die Kornea in einen nekrotischen Brei verwandelt (Abb. 255). Bleibt der Patient am Leben, so stößt sich die nekrotische Schleimhaut ab, es bilden sich granulierende Geschwüre, welche unter eiteriger Absonderung vernarben. Die Bindehaut schrumpft mehr oder weniger; nach sehr schweren Nekrosen kann sie vollständig narbig veröden. Die Lidränder und die Wimpern können einwärts gezogen werden. Bei den leichteren „croupösen" Fällen braucht das Allgemein- befinden überhaupt nicht gestört zu sein, auch wenn es sich um Diphtheriebazillen handelt; nicht einmal Temperatursteigerung braucht vorhanden zu sein. Die wenig geräumige Bindehaut bietet eben zur Gift- resorption nicht solche Gelegenheit wie die gleichwertigen Erkran- kungen des Rachens. Es ist also „Diphtherie" an der Bindehaut nicht etwa nur dann zu diagnostizieren, wenn gleichzeitig eine schwere Allgemeinerkrankung bestellt! Bei schweren Nekrosen allerdings kann hohes Fieber usw. be- stehen, ja nicht selten das Bild allgemeiner Sepsis, besonders durch Streptokokkeninfektion. Fig. 253'). Umgeschlagenes Lid mit tiefen Pseudomembranen in der Schleimhaut. Auch auf der Lidhaut sieht man diphtherische Inseln. ') Nach einer Moulage von Kolbow (Berlin). 300 Axenfeld, Gleichzeitige pseudomembranöse Erkrankung im Rachen ist nicht häufig, kann sich aber selbst noch in der Rekonvaleszenz der Augen- entzündung anschließen. Hier und da gesellt sich auch „Nasendi- phtherie" hinzu. Differentaldiagnostisch ist zu berücksichtigen, daß Verbren- nungen, Verätzungen mit Säuren, Alkalien usw. ähnliche Bilder her- vorrufen können. Ferner die geschwürsbildenden Krankheiten (cf. S. 330) können durch fibrinösen Belag der Ulcera auf den ersten Blick so aussehen. Doch lassen sich diese Beläge leicht abziehen, das Bild der granu- lierenden Geschwüre ist dann doch ein anderes; ihr Beginn war ein allmählicher. Der seltene Pemphigus kann allerdings akut einsetzen; dabei bilden sich monatelang die Membranen nicht selten immer wieder bis zur Vernarbung. Aber ihre leichte Abziehbarkeit, die flachen, wunden Stellen, meist auch der sonstige Körperbefund lassen eine Unterscheidung zu. Die Prognose der oberflächlicheren „kruppösen" Form ist günstig im allgemeinen. Immerhin ist zu berücksichtigen, daß sich schwere Rachenerscheinungen hinzugesellen können, und daß die leichte in die schwere Form übergehen kann. Also immer Vorsicht und gründ- liche Abwehr! Die tiefen nekrotisierenden Formen sind ernst zu nehmen, die schweren Streptokokkennekrosen sogar sehr lebensgefährlich durch allgemeine Sepsis. Immerhin hat die heutige Serum-Therapie die Prognose günstiger gestaltet. Ätiologie. Bei jeder Conjunctivitis pseudomembra- nacea, der leichten croupösen wie der schweren diphthe- rischen Form, ist in erster Linie an die Möglichkeit einer Infektion mit echten Diphtheriebazillen oder mit Streptokokken zu denken. Finden sich alsdann im Ausstrichpräparat die bekannten G r a m - positiven Stäbchen, viele leicht gebogen, viele an den Enden etwas verdickt, hantel- oder keulenförmig, so ist damit die Diagnose noch nicht sichergestellt, weil im Konjunktivalsack sehr oft ungiftige Vertreter der gleichen Gruppe, die sog. Xe- rosebazillen vorkommen. Es bedarf vielmehr der Kultur auf Löfflerschem Blut- serum. Sind nach ca. 10 Stunden Kolonien vorhanden, deren Bazillen mit der Neisserschen Färbung eine deutliche und charakteristische Färbung blauer Körnchen (Körnchenfärbung) ergaben, so ist die Diagnose: Giftige Diphteriebazillen schon sehr wahrscheinlich. Entscheidend aber ist der Tierversuch: Ein Meer- schweinchen stirbt nach subkutaner Injektion von Diphteriebazillen, während Xe- rosebazillen indifferent sind. Bis zu dieses Feststellung werden demnach einige Tage vergehen. Da der Arzt zu dieser bakteriologischen Feststellung nicht in der Lage sein wird, kann er von dem Belag ein wenig in einem sterilen Probieröhrchen, wie sie zu diesem Zweck in den Apotheken zu haben sind, einem hygienischen Untersuchungsamt zusenden. Aber nur in leichteren, kroupösen Fällen würde es statt- haft sein, das Resultat abzuwarten bis zum Beginn der Serum- Therapie. Die Infektion mit Diphtheriebazillen haftet nicht leicht sondern wir sehen sie in erster Linie bei Kindern sich entwickeln auf dem Boden eines sog. skrofulösen Schwellungskatarrhs (cf. S. 304). Auch bei der Streptokokkendiphtherie handelt es sich meist um schwächliche Kinder der ersten Lebensjahre, um Rekonvaleszenten nach Masern und anderen Infektionskrankheiten. Erkrankungen der Konjunktiva. 301 Daß auch die anderen Konjunktivalinfektionen ausgesprochen pseudomembranös verlaufen ist, viel seltener. Es gibt übrigens ausnahmsweise auch Fälle von akuter Conjunctivitis crouposa ohne verwertbaren bakteriellen Befund. Die außerordentlich seltenen Fälle von chronischer Pseudomembranbil- dung sind nicht geklärt. Vielleicht handelte es sich immer um einen Pemphigus. Pathologisch-anatomisch entspricht das Bild den analogen Prozessen im Rachen. An der Oberfläche im Bereich der Membranen sind dichte Rasen der Bakterien vorhanden (Abb. 254). Das Fibrin der Auflagerungen geht ununter- brochen in die nekrotische Schleimhaut über, deren Elemente glasig gequollen und nicht färbbar sind ; erst an der Grenze der Nekrose zeigt sich starke Infiltration. Alles das ist verschieden stark, je nach der Schwere der Erkrankung. Bei den reinen Streptokokkenfällen tritt die Fibrin auflagerung gegen- über der tiefen Gewebsnekrose zurück. Die Hornhaut kann völlig nekrotisch, ihre obersten Schichten können vom dichtesten Zooglöamassen durchsetzt sein. Unsere Abbildung 255 zeigt solch eine schwere (Streptokokken) Infektion der Kornea, wo durch eine breite Perforation grade die Linse nach außen getreten ist. Fig. 254. Conjunctivitis diphtherica. An der Oberfläche und in den obersten Schichten dichte (blaue) Bakterien-Rasen. Gewebe in der Umgebung nekrotisch, struktur- und kernlos, von Fibrin durchsetzt, in der Tiefe entzünd- liche Infiltration, beginnende Demarkation. Therapie. In allen schwereren Fällen wird man der Möglichkeit Löfflerscher Bazillen durch sofortige Serumtherapie entgegen- treten. Und wer nicht ein Untersuchungsamt zur Verfügung hat, wird überhaupt in allen Fällen von Conjunctivitis pseudo- membranosa sogleich subkutan Diphtherieserum geben! Es genügt im allgemeinen die 1. Heildosis (1000 Immunisierungs-Einheiten), ev. die doppelt so starke zweite. Der heilende Einfluß auf die Conjunctiva ist bei den Diphteriebazillen- fällen sehr augenfällig. Auf bereits eingetretene Hornh autko mplika- tionen hat die Serumtherapie keinen so sicheren Einfluß, weil nicht die Diphtheriebazillen, sondern Eitererreger in die Hornhaut eingedrungen zu sein pflegen. Bei den Streptokokkennekrosen kann die subkutane Einspritzung eines Streptokokkenserums nützlich sein, wenn es auch nicht entfernt so sicher wirkt, wie das Behringsche Heilserum gegen die Di- phtheriebazillen. Nur im ersten Stadium wird durch solche innere \ 302 Axenfeld, Behandlung, verbunden mit der äußeren, die Hornhaut noch zu retten sein. Sehr wichtig ist für alle Fälle gute allgemeine Pflege und öfteres lauwarmes Baden. Die lokale Therapie besteht in lauwarmen Kompressen, welche die Zirkulation und die Gewebsernährung erleichtern. Kälte. besonders Eis ist nicht ratsam, weil das Gewebe an sich zur Nekrose neigt. Aus dem gleichen Grunde sind alle schärferen Ätzmittel zu verwerfen, insbesondere das Argentum nitricum. Eher sind dünne Lösungen (1—2%ig) von Protargol, Kollargol (1—2mal täglich ein- getropft) anwendbar. Von mancher Seite werden Einstäubungen von Jodoform (subtilissime pulveratum!) vorgezogen. Im allgemeinen wird man^ sich darauf beschränken, die Bindehaut vorsichtig mit etwas lauwarmer Borlösung (1—2°, oig) ab und zu zu reinigen und dann eine Fig. 255. Diphtherie der Bindehaut. Zerstörung der Kornea, Austritt der Linse in den Konjunktivalsack. Ausgedehnte Nekrose der Conjunctiva palpe- bralis [b), an der Oberfläche dunkle Bakterienmassen. Der gleiche Befund in der gegenüberliegenden Conjunctiva bulbi (a). Im anderen Lide ein großes epithel- entblößtes Geschwür. mild-desinfizierende Salbe (5—10 °/o ige Jodoformsalbe, 1 :1000 Sublimat- salbe) einzustreichen; auch die gelbe Salbe (cf. S. 19) wirkt mitunter günstig. Man kann auch bei schweren Fällen einen Versuch mit Auf- streichen von Pyozyanase auf die Membranen machen; dasselbe wirkt bekanntlich bakterienauflösend. Die schweren Fälle bedürfen der strengen Isolierung in der Klinik. Auch die leichten sollen abgesondert werden, weil sie bei anderen schwere diphtherische Erscheinungen herbeiführen können, Das andere Auge ist möglichst durch einen ITirglasschutzver- band zu schützen. Nach Ablauf der Erkrankung ist, wie sonst bei Diphtherie, für Wohnungsdesinfektion usw. zu sorgen. Erkrankungen der Konjunktiva. 303 ,/^fc:, Conjunctivitis phlyctaenulosa (ekzematosa. scrophulosa). . ?li"iS',ies Bil(L Charakteristisch für diese Erkrankuno ist die typische Fluoreszenz, die sog. Phlyktäne1). In der Conjunctiva bulbi entwickelt sich eine herdförmige Rötung breit am Hornhautrand, nach der Übergangsfalte sich zu- spitzend Im Limbusteil, mitten in der Injektion, erhebt sich ein grauweißliches Knötchen von rundlicher oder ovaler Form dicht unter dem deutlich emporgehobenen Epithel gelegen. Bald oft inner- halb eines Tages oder nach einigen Tagen hat es seine größte Aus- dehnung erreicht; sein Inhalt ist mehr milchig geworden und entleert sich sehr bald durch das erweichte Epithel. Es bleibt für wenige Tage ein seichtes Grübchen oder Geschwürchen mit weiß- lichem Grunde, das sich schnell ausfüllt und epithelisiert. Die umgehende Injektion tritt mehr und mehr zurück, einige Tage pflegt noch eine umschriebene Rötung vor- handen zu sein, die binnen kurzem voll- ständig verschwindet. Dieser typische Ab- lauf ist am deutlichsten an den isoliert auf- tretenden Phlyktänen zu beobachten. Treten gleichzeitig oder kurz nach- einander mehrere Phlyktänen auf, so kann der Bulbus mehrere isolierte Herde zeigen; wenn sie zahlreich und dicht nebeinander stehen, so können die Injektionsgrenzen konfluieren, der Augapfel erscheint diffus gerötet. Insofern ist ein bunter Wechsel möglich. Es wechselt ferner die Größe der einzelnen Phlyktänen. Die größten (selte- neren) können fast linsengroß werden (sog. breite Phlyktänen). Sie sind auch stärker prominent, vergehen nicht ganz so schnell, ihre Um- gebung ist besonders stark injiziert. Solche breite Phlyktänen sitzen öfters etwas weiter vom Hornhautrande ab in der Conjunctiva bulbi. Anderseits gibt es sehr kleine Phlyktänen (sandkornf örmige Phlyktänen). Gerade diese treten gern multipel im Limbus corneae auf und geben demselben dann eine körnige Beschaffenheit. Mitunter sind die Plyktänen so wenig ausgeprägt, daß man eigentlich nur von einer „phlyktänulären Injektion" spricht. Aber selbst in diesen Fällen ist an der herdförmigen, oberflächlichen Injekton, dem etwas aufge- worfenen Limbus die Diagnose zu stellen. 1) Der Name ^(pÄvHzaiva'1 = Bläschen ist allerdings insofern nicht ganz korrekt, als es sich nicht um ein intraepitheliales Bläschen, sondern um ein sub- epitheliales Knötchen handelt (cf. pathol. Anatomie, S. 306). Da aber der Name Phl. überall eingebürgert ist für die Effloreszenz, so ist es nur konsequent, auch die Krankheit danach zu nennen. Die Bezeichnung „C. ekzematosa", die vielfach gebraucht wird, betont das häufige gleichzeitige Vorkommen von Hautekzem, ist aber auch nicht erschöpfend. Der Name C. „scrophulosa" weist auf die wich- tigste Disposition hin. Fig. 256. Typische Phlyk- tänen, die eine im Limbus, etwas auf die Hornhaut über- greifend. 304 Axenfejldj, Die Conjunctiva palpebralis ist bei vielen Fällen nur mitgerötet und nicht eigentlich katarrhalisch verändert; in anderen Fällen jedoch zeigt sie diffuse Injektion, faltige Schwellung der Übergangsfalten, eine gestippte Conjunctiva tarsalis, mitunter auch reichliche schleimige Absonderung (phlyktänulärer oder skrofulöser Schwellungs- katar rh). Ausnahmsweise können in der Conjunktiva tarsi nahe dem Lidrand echte Phlyktänen (molkig-weißliche Bläschen, Lid- phlyktänen) auftreten. Während die einzelne Phlyktäne ein kurzlebiges Gebilde ist und schnell vorübergeht, kann sich die Krankheit durch das Auftreten von Rezidiven und besonders durch Beteiligung der Hornhaut sehr in die Länge ziehen. Auch in dieser Hinsicht ist das Krankheitsbild äußerst mannig- faltig. Es gibt Fälle, die nur einmal oder einige wenige Male leicht erkranken, und solche, die jahrelang schwer leiden und dauernden Schaden' für das Sehen davontragen. Sehr häufig beteiligt sich die Kornea1) und zwar ihre oberfläch- liche Schicht, die „Conjunctiva corneae" (cf. S. 274). Es kann die im Limbus liegende Phlyktaene direkt übergreifen (Keratitis superficialis, „oberflächliches Infiltrat", „Randkeratitis"); bald zerfällt das Infiltrat und ein superfizielles Geschwürchen bildet sich. In manchen Fällen wandert ein Infiltrat nach dem Hornhautzentrum weiter in Form eines „Gefäfibändchens" (Keratitis fasciculosa oder fasci- cularis (büschelförmige Keratitis). (Vergl. „Cornea" S. 361 ff.). In letzterem Falle bleibt ein Hornhautflecken zurück in Gestalt eines radiären graulichen Bandes, welches dauernd charakteristisch bleibt für ein überstandenes skrofulöses Augen- leiden (resp. juvenile Tuberkulose). In anderen Fällen treten isoliert in der durchsichtigen Kornea oberflächliche Infiltrate sehr verschiedener Größe (Hornhautphlyktänen) auf, einzeln oder mehr- mehrfach, alle zu schnellem oberflächlich-ulcerösen Zerfall sowie zur Neubildung oberflächlicher Gefäße neigend. Diese Tendenz, sich von der Konjunk- tiva bulbi aus oberflächlich zu vaskularsieren zeichnet über- haupt die ganzen skrofulösen (phlyktanulären, ekzematösen) Horn- hauterkrankungen aus. Nicht selten ist die Gefäßbildung so massenhaft, daß die infiltrierte Hornhaut rötlich wird; besonders bei multiplen, kleinen Infil- traten und im Stadium der Rückbildung kann die Hornhaut in großem Umfange von Gefäßchen überzogen sein (Pannus scrophulosus). Mitunter greifen die phlyktanulären Infiltrate auch in die Tiefe. Es bilden sich dicke, aufgeworfene, fast „pustulöse" Infiltrate von gesättigt gelb- licher Farbe, sie zerfallen kraterförmig und können perforieren. Da sie in der Nähe des Hornhautrandes zu liegen pflegen, entsteht ein Iris pro laps und später ein adhärentes Leukom (die aus der Jugend stammenden, peripheren rundlichen adhätenten Leukome sind, wenn nicht Verletzung die Ursache war, zumeist auf solche perforierte skrofulöse Geschwüre zurückzuführen. Das gleiche gilt für einen sehr gioßen Teil der aus der Jugend stammenden multipeln Horn- hautflecke). Näheres über all diese Hornhautkomplikationen cf. „Kornea", S. 349. Diese Hornhautveränderungen können mannigfach wechseln und sich miteinander kombinieren. Sie können auch für sich, ohne Kon- junktivalphlyktänen. auftreten; das Gros der Fälle von Keratitis superficialis mit (iefäßneubildung im Kindesalter gehört überhaupt zu diesen „skrofulösen" Keratitiden. Bei anderen Anfällen können wieder Konjunktivalphlyktänen oder Schwellungskatarrh in den Vorder- ') cf. Abschnitt „Kornea". Erkrankungen der Konjunktiva. 305 grund treten, dann wieder beides zusammen. Sind einmal Hornhaut- veränderungen da gewesen, so kehren sie auch bei weiteren Schüben gern wieder, wie überhaupt die mit Hornhautbeteiligung Erkrankten ganz besondere Neigung zum Rezidiv zeigen. Es kann also das Bild ein überaus mannigfaltiges sein, in den verschiedenen Fällen wie auch beim Einzelnen, und dabei ist es doch überaus charakteristisch und leicht zu erkennen. Bei isolierten Phlyktänen sind die Beschwerden oft sehr unbedeutend; Schmerzen werden überhaupt nicht geklagt. Bei vielen Kranken aber be- steht starker Tränenfluß und hoch- gradige Lichtscheu, letztere beson- ders stark dann, wenn die Hornhaut beteiligt ist. Die Lichtscheu kann so hochgradig sein, daß die Kinder fortgesetzt die Augenlider zukneifen, sich vom Licht abwenden und mit dem (iesicht in die Kissen wühlen. Ohne geeignete Behandlung wird da- durch die Entzündung verschlim- mert, die Lichtscheu infolge der fortgesetzten Fernhaltung von Licht immer hochgradiger, der Lidschluß schließlich krampfhaft (B1 e p h a r o- spasmus s c r o p h u 1 o s u s). Bei solchen Kindern, die auch in ihrem Allgemeinbefinden sehr herunter- kommen, sieht man die Venen der Lidhaut hochgradig gestaut und bläu- lich geschlängelt. Am äußeren Lid- winkel, wo die Hautfalten aufein- ander gepreßt werden, wird die Haut wund, es besteht oft eine Art von Rhagadenbildung, die den Kin- dern das Öffnen erst recht unangenehm macht und sogleich in Behand- lung genommen werden muß (Arg. nitr., Lidsalbe). Nach langdauerndem Lidkrampf kommt es sogar ab und zu vor, daß kleinere Kinder den Gebrauch ihres Sehens vollständig verlernen und trotz der Heilung, mit wiedergeöffneten Augen wochenlang teilnahmslos dastehen und die Augen gar nicht gebrauchen (Amaurose [Erblindung] nach Blepharospasmus). Dieser Zustand pflegt die Eltern sehr zu erschrecken, er geht aber sicher vorüber. Sehr oft ist der Lidrand beteiligt unter dem Bilde der Ble- pharitis; dieselbe ist oft genug eine chronische und ihre Beseiti- gung deshalb Voraussetzung dafür, daß die Krankheit zur Ruhe kommt. Das gleiche gilt für die schon erwähnten Lidwinkel-Rhagaden. In zahlreichen anderen Fällen ist die Haut ekzematös oder Sitz einzelner kleiner Papeln und Pusteln, welche oft impetiginösen Charakter haben. Sehr oft besteht Ekzem und Schrundenbildung an den Nasenlöchern unter Verdickung der Nasenflügel, des Septums und der Oberlippe, so daß ein „rüsselartiges" Aussehen entsteht. In anderem Fällen besteht ein Ekzem des behaarten Kopfes, der Ohr- muscheln, manchmal mit ausgedehntester Borkenbildung. Fast immer pflegt in solchen Fällen eine ausgedehnte Pediculosis der Kopf- Fig. 257. Blepharospasmus bei phlyktnulärer Kerato - Konjunktivitis. Typische Schwellung von Nase und Lippen. 306 Axenfeld, haare zu bestehen. Aber auch ohne ein ausgesprochenes Ekzem sind bei diesen Augenkranken Kopfläuse außerordentlich häufig! Sehr oft bestehen Drüsenschwellungen oder Drüsen- narben am Hals- und auch an anderen Körperteilen, vielfach auch frische oder ältere Zeichen von Knochentuberkulose, dagegen nur selten Lungenveränderungen. Sehr häufig und wichtig (auch für die Therapie) sind Verän- derungen im Innern der Nase und im Nasenrachenraum (chronische Rhinitis, Muschelverdickungen, ganz besonders adenoide Vegetationen). Solche Zustände können einerseits reflektorisch die Augen reizen, andererseits durch die erschwerte Nasenatmung das Allgemeinbefinden und die Entwickelung des Thorax empfindlich schwächen. Mit ihrer operativen Beseitigung bessert sich das Befinden vieler Kinder auf- fällig, die Augenrezidive werden seltener und hören oft ganz auf. Auch chronische Verdauungsstörungen sind außerordentlich häufig. Differentaldiagnostisch ist von der Phlyktäne das umschrieben skleritische Infiltrat zu unterscheiden. Über dem letzteren ist aber die glatte Konjunktiva verschieblich; die In- jektion ist, weil vorwiegend episkleral, bei der Skleritis eine bläulichere; oft findet man in der Nachbarschaft eines skleritischen Herdes eine schiefrig-bläuliche, sehr charakteristische Verfärbung der Sklera als Zeichen früherer skleritischer Herde. Der einzelne skleritische Buckel ist hartnäckig, geht sehr langsam weiter oder zurück, gegenüber der oberflächlichen, flüchtigen Phlyktäne. Ist man einmal un- sicher, ob Episkleritis oder phlyktanuläre Injektion besteht, so wird die weitere Beobachtung zum Ziele führen. Wenn — was allerdings nur bei einem Teil der Fälle von Skleritis geschieht — sich die Hornhaut beteiligt (sklerosierende Kera- titis), so handelt es sich um in der Tiefe gelegene, nicht ulzerierende, nicht ober- flächlich vaskularisierte, weißliche Trübungen, welche die Kornea skleraartig vom Rande her trüben. Es gibt übrigens auch eine flüchtige Episkleritis („periodica fugax"). Diese Injektionsherde zeichnen sich aber, abgesehen von ihrer Farbe, dadurch aus, daß sie nie zu Phlyktänenbildung führen, nur bei Erwachsenen vor- kommen und mit Skrofulöse nichts zu tun haben. Die glasigen blassen Wuche- rungen des Lim- bus beim Früh- j ahrskatarrh sind an ihrer Form und fast immer an der charakteristi- schen Beschaffenheit 1/" *■ ^ "~^"" --T ** — --- ^ ' "" der Conj. palpe- /l ~ Z--\ , ~~ " ~~ _"""• -. - v ~7 bralis (cf. S. 325, JZ s,~ ~^ "" -"-"" - ~ ~- " * ~ Abb. 268) zu erken- .- „. — " —• ^ — ^ .. ~ nen > sie zerfallen ■'*"' — Z- — S — —* — -. ~ — - außerdem nicht und — — "" „. — ~"^ siQd von derb elasti- ~~ ■"" scher Konsistenz. Fig. 258. Randphlyktäneim Limbus corneae; Infiltra- Pathologische tionsknötchen, mit beginnender Erweichung und Lösung Anatomie. Abb.258 des Epithels. zei^ eine frische Phlyktäne im Limbus corneae, bestehend aus Rundzellen. Das Epithel ist emporgehoben, von hinten her arrodiert und in der Mitte der Perforation nahe. Mit einem Tuberkel Erkrankungen der Konjunktiva. 307 hat die Phlyktäne mikroskopisch keine Ähnlichkeit, sie ist einfach entzündlich Mikroorganismen waren in ihrem Innern nicht nachweisbar. Der skrofulöse Schwellungskatarrh zeigt dieselben Merkmale wie eine akute einfache Konjunktivitis (cf. S. 282), die Keratitis diejenigen der Keratitis superficialis; doch hat sich bisher nur ungenügend Gelegenheit geboten, diese Hornhautveränderungen in frühen Stadien mikroskopisch zu studieren. Ätiologie. An dem Zustandekommen der phlyktanulären (ek- zematösen) Augenentzündungen sind äußere und innere Ursachen beteiligt. Ob es immer einer äußeren Ursache bedarf, ist noch unsicher. Es ist aber zweifellos, daß von außen kommende Reize das Bild aus- lösen können. Wenn z. B. ein ,.skrofulöses'' Individuum von einer der bekannten Infektionen mit Konjunktivitiserregern (cf. S. 284 u. 288) betroffen wird, so reagiert es darauf mit dem Bilde der phlyktanu- lären Entzündung. Voraussetzung aber ist, wenigstens für die allermeisten Fälle (für die rezidivierende Keratokonjunktivitis wohl immer), das Vor- handensein der sogenannten „skrofulösen Diathese", jener mit Tuberkulose zusammenhängenden, aber nicht mit ihr iden- tischen Neigung zur Bildung von Entzündungen der Haut, der oberen Schleimhäute, der Drüsen, des lymphatischen Nasenrachenrings und besonders auch der Augen. Vereinzelte Knötchen des beschriebenen Aussehens können wohl auch ein- mal bei einem sonst gesunden Menschen in der Conjunctiva bulbi vorkommen, wenn ihn eine Bindehautentreizung trifft (z. B. bei manchen Fällen von akuter Koch Weeks- oder Pneumokokken-Konjunktivitis). Auch bei der Akne rosacea ent- steht mitunter ein ähnliches Bild. Im allgemeinen aber kommt die Phlyktänenbildung, besonders die rezi- divierende und die von typischer Hornhauterkrankung begleitete, nur in der Kindheit oder spätestens in der Zeit der Pubertät zur Ausbildung. Wer in der Kindheit dies eigenartige Krankheitsbild gehabt hat, kann dasselbe bis an sein Lebensende behalten. Man erfährt aber von solchen Leuten fast immer, daß sie schon in der Jugend augenkrank waren. In zahlreichen Fällen ist das eine oder andere der genannten sonstigen „skrofulösen" Symptome von vornherein vorhanden und für den Charakter des Augenleidens beweisend. Aber auch in den selteneren Fällen, wo zur Zeit einer Augenentzündung sonst nichts besonderes vorhanden zu sein schien, liefert die Anamnese oder auch die weitere Beobachtung meistens Material für „Skophulose". Jedenfalls ist es richtig, sich immer vorzuhalten, daß diese Dia- these wahrscheinlich vorhanden und ursächlich beteiligt ist. Man braucht deshalb ängstlichen Eltern nicht immer gleich von „Skrophulose" zu sprechen; aber daß ihr Kind „wahrscheinlich schwächlich'- veranlagt ist und besonderer Pflege bedarf, soll man immer sagen, auch wenn der Augen- zustand noch so harmlos erscheint. Prognose. Die Phlyktänen der Conjunctiva bulbi pflegen ohne Schaden auszuheilen, ebenso manche Randkeratitis. aber die häufigen Rezidive und besonders die Hornhautbeteiligung machen das ganze Leiden doch oft zu einem sehr ernsten, welchem der Arzt von vornherein alle Sorgfalt widmen soll. Manchen Menschen wird durch die ewigen Rezidive ihre Jugend vergällt, und noch schwerwiegender ist, daß jede Hornhautentzündung Flecken hinterläßt. Zahlreich sind die Menschen, welche schwachsichtig und für ihr Berufsleben hoch- gradig beeinträchtigt werden. Es kommt hinzu, daß wir solche Individuen, besonders die re- zidivierenden Fälle, bereits für tuberkulös halten müssen. Die Fürsorge 30S Axenfeld, für die skrofulösen Augenkranken ist eine Beteiligung an dem großen Kampfe gegen die Tuberkulose, der jetzt allenthalben entbrennt und den man besonders schon bei jugendlichen Individuen aufnehmen soll! — Die Therapie, an welcher der praktische Arzt mit großem Nutzen teilnehmen kann, ist also eine lokale und eine allgemeine. (Vergl. auch S. 384.). An den Lidern ist zunächst festzustellen, ob Blepharitis, ob Rha- gaden bestehen. Entfernung der Borken, Tuschieren mit 2°/o Argentum nitricum und Einsalben (gelbe Salbe, cf. S. 19) sind dagegen wirksam; das gleiche gilt für Lid- und Gesichtsausschläge. Die Conjunctiva palpebralis bedarf nur in Fällen von Schwellungs- katarrh mit starker Sekretion gelegentlicher Argentumtuschierung. Überätzungen sind aber zu vermeiden, da solche Fälle an sich zur Pseudomembranbildung neigen. Hinsichtlich der Anwendung von Kälte oder Wärme (cf. S. 8) muß man individualisieren. Für Phlyktänen und vaskularisierte Keratitis, für letztere be- sonders sobald die Rückbildung begonnen hat, ist ausgezeichnet die tägliche Einstäubung von Kalomel (näheres cf. S. ). (Bei tiefen progressiven Geschwüren, bei heftigen Reizzuständen, bei starker Sekretion wird Kalomel nicht immer gut vertragen.) In gleicher Weise vortrefflich wirkt das Einstreichen von 1 bis 2°/oiger gelber Salbe (Technik cf. S. 17) in den Konjunktivalsack. Auch empfindliche Augen pflegen sie zu vertragen. Die höheren Kon- zentrationen (bis 10°/o) sind nur vom Arzt persönlich zu versuchen. Die Einreibung der Lidränder mit gelber Salbe (1—2°/oig, abendlich) soll noch viele Monate lang nach der Abheilung fortgesetzt werden zur Verhütung der Rezidive. Bei Keratitis ist außerdem Atropin, bei tieferen Geschwüren ein Verband angezeigt. (Droht dagegen ein peripheres Geschwür zu perfo- rieren, so wird man im Gegenteil Eserin geben, damit die Iris beim Durchbrach nicht zu sehr vorfällt; im übrigen ist für solche Ulcera eine Überdeckung mit Bindehaut [cf. „Verletzungen''] oft sehr nützlich.) Zur Aufhellung der Narben kann man tägliche Massage mit gelber Salbe anwenden. Inveterierte Flecken sind irreparabel. Während bei Erwachsenen und leichten Fällen technisch-thera- peutisch keine besonderen Schwierigkeiten bestehen, ist bei licht- scheuen skrofulösen Kindern all das zu befolgen, was über „Behandlung von Kindern" ausgeführt wurde. Besonders bei schwereren Fällen mit Blepharospasmus, die übrigens mög- lichst in eine Klinik zu verlegen sind, muß der Arzt selbst die Lider mit Lidhaltern öffnen und Medikamente geben, bis das Kind von selbst frei öffnet. Auch Eintauchen des Gesichts in kaltes Wasser löst oft den Lidkrampf. Besteht Keratitis, so ist die Salbendarreichung des Atropins den Einträufelungen vorzuziehen (cf. S. 17). Besteht hochgradige Enge der Lidspalte (Blepharophimose), welche die Öffnung und Behandlung erschwert und das Eintreten von Rezidiven begünstigt, so wirkt eine operative Erweiterung der äußeren Lid winkel oft sehr nützlich und entlastend. Sehr empfehlenswert ist Untersuchung und eventuelle Behand- lung der inneren Nase. Ebenso muß gesorgt werden für kräftige Nahrung, frische Erkrankungen der Konjunktiva. 309 Luft und für Hautpflege. Ungeziefer, besonders Pediculosis capitis ist mit. Salmdillessig (24 Stunden lang, eventuell mehrmals)' und an- schließender Schmierseifenwaschung zu beseitigen. Ausschläge am Kopf und Gesicht bedürfen der Ölaufweichung und Entfernung der Borken, dann des Tuschierens mit l%igem Arg. nitricum (nach- folgender Neutralisation) und dann der reichlichen Salbe (1—2°/oige gelbe Salbe, Zinksalbe, Neißers Zink-Wismutsalbe (vergl. S.-19). Wiederholte allgemeine warme Reinigungsbäder, reine Wäsche sind notwendig, später längere Zeit Salzbäder; wenn es möglich ist. sollten hartnäckige Fälle, besonders aus ärmlichen Verhältnissen, nach Ab- heilung der Entzündung zu längerem Aufenthalt in eine Ferien- kolonie im Solbad oder an der See geschickt werden. .Man erreicht damit Vortreffliches. Nur ist möglichst dafür zu sorgen, daß auch nach der Heimkehr Pflege und Fürsorge nicht aufhören; sonst ist, wenn zu Hause das alte Elend wieder anfängt, das Ergebnis oft schnell vorübergehend. Der öffentlichen und privaten Wohltätig- keit, der Tätigkeit des Schularztes ist hier ein weiter Spielraum gesetzt. Trachom1). Conjunctivitis granulosa (Köraerkrank- heit. Ägyptische Augeneiitzimdung). Historisches. Das Trachom hat schon in früheren Jahrhunderten hier und da in Europa endemisch existiert und ist auch schon den griechischen und römischen Ärzten bekannt gewesen. Aber erst der Feldzug Napoleons nach Ägypten, diesem seit dem Altertum bis zum heutigen Tage vollständig trachomdurchseuchten Lande, führte zu einer weiten Verbreitung in den europäischen Heeren und von dort aus in der Zivilbevölkerung. Seitdem ist das Trachom eine wahre Volksplage für viele Länder geworden und beansprucht deshalb die lebhafteste Tätigkeit der öffentlichen Gesundheitspflege und der Ärzte. Freilich hat es sich bei den Epidemien „ägyptischer Augenkrank- heit" oder, wie der Name vielfach lautete, der „Ophthalima militaris" in der napoleonischen und der darauf folgenden Zeit, wohl kaum nur um Tra- chom gehandelt. Die akute Massenerkrankung ganzer Heeresteile spricht vielmehr dafür, daß auch die andern, in Ägypten so enorm häufigen kontagiösen Katarrhe, di e gonorrho ische Blennorrhoe und die Infektion mit Koch- Weeks-Bazillen, auf die Truppen übergingen, freilich in der Regel wohl zu- sammen mit dem Trachom. Das ist nämlich noch heute der Grund, warum in Ägypten das Trachom zeitweise so „flüssig" und schwer eiterig wird; in der Sommerszeit besonders wird dort der Koch-Weeks-Katarrh geradezu pandemisch und massenhaft sind auch die Infektionen mit Gonokokken, welche in vielen Fällen die Hornhaut rapide zerstören. Es ist also nicht bewiesen, daß im Anfang des vorigen Jahrhunderts das Trachom an sich schwerer und akuter in Europa gewesen sei und daß es seitdem an Bösartigkeit abgenommen habe; sondern es sind vielleicht nur die sekundären katarrhalischen Infektionen mehr und mehr erloschen, während das Trachom im wesentlichen geblieben ist was es war. Im allgemeinen ist die Entwickelung reinen Trachoms eine allmähliche, chronische und für die europäischen Staaten ist beim Ausbruch einer akuten Massenepidemie immer an einen andern infektiösen Katarrh zu denken (cf. S. 283). Wurden aber z. B. bei solcher Gelegenheit ganze Schulen untersucht, und wurden dann die so sehr i) Von T(>a%vg = rauh. 310 Axen feld, hänfigen Schul-Follikel ohne weiteres für Trachom erklärt, so ist oft genug irrtüm lieh eine „akute Trachomepidemie" diagnostizert und mit rigorosen Maßnahmen bedacht worden, wo es sich gar nicht um „ägyptische Augenentzündung" handele. Die bakteriologische Sekretuntersuchung hat hier für viele Fälle die richtige Diagnose geliefert- Außerordentlich verbreitet, offenbar schon seit alter Zeit, ist das Trachom auch bei den mongolischen Völkern (China, Japan), in Indien und im Orient, Nord-Afrika. Die Negerländer sind im allgemeinen frei, und auch bei den Negern Nord-Amerikas wird es selten angetrofftn. Es fragt sich aber sehr, ob daran eine „Rassenimmunität" beteiligt ist, und nicht vielmehr der Umstand, daß die Neger dort mit den trachomeinschleppenden Einwanderern aus sozialen Gründen nur wenig in nähere Berührung kommen. Klinisches Bild. Beginn. Verlauf. Verhältnismäßig selten, und dann meist sporadisch, beginnt das reine Trachom akut, mit lebhaften entzündlichen Erscheinungen unter dem Bilde des Schwellungskatarrhs mit Körnerbildung. Die meisten als „akutes Trachom" imponieren- den Fälle stellen eine Mischinfektion mit anderen Bakterien dar, welche sich zu einem Trachom oder auch zu einer Con- junctivitis folliculosa hinzugesellen; es er- gibt sich das aus der Sekretuntersuchung und der weiteren Beobachtung (cf. S. 322). Meist ist der Beginn des Trachoms ein schleichender, der Verlauf chronisch. Der Anfang des Trachoms kann so unvermerkt, die Absonderung und die Be- schwerden können so gering sein, daß oft erst nach Monaten oder Jahren die Kranken den Arzt aufsuchen, vielleicht schon mit dem Vollbild der Krankheit. Ja, bei in- dolententen Personen, wenn nicht etwa eine Hornhautkomplikation sie aufmerksam gemacht hat, kann die ganze Krankheit bis zum Narbenstadium latent bleiben. (Inzwischen aber können solche Menschen die Krankheit weiter verbreiten!) Je nach dem Grad der Körnerbildung und der Entzündung zeigen sich die gewöhnlichen katarrhalischen Beschwerden. Die Oberlider hängen herab, besonders wenn erhebliche Tarsusverdickung besteht. Die Lidhaut ist nur bei sehr heftigen Fällen geschwollen. ' Auffällig ist in vielen Fällen ohne weiteres die Rötung und Schwellung der Karunkel und der Plica semilunaris. Die ektropionierte Bindehaut (Technik cf. S. 27 ff.) zeigt im ersten Beginn außer mäßiger Rötung und Schwellung der Papillen der Con- junctiva tarsi eine Follikelbildung besonders in der oberen Über- gangsfalte. Letztere muß deshalb unbedingt durch forcierte Um- stülpung eingestellt werden. Allmählich breiten sich die Körner allenthalben aus, werden dichter, und sitzen reihenweise auf den geschwellten und stärker ge- röteten Übergangsfalten. Auch die Conjunctiva tarsi wird stärker papillär und gerötet, sie verdeckt die Meibomschen Drüsen (welche bei einfachen Follikularentzündungen dauernd sichtbar zu bleiben Fig. 259. Vollbild desTra- c h o m s (Conjunctivitis granu- losa) im Körnerstadium. In der ganzen Konjunktiva massen- haft Körner verschiedener Größe. Erkrankungen der Konjunktiva. 311 pflegen). Die papillären Unebenheiten wechseln hinsächlich ihrer Größe, je nach dem Umfang der sich entwickelnden Trachomkörner. Man hat früher die Fälle, wo in der Conjunctiva tarsi nur kleinere, spitze Papillen und wo auch an den Übergangsfalten nur kleinere Unebenheiten sich fanden, als „papilläres Trachom" von den „grobkörnigeren" Formen getrennt. Doch gibt es zwischen beiden alle Übergänge, es handelt sich um ein und dieselbe Krankheit. Bei den grobkörnigen Fällen sehen die sulzigen, meist stark prominenten und abgrenzbaren, glasig grauen Körner oft wie „Froschlaich" aus. Sie können schließlich auch zu einer dicken, sulzigen, speckigen, dif- fusen Einlagerung konfluieren (sulziges Trachom). Sehr oft gehen die Follikel auf die Plica semilunaris über, mit- unter auch auf die peripheren Teile der Conjunctiva bulbi, welche in allen schweren Fällen erheblich mitgerötet ist. Die einzelnen Körner sind um so deutlicher, je weniger sie durch eine diffuse Schwellung der Bindehaut verdeckt werden; sie treten deshalb oft um so stärker hervor, je mehr man einen an- fänglichen katarrhalischen Reizzustand (durch Argentum nitricum) zum Verschwinden bringt. Sich selbst überlassen, bleibt dieser Zustand lange, meist Jahre hindurch bestehen. Allmählich verschwinden die Körner und papillären Unebenheiten, ebenso Schwellung und Injektion, es tritt die Narben- bihlung ein, oft unter erheblicher Schrumpfung, die in schweren Fällen zu allgemeiner oder strangförmiger Verkürzung der Übergangs- falten (Symblepharon posterius), sowie zur Verkrümmung des Tarsus und Einwärtsbiegung des Lidrandes führen kann. Fig. 260. Narbentrachom. Weißliche Fig. 261. Symblepharon, Narben in der Conjunctiva tarsi des Ober- Verkürzung der Übergangsfalte lides. Tarsus verkrümmt. am Unterlid im Narbenstadium. In den allerschwersten Fällen kann vollständige Vertrocknung (Xerosis, epidermoidale Vernarbung) der ganzen Bindehaut eintreten (Xerophthalmus), ein irrepabler Folgezustand. In den unbehandelten Fällen beteiligt sich außerordentlich häutig (in 50°/o und darüber) im Lauf der Erkrankung die Kornea unter dem außerordentlich typischen Bild des Pannus trachomatosus. Vom 312 Axenfel|J, oberen Hornhautrande schiebt sich sichelförmig eine oberflächliche grau- liche Trübung vor, über der das Epithel uneben ist1) und in welche zahlreiche oberflächliche, unmittelbar aus den benachbarten Kon- junktivalgefäßen stammende Gefäße hineinziehen, vielfach geradlinig von oben nach unten, andere mehr radiär, untereinander anastomo- sierend. (cf. Abb. 282.) Bald erreicht der Pannus die Pupille, er kann dieselbe über- schreiten und schließlich die ganze Hornhaut überziehen. Aber selbst dann ist die obere Hälfte stärker verändert. Die ganz zarten Formen des Pannus können unter Behandlung ad integrum zurückgehen, die dichteren hinterlassen immer Trübungen. Sehr groß ist die Neigung zum Rezidiv, auch wenn inzwischen die trachomatösen Schleimliautveränderungen rückgängig geworden sind. In schweren Fällen, besonders wenn ein- wärtsgekehrte Wimpern auf der Hornhaut reiben, dringt die Trübung tief ins Paren chym (Pannus crassus) (cf. Fig. 264); in anderen erscheint die Infiltration prominent, fleischig, wie eine Auflagerung, in ihr können echte Follikel liegen. Der Pannus kann in allen Stadien der Krankheit einsetzen; ist das Xarbenstadium ohne Entropium und Verkrümmung der Lider und ohne Hornhautbeteiligung erreicht, so ist auch das Auftreten eines Pannus sehr unwahrscheinlich. Die Fälle von Xarben- entropium werden unbedingt von Hornhaut- veränderungen heimgesucht. In anderen Fällen können sich in der Hornhaut unregelmäßige Geschwüre bilden. Vereiterungen der Kornea sind dagegen beim reinen Trachom selten. Fig. 262. Pannus tra- chomatosus, von oben her die Hornhaut über- ziehend, mit massenhaften oberflächlichen Gefäßen. Differeiitialdiagnose. Da wir in der Diagnose des Trachoms bisher auf rein klinische Symptome angewiesen sind, so ist es zu begreifen, daß der Streit zwischen ;,Unitariern" (denjenigen, welche jede Follikelbildung für trachomatös ansehen) und „Dualisten" (den- jenigen, welche selbständige mildere Körnererkrankuugen anerkennen) lange sich hingezogen hat. Fs ist aber zweifellos, daß Follikel durch verschiedenartige Reize entstehen können2). Es lassen sich zweifellos als „Trachom" diagnostizieren A. die Körnerbildungen, welche im Laufe der Zeit zu Narben- bildung führen oder geführt haben, sowie B. diejenigen Fälle, wo in diesem Xarbenstadium oder schon vorher in dem Körnerstadium eine charakteristische Be- teiligung der Hornhaut in Gestalt des oben beschriebenen Pannus trachomatosus hervortritt. i) Als Vorbote des Pannus ist es anzusehen, wenn in der noch klaren Kornea nach Fluoreszineinträufelung sich im Epithel kleine grüne Fleckchen färben. *) Es ist deshalb von einer Conjunctivitis folliculosa nicht in einem besonderen Abschnitt gehandelt, sondern sie findet sich an verschiedenen Stellen, besonders bei der ,.Conjunctivitis simplex chronica" (cf. S. 287) und hier in ihrer Unterscheidung vom Trachom berücksichtigt. Erkrankungen der Konjunktiva. 313 Im einzelnen ist hier noch zu bemerken: ad A) Xarbenbildung (cf. S. 276!) ist bekanntlich an der weißlichen oder lividen Farbe der strahligen, glatten Narben ohne weiteres zu erkennen. Sitzen sie an der Übergangsfalte, so ist dieselbe verkürzt (Symblepharon posterius). Findet sich Narbenbildung gleichzeitig mit oder neben körniger Beschaffenheit der übrigen Bindehaut, oder vergesell- schaftet sie sich mit einem typischen Pannus, so ist, wie schon erwähnt, Trachom ganz zweifellos. Aber auch bei jeder Narbenbildung in der Bindehaut, besonders einer solchen in der Conjunctiva tarsi der Oberlider mit mulden- oder kahn- förmiger Verkrümmung des sogen. Lidknorpels (Entropium, Distichiasis), ganz besonders bei doppelseitigen Fällen, ist in erster Linie stets an Trachom zu denken. Es kommen neben demselben, aber ungleich seltener als narbenbildend überhaupt nur in Betracht: 1. Frühere Verletzungen, Verbrennungen und Verätzungen (Säuren, Kalk usw.) (cf. Abschnitt „Verletzungen"). 2. Frühere Diphtherie der Bindehaut. Auch sie ist öfter einseitig. Es ist bei solchen schwereren narbenbildenden Fällen von Diphtherie meistens die Hornhaut geschädigt, aber nicht unter dem typischen Bilde des Pannus, sondern in Form unregelmäßigerer Narben. Im allgemeinen sind solche Fälle selten. 3. Nach gonorrhoischer Infektion der Konjunktiva bilden sich ab und zu leichte Narben an den Übergangsfalten. Es ist das jedoch selten, außerdem aber ist die beim Narbentrachom vorwiegend befallene Conjunctiva tarsi frei. 4. Der seltene Pemphigus der Konjunktiva, der mit oder auch vor den Eruptionen auf der übrigen Haut und besonders den anderen Schleimhäuten vor- kommt und zunächst zu größeren pseudomembranbedeckten Geschwüren führt, gibt zu den stärksten Narbenbildungen und gelegentlich zu völliger Verödung der ganzen Bindehaut und schwerer Keratitis Veranlassung. Früher wurde diese Krankheit vielfach als „essentielle Schrumpfung der Bindehaut" bezeichnet. Es kann diese schwere Vernarbung den schlimmsten trachomatösen Vernarbungen, dem bei uns sehr seltenen Xerophtalmus ähnlich sehen. Doch ergibt die Untersuchung des übrigen Körpers und die Vorgeschichte meist die frühere oder jetzige Anwesenheit anderer Pemphigusblasen. Er dürfte also nur sehr selten mit dem Narbentrachom zu verwechseln sein. 5. Sehr chronische einfache (nicht körnige) Entzündungen des Lidrandes und der Bindehaut, wenn die Lider lange Zeit auswärts gekehrt waren (Ektropium hauptsächlich des unteren Lides), oder wenn durch fort- gesetzte Vereiterung die Lidrand- und Lidknorpeldrüsen zerstört sind, können Narben veranlassen. Diese Narbenbildung beschränkt sich auf den dem Lidrand anliegenden Teil der Bindehaut. Die Schleimhaut ist in all diesen Fällen aber zum allergrößten Teil vorhanden und zeigt hier keine Körner, sondern höchstens eine sammetartige, zart papilläre Schwellung. Die weiße, milchartige Beschaffenheit, welche die Conjunctiva tarsi durch Epithelwucherung bei dem sogen. Frühjahrskatarrh darzubieten pflegt, ist an ihrer gleichmäßigeren diffusen Beschaffenheit, an dem Fehlen der bei solch starker Narbenbildung zu erwartenden Lidverkrümmung vom Narbentrachom zu unter- scheiden. Auch ist beim Frühjahrskatarrh meist eine charakteristisch wulstige, glasige Wucherung des Limbus corneae, niemals aber ein Pannus vorhanden, die vorhandenen Bindehautwucherungen sind polypös, mit plattgedrückter Oberfläche (pflastersteinartig) (cf. S. 325). a d B. Bei dem Befunde eines typischen Pannus in der oberen Hornhauthälfte ist der Verdacht eines Trachoms ohne weiteres gerechtfertigt. Die sichere Diagnose setzt dagegen voraus, daß man außerdem eine körnige oder narbige Beschaffenheit der Schleimhaut besonders des Oberlides nachweist, da differen- tialdiagnostisch zu berücksichtigen ist: 314 Axenfeld, 1. daß der bezüglich der Art der Trübung gleichartige oder ähnliche Pan- nus scrophulosus sich auch einmal nach oben lokalisieren kann. Es ist dem- selben freilich meistens eigentümlich, daß er unregelmäßig von den verschiedensten Seiten aus beginnt. Die Unterscheidung ist aber auch bei ausnahmsweiser Lokalisa- tion des Pannus scrophulosus vorwiegend in der oberen Hälfte möglich, a) durch die sonstigen bekannten Zeichen der Skrofulöse, b) daß die Schleimhaut nicht körnig oder narbig erscheint (cf. S. 304). In seltenen zweifelhaften Fällen wird der relativ schnelle Einfluß der antiphlyktänularen Therapie den Ausschlag geben, indem die Behandlung etwaiger Blepanritiden und Lidwinkelrhagaden, Atropinisierung und topische An- wendung von Kalomel und gelber Salbe bei gleichzeitiger allgemeiner. Haut- und Körperpflege eine rein skrofulöse Entzündung schnell bessert resp. beseitigt. Immerhin ist zu berücksichtigen, daß auch das Trachom nicht ungern skro- fulöse Individuen befällt, und daß sich gelegentlich phlyktänuläre Erscheinungen auf der Bindehaut und Hornhaut mit ihm kombinieren können. Es ist insofern von Wichtigkeit, als man bei etwas atypischer und der üblichen Tia- chomtherapie schlecht zugänglicher Keratitis bei Trachomkranken mitunter durch eine antiskrofulöse Lokaltherapie Erfolge erzielt. 2. Bei Schiefstellung einzelner Zilien, auch wo diese nicht durch Narbentrachom bedingt ist, erkrankt die geriebene Hornhaut unter dem Bilde des Pannus. 3. Auch andere Randkeratitiden , heilende vaskularisierte Ulcera, ferner die Lepra können gelegentlich ähnliche Bilder geben. Die Untersuchung der Schleimhaut gibt schnell Aufklärung. Während also bei vorhandenen Narben und typischem Pannus die Diagnose „Trachom" sich meist sofort ergibt, verlangen die früheren Stadien und besonders der Anfang der Granulöse eine wohl überlegte Differentialdiagnose. Es muß gleich hervorgehoben werden, daß zu derselben das Auftreten von Narben oder Pannus bei dem eminent chronischen Verlauf der Krankheit nicht abgewartet werden kann, zumal der letztere auch bei den unbe- handelten Fällen nicht immer auftritt (in ca. 30—50°/o). Nun ist freilich das Vollbild des Körnertrachoms, wie es auf S. 310 und in Abbildung 259 dargestellt ist, sehr charakteristisch. Aber bis zu seiner Ausbildung durchläuft die Krankheit weniger aus- geprägte Stadien. Was ist für die Conjunctiva in diesen früheren Stadien differential-diagnostisch zu beachten? Bei den seltenen akuten Fällen gelingt es im ersten Anfang nicht immer, mit Deutlichkeit in der Schleimhaut die einzelnen Körner klar zu unterscheiden, da dieselben durch die starke Schwellung ver- deckt sein können. Es ist deshalb für solche Fälle eine bakterio- logische Deckglasuntersuchung von großem Wert, indem ein etwaiger Nachweis von Gonokokken oder Pneumokokken, Koch-Weeksschen Bazillen oder Diplobazillen im allgemeinen gegen akutes Trachom oder doch dafür spricht, daß zurzeit eine der genannten Bazillen- infektionen vorliegt, deren Ablauf erst abzuwarten ist, bevor eine Kombination mit Trachom diagnostiziert wird. Auch ist zu berück- sichtigen, daß auch eine Conjunctivitis folliculosa das Bild eines akuten Trachoms geben kann, wenn sich zu ihr solch eine heftige katarrhalische sekundäre Infektion hinzugesellt. An reines akutes Trachom wäre dem- nach vorwiegend bei negativem oder nicht verwertbarem (Staphylokokken, Xerosebazillen) Sekret-Befund zu denken, wenn in der entzündeten Schleimhaut immer reichlicher Körner hervortreten. So lange aber die Erkrankungen der Konjunktiva. 315 Körnerbildung nicht deutlich ist, ist zu berücksichtigen, daß es auch andere akute Katarrhe gibt, die bakteriell nicht charakteristisch sind: 1. Der sogen, skrofulöse Schwellungskatarrh (cf. S. 304). Die stark papilläre Übergangsfalte kann an akutes Trachom erinnern. 2. Kurz zu erwähnen sind hier nochmals akut traumatische Reizungen, zunächst der sehr heftige mit starker Schwellung und Papillarwucherung einher- gehende Reizzustand, wie er sich einstellt, wenn Getreidegrannen oder ähn- liche Pflanz enteile sich unter dem Oberlide festsetzen, wie dies bei Land- arbeitern besonders in der Erntezeit nicht selten vorkommt, natürlich fast nur einseitig. Sehr oft erweckt hier ein eigentümlich zerkratztes Aussehen des oberen Hornhautrandes, entstanden durch hervorctehende Spitzen, den Verdacht eines solchen Fremdkörpers; bei Ektropionierung wird derselbe stets gefunden werden, doch muß man dazu die Übergangsfalte stark herunterdrücken, weil die Granne sich gern in die Tiefe einer Querfalte legt. Erwähnt seien hier auch die nicht seltenen absichtlichen Versuche Ge- stellungspflichtiger, Arbeitsscheuer, Hysterischer, durch Hineinstreichen von ätzendem Staub, z. B. Schnupftabak oder Pferdestaub, durch Verätzungen eine Granulöse vorzutäuschen (cf. S. 278). So sehr nun alle reichlicheren Körnerbildungen in der oberen Konjunktiva, besonders der Übergangsfalte als ;,tr achomver- dächtig" erscheinen müssen, so würde es doch falsch sein, in allen solchen Fällen die Diagnose „Trachom"' sofort mit Bestimmtheit stellen. Denn es gibt ähnliche gutartige Follikularerkrankungen der Bindehaut, welche von dem beginnenden Trachom nicht immer bei der ersten Untersuchung unterschieden werden können. Bei Personen, welche viel Nahearbeit treiben, sehr oft auch bei Schülern (cf. S. 287) zeigen die Übergangsfalten, besonders die unteren, am Tarsusrand und hinter demselben häufig einzelne Körnchen. Diese leichten, ganz oder fast reizlosen, oft latenten und einer Behandlung nicht immer bedürftigen Fälle dürfen nicht für Trachom gehalten werden; sehr oft ist ihretwegen ganz unnötige Be- sorgnis erregt worden. Nur wenn die Körner reichlich sind, so können sie einem beginnenden Trachom ähnlich sehen. Ein Teil der trachomähnlichen Conjunctivitis folliculosa ist, wie schon auf S. 287 erwähnt, nicht infektiös. Hierher gehört auch die auf fortgesetzten Atropingebrauch entstehende Form. Andererseits gibt es aber zweifellos auch übertragbare milde Follikulär-Konjunktivitiden mit spontaner Ausheilung ohne Narbenbildung, die sich besonders gern als Endemien in geschlossenen An- stalten (Waisenhäusern, Schulen, Kasernen) festsetzen; daß sie von hier aus weitere Kreise der Bevölkerung nicht zu ergreifen pflegen, hegt an der sehr geringen Sekretion. In manchen Lehrbüchern findet sich nun die nicht zutreffende Angabe, daß bei der nichttrachomatösen Conjunctivitis folliculosa nur unten Follikel sich finden. Das stimmt für viele Fälle. Aber so richtig es ist, daß bei alleinigem Follikelbefund nur in der unteren Übergangsfalte ein Trachom nicht anzunehmen ist, so häufig findet man bei tiefer Ektropionierung kleine Follikel auch in der oberen Übergangsfalte, besonders in den Ecken auch bei gut- artigen Follikularerkrankungen. Auch an der Form der Körner allein ist die Unterscheidung zwischen Conj. folliculosa und Trachom nicht immer durchführbar. Grobe Körner, besonders in stärker entzündeter Schleimhaut, sind beim Trachom häufig. Bei der Conj. folliculosa sind die Follikel meist klein, scharf begrenzt und durchsichtiger, sie lassen den Tarsus meistens frei, dessen Meibom sehe Drüsen deshalb bei der Conjunctivitis folliculosa sichtbar bleiben, während sie beim Trachom durch die Infiltration verdeckt werden. Aber auch diese Unterschiede sind nicht immer von Anfang an durchgreifend. Es ist aus den genannten Gründen das chronisch beginnende Trachom nicht immer sofort gegenüber der Conj. folliculosa mit voller 316 Axenfeld, Sicherheit zu diagnostizieren. Fs ist ferner schon auf S. 314 ausge- geführt, daß beim Hinzutreten eines akuten Katarrhs die Conjuncti- vitis folliculosa vorübergehend dem akuten Trachom ähnlich werden kann. Wir bedürfen deshalb der Rubrik „trachomverdächtig-". Die weitere Beobachtung wird dann in kurzer Zeit entscheiden, ob der Zustand unter einer milden Therapie (Zink, Kompressen, gelber Salbe, Augendiät, cf. auch S. 320) zurückgeht — und dann handelt es sich um Conjunctivitis folliculosa — oder ob er sich zum ausgesproche- nen Bilde der Conjunctivitis granulosa entwickelt. Das vollentwickelte Bild der chronischen Conjuncti- vitis trachomatosa verlangt dann noch differentialdiagnostisch die Beachtung folgender Punkte: a) Der Frühj ahrskatarrh kann papilläre „pflastersteinartige" Uneben- heiten besonders in der oberen Tarsalbindehaut zeigen. Die Verdickung des Limbus corneae, die weißliche Epitheltrübung, die abgeplattete polypoide Form der Prominenzen erlauben fast immer sogleich die Unterscheidung. Schwieriger können die sehr seltenen rein palpebralen Fälle des Frühjahrskatarrhs sein. Doch ist auch bei ihnen das Aussehen der Prominenzen eigenartig (vergl. S. 325). b) Die einfache chronischeKonjunktivitis, wie sie bei Blepha- ritis, Tränenleiden, Stellungsanomalien der Lider (Abstehen der Tränenpunkte, Ektropium) sowie ohne diese disponierenden Umstände häufig vor- kommt (besonders durch Diplobazillen), führt zwar auch oft zu einer papillären, samtartigen Schwellung der Schleimhaut (besonders bei Ektropium) aber nicht zu erheblicher Körnerbildung. c) Die Tuberkulose der Bindehaut kann ausnahmsweise trachomähnlich aussehen, meist sind jedoch deutliche Geschwüre da. Bei aller Therapie trotzenden Fällen ist zur Entscheidung dieser Möglichkeit eine histologische resp. Impf- Untersuchung angezeigt. d) Nach abgelaufener sehwerer Gonorrhöe der Konjunktiva bleibt ab und zu eine papilläre Hypertrophie zurück, welche trachomähnlich sein kann, aber auf Arg. nitr. oder Cuprum bald verschwindet. e) Die seltene Parinaud'sche Konjunktivitis führt in der ganzen Bindehaut zu großen körnig-papillären Wucherungen oft mit gelblichem Zentrum von derber Konsistenz. Unter Fieber schwellen gleichzeitig die Präaurikular- drüse und die Kieferdrüsen und abscedieren manchmal. Die Krankheit ist meistens einseitig und bildet sich ohne Hinterlassung von Narben zurück. Mikroskopisch findet man dichte Infiltration mit Lymphozyten, epitheloide und besonders Plasmazellen, die im Bereich der gelblichen Stellen leichte Nekrose zeigen. Die Ätiologie der Krankheit ist bisher nicht bekannt. f) Zu nennen ist hier auch noch die Follikelbildung nach längerem Atropingebrauch, die aber nur ausnahmsweise höhere Grade erreicht und nach Fortlassen des Medikaments zurückgeht. (Ausnahmsweise sollen auch Lues sowie Leukämie und Pseudoleukämie stärkere Follikelbildung hervorrufen können.) Die in der Bindehaut besonders bei älteren Leuten häufigen kleinen „Konkremente'', kenntlich an ihrer kreidigen, etwas gelblichen Färbung sind mit Follikeln nicht zu verwechseln. Pathologische Anatomie des Trachoms. In dem adenoiden Gewebe der Schleimhaut vermehren sich die lymphatischen Elemente unter gleichzeitiger Hyperämie und Infiltration der Gefäße. In der Conjunctiva tarsi schwellen die kleinen Papillen, im Fornix besonders dem oberen, tritt die Schleimhaut in Gestalt querer Falten stärker hervor. Die Trachom- follikel liegen vorwiegend in den geschwellten Papillen und Falten. Sie haben eine wechselnde Größe und bestehen zumeist aus einkernigen Lymphzellen, welche in der Peripherie des Follikels den Lymphozyten gleichen, während das Erkrankungen der Konjunktiva. 317 Zentrum als der Sitz der weiteren Proliferation (Keimzentrum) hellere, größere, einkernige Zellen und Kernteilungsfiguren aufweist. Nur vereinzelt sind binde- gewebige Elemente vorhanden, wie überhaupt die Stützsubstanz des Follikels sehr spärlich ist. Eigenartig sind in den Follikeln noch die sog. Körperchen- zellen (große phagozytäre Zellen mit lebhaft gefärbten körnigen Einschlüssen). Ältere Körner pflegen von reichlichen Plasmazellen umlagert zu sein. Die Grenze gegen die infiltrierte Umgebung ist bei frischen Trachom. follikeln nicht scharf; ältere setzen sich öfters kapselartig ab, doch ist das kein durchgreifender Befund und besonders auch kein durchgreifender Unterschied gegen die gutartigen Follikelbildung en. In schweren Fällen können die Follikel auf weite Strecken konfluieren (sulziges Trachom). Fig. 263. Trachomkörner von der Übergangsfalte, im adenoiden Gewebe ge- legen, das Epithel emporhebend und infiltrierend. Links ist ein Korn geplatzt und beginnt sich zu entleeren. Das Bindehaut-Epithel, welches die Kuppen der Follikel unmittelbar berührt, ist vielfach diffus verdickt, an anderen Stellen desquamierend und von Leukozyten durchsetzt. Die Einsenkungen zwischen den Follikeln wachsen nicht selten in das Bindegewebe in Gestalt drüsenartiger Schläuche hinein, welche oft auch im späteren Narbenstadium reichlich sichtbar sind (sog. Trachomdrüsen). (Bei fiischen Trachomen mit stärkerer Reizung, sowie bei sulzigem Trachom sind neuerdings in abgeschabten Epithelien eigenartige, aus Körnchen zusammen- gesetzte Einschlüsse nachgewiesen worden, welche von manchen als Protozoen und als die Erreger des Trachoms angesprochen werden. Ob sie das sind, ob es sich überhaupt um Parasiten oder um ein Zellprodukt handelt, wird noch zu untersuchen sein. Wenn diese Gebilde ausschließlich bei Trachom vorkommen, wird ihr mikroskopischer Nachweis die Diagnose unterstützen können. Da sie aber bei älteren Fällen nicht nachgewiesen werden konnten, ist ihr Fehlen unter keinen Umständen maßgebend, zumal sie auch in den positiven Fällen nur ver- einzelt und schwer auffindbar zu sein pflegen.) Im weiteren Verlauf zerfallen die Follikel und werden teils im Gewebe resorbiert, zum kleinen Teil entleeren sie sich in den Konjunktivalsack. An ihre Stelle tritt ein schrumpfendes Narbengewebe, von wechselnder Dichtig- keit und Tiefe, das darüber liegende Epithel verliert vielfach die zylindrische Schichtung, wird platt und manchmal epidermoidal. Die Narbenbildung in der Conjunctiva palpebralis kann den Tarsus, dessen Drüsen degeneriert sind, stark verkrümmen und einwärtskehren. Die pathologische Anatomie der anderen, gutartigen Folli- kularerkrankungen der Konjunktiva läßt hinsichtlich der Zusammen- 318 Axenfeld, setzung des Follikels keine durchgreifenden Unterschiede gegenüber dem Trachom- korn erkennen. Im allgemeinen, aber nicht immer, sind die gutartigen Follikel kleiner, schärfer abgesetzt, ihre Umgebung weniger infiltriert. Niemals aber zeigen sich Narbenbildung und Hornhautkomplikationen. Der frische oberflächliche Pannus trachomatosus stellt eine vaskulari- sierte, dichte, lymphozytäre Infiltration dar, welche sich vom oberen Limbus aus zwischen Epithel und Bowmannscher Membran vorschiebt (vergl. „Kornea1', S. 365, Abb. 293 u. S. 366). In älteren, schwereren Fällen werden die bindege- webigen Elemente in der Infiltrationszone reichlicher, die Bowmann sehe Mem- bran geht zugrunde und auch im Parenchym der Kornea erscheinen Gefäße und Infiltrationszüge; schließlich gehen die oberen Hornhautlamellen zugrunde, das Epithel zeigt dann mitunter eine Art horniger Verdickung, in deren Bereich klinisch die Oberfläche weiß und gefleckt erscheinen kann. Nicht selten entstehen im Bereich des Pannus Epitheldefekte, die zu Ulzerationen führen können. Fig. 264. Narbentrachom. Entropium. Die Konjunktiva zeigt keine Körner mehr, sondern Schrumpfung und in der Conjunctiva tarsi Epithelverdickung. Der Tarsus ist verkrümmt, seine obere Begrenzung bildet eine Konvexität. Der Lidrand ist einwärts gebogen (Entropium), eine Wimper reibt auf der Kornea, welche hochgradige Epithelverdickung und Infiltration zeigt (Pannus crassus). Übertragung-, Disposition. Das Trachom ist zweifellos eine an- steckende (kontagiöse) Krankheit. Das ist durch die ganze klinische Beobachtung und zahlreiche unbeabsichtigte und experimentelle Über- tragungen sichergestellt. Unter den Tieren ist nur der Affe empfänglich. Die Follikel- bildung ist aber bei ihm nicht entfernt so deutlich. Die Ansteckung geschieht nur durch Kontaktübertr.agung des Sekretes, sei es direkt oder durch Vermittlung gemeinsamer Uten- silien und Geräte. Eine Übertragung durch die Luft findet dagegen sicher nicht statt. Erkrankungen der Konjunktiva. 319 Die in der Literatur viel erörterte Disposition der Basse ist zweifelhaft (s. oben ,,Historischesa), diejenige des Klimas und der geographischen Lage ist nicht von entscheidender Bedeutung. Da- gegen ist eine persönlich verschiedene Empfänglichkeit nicht in Ab- rede zu stellen1). Es sind Beispiele bekannt, wo trotz wiederholter Übertragung von frischem Sekret eine Erkrankung ausblieb. Es gibt offenbar (wie für so viele infektiöse Erkrankungen) immune Personen, resp. nicht jedes trachomatöse Sekret ist kontagiös. Das Allgemein- befinden spielt dabei anscheinend keine große Bolle; auch kerngesunde Menschen können erkranken und es ist sicher nicht richtig, eine „skrofulöse" Disposition als notwendige Voraussetzung zu bezeichnen. Disponierend wirken natürlich schon bestehende Ileizzustände der Bindehaut, weshalb eine Behandlung derselben bei Ansteckungsgefahr mit zur Prophylaxe gehört. In erster Linie besteht aber die Disposition in der G elegenheit zur Infektion. Schlechte hygienische und soziale Verhältnisse. Indolenz, Unsauberkeit und Un- kenntnis sind die Verbreiter. Da aber die Anfangsstadien auch vor- sichtigen, reinlichen Menschen entgehen können, so ist in bedrohten Bezirken eine weitgehende Unterweisung der Bevölkerung und besondere Achtsamkeit seitens der Arzte nutwendig. Die Prognose der meist eminent chronischen Krankheit ist eine unsichere. Die einzelnen Epidemien können verschieden schwer verlaufen, ebenso die einzelnen Fälle. Durch frühe, zweckmäßige Be- handlung wird das Auftreten von Hornhautkomplikationen zumeist verhindert und der Gesamtverlauf erheblich abgekürzt. Ist einmal die Hornhaut ergriffen, so ist zwar Besserung und Bückbildung oft mög- lich, aber auch Bezidive sind dann besonders häufig. Schon des- halb ist die Prophylaxe besonders wichtig. Ebenso ist es irrig anzunehmen, daß Fälle, bei denen das Narbenstadium erreicht ist, sich jenseits aller Gefahr hinsichtlich der Kornea befinden. Es ist schließlich nicht ausgeschlossen, daß ein Patient mit abgeheiltem Narbentrachom von neuem mit Trachom infiziert wird. Ganz infaust sind die Fälle von völliger narbiger Verödung der Bindehaut (Xerophthalmus). Die Prognose wird schließlich sowohl von dem Allgemeinbefinden wie von dem Bestehen anderer Störungen (Dacryocystitis, Blepharo- phimose, Nasenerkrankungen) beeinflußt. Therapie. Die Therapie hat zunächst die infektiöse, übertrag- bare Absonderung, sodann aber die Körner, das spezifische Produkt der Krankheit zu beseitigen, bevor noch durch dieselben die Schleim- haut zur Degeneration und späteren Narbenbildung gebracht ist. Um bei absondernden Fällen eine Anhäufung des Sekretes zu be- seitigen, läßt man öfters Kompressen machen (cf. S. 8) und die Augen mit einem Wattebausch abwaschen; hierzu eignet sich Hydrargyrum oxycyanatum 1 :2000 oder Borlösung. Der Arzt kann auch die ektropionierten Lider ab und zu damit abspülen. Während der Nacht salbt man die Lidränder ein, damit sie nicht verkleben und das Sekret zurückhalten. J) Ausnahmsweise scheinen sogar die beiden Augen derselben Person ver- schieden empfänglich zu sein, da in seltenen Fällen die Krankheit dauernd ein- seitig bleibt. 320 Axenfeld, Das wirksamste Mittel zur Beseitigung der Sekretion ist für alle frischeren und überhaupt mit Schleimnautschwellung einher- gehenden Fälle (wie überhaupt für stärker absondernde Katarrhe) das Argentum nitricum in 1 oder 2% Lösung, täglich oder alle 2 Tage auf die ektropionierte Schleimhaut beider Lider getropft oder gepinselt, mit nachträglicher Kochsalzneutralisation (Technik cf. S. 16). (Zum Selbstgebrauch für den Kranken empfiehlt sich das Mittel wegen der Gefahr der Argyrose nicht. Der Stift ist überhaupt zu vermeiden!) Zwischen den Tuschierungen empfehlen sich kalte Borumschläge. Läßt die Sekretion und die Schwellung nach, so ist es häufig zweckmäßig, abzuwechseln zwischen Arg. nitr. und dem Kupfer- stift, oder medikamentöser Wattemassage (Sublimat oder Hydrargyrum oxycyanatum 1 : 1000). Die Massage bezweckt einer- seits eine Desinfektion und direkte Beeinflussung der Krankheitserreger, andererseits eine Kesorption der Follikel. Beim echten Trachom tritt eine solche Rückbildung allerdings nur langsam ein und man kaun mit ihr die Entwickelung des Vollbildes des Körnertracho es in der Regel nicht verhüten. [Dagegen die Conjunctivitis folliculosa geht auf einigemal angewandte, leichte medikamentöse Massage relativ schnell zurück. Deshalb ist diese Therapie zur Unterscheidung der trachomverdächtigen Fälle vom echten Trachom brauchbar.] Fig. 265. Medikamentöse Massage der trachomatösen Bindehaut. Diese Massage wird in der Weise geübt, daß ein in Sublimat oder Hydrar- gyrum oxycyanatum 1 :1000 getauchter Wattebausch mäßig ausgedrückt und dann über die ektropionierte und vorher kokainisierte Schleimhaut ziemlich kräftig hin- und hergerieben wird; man muß dabei möglichst auch in die Nischen der Schleimhaut einzudringen suchen und kann zu diesem Zweck auch kleine Tupfer um ein Holz- oder Glasstäbchen oder eine Pinzette wickeln. Man massiert, bis die Schleimhaut leicht zu bluten beginnt, träufelt dann einen Tropfen Kokain- lösung nach und läßt kühle Umschläge machen. Eine Wiederholung der Massage darf erst geschehen, nachdem etwaige Schorfe der vorigen Sitzung sich abge- stoßen haben; im allgemeinen ist sie alle Tage möglich. Von anderer Seite wird eine Massage mit dem Glasstab ohne Watte und Medikament geübt. Alan führt den Stall hinter das nicht ektropionierte Lid. Die Massage oder der Kupferstift eignen sich für Fälle, bei denen die Körner nicht zu groß und nicht zu zahlreich sind und wo Erkrankungen der Konjunktiva. 321 keine stärkere Sekretion besteht, auch zur Behandlung von vornherein. Sind die Körner massenhaft, ist die Schleimhaut nicht mehr stärker geschwollen und gereizt, die Sekretion zurückgegangen, ebenso wie in denjenigen Fällen, wo von vornherein eine starke Körnerbildung in relativ reizloser Bindehaut be- steht, dann ist besonders die Ex- pression der Follikel und der Gebrauch der Knapp sehen Rollpinzette zu empfehlen. Die meisten Augenärzte benutzen eine kanellierte Bolle (cf. Abbildung), andere ziehen glatte Walzen vor. Nach einer Einträufelung von 2 4°/o Kokain und Injektion von etwa 2 % Kokain-Adrenalinlösung unter die Übergangsfalte schiebt man die eine Branche unter das ektropionierte Lid, die andere kommt auf die Con- junctiva tarsi; und nun rollt man aus; am Unterlid faßt man besser einzelne Schleimhautfalten. Körner, die sich mit den Rollen nicht greifen lassen, kann man einzeln mit einer einfachen Pinzette ausquetschen, eventuell nach vorherigem Anritzen mit einer Nadel. Fig. 266. Expression der Trachom- körner mit der Knappschen Roll- pinzette. Die eine Branche kommt hinter das ektropionierte Oberlid, die andere auf die Vorderfläche. Dann wird unter mäßi- gem Druck nach unten gerollt. Auch die galvanokaustische Zerstörung einzelner Körner ist möglich. Ganz besonders sorgfältig muß man nach etwa noch vorhandenen Körnern die seitlichen Ecken der Übergangsfalten und besonders die Plica semilunaris revidieren. Die Ausrollung kann, falls nötig, von Zeit zu Zeit wiederholt werden, dazwischen empfiehlt sich der Gebrauch kühler Umschläge oder des Eisbeutels und eventuell Massage, auch der Kupferstift kann angeschlossen werden. jp^y Man kann die Expression auch mit den Daumennägeln sowie mit Quetschpinzetten und Kuhntsehen Expressoren vornehmen; nicht zu empfehlen sind dagegen die stark verletzen- den Russischen Drahtbürsten. Die Expression ist ein sehr wirksames und durch- aus rationelles Verfahren, welches die natürliche Ab- stoßung der Körner ohne gröbere Schleimhautverletzung beschleunigt. Das Epithel pflegt nur auf der Kuppe der Körner zu platzen, der Inhalt sich zu entleeren. Andere Körner werden im Gewebe zerdrückt und dann resorbiert Exzisionen der an sich zur Narbenschrumpfung neigenden trachomatösen Bindehaut, eventuell mit einem Stück Tarsus, sind nur für Fälle von starker Schleim- haut-Tarsusverdickung gelegentlich indiziert. In Gegen- den allerdings, wo schwere Trachomfälle sehr massenhaft sind und es deshalb aus äußeren Gründen nicht immer möglich ist, die milderen, aber länger dauernden Verfahren durchzufühlen, ist es begreiflich, daß häufiger exzidiert Yig. 267. wird, weil man auf solche Weise verhältnismäßig schnell Kuhnts eine Erleichterung und besonders eine bessere Hebung des Expressor Lehrbuch der Augenheilkunde. 20 322 Axenfeld, herabhängenden Oberlides erzielt. Für den praktischen Arzt sind Exzisionen im allgemeinen nicht ratsam, es sei denn, daß er zur Mitarbeit in schwer durchseuchten Gegenden durch besondere Trachom- kurse auf diese Therapie, ihre Indikationsstellung und Technik ein- geübt ist. Der Kupferstift leistet zur Nachbehandlung, sowie auch bei wiederkehrender Sekretion im Narbenstadium und bei Pannus oft gute Dienste und ist in dem antitrachomatösen Arzneischatz nicht zu ent- behren. Doch ist seine Wirkung individuell verschieden, wie über- haupt hinsichtlich der Trachomtherapie ein Indivi- dualisieren nötig ist. Manchmal empfiehlt es sich, mit der Wattemassage und dem Kupferstift abzuwechseln, da die Schleim- haut sich an ein Medikament gewöhnen kann. Es gibt ferner ab und zu sehr empfindliche Bindehäute, welche starkes Tuschieren überhaupt nicht vertragen. Für diese ist der Alaunstift, oder Plumb. acet. perfecte neutralisatum 1 : 100 oder Acid. tannicum 0,3 : 15,0 oder Protargol 5°/o zu versuchen. Zum häuslichen Gebrauch während oder nach der ärzt- lichen Behandlung empfiehlt sich außer Kompressen (cf. S. 8) und einer Lidsalbe (cf. 19) das Zinc. sulf. 1/2% oder Borax 2—4% oder Subli- mat 1 : 2000 oder Kupferglyzerin (Cupr. sulf. 1,0, Glyzerin, pur. 50,0, Aqu. dest. 50,0), auch 10% Orthoformsalbe oder 10% Salbe von Cuprum aceticum kann täglich eingestrichen werden. An dieser Stelle muß auch betont werden, daß reizlose rein narbige Fälle einer Behandlung nicht bedürfen. Tritt Pannus trachomatosus hinzu, so ist Atropin zu geben, im übrigen aber dieselbe Schleimhautbehandlung zu treiben, nur dürfen die Medikamente, worauf überhaupt immer zu achten ist, die Hornhaut selbst nicht berühren. Die bei Pannus crassus geübte Je quirity (Abrin-)- Behandlung, welche durch Hervorrufung einer entzündlichen Durchtränkung zu einer Aufhellung führen soll, ist nicht ungefährlich und in ihrer Dosierung zweifelhaft; besser zu dosieren, aber auch nur in der Klinik mit Vorsicht anwendbar, ist das neuerdings empfohlene Jequiritol (Roemer-Merck). Gelegentlich schafft die Peritomie (Durch- trennung der Conjunctiva bulbi im Umkreis der Kornea bis auf die Sklera) und Peridektomie (Exzision eines schmalen Streifens Conjunctiva bulbi im Umkreis der Kornea) hier Nutzen. Bei Auftreten von Pannus sind natürlich auch abge- narbte Schleimhäute wieder antitrachomatös zu behandeln (Kupferstift, Sublimat). Gegen Pannus im Narbenstadium ist feiner die subkonjunktivale Exstirpation des Tarsus nach der Kuhnt'sehen Vorschrift in manchen Fällen nützlich. Kommen tiefere Hornhautgeschwüre bei Trachomatösen vor, so ist auf Tuschierungen meistens zu verzichten. Es sind das aber Fälle, die sich überhaupt nur für Behandlung in einer Augenklinik eignen. Bei allen Trachom - Kranken ist ferner zu achten auf Enge der Lidspalte (Blepharophimose), Abstehen der Tränen- punkte und Ektropium, Blepharitis, Dakryozystitis, Entropium und Distichiasis, da nur nach Beseitigung solcher, das Leiden verschlimmernder Umstände ein voller Erfolg" zu erwarten ist. Die Dakryozystitis bei Trachom indiziert in der Begel die Ex- stirpatio sacci lacrimalis (cf. S. 267). Der klinischen Behandlung bedürfen: 1. die schweren, besonders die mit Hornhautleiden komplizierten Fälle, Erkrankungen der Konjunktiva. 323 2. diejenigen übertragungsgefährlichen, absondernden Fälle, bei denen die Durchführung der notwendigen Schutzmaßregeln nicht gewährleistet ist, z. B. unsaubere Personen, Leute, welche in Massenquartieren untergebracht sind usw., 3. die operativen Fälle (Blepharophimose, Entropium, Distichiasis, Marginoplastik (cf. S. 248), Exstirpatio tarsi, Exzisionen, Peritomie; Tränenleiden). Eine Hinzuziehung von Laien zur Ausführung von Fin- träufelungen, Abwaschung der Augen und ähnlichen Pflegerdiensten ist für die leichteren Fälle unbedenklich, natürlich nur unter ärzt- licher Kontrolle und unter Beobachtung peinlicher Sauberkeit. Prophylaxe. Der Erkrankte muß auch nach Erlöscheneiner Sekretion, wenn er wieder zur Arbeit, zum Schulbesuch etc. fähig ist. also sein Leben lang, seine Waschutensilien, Hand- tücher, Taschentücher, Bett und Bettwäsche für sich haben, in den sezernierenden Stadien sogar wenn möglich seine Eßgeräte, Glas, Teller, Arbeitsgeräte; letztere dürfen nur nach vorheriger gründlicher Beinigung von anderen benutzt werden. Zur Durchführung dieser Maßregeln wird eine Isolierung nur insoweit notwendig sein, als sie zur gesonderten Benutzung der Ge- brauchsgegenstände erforderlich erscheint. Man wird hier durchaus individualisieren müssen. a) In Privathäusern, Kliniken und Familien ist Isolierung deshalb meist entbehrlich. b) In engen Massenquartieren (Landarbeiter, Fabriken, Waisenhäuser etc.) werden die Trachomatösen in einen Raum für sich gelegt werden müssen, doch ist auch in dem Trachomzimmer keine unterschiedslose Benutzung der Uten- silien statthaft, damit nicht abgelaufene Fälle reinfiziert werden. Unter keinen Umständen dürfen bis dahin nur trachomverdächtige Personen der Infektion durch sicher Trachomatöse ausgesetzt werden. Wenn gesonderte Waschgeräte etc. zur Verfügung stehen, wird man Verdächtige im allgemeinen unter den Gesunden lassen dürfen, oder doch sie vor jeder Berührung mit den Trachomatösen warnen. c) Energische Mafiregeln erfordern die Trachom-Erkrankungen von Schulkindern. Über das Verhalten der Schulbehörden pflegen in den einzelnen Staaten besondere Bestimmungen zu bestehen. Jedenfalls sind folgende Gesichts- punkte im allgemeinen als maßgebend anzusehen: 1. Kinder mit sezernierendem Trachom müssen bis zur Beseitigung der Absonderung jedenfalls vom Besuch der Schule ausgeschlossen werden. 2. Wird in einer S c h u 1 e Trachom festgestellt, so sind sämtliche Schüler und Schülerinnen zu untersuchen. Bei der diagnostischen Feststellung sind Ver- wechslungen mit den unschuldigen ,Schulfollikeln" und einfachem Katarrh zu vermeiden. Die trachomkrank befundenen Kinder sind in Behandlung zu nehmen und je nach dem Falle und der Anzahl der kranken Kinder wenigstens so lange vom Schulbesuch auszuschließen, bis die wesentlichste kausale Therapie erledigt ist (Auspressung resp. Massage der Bindehaut s. o.), was innerhalb weniger Wochen geschehen kann. Während der sich daran anschließenden, durch Monate hindurch konsequent fortzuführenden Nachbehandlung ist, ebenso wie bei allen andern nicht sezernierenden Trachomen der Schulbesuch zu gestatten, da sonst die Ausbildung der Kinder zu schwere Störungen erfährt. Dabei ist jedoch darauf zu achten, daß solche Kinder in besondere Bänke gesetzt werden, nur ihre eigenen Utensilien gebrauchen, an gemeinsamen Spielen und am Turnen nicht teilnehmen. 3. Von Zeit zu Zeit ist die ärztliche Untersuchung einer infizierten Schule zn wiederholen. 20* 324 Axenfeld, 4. Die Angehörigen erkrankter Kinder sind ebenfalls zu untersuchen und über die Infektionsgefahren eingehend zu belehren. Bei allen diesen Anordnungen ist natürlich auch der Wohnung's- hygiene Aufmerksamkeit zu schenken. Wo es gilt, das Eindringen und die Verbreitung der Seuche abzuwehren und ebenso in Gebieten, die noch nicht stark mit Trachom durchseucht sind, werden die erforderlichen Maßregeln wesentlich wirksamer durch Einführung der Meldepflicht. Wenngleich auch die Regelung dieser Frage Sache besonderer Verfügungen seitens der betreffenden Regierungen ist, so seien doch an dieser Stelle die Ge- sichtspunkte erläutert, nach denen eine solche sich durchführen läßt. Besonders notwendig ist es, auf Arbeiter zu achten, welche aus durchseuchten Gegenden kommen. Als besonders durchseucht müssen gelten: Rußland, Polen, Galizien, Böhmen, Ungarn, Italien; im Osten Deutschlands: Ost- und Westpreußen, Posen, Schlesien; im Westen: Hessen-Nassau, Rheinland, Westfalen, das Eichsfeld, Teile von Thü- ringen; ferner manche Provinzen von Frankreich, Belgien, Nieder- lande. Süddeutschland ist bisher fast ganz frei (mit Ausnahme einiger Teile des bayerischen Frankens und der Hohenzollernschen Lande zum Teil auch der bayerischen Pfalz und Elsaß-Lothringens), ebenso die Schweiz, Tirol und Salzburg. Durch die den Erkrankten zugewandte amtliche Fürsorge dürfte es fast immer gelingen, [dieselben zu der Behandlung zu veranlassen. Und zwar wird es dazu polizeilicher Gewalt im allgemeinen nicht bedürfen, wenn mit der nötigen Entschiedenheit, aber auch mit der nötigen Rücksicht verfahren wird. Vorbedingung für wirksame Maßnahmen ist freilich ein Zusammenwirken aller Beteiligten, sowie eine für die Patienten unentgeltliche Behandlung; zu diesem Zwecke müssen, soweit klinische Behandlung erforderlich, und soweit nicht etwa Kassen usw. eintreten oder die Kranken selbst die Zahlung über- nehmen, Freibetten auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellt werden. An die geschehene Feststellung eines Falles wird sich am besten eine Untersuchung der Hausgenossen und Mitarbeiter des Erkrankten anschließen. Dieselbe ist möglichst weit auszudehnen; für etwaige Krankbefundene würden die gleichen Maßregeln zu empfehlen sein. Ferner ist eine eingehende Belehrung der Umgebung vorzunehmen. Sehr zu empfehlen ist, sogleich an dem vorhergehenden Aufent- haltsort und eventuell in der elterlichen Familie des Kranken eben- solche Nachforschungen anzustellen. Natürlich würden nur alle zweifellosen Trachome zu melden sein, dann aber auch alle Stadien, auch die Narbentrachome. Bei den oben näher beschriebenen „Trachomverdächtigen" dagegen wird man nach Einleitung einer Therapie und Anordnung von Vorsichtsmaßregeln den Verlauf einige Zeit hindurch abwarten dürfen, vorausgesetzt, daß die gegebenen Vorschriften befolgt werden und der Patient sich der Beobachtung nicht, entzieht. Geschieht das letztere, so würde eine sofortige Meldung am Platze sein, ebenso, wenn große Indolenz und Unsauberkeit die Gefahr einer Verbreitung nahelegt. Auch wenn die Sekretion beseitigt ist, sowie nach beendeter Kranken- hausbehandlung ist es wünschenswert, daß die Trachomatösen nicht aus dem Auge gelassen werden. Es wird freilich notwendig sein, daß die Kontrolle möglichst rücksichtsvoll geschieht, weil sonst die Neigung vorliegen wird, sich dieser Beobachtung zu entziehen. Jedenfalls kann bei aller Konsequenz der Maßregeln den Arbeitgebern, Schullehrern usw. gegenüber nicht genügend ein- gehend betont werden, daß das nicht sezernierende Trachom die Arbeitsfähigkeit und Brauchbarkeit, besonders auch den Schul- Erkrankungen der Konjunktiva. 825 besuch nicht ohne weiteres ausschließt, damit die Patienten nicht in Not geraten, resp. nicht mehr als nötig ohne Unterricht bleiben. Manche Staaten weisen Einwanderer mit Trachom ohneweiteres zurück; das ist natürlich das beste, Aber selbst hier ist zu bedenken, daß Landwirtschaft und Industrie vielfach auf solche Hilfskräfte angewiesen sind. Man wird sich also auf Abwehr der Infektionsgefahr und Ausschluß gefährlicher Personen be- schränken, nicht sezernierenden Personen aber bei genügenden Vorsichtsmaß- regeln einen voiübergehenden Aufenthalt gestatten dürfen. Ihre dauernde An- siedlung ist dagegen unbedingt zu verbieten. Völlig ungeeignet ist eine trachomatöse Person zur Wartung und Pflege von Kindern. Ob tie im übrigen in (intr Familie weiter bleiben darf, wird von den Verhältnissen sowie von der Infektionsgefährlichkeit des Falles abhängen. Wenn die Arzte im Verein mit den Behörden der Bekämpfung des Trachoms ein reges Interesse entgegenbringen, ist mit Bestimmt- heit zu erwarten, daß eine Abwehr und Unterdrückung der Seuche gelingt. Nur muß diese Arbeit in einheitlicher Weise lange Jahre fortgesetzt werden, entsprechend der langen Dauer des Leidens und ebenso ist in trachomdurchseuchten Gegenden ein organi- sierter Trachomdienst unbedingt nötig. Der sogenannte Frühjahrskatarrh (Conjunctivitis vernalis). Klinisches Bild. Bei jugendlichen Individuen, selten nur nach dem 20. Jahre, vorwiegend bei männlichen Personen, beginnt im Früh- jahr, fast immer beiderseits, unter Lichtscheu und Jucken, aber meist unter nur sehr geringen katarrhalichen Erscheinungen oder auch ohne solche1) die Conjunctiva tarsalis sich zart weißlich zu färben, wie mit Milch begossen; in der Tarsalbindehaut des Oberlides erscheint in typischen Fäl- len eine Mosaikzeichnung, es erheben sich kleine, glatte, derbe, breitstielige, p f 1 a s t e r s t e i n a r t i g e Prominen- zen verschiedener Größe und Anord- nung, wie sie die Abbildung zeigt, mit- unter auch isoliert. In schweren Fällen können die Wucherungen bedeutenden Umfang erreichen; niemals ulzerieren sie. Am oberen Tarsusrand hören die Pflastersteinwucherungen auf, höchstens überschreiten ihn kleine, polypoide Er- hebungen um eine kurze Strecke. An der Übergangsfalte fehlen solche Un- ebenheiten (im (legensatz zum Trachom!). Zu gleicher Zeit verdickt sich der Limbus conjunctivae im Umkreis der Hornhaut, besonders im Lidspalten- teil; anfangs sind es einzelne derbe Knötchen, die aber bald zu einem sul- zigen, uTau - rötlichen oder bräunlich- i Fig. 268. Frühjahrskatarrh, gemischte Form. Typische Pflaster- steinwucherungen der oberen Con- junctiva tarsalis. Eigentümlich weißliche Färbung der Bindehaut, auch am Unterlid. Typische glasige Wucherung der Conjunctiva bulbi am Limbus cornae. ') Ein „Katarrh" ist also die Krankheit in der Regel nicht. 326 Axenfeld, roten, höckerigen Wulst konfluieren, der die Hornhautperipherie etwas überlagert. Das Korneaparenchym pflegt, abgesehen von einer peripheren gerontoxonartigen Trübung (vgl. „Kornea"), nur ausnahms- weise zu leiden. Differentialdiagnose. Die gemischte Form -- und das ist die große Mehrzahl —, wo diese bulbären und die palpebralen Ver- änderungen zusammen sich finden, ist für den Kenner ohne weiteres charakteristisch. Die selteneren atypischen Fälle, bei welchen sich nur oder fast nur die palpebralen oder die bulbären Veränderungen aus- bilden, bieten öfter Gelegenheit zur Verwechselung: die rein palpe- brale wird wegen der Unebenheiten öfters mit Trachom verwechselt. Doch ist die Form und Konsistenz der Pflastersteinwucherungen von den Trachomkörnern verschieden, welche letztere zudem besonders an den Übergangsfalten sich finden, während beim Frühjahrskatarrh die Übergangsfalten frei von Wucherungen sind. Mikroskopisch ist der Trachomfollikel, ganz anders zusammengesetzt (vgl. S. 263 und S. 328). Ein differentialdiagnostisches Zeichen ist außerdem, daß in dem Sekret des Frühjahrskatarrhs eosinophile Zellen sich massenhaft finden, so reichlich oft, wie in einem Asthmasputum, während tracho- matöses Sekret, wie das der meisten anderen Konjunktivalkatarrhe solche nur vereinzelt oder gar nicht enthält. Die rein bulbäre Form hat bezüglich des Sitzes Ähnlichkeit mit Phlyktänen; letztere sind aber entzündlicher, viel flüchtiger und ulzerieren schnell. In seltenen Fällen können echte Tuberkulome des Limbus längere Zeit ein ähnliches Bild geben, wie ein solcher atypischer bulbärer Fall von Frühjahrskatarrh. Die mikroskopische Untersuchung ist deshalb für die geschwulstartigen atypischen Fälle ausschlaggebend. Verlauf und Prognose. All die genannten Veränderungen steigern sich während der Sommermonate, um im Herbst wieder ab- zuklingen; mit dem Eintritt der kalten Jahreszeit werden die Patienten beschwerdefrei und auch die objektiven Veränderungen treten zurück. Aber während der nächsten Jahre wiederholt sich dasselbe Spiel: jedes Frühjahr bringt den Bückfall, jeder Winter erneute Besserung. Diese Periodizität, welche im Sommer entsprechend der Witterung schwanken kann, gibt dem klinischen Verlauf das Gepräge. Freilich, je öfter der Turnus sich wiederholt, um so unvollständiger ist die Winterrückbildung; schließlich bleiben, obwohl die Beschwerden immer wieder nachlassen, doch auch im Winter erhebliche Veränderungen. ja es gibt Fälle, wo das Maximum sogar in den Winter fällt. Und dann, nach jahrelangem Auf und Ab. mitunter nach 20jährigem Be- stehen, verschwindet die Krankheit von selbst so vollständig, daß für die gewöhnliche klinische Untersuchung eine Restitutio ad integrum einzutreten scheint und jedenfalls völlige Beschwerdefreiheit eintritt. Untersucht man jedoch die geheilten Fälle mit der Lupe. so sieht man, daß in der Conjunctiva tarsalis unter dem Epithel eine zarte glasige, eigentümlich vaskularisierte Schicht zurückgeblieben ist. Auch im Limbus corneae bleiben für die Lupenbetrachtung kleine, glasig- weiße, fleckige Verdickungen bestehen, während dem bloßen Auge die Conjunctiva bulbi meist wieder normal erscheint. Erkrankungen der Konjunktiva. 327 Ätiologie. Bakteriologisch erhält man keinen ätiologisch ver- wertbaren Befund. Von manchen Seiten wird der Frühjahrskatarrh der Konjunktiva als eine „Lichtkrankheit" aufgefaßt, weil Lichtabschluß durch einen Okklusivveiband in manchen Fällen rückbildend wirkt und weil mit- unter der Frühjahrskatarrh zusammen mit den als Lichtkrankheit aufgefaßten Sommerdermatosen (Sommerprurigo, Hydroa aestivalis) beobachtet worden ist. Die Wirkung des abschließenden Verbandes ist nun aber keines- wegs immer zu erzielen und auch in den Fällen, wo sie eintritt, nicht eindeutig. Hält man das Licht fern nur durch undurchsichtige Gläser, so tritt die Besserung viel seltener ein. Das Zusammenvorkommen mit den Sommerdermatosen ist eine seltene Ausnahme. Weiter spricht gegen die Auffassung, daß der Frühjahrskatarrh eine reine Lichtkrankheit sei. der Umstand, daß solche Kranke sich erholen und besser fühlen im Hochgebirge, obwohl dort aus bekannten Gründen der Beichtum an aktiven Lichtstrahlen sehr groß ist; dasselbe gilt von der hellbeleuchteten Schneelandschaft des Winters. Alles das drängt zu der Annahme, daß das Licht zwar die Krankheit auslösen und steigern kann, daß aber noch andere Faktoren in Betracht kommen, welche dem Licht gegenüber sogar in den Vorder- grund treten können. Manche Patienten sehen eigenartig blaß aus: doch besteht keine wesentliche Herabsetzung des Hämoglobingehaltes. Line häutige Blut- veränderung ist eine relative Lymphozytose des Blutes. Doch ist es natürlich nicht statthaft, aus diesem bekanntlich so weit verbreiteten Befund die Krankheit ableiten zu wollen. Immerhin spricht er dafür, daß bei diesen Individuen sonstige Veränderungen doch nicht ganz fehlen, und daß eine roborierende Allgemeiiibehandlung neben der lokalen erforderlich ist. Eine leichte palpable Vergrößerung der Lymph- drüsen ist ebenfalls dabei oft, aber nicht immer nachweisbar. Pathologische Anatomie! Die polypoiden, vielfach abgeplatteten Proliferationen der Conjunctiva tarsi bestehen zum größten Teil aus gewuchertem Stroma der Konjunktiva. Schon frühzeitig tritt eine Infiltration und eine homogene Sklerose des gewucherten Bindegewebes hervor, besonders subepithelial. Letztere ist auch die Ursache der eigenartig weißlichen Farbe der Wucherungen am oberen und der diffusen weißlichen Färbung am unteren Lid. Beitragen kann zu derselben allerdings auch eine Verdickung des Epithels. In schwereren Fällen erkrankt die ganze Konjunktiva an dieser homogenen subepithelialen Sklerose, nur daß an der oberen Conjunctiva tarsi und am Limbus orneae der Prozeß zu den genannten Wucherungen führt, während er im übrigen nur eine diffuse, klinisch unscheinbare Veränderung hervorruft. Wie schon klinisch der Prozeß mit einer Hyperämie einsetzt und einer eigenartigen Neubildung zarter subepithelialer Gefäßchen, so ist auch mikro- skopisch eine entzündliche Beteiligung der Gefäße in der Konjunktiva deutlich; etwas Charakteristisches haben die Gefäßveränderungen im übrigen nicht. Für die L i m b u s w u c h e r u n g e n ist die gleiche bindegewebige Entstehungs- weise wie für die Palpebralwucherungen naheliegend. Manche Untersucher wollen an dieser Stelle in frühesten Stadien das Vorwiegen der Epithelwucherungen aufrecht erhalten, weil mitunter umfangreiche zapfenförmige Wucherungen des Epithels sich in das Stroma einsenken. 328 Axenfeld, Es tritt also beim Frühjahrskatarrh die bindegewebige Proliferation viel stärker hervor, als beim Trachom. Die Zellinfiltration ist außerdem nicht in erster Linie lymphozytär und bildet keine Follikel, wie beim Trachom, sondern besteht vorwiegend aus Plasmazellen. Die Therapie ist in den meisten Fällen nicht imstande, die Krankheit zum Stehen zu bringen. Mitunter verhütet ein Klima- wechsel, z. B. eine Übersiedelung ins Gebirge den Ausbruch eines sommerlichen Bückfalles, wie überhaupt besonders der Aufenthalt im Hochgebirge erleichternd wirkt. Im allgemeinen aber kommen die Rezidive unaufhaltsam, und die Behandlung muß sich auf Linderung der Beschwerden beschränken. Man kann den Versuch machen, mit einem schwarzen Okklusivverband die Behandlung einzuleiten; doch wird ein Patient mit Bücksicht auf die meist nur geringen Beschwerden seiner Krankheit nur selten dazu bereit sein, und bald wird die Okklusiv- therapie abgebrochen werden müssen. Gegen die Lichtscheu sind Schutz- brillen angebracht, die von mancher Seite gern mit gelblicher Tönung Fig. 269. Pflastersteinwucherungen der Conjunctiva tarsi. Be- sonders subepithelial glasige Sklerose des gewucherten und infiltrierten Binde- gewebes. Keine Follikelbildung (vergl. damit 263 „Trachomkörner11). verschrieben werden. In der Überlegung, daß die warme Jahreszeit die Bückfälle herbeiführt, werden kalte Kompressen, Eisumschläge (mehrmals täglich 1/i—V2 Stunde) verordnet, die in der Tat oft die Juckbeschwerden erheblich lindern. In manchen Fällen leistet Massage mit 1 —2°/oiger gelber Salbe, oder mit Ichthyolsalbe ^1—10°oig) gewisse Dienste. Ist die Hyperämie sehr störend, so kann ab und zu Adrenalin eingeträufelt werden. Alle scharf en Atzmittel sind zu vermeiden. Im Gegen- teil können Argentum nitricum, oder der Kupferstift, wenn sie in- folge Verwechslung mit Trachom angewandt'werden, zu erheblicher Verschlimmerung führen. Auch die relativ seltenen Fälle von Frühjahrskatarrh mit stärkerer Sekretion vertragen Atzungen nicht. Man beschränkt sich auf milde Einträufelungen: Zincum sulfuricum Erkrankungen der Konjunktiva. 329 1la°loig, 1—2%ige Borsäurelösung, 1—2%ige Lösung von Kalium chloricum. Bestehen gleichzeitige Nasenveränderungen, besonders Schwellungs- zustände der Schleimhaut, so bedürfen diese der Behandlung. Han- delt es sich um blasse schwächliche Personen, so ist Eisen und Arsen zu geben. In Fällen hochgradiger Wucherung am Limbus kann man die Buckel abtragen, ohne daß jedoch damit ihre Bückbildung verhütet wird. Hängen die verdickten Oberlider derart herab, daß das Sehen und die Arbeit schwierig wird, so kann die Exzision eines queren Ta rsusstreifens mit den darübersitzenden Wucherungen und nach- folgende Naht sehr erleichternd wirken. Tuberkulose der Bindehaut. Am häufigsten treten in der Conjunctiva tarsi oder dem Über- gangsteil, nur selten von vorneherein in der Conjunctiva bulbi ent- zündliche Verdickungen von höckeriger Oberfläche auf. In manchen Fällen ist es nur ein Herd in einem Lid, in anderen sind von vornherein mehrere Lider befallen. Die Größe dieser Infiltrationen wechselt ebenfalls; innerhalb derselben und in der nächsten Umgebung sind bei genauerer Betrachtung verwaschen graugelbliche Knötchen zu sehen. Bald beginnt das Infiltrat zu zerfallen, es bildet sich ein flaches Geschwür mit mißfarbenem Grunde und unregelmäßigen, buchtigen Rändern. Aus dem Geschwürsgrunde wuchern leicht blutende, schlaffe Granulationen hervor. In schweren Fällen greifen Infiltration, Zerfall und Granulations- wucherung weiter um sich, sie können den Tarsus, ja selbst das Lid in ganzer Dicke zerstören und den Bulbus weitgehend überziehen. In anderen Fällen beschränkt sich ein tuberkulöses Ulcus von selbst. ja es kann sogar spontan vernarben. Es entspricht diese Form dem tuberkulösen Geschwür anderer Schleimhäute. In anderen Fällen treten von vornherein papilläre, blumenkohl- artige Wucherungen der Schleimhaut in den Vordergrund. Indem auch körnige Bildungen sich hinzugesellen, gewinnt das Bild eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Trachom. Doch ist der granuläre Charakter nicht so gleichmäßig und nach einiger Zeit gesellen sich auch bei dieser Form der Tuberkulose in der Regel Geschwürchen hinzu. Die Schleimhaut gewinnt mehr und mehr ein wundes Aussehen und bei genauerer Betrachtung sind auch meist Tuberkel zu finden. In zweifelhaften Fällen ist die Differentialdiagnose gegen Trachom durch mikroskopische Untersuchung oder Impfung eines kleinen exzi- dierten Stückchens in das Peritoneum oder die Vorderkammer des Kaninchens gegeben. Auch diese Form der Tuberkulose geht in Narbenbildung über. Sie ist im allgemeinen gutartiger, als das torpide tuberkulöse Ge- schwür, und neigt nicht entfernt so zu tiefer Gewebszerstörung. Es gibt schließlich auch eine miliare Form der Bindehauttuber- kulose, bei der von vornherein sich subepithelial multiple Knötchen zeigen, zu welchen sich dann eine katarrhalische Schwellung und Hervortreten der Papillen hinzugesellen können. Gelegentlich gibt 330 Axenfeld, es sehr milde Fälle dieser Art, wo die Tuberkel fast ohne Narben- bildung spurlos verschwinden. Mitunter lokalisieren sich solche Knötchen auch primär in der Conjunctiva bulbi; das gleiche geschieht ausnahmsweise auch mit dem tuberkulösen Infiltrat resp. Ulcus. Schließlich können die verschiedenen Typen, die so wie so nicht scharf gegeneinander abgegrenzt sind, sich mannigfach kombinieren. Sehr häufig wird die Kornea in Mitleidenschaft gezogen. Am häufigsten bildet sich eine ulzerierende Keratitis oder eine pannöse, stark vaskularisierte Infiltration, die den sog. skrofulösen (ekzematösen, phlyktanulären, cf. S. 304) ähnlich sieht. Mitunter können auch vom Limbus aus direkt tuberkulöse Massen die Kornea überwuchern und das Gewebe zerstören. Sekundär kann die Bindehaut des Bulbus auch von schwerer intraokularer Tuberkulose beteiligt werden, wenn dieselben am Hornhautrande nach außen durchbricht. Viele Bindehauttuberkulöse leiden an Lupus des Gesichts und oft auch der Nasenschleimhaut. Dabei geht aber nur sehr selten der Hautlupus direkt über den Lidrand in die Konjunktiva über; im Gegenteil, die Lidränder bleiben meistens verschont. Es liegt dann nahe, von dem Lupus aus eine äußere Infektion des Kon- junktivalsackes mit den Fingern, durch kleine Verletzungen usw. anzunehmen. Das ist natürlich denkbar, aber für viele Fälle doch unwahrscheinlich, z. B. für alle diejenigen, bei welchen unter dem Oberlid, also an geschützter Stelle, die Bindehauttuberkulose einsetzt, ohne daß irgend eine Verletzung oder eine Fremd- körperübertragung beobachtet ist. Ebenso ist nicht immer anzunehmen, daß bei Lupus der Nasenschleimhaut die Tuberkulose sich durch den Ductus nasolacrimalis und den Tränensack direkt auf die Bindehaut überträgt. Die häufige Dakryozystitis der Lupösen ist vielmehr in der Mehrzahl der Fälle in ihrer ersten Zeit eine einfache, eiterig-katarrhalische, bedingt nur durch die Verlegung der nasalen Öffnung des Duktus. Für nicht wenige Fälle von Bindehauttuberkulose dürfte vielmehr anzu- nehmen sein, daß die Konjunktiva selbständig hämatogen erkrankt, wie ja auch der Lupus der Haut heutzutage für eine vorwiegend hämatogene Erkrankung gehalten wird. Dahin gehören jedenfalls die Fälle von multiplen Herde in der Bindehaut, sowie die mehr miliaren Formen. Dafür spricht auch das Vorkommen von Bindehauttuberkulose ohne irgendwelche tuberkulöse Veränderung in der Nachbarschaft. Differentialdiagnostisch kommen außer dem schon erwähnten Trachom, das sich meistens leicht unterscheiden läßt, in Betracht die Parinaudsche Kon- junktivitis (vergl. S. 316). Doch fehlt auch bei dieser die Geschwürsbildung. Geschwüre in der Bindehaut kommen im übrigen vor: sehr selten durch Lues; ferner gelegentlich nach schwerer nekrotisierender Entzündung, z. B. durch Streptokokken-Diphtherie (dann ist eine schwere akute Entzündung vorangegangen), ferner durch Pemphigus (dann findet man zunächst eigenartige Pseudomembranen auf den flachen, glatten Geschwüren; sehr bald schließt sich Vernarbung an). Auch aus dem Tarsus durchwuchernde „Chalazien" (cf. Lider) können ähnlich aussehen. Doch fühlt man dabei von außen durch die Haut die rundliche Tarsus- verdickung. Ist man sich nicht klar über die Natur eines Geschwürs, so ist eine Probe- exzision aus dem Geschwürsrand zur histologischen Untersuchung, eventuell auch zur Übertragung auf ein Meerschweinchen oder Kaninchen angezeigt. Pathologisch-anatomisch erkennt man sehr deutlich die Tuberkel in der verdickten Bindehaut (cf. Abb. 270). Erkrankungen der KonjunktivaJ 331 Die Prognose ist für die unbehandelte Tuberkulose eine ?ernste, wenn auch nicht immer so ungünstig, wie man früher annahm. Manche Fälle kommen zu spontaner Vernarbung. Am schlimmsten sind die zu starkem Zerfall neigenden ulzerierenden Formen. Bei geeigneter Therapie ist heutzutage der größte Teil der Fälle zum Stillstand zu bringen, oft freilich erst nach erheblicher Schä- digung der Kornea; auch sind Rezidive nicht selten. '-Relativ ungünstig sind Fälle mit ausgedehnter Tränensacktuber- kulose, besonders wenn der Knochen beteiligt ist. Therapie. Außer den für Tuberkulose üblichen allgemeinen, diätetischen Maßnahmen, außer Kompressen aufs Auge und Einsalben der Lidränder ist in vielen Fällen das konsequente Tuschieren der kranken Stellen mit reiner (oder 50°/o) Milchsäure sehr nützlich. Fig. 270 Schwere Tuberkulose der Conjunctiva palpebralis et bulbi. Massenhafte Tuberkel mit Riesenzellen. Hochgradige Verdickung, besonders der Conjunctiva bulbi. Auch die Sklera ist infiltriert. Dieselbe wird mit einem feinen Haarpinsel auf die kranken Stellen der kokainisierten und ektropionierten Schleimhaut vorsichtig unter Ver- meidung der Kornea aufgepinselt, danach mit etwas Wasser abge- spült. Vorher kann man etwaige Granulationen mit dem Löffel ent- fernen oder galvanokauterisieren. Alle wunden Stellen, alle Granu- lationen nehmen die Milchsäure an, sie dringt hier ziemlich tief ein und erzeugt einen weißlichen Schorf. Die gesunde Bindehaut, überhaupt alle mit gesundem Epithel überzogene Stellen werden nicht angegriffen, es tritt nur eine vorübergehende leicht katarrhalische Beizung ein. Man kann täglich oder mit einigen Tagen Zwischenraum touschieren. Ein weiteres, für viele Fälle wirksames Hilfsmittel ist die Finsensche Lichttherapie; auch vorsichtige Tuberkulinkuren können Versucht werden. Kleinere, umschriebene Herde kann man auch im Gesunden umschneiden und exstirpieren, oder auch vollständig mit dem Galvano- 332 Axenfeld, kauter zerstören. Manche Autoren verwenden zur Nachbehandlung gern Jodoformaufstäubungen. In ganz schweren Fällen, bei welchen der Bulbus überwuchert ist, muß schließlich die ganze Bindehaut mit dem Bulbus entfernt und die Orbita geschlossen werden. Die Dacryocystitis bei Tuberkulose bedarf der gründlichen Ex- stirpation des Tränensackes; Sondierungen sind hier zwecklos, weil schließlich doch eine Narbenstenose eintritt und weil die Sonde die Tuberkulose verbreiten kann. Sind Hornhautkomplikationen vorhanden, so ist außer der Be- handlung der Bindehaut Atropin angezeigt. II. Degenerative Erkrankungen der Bindehaut. Es ist bereits S. 276 erwähnt, daß in dem Lidspaltenteil der Conjunctiva bulbi sich eine leicht schwielige Verdickung zu entwickeln pflegt, die sog. Piguecula oder besser der „Lidspaltenileck". Bei alten Leuten ist sie ein regelmäßiger Befund und auch mit Gefäß- veränderungen vergesellschaftet, also zum Teil eine Involutions- erscheinung. Auch im übrigen verliert die Bindehaut im Alter an Elastizität, sie wird brüchiger und zerreißlich, die Conjunctiva bulbi außerordentlich dünn; ihre Gefäße platzen leichter, so daß bei älteren Personen häufiger als bei jüngeren subkonjunktivale Blutungen zustande kommen. Solche subkonjunktivalen Blutungen (auch „Hyposphagma" genannt von imo — unter und ocpaypa = Bindebaut) heben sich als blutroter Fleck auf der weißen Sklera stark ab und rufen wegen ihres auffälligen Aus- sehens oft große Besorgnis bei den Patienten hervor. Sie sind aber unschuldiger Natur und brauchen auch nicht zu bedeuten — was oft von ängstlichen Per- sonen befürchtet wird —, daß Blutungen in anderen Körperteilen, besonders im Gehirn bevorstehen. Es kommen übrigens auch bei jüngeren Personen mitunter solche Blutungen vor infolge starken Pressens, besonders im Anschluß an Keuch- husten; die ganzen Konjunktiven können alsdann blutunterlaufen sein. Unter Kompressen saugt sich die Blutung bald auf. Zur Vermeidung der Wiederholung wird man starke Bauchpresse usw. verbieten und für leichten Stuhlgang sorgen. Die amyloide Entartung der Bindehaut kommt nicht als Zeichen allgemeinen Amyloids (bei langdauernder Eiterung etc.) vor, sondern als rein lokale Erkrankung. Sie entwickelt sich mit Vorliebe in vorher trachomatösen Bindehäuten im Narbenstadium, ohne jedoch zum Trachom direkt hinzuzugehören. Denn auch in bis dahin ganz gesunden Bindehäuten kann sich das Amyloid entwickeln als glasige, ziemlich resistente Verdickung. Partielle Exzisionen pflegen bald eine Besserung herbeizuführen. Mikroskopisch zeigt sich eine umfangreiche homogene Verdickung der Gefäßwand und der Bindegewebsfasern, welche weiterhin in schollige Trümmer zerfallen. Außerdem aber besteht eine Infiltration, vorwiegend mit Plasmazellen, und dieses Infiltrat, ebenso wie die fixen Zellen degenerieren ebenfalls amyloid. Es ist also der Prozeß vielleicht doch ursprünglich ein infiltrativ-entzündlicher. Da aber Reizerscbeinungen vorher ganz fehlen können, so unterscheidet sich das klinische Bild von den sonstigen Entzündungen doch so weitgehend, daß es in diesem Abschnitt behandelt worden ist. Erkrankungen der Konjunktiva. 333 Eine Varietät stellt die hyaline Entartung dar, die wohl nur ein weiteres Stadium desselben Prozesses ist und mit dem Amyloid meist vermischt ist. Ein überaus seltener, zu ausgedehnter Kalkeinlagerung führender chronisch entzündlicher — oder chronisch degenerativer — Zustand der Bindehaut ist die Conjunctivitis petrificans. Die Bindehaut sieht wie mit Kalk verätzt und imprägniert aus und schrumpft schließlich hochgradig. Zu erwähnen sind hier ferner die kleinen gelblichen Kalk- Konkremente, welche sich häufig in der Obeifläche der Bindehaut bilden und wie gelblicher Mörtel aussehen. Sie kommen sowohl in der Conjunctiva tarsi, wie in der Übergangsfalte vor. In der Con- junctiva tarsi hängen manche von ihnen wohl mit den Meibom- schen Drüsen zusammen. Die Mehrzahl aber und alle ganz oberfläch- lichen haben sich in Einstülpungen des Bindehautepithels selbst als geschichtete kleine Konkretionen entwickelt. Oft ist gleichzeitig chro- nische Konjunktivitis vorhanden; dieselbe ist aber nicht selten die Folge der Konkremente, deren Beseitigung nach Kokainisierung mit einer Fremdkörpernadel oder einem kleinen scharfen Löffel sehr einfach ist. Xerosis conjunctivae. Es wurde im Abschnitt „Trachom'' bereits hervorgehoben, daß im Anschluß an schwere narbenbildende Fnt- zündungen (Trachom, Pemphigus) der Bindehautsack trocken werden kann (Xerophthalmus). Fig. 271. Xerotische Inseln in der Conjunctiva bulbi bei Epithelialxerose. Eine eigentliche Eintrocknung der Conjunctiva bulbi und auch der Kornea kann sich ausbilden bei ungenügendem Lidschluß (bei „Lagophthalmus" durch Fazialislähmung, hochgradiges Ektropium, hochgradigen Exophthalmus). In manchen Fällen kommt es dabei aber auch zu einer weißlichen Verdickung der Epithels, zu einer Verhornung und Xerose. Außer dieser tiefen sekundären „Xerose" können sich aber auch in der absolut reizlosen Conjunctiva bulbi weiße, trockene Flecke bilden, innerhalb deren die Oberfläche keine Feuchtigkeit annimmt, sondern mit fettigen, kleinsten Schüppchen be- deckt ist, welche sich leicht als feiner Brei abwischen lassen. Diese matten weißen Stellen sehen so aus, als wäre feiner Seifenschaum ange- trocknet. Sie liegen im Lid spaltenteil, meist zu beiden Seiten, nicht weit vom Hornhautrand. Die Veränderung ist meistens doppelseitig. Ihre leichtesten Grade - - kleinste mattweiße Fleckchen - - werden leicht übersehen, sind aber für den Kenner schon sehr charakte- ristisch. Irgendwelche Beschwerden bestehen nicht. Diese Epithelialxerose ist immer ein Zeichen all ge- rn einer E r n ä h r u n g s s t ö r u n g. Bei unterernährten, hungernden Menschen, beiPotatoren mit chronischem Magendarmkatarrh, bei Leber- kranken, Kachektischen findet man sie, manchmal geradezu epidemie- artig, wenn nämlich die gleiche Schädlichkeit, z. B. eine Hungersnot, 334 Axenfeld, Nahrungsmangel auf Segelschiffen mit sehr langer Fahrt usw., gleich- zeitig auf eine größere Anzahl Menschen einwirkt. In früherer Zeit, wo in Gefängnissen und Armenhäusern die Ernährung vielfach sehr unzureichend war, ferner auf Sklavenplantagen usw. hat die Xerose eine große Rolle gespielt. Ihr Entdecker, nach welchem die Flecke auch Bitotsche Flecke genannt werden, fand sie bei der Untersuchung von Waisenhäusern. Meistens ist bei solchen Personen noch ein anderes, sehr markantes Augen- symptom vorhanden, nämlich Hemeralopie (Nachtblindheit; Unfähigkeit, im Dämmerlicht zu sehen), als Ausdruck dafür, daß die Unterernährung auch den Stoffwechsel der Stäbchen, d. h. die Bildung des Sehpurpurs stört. In schweren Fällen kann die Conjunctiva bulbi in großem Umfang oder vollständig xerotisch werden. Dann ist_ auch die Hornhaut in größter Gefahr, es kann sich rapider eiteriger Zerfall (sog. Keratomalazie) entwickeln. Bei Erwachsenen wird es so weit heutzutage selten kommen. Dagegen bei schlecht genährten Säuglingen mit chronischem Magendarmkatarrh, der zur ,,Päd- atrophie" führt, ist die doppelseitige Hornhautverschwärung und Xerose leider auch heute noch nicht selten und ein sehr bedenkliches prognostisches Zeichen. Immerhin gelingt es der heutigen Ernährungs- therapie, in manchen beginnenden Fällen das Leben und die Kornea zu retten; die vorgeschritteneren gehen fast alle zugrunde. In schweren Fällen von Xerose ist oft auch eine Verminderung der Tränensekretion vorhanden. Doch ist sie nicht die Ursache der Xerose, denn letztere entwickelt sich zuerst. Man muß annehmen, daß der Lidspalten- teil der Conjunctiva bulbi besonders empfindlich gegen die genannten Ernährungsstörungen ist; bei- tragen wird auch seine exponierte Lage der Luft Fig. 272. Xeroseba- gegenüber. zillen (blaugefärbt) „. , . .. ,. , T , Gram sehe Färbung. Ganz ausnahmsweise können xerotische Inseln ohne sonstige Störungen angeboren vorkommen. Mikroskopisch besteht der schaumige Belag aus verfettenden Epithelien. Man findet dieselben dicht besetzt mit Gram-positiven Bazillen von der Form der Diphtheriegruppe (cf. Abb. ), aber ohne deren giftige Eigenschaften. Es sind das die gewöhnlichen, konstanten Bindehautschmarotzer; die in den zerfallenden Epithelien sich besonders üppig vermehren. Eine ursächliche Bedeutung haben sie für den Prozeß nicht; da sie aber zum ersten Mal von solchen xerotischen Flecken gewonnen worden sind und anfänglich für ihre Ursache angesehen wurden, haben sie den Namen „Xerosebazillen" erhalten; seither nennt man so die saprophytischen, ungiftigen Stäbchen aus der Diphtheriegruppe, welche so außerordentlich häufig auf der gesunden und kranken Bindehaut gefunden werden. Die Therapie besteht in erster Linie in Besserung der Er- nährung. Dann verschwinden Hemeralopie und Xerose zumeist in kurzer Zeit. Die Ernährung des Gewebes am Auge kann man durch feuchte Wärme unterstützen. Ist die Hornhaut mitergriffen, so ist Atropin, Xeroformsalbe oder eine ähnliche Salbe einzustreichen, um die Vertrocknung zu verhüten. Man wird auch, um nichts unver- sucht zu lassen, ein Serum subkutan geben, wenn die Erreger der Hornhautentzündung sich nachweisen lassen. (Meist sind es Strepto- kokken oder Pneumokokken). Erkrankungen der Konjunktiva. 335 zur Pterygium1) (Flügelfell). Klinisches Bild. Im Beieich der Lidspalte schiebt sich uanz allmählich vom Limbus der Conjunctiva bulbi aus eine graulich durch- scheinende Bindehautfalte auf die Kornea in Gestalt einer dreieckigen Auflagerung, deren Basis am Hornhautrande, deren Spitze nach der Hornhautmitte gerichtet ist (cf. Abb. 273). Langsam rückt diese Falte vor, sie kann schließlich das Pupillargebiet erreichen und sogar über- schreiten. In vielen Fällen ist diese Bindehautauflagerung sehr zart, in anderen dichter und deutlich erhöht, In gleicherweise wechselt'der Grad der Injektion. Die stärker vaskularisierten Flügelfelle pflegen auch die stärker progressiven zu sein, während die stationären Ruhe gekommenen, abzublassen pflegen. Mit seitlicher Beleuchtung betrachtet, er- scheint das Hornhautgewebe in unmittel- barer Xähe der progressiven Pterygien oberflächlich graulich getrübt. Ferner läßt sich erkennen, daß stets ein Lidspalten- fleck (Pinguecula) dem Pterygium voraus- geht. Dieser Lidspaltenfleck wird allmäh- lich mit über die Hornhaut herübergezogen. Gelegentlich entwickeln sich in Pterygien kleine Zysten, die entweder Lymphbläschen sind oder von Epitheleinsenkungen ausgehen. Das typische Pterygium ist mit nichts an- derem zu verwechseln, speziell nicht mit einer eigentlichen oberflächlichen Keratitis; denn das Flügelfell läßt sich ja an seiner Basis faltig in die Höhe ziehen und dabei strafft sich auch der die Kornea bedeckende Teil. An dieser Ver- schieblichkeit, an der glatten Oberfläche, der flachen regelmäßigen Form unterscheidet es sich auch von einem beginnenden Epitheliom bezw. Karzinom des Limbus. Das Pseudopterygium wird noch er- wähnt weiden. Ätiologie. Es handelt sich bei dem Pterygium nicht um eine eigentliche Wucherung, sondern die Conjunctiva bulbi wird passiv auf die Hornhaut heraufgezogen. Am deutlichsten ist dieser Vorgang zu beobachten bei den sog. Pseudo- pterygien, welche sich während der Vernarbung mancher kornealen Rand- geschwüre entwickeln; die Bindehaut wird hier einfach in den Defekt hinein- gezogen. Solche Bildungen haben im Gegensatz zu dem „echten" Pterygium, das sich ohne vorhergehende Entzündung und ohne erkennbare Ulcusbildung nur von außen oder von innen von einem Lidspalteufleck aus in typischer Form entwickelt, eine unregelmäßige wechselnde Form und können überall am Horn- hautrand sitzen. Für das chronisch, scheinbar spontan entstehende Pterygium ist anzunehmen, daß durch die im Lidspaltenfleck stattfindende Ge- websdegeneration eine allmähliche Enährungsstörung im benachbarten Hornhautrand, ein Schwund des Epithels, der Bowmanschen Mem- bran und eventuell auch der obersten Hornhautlamellen entsteht, dessen Vernarbung die Konjunktiva nachzieht. !) So genannt von den Griechen, weil die durchscheinende Bindehautfalte mit ihren zarten Äderchen an einen Insektenflügel (tiieqv^ = Flügel) erinnert. Fig. 273. Progressives, stark injiziertes Pterygium (Flü- gelfell). Gegenüber gelbliche Färbung der Conjunctiva bulbi (Lidspaltenfleck, sog. Pingue- cula). 336 Axenfeld, Dem entspricht, daß die Plica semilunaris oft verstrichen ist, ja bei hohen Graden kann sogar die Carunkel vorgezogen sein. Die dem Pterygium zugrunde liegende Ernährungsstörung des Lidspaltenteils der Conjunctiva bulbi wird offenbar begünstigt durch Reizungen (Staub, Hitze, Sonnenbestrahlung, trockene Hitze usw.). Deshalb findet sich das Pterygium vorwiegend bei Landarbeitern und ähnlichen Berufen. Der überwiegende Teil der Pterygien ent- wickelt sich deshalb doppelseitig und zwar mit Vorliebe vom nasalen Rande her, dem exponiertesten Teil der Bindehaut. Pathologisch anatomisch findet man im Bereich des Pterygiums das Hornhautepithel und die Bowmansche Membran zerstört bis zur Spitze, wo das Pterygium-Epithel glatt in das Hornhaut- epithel übergeht. Das Pterygium besteht aus Bindegewebe, z. T. mit hyaliner resp. elastischer Degeneration (wie sie auch beim Lidspaltenfleck vorkommt), mit verdicktem und nicht selten in die Tiefe wuchernden Epithel. Die Gefäße im Pterygium können entzündlich infiltriert sein oder auch sklerotische Ver- änderungen zeigen. Prognose. Manche Fälle kommen spontan zum Stehen; die meisten werden durch eine gut ausgeführte Operation dauernd be- seitigt. Mitunter aber bilden sich Rezidive, die dann erneut mit besonderer Sorgfalt zurück gelagert werden müssen. XTach Entfernung des Pterygiums bleibt eine oberflächliche Horn- hauttrübung zurück, weil die Bowmansche Membran zerstört ist. (Deshalb sollen alle progressiven Pterygien frühzeitig entfernt werden, bevor sie die Pupillargegend erreichen.) Therapie. Von der durch Arlt zuerst betonten Tatsache aus- gehend, daß eine „Wucherung", eine Gewebsvermehrung nicht besteht, wird man bei der operativen Behandlung des Pterygiums umfang- reiche Ausschneidungen unterlassen, damit nicht die Conjunctiva bulbi zu stark verkürzt und eventuell die Beweglichkeit des Auges beein- trächtigt wird. Kleine, blasse, nicht progressive Pterygien, welche nur den Randteil betreffen, braucht man nicht zu entfernen. Fortschreitende, injizierte, besonders solche, die der Pupille sich nähern, müssen von der Hornhaut abpräpariert werden. Man faßt mit einer Pinzette senkrecht den „Hals" (am Hornhautrand), hebt denselben als Falte empor und sticht ein Graefesches Schmalmesser episkleral durch, die Schneide nach der Kornea. Jetzt löst man bis zur Spitze mit flachen Zügen das Flügelfell von der Hornhaut ab. Bleiben Bindegewebsreste an der Hornhaut haften, so sind sie mit einem kleinen scharfen Löffel vorsichtig abzu- kratzen. Ist das Pterygium klein, dann kann es ohne Schaden mit der nächst benachbarten Conjunctiva bulbi exzidiert und der kleine Defekt durch herbeige- zogene Bindebaut gedeckt werden. Größere Flügelfelle aber und besonders Rezidive werden besser nur transplantiert. (Eventuell kann man dann nach ausgiebiger ßücklagerung auf die episklerale Wundfläche am Hornhautrand ein wenig ganz dünne Lippenhaut transplantieren.) Bei den sog. „Pseudopterygien" (cf. oben) muß man mit der Operation sehr vorsichtig sein, ja man soll dieselbe, wenn nicht dringende Gründe bestehen, unterlassen. Denn es kann die Horn- haut unter der herübergezogenen Bindehaut stark verdünnt sein. Die Flügelfellbildung ist in manchen derartigen Fällen geradezu als ein nützlicher Vorgang anzusehen, als ein Schutz. Erkrankungen der Konjunktiva. 337 III. Geschwülste der Bindehaut. Gutartige Tumoren. Zysten. Die in dem Abschnitt „Normale Anatomie" auf S. 275 genannten Drüsen können bei Verschluß ihrer Ausfuhrungsgänge zur Bildung .durchschei- nender seröser Zysten Veranlassung geben. Manchmal treten dieselben gleich multipel auf. Auch die bei chronischen Entzündungen, nach Verletzungen sich bildenden drüsenartigen Epitheleinsenkungen können in derselben Weise zystisch entarten, gelegentlich auch die in einem „Nävus" der Conjunctiva bulbi vorhandenen Epi- thehchläuche, ferner solche im Bereich eines Pterygiums. Nach Verletzungen kann es sich auch um in das Gewebe transplantieites Epithel handeln, z. B. wenn eine Zilie mit ihrer Wurzelscheide einheilt. Alle diese epithelialen Zysten lassen sich leicht beseitigen; meist genügt schon die Ex- zision der Kuppe und die Tuschierung der Innen- fläche mit Argentum nitricum, 2°/oig. Außerdem kommen ab und zu (mesodermale) Lymphzysten in der Conjunctiva bulbi vor, in der ja ein Lymphgefäßsystem existiert: es sind das wasserhelle, manchmal perlschnurartige Bläschen, die nach Eröffnung zu verschwinden pflegen. (Sehr selten kommt unter der Bindehaut ein Cysticercus vor). Adenome können sich ebenfalls aus den ge- nannten Drüsen entwickeln. Sie haben, wie alle gut- artigen Geschwülstchen der Bindehaut, die Neigung Fig. 274. Gestielter Polyp sich zu stielen infolge der Lidbewegungen (ebenso der Konjunktiva an der wie die gutartigen Tumoren des Darms infolge der Caruncula lacrimalis. Peristaltik), ganz besonders die des Oberlides, um dann als rundliche, von glatter Schleimhaut überzogene Polypen zu erscheinen. Was für ein Tumor dann in einem solchen „Polypen" enthalten ist, läßt sich klinisch nicht sicher sagen, da auch weiche Fibrome, Angiome, das gleiche Bild bieten können. (Nur ganz ausnahmsweise kann einmal eine Tuberkulose oder ein Sarkom „polypös" weiden. Meist infiltrieren derartige Prozesse die Um- gebung und ihre Basis und werden deshalb nicht verschieblich.) Papillome, kenntlich an ihrer maulbeerartigen oder samtartigen Oberfläche (mfolge der einzelnen spitzen papillären Erhebungen) können sich ebenfalls stielen. Sie kommen auch am Hornhautrande in der Conjunctiva bulbi vor und unter- scheiden sich durch ihre Verschieblichkeit von dem Karzinom. Nicht selten treten solche kleine Papillome multipel auf (Papillomatosis); sie rezidivieren auch gern nach der Exstirpation (ebenso Avie manche papillomatöse Hautwarzen), schädigen aber die Augengewebe im übrigen nicht. Fibrome kommen gelegentlich als kleine polypoide Geschwülstchen vor. Bji Personen, die an dem sog. „fazialen Typus" der Leukämie oder Pseudo- leukämie leiden, entwickeln sich (meist mit Lymphombildimg an beiden Tränen- drüsen und in beiden Orbitae kombiniert) nicht selten auch doppelseitige Lymphome in derKonjunktiva, teils als diffuse speckige Verdickung, teils als rundliche oder walzenförmige verschiebliche Knoten von glasig grau-rötlicher Farbe. Bei doppelseitigen Bindehauttumoren soll man deshalb eine Blutuntersuchung und eventuell eine Arsenbehandlung vornehmen! Angiome sind in der Konjunktiva nicht so selten und zwar nicht nur, wenn ein Naevus vasculosus der umgebenden Haut sich auf die Bindehaut fort- setzt, sondern auch isoliert. Sie erscheinen dann als bläuliche, lappige, weiche Prominenzen. die z. T. aus dichten Geflechten erweiterter Venen, teils aus Teleangiektasien oder aus kommunizierenden Bluthohlränmen (kavernöse Angiome) 338 Axenfeld, besteben. Manche von ihnen sind „erektil", d. h. sie schwellen an beim Pressen, Bücken, durch die venöse Stauung. Diese Angiome haben die Neigung, sich diffus im Gewebe weiter zu verbreiten und die benachbarten Gefäßgebiete, auch das der Orbita, in Mitleidenschaft zu ziehen. Man soll deshalb solche Angiome bald beseitigen,' da sie in größerer Ausdehnung ohne schwere Gewebsläsion nicht radikal zu entfernen sind. Auch der Galvanokauter, die Elektrolyse können zur Herbeiführung einer Gerinnung und Obliteration herangezogen werden. In selteneren Fällen sind die Angiome von vornherein eingekapselt. Diese Form ist leicht herauszuschälen. Sehr selten sind Lymphangiome; auch sie neigen zu diffuser Aus- breitung. Das angeborene „Dermoid", eine mit Härchen besetzte, rötliche oder gelb- liche Epidermisinsel in der Conjunctiva bulbi am Hornhautrand, ist unter den „Mißbildungen" (S. 220) besprochen worden; ebenso das sog. subkonjunkti- vale Lipom oder Lipodermoid, welches eigentlich kein Lipom im vollen Sinne des Wort ist, sondern eine angeborene Verlagerung von Hautfettgewebe in den Konjunktivalsack. Meist findet man dasselbe mit einer dermoidalen Beschaffen- heit des Epithels vergesellschaftet, sehr selten mit Knochenbildung (Osteom). Diese kongenitalen Bildungen sind leicht isoliert zu entfernen. Die angeborenen Nävi der Conjunctiva bulbi, sowohl die nicht pigmentierten, blaß orangefarbenen, wie die als bräunliche oder schwärzliche Fleckchen erschein enden Pi gm en t- nävi zeigen nicht selten ein Wachstum im Lauf des Lebens. Es braucht sich dabei nicht gleich um die Entwickelung eines ma- lignen Tumors zu handeln, denn dieses Wachstum kann spontan stehen bleiben. An- dererseits besteht sehr wohl die Möglichkeit, daß aus dem Nävus sich ein Sarkom entwickelt und es soll deshalb jeder sich vergrößernde Nävus sofort im Gesunden entfernt werden. Rezidiviert er, so ist sofort zu enukleieren. Diese malignen Nävns-Tumoren entstehen aus den sog. Nävuszellen, eigentümlichen epithe- loiden, im Stroma abgekapselten Zellnestern, zwischen welche Epithelschläuche (oft zystisch- degenerierend) von der Oberfläche sich hinein- Ob die „Nävuszellen" ursprünglich mesodermal sind oder ob sie von versenkten Epithelkeimen herrühren, ist hier wie auch sonst in der Nävus- ätiologie noch umstritten. Vielleicht stammen sie von den Endothelien, und jedenfalls haben die von ihnen ausgehenden Tumoren einen sarkomatösen und nicht einen karzinomatösen Charakter. Fig. 275. Dermoid (weißliche Epidermisinsel) in der Conjunc- tiva bulbi. Der orangefarbene Fleck daneben ist ein unpig- mentierter Nävus. senken. Maligne Tumoren. Karzinome. Sehr oft greift das Lidhautkarzinom (cf. S. 239) auf die Conjunctiva palpe- bralis über; dagegen Epithelialkrebse, welche primär in der Conjunctiva palpe- bralis und fornicis, sowie ihren Drüsen entstehen und dann als infiltrierende höckerige Verdickungen erscheinen, sind sehr selten1). *) Es sei hier erwähnt, daß in die Bindehaut durchbrechende Cha- lazien oft wuchernde, glasige Granulationen in der Conjunctiva tarsi zeigen, sowie daß nach Verletzungen und Operationen nicht selten kleine rundliche, glatte Granulationspfröpfe entstehen. Beide sind von eigentlichen Geschwülsten Erkrankungen der Konjunktiva. 339 Von der Conjunctiva bulbi, und zwar dem perikornealen Teil gehen häufiger Karzinome aus, welche anfangs wie ein dicker Lidspaltenfleck oder eine flache Warze von höckeriger Oberfläche erscheinen und sich auf dem Bulbus weiter ausbreiten, indem sie gleichzeitig mit ihrer Unterlage fest verwachsen. Sie wuchern in dem lockeren episkleralen Gewebe weiter und überziehen allmählich auch die Kornea. Da wegen der Dichtigkeit der Sklera und Kornea solch eine Geschwulst erst nach längerer Zeit ins Innere des Auges durchbricht, kommt es in der Regel zunächst zu einer umfangreichen epibul- bären oder peribulbären Ausbrei- tung, welche mitunter den Augapfel wie einen Kern umschließt. Nur im allerersten Beginn ist der Versuch gerechtfertigt, solche Tumoren vom Bulbus isoliert abzutragen. Entwickelt sich danach ein Rezidiv, oder handelt es sich um eine schon länger bestehende Ge- schwulst, so ist die Enukleation des Bulbus mit der Geschwulst angezeigt, auch wenn noch Sehvermögen vorhan- den ist. Das gilt erst recht für die epibul- bären Sarkome. Diese Tumoren, die Fig. 276. Epibulbares Karzinom, meist von einem Nävus ausgehen und des- sich aus der Lidspalte hervordrängend. halb oft melanotisch sind, neigen der- artig zum Rezidiv und sind außerdem so metastasengefährlich, daß man unbedingt den Bulbus opfern soll. Es ist das um so mehr angezeigt, als nicht selten gleich- zeitig oder nacheinander an verschiedenen Stellen des Limbus die Tumorbildung einsetzen kann. Von den Karzinomen unterscheiden sich die epibulbären Sarkome daran, daß die meisten Pigment enthalten und daß das Epithel sie glatt über- zieht. Greifen die Melanosarkome um sich, so können sie diffuse Schwarz- Fig. 277. Epibulbäres Karzinom der Conjunctiva bulbi, seine Zapfen in die Kornea hineinsendend. meist leicht zu unterscheiden, das Chalazion an der durch die Haut fühlbaren rundlichen Tarsusverdickung, der Wundgranulationsknopf an den umgebenden Narben. Man räumt das Chalazion aus und trägt den Wundpfropf mit der Schere ab. Die wuchernden Formen der Tuberkulose sind durch die Geschwürsbildung, die Knötchen ausgezeichnet, die gummösen Prozesse ebenfalls durch den ge- schwürigen Zerfall. Von exulzeiierten Karzinomen wird in Zweifelfällen die mikroskopische Untersuchung sie unterscheiden.] 340 Axenfeld. färbung der Konjunktiva herbeiführen und schließlich die Lider, die Orbita etc. infiltrieren. Primäre Sarkome in der Conjunctiva palpebralis und der Übergangsfalte sind sehr selten. Fig. 278. Epibulbäres, z. T. mela tonisches Sarkom, die Hornhaut überziehend. Verletzungen, Verätzungen, Verbrennungen der Bindehaut, Fremdkörper und ihre Folgen, siehe Abschnitt ..Verletzungen", Erkrankungen der Hornhaut. Von Professor A. Elschnig, Prag. Normale Anatomie. Die Hornhaut, zufolge ihrer stärkeren Wölbung (kleinerer Krümmungs- radius) durch eine seichte Rinne von der Sklera abgesetzt, hat an ihrer Basis eine elliptische Form; ihr horizontaler Durchmesser beträgt am Erwachsenen zirka 11 mm, ihr vertikaler zirka 10 mm. Ihre innere Fläche ist etwas größer, als die äußere, da hier die Konjunktiva-Sklera sich in Form eines zugeschärften Spornes (am Durchschnitt) über die Hornhaut vorschiebt; ein senkrechter Durchschnitt Fig. 279. SB Skleralband, Cj Conjunctiva bulbi, Ski Sklera, E Endothel der Membrana Descemeti, CK Ciliarkörper, L Linse, Z Zonula, Gl Glaskörper, CF Ciliarfort- sätze, .1//. Membrana limitans des Glaskörpers, Seh Schlemm scher Kanal, Camj Circulus arteriosus iridis major, Cam Circulus arteriosus iridis minor, Sph Sphincter pupillae. 342 Elschnig, durch die Grenze zwischen beiden Häuten schneidet also einen keilförmigen Bezirk der Kornea, dessen Basis an die Hornhaut angrenzt, ab. Diese bei seitlicher Be- leuchtung deutlich durchscheinende ringförmige, die Kornea begrenzende Zone, die äußerlich aus Konjunktiva-Sklera, in den tieferen Schichten aus Kornea besteht, nennt man das Skleralband (SB Fig. 1); an seinem peripheren Rande kann man mitunter den Schlemm sehen Venenplexus durchschimmern sehen, der an der Innenfläche die Kornea von der Sklera abgrenzt (Fig. 279, Seh). Die Hornhaut hat annähernd die Form eines Kugelsegmentes, ihr Krüm- mungsradius beträgt durchschnittlich 7,5 mm. Die Hornhaut besteht aus folgen- den Schichten (Fig. 280): 1. Die äußere Oberfläche ist bedeckt von einem geschich- teten Plattenepi- thel (Ep), das, am Rande bis 100 p dick, gegen die Mitte sich etwas verdünnt. Zu innerst findet sich eine einfache Lage teils kegelförmi- ger, teils keulenförmiger Zellen mit glänzendem Basalsaum, in denen mitunter Kernteilungs- figuren vorkommen (Fußzellen, /). Dar- auf folgen mehrere La- gen, mit der Entfernung von derFußzellenschicht immer mehr abgeplattet erscheinenderZellen; sie sind mit Druckfacetten und Druckleisten ver- sehen, und an ihren Rändern durch stachel- artige Interzellularbrük- ken verbunden (Sta- chel- und Flügelzellen, s). Die oberflächlichste Lage besteht aus stark ab- geplatteten, aber noch kernhaltigen Zellen (h). 2. Die vordere Basalmembran (Membrana Bowmani), der das Epithel dicht aufsitzt, ist eine strukturlose, aber nicht elastische Membran, ihrer Entwicklung und chemischen Beschaffenheit nach modifiziertes Hornhaut- gewebe, daher mit letzterem durch zarteFibrillenzüge verbunden (MB, Fig. 280). Sie hat eine gleichmäßige Dicke von 7—9 /*, und endet am Limbus corneae, gegen das Konjunktivalepithel, plötzlich abgerundet. 3. Das Hornhautgewebe, Substantia propria (P Fig. 280), be- steht aus regelmäßigen, im ganzen Oberflächen - parallel angeordneten, aber untereinander durch Verbindungszüge anastomosierenden Bändern, 90—260 fi breit, die in der Richtung aller Meridiane einander kreuzen. Sie bestehen aus bindegewebsähnlichen zarten Fasern, die durch eine Kittsubstanz zu den fast homogen aussehenden Bändern verbunden sind, und sollen reichliche, aber nur durch besondere Methoden färbbare elastische Fasern enthalten. Zwischen den Bändern, die am meridionalen Durchschnitte den Eindruck von Lamellen machen und daher Hornhautlamellen genannt werden, liegen die Hornhautkörper- chen oder fixen Hornha.utzellen, sowie spärliche einkernige Wander- Fig. 280. Durchschnitt durch die menschliche Hornhaut. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, P Parenchym, MD Membrana Descemeti, E Endothel der Membrana Descemeti, NNervenkanal, /Fußzellen, s Stachelzellen, h abgeplattete Zellen des Epithels. Erkrankungen der Hornhaut, 343 zellen. Die Hornbautkörperchen (Fig. 281) sind platte Zellen mit feinkörnigem Protoplasma und sehr unregelmäßig gestalteten blaß tingierbaren Kernen mit zahl- reichen Kernkörperchen; sie stehen untereinander durch zahlreiche, teils parallel, teils senkrecht zu den Lamellen verlaufende Ausläufer in Verbindung und liefern daher an Goldpräparaten eine schöne netzförmige Zeichnung. An gehärteten Präparaten sind die Hornhautkörperchen geschrumpft, und lassen schmale Spalt- räume zwischen den Hornhautlamellen her- vortreten, die fälschlich so genannten Saft- spalten. 4. Die hintere Basalmembran, Membrana Descemeti (MD, Fig. 279), haftet der Hornhautgrundsubstanz locker an; obwohl strukturlos erscheinend, ist sie aus Lamellen zusammengesetzt, und gibt die Reaktionen der Linsenkapsel. In der Mitte zirka 8 /i, am Rande zirka 12 p dick, verliert sie sich am Hornhautrande fein aufgefasert gegen das Ligamentum pectinatum. Gegen die Vorderkammer zu ist die hintere Basalmembran durch 5. eine einschichtige, 4,5—6,7 /i dicke Endothelzellenlage abgegrenzt; sie besteht aus großen platten, zartest granu- lierten Zellen mit rundlichem Kerne (E, Fig. 280). Die Nerven der Hornhaut stammen von den Nervi ciliares; radiär ein- Fig. 281. Hornhautkörperchen (nach tretende Äste der letzteren, in den Rand- v. Ebner). teilen markhaltig, im übrigen nackte Achsenzylinder, bilden durch zahlreiche Anastomosen ein Netz dicht unter der M. Bowmani; zahlreiche Zweige desselben perforieren die M. Bowmani (N, Fig. 2) und breiten sich zwischen ihr und den Fußzellen des Epithels als subepitheliales Endnetz aus. In ähnlicher Weise treten (beim Kanin- chen nachgewiesen) in den tiefsten Hornhautschichten sich verzweigende Nerven ein. Blutgefäße fehlen in der Kornea; das oberflächliche Randschlingennetz der Konjunktiva, sowie tiefer in der Sklera liegende Gefäße liefern für sie das Ernährungsmaterial. Lymphgefäße fehlen gleichfalls. Die Ernährungsflüssigkeit wird zuerst durch direkte Filtration aus den Randgefäßen, dann durch Diffusion in der fibrillären Grundsubstanz und in den Interzellularlücken des Epithels weiterver- breitet, und auf demselben Wege zurückgeführt. Da aus dem Kammerwasser Fremdsubstanzen leicht in das Hornhautgewebe diffundieren, ist es wahrschein- lich, daß dasselbe auch an der Ernährung der Kornea teilnimmt. Untersuchung der Kornea. (cf. auch S. 31 ff.) Man untersucht die Kornea zuerst bei Tageslicht, u. zw. beachte man ihre Größe, Form, Wölbung, Oberfläche und Durch- sichtigkeit, ev. Sensibilität. Bezüglich Größe und Form siehe „normale Anatomie". Die Wölbung untersucht man in Profil ansieht, ev. bei Flächenansicht mit dem Keratoskop von Placido, sowie durch Beobachtung des Reflexbildes der Kornea, welches auch über die Beschaffenheit der Oberfläche unterrichtet (cf. Abb. 26, S. 33). Im normalen 344 Elschnig, Zustande entwirft die Kornea (Konvexspiegel) von einem gegenüber- liegenden Fenster ein aufrechtes, verkleinertes, regelmäßiges und glänzendes Abbild. Jede grobe Unregelmäßigkeit der Oberfläche (Wölbung) zeigt sich an einer Verzerrung des im übrigen glänzen- den Fensterbildes der Kornea, wenn das Epithel selbst normal ist (cf. S. 26 u. Abb. 33); eine krankhafte Veränderung (Unregel- mäßigkeit) des Epithels, also Verlust der Glätte oder Epitheldefekt, an einem Fehlen des Glanzes des im übrigen regelmäßigen Fenster- bildes — Stichelung der Hornhautoberfläche (cf. Abb. b, bx, S. 33). Die normale Kornea ist, in der Fläche gesehen, nur durch ihr Spiegelbild erkennbar. Verminderung oder Verlust der Durch- sichtigkeit erkennt man dadurch, daß sie gefärbt erscheint, und daß die darunter liegenden Gebilde, Iris, Pupille, undeutlich oder vollständig unsichtbar werden. Zur Ortsbezeichnung einer Veränderung teilt man die Hornhaut durch den horizontalen Meridian in eine obere und untere, durch den vertikalen Meridian in eine mediale und laterale Hälfte; durch beide Meridiane in vier Quadranten. Zur Bezeich- nung der Lage einer randständigen Veränderung dient auch der Vergleich mit dem Ziflerblatte der Uhr (z. B. aussen unten, etwas oberhalb des schrägen Meridianes: „4 Uhr"). Bei vorhandenen Hornhautveränderungen prüft man die Sen- sibilität, indem man die Lider mit Zeigefinger und Daumen der einen Hand weit abzieht, mit der anderen einen Wollfaden oder einen gedrehten Wattefaden an die Hornhaut annähert. Die wichtigste Untersuchungsmethode ist die seitliche Be- leuchtung (cf. S. 37). Zum Studium feiner Veränderungen kombiniert man die seit- liche Beleuchtung mit der Lupenuntersuchung, wobei man ent- weder eine starke Konvexlinse oder eine Kugellupe verwendet. Es ist zu bemerken, daß Myopen bei der Untersuchung der Hornhaut ihre Gläser abnehmen sollen. Zur Untersuchung feiner Details dient das Zeiß sehe Binokularhornhautmikroskop. Für den praktischen Arzt ist dasselbe entbehrlich. Findet man bei seitlicher Beleuchtung Veränderungen der Horn- haut, so beachte man: 1. Ob sie oberflächlich (Epithel, Bowmansche Membran oder oberflächliche Hornhautschichten), oder in den mittleren Hornhautpärtien (Parenchym) oder an der hinteren Fläche der Hornhaut (Descemetsche Membran) sitzen. 2. Ihre Farbe: entzündliche Infiltrate sind graulich bis grau- weiß ; je dichter sie sind, je mehr eiterigen Charakter sie annehmen, um so dunkler gelb gefärbt sind sie. Narben sind im allgemeinen weiß und scharf abgegrenzt, Infiltrate unscharf begrenzt. Wich- tiger als diese Unterscheidung ist die Beachtung der Oberfläche über den Trübungen: Narben glänzen, Infiltrate sind ge- stichelt. 3. Man achte besonders auf die G efäßbildung in der Kornea. Oberflächliche Gefäße bilden mehr weniger gleichmäßige Netze an der Hornhautoberfläche, deren große Zweige in entsprechende ober- flächliche Bulbusgefäße (Randschlingennetz, Konjunktiva, Episklera) Erkrankungen der Hornhaut. 345 zu verfolgen sind (Fig. 282, obere Hälfte). In seltenen Fällen findet sich eine umschriebene Auflagerung oberflächlicher Gefäße am Horn- hautrande in Form eines roten Halbmondes — epaulettenförmiger Pannus (s. Keratitis pannosa). Tiefliegende Gefäße entstehen aus den tiefliegenden Gefäßen der Sklera bei im Pa- renchyme sitzenden Veränderungen der Hornhaut. Sie bilden ent- weder gleichmäßige Lagen oder binsen-, resp. besenreiserartig ein- strahlende Büschel, und unter- scheiden sich von den oberfläch- lichen Gefäßen hauptsächlich da- durch, daß sie am Limbus scharf Fig. 282. abschneiden und nicht in die ober- Obere Hälfte: oberflächliche Blutgefäß- flächlichen Bulbusgefäße verfolgt neubildung. werden können (Fig. 282, untere Untere Hälfte: tiefliegende Blutgefäß- Hälfte), neubildung. Präzipitate an der Hornhauthinterfläche (s. unten) sind als weiße oder hellgelbe, in einer Ebene tiefliegende Pünktchen, vorzüg- lich die unteren zwei Drittel der Hornhaut einnehmend und oft pyramidenförmig nach oben abgegrenzt, erkennbar. Mitunter sind sie durch Pigmentlagerung gebräunt (vergl. Abschn. „Uvea"). Um zu bestimmen, in welcher Schicht der Hornhaut eine Veränderung sitzt, kann man auch bei Lupenuntersuchung die eventuell parallaktische Ver- schiebung (bei Ortsveränderung des untersuchenden Auges) gegenüber den der Hornhautoberfläche aufliegenden Staubteilchen (Einstäuben von Kalomel) her- beiziehen. Sehr wichtig ist für die Beurteilung der Hornhaut die Unter- suchung im durchfaMenden Lichte unter Anwendung starker Konvexlinsen („Lupenspiegel"). Hierbei erscheinen feine Trübungen als dunkle Stellen im roten Grunde. Mit demselben erkennt man: a) feinste Epithelveränderungen, punktförmige Infil- trate, ganz oder teilweise obliterierte Blutgefäße (nach Keratitis), am deutlichsten auch Präzipitate an der Hornhauthin- terfläche; b) unregelmäßige Krümmungen der Kornea, z. B. Keratokonus aus den skiaskopischen Phänomen; ebenso c) zarte Maculae corneae oder Facetten aus den unregelmäßigen Licht- bewegungen bei Drehung des Spiegels (s. Durchleuchtung des Auges). Sowie Verdacht auf oberflächlichen Substanzverlust besteht, träufle man 2°/o Flu oresz ei nkalium-Lösung auf die Kornea und spült dieselbe mit einigen Tropfen physiologischer Kochsalz- lösung oder Wasser ab. Jeglicher Epitheldefekt wird inten- siv grüngelb gefärbt, normale Kornea bleibt farblos.- Anomalien der Stellung, Form, Größe und Wölbung. Normalerweise ist die Ebene der Hornhautbasis senkrecht zur Augenachse. Durch unregelmäßige Ektasie der Sklera im vorderen Bulbusabschnitte oder nur einer Partie des Skleralbandes allein Lehrbuch der Augenheilkunde. ^1 346 Elschnig, (nach Skleritis, bei Hydrophthalmus) kann die Hornhaut unregelmäßig geneigt, schräg gestellt, die vordere Kammer unregelmäßig vertieft erscheinen. Die Vorrückung des Hornhautscheitels erzeugt durch Zunahme der Achsenlänge Myopie, die Schrägstellung Astigmatismus. Therapie und Prognose hängt vom Grundleiden ab. Form und Größe der Kornea können kongenital oder durch Krankheitsprozesse verändert sein. 1. Mikrokornea — abnorme Kleinheit der Hornhaut — ist eine kongenitale Mißbildung (näheres cf. „Mißbildungen"). 2. Keratoglobus, Megalokornea — abnorme Größe und ab- norme Prominenz, verbunden mit gewöhnlich geringerer Wölbung (größerer Hornhautradius) der Hornhaut; ist Teilerscheinung von Megalophthalmus (abnormes Größenwachstum des Auges, mitunter ein zum Stehen gekommener, rudimentärer Hydrophthalmus), durch Fehlen aller sonstigen krankhaften Veränderungen von progressivem Hydrophthalmus (kindlichem Glaukom) unterschieden. (Über Kerato- globus bei. Hydrophthalmus s. d.) Mitunter stellen sich umschriebene, streifenförmige oder schlieren- artige Hornhauttrübungen ein, auf Ruptur der Descemetschen Membran und konsekutive Narbenbildung zurückzuführen. Eine Be- ziehung zur Akromegalie besteht nicht. Mikrokornea und Megalokornea sind kein Gegenstand einer Therapie. 3. Keratokonus — ist die kegelförmige Ektasie einer vorher normalen Kornea. Der angeborene Keratokonus besteht meist an Augen mit anderen kongenitalen Anomalien: Mikrokornea, Reti- nitis pigmentosa, Sehnervenatrophie; auch wenn diese fehlen, ist das Auge unverhältnismäßig amblyopisch. Der erworbene Kerato- konus tritt nach der Pubertät, selten später auf, gewöhnlich gleichzeitig an beiden Augen. Die erste Erschei- nung ist Sehstörung zufolge der un- regelmäßigen Brechung der Horn- haut. Bei starker Ektasie fällt die Unregelmäßigkeit der Reflexbilder als besonderer Glanz des Auges dem Laien auf. Bei Profilansicht hat die Horn- haut die Gestalt eines abgerundeten Kegelstumpfes, dessen Spitze meist in die untere Hornhauthälfte fällt (Fig. 283). Das Reflexbild der Horn- haut ist überall glänzend, an der Spitze des Kegels hochgradig verkleinert, an seinen Seiten stark in die Länge gezogen, was am besten bei der Unter- suchung mit dem Keratoskope von Placido zu erkennen ist (cf. Abb. 25 auf S. 32). Bei der ophthalmoskopischen Durchleuchtung und Skiaskopie bestehen ganz charakteristische Erscheinungen (s. d.). Bei Druck auf die Kornea (am kokainisierten Auge) erkennt man, daß die Kegelspitze hochgradig verdünnt ist. Bei allen älteren Fällen Erkrankungen der Hornhaut. 347 besteht in der Kegelspitze im Parenchym eine baumförmig verästelte Trübung (Folge von Zerreißung der Lamellen). Die Ursache des Keratokonus ist wahrscheinlich abnorm geringe Widerstandsfähigkeit der Membrana Descemeti. Verlauf. Der Hornhautkegel kann sehr verschieden rasch wachsen und in jedem Stadium seiner Entwickelung stationär bleiben Infolge relativ geringfügiger Traumen kann eine Ruptur des Kegel- scheitels entstehen. In seltenen .Fällen tritt ein plötzlich rasches Fortschreiten der Ektasie unter diffus grauer Färbung der Kegel- spitze und Stichelung der Oberfläche, einer Keratitis parenchymatosa ähnlich, ein, die wieder zurückgehen kann, aber gewöhnlich vermehrte Ektasie hinterläßt. Therapie. Nur in den letztgenannten Fällen ist durch Druck- verband und Pilokarpineinträufelung ein Rückgehen des Prozesses zu erzielen; in allen anderen Fällen sind, solange das Sehvermögen durch sphärische oder Zylindergläser zu heben ist, korrigierende Gläser zu verordnen. Mitunter ist das Hydrodiaphanoskop (Lohnstein), eine dicht dem Orbitalrande anliegende, mit Salzlösung gefüllte Wanne, der ein entsprechendes sphärisch geschliffenes Glas aufgesetzt ist, verwertbar. In allen schweren Fällen ist die Kaut erisati on der Kegei- spitze mit dem schwach rotglühenden Galvanokauter (unter Kokain- anästhesie) bis zu übermäßiger Abflachung der Kornea, und Ver- bindung dieses Schorfes mit dem nächst angrenzenden Hornhaut- rande durch einen oberflächlichen Brandschorf vorzunehmen. Unter Druckverband, eventuell abwechselnd mit heißen Umschlägen und Einstreichen von 10% Orthoformsalbe heilt der Schorf in längstens drei Wochen. Bei ungenügendem Effekt Wiederholung der Kauteri- sation. Hat sich eine.dichte, weiße Narbe gebildet, so wird sie tätowiert (cf. S. 382) und nur dann, wenn die Pupille ganz bedeckt ist, Iridektomie nach oben, oben innen oder -außen angelegt. 4. Keratektasie ist unregelmäßige Ausdehnung einer patho- logisch veränderten Hornhaut, so nach Pannus trachomatosus (Kerat- ectasia e panno), nach schweren Ulzerationsprozessen (Kerat- ectasia ex ulcere), Randektasie. Behandlung s. Keratitis. Bezüglich aller dieser Hornhautektasien, sowie auch der Aus- dehnung der narbig veränderten, mit der Iris verwachsenen Hornhaut, Staphyloma corneae, s. unter Keratitis. Keratitis. Allgemeines über Hornhautentzündungen. Pathologische Anatomie. Die pathologische Anatomie der Hornhautentzündungen des menschlichen Auges ist erst zum kleinsten Teile genügend erforscht. Entzündung, Degeneration und Regeneration, die bei der Keratitis nebeneinander vorkommen, sind klinisch oft schwer mit Sicherheit zu trennen. Jeder Entzündungsreiz in der Kornea führt zu einer Schädigung der. fixen zelligen Elemente. Die Hornhautkörperchen teilen sich (direkte und indirekte 21* 348 Elschnig, Zellteilung) und können zwischen benachbarte Lamellen vordringen, spindelig da- bei in die Länge gezogen („Regenerationsspieße"); sie quellen auf, Proto- plasma und Kerne erleiden degenerative Veränderungen. Die Wanderzellen vermehren sich gleichfalls und wandern zum Entzündungsherde vor. Vom Rande her dringen Leukozyten, vielfach spindelig ausgezogen („Entzündungs- spieße") zwischen den Hornhautlamellen in die Hornhaut ein und bilden dichte /MD. Fig. 284. Oberflächliches Horn- hautinfiltrat. Fig. 285. Einfaches Hornhaut- geschwür. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, P Parenchym der Kornea, MD Membrana Descemeti, E Endothel der Membrana Descemeti. Rundzellinfiltrate. Zwischen den Hornbautlamellen und in denselben findet sich feinstkörnige Eiweißmasse (Ödem), seltener Fibrin. Die Lamellen werden feinstkörnig getrübt, quellen auf und können schließlich zu einer feinkörnigen Masse zerfallen. (Fig. 284). Über jedem Entzündungsherde finden sich degenerative Veränderun- gen im Epithel, Ödem, Einwanderung! von Rundzellen, Zerfall von Epithel- zellen mit konsekutiver Abschilferung des Epithels oder unregelmäßiger Blasen- bildung. EPm Fig. 286. Macula Cornea. Fig. 287. Hornhautnarbe. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, P Parenchym, MD Membrana Descemeti, E Endothel der Membrana Decemeti. Erfolgt der Zerfall eines zelligen Infiltrates und des dazwischenliegenden Horn- hautgewebes an der Oberfläche, so entsteht ein Geschwür (Fig. 285), nicht zu ver- wechseln mit einfachen Epitheldefekten — Erosionen. Nur kleine und nicht dichte zellige Infiltrate können ohne vollständige Zerstörung der entsprechenden Hornhautpartie aufgesaugt werden. Bei tiefsitzenden Infiltrationsherden kann Erkrankungen der Hornhaut. 349 klinisch der Gewebszerfall erst aus der nachfolgenden Narbenbildung erkannt werden. Frühzeitig dringen bei jeder Art von Keratitis vom Randschlingennetz und von den Skleralgefäßen her Blutgefäßsprossen in die Kornea vor, größten- teils zwischen den Lamellen. Sie sind begleitet von neugebildeten Binde- .gewebs zügen. Jeder oberflächliche Substanzverlust wird zuerst mit Epithel bekleidet und dann erfolgt unter der schützenden Epitheldecke die Ausfüllung des Defektes. Durch die Intensität der Blutgefäßneubildung ist die Art der Narben- bildung in der Kornea nach Entzündung oder traumatischem Substanzverlust gegeben. 1. Regeneration des Hornhautgewebes kommt rein nur bei kleinem und (im Parenchym) gelegenem Substanzverluste vor (Macula corneae, Fig. 286). Das durch Wucherung der fixen Hornhautzellen erzeugte Hornhautgewebe ist ursprünglich nur durch das Fehlen von Blutgefäßneubildung von eingewuchertem Bindegewebe zu unterscheiden. Später bilden sich mehr weniger regelmäßige Lamellen und hellt sich unter Zunahme der Regelmäßigkeit der Anordnung der Elemente das regenerierte Gewebe um so vollständiger auf, je jünger das Indi- viduum ist. 2. Narbenbildung du-rch Bindegewebsneubildung. Das neuge- bildete Bindegewebe hat eine grobfaserige Struktur, ist von zum Teile obliterierten Gefäßen durchzogen und einer Aufhellung nicht zugänglich (Fig. 287). Von seiner grauweißen bis weißen Farbe stammt der Name Leukoma corneae. Bei Heilung jeder Keratitis gehen beide Vorgänge Hand in Hand. Die Aufhellung einer Narbe ist nur insoweit möglich, als Regeneration die Bindege- websneubildung begleitet hatte. Neubildung, der zerstörten Bowmanschen Mem- bran erfolgt niemals, während] die Descemet sehe Membran oft mehrschichtig neugebildet werden kann. sitzet: ^«js^y Fig. 288. Irisprolaps. Fig. 289. Staphyloma corneae partiale. Ski Sklera, CK Ciliarkörper, CF Ciliarfortsätze, Z Zonula, L Linse, Cj Con- junctiva, St Staphylom. 350 El sehnig, Je nach dem Sitze und der Ausbreitung der Narbenbildung in der Kornea unterscheiden wir: a) zentrale, periphere, und dicht an die Sklera anschließende rand- ständige, endlich totale Narben. Letztere sind oft abgeflacht (Applanatio corneae), b) oberflächliche, tiefsitzende und durchgreifende Narben^ Zarte, durchscheinende Narben werden als Maculae oder Nubeculae bezeichnet. Ist ein oberflächlicher Substanzverlust nur mit Epithel bedeckt und noch nicht ausgefüllt, so besteht eine glänzende Grube: Facette, c) übermäßige Narbenbildung: die Narbe ist um ein vielfaches dicker als die normale Hornhaut, ragt daher halbkugelig vor (eine Art Narben- keloid), , d) häufiger ist das Gegenteil: die Narbe ist abnorm dünn und gibt dem intraokularen Druck nach (ektatische Narbe), e) besondere Modifikationen der Narbenbildung sind durch vorausgehenden Durchbruch der Kornea bedingt. Bei umschriebener Zerstörung der Kornea in ganzer Dicke oder Perforation durch einen Fremdkörper fließt das Kammerwasser ab, die Iris wird an die Hornhauthinterfiäche an- oder in den Defekt eingedrückt (Irispr ol aps, partiell (Fig. 288) oder total). Von der vorgefallenen Iris geht Bindegewebsproliferation aus, die mit dem von den Rändern des Hornhautdefektes gelieferten, neugebildeten Bindegewebe sich verbindet. Erfolgt schließlich glatte Vernnrbung, so bleibt die Iris zeltartig in die Hornhautnarbe einbezogen; Leukoma adhaerens. Bleibt die Narbe hierbei ektatisch: partielles Hornhautstaphylom (Fig. 289). Ist die Narbenbildung der Iris-Kornea über die ganze Hornhautfläche ver- Fig. 290. Staphyloma corneae totale. Fig. 291. Staphyloma corneae totale (Narbenkeloid). Cj Conjunctiva, Ski Sklera, CK Ciliarkörper, CF Ciliarfortsätze, Z Zonula, L Linse. breitet (nach totaler Zerstörung ausgedehnter Hornhautpartien), so kann die resul- tierende Narbe entweder abgeflacht sein (Phthisis corneae, sive bulbi anterior), oder normal gewölbt sein, am häufigsten aber ist sie ektatisch (Staphyloma corneae totale). Die Wand des letzteren kann hierbei verdünnt (Fig. 290), aber auch beträchtlich verdickt sein (Fig. 291). Nach jedem Hornhautdurchbruch kann durch Einwanderung von Epithel oder Einlagerung von Irisgewebe (Pupillarrand, Irisepithel) in die Durchbruch- stelle oder, nach Verletzung, von Linsenkapsel die solide Vernarbung verhindert werden und eine Fistel in der Narbe entstehen, durch die entweder ständig Kammerwasser absickert, oder die sich vorübergehend mit dem oft blasenförmig vorgewölbten Epithel überkleiden kann. Bei völliger Zerstörung der Hornhaut, oder nach ausgebreiteten Durch- trennungen, nach Verletzungen kann auch Linse, Glaskörper, Ziliarkörper, Retina und Aderhaut in den Defekt eingelagert werden (s. Fig. 255 auf S. 302). Erkrankungen der Hornhaut. 351 Bei jeder intensiven Keratitis kommt es durch Fernwir kun g der Entzün- dung erregenden Schädlichkeit auf die Gefäße der Iris und des Ziliarkörpers (Chemotaxis) zur Auswanderung von Leukozyten aus den Ge- fäßen derselben. Sie können sich in Form umschriebener gelblicher oder grau- weißer Pünktchen an der Hornhauthinterfläche niederschlagen (Präcipitate), oder größere, gelbliche Beschläge bilden (besonders bei mykotischer Keratitis), endlich als Hypopyon in Form von glitt abgegrenzten, die tiefste Stelle der Hornhaut einnehmenden Eiteransammlungen in der vorderen Kammer niedersinken. Häufig ist bei Keratitis in der Vorderkammer auch fibrinöses Exsudat, die Pupille deckende oder der Hinterfläche der Hornhaut anliegende Klumpen, selten hämorrhagisches Exsudat. Die klinischen Erscheinungen der Keratitis. Sie sind aus den eben geschilderten anatomischen Veränderungen des Hornhautgewebes leicht verständlich. Jede Hornhautentzündung erzeugt: A. An der Kornea selbst. a) Zufolge der Veränderung der Zellen und Grundsubstanz und Vermehrung der zelligen Elemente eine Trübung und Färbung der betroffenen Stellen. Geringe Zellvermehrung setzt bläuliche, grauliche oder graulich weiße Flecke („Infil- trate"); dichte Zellansammlung, eiterige Infiltration ergibt gelblich-weiße Flecke. Je dichter die Infiltration, um so mehr sind die Lamellen gleichfalls verändert, um so deutlicher die Färbung und um so größer die ündurchsichtigkeit. b) Über jedem Entzündungsherde ist das Epithel erkrankt, daher das Fensterbild gestichelt. c)-Dichtere oberflächliche Infiltrate bewirken herdförmige Vor- treibungen an der Oberfläche (Knötchen, Knoten), oder, wenn sie zerfallen sind, Vertiefungen, die an der Verzerrung des Fensterreflexbildes der Kornea, sowie direkt bei seitlicher Beleuchtung erkannt werden können („Geschwüre"). B. In der Vorderkammer und Regenbogenhaut. Jede heftigere Hornhautentzündung ist von Hyperämie der Iris, oder Iritis begleitet, erkannt an der Verengerung, trägen Licht- reaktion, sowie mangelhaften Reaktion der Pupille auf Atropin, die Iritis auch an den Verklebungen des Pupillarrandes mit der Linsenkapsel, „hintere Synechien", sowie an der Exsudation in die Vorderkammer: Präzipitate an der Hornhauthinter- fläche, Hypopyon, fibrinöses resp. hämorrhagisches Exsudat in der Vorderkammer. Bezüglich der Diagnose der damit oft ver- bundenen Zyklitis s. Iris. C. Reizerscheinungen am Augapfel und seinen Adnexen. a) herdförmige (bei umschriebenen, randständigen Entzündungs- herden), oder diffuse Ziliarinj ektion, Konjunktival- injektion, besonders der Conjunctiva bulbi und Odem, (Chemose) der letzteren. Im allgemeinen sind sie ein Grad- messer für die Intensität der Entzündung. b) Lidkrampf, Lichtscheu, Tränenträufeln, reflek- torisch von den Hornhautnerven aus ausgelöst. 352 Elschnig, c) Schmerzen, uzw. lokale (Fremdkörpergefühl, Brennen, Stechen), besonders bei oberflächlichen Entzündungsherden, und irradiierende (Ziliarneuralgie); b) und c) sind in keinem Korrelat zur Intensität der Ent- zündung. D. Sehstörungen. Diese sind abhängig in erster Linie vom Sitze, dann von der Dichte und Ausbreitung der Entzündungsherde. Je zentraler ein Herd in der Kornea sitzt, um so größere Sehstörungen erzeugt er (durch die unregelmäßige Lichtbrechung und Verlust der Durchsichtig- keit) unter sonst gleichen Umständen. Spezielle Pathologie und Therapie der Keratitis. Auf Grund der anatomischen Veränderungen und des klinischen Befundes können wir folgende Hauptformen der Keratitis unter- scheiden: A. Keratitis mit Bildung oberflächlicher Gewebs- defekte. (Keratitis ulcerosa im weitesten Sinne); es sind dies Entzündungen, bei denen die Entzündungsherde vorerst an der Oberfläche der Hornhaut sich entwickeln, und in der Regel durch Zerfall des infil- trierten Gewebes zu Geschwürsbildung führen. Sie entstehen zum größten Teile durch äußerlich einwirkende (ektogene) Schädlich- keiten. B. Keratitis ohne Bildung oberflächlicher Gewebsdefekte. (Parenchymatöse Entzündungen.) Es sind dies Entzündungen, welche vorwiegend die mittleren und tieferen Schichten des Hornhautparenchymes betreffen, und die nicht zur Bildung oberflächlicher Gewebsdefekte (Geschwüre) führen. Ihre Ursache sind vorwiegend endogene Schädlichkeiten. A. Keratitis mit Bildung oberflächlicher Gewebsdefekte. I. Keratitis ulcerosa simplex. Es sind dies Keratitisformen, bei deneneswohl zum Zerfall der ursprünglich infiltrierten Gewebspartien, also zur Geschwürsbildung kommt, nicht aber zu aus- gedehnterer Vereiterung der Kornea. 1. Ulcus corneae simplex. Das Hornhautgeschwür ist ein Substanzverlust, dessen Rand und Basis graulich gefärbt, rauh ist, und der Fluoreszeinfärbung an- nimmt. Es entsteht aus einem Infiltrate (Fig. 284) durch Einschmelzen des infiltrierten Gewebes. Man sieht also zuerst einen graulichen bis an die Oberfläche reichenden Herd, über dem und in dessen Um- gebung das Epithel gestichelt und zart graulich ist. In wenigen Erkrankungen der Hornhaut. 353 Stunden oder längstens einigen Tagen schilfert sich das Epithel ab, das infiltrierte Gewebe zerfällt; es entsteht dadurch ein Substanzverlust, in dessen Umgebung das Epithel gestichelt erscheint (Fig. 285). Ist Rand und Basis des Geschwürs noch in großer Ausdehnung graulich infiltriert, so ist ein weiterer Gewebszerfall zu gewärtigen: pro- gressives Geschwür. Ist alles infiltrierte Gewebe abgestossen, so glättet sich der Grund und hellt sich auf: gereinigtes Ge- schwür. Es schiebt sich dann sehr rasch das Epithel des Geschwürs- randes unter lebhafter Proliferation über den Geschwürsgrund vor und bedeckt ihn; Rand und Basis zeigen dann glatte Oberfläche, sie glänzen und nehmen Fluoreszeintärbung nicht mehr an (regressives Geschwür). Kleine Geschwürchen werden durch Proliferation der fixen Hornhautzellen im Grunde und Rand des Substanzverlustes ausgefüllt; bei größeren erfolgt dies unter Einwachsen von Blut- gefäßen vom nächstgelegenen Skleralrande her und Bindegewebs- neubildung. War das Infiltrat von vornherein sehr tiefgreifend oder ist die Geschwürsbildung nachträglich in die Tiefe fortgeschritten, so kann vorerst die Membrana Descemeti allein von der Zerstörung verschont bleiben und es zeigt sich in der Mitte des sonst grauen Geschwürs- grundes eine durchsichtige, daher dunkel erscheinende Stelle. Mit- unter wölbt sich dann die Membrana Descemeti unter dem Drucke des Kammerwassers in Form eines wasserklaren Bläschens in den Geschwürsgrund oder über das Hornhautniveau vor: Desceme- tokele. Bricht die Membrana Descemeti durch, so fließt das Kammer- wasser ab und das weitere Schicksal des Geschwüres und Auges hängt dann von der Größe und dem Sitz der Durchbruchstelle ab. a) Bei Perforation im Bereiche der Regenbogen- haut; ist die Perforationsöffnung klein, fast punktförmig, so legt sich die Iris an die Hinterfläche derselben an und kann, wenn die Perforationsöffnung sich rasch schließt, wieder frei werden und in normale Lage zurückkehren. Ist die Perforationsöffnung groß, so wird besonders bei plötzlichem Durchbruch die Iris durch das nach- drängende hintere Kammerwasser in den Geschwürsgrund eingedrängt, vorgebaucht und kann als bräunlicher Hügel über das Niveau der Hornhautfläche prominieren: Irisprolaps (s. Fig. 288). Wird die Iris nicht rechtzeitig ausgeschnitten, so wird sie in die Narbenbildung einbezogen. Ist der Prolaps klein, so kann doch eine glatte Hornhautnarbe entstehen, in die aber die Regenbogenhaut einbezogen ist: Leukoma corneae cum synechia anteriori oder kurz Leukoma adhaerens (Fig. 287). Ist der Prolaps groß, so prominiert die Narbe um so mehr über das Hornhautniveau, je über- schüssiger die Narbenbildung ist, oder je mehr sie durch den intra- okulären Druck vorgebaucht wird. Es bildet sich dann eine halb- kugelige, narbige Vorwölbung an der Hornhaut: Staphyloma corneae partiale (Fig. 288). Nur selten kommt es bei Geschwüren zu totaler Zerstörung der Hornhaut mit ihren oben (S. 350) erwähnten Folgen: totales Horn- bautstaphylom, totale Hornhautnarbe. b) Liegt die Perforationsöffnung im Bereiche der Pupille, so kann bei kleinem Durchbruch und raschem Verschluß 354 Elschnig, desselben ohne weitere Folgen die vordere Kammer sich wieder her- stellen; bei Kindern entsteht darnach mitunter Zentralkapselstar. Bei großer Perforationsöffnung kann die Linse in das Geschwür ein- gelagert und bei heftigem Lidschluß oder Druck von außen aus dem Auge entleert werden, oder schließlich bei der Vernarbung des Geschwüres die Linsenvorderfläche durch einen bindegewebigen Strang mit der Hornhaut verbunden bleiben (Hornhautnarbe mit Linsensynechie). Wird, nacli Entleerung der Linsenmasse, Linsen- kapsel in die Narbenbildung einbezogen, oder lagert sich der Pupillar- rand der Iris in den Geschwürsgrund ein, so kann dadurch eine nor- male Narbenbildung verhindert und eine Hornhautfistel erzeugt werden. Ursachen der Hornhautgeschwüre. Wir unterscheiden: a) primäre und b) sekundäre Horn- hautgeschwüre; letztere sind solche, welche durch eine Bindehaut- erkrankung bedingt sind. a) Primäre, a) Traumatische Geschwüre; durch Ver- brennung, Verätzung, sowie mechanische Zerstörung von Hornhaut- gewebe (Quetschung, Fremdkörper, dann Trichiasis) entstehen Ge- schwüre, welche, wenn sie nicht mit Eiterung erregenden Mikro- organismen infiziert werden, gutartigen Verlauf nehmen. ß) Zu den traumatischen Geschwüren im weiteren Sinne ge- hört auch die Eintrocknungs-K eratitis: Keratitis e lag- ophthalmo. Bei mangelhaftem Lidschluß zufolge Ektropium, Para- lyse des Musculus orbicularis palpebrarum (Fazialisparese), zufolge Vortreibung des Augapfels bei retrobulbären Tumoren oder Ent- zündungen in der Tiefe der Orbita, bei Morbus Basedowi, schließlich bei schwerkranken somnolenten Personen mit verminderter Tränen- absonderung und fehlendem reflektorischen Lidschluß trocknet die freiliegende Hornhautpartie erst oberflächlich, dann allmählich tiefer- greifend ein. Die Hornhautoberfläche wird matt, das Gewebe grau- lich getrübt, die nekrotischen Partien stoßen sich ab, so daß ober- flächliche Geschwüre, u. zw. fast immer nur in der unteren Horn- hauthälfte entstehen. Durch tiefgreifende Eintrocknung und Nekrose kann die Hornhaut in ihrer ganzen Dicke zerstört und Irisprolaps mit seinen Folgen verursacht werden. Die wichtigste Therapie ist der Schutz der Hornhaut vor Ein- trocknung durch Verband, eventuell bei Morbus Basedowi oder Fazialislähmung Tarsorrhaphie. y) Ekzematöse Geschwüre (Keratitis ekzematosa). Mit Rücksicht auf die Häufigkeit und Variabilität der Erscheinungen dieser Form von Keratitis soll sie in einem eigenen Kapitel abge- handelt werden. d) Mykotische Geschwüre. In seltenen Fällen sind Hornhaut- geschwüre primär durch bestimmte Mikroorganismen bedingt, ohne daß eine Verletzung oder ein anderes Leiden vorausgegangen ist. So ist ein scheibenförmiges Geschwür, meist oberflächlich, selten tiefergreifend mit dicht graulich oder graugelb belegtem Grunde, aber nicht sichel- förmig infiltriertem Rande (siehe auch Ulcus serpens S. 371); häufig auch mit Hypopyon durch den Dipl obazillus Morax-Axenfeld bedingt. Die Kenntnis dieser Geschwürsform ist deshalb so wichtig, weil Erkrankungen der Hornhaut. 355 dieselbe durch fortgesetzte Anwendung von Zinklösung (mehrmal täglich Überspülen der Hornhaut mit V* °/o Lösung von Zinc. sulfur.) leicht der Heilung zugeführt werden kann. Randständige Geschwüre können durch den Zur Neddens- Bazillus bedingt sein (infektiöses Randgeschwür). Meist gehören diese klinisch oft nicht genau charakterisierten Geschwürsbildungen zur Gruppe der b) sekundären Hornhautgeschwüre. a) Das sind solche, welche durch vorausgehende akute oder chronische, meist infektiöse Bindehautentzündungen bedingt sind. Sie entstehen entweder durch Infektion der Hornhaut mit den die Bindehautentzündung erzeugenden Mikroorganismen (infi- zierte Epithelialdefekte) oder durch Ernährungsstörung der Horn- haut bei stark entzündlicher Infiltration der Conjunctiva bulbi oder Episklera am Hornhautrande. Von den Mikroorganismen erzeugte Toxine dürften vielleicht zur Entstehung letzterer Geschwürsform beitragen. In den meisten Fällen sind es randständige Geschwüre; kleine, rundliche Infiltrate breiten sich am Hornhautrande aus, fließen zusammen, so daß sichelförmige, auf einen Quadranten beschränkte, selten umgreifende Geschwüre entstehen. Da sie am häufigsten bei katarrhalischen Affektionen der Bindehaut vorkommen, werden sie auch katarrhalische Geschwüre genannt. Diese Geschwüre schreiten selten in der Fläche, sehr häufig in die Tiefe fort; das Randschlingennetz beginnt sehr rasch zu wuchern und schiebt sich gegen das Geschwür vor, so daß es überhängend begrenzt sein kann. Sie führen sehr oft zum Durchbruch der Kornea. Als häufigste Ursachen kommen in Betracht: alle Formen akuter Konjunktivitis (Koch-Weeks-Bazillus, Influenzabazillus, Diplobazillus Morax-Axenfeld), dann Gonorrhoe und Diphtherie der Konjunktiva. Letztere bewirken oft rapid fortschreitenden geschwürigen Zerfall, ja mitunter Einschmelzung der ganzen Hornhaut, also Formen, die schon ins Bereich der eiterigen Keratitis gehören (s. S. 369). Endlich verursacht Trachom in jedem Stadium Hornhautgeschwüre, die durch ihre oftmaligen Rezidive häufig die Aufmerksamkeit vom Grundleiden ablenken können. ß) Hornhautgeschwüre oder Infiltrate finden sich endlich bei zahlreichen Formen von Hautkrankheiten, so Ekzema faciei, Akne rosacea, dann Variola und Varicellen. Soweit sie Teilerscheinung von Ekzem sind, werden sie als Keratitis ekzematosa besprochen. Bezüg- lich der schweren Hornhautkomplikationen bei Pemphigus siehe Pemphigus conjunctivae, S. 313. Komplikationen. Die oft begleitende Eiteransammlung in der Vorderkammer (Hypopyon) ist nicht als Komplikation aufzufassen, sondern lediglich Beweis einer intensiveren Reizwirkung des Ent- zündungsherdes, oft Symptom sekundärer mykotischer Infektion des- selben, oder von Irishyperämie, Iritis, Iridozyklitis. Besonders bei bestehender Tränensackblennorrhoe können Geschwüre infiziert werden, in Ulcus serpens übergehen. Ebenso kann durch Eindringen einer Infektion ins Augeninnere eiterige Iridozyklitis, Panophthalmitis ent- stehen. 35.6 Els.chnig, Differentialdiagnose. Der oberflächliche Substanzverlust unter- scheidet das Geschwür von allen Hornhautentzündungen der zweiten Gruppe (parenchymatöse K.); die häufige Multiplizität, der rand- ständige Sitz, die mangelnde eiterige Infiltration des Randes, und die frühzeitige Gefäßneubildung (ev. bakteriologische Untersuchung) von Ulcus serpens. Die einfache (traumatische oder rezidivierende, s. Verletzungen der Kornea) Erosion unterscheidet sich vom Geschwür durch die geringe Tiefe des Substanzverlustes, und das Fehlen von Graufärbung oder Infiltration des Grundes und Randes des letztsren. Die einzelnen Geschwürsformen werden durch Beachtung aller Begleiterscheinungen, ev. bakteriologische Untersuchung voneinander unterschieden. Man achte also genau auf Lidränder und Gesichts- haut (Ekzem etc.), sowie in jedem Falle auf die Beschaffenheit der Bindehaut. Prognose. Jedes Hornhautgeschwür hinterläßt eine mehr oder weniger dichte Narbe ; die Prognose richtet sich daher in erster Linie nach Sitz, Größe und Tiefe, in zweiter Linie nach der Ätiologie des Geschwüres. Im Pupillarbereiche gelegene Geschwüre hinterlassen, auch wenn sie sehr klein sind, beträchtliche Sehstörungen zufolge unregelmäßiger Dispersion des Lichtes in den durchscheinenden Par- tien (unregelmäßiger Astigmatismus), zufolge Behinderung des Licht- einfalles in den dichteren Partien der Narbe. Periphere Geschwüre hinterlassen nur dann Sehstörungen, wenn die Narben sehr groß sind und zu unregelmäßiger Abdachung der Hornhaut, oder, falls sie ver- dünnt sind, zu Ektasie der Kornea führen. Je tiefer und größer das Geschwür, um so eher ist Durchbruch zu erwarten, besonders bei randständigen Geschwüren. Diese Gefahr, resp. der schon er- folgte Durchbruch beeinträchtigen die Prognose bezüglich Heilung, Dauer und Ausgang. Die Gefahr des Durchbruches ist unter sonst gleichen Umständen eine um so größere, je dichter die Infiltration des Geschwürsgrundes ist und je weniger reparative Veränderungen (Blutgefäßneubildung) in dessen Umgebung zu bemerken sind. Kleine Geschwüre können in wenigen Tagen, größere oder aus- gebreitete primäre Geschwüre unter entsprechender Behandlung in 14 Tagen bis 3 Wochen abheilen. Ist Durchbruch eingetreten, so verzögert sich, wie erwähnt, die Heilung und die Prognose wird ver- schlechtert, da man entweder den Irisprolaps abtragen und dabei ein das scharfe Sehen beeinträchtigendes Kolobom der Iris setzen oder eine vordere Synechie bestehen lassen muß, welche oft zu Sekundärglau- kom Anlaß gibt. Bei gewissen Geschwürsformen (s. Keratitis ekzema- tosa) ist die Gefahr wiederholter Rezidive bei der Prognosestellung zu beachten. Bei sekundären Geschwüren richtet sich die Prognose nach der Art und Intensität des Grundleidens. Bei allen akuten Binde- hautentzündungen, besonders Gonorrhoe und Diphtherie, ist sie um so ungünstiger, je früher die Geschwürsbildung auftritt und besonders je stärker die entzündlichen Veränderungen an der Bulbusbindehaut sind. Bei Kindern kommt auch jeweilig der allgemeine Ernährungs- zustand in Betracht. Schließlich wird die Prognose noch durch even- tuelle Komplikationen der Hornhautgeschwüre beeinträchtigt. Therapie, a) Bei primären Geschwüren. Für alle pri- mären Geschwüre sind folgende Indikationen gemeinsam: Erkrankungen der Hornhaut. 357 1. Schutz des Geschwüres vor Verunreinigung (bei Kindern: schmutzige Hände!) und Infektion mit Eiterung erregenden Mikroorganismen. Ist der Tränensack krank, so muß die entsprechende Behandlung eingeleitet werden (s. S. 259 und 267). In jedem Falle soll der Bindehautsack wiederholt am Tage mit einer Vöo %-Lösung von Hydrargyrum oxycyanatum (Ersatzmittel: Sublimat 1 : 5000, Jod- trichlorid oder Sublamin 1 : 2000, Kalium hypermanganicum 1 : 1000) gründlich ausgespült und auch die Hornhautoberfläche damit be- rieselt werden. Besonders bei fortschreitenden Geschwüren und dann, wenn starke Sekretion der Bindehaut vorhanden ist, ist Auf- träufeln eines Tropfens l%iger Lapislösung auf die Hornhautober- fläche, täglich einmal, von guter Wirkung. Das Auge soll unter Verband (Rollbindenverband, Abb. 2 auf S. 10) gehalten werden; um Ekzem der Lidhaut zu vermeiden, soll dieselbe mit Zinksalbe bestrichen, ev. mit Lapislösung (2%) eingepinselt werden. Wenn Druckverband nicht vertragen werden sollte, wie es mitunter vorkommt, so muß das Auge durch eine Schutzbrille oder Augenklappe geschützt, oder über einer Kapsel der Verband angelegt werden (Hohlverband). Nur bei unerträglichen Schmerzen soll 2°/o- ige Kokainsalbe eingestrichen oder 1 — 2 mal täglich 2°/oige Kokain- lösung eingeträufelt werden. Bei mäßigen Schmerzen ist 2% ige Xeroform- oder 10°/oige Orthoformsalbe, welche gleichzeitig desinfi- zierend und anästhesierend wirkt, in den Bindehautsack einzustreichen. Rp. Orthoform 0,40 Lanolin Vaselin alb. ää, 2,00 M. exact. ut f. ungt. DS. Orthoformsalbe. Nur bei sehr torpiden und langsam fortschreitenden oder, bei verzögerter Regeneration des Epithels, zu Rezidiven neigenden Ge- schwüren können heiße Kataplasmen 1—2mal täglich angewendet ev. eine 2—5°/oige Dioninsalbe eingestrichen oder ebensolche Lösung eingeträufelt werden. Rp. Dionin 0,10, Lanolin Vaselin. alb. äk 2,50 M. f. ungt. DS. Dioninsalbe. 2. Schreitet trotzdem das Geschwür in der Fläche oder Tiefe fort, so ist die Anwendung des Galvanokauters zu empfehlen (s. Ulcus serpens, S. 373); am besten ist dazu Abgabe des Kranken an eine Augenklinik. 3. Wegen der Gefahr einer Beteiligung der Iris (Irishyperämie, Iritis) ist xk- oder l%ige Atropinlösung einzuträufeln. Rp. Atropin. sulfur. 0,05 Aq. destill, coct. 5,00, D. sub sigillo. DS. l°/o Atropin. Erweitert sich die Pupille auf die erste Einträufelung maximal, so ist jede weitere Atropinanwendung zu unterlassen, bis die Pupille sich eventuell, vor Ablauf der Hornhauterkrankung, neuerlich verengt. Erweitert sich die Pupille auf die erste Atropineinträufelung nicht, oder nur mangel- haft, und besonders, wenn sich hiebei hintere Synechien zeigen, ist 358 Elschnig, mehrmals täglich Atropin einzuträufeln oder 1 °/oige Atropinsalbe einzustreichen. Bei tiefgreifen den randständigen Geschwüren abe[r ist wegen der Gefahr eines Irisprolapses Atropin nur bei Bestehen hinterer Synechien anzuwenden. 4. Droht Durchbruch des Geschwüres, so ist bei peripherem Sitz desselben l°/oige Eserinlösung 1—2 mal täglich einzuträufeln; Rp. Eserin. salicyl. 0,05, Aq. destill, coct. 5,00 DS. 1 %> Eserinlösung. es erniedrigt den intraokularen Druck und spannt die Iris aus, so daß einerseits die Gefahr eines Durchbruches vermindert, anderer- seits bei seinem Eintritt ein Irisvorfall vermieden wird. Unter Um- ständen ist Parazentese der Kornea auszuführen (s. S. 359). 5. Ist Durchbruch erfolgt, so wird wiederholt l°/oige Eserin- lösung eingeträufelt und Druckverband angelegt. Wird binnen 24 Stunden die Iris nicht frei und die vordere Kammer wieder herge- stellt, sowie überhaupt bei ausgedehnterem Irisprolaps muß das vor- gefallene Irisstück exzidiert werden. Solche Fälle, am besten auch solche mit drohendem Durchbruche (Keratokele) sind der Klinik zu überweisen. Exzision des Irisprolapses. Lokalanästhesie (wiederholt Einträufeln von 2% Kokain - und Adrenalinlösung), bei Kindern Narkose. Einlegen der Lidhalter. Ist der Prolaps frisch, so wird er mit der Irispinzette gefaßt, vorge- zogen und knapp an der Hornhaut mit einem Scherenschlage abgetragen. Ist die Iris an die Hornhaut fixiert, beginnt sie zu granulieren (bei altem Irisprolaps), so wird sie zuerst ringsum vom Geschwürsrande mit einem Stilette abgelöst, dann gefaßt, vorgezogen und abgetragen. Die Iris muß so weit ausgeschnitten werden, daß die Ränder des Ausschnittes außerhalb des Geschwürsbereiches fallen. Reposition der Iris mit einer schmalen Spatel, bis die Sphinkterecken normal liegen. Ist der Defekt im Geschwürsgrunde groß und insbesondere wenn die Linse sich vordrängt, so löst man die benachbarte Augapfelbindehaut vom Hornhaut- rande ab oder schneidet daraus einen doppelt gestielten Bin dehautlappen und deckt damit d en Geschwürsgrund; die Bindebautlappen werden event. durch am Rande der Hornhaut angelegte Bindehauthefte in entsprechender Lage fixiert. Druckverband. Bei kleinen Geschwüren erfolgt dann normale Heilung innerhalb kurzer Zeit, bei größeren kürzt die Verpflanzung des Bindehautlappens die Behandlung wesentlich ab. Nur bei sehr großen Geschwüren, wenn die Linse sich hemienartig vordrängt, eröffnet man die Linsenkapsel mit einem Häkchen und entleert den Inhalt. b) Bei allen sekundären Geschwüren ist in erster Linie das ursächliche Bindehautleiden zu behandeln. Auf die Zinkbehand- lung des Diplobazillengeschwüres ist schon oben, S. 355 hingewiesen worden. Bei Trachom, überhaupt bei stark sezernierender Bindehaut wird Verband selten vertragen. Derselbe ist also nur dann anzulegen, wenn der Geschwürsgrund sich ektasiert, und immer nur für einzelne Stunden im Tage. Bei drohendem Durchbruch wird wie bei primären Geschwüren verfahren. Besonders wenn nicht Druckverband angelegt werden kann, soll bei Ektasie des Geschwürsgrundes Parazentese der Kornea gemacht werden, um einerseits ausgedehnten Irispro- laps zu verhindern, andererseits durch Verminderung der Spannung, unter der die Hornhaut steht, günstigere Ernährungsverhältnisse für Erkrankungen der Hornhaut. 359 dieselbe zu schaffen. Auch diese Fälle sind besser einer Augenklinik zu überweisen. ParanzetesederKornea. Anästhesie wie bei Abtragung des Irisprolapses. Mit einer schmalen Lanze wird im Limbus unten in die vordere Kammer einge- stochen und durch Vorschieben der Lanze ein etwa 3 mm langer Schnitt parallel dem Hornhautrande angelegt. Fixation des Bulbus mit einer Fixationspinzette ist tunlichst zu vermeiden. Beim Zurückziehen der Lanze wird langsam das Kammerwasser abfließen gelassen, eventuell mit einer Spatel zu diesem Zweck die Wunde gelüftet. Druckverband. c) Vernarbungsstadium des Geschwüres. Sobald das Geschwür gereinigt und vollständig mit Epithel überkleidet ist — Rand und Basis spiegeln, und nehmen keine Fluoreszeinfärbung mehr an — und die Reizerscheinungen abnehmen, muß man durch reizende Mittel die Gewebsneubildung anregen und die Wiederaufhellung der Narbe beschleunigen. Dazu dienen: Massage mit 1 °/o —2°/oiger weißer oder gelber Präzipitatsalbe (cf. S. 19), Einträufelung von 2°/oiger Dioninlösung (cf. S. 6). Massage. Man nimmt auf einen glatten Glasstab etwas Salbe, zieht das untere Lid ab, streicht die Salbe in den Bindehautsack und läßt sofort die Lider schließen. Der Daumen der rechten Hand wird auf das obere Lid gelegt, und damit durch 3—5 Minuten in zunehmend kräftigem Drucke die Hornhaut massiert. Der Kranke muß währenddessen mit dem zweiten Auge geradeaus blicken, damit man mit dem Lide wirklich die kranke Kornea massieren kann. Soweit die Narbe aus neugebildetem Bindegewebe unter Ver- mittelung von Blutgefäßneubildung entstanden, ist sie einer Aufhellung nicht zugänglich; neben der Narbenbildung noch bestehende Infiltration aber kann zurückgehen, und das durch Wucherung der fixen Horn- hautzellen regenerierte Hornhautgewebe kann durch Zunahme regel- mäßiger Anordnung seiner Elemente besonders bei Kindern nahezu normal durchsichtig werden. Je kleiner die Narbe, je jünger das Individuum, je geringer die Blutgefäßneubildung, um so eher ist letzteres zu gewärtigen. Besondere Aufmerksamkeit erheischt der Ablauf der Narben- bildung nach Durchbruch der Kornea, wenn eine vordere Synechie zurückbleibt. Dieselbe führt, insbesondere bei alten Leuten und dann, wenn Ektasie der Narbe eintritt, zur Steigerung des intra- okularen Druckes (Sekundärglaukom), das sich bei Kindern oft nur durch die rasch fortschreitende Vergrößerung des ganzen Auges (Hydrophthalmus) äußert. Es muß daher, wenn sich die Narbe ektasiert und durch Eserin und Druckverband nicht in kurzer Zeit, etwa einer Woche, zur normalen Wölbung zurückführen läßt, auch bei normalem intraokularen Drucke Iridektomie gemacht werden, bei der man versuchen soll, die vordere Synechie zu lösen. Kauteri- sation der Narbe erleichtert die Abflachung. Bei ausgebildetem Staphyloma corneae ist nur, wenn erst wenige Wochen seit der Narbenbildung verstrichen sind, die Iridektomie noch wirkungsvoll, eventuell in Verbindung mit Kauterisation der Narbe. Bei sehr altem Staphylom, dann wenn Iridektomie wirkungs- los geblieben oder, bei fast totalem oder totalem Hornhautstaphylom, nicht ausführbar ist, exzidiert man ein Stück der Staphylomwand. Ist der ganze vordere Abschnitt schon vergrößert, so ist das ganze Staphylom, eventuell der ganze vordere Abschnitt abzutragen. Staphylomop eration. a) Partielle Exzision — so lange nur ein partielles Staphylom besteht, besonders dann, wenn noch ein Sehvermögen zu er- 360 Elschnig, warten ist, ferner bei totalem Hornhautstaphylom, wenn der übrige Augapfel nicht gedehnt ist. Lokalanästhesie oder Narkose. Einlegen des Sperrelevateuis. Der Bulbus wird nahe dem Hornhautrande unten mit der Fixationspinzette gefaßt, dasGraefemesserin der Mitte der Staphylombasis durchgeführt und ein halbmond- förmiger Lappenschnitt nach oben ausgeführt. Der Lappen wird mit der Pinzette gefaßt nnd in solcher Breite mit der Schere abgetragen, daß bei der nachfolgen den Naht eine flache Wölbung der Narbe, resp. der zurückbleibenden Kornea resultiert. Die Naht wird bei allen Hornhautwunden in der Weise angelegt, daß die mit Konjunktivalseide versehene feine Hornhautnadel nur durch die äußeren zwei Dritteile jeder Wundlefze durchgeführt wird, so daß nach Schluß der Naht die Seide nur in der Kornea selbst, nicht in der vorderen Kammer liegt. Druckverband. Nach 5 bis 7 Tagen Entfernung der Hefte, nach etwa 14 Tagen wird das Auge offen gelassen. Wiederbeginn einer Ektasierung kann durch Kauterisation und Druckverband bekämpft werden. b) Totale Exzision. Der Zweck der Operation ist, entweder noch eine flache Hornhautnarbe zu erzeugen, so lange der übrige Augapfel nicht vergrößert ist, oder bei Vergrößerung des Augapfels (Skleralstaphylom, Hydrophthalmus) einen Stumpf zu schaffen, auf den ein künstliches Auge gesetzt werden kann. Die Operation wird nach Critchett in folgender Weise ausgeführt: Durch die Staphylombasis werden von oben nach unten 2—3, mit starken Seidenfäden ver- sehene Nadeln ein- aber nicht durchgeführt, so daß die Nadeln an der Staphylom- basis liegen bleiben. Im horizontalen Meridian wird ein Staimesser, die Schneide nach oben, dicht vor den Nadeln durchgestochen und die obere Hälfte der Staphylombasis 2 mm vor dem Einstichspunkt der Nadeln durchtrennt. In gleicher Weise wird mit der Schere die Staphylombasis nach unten durchschnitten und entfernt. Wenn die Linse noch intakt ist, wird sie durch Eröffnung der Kapsel mit einem spitzen Häkchen entleert; in jedem Falle die Nadel rasch durchgezogen, die Fäden geknüpft. Feine Zwischenhefte bringen exakten Wundverschluß zu- stande. Druck verband. Nach 5 bis 7 Tagen werden die Hefte entfernt. Ist der vordere Bulbus schon ektasiert, so kann derselbe in gleicher Weise abgetragen werden, indem die Nadeln hinter dem Ziliarkörper durch die Sklera geführt werden. Da danach aber oft mächtige Chorioidalhämorrhagien eintreten, welche die Nähte zum Durchschneiden bringen, ist in solchen Fällen Enukleation vorzuziehen. Ist die weitere Aufhellung einer Narbe ausgeschlossen, was bei dichteren Narben älterer Individuen schon etwa 4 Wochen, bei Kindern aber erst 3—4 Monate nach Heilung des Geschwüres der Fall ist, und behindert sie das Sehen, so soll sie zuerst tätowiert werden, und nachher, wenn sie zentral sitzt, also die Pupille verdeckt, Irid- ektomie zur Bildung eines neuen Einganges für die Lichtstrahlen ausgeführt werden (S. optische Iridektomie, Abschnitt „Glaukom4). Die Prognose der Iridektomie ist, normale Verhältnisse des übrigen Auges und „guten Lichtschein", vorausgesetzt von der Breite des durchsichtigen Randteiles der Hornhaut abhängig. Tätowierung der Hornhaut. Lokalanästhesie mit Kokain-Adrenalin- Feinste chinesische Tusche, die ev. trocken sterilisiert wrurde, wird in steriler Reibschale mit einigen Tropfen sterilen Wassers dick angerieben. An der zu färbenden Stelle wird das Epithel mit einem scharfen Löffel abgekratzt, mit einer Spatel die angeriebene Tusche aufgetragen, und die bloßgelegte Narbe mit einer Bündelnadel krättig gestichelt. Verband für 1 bis 2 Tage. Besondere Vorsicht erheischt die Tätowierung einer dünnen Narbe, in die die Iris eingeheilt ist; die Einheilungsstelle ist tunlichst unberührt zu lassen. Bei totalen Hornhautnarben kann die totale Keratoplastik (Transplantation der Kornea) versucht werden, wenn voraussichtlich eine normale Vorderkammer vorhanden, und Lichtempfindung und Erkrankungen der Hornhaut. 361 Projektion normal sind. Aussichtsreich ist ausschließlich Transplan- tation lebender menschlicher Kornea. Keratoplastik. Voraussetzung ist, daß ein brauchbares Transplantations- material zur Verfügung steht, d. i. die Kornea eines sonst gesunden jugendlichen Auges, am besten eines Auges, das wegen frischer Verletzung entfernt oder exenteriert werden muß. Aus dem Randteile dieser Kornea wird mit einem Horn- hauttrepan ein etwa 4 mm im Durchmesser habendes Scheibchen der ganzen Korneadicke herausgeschnitten und mittelst eines in warmer physiologischer Koch- salzlösung getränkten sterilen Gazebauschchens in die mit demselben Trepan im Zentrum der Hornhautnarbe angelegte durchgreifende Lücke eingelegt, ohne das transplantierte Läppchen mit Instrumenten zu berühren. Verband über beide Augen. Das Läppchen heilt in der Regel ein, wird aber in der Regel bald darauf von Blutgefäßen durchwachsen und in undurchsichtiges Narbengewebe umge- wandelt. Besteht eine Hornhautfistel, so ist dieselbe durch Kauteri- sation, eventuell mit Überpflanzung eines Bindehautlappens, oder durch Exzision der Iris im Fistelbereiche, ev. Keratoplastik, zur Ver- narbung zu bringen. Häufig entsteht danach Drucksteigerung. Die Hornhautfistel ist entweder eine dauernde oder tem- poräre. In ersterem Pralle ist der Augapfel dauernd weich, die Hornhautnarbe flach und aus der Fistel sickert Kammerwasser ab. Häufig wird die Fistel oberflächlich durch Proliferation des Hornhaut- epithels geschlossen; dann sieht man in der Narbe die Fistel als schwarzes Fleckchen, über dem das Epithel als wasserklares Bläschen sich abhebt; der intraokulare Druck steigt an, bringt das Epithel zur Dehiszenz, die Fistel öffnet sich, das Auge wird weich, und nach Wiederherstellung des Epithels beginnt derselbe Zirkel aufs neue. 2. Keratitis ekzematosa. (Synonyma: Keratitis lymphatica, scrophulosa, phlyctaenulosa.) Sie ist die häufigste Form von Keratitis, und zwar vorwiegend im Kindesalter. In den meisten Fällen tritt sie im Anschlüsse an Lidekzem, Blepharitis, sowie Ekzem des Naseneinganges, dann als Teilerscheinung von Conjunctivitis ekzematosa, und zwar gewöhnlich an beiden Augen auf. Selten kommt sie ganz isoliert vor. Skrofu- löse, überhaupt schlecht genährte Individuen mit mangelhafter Rein- lichkeit werden am häufigsten davon befallen. Rezidiven gehören, besonders bei schlecht gehaltenen Kindern, geradezu zur Regel. Keratitis ekzematosa kommt in folgenden Formen vor: a) Kleine, oberflächliche, bläschenförmige Abhebungen des Epi- thels mit zarter Trübung der Umgebung (Keratitis ekzem. super- ficialis). Die Veränderung findet sich gewöhnlich im Anschlüsse und angrenzend an ekzematöse Veränderungen der Bulbusbindehaut. Die Bläschen platzen und hinterlassen oberflächliche Substanzverluste, die in wenigen Tagen spurlos verheilen. Sind nach reichlicher Bläschenbildung der Kornea die Bläschen geplatzt, so ist die Hornhautoberfläche von kleinsten graulichen- punktförmigen Substanz- verlu&ten bedeckt. Das Bild erinnert an eine im allgemeinen seltene, meist epidemisch auftretende Keratitis, bei der über die ganze Hornhaut verstreut, dicht unter dem Epithel kleinste grauliche, fein punktierte Infiltrate entstehen, über denen das Epithel unregelmäßig vorgedrängt ist. (Keratitis superficialis oder subepithelialis punctata, Fuchs). Diese Keratitis tritt am häufigsten Lehrbuch der Augenheilkunde. ^o 362 E1 s c li n i g, im Anschluß an akuten Bindehautkatarrh auf, und zwar unter verschieden starker Reizerscheinung, an einem oder beiden Augen. Nach 8 —14 Tagen schwinden die Reizerscheinungen, aber erst nach Wochen verschwinden die rückbleibenden Horn- hauttrübungen vollständig. Therapie wie bei Keratitis ekzematosa superficialis. b) Oberflächliche, fast immer in Vielzahl auftretende, grauliche, runde Infiltrate, oft kaum stecknadelkopfgroß, zu oberflächlichen Geschwürchen führend (Keratitisphlyctaenulosa). Anatomisch sind es Zellanhäufungen unter der Membrana Bowmani, welche die- selbe allmählich usurieren und durchbrechen, über denen das Epithel abgeschilfert wird. Sie rufen, wie überhaupt die Keratitis ekzematosa, besonders bei Kindern oft hochgradigste Lichtscheu und Lidkrampf hervor und benötigen mehrere Wochen zum Ausheilen. Die rand- ständigen gleichartigen Infiltrate treten meist im Anschlüsse an Randphlyktänen der Bindehaut auf, gruppieren sich um den Horn- hautrand und führen so zur Bildung oberflächlicher, sichelförmiger Geschwüre. c) Tief ergreifende Infiltrate mit rasch nachfolgender Geschwürsbildung, 2 bis 3 mm im Durchmesser haltend, insbesondere am Rande der Hornhaut sitzend, dann oft in wenigen Stunden zur Perforation derselben, zu Irisprolaps führend (Keratitis ekzema- tosa ulcerosa, auch Keratitis pustulosa genannt). Sie treten häufig in Mehrzahl auf und können besonders- bei schlecht genährten Kindern zusammenfließend zu größeren, dichten, graugelben Infil- trationen, resp. Geschwürsbildung führen, so daß ein dem Ulcus serpens ähnliches Bild hervorgerufen wird. Die frühzeitig auftretende Gefäßneubildung vom Rande her, eventuell die bakteriologische Unter- suchung unterscheidet diese Form vom Ulcus serpens. Ekzematöse Geschwüre beherbergen meist nur Staphylokokken und Xerosebazillen als harmlose Schmarotzer. In seltenen Fällen können ekzematöse Geschwüre, wie schon erwähnt, mit Pneumokokken oder Streptokokken infiziert, also in echtes Ulcus serpens umgewandelt werden. d) Gefäßbändchen-Keratitis (Keratitis fascicularis, Wand er phlyktäne). Am Rande der Hornhaut, noch zum Teile im Randschlingennetz bildet sich ein knötchenförmiges Infiltrat, das an der der Bindehaut angrenzenden Hälfte geschwürig zerfällt und unter Blutgefäßneubildung abheilt, während die zentrale Hälfte gegen die Hornhautmitte sich vorschiebt. So entsteht ein etwa 1—2 mm breites, narbiges Band mit Blutgefäßen in der Kornea (Schweif des Gefäßbändchens), an dessen Spitze ein halb- mondförmiger Knoten sitzt (Fig. 292). Un- behandelt kann sich das Bändchen, mitunter in Schlangenlinie, in wochenlangem Verlauf über die Hornhaut hinziehen. Die narbige Trübung hellt sich nie mehr vollständig auf. e) In seltenen Fällen kommen gewöbn- Fig.292. Wanderphlyktäne. üch in Zwei-, oder Mehrzahl große, grauweiße, oberflächliche, knotenförmige, über die Horn- hautoberfläche hervorragende Infiltrate vor, die geringe Tendenz zu geschwürigem Zerfall zeigen und unter reichlicher Blutgefäßneubildung vom-Rande her in wochenlangem Verlauf zu dichten Narbenbildungen führen. Erkrankungen der Hornhaut. 363 f) Pannus ekzematosus. Unter Pannus verstehen wir eine reichlichst von Blutgefäßen durchzogene, bindegewebige Auflagerung auf der Hornhautoberfläche, teils unter dem Epithel, teils unter oder an Stelle der Bowmanschen Membran. Bei Rezidiven von Keratitis ekzematosa einer der vorher genannten Formen wachsen reichliche Blut- gefäße und mit ihnen Bindegewebe in den oberflächlichsten Hornhaut- schichten oder subepithelial gegen die Mitte zu vor, so daß aus- gedehnte pannöse Auflagerungen auf der Kornea entstehen. Vom Pannus trachomatosus unterscheidet sich diese Form durch ihre ungleichmäßige und häufig sektorenförmige Ausbreitung. Differentialdiagnose. Die Multiplizität der Effloreszenzen, das frühzeitige Eintreten von Blutgefäßneubildung, das Fehlen eiteriger Infiltration der Geschwürsränder, die Anwesenheit von Narben- bildungen nach vorangegangenen analogen Prozessen, dann bestehende ekzematöse Veränderungen an der Gesichtshaut (Naseneingang) unter- scheiden die verschiedenen Formen von Keratitis ekzematosa von allen übrigen Hornhauterkrankungen. Ätiologie. Die Identität aller dieser, anscheinend so verschieden- artigen Prozesse, sowie ihre Zugehörigkeit zum Ekzem der allgemeinen Hautdecke ergibt sich leicht, wenn wir die Definition des letzteren beachten. So ist nach Jarisch das Ekzem eine juckende, meist in punktförmigen Effloreszenzen auftretende, oberflächliche Hautent- zündung, deren verschiedene Entwickelungsstadien und Formen als Knötchen, Bläschen, sowie nässende, mit Krusten bedeckte oder schuppende Herde erscheinen. Die einzelnen Effloreszenzen ver- größern sich ausschließlich durch Einschieben neuer Knötchen zwischen die schon bestehenden, so daß endlich ausgebreitete Hautpartien die Epidermis abstoßen und nässen. Wie für das Ekzem der Haut ist auch für die Keratitis ekze- matosa eine eigentliche Ätiologie nicht bekannt. Es wurden wieder- holt Staphylokokken nachgewiesen, ohne daß aber ihre primäre ätio- logische Bedeutung sichergestellt ist. Dieselben sind wohl harmlose Schmarotzer, wenngleich es möglich ist, daß ihr Hinzutreten den weiteren Verlauf beeinflußt. Tatsache ist, daß Keratitis ekzematosa, wie schon oben erwähnt, hauptsächlich bei schlecht gehaltenen und schlecht genährten Individuen, sehr oft bei skrofulöser Diathese vorkommt. Bezüglich Prognose gilt, soweit sie nicht bei den einzelnen Formen gestreift ist, das bei den Hornhautgeschwüren Gesagte. Wiederholt ist zu bemerken, daß bei Kindern Rezidiven zur Regel gehören, um so mehr, je weniger man die allgemeine Lebensführung ändern kann. Die Therapie ist ebenfalls beim Ulcus corneae abgehandelt; nur einzelne spezielle Maßnahmen sind hier zu betonen. Bei jeder ekzematösen Keratitis ist neben der lokalen Augenbehandlung eine Behandlung des eventuell vorhandenen Ekzems der Lider, der Gesichts- und Kopfhaut, des Naseneinganges etc. uner- läßlich. Gründliches Einpinseln der Ekzemeffloreszenzen (nach Ab- schneiden der Haare an haartragenden Hautpartien) mit 2°/o Lapis- lösung und Lassarpaste sind souveräne Mittel; insbesondere Ekzeme der Lidränder und der Lidwinkel (Rhagaden), welche hochgradige Reizzustände unterhalten, sind in gleicher Weise, bei tiefergreifenden 23* 364 Elschnig, Geschwüren energischer (cf. S. 19 und S. 297 oben) zu behandeln. Jeg- liche Anwendung von Wasser ist bei Ekzem des Gesichtes zu vermeiden. Bei den hochgradigen nässenden Ekzemen der Kinder sind vorerst Um- schläge mit verdünnter essigsaurer Tonerde oder Sublimatlösung 1:5000 anzuwenden, dann in der vorher geschilderten Weise fortzufahren. Auf das Vorhandensein von Kopfläusen, die zweifellos das Auftreten von Keratitis ekzematosa befördern können, ist besonders zu achten. Der Allgemeinbehandlung ist größte Aufmerksamkeit zu schenken. Gute Ernährung (insbesondere Milch, Obst und Gemüse), Sonne und Luft, bei pastösem Habitus Jodeisensirup 1—3 mal täglich Va —1 Kaffeelöffel, oder andere Jod- oder Jodeisenpräparate, abwech- selnd mit Lebertran, letzterer bei abgemagerten Individuen, oder bei ausgesprochener Tuberkulose (Knochen-Karies) eventuell in Ver- bindung mit Kreosot; Steinsalz- oder Jodsalzbäder. Bei chronischem Schnupfen Nasenbehandlung. Insbesondere ist auch auf das Vorkommen adenoider Vegetation im Nasenrachenräume zu achten, deren operative Entfernung nicht nur reflektorische Reizungen der Augen ausschaltet, sondern auch besonders durch das Wiederherstellen freier Nasenatmung das Allgemeinbefinden günstig beeinflußt. Die lokale Behandlung besteht bei allen Infiltraten, welche zu geschwürigem Zerfall neigen, in Verband (cf. S. 10 Abb. 2), sowie den oben bei Ulcus corneae angegebenen Maßnahmen. Bei oberflächlichen Prozessen, insbesondere bei Pannus mehrmals täglich Eisbeutel durch 20 — 25 Minuten. Mitunter wirken auch warme Kompressen (nach vorherigem Einsalben der Lidhaut mit Zinksalbe) günstig. Bei starken Reizerscheinungen 10°/o Orthoformsalbe, eventuell Kokain 2°/o oder Kokain-Adrenalin. Ist Keratitis ekzematosa mit starker diffuser Konjunktivitis verknüpft, wie es so häufig der Fall ist, so ist die ganze Bindehaut, eventuell auch die Hornhautoberfläche ein- mal täglich ganz kurz mit 1 °/o iger Lapislösung zu überrieseln („tuschieren"); bestehen Geschwüre, so kann sofort danach Druck- verband angelegt werden. Bei allen torpiden Infiltraten, insbesondere den Knotenformen, so- wie beim Gefäßbändchen versuche man, wenn geringe Reizerscheinungen bestehen, die Anwendung von 1—3°/oiger weißer oder gelber Salbe (S. 17 und 19, Einstreichen in den Bindehautsack mit dem Glasstabe) oder Ein- stäuben von Kalomel (cf. S. 17 ff.). Bei allen oberflächlichen und allen rückgehenden ekzematösen Entzündungen ist dies die souveräne Be- handlung. Zeigt ein Herd in der Kornea geringe Heilungstendenz oder breitet er sich trotz Behandlung aus — so insbesondere beim Gefäßbändchen — so ist derselbe vorsichtig zu kauterisieren. Schwere Fälle dieser Art mögen der Klinik überwiesen werden. Die bei Kindern oft vorkommende hochgradige Lichtscheu und Lidkrampf, die mitunter das Abheilen der ursächlichen ekzematösen Keratitis lange überdauern (Blepharospasmus scrophulosus), können häufig durch Behandlung bestehender Rhagaden oder ekzematöser Veränderungen der Lidhaut oder des Naseneinganges rasch beseitigt werden; auch eventuelle Nasenbehandlung trägt oft dazu bei. In schweren Fällen versucht man wiederholte Ein- träuflung von Kokain-Adrenalin, Eisbeutel, rasches Eintauchen des ganzen Gesichtes in kaltes Wasser; ab und zu führt Gewöhnung des Erkrankungen der Hornhaut. 365 Auges an Licht durch wiederholtes Einlegen des Sperrelevateurs zum Ziele, in manchen Fällen ist aber zur Beseitigung des Lidkrampfes Blepharotomie nötig. (Näheres siehe Conjunctivitis ekzematosa). 3. Keratitis pannosa (Pannus). Pathologische Anatomie. Die tiefen Hornhautschichten sind vollständig normal. Dicht unter der Bowmanschen Membran zwischen den oberflächlichsten Fig. 293. Frischer oberflächlicher Pannus trachomatosus. Unter dem Epithel schiebt sich eine vaskularisierte Infiltrationsschicht vor. Bei a ist die Membr. Bowm. perforiert; e = Epithel. Hornhautlamellen, sowie zwischen ihr und dem Epithel (Fig. 293) finden sich neuge- bildete Blutgefäf3e begleitet von jungem Bindegewebe, das vielfach von großen Rund- zellenhaufen eingeschlossen ist. An vielen Stellen ist die Membrana Bowmani durchbrochen und stehen die beiden neugebildeten Gefäß- und Gewebslagen mit- einander in Veibindung. Je stärker die unter der Membrana Bowmani gelegenen Veränderungen entwickelt sind, um so ausgedehnter fehlt sie. In sehr schweren Fig. 294. Pannus crassus. Fällen ist das oberste Hornhautdrittel vollständig durch neugebildetes kern- und gefäßreiches Bindegewebe ersetzt, das an der Oberfläche reichliche papillenartige Erhebungen zeigt, die durch das immer etwas unregelmäßig verdickte Hornhaut- epithel glatt bedeckt werden (Fig. 294). In solchen Fällen findet man auch (bei Trachom) unter dem Epithel Einlagerungen von abgegrenzten Zellhaufen, die vollkommen den Trachomkörnern der Bindehaut gleichen. Mitunter findet man Geschwürs- 366 Elschnig, bildung an reichlich infiltrierten Stellen des Pannus. Bestehen frische Entzün- dungserscheinungen, so nennt man den Prozeß Keratitis pannosa; fehlen solche, so nennt man den Prozeß Pannus. Klinisches Bild und Entstehung. In den Randpartien der Hornhaut bilden sich kleine, höchstens stecknadelkopfgroße, ober- flächliche Infiltrate in reichlicher Zahl, an deren Oberfläche das Epithel sich abschilfert, die oft auch kleine oberflächliche Geschwür- chen bilden. Frühzeitig schon dringen zwischen sie vom oberfläch- lichen Randschlingennetz ausgehend zahlreiche Gefäßsprossen vor. An Stelle der abheilenden Infiltrate bleibt eine mehr weniger dichte Auflagerung eines graulichen, reichlichst von Blutgefäßen durchzogenen Gewebes zurück. Zarte pannöse Auflagerungen werden als P. tenuis, dichte, sulzige als P. crassus bezeichnet. Am Rande des Pannus, in der bishin durchsichtigen Horn- haut, bilden sich dann neuer- lich Infiltrate mit neuerlicher Gefäßneubildung, so daß der Pannus sich schubweise über die Hornhaut vorschiebt. Mit- unter stellen sich auch am Rande eines dicken Pannus Geschwürs- '^^ bildungen ein, so daß der Rand '?''/:".'!,'ju'••■■'-"''"'" des Pannus von der durchsich- Fig. 295. Pannus der ganzen Kornea. ^n Hornhaut durch ein gra- benförmiges Geschwür getrennt ist. Schließlich ist in schweren Fällen die ganze Hornhautoberfläche von einem mehr weniger gleichmäßigen Blutgefäßnetz bedeckt (Fig. 295) und anatomisch (Fig. 294). Bei der Rückbildung des Pannus nimmt die Gewebsauflagerung an Dichte ab, die Blutgefäße obliterieren zum großen Teile, bleiben aber immer als ein wenn auch sehr zartes Netz in der Hornhaut nachweisbar. Je dünner die Pannusbildung war, um so bessere Auf- hellung der Hornhaut kann erfolgen. Auch wenn die ganze Hornhaut vom Pannus bedeckt ist, kann in der pannösen Partie frische Infil- tration mit neuerlicher Gefäßneubildung auftreten, sowie besonders bei sehr dicker Pannusauflagerung oberflächliche oder sogar tief- greifende Geschwürsbildung eintreten kann; niemals aber erfolgt Durchbruch der Hornhaut. Differentialdiagnose. Keratitis parenchymatosa setzt tiefliegende Infiltrate ohne oberflächlichen geschwürigen Zerfall, und weist neben den oberflächlichen immer auch tiefliegende Gefäße auf. Gefäß- bändchenkeratitis ist durch bandförmige Anordnung der Gefäße unter- schieden. Blutgefäßneubildung zur Reparation von Geschwüren (viel- fach auch Pannus reparativus genannt) ist gleichfalls durch die strenge Lokalisation der Gefäßneubildung auf den Bezirk zwischen der Geschwürs- resp. Narbenbildung und dem nächstgelegenen Horn- hautrande erkennbar. Frische Pannuseruptionen sind oberflächlicher Keratitis ekzematosa ohne nachfolgende Gefäßbildung ähnlich; die strenge Begrenzung der Infiltrate auf ein Segment, die Kleinheit der- selben, die rasch erfolgende Gefäßneubildung unterscheiden sie von der letzteren. 87 Erkrankungen der Hornhaut. 367 Der Ursache nach haben wir drei Hauptformen zu unter- scheiden : a) Pannus ekzematosus (s. Keratitis ekzematosa). b) Pannus trachomatosus. Er ist dadurch ausgezeichnet, daß er fast immer im oberen Hornhautsegmente, seltener im unteren beginnt und meist mit einer horizontalen Grenze in die Kornea sich vorschiebt (cf. Abb. 262, S. 312). Keratitis pannosa kann in jedem Stadium des Trachoms auftreten, am häufigsten ist sie bei den schweren Formen mit hochgradiger Verdickung der Lider, Stellungsanomalien des Lidrandes usw. Die Ursache der Pannusbildung liegt zum großen Teile in einem direkten tibergreifen des trachomatösen Prozesses von der Bindehaut auf die Hornhautoberfläche, zum Teile aber auch wohl in der Ein- wirkung der im Bindehautsekrete enthaltenen Schädlichkeiten (Toxine des Trachomerregers V), sowie in Ernährungsstörungen zufolge be- gleitender Veränderungen der Bulbusbindehaut. Trachom ist die häufigste Ursache von Pannus, es ist des- halb in jedem Pannusfalle die Bindehaut genau zu unter- suchen! Folgeerscheinungen. Außer den Sehstörungen ist vorwiegend die in Fällen von altem Pannus auftretende Ektasie der Hornhaut (Keratektasia ex panno) zu erwähnen. Sie ist immer unregel- mäßig, wahrscheinlich durch Resistenzabnahme des Hornhautgewebes bedingt. Als Folge der Keratektasie stellt sich oft Sekundärglau- kom ein. Bei akuten Nachschüben findet sich in seltenen Fällen Hypo- pyon, häufig Iritis. Bei schwerem alten Trachom, wo Eintrocknung der ganzen Bindehaut vorliegt, kann auch die Hornhaut eine xero- tische Beschaffenheit annehmen — Keratosis corneae (s. degenerative Erkrankungen, S. 387). Prognose des Pannus. Die Prognose des Pannus richtet sich zum Teile nach dem Grundleiden, zum Teile nach der Beschaffenheit der Hornhaut selbst. Je dichter die Auflagerungen sind, je länger dieselben bestehen, um so weniger ist eine Aufhellung der Hornhaut zu erwarten. Therapie des Pannus trachomatosus ist in allererster Linie die des Grundleidens; insbesondere gründliche Entfernung der Körner, solange solche vorhanden sind und Massage der Bindehaut bei be- trächtlicher Verdickung derselben bewirken ein rapides Rückgehen der Veränderungen der Hornhaut. Bei frischen Eruptionen ist außer dieser Behandlung die Anwendung von Eisbeutel mehrmals täglich durch 15—30 Minuten, sowie das Einstreichen von Borvaselin 4n/o, Xeroformsalbe 2°/o oder Orthoformsalbe 10°/o vorzunehmen; nur bei heftigen Schmerzen, die durch Kälte nicht bekämpft werden können, soll Kokain eingeträufelt werden.' Bei tieferer Geschwürsbildung kann ohne weiteres, wenn die Bindehaut nicht zu stark sezerniert, für kurze Zeit Druckverband angewendet werden. Ist die Bindehauterkrankung abgeheilt oder weiterer Behandlung nicht zugänglich, so hat man noch zu versuchen, die Hornhaut aufzu- hellen. Dazu dienen Reizmittel, die auf die Hornhautoberfläche oder in den Bindehautsack gebracht werden, und zwar Einträufeln von Tinct. opii crocata, Massage der Kornea mit gelber Präzipitatsälbe 2°;o, mit 368 Elschnig, Kupfersalbe (s. Trachom), Bestäuben mit Dioninpulver u. dgl. Auch vorsichtige Anwendung von Jequiritol (Roemer) kann versucht werden. Die früher gebräuchliche Einimpfung von Gonorrhoe in den Bindehautsack ist absolut zu verwerfen. Bei Keratektasie soll Iri- dektomie gemacht, bei Iritis Atropin eingeträufelt werden. c) Pannus degenerativus (s. degenerative Erkrankungen der Horn- haut S. 385). Als Pannus reparativus hat man früher Neubildung von Blutgefäßen in zusammenhängender Schicht an der Hornhautoberfläche nach Geschwürsbildun- gen, Verätzung, Verbrennung etc. bezeichnet: die Blutgefäßneubildung dient hier lediglich dem Ersätze des zugrunde gegangenen Hornhautgewebes durch neuge- bildetes Bindegewebe; der Prozeß soll also nicht als Pannus benannt werden, 4. Seltene Geschwürsformen. a) Neurotische (beschwüre, wahrscheinlich durch Erkrankung trophischer Nerven der Hornhaut erzeugt, daher gewöhnlich mit voll- ständiger oder partieller Anästhesie der Hornhautoberfläche ver- bunden. «) Herpes corneae. Stecknadelkopfgroße, wasserklare Bläschen an der Hornhautoberfläche, dichtgedrängt oder unregelmäßig oft in verzweigten Linien gruppiert. Nach ihrem Platzen entstehen ober- flächliche sehr torpide Geschwürchen mit zart grauer Basis, die durch Bildung neuer Effloreszenzen an ihrem Rande sich ausbreiten. Oft besteht vor dem Eintreten der Eruption Ziliarneuralgie, oft folgt sie erst der Heilung derselben nach. Auch sehr belästigende Parästhesien können wochenlang andauern. Herpes corneae ist gewöhnlich mit Herpes facialis, besonders im Bereiche der Lider (Herpes zoster ophthalmicus) vergesellschaftet. Infolge der fast regelmäßig erfolgenden Nachschübe zieht sich der Prozess oft wochenlang hinaus. Obwohl die Veränderung sich im all- gemeinen oberflächlich abspielt, und nur selten, hauptsächlich bei Sekundärinfektion, tiefergreifende Geschwüre sich ausbilden, bleiben gewöhnlich ziemlich dichte Trübungen zurück, welche das Sehvermögen dauernd herabsetzen. Als häufige Komplikation ist Iritis zu nennen. Das schubweise Auftreten, die Gruppierung der Effloreszenzen, die Sensibilitätsstörung der Kornea, die Ziliarneuralgie ev. das Be- stehen von Herpes zoster (febrilis) der Gesichtshaut, gewöhnlich auch das Fehlen von Blutgefäßneubildung in der Kornea unterscheidet den Herpes von Keratitis ekzematosa. Die rezidivierende Hornhauterosion (s. Verletzungen der Hornhaut), welche mitunter ähnliche Erscheinungen aufweist, unterscheidet sich von Herpes hauptsächlich durch die ge- ringe Tiefe des Substanzverlustes und das Fehlen von Sensibilitäts- störungen. Nahe verwandt dem Herpes ist. ß) die Keratitis dendritica, die von manchen Au- \ toren mit ersterem geradezu identifiziert wird. Kleinste \ oberflächliche Infiltrate gruppieren sich zu baumförmig / verästelten Figuren, die, wie der Herpes, durch Apposi- / tion neuer Effloreszenzen fortschreitend, zu unregelmäßig figurierten oberflächlichen Geschwüren führen (s. Fig. 296), Fig. 296. welche dichte Trübungen hinterlassen. Erkrankungen der Hornhaut. 369 Keratitis dendritica tritt, wie der Herpes corneae, oft im An- schlüsse an febrile Allgemeinerkrankungen, im beson- deren auch an fieberhafte Katarrhe der oberen Luftwege, bei denen auch Herpes labialis häufig vorkommt, auf. In solchen Fällen ent- sprechende Allgemeintherapie, besonders Salizylpräparate (Aspirin), Schwitzkur. Lokal: Orthoformsalbe, Verband; bei ungenügender Epithelregeneration ist Kokain jedenfalls zu meiden, dafür 2 — 5 °/o ige Dioninlösung oder -Salbe zur Schmerzstillung anzuwenden. Bei Iris- reizung Atropin. Wenn trotzdem kein Stillstand eintritt, sind die Effloreszenzen mit dem Glühdrahte zu kauterisieren. y) Bei Lähmung des ersten Astes des Trigeminus (Anästhesie der Kornea) tritt manchmal, wohl gleichfalls als Folge von Erkrankung trophischer Nervenzweige, eine eigenartige Degeneration des Horn- hautepithels und der angrenzenden Lamellen auf, die zu oberfläch- licher Ulzeration führt: Keratitis neuroparalytica. Der Schutz vor äußeren Schädlichkeiten ist hier, im Gegensatze zur Keratitis e lag- ophthalmo, oft nicht imstande, die Erkrankung zu verhüten oder zu beseitigen. Jedenfalls ist das Auge dauernd geschlossen zu halten, im übrigen wie bei Ulcus corneae vorzugehen. b) Unbekannter Ursache ist eine randständige, unter meist heftigen Reizer- scheinungen in oft wochenlang auseinanderliegenden Nachschüben auftretende Ulzeration der Kornea, die immer nur die oberflächlichen Hornhautpartien, aber, von allen Seiten heranrückend, schließlich die ganze Hornhaut ergreift, und durch die den Ulzerationen folgende Vernarbung das Sehvermögen vernichtet (Ulcus rodens). Kommt meist bei alten Leuten vor. Die Therapie ist oft machtlos. Kauterisation mit dem Glühdrahte scheint noch am wertvollsten zu sein. II. Keratitis suppurativa (septica). Den einfachen ulzerösen Formen von Keratitis steht die durch Infektion mit Eiterung erregenden Mikroorganismen erzeugte Kera- titis suppurativa (septica) gegenüber, bei welchen ausgedehnte, in der Fläche und in die Tiefe fortschreitende eiterige Infiltration und Einschmelzung der Kornea erfolgt; das frühzeitige Auftreten eines Hypopyons war der Anlaß, diese Formen auch als Hypopyonkera- titis zu bezeichnen. Die häufigste und gefährlichste Art dieser Keratitis ist das 1. Ulcus serpens corneae. Pathologische Anatomie. Durch Infektion mit Pneumokokken, sellener Diplobazillen, Streptokokken, oder anderen pathogenen Mikroorganismen entsteht an der Hornhautoberfläche ein Rundzellenfiltrat, indem durch die chemo- taktische Wirkung der Mikroorganismen aus den Gefäßen des Hornhautrandes (Rand- schlingennetz) Leukozyten in die Hornhaut ein- und zum Bakterienherd hinwan- dern; sobald das Epithel darüber zerstört ist, können auch freie Leukozyten aus dem Bindehautsacke in die Hornhaut eindringen. Durch Einschmelzung des Leukozytenherdes entsteht ein Substanzverlust, der aber an seiner Basis, sowie besonders immer an einem Randteile von eiterig infiltriertem Gewebe begrenzt ist. Während an einer Seite desselben der Rand und Grund sich reinigen, und sogar mit neugebildetem Epithel überkleiden können, dringen an der gegenüberliegenden Seite die Mikroorganismen unter dem Rande in die mittleren Hornhautschichten vor (Fig. 297a); es folgt daselbst wieder Leukozyteninfiltration des Gewebes, so daß der betreffende Randteil wie t a schenf örmig unterminiert wird, während die oberflächlichen Partien aufquellen und gleichfalls einschmelzen, die letzten Lamellen einer hyalinähnlichen Nekrose anheimfallen. (Fig. 297 b). 370 Elschnij Durch Fernwirkung auf die Gefäße der Iris und des Ziliar- körpers dringen von da Leukozyten in die Vorderkammer ein, schlagen sich zuerst an der Hinterfläche des Eiterherdes der Kornea nieder und senken sich als Hypopyon auf den Boden der Vorderkammer. In manchen Fällen führen sie auch zu Usur, Aufblätterung und Zerstörung der Descem et sehen Membran („Frühperforation") im oft schon in ganzer Dicke hyalinähnlich nekrotisierten Fig. 297 a. Pneumokokken in der menschlichen Kornea. Progressiver Rand eines Ulcus serpens. (Aus Axenfeld, Bakteriologie des Auges.) feftsV Fig 297 b. Ulcus corneae serpens. Der Geschwürsgrund ist gereinigt, an einer Seite regeneriert sich das Epithel. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, P Parenchym, MD Membrana Descemeti, E deren Endothel; R progressiver Randteil, r. E regeneriertes Epithel, Nc nekro- tischer Grund des Substanzverlustes. Grunde des oberflächlichen Substanzverlustes und wandern in die innersten Hornhautschichten ein, den Durchbruch vorbereitend („tiefer Abszeß") (Fig. 297 c). Durch allmählige Ausbreitung der eiterigen Infiltration erreicht der Sub- stanzverlust den Hornhautrand, an ihm Halt machend, und führt schließlich, Erkrankungen der Hornhaut. 371 wenn nicht rechtzeitig eingeschritten wird, aber immer erst, nachdem fast die ganze Hornhaut in der Fläche ergriffen ist, zum Durchbruche derselben. So lange es nicht dazu gekommen, ist der Eiter in der Vorderkammer fast immer frei von Mikroorganismen. MB. -.,-\j>P-- ^■v$r E- Fig. 297c. Ulcus corneae serpens mit Frühperforation der Membrana Descemeti. Der Geschwürsgrund ist noch eiterig infiltriert. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, P Parenchym, MD Membrana Descemeti, E deren Endothel, 7.' progressiver Randteil, iVe nekrotisches Hornhautgewebe. Fig. 298. Klinisches und anatomisches Bild des Ulcus serpens. Cj Konjunktiva, Ski Sklera, CK Ciliarkörper, CF Ciliarfort- sätze. Z Zoula, L Linse, 67 Geschwür, 7? progressiver Rand, Hij Hypopyom. In den seltenen, nicht durch Pneumokokken, sondern durch andere hoch- virulente Mikroorganismen erzeugten Fällen von Ulcus serpens geht der Prozeß häufig mehr in die Tiefe, so daß es zum Durchbruch der Kornea kommt, ehe noch ausgedehnte Partien derselben eiterig infiltriert sind. 372 Elschnig, Klinisches Bild des Ulcus serpens. Es entsteht zuerst ein ober- flächliches, graugelbes Infiltrat, fast immer in den mittleren Horn- hautpartien, mit starker Stichelung der Oberfläche; dasselbe zerfällt in den ersten Tagen, so daß vorerst ein kleines Geschwürchen ent- steht, das aber schon durch die starken allgemeinen Ent- zündungserscheinungen, durch das frühzeitige Auftreten von Eiter in der Vorderkammer seine bösartige Natur verrät. In wenigen Tagen entwickelt sich daraus das typische Bild: ein scheibenförmiges Geschwür mit gelblich oder grauweiß infil- trierter Basis, dessen Rand, meist nur in einer Hälfte, leicht wallartig aufgeworfen und, wie taschenförmig unterminiert, von einer sichelförmigen Zone intensiv eitergelber Infiltration eingenommen ist. Dies ist der progressive Randteil; während durch fortschreitende eiterige Einschmelzung des Gewebes und entsprechendes Hinausrücken der sichelförmigen eiterigen Infiltration sich in dieser Richtung der Substanzverlust vergrößert (daher der Name Ulcus serpens), glättet und reinigt sich der gegenüberliegende Randteil, wird auch mit Epi- thel bedeckt, jedoch ohne Gefäßneubildung vom Rande her. Hypo- pyon ist Regel. (S. Fig. 298.) Bei weiterer Ausbreitung füllt sich die vordere Kammer immer mehr mit zum Teil gerinnendem (auch hämorrhagischem) Exsudate, so daß die Ausdehnung der eiterigen Infiltration oft nur durch Flu- oreszeineinträufelung erkannt wird. Die ganze Kornea wird zart graulich und ihre Oberfläche intensiv gestichelt. Ursache des Ulcus serpens ist Infektion der Hornhaut mit Pneumokokken, seltener Streptokokken, oder anderen hochvirulenten Mikroorganismen, am häufigsten nach (Fremdkörper-)Verletzungen; besonders gefährlich sind Verletzungen mit Baumzweigen, Strohhalmen, Palmenblättern u. dgl. Gelegenheitsursache sind chronische Bindehauterkrankungen und insbesondere Tränensackblennorrhoe; auch eine unbedeutende, unbemerkte Epithelerosion durch ein an- fliegendes Sandkörnchen u. dgl. kann dann infolge der Anwesenheit der pathogenen Mikroorganismen im Bindehautsacke zu Ulcus serpens führen. Im allgemeinen scheint die kindliche Hornhaut widerstands- fähiger zu sein: Ulcus serpens kommt nur selten im Kindesalter vor. Differentialdiagnose. Der zentrale Sitz, die Einzahl der Eruption, das rapide Fortschreiten und die stürmischen Begleiterscheinungen unterscheiden das rezente Ulcus serpens von gutartigen Infiltraten resp. Geschwüren. Im entwickelten Stadium sichert die sichelförmige Rand- infiltration, sowie das Fehlen von Blutgefäßneubildung die Diagnose. Im ersten Beginne ist nur durch bakteriologische Unter- suchung die Unterscheidung möglich; die in Betracht kommenden Mikroorganismen sind schon am Ausstichpräparate zu erkennen. Für den nicht Geübten genügt das Abnehmen von Bindehautsekret, da sich darin gewöhnlich dieselben Mikroorganismen wie in der Kornea finden. Verlauf. In gutartigen Fällen (oder unter guter Behand- lung) steht die Infiltration still, der Substanzverlust reinigt sich durch Abstoßung des infiltrierten Gewebes, wobei alle oben (s. Ulcus corneae) beschriebenen Erscheinungen (Ektasie, Descemetokele, Durchbruch) auftreten können, und es erfolgt unter Blutgefäßneubildung vom Rande her die Vernarbung in 14 Tagen bis drei Wochen. Erkrankungen der Hornhaut. :]73 In bösartigen oder mangelhaft behandelten Fällen schreitet die eiterige Infiltration und nachfolgende Einschmelzung des Gewebes vorerst in der Fläche, weniger in die Tiefe fort, bis zum Hornhaut- rande, ohne denselben je zu überschreiten; erst wenn fast die ganze Kornea oberflächlich zerstört ist, pflegt Durchbruch zu erfolgen. Dann tritt meist rasche Vernarbung, mit allen bei Durchbruch der Kornea beschriebenen Modifikationen ein. Immerhin zieht sich der Prozeß insolchen Fällen auf vier bis sechs Wochen hin. Begleiterscheinungen und Komplikationen. Wie wiederholt erwähnt, sind heftige allgemeine Entzündungserscheinungen, sowie Hypopyon die Regel, ebenso Iritis. In seltenen Fällen entsteht durch Eindringen der Mikroorganismen in das Augeninnere eiterige Irido- zyklitis und Panophthalmitis. Die Prognose des Ulcus serpens, wenn es nicht sehr früh- zeitig behandelt wird, ist immer eine ungünstige. Auch kleine eiterige Infiltrate hinterlassen Narben, daher, wegen des zentralen Sitzes, starke Sehstörungen. Je weiter vorgeschritten das Ulcus serpens ist, um so schwerer ist es möglich, dasselbe zum Stillstand zu bringen; ist einmal mehr als ein Dritteil der Hornhautfläche zerstört, so kann das Sehvermögen als verloren betrachtet werden. In schweren Fällen ist die begleitende Iritis, sowie, bei alten Leuten, die häufig nachfolgende Druck Steigerung (sekundäres Glaukom) mit für die Prognose in Betracht zu ziehen. Wegen der Bösartigkeit des Prozesses soll der praktische Arzt, wenn er nicht mit dem Glühdraht um- zugehen versteht, jeden Fall von Ulcus serpens so früh- zeitig als möglich klinischer Behandlung zuführen. Therapie. Eine vorhandene Tränensackblenorrhoe ist zu be- handeln, am besten sofortige Exstirpation des Tränensackes vorzu- nehmen. Zur Verhütung von Iritis resp. hinteren Synechien ist Atropin 1 °/o oder Vs % Skopolamin, eventuell mehrmals täglich einzuträufeln. Nur bis zur Sicherung der Diagnose ist ein zuwartendes Ver- halten, wiederholtes Ausspülen mit Hydrarg. oxycyanat. 1:5000, Ein- streichen von Orthoform- (10°/o), Jodoform- oder Xeroformsalbe (2°/o), bei Verdacht auf Diplobazillengeschwür (s. S. 355) Einträufelung von Zinklösung, und Verband erlaubt. Sobald die Diagnose sicher steht, ist der Eiterherd in der Kornea mit dem Glüh- draht (Galvanokauter) zu zerstören. In dubio ist, falls bakteriologische Untersuchung unmöglich, jedenfalls in gleicher Weise vorzugehen, sobald Ausbreitung der Infiltration oder Zunahme der Entzündungserscheinungen erfolgt. Galvanokaustik. Kokain-Adrenalinanästhesie, ev. Kelen- oder Athernar- kose, Einlegen des Sperrelevateurs. Der Augapfel wird nahe dem unteren Horn- hautrande mit der Fixationspinzette gefaßt, dann mit dem weißglühenden Galvano- kauter der eiterig infiltrierte Rand des Geschwüres bis ins gesunde Gewebe zerstört, ebenso die Basis, jedoch nur so weit sie infiltriert oder verdächtig ist. Um dies sicher feststellen zu können, soll der Ungeübte voiher Fluoresce'in einträufeln, welches die infiltrierten Partien grüngelb färbt. Mangels eines Galvanokaute rs verwendet man eine in der Spiritusflamme glühend gemachte Strick- oder Häkelnadel. 374 Elschnig, Ein kleines Hypopyon bleibt unbehandelt; nimmt es mehr als 1/3 der Vorderkammer ein, besonders auch, wenn Fibrinklumpen die Hornhauthinterfläche oder das Pupillarbereich bedecken, so ist es zu entleeren durch Punktion der Vorderkammer (Parazentese). Die Ent- leerung der Vorderkammer wirkt in doppelter Weise günstig auf die Hornhaut ein. Einerseits werden die Fibrin- und Eitermassen ent- fernt und frisches Kammerwasser, das reichlichere, frische Leuko- zyten, Schutzstoffe und Ernährungsmaterial für die Kornea enthält, abgesondert, andererseits wird die Kornea durch die Entspannung in günstigere Ernährungsverhältnisse gesetzt, und können auch in sie leichter die genannten Schutzstoffe eindringen. Punktion der Vorderkammer. Kokain-Adrenalin. Sperrelevateur. Die krumme Lanze wird, während der Augapfel mit der Fixationspinzette fixiert wird, dicht außerhalb des Limbus corneae unten iri die vordere Kammer eingestochen und so weit vorgeschoben, daß ein 3—4 mm langer Einschnitt entsteht. Beim Zurückziehen der Lanze entleert sich der flüssige Eiter; Fibringerinnsel, die zu- folge der partiellen Zerstörung des M. Descemeti oft an der Hornhauthinterfläche festhaften, werden mit der Irispinzette gefaßt und entbunden. Atropin, Verband. Manche Ophthalmiater nehmen statt Kauterisation und Punktion die Spaltung des Geschwürsgrundes nachSämisch vor; ein Graefesches Starmesser wird im gesunden hinter dem Eiterherd, Schneide gegen den Hornhautpol, durchgeführt und derselbe in toto gespalten. Ich halte die Kauterisation mit ev. Punktion der Kornea außerhalb des Geschwürsbereiches für weitaus besser, da nach der Spaltung im Geschwürsgrunde immer Iriseinheilung oder wenigstens vordere Synechie entsteht. In jüngster Zeit hat Roemer die Serumbehandlung des durch Pneumo- kokken erzeugten Uicus serpens eingeführt; sie ist noch nicht über das Versuchs- stadium hinaus, und kommt jedenfalls nur als Unterstützung der unerläß- lichen anderweitigen Behandlung in Betracht. Nach dem operativen Eingriffe wird die antiseptische Behand- lung, Atropin und Verband fortgesetzt, eventuell Umschläge mit Hydrarg. oxycyanat. 1 :5000, heiße Kataplasmen und dergl. versucht. Sobald die eiterige Infiltration fortschreitet, wird sofort wieder kau- terisiert. Sobald das Geschwür gereinigt, und Vernarbung beginnt, ist dasselbe Verhalten, wie bei Ulcus corneae zur Beschleunigung der Heilung resp. Aufhellung angezeigt; auch der eventuell, eintretende Irisprolaps wird, wie dort angegeben, behandelt. Sehr häufig tritt nach Ulcus serpens, besonders wenn vordere Synechie zurückbleibt, Sekundärglaukom ein, und ist also auch aus diesem Grunde frühzeitige Iridektomie, die nach jedem größeren Ulcus serpens aus optischen Gründen nötig wird, angezeigt. Wie schon erwähnt, ist das typische Bild des Ulcus serpens corneae fast immer durch Infektion mit Pneumokokken erzeugt. In seltenen Fällen können aber auch andere Mikroorganismen eine ähnliche Keratitis hervorrufen, so Diplo- bazillen (Morax-Axenfeld) , seltener Streptokokken, Pneumobazillen u.dgl. Meist verlaufen diese Infektionen weniger typisch, es ist der progressive Rand- teil (sichelförmige Randinfiltration) weniger deutlich ausgeprägt, dafür die Ge- schwürbasis in größerer Tiefe und gleichmäßig infiltriert u. dergl. mehr. Unter Umständen kann aber auch ein durch die letztgenannten Mikroben erzeugtes Horn- hautgeschwür alle Charaktere des Ulcus serpens darbieten. Wegen der Sicher- heit der Zinktherapie bei Diplobazilleninfektion der Kornea ist in zweifelhaften Fällen (bei mangelnder bakteriologischer Diagnose) immer an diese letztere Er- krankung zu denken und die Zinktheraphie zu versuchen (s. auf Seite 355); er- folgt trotzdem Progression, so ist sofort zu kauterisieren. Erkrankungen der Hornhaut. 375 2. Der Ringabszeß der Hornhaut. In seltenen Fällen von zufälligen oder operativen Verletzungen, sowie bei metastatischer Infektion des Auges kommt es durch In- fektion, meist mit B. pyocyaneus, aber auch mit anderen hochvirulenten Mikroorganismen zu einer ringförmigen eiterigen Infiltration der Kornea in einem dem Hornhautrande konzentrischen Bezirke. Die Infiltration breitet sich rasch gegen die Mitte zu aus, insbesondere dann, wenn die Gebilde der Vorderkammer auch infiziert sind, und die ganze Hornhaut schmilzt, vom Rande beginnend, in wenigen Tagen ein. Wenn nicht schon, wie es gewöhnlich der Fall ist, das Augeninnere vorher infiziert ist, also schon eiterige Iridocyklitis vor- besteht, kann nachträglich Panophthalmitis entstehen. 3. Keratomalacie. Fast ausschließlich bei schlecht genährten, an Darmaffektionen leidenden Säuglingen kommt es gewöhnlich im Anschlüsse an Xerosis conjunctivae infolge Infektion mit verschiedenen Mikroorganismen, hauptsächlich Streptokokken, zu einem rapid fortschreitenden ge- schwürigen Zerfall ausgedehnter Hornhautpartien. Die Kornea zeigt besonders in ihren Randteilen tiefgreifende, rundliche Infiltrate, die sich rasch gegen die Hornhautmitte zu hereinschieben und erst ober- flächlich, dann bis in die Tiefe geschwürig zerfallen, mit nachfolgen- dem Irisprolaps. Die Ursache liegt wahrscheinlich in Ernährungsstörungen der Kornea zufolge darniederliegender allgemeiner Ernährung; Kerato- malacie ist daher auch von schlechter Prognose pro vita. Mitunter stellt sich Keratomalacie im Anschlüsse an heftige akute Konjunk- tivitis besonders krupöser Form, nach Masern, Scharlach, sowie bei Diphtheritis conjunctivae ein. Keratomalacie ist wohl zu unterscheiden von Geschwürsbildung durch Eintrocknen der Kornea bei schwer kranken Kindern, Kera- titis e lagophthalmo, die nur in der freiliegenden Hornhautpartie auftritt, während die Keratomalacie bei normalem Lidschluß in be- liebiger Lokalisation vorkommt. Die Prognose ist für die Hornhaut immer schlecht, indem im besten Falle ausgedehnte Narbenbildung, in vielen Fällen aber eine rasch fortschreitende totale Zerstörung eintritt; auf die schlechte Prognose pro vita wurde schon oben hingewiesen. Therapie. Bei primär auftretender Keratomalacie im Beginne Einstreichen von 2% Jodoformvaseline, Reinigung des Auges mit Oxyzyanidlösung und Druckverband. Bei sekundären Formen Be- handlung der ursächlichen Bindehauterkrankung. Dem Allgemein- zustande des Kindes ist größte Aufmerksamkeit zu schenken; Hebung der Ernährung, Beseitigung des häufig bestehenden Darmkatarrh es. 4. Schimmelpilzkeratitis. Ein größeres grauweißes bis gelblichweißes, prominentes, auf- fallend trockenes Infiltrat in den mittleren Partien der Kornea, das durch eine Demarkationsfurche zerfallenden Hornhautgewebes sich von der Umgebung abgrenzt, erweckt den Verdacht auf Schimmel- pilzerkrankung. Meist besteht auch Hypopyon. Nur die mikro- 376 Elschnig, skopische Untersuchung des zerfallenden Gewebes (Ausstrichpräparat) kann die Diagnose sichern. Bei normalem Verlaufe wird in einigen Wochen das ganze infiltrierte Gewebsstück demarkiert und abge- stoßen, und resultiert eine dichte weiße Narbe. Sobald die Diagnose feststeht, sucht man das ganze Infiltrat mit dem scharfen Löffel zu entfernen, oder durch Kauterisation mit dem Glühdrahte zu zerstören. B. Keratitis ohne oberflächliche Substanzverluste. (Keratitis parenchymatosa im weitesten Sinne). Die Entzündung und die entzündliche Infiltration spielt sich in den tieferen Hornhautschichten ab. Das Epithel ist zwar mitbetroffen, es kommt aber nicht zur Bildung von oberflächlichen Substanzver- lusten. Die durch die Infiltrate geschädigten Hornhautlamellen er- holen sich entweder bei Rückgang der ersteren, oder die nekrotische Masse wird aufgesaugt und durch neugebildetes Gewebe meist unter Vermittlung von Blutgefäßen ersetzt. Im Gegensatze zu den vorher beschriebenen Keratitisformen mit Bildung oberflächlicher Substanz- verluste liegt die Ursache dieser Keratitis fast ausschließlich in endogenen Schädlichkeiten. 1. Keratitis parenchymatosa. Pathologische Anatomie. Im Hornhautparenchyme bilden sich dadurch, daß die fixen Hornhautzellen aufquellen und zerfallen und daß Leuko- zyten vom Rande her einwandern, Infiltrate, die zur Zerstörung der zwischen den Zellhaufen gelegenen Lamellen führen. Im Beginne sind die Saftspalten er- weitert, mit einer feinkörnigen Eiweißmasse, welche erhaltene Zellen und Kerne, sowie Zerfallsprodukte derselben enthält, erfüllt, die Lamellen feinstkörnig getrübt, wie aufgequollen (s.Fig. 299). Durch Zusammenfließen kleiner Herde entstehen umfang- reichere, in denen die Hornhautlamellen einschmelzen. Der nekrotische Detritus wird resorbiert, die benachbarten erhaltenen Hornhautkörperchen teilen und vermehren sich, wachsen in die durcli die Nekrose gesetzten Substanzverluste ein, dann dringen Blutgefäße vom Rande her vor, mit ihnen neugebildetes Bindegewebe. An einem Fig. 299. Rezente Keratitis parenchymatosa. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, MD Membrana Descemeti, Ski Sklera, C) Conjunctiva, J/t Infiltrat. Erkrankungen der Hornhaut. 377 älteren Herde (s. Fig. 300) sieht man demnach in allen Richtungen durcheinander gewirbelte, neugebildete fixe Hornhautzellen, dazwischen einkernige Randzellen und Übergangsforraen, sowie Blutgefäße, so daß der ganze Herd einem jungen Granu- lationsgewebe ähnlich sieht. Es kann hierbei die Hornhaut wesentlich und un- regelmäßig verdickt sein. Bei weiterem Ablauf vermindern sich die Zellen, scheiden faseriges Bindegewebe ab. Nach der Ausheilung besteht der Herd aus unregelmäßig feinfaserigen, zum Teil auch den präexistenten Hornhautlamellen ähnlichem Gewebe mit zwischenliegenden, aber unregelmäßig angeordneten fixen Hornhautkörperchen oder Belegzellen, und den vielfach obliterierten Blutgefäßen. Fig. 300. Keratitis parenchymatosa in stadio reparationis. Ep Epithel, MB Membrana Bowmani, MD Membrana Descemeti, Ski Sklera, Cj Conjunctiva bulbi. Das Epithel über den Entzündungsherden, bei vorgeschrittenen Erkran- kungen über der ganzen Hornhaut, ist hochgradig verändert, von Spalträumen durchsetzt, die zum Teil durchwandernde Leukozyten, zum Teil degenerierende Epithelzellen enthalten, wobei die Fußzellen und die mittleren Schichten zum großen Teil fehlen, die oberflächlichen zum Teil wie verhornt sind. (Ödem und Nekrose des Epithels.) Die Bowmansche Membran ist aber im Gegensatz zu allen oberflächlichen, mit Geschwürsbildung einhergehenden Entzündungsprozessen nicht durchbrochen. Das Endothel der Membrana Descemeti ist abgeschilfert, Leukozyten- haufen, oft zu kugelförmigen Gebilden zusammengeballt, liegen der nackten Mem- brana Descemeti an (Präzipitate). In den Gefäßen der Sklera und des Hornhautrandes, sowie der Iris und de3 Ziliarkörpers bestehen Infiltrate der Gefäß wände, sowie partielle Obliteration. Klinisches Bild und Verlauf. Die Hornhautoberfläche ist in der ganzen Ausdehnung oder nur in den erkrankten Partien matt, gestichelt. Das Hornhautgewebe ist von graulichen Fleckchen, die in den verschiedenen Hornhautschichten sitzen und zu größeren, dichteren, blauweißen oder milchigweißen oder grauweißen Herden zusammenfließen können, durchsetzt. Je intensiver die Entzündung, um so größer die Zahl der Infiltrate, um so dichter sind sie, um so mehr fließen sie zu kompakten Herden zusammen. Gewöhnlich be- ginnen die Infiltrate am Rande der Hornhaut und zwar meist nur an einem Sektor und Segment, mitunter gleichmäßig von allen Seiten. Sie schieben sich gegen die Hornhautmitte zu und werden gewöhnlich daselbst am dichtesten, nehmen aber auf dem Höhepunkte der Erkrankung fast immer die ganze Hornhaut ein. 378 Elschnig, In diesem Stadium beginnen dann Blutgefäße vom Rande her sich neu zu bilden und zwar meist tiefliegende Gefäße (die man also aus der Hornhaut nicht in die oberflächlichen Bulbus- gefäße verfolgen kann), die oft büschelförmig, mitunter aber alle in fast gleichmäßiger Lage in die Kornea eindringen und sich daselbst besenreiserartig verästeln (s. Fig. 282 auf S. 345, untere. Hälfte). Da über diesen tiefen Gefäßen noch infiltrierte Hornhaut- schichten liegen, sind ihre Konturen oft undeutlich, die einzelnen Gefäßchen nicht immer voneinander zu unterscheiden. Nicht selten geben sie dem Infiltrat nur einen verwaschen-rötlichen Farbenton, mitunter so stark, daß die ganze trübe Kornea fleisch- oder lachs- farben aussieht. Daneben finden sich meist spärliche oberflächliche Gefäße, die man also in die oberflächlichen Bulbusgefäße (Rand- schlingennetz, Konjunktiva, Episklera) verfolgen kann. In seltenen Fällen bildet sich vom oberen oder unteren Rande eine gleichmäßig dichte, einer roten Sichel ähnliche Auflagerung oberflächlicher Ge- fäße, am Hornhautrande scharf abgeschnitten, gegen die Hornhaut- mitte fortschreitend — epaulettenförmiger Pannus (ähnlich wie Fig. 282, obere Hälfte). Mit der Gefäßneubildung erfolgt gleichfalls vom Rande her die Aufhellung der Infiltrate, so daß im späteren Stadium die Rand- partie mehr weniger reichlich vaskularisiert, am durchsichtigsten ist; die tiefliegenden Blutgefäße sind in der Kornea dann gewöhnlich am deutlichsten sichtbar, das Zentrum dagegen ist in Scheibenform getrübt. An dieser Art der Trübung erkennt man das Stadium, in dem der Prozeß sich befindet. Sind die Trübungen am Rande am dich- testen, so ist der Prozeß noch im Zunehmen; sind sie im Zentrum am dichtesten, ist der Prozeß am Höhepunkte; sind die Randpartien recht durchscheinend oder durchsichtig, so ist der Prozeß im Rück- gange. In seltenen Fällen fehlt dauernd jede Gefäßneubildung (Kera- titis parenchymatosa avasculosa). In sehr seltenen Fällen kommt es bei dieser Form zu einem plötzlichen Einschmelzen der Kornea mit Vorfall der ganzen Iris, während im übrigen niemals oberflächliche Substanzverluste bei Keratitis parenchymatosa bestehen. Begleiterscheinungen. An der Hornhauthinterfläche finden sich häufig Präzipitate, mitunter kompaktere, fibrinös-zellige Niederschläge als gelbe, unregelmäßige, rundliche Auflagerungen; mitunter auch ein ldeines Hypopyon. Es besteht bei sektorenförmigem Beginne der Hornhauterkrankung anfangs nur an der ersterkrankten Partie, später ringsum meist intensive Ziliarinjektion, sowie Rötung, mitunter auch leichte Schwellung der Augapfelbindehaut. Die allgemeinen Ent- zündungserscheinungen sind sehr variabel, ebenso wie die subjek- tiven Reizerscheinungen. Während manche Fälle schmerzlos verlaufen, zeigen sich in anderen, besonders bei eintretenden Komplikationen heftige Schmerzen, auch anfallsweise Ziliarneuralgie. Komplikationen. Skleritis ist wenigstens in geringem Grade sehr häufig, ebenso ist in der Mehrzahl der Fälle Iritis vorhanden. Die in vielen Fällen gleichfalls bestehende Entzündung des Ziliarkörpers ist nur aus der Spannungsverminderung des Auges, die ebenso häufige Chorioiditis peripherica erst nach Ablauf Erkrankungen der Hornhaut. 379 der Erkrankung und Wiederaufhellung der Hornhaut zu diagnosti- zieren. In seltenen Fällen tritt während des Verlaufes der Keratitis parenchymatosa Drucksteigerung (Sekundärglaukom) auf, die mit Ablauf der Keratitis verschwindet. Bei Kindern kommt es mit- unter zu Hydrophthalmus. Ausgänge, a) Vollständige Wiederaufhellung der Kornea in äußerst seltenen Fällen, nur bei der avaskulären Form, b) Fast voll- ständige Wiederaulhellung der Kornea mit Hinterlassung feinster, obliterierter Gefäße, die am besten mit dem Lupenspiegel gesehen werden und die, zeitlebens bestehend, immer die Diagnose der abge- laufenen Erkrankung ermöglichen. Dabei besteht infolge zarter, tief- sitzender Makeln unregelmäßiger Astigmatismus. Dies ist der häufigste Ausgang, c) In nicht seltenen Fällen bleiben dauernd dichtere Horn- hauttrübungen zurück, besonders im Zentrum der Kornea, mitunter in Scheibenform. Ausnahmsweise, besonders in nicht oder nicht gut behandelten Fällen, kommt es infolge der Komplikationen zu Skler- ektasie (nach Skleritis), hinteren Synechien, Pupillarverschluß oder-Abschluß (nach Iritis); infolge Iritis bildet sich mitunter eine beträchtliche Atrophie der Irismuskulatur aus mit vollständiger Pu- pillenstarre. Bezüglich der Folgen des Sekundärglaukoms s. S. 359. Ursachen und Auftreten. In etwa neun Zehntel der Fälle ist hereditäre Lues Ursache der Keratitis parenchymatosa. Er- schöpfende Krankheiten sind dann oft Gelegenheitsursache. Dann kommt Tuberkulose, allein oder in Verbindung mit hereditärer Lues in Betracht. Die Keratitis parenchymatosa tritt dann am häu- figsten zwischen dem 9. und 16. Lebensjahre, aber auch manchmal in der allerersten Kindheit sowie bis zum 30. Lebensjahre auf; sie ist bei hereditärer Lues eine der spätesten Manifestationen der Sy- philis. Auch erworbene Syphilis, seltener schwere allgemeine Ernährungsstörungen (Stoffwechselkrankheiten) für sich allein oder in Verbindung mit Lues oder Tuberkulose, an welch letztere demnach immer zu denken ist, führen zu Keratitis parenchymatosa u. zw. in jedem Lebensalter. Sie ist demnach nie ein lokales Leiden; wenn ein Trauma dem Beginne der Erkrankung vorausgeht, so ist dies nur die Gelegenheitsursache. Demzufolge befällt sie fast aus- nahmslos beide Augen, meist in der Weise, daß das zweite Auge erkrankt, sowie das erste auf dem Höhepunkte der Entzündung angekommen ist. Selten liegt ein größerer Zeit- intervall zwischen der Erkrankung beider Augen. Die Erkrankung des zweiten Auges kann auch durch exakte ätiologische Therapie nicht sicher verhindert werden. Je jünger das Individuum, um so sicherer ist die Erkrankung des zweiten Auges zu erwarten. Da die Ätiologie für die Therapie sowie auch für die Prognose, von größter Bedeutung ist, ist die genaue allgemeine Unter- suchung in jedem Falle unerläßlich. Man achte besonders auf Zeichen von hereditärer Lues: Fahle Gesichtsfarbe, senile Be- schaffenheit der Gesichtshaut, strahlige Narben an den Mundwinkeln oder im Gesichte (nach luetischen Affektionen), dann indolente Lymph- drüsenschwellung am Nacken oder anderen Körperstellen (Kubital- drüsen), schlechter allgemeiner Ernährungszustand; bezüglich des Skelettes auffallende Kleinheit, am Schädeldache Tophi oder Knochen- defekte, adliärente Narben; kielförmiger Gaumen, eingesunkener Lehrbuch der Augenheilkunde. ^4 380 Elschnig, Nasenrücken; Tophi und Knochendefekte an den Schienbeinen. Ein- seitige oder beiderseitige Taubheit (Akustikusaffektion). Anamnestisch achte man auf die sehr häufige Kniegelenksentzündung. Hutchinsonsche Zähne: Charakteristisch sind insbesondere die unteren, weniger die oberen Schneidezähne. Sie sind plump, kegel- oder pfahlförmig, das Dentin oft in Form einer zackigen Krone über das halbmondförmig endende Email vorstehend (s. die Abbildung im Ab- schnitt „Linse"). Bricht die Krone ab, so bleibt die charakteristische Form des letzteren bestehen. Weniger charakteristisch ist die un- regelmäßige Form der Schneidezähne oder Fehlen eines oder eines Paares derselben. Die rachitischen Schneidezähne haben gleich- falls unregelmäßige Form, das Email ist aber bis zur Schneide ent- wickelt, jedoch fleckenförmig defekt, wie angenagt. Wenn anders möglich, hat man die Diagnose der hereditären Lues auch durch Aufnahme der Anamnese bezüglich der Eltern (bei Frauen insbesondere Abortus und Totgeburt) zu sichern. Mitunter ergibt die Untersuchung des Vaters, auch wenn er Lues leugnet, Zeichen abgelaufener oder hereditärer Lues (reflektorische Pupillen- starre, Narben nach Gummen u. dgl.). Nicht zu vergessen ist, daß eine syphilitische Amme einen gesunden Säugling infizieren kann. Es kann Keratitis parenchymatosa endlich auch durch hereditäre Lues im zweiten Gliede bedingt sein. Die Untersuchung auf Tuberkulose geschieht in der üblichen Weise, diagnostische Tuberkulininjektion, ev. die Pirquetsche ku- tane Tuberkulinimpfung, letztere nur bei Kindern verläßlich, er- leichtern oft die Diagnose. Diifereiitialdiagnose. Das Fehlen oberflächlicher Substanzver- luste unterscheidet die Keratitis parenchymatosa von allen Geschwürs- bildungen; der tiefe Sitz, die grauliche Farbe der Infiltrate, eventuell die Neubildung tiefliegender Gefäße von allen übrigen Entzündungs- prozessen der Kornea. Prognose. Im allgemeinen ist die Prognose bezüglich völliger Wiederherstellung des Sehvermögens keine günstige. Je dichter die Infiltrate sind, je reichlicher die tiefe Gefäßbildung, um so sicherer bleiben dauernde Trübungen der Kornea zurück. Leichtere Fälle können in etwa vier Wochen ablaufen, schwere Fälle sich monatelang hinausziehen. Eigentliche Rezidiven sind selten, häufig kommen aber während des Ablaufes der Erkrankung Nachschübe von Infiltrationen vor. Man vergesse bei der Prognosestellung nicht auf die voraussichtliche Erkrankung des zweiten Auges hinzuweisen. Bezüglich der voraussichtlichen Dauer hält man sich an die Beachtung des Stadiums, in dem die Erkrankung sich be- findet, wie des allgemeinen Ernährungszustandes des Kranken. Die Prognose ist auch insbesondere von den Komplikationen wesentlich abhängig; je schwerer diese, um so schlechter die Prognose. Im allgemeinen können Hornhauttrübungen nach Keratitis paren- chymatosa erst dann als irreparabel angesehen werden, wenn minde- stens ein Jahr nach Ablauf sämtlicher Entzündungserscheinungen ver- flossen ist. Therapie. 1. Allgemeine Therapie. Wenn auch nur Ver- dacht auf Lues hereditaria besteht, ist eine antiluetische Therapie einzuleiten und zwar Schmierkur, 20—30 Einreibungen, je nach dem Erkrankungen der Hornhaut. 381 Alter: Ungu. einer, cum Resorbin. parat. (33%) 1 — 4 g pro die; bei schwerer Keratitis gleichzeitig Jodkali 1 — 2 g pro die. Bei schlecht genährten, schwächlichen Kindern muß man oft der Schmierkur ein roborierendes Verhalten vorausschicken und sind dann gute Ernährung, Jodeisensirup (dreimal täglich Vs —1 Kaffeelöffel voll nach der Mahl- zeit) oder andere Jodeisenpräparate, in Verbindung mit Bädern mit Darkauer Jodsalz (V2 bis 1 Kilo pro Bad) zu empfehlen. Auch in den häufigen Fällen, in denen neben den Zeichen von hereditärer Lues tuberkulöse Veränderungen bestehen, ist vorsichtige Schmierkur zu versuchen. Inunktionskur: Der Kranke soll, wenn möglich, die Einreibung selbst vornehmen; wenn dies, wie hei Kindern nicht möglich ist, muß durch eine Pflege- person, welche die Hände mit Kautschukhandschuhen bedeckt, eingerieben werden. Am 1. Tage beide Unterschenkel, am 2. Tage beide Oberschenkel, am 3. Tage der Bauch, am 4. Tage die Brust, am 5. Tage beide Arme. Behaarte Partien werden vermieden. Wenn die Einreibung durch eine Pflegeperson erfolgt, wird der Turnus so geändert, daß am 3. Tage Bauch und Brust, am 4. Tage der Rücken eingerieben wird. Am 6. Tage Bad, hernach Wiederbeginn der Einrei- bung. Mundpflege: Nach jeder Mahlzeit Reinigung der Zähne mit einem weichen Zahnbürstchen, eventuell unter Verwendung von Mundwasser (Kali chloricum 1 %, oder Pasten, z. B. Pebeko, chlorsaute Kali-Zahnpaste), halb- bis einstündlich Ausspülen des Mundes mit lauwarmem Wasser oder Kalium chloricum 1%>; Be- handlung kranker Zähne. Bestimmung des Körpergewichtes. Dazu ist zu bemerken, daß gerade elend genährte, hereditär luetische Kin- der auf die Schmierkur an Körpergewicht zunehmen. Und wenn dieselbe auch oft keinen sichtbaren Einfluß auf den Verlauf der Keratitis aufweist, wenn auch trotzdem das zweite Auge erkrankt, so verhindert man wenigstens andere spätere Manifestationen der hereditären Lues. Harnuntersuchung mindestens wöchentlich einmal; bei auftretender Albumi- nurie sofortiges Aussetzen der Kur, ebenso bei Diarrhöe. Bei Kindern wohl- habender Eltern wiederholter Kurgebrauch in Jodbädern (Hall in Oberösterreich fauch im Winter!), Nauheim, Aachen etc.). Später sind Arsenkur en (Solut. arsen. Fowler., Aqu. lauroceras. aa 5,00, 1 — 2 mal täglich 1—15 Tropfen steigend) mit Eisen- und Jodtherapie alternierend anzuempfehlen. Bei Verdacht auf Tuberkulose wenden manche Augenärzte sub- kutane Tuberkulininjektionen an. 2. Lokale Therapie. Wegen der Häufigkeit der Iritis ist immer von vornherein Atropin oder Skopolamin einzuträufeln. Wird die Pupille weit, so ist erst bei Wiederverengerung derselben, wird sie auf einmaliges Einträufeln nicht weit, eventuell mehrmals täglich zu atropi- nisieren. Nur bei schweren Entzündungserscheinungen Aufenthalt im halbdunklen Zimmer, sonst bei einseitiger Erkrankung Bewegung in freier Luft mit Schutz verband. Bei heftiger Ziliarinjektion ist Eis- beutel mehrmals täglich durch 10—20 Minuten zu versuchen. Wird Eis schlecht vertragen, sowie bei geringer Ziliarinjektion überhaupt, mehrmals täglich heiße Kataplasmen durch eine halbe bis eine Stunde. Wenn keine Komplikationen bestehen, kann sehr frühzeitig schon mit Massage der Kornea mittelst des oberen Lides begonnen werden, bei geringen Reizerscheinungen wird hierzu graue Salbe verwendet: Rp. Ungu. einer, cum Resorb. parat. (33%) 1,0 Lanolini 2,00 bis 3,00. Die Massage kann ersetzt werden durch Einstreichen von grauer Salbe in den Bindehautsack mit nachfolgendem Druckverband durch eine halbe Stunde, wobei das zweite Auge geöffnet bleibt. 24* 382 Elschnig, Die Massage soll zur Aufhellung der Trübungen lange Zeit nach Ablauf der Entzündung fortgesetzt werden. Zu gleichem Zwecke wird Einträufelung von 2°/o Dioninlösung oder vorsichtiges Aufstreuen von Dionin auf die Kornea angewendet. Auch subkonjunktivale In- jektionen von Kochsalzlösung oder sterilisierter Luft, sowie Anlegung einer Saugglocke nach Bier-Klapp, täglich 1—2 mal, 10 Minuten, werden empfohlen. Besteht Drucksteigerung, so ist Atropin wegzulassen, eventuell, wenn dies nicht genügt, Pilokarpin 2°/° ein- oder mehrmals täglich einzuträufeln. Bei intensiver, dadurch nicht verminderter Druck- steigerung ist vorerst Punktion der vorderen Kammer, nur wenn diese versagt, Iridektomie anzuwenden. Bleibt eine zentrale, scheiben- förmige Trübung der Kornea zurück, so ist schließlich, aber niemals vor Ablauf eines Jahres nach Schwinden der letzten Entzündungs- erscheinungen, Tätowierung der Hornhautnarbe, sowie optische Irid- ektomie auszuführen. Die folgenden Formen von im Parenchym der Kornea sich ab- spielenden Entzündungen sind durch weniger typischen Verlauf, durch besondere Lokalisation der Entzündungsherde, wie zum Teil dadurch von der eben beschriebenen typischen Keratitis parenchymatosa unter- schieden, daß der Entzündungsprozeß nicht primär in der Hornhaut, sondern im Anschluß an Skleritis, Iritis oder Iridozyklitis entsteht. 1. Keratitis punctata profunda. In verschiedener Tiefe des Hornhaut- parenchymes, vereinzelt oder über die Fläche verstreut, bilden sich bis Stecknadel- kopfgroße grauliche oder gesättigt grauweiße unscbaif begrenzte Infiltrate, über denen das Epithel gestichelt ist. Die Infiltrate können in wenigen Wochen fast spurlos verschwinden oder sich unter Nachschüben wochenlang hinziehen; davon können auch kleine Narben zurückbleiben, Gefäßneubildung kommt vor, ist aber im allgemeinen selten. Ursache ist meist hereditäre Lues, häufig auch akute Erkältung, dann oft in Verbindung mit Gelenksrheumatismus u.dgl.; auch auf Tuberku1 ose ist zu achten. Die unscharfe Begrenzung und grauliche Farbe unterscheidet auch die tief- sitzenden Knötchen von Präzipitaten an der Hornhauthinterfläche. Behandlung wie bei Keratitis parenchymatosa. Bei Erkältung Salizyl- Schwitzkur. 2. Die sklerosierende Keratitis (K. sch»rosificans) tritt immer nur im Anschlüsse an Skleritis oder schwerere Affektionen des Ziliarkörpers (Gumma, Tuberkulose) auf. Es schieben sich vom Rande her graulich bis gelblichweiße In- filtrate unter dem Randschlingennetz in der Tiefe der Hornhaut langsam gegen die Hornhautmitte vor, jedoch selten in einer größeren Breite als etwa 2 bis 3 mm. Die Infiltrate sind entweder isoliert, zungenförmig, oder sie fließen zu größeren, sichelförmigen Flecken zusammen. Das Epithel darüber ist stark gestichelt, die übrige Kornea ist normal oder nur zart hauchig getrübt. Frühzeitig erfolgt in den infiltrierten Randpartien Gefäßneubildung. Die Infiltrate bilden sich nicht zurück, sondern werden durch neugebildetes Bindegewebe ersetzt, so daß nach Ablauf der Erkrankung die betreffenden Partien intensiv weiß gefärbt und vasku- larisiert sind und der Anschein erweckt werden kann, als ob die Sklera in die Kornea hineingewachsen wäre. Von Randinfiltraten (beginnenden Randgeschwüren) ist die sklerosierende Kera- titis durch den tiefen Sitz, durch frühzeitig eintretende Vaskularisation unterschieden. Die bestehende Skleritis kommt natürlich auch für die Diagnose in Betracht. Die Prognose ist eine ernste, indem gewöhnlich schubweise neue Infil- trate, Rezidiven an verschiedenen Randpartien auftreten können, so daß der Prozeß sich auf Jahre hinaus erstreckt. Bezüglich der Prognose ist auch in erster Linie die ursächliche Skleritis resp. Uvealaffektion zu beachten. Erkrankungen der Hornhaut. 383 Die Ursache ist, wie die der Skleritis, oft unbekannt, mitunter akquirierte oder hereditäre Lues, häufiger Tuberkulose; auch Stoffwechselerkrankungen, Auto- intoxikation (vom Darm aus) sowie bei den akuten Formen rheumatische Affek- tionen kommen hier in Betracht. Die Therapie ist gleichartig wie bei typischer Keratitis parenchymatosa. 3. Sekundäre parenchymatöse Keratitis. Im Anschlüsse an Iritis und Iridozyklitis verschiedenster Ursachen stellt sich mitunter eine bald der sklero- sierenden Keratitis ähnliche, bald im Zentrum der Hornhaut und zwar in den tiefsten Schichten lokalisierte (daher auch Keratitis profunda genannte parenchy- matöse Hornhautentzündung ein; durch ihren schleichenden oder schubweisen Ver- lauf, sowie meist durch das Ausbleiben der Erkrankung des zweiten Auges unter- scheidet sich diese sekundäre von der typischen primären parenchymatösen Keratitis. 4. Keratitis disciformis: ein scheibenförmiges, streng abgesetztes, grau- weißes Infiltrat in den mittleren Hornhautpartien, von der Obeifläche weit in die Tiefe reichend, die Oberfläche darüber gestichelt, aber nicht ulzerös. Ursache unbekannt. Bei Vacci neinf ektion der Hornhaut kommt mitunter ein ähnlicher Prozeß vor. Die Erkrankung dauert wochenlang und heilt schließlich unter Zu- rückbleiben einer scheibenförmigen Trübung an Stelle des Infiltrates. Therapie: heiße Kataplasmen, Druckverband, bei Iritis Atropin. Bei Rück- gehen der Reizerscheinungen Massage oder Präzipitatsalbe. 5. Tuberkulose der Kornea. Gewöhnlich im Anschlüsse an Tuberkulose der Iris und des Ziliarkörpers bildet sich eine der Keratitis parenchymatosa ähn- liche Entzündung der Hornhaut aus, die sich nur durch das Auftreten intensiv gelblichweißer Herde (Tuberkel) in den getrübten Partien, sowie durch den sehr protrahierten Verlauf und gewöhnlich dadurch, daß nur ein Segment oder Sektor der Kornea befallen ist, von der typischen Keratitis parenchymatosa unterscheidet. Es kann auch eine tuberkulöse Infiltration des Ziliarkörpers resp. der Iris oder der Sklera auf die Kornea übergreifen, und dann zur Zerstörung der Kornea, gewöhnlich Durchbruch der tuberkulösen Massen nach außen, kommen. 0. Gummöse -Infiltration der Kornea kommt nur im Anschlüsse an Gummen der Sklera oder des Ziliarkörpers, die auf die Hornhaut übergehen, vor. Der Beginn ähnelt einer Keratitis parenchymatosa, jedoch bleibt der Prozeß auf den betreffenden Sektor der Kornea beschränkt. Bei fehlender oder unzureichen- der Behandlung kann das infiltrierte Gewebe einschmelzen. Die Therapie und die Prognose aller der genannten Fälle deckt sich, so- weit sie nicht durch die] ursächliche Erkrankung gegeben ist, mit der der Ke- ratitis parenchymatosa.| 7. In Lepragegenden kommen auch durch diese Infektionskrankheit be- dingte] tiefe Hornhautentzündungen vor (K. leprosa). Den Residuen parenchymatöser Keratitis gleichen die seltenen Fälle ange- borener Hornhauttrübung'en, welche entweder die ganze Kornea, oder nur ein Segment derselben treffen können. Ihre Ursache liegt zum Teil in Entwicke- lungshemmungen, zum Teil in fötaler Entzündung. Degenerative Veränderungen der Hornhaut. In der Einleitung zur Keratitis wurde bemerkt, daß degenerative Vorgänge auch primär bei zahlreichen Hornhautentzündungen eine wesentliche Rolle spielen, daß eine scharfe Grenze zwischen Degene- ration und Entzündung sich nicht ziehen läßt. Folgende Prozesse lassen sich aber von der Entzündung jedenfalls unterscheiden. A. Degenerative Prozesse in vorher normaler Kornea. 1. Arcus senilis (Gerontoxon corneae). In den Hornhautlamellen und zwar immer in der Randzone der Hornhaut finden sich reichlichste, körnige Einlagerungen, zum Teil Kalk-, zum Teil Hyalin, oder hyalinähnliche Tröpfchen. 384 Elsjchnig, Fig. 301a. Gerontoxon corneae (seniles Epiblepharon). Fig. 301b. Klinisch sieht man rings um den Hornhautrand oder nur im oberen oder unteren Segment 1 bis 3 mm breite, weißgraue Ringtrübungen mit glatter Oberfläche, gegen den Rand zu am dichtesten und dort ganz scharf gegen den normalen Limbus abgegrenzt, gegen die Hornhaut- mitte allmählich sich verliererd (Fig. 30 la und b). Die normale Be- schaffenheit des Limbus, das Fehlen von Gefäßneubildung in der getrübten Partie, sowie ihre Regelmäßigkeit unterscheiden den Arcus senilis von Narben nach Randgeschwüren. Er ist für das Auge bedeutungslos. 2. Drusenbildung der Bow- manschen Membran (sehr selten). Geschichtete, halbkugelige Autlagerungen einer homo- genen, hyalinähnlichen Sub- stanz an der Außenfläche der Membrana Bowmani, über denen die tiefsten Epi- thelzellen komprimiert oder verbildet sind. Sie erschei- nen bei seitlicher Beleuch- tung als schillernde tropfenähnliche Gebilde, im durchfallenden Lichte mit dem Lupen- spiegel bei Spiegeldrehungen als bald hell- bald dunkelkonturierte Tröpfchen bei normalem Spiegelbild der Hornhautoberfläche. Ursache dürften Ernährungsstörungen im Epithel sein. Sie verursachen beträchtliche Sehstörungen. Therapie: Abrasio corneae. Abrasio corneae: Kokainanästhesie, Einlegung des Sperrelevateurs, Ab- tragen des Epithels resp. der oberflächlichen Auflagerungen mit dem scharfen Löffel oder mit einem Starmesser; danach Einstreichen von Orthoformsalbe 10°/o und Verband durch einige Tage. 3. In seltenen Fällen findet man in normalen Augen seniler Individuen umschriebene Verkalkungen der Membrana Bowmani in Form kreidig- weißer, feinstkörniger, oberflächlicher Fleckchen mit normaler Oberfläche. Liegen sie über der Pupille, so können sie durch vorsichtige Abrasio, event. nach Entfernung des Epithels durch Aufträufeln einer sehr schwachen Salzsäurelösung mit sofor- tiger Neutralisation durch Sodalösung beseitigt werden. Im übrigen ist Ver- kalkung der Hornhaut Teilerscheinung der gürtelförmigen Hornhauttrübung (s. unten S. 385). 4. Knötchenförmige Hornhauttrübung. Dicht unter dem Epithel bilden sich graue Knötchen, meist im Papillarbereiche der Kornea, zuerst isoliert, dann zu landkartenähnlichen Figuren zusammenfließend, die leicht über die Oberfläche prominieren. Sie bilden sich schon in der Jugend, vermehren sich unter leichten Anfällen von Reizerscheinungen, und bleiben durchs ganze Leben bestehen. Die Ursache dieser immer familiär vorkommenden dege- nerativen Keratitisform ist unbekannt. Mit dieser Form kombiniert, aber auch isoliert kommt vor die im übrigen nach Erscheinung und Verlauf verwandte 5. gittrige Hornhauttrübung, ein eigenartiger Degenerationsprozeß der Kornea, wobei im Parenchym sich streifige einander gitterartig kreuzende Trübungen finden, die zu diffusen Flecken zusammenfließen können. Sie tritt meist nach der Pubertätszeit, wie die vor- hergenannte an beiden Augen, und familiär auf; die Randpartien der Kornea bleiben meist frei. Die Ursache ist unbekannt, Therapie machtlos. Erkrankungen der Hornhaut. 385 B. Degenerative Prozesse der Kornea in pathologisch veränderten Augen. 1. Gürtelförmige Hornhauttrübung entwickelt sich fast ausschließ- lich an durch Keratitis, meist parenchymatosa, oder Iridozyklitis schwer geschädigten, am häufigsten phthisischen Augen. Zirkulationsstörungen und konsekutive Ernährungsstörungen in der Kornea sind Ursache der Erkrankung, wozu in manchen Fällen mechanische Insulte der meist anästhetischen oder hypästhetischen Kornea treten. Auf letztere deutet speziell die Lokalisation im Lidspaltenbereich hin. Im ent- wickelten Zustande findet sich vom medialen zum lateralen Hornhaut- rand reichend eine meist leicht gebogene, bandförmige Zone der Horn- haut von sehr unregelmäßiger Oberfläche, diffus grau bis grauweiß ge- färbt (Fig. 302). Bei genauer Untersuchung sieht man, daß die Färbung durch degenerative Veränderung, sowie Einlagerung von Kalkplättchen in die oberflächlichsten Hornhaut- //""~ ^\ schichten bedingt ist, über denen das Epithel ne- ) krotisch wird. In schweren Fällen können kalkige, ife; _ ££gft drusenähnliche Gebilde über die Oberfläche sich er- "^ heben. Die Krankheit beginnt meist am medialen und lateralen Hornhautrande und zieht sich von da ^- 3q2 gegen die Mitte vor. Ragen kalkige Massen über die Hornhautoberfläche vor, so können sie an sonst reizlosen phthisischen Augen starke Bindehaut- reizungen verursachen. In diesen Fällen werden sie abgekratzt resp. abgetragen, sonst ist, zufolge des Grundleidens, Enukleatio bulbi angezeigt, sobald Schmerzen bestehen. 2. Pannus degenerativus. In Augen mit abgelaufener Irido- zyklitis sowie bei absolutem Glaukom findet man in den Randpartien der Kornea zarte Bindegewebsauflagerung mit Blutgefäßen, die mit den oberflächlichen Bulbusgefäßen zusammenhängen, meist nur an einzelnen Segmenten, nie die ganze Kornea bedeckend. Anatomisch entspricht die Veränderung einer Neubildung von Blutgefäßen und Bindegewebe vorwiegend zwischen Epithel und Membrana Bowmani, doch steht mitunter durch Lücken derselben das subepitheliale Gewebe auch mit dicht unter der Membrana Bowmani neugebildetem blut- gefäßhaltigen Bindegewebe in Verbindung. Ursache sind wohl Sensibilitäts- und trophische Störungen in der Hornhaut, die zu oberflächlichen Epitheldefekten und Geschwürchen Anlaß geben. Der Prozeß ist für das immer schon blinde Auge be- deutungslos. 3. Blasenbildung an der Kornea (sog. Keratitis bullosa oder vesiculosa). In Augen mit abgelaufener Iridozyklitis oder mit abso- lutem Glaukom bilden sich von Zeit zu Zeit oft unter heftiger Neur- algie wasserklare Bläschen oder blasenartige Abhebungen des Epi- thels, das bei anatomischer Untersuchung oft unregelmäßig verdickt erscheint. Ursache sind Ernährungsstörungen zufolge der voraus- gegangenen Erkrankung. Therapie: schmerzlindernde Mittel; Einstreichen von Ortho- formsalbe, Verband, eventuell heiße Umschläge. Bei Rezidiven und starken Schmerzen Enukleation des Bulbus. 386 Elschnig, 4. Randektasie. In einer vaskularisierten, sichelförmigen Narben- zone des Hornhautrandes bildet sich, dicht an den Hornhautrand anschließend, eine durchsichtige Ektasie der Hornhaut, die durch Schrägstellung letzterer und Verbildung ihrer Krümmung hochgradige Sehstörungen erzeugt. Die durchsichtige, nur von zarten Gefäßreisern durchzogene ektatische Partie ist gegen die Hornhaut durch eine gerontoxonähnliche Narbenlinie abgegrenzt. Sie scheint sich mitunter an eine eigenartige, degenerative, furchenartige Geschwürsbildung am Hornhautrande („indolentes Randfurchengeschwür") anzuschließen. Therapie: Vorsichtige Kauterisation des ektatischen Bezirkes, eventuell mit Überpflanzung eines gestielten Bindehautlappens. 5. Hyaline, amyloide und kalkige Degeneration. Erstere bilden — in dichten Hornhautnarben — gelblichgraue, tropfenähn. liehe Herde, letztere kalkweiße Körnchen oder in manchen Fällen bis 1:* nun dicke und mehrere Millimeter im Durchmesser haltende Kalkplättchen. Das Epithel wird über den größeren Herden nekrotisch, es entstehen oberflächliche, sehr schwer heilende Geschwüre, an deren Basis die hyalinen oder kalkigen Massen bloßliegen, sogenannte atheromatöse Geschwüre (auch seques- trierende Narbenkeratitis genannt). Ursache sind Ernährungsstörungen in der Narbe. Will man die Narbe nicht exzidieren (siehe Staphylomoperation), so muß man die Einlagerungen an der Geschwürsbasis mit dem scharfen Löffel oder mit Meißelsonde und Pinzette entfernen. Kommt trotzdem Vernarbung nicht zustande, so kann sie nach wieder- holter Abschabung durch Überpflanzung eines Bindehautlappens immer erzielt werden. Auch Trepanation der Narbe mit Einpflanzen von Kaninchen- oder leben- der menschlicher Kornea wird empfohlen. 6. In Fällen von mangelhaftem Verschluß der Lidspalte bei flacher Narben- bildung der Kornea oder großen Staphylomen, dann auch bei hochgradiger Bindehaut - Schrumpf ung nach Trachom trocknet die Oberfläche der Kornea ein und nimmt epidermisartige Beschaffenheit an — Xerosis, besser Ke- ratosis corneae. Der Xerosis conjunctivae analoge Auflagerungen, Ver- änderungen des Epithels der Hornhaut, weiße seidenglänzende, nicht benetzbare Stellen der Hornhautoberfläche, kommen im Anschlüsse an Xerosis conjunctivae im Lidspaltenbereiche, außerordentlich selten isoliert, und dann am häufigsten bei bestehender Narbenbildung der Kornea vor. Geseliwülste der Kornea. Primäre Geschwulstbildungen sind sehr selten, häufiger 'kommen über- greifende Tumoren, besonders vom Bindehautlimbus ausgehende, vor. 1. Papilloma corneae. Entsteht primär nur auf der Basis eines Pannus, häufiger von der Con- junctiva bulbi her übergreifend, und bildet flache rosenrote bis weiße, kraus begrenzte feinwarzige oder feinhöckerigejflache Geschwülstchen. Sie lassen sich leicht von dem gesunden Hornhautgewebe ablösen und unterscheiden sich hauptsächlich dadurch vom 2. Karzinom der Kornea, das gleichfalls am Hornhautrande beginnt, mitunter auf der Basis eines Pterygiums. Es hat mehr Tendenz in der Fläche, als in die Tiefe fortzuschreiten und soll daher immer zuerst seine Exstirpation (analog dem Papillom) in der Weise ver- Erkrankungen der Hornhaut, 387 sucht werden, daß man mit einem bauchigen Skalpell (oder gebogenen Lanze) von der gesunden Kornea aus im Gesunden die Geschwulst mit flachem Messerzügen samt den oberflächlichsten Hornhautlamellen, abträgt. Der glatte Substanzverlust wird bald mit Epithel überdeckt und all- mählich mit neugebildetem Bindegewebe ausgefüllt. ^"ß^ 3. Sarkome kommen nur übergreifend vor — flache meist melanotische Geschwülstchen des Limbus, sowie perforierende Iris-Ziliar- körpersarkome. Nur im ersteren' Falle, bei kurzer Dauer der Erkrankung, kann Exstirpation wie bei Karzinomen ver- sucht werden; Rezidiven sind häufig. Bei | vorgeschritteneren Geschwulstbildungen | und bei Rezidiven ist das Auge zu enu- kleieren. 4. Zu erwähnen ist noch das Dermoid der Kornea, kleine, Haare tragende, am Limbus sitzende halbkugelige Geschwülstchen. Sehr selten kommen große, die Kornea großenteils (cf. Mißbildungen des Auges). Fi«. 303. Dermoid. deckende Teratome vor Verletzungen der Kornea. Siehe den Abschnitt „Verletzungen des Auges''. \/ Erkrankungen der Uvea (Iris, Ziliarkörper, Chorioidea), des Glaskörpers und der Sklera. Von Professor Krückmann, Königsberg in Preußen. Vergleiche Tafel VIII—X. Allgemeines über die Uvea, Die Uvea setzt sich zusammen aus der Regenbogenhaut, dem Ziliar- körper und der Ader haut; sie ist mesodermaler Abkunft. Sie besteht im wesentlichen aus einem gefäßli altigen und mit zahlreichen elastischen Fasern aus- gestatteten Bindegewebe, welches dazu bestimmt ist, die für den Sehakt wichtigen ektodermalen Innenorgane, die Netzhaut, den Glaskörper und die Linse zu umfassen, zu schützen, zu beeinflussen und zu ernähren. Die freipräparierte Uvea wird meistens mit einer Weinbeere (Uva) verglichen, als deren Stiel der Sehnerv anzu- sehen ist. Die äußere Form der Uvea — nach Entfernung der einhüllenden Augen- häute sowie nach Beseitigung der durchsichtigen Innenorgane — hat im groben eine gewisse Ähnlichkeit mit der ausgehöhlten Schale einer Haselnuß, die an ihren beiden Enden so durchbohrt ist, daß hinten an der Schalenspitze eine Ab- rundung und vorne am Schalennabel ein Abschliff entsteht; der geriefte Nabel entspricht der Iris und sein vorderes Loch der Pupille, das hintere Loch wird beim Auge durch den Sehnerven ausgefüllt. Charakteristisch für die gesamte Uvea ist ihre Pigmentierung. Diese Pigmentierung betrifft sowohl das eigene Gewebe (Strom azellen oder Chroma- tophoren), als auch den epithelialen Besatz (Pigmentepithelien). Die Chromatophoren sind meistens sternförmig gebaut und durch ihre Ausläufer untereinander verknüpft. Die im Zelleibe und in den anastomosieren- den Fortsätzen untergebrachten Pigmentkörnchen können quantitativ und qualitativ außerordentlichen Schwankungen unterliegen, mit anderen Worten, die intrazelluläre Ansiedelung kann in spärlicher und in reichlicher Weise nachweisbar sein und die Farbe vom hellsten Gelb bis zum dunkelsten Braunschwarz wechseln. Die geringste Pigmentierung findet sich im Ziliarkörper, dessen muskelhaltiger Anteil sogar völlig pigmentfrei ist. Der Farbstoffgehalt der Chromatophoren und der Pigmentepithelien richtet sich wesentlich nach der Pigmentierung der Haut. Am dichtesten und schwärzlichsten ist er daher bei den dunkelfarbigen Rassen vor- handen. Menschen mit pigmentfreien Uvealzellen und farblosen Pigmentepithelien werden Albinos genannt. Die braunen Pigmentepithelien bilden bekanntlich gemeinsam mit den Netzhautbestandteilen in ihrer ersten Anlage eine vom Zentralnervensystem aus vorgestülpte, einreihig zusammenhängende und fortlaufende Schicht von hohen Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 389 Epithelzellen: die sog. primäre Augenblase. Während die hintere Blasenwand dauernd einreihig bleibt und sich zum Pigmentepithel umwandelt, bilden sich im Stadium der sekundären Augenblase aus der nach hinten eingebuchteten vorderen Blasenwand die nervösen und gliösen Netzhautschichten. An einer einzigsten Stelle tritt aber der einreihige Epithelcharakter der Netzhaut in seiner ursprünglichen Beschaffenheit wieder hervor. Diese Stelle entspricht der Pars coeca retinae bezw. der Ora serrata des Erwachsenen (Fig. 305, 306, 0). Hier ist der Ort. wo sowohl aus der Retina wie aus den Pigmentepithelien eine einreihige Epithelschicht als ihre Fortsetzung hervorgeht, um als doppeltes Zellband die Ziliarfortsätze und die hintere Fläche der Regenbogenhaut bis zum Pupillenrand zu bekleiden. Die bindegewebige Unterlage dieser Epithelien vom Sehnervenloch bis zur Pupille besteht ausschließlich aus kollagenen Fasern, die mitunter so dicht gelagert erscheinen, daß sie als eine Membran imponieren. An den meisten Stellen sind diese kollagenen Fasern von unten her sehr reichlich mit elastischen Elementen verknüpft, so daß die Unterstützung und die Bodenfestigkeit der Epithelien eine sehr kräftige ist. Dieser hinteren Epithelschicht kommt in den verschiedenen Gegenden auch eine verschiedene Funktion zu, was sich zum Teil schon morphologisch bemerkbar macht. Im Netzhaut- bereich scheint das Pigmentepithel eine gewisse Bedeutung für den Sehakt zu haben (Fig. 306, PI). An der Oberfläche des Ziliarkörpers muß dieser Schicht eine regulatorische Tätigkeit bei der Bildung desKamme r- wassers zugesprochen werden (Fig. 305, 306, 307, P), und an der Hinterfläche der Regenbogenhaut identifiziert sie sich mit den spindeligen Zellen des Musculus dilatator (Fig. 307, D). Die vordere aus der nervös-gliösen Netz- haut (Fig. 306, R) abstammende sog. retinale Zellage geht über die Ziliarfortsätze als farblose Zylinderzellenreihe (E) hinweg, jedoch erhält sie auf der Irishinter- fläche eine reichliche Pigmentierung. Die Funktion dieser oberen bezw. inneren Zellreihe (E) ist im Bereiche der Ziliarfortsätze vermutlich eine ähnliche wie die der unteren, und außerdem findet sich hier die Bildungsstätte für die Zonulafasern (Fig. 305, Z), die also gleichfalls ektodermaler Abkunft sind. Gefäßverteilnng der Uvea. Die einzelnen Abschnitte der Uvea haben in ihrem Gefäßsysteme manches Gemeinsame. Zur besseren Übersicht diene die bekannte Leb ersehe Abbildung. Die arterielle Blutversorgung vollzieht sich durch die sog. Ziliar- gefäße, von denen 4 —6 kurze (A. c. p. b.) und 2 lange (A. e.p. I.) hinten neben dem Sehnerven, sowie 4 kurze (A. c. a.) vorne neben dem Limbus in den Augapfel eindringen. AVe Ziliararterien sind Ausläufer der Arteria ophthalmica. Die 4 vorderen, welche wegen ihrer Gabelung eigentlich als 8 zu zählen sind, machen einen kleinen Umweg, indem sie als Abzweigungen von Schlagadern auftreten, von denen gleichzeitig die 4 geraden Augenmuskeln versorgt werden. Die hinteren kurzen Arterien (A. c. p. b.) verästeln sich schnell und ausgiebig, sie geben die Hauptmasse der Aderhautarterien ab. Dagegen gehen die beiden langen (A. c. p. I.) unverzweigt im horizontalen Meridian nach vorne bis zum Ziliarkörper, um gemein- sam mit den vorderen Ziliararterien den Ziliarkörper und die Regenbogenhaut zu ernähren sowie durch rückläufige Äste die vorderen Aderhautteile zu versorgen. Diese gemeinsame Blutspeisung wird nun wesentlich dadurch erleichtert, daß die beiden langen und die vorderen Ziliararterien in einen kreisförmigen Hauptkanal einmünden (Circulus arteriosus iridis (C.J.ma. u. Fig. 307, 308,-4), dessen günstige anatomische Lage am Treffpunkt vor den Ziliarmuskeln, den Ziliarfort- sätzen und der Regenbogenhaut eine rasche, ausgiebige und gleichmäßige Blut- verteilung des vorderen Uvealabschnittes erlaubt. Auch die hinteren Ziliararterien bilden einen ähnlichen aber kleineren Ring. Dieser umkreist die Papille inner- halb der Sklera und vermittelt hier eine Blutvereinigung mit den kleinen Schlag- adern des Sehnerven (Circulus arteriosus nervi optici). Das venöse Blut der Regenbogenhaut, der Ziliarfortsätze, zum Teil auch das der Ziliarmuskel sowie ganz besonders das der Aderhaut erhält seinen Abfluß 390 Krückmann, durch vier wiibelartig angelegte Sammelbecken, deren Endkanäle die Lederhaut in schräger Richtung durchbohren: Strudelvenen (Venae ve'rticosae, V. v.). Ihre Austrittsstellen bilden ein Quadrat, als dessen Mittelpunkt die Papille angesehen werden kann. Der Rest des uvealen Venenblutes, welches aber fast nur aus dem Ziliarmuskel stammt, strömt nach mannigfachen Verbindungen mit dem venösen Plexus des Schlemmsch en Kanals (Fig. 307, 308, C) vorne neben dem Limbus durch die Sklerd. Sodann ergießt sich das Blut in die vorderen Ziliarvenen (Venae ciliares anticae), welche neben den gleichgenannten Ar- terien liegen und gleichfalls die Rich- tung der vier geraden Augenmuskeln ein- schlagen , um nach- her in die Muskel- venen überzugehen (V.c.a.). Besondere Erwähnung verdient noch die Tatsache, daß am reichlichsten die Aderhaut und ne- ben ihr besonders die Ziliarfortsätze mit Blutadern und ve- nösen Anastomosen durchzogen sind. Über die nähere Ge- fäßverteilung und be- sonders über die An- ordnung der Kapil- laren wird bei der Be- sprechung der ein- zelnen Uvealab- schnitte noch ge- nauer berichtet wer- den. Die vorderen ziliaren Arterien und Venen können an ihrer Blutfarbe nicht voneinander unter- schieden werden, da sie von der Binde- haut bedeckt sind, welche hier als trübe Schicht wirkt und die Verschiedenheit der Blutfarbe verwischt. Bekanntlich gehen die langwelligen — roten und gelben — Strahlen des diffusen Lichtes verhältnis- mäßig leicht durch zartgetrübte Schich- ten hindurch, wäh- rend die kurzwel- Fi Gefäßver- . 304. Schematischer Durchschnitt. teilung nach Leber. A. e. a.: Arteria ciliaris antica. A. c. p. b.: Arteria ciliaris postica brevis. A. c.p.l.: Arteria ciliaris postica longa. A.c.r.: Arteria centralis retinae. C: Konjunktivalgefäße. 0. /. ma.: Circulus arteriosus iridis major. C. J. mi.: Anasto- mosenbereich des Krankenbezirkes — früher Circulus arte- riosus minor genannt. B.: Kapillare Anastomosen zwischen den konjunktivalen und den ziliaren Gefäßen. V. c. a.: Vena ciliaris antica. V. c. r.: Vena centralis retinae. V. v.: Vena vorticosa. Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. '191 ligen und unter ihnen besonders die blauen reichlicher zurückreflektiert werden. Aus diesem Grunde erscheinen die subkonjunktival gelegenen zi- liaren Gefäße — Arterien (A. c. a.) und Venen {V. c. a.) — dem Beobachter ■mehr oder weniger gleichmäßig blau. Diese blaue Farbe hat andererseits den Vorzug, daß sie vor Verwechslungen mit den oberflächlich gelegenen Binde- hautgefäßen schützt, welche ihrerseits einen schönen roten Ton besitzen. Beide Gefäßgebiete, das oberflächlich gelegene konjunktivale (C), welches in letzter Instanz aus der Carotis externa stammt und das ziliare bezw. subkonjunktivale oder episklerale, das auf dem Umwege durch die Ophthalmica schließlich aus der Carotis interna herzuleiten ist, besitzen nun am Hornhautrande ein gemein- schaftliches, aber für gewöhnlich nicht injiziertes Kapillarnetz von U/2—2mm Breite (B). Dieses Kapillarnetz, in dem unter Umständen Blutbe- standteile wieder zusammentreffen, welche vorher in die Carotis comunis hinein- getrieben und sodann zeitweilig durch die Bahnen der Carotis externa und interna getrennt waren, wird nun bei entzündlichen Veränderungen des vorderen Ab- schnittes sehr leicht hyperämisch. Es entsteht dann die Blutfüllung des sog. Randschlingennetzes (perikornealelnjektion), die außerordentlich zart gerötet erscheint und klinisch durchaus charakteristisch ist. Sind ausgedehnte Injektions- zustände an der Bulbusvorderfläche vorhanden, so wird in jedem Falle abzuwägen sein, inwieweit die roten, oberflächlichen konjunktivalen oder die tieferen blauen ziliaren Gefäße an der Hyperämie beteiligt sind. (Vgl. in dieser Hinsicht das im Abschnitt „Ko njunktiva"; S. 276, 277, Gesagte.) Regenbogenhaut und Ziliarkörper. Anatomisches. Die Regenbogenhaut (Iris) stellt denjenigen Teil des Bulbus dar, dessen Färbung für gewöhnlich auf das gesamte Auge übertragen wird. Physikalisch- optisch ist diese Haut mit der Irisblende eines Mikroskopes oder eines photo- graphischen Apparates zu vergleichen. Die Regenbogenhaut besitzt ein eigenartiges lockeres und schwamm- artiges Gewebe, sowie außerdem eine zierliche Anordnung von Gefäßen, welche diesem zarten Organ eine ausgeprägte Struktur und ein gewisses Relief verleihen (Fig. 307, 308). Der Gefäßverlauf hat in der Hauptsache als ein radiärer zu gelten (Fig. 308), doch werden in der Nähe des Pupillenrandes von den größeren Gefäßen — Arterien sowohl wie Venen — kurze Bögen gebildet, durch deren enge Lagerung ein Zickzack entsteht, das wegen seiner kreisförmigen Beschaffen- heit mit einer Krause (Fig. 308, K) verglichen werden kann. Ein Circulus arteriosus minor (C. J. mi. in der Lebersehen Figur), welcher hier früher ange- nommen wurde, existiert als zusammenhängendes, kreisförmiges Sammelrohr nicht. Arterien wie Venen haben sehr dicke Wandungen. Bei den Venen kommt die Verdickung hauptsächlich durch eine starke und mit massenhaften kollagenen Fasern ausgestattete Adventitia zustande. Die einzelnen Irisschichten setzen sich von vorne nach hinten zu- sammen: 1. aus dem vorderen Stromablatt (Fig. 307, 308, V), 2. der eigent- lichen Gefäßschicht (Fig. 305, Gefäße, 307, G, 308), 3. der glatten Muskulatur: Dilatator (Fig. 307, D) und Sphinkter (Tig. 308, M), 4. dem braunen Epithel (Fig. 307, 30*, E). Das vordere Stromablatt (V) überzieht die gesamte Regenbogenhaut mit allen ihren Erhebungen und Vertiefungen vom Irisansatz bis zum Pupillen- rande. Es besitzt einen außerordentlichen Reichtum an protoplasmatischen Zellen, dagegen ist es sehr arm an Fasern. Die protoplasmareichen Zellen dieser Schicht anastomosieren als enggelagerte Chromatophoren miteinander. Die größeren und mittleren Gefäße (Fig. 307, G; Fig. 308) sind in ein weitmaschiges und zellhaltiges, faserreiches, lockeres, schwammähnliches Binde- gewebe eingebettet. 392 K rück mann, Hinter den Gefäßen ist als abschließende Wand der zarte aus spindeligen und pigmentierten Muskelepithelien zusammengesetzte Dilatator (Fig. 307, D) ausgespannt. Vor und neben ihm befindet sich im Pupillengebiet der ringförmig angeordnete massive Sphinkter (Fig. 308, M). Die hinterste Schicht wird durch die braunen Retinaepithelien dargestellt (E), welche sich nach vorne umschlagen und den Pupillenrand besäumen (Fig. 308, U). Da der Sphinkter in ähnlicher Weise wie der Dilatator als ein Erzeugnis der Irisepithelien anzusehen ist, so kann man ohne weiteres behaupten, daß die dem unbewaffneten Auge zu- gänglichen Endausläufer des Zentralnervensystemes durch den braunen Epithel- rand der Pupille und durch den Sphinkter dargestellt werden. Fig. 305—807. Vorderer Augenabschnitt von einem jungen],Manne. Die mit gestrichelten Linien eingefaßten Partien des Übergangsteiles von der Netz- haut in den Ziliarkörper einerseits (Fig. 306) und des Kammerwinkels andererseits (Fig. 307) sind in vergrößertem Maßstabe nochmals beigefügt. A: (Circulus arteriös, iridis; B: Brückescher Muskel, d. [h. die ['meridionalen Fasern des Ziliarmuskels; C: Schlemm scher Kanal; Cor. eil.: Corona ciliaris; D; Dilatator. Derselbe trennt sich ziliarwärts mit einem pigmentierten kleinen Fortsatz vom Epithel (E) und geht daselbst in das Gebiet des ^Ziliarkörpers hinein; Dsc.: Descemetische Haut; E: Innere obere Epithellage', Fortsetzung der Retina (R); F: Kontraktionsfurche der Iris; G: Irisgefäße; H: Horn- haut; Lig. pect.: Ligamentum pectinatum; M: Müllerscher Muskel, d. h. die zirkulären Fasern des Ziliarmuskels; O: Übergangsstelle der Netzhaut (B) in eine einzellige Epithellage; Orb. eil.: Orbiculus ciliaris; P: Äußere untere Epithellage, Fortsetzung der retinalen Pigmentepithelien (Pi); Pi: Pigmentepithelien der Retina; S: Sklera; Sc: Skeralwulst; T: Trabeculum corneo-scerale; V: vorderes Stromablatt; Z: Zonulafasern. Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 393 Fig. 306. 394 Krückmann. Einer kurzen Erwähnung bedarf noch die Tatsache, daß an der Regen- bogenhaut-Oberfläche ein besonderer und geschlossener Endothelüberzug auf den protoplasmatischen Zellen des vorderen Stromablattes fehlt. Vielmehr sind es gerade diese, die sich gelegentlich epithelartig zusammenschließen (Fig. 307, 308, V). Das Kapillargebiet der Regenbogenhaut ist fast nur auf den Sphinkter (Fig. 308, M) und dessen nächste Umgebung beschränkt. An dieser Stelle ist es als ein kontinuierliches und engmaschiges zu betrachten. Die übrigen Teile sind nur mit spärlichen kleinen Kapillarbüscheln versehen und namentlich an der Irisvorderfläche finden sich nur hier und da einzelne kleine Ansammlungen von Haargefäßen. Elastische Fasern sind fast allein in den Ge- fäßwandungen anzutreffen und auch hier sind sie nur so mäßig vertreten, daß für die Pupillenbewegung elastische Kräfte wohl gar nicht oder höchstens nur im geringen Umfange in Betracht kommen. Fig. 308. Regenbogenhaut und Ziliarkörper auf dem Querschnitt Injektionspräparat. A: Circulus arteriosus iridis; B: Brücke scher Muskel; C: Schlemm scher Kanal; E: Pigmentepithel nebst aufgelagertem Dilatator; F: Kontraktions- furchen der Iris; H; Hornhaut; K: Krause; M: Sphinkter; Ml: Müll er scher Muskel; P: Ligamentum pectinatum; S: Sklera; Sc: Sklerasporn; T: Ligamentum corneo sclerale; U: Umschlagsfalte des Pigmentepithels; V: vorderes Stromablatt. Unmittelbar hinter der Sklera liegen die meridionalen, längs getroffenen (B) und nach außen vom Circulus arteriosus (^1) die zirkulären, quergetroffenen Bündel (Ml) des Ziliarmuskels. Von vorne betrachtet lassen sich an der Regenbogenhaut folgende Einzelheiten wahrnehmen. Die dünnste Stelle befindet sich am Irisansatz bezw. an der Iriswurzel (vgl. Fig. 305, 307, 308), den höchsten Punkt bildet die sog. Krause (Fig. 308, K). Durch diese Krause wird die Iris in zwei ungleich große Felder geteilt. Das kleinere — pupillare Gebiet — zeigt von innen nach außen zunächst den braunen Umschlagssaum des Epithels (Fig. 308, U), so- dann den Sphinkter (Fig. 308, 309, M) und über ihm die strahlenkronenartig an- geordneten Aufästelungen der kleinen Gefäße. Das äußere — ziliare Gebiet — enthält zuweilen zwischen den radspeichenartig angeordneten Gefäßen einige vertiefte und scharf begrenzte Stellen, die sog. Lakunen oder Krypten (Fig. 309, L). Diese Krypten zeigen weiter nichts als eine regionäre Gefäßarmut an; sie sind daher mehr oder weniger zufällige Befunde. Sie treten desto deutlicher in Erscheinung, je gedrängter in ihrer unmittelbarsten Nachbarschaft die Ge- fäße angehäuft sind, welche bei gleichmäßiger Verteilung die Lakunen selbst aus- gefüllt hätten. Weiter kommt der Irisvorderfläche noch eine Bildung von Rillen Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 395 zu, welche konzentrisch zum Limbus verlaufen und welche durch das Pupillen- spiel und besonders durch die Pupillenerweiterung und die dadurch bedingte Fältelung oder Reffung der Iris zustande kommen. Diese Rillen und Rinnen sind unter dem Namen der Kontraktionsfurchen bekannt (Fig. 305, 307, 308, F). Die soeben geschilderten Verhältnisse des Irisreliefs gelten vorzugsweise nur für unpigmentierte Regenbogenhäute. Trotzdem kommt diesen farbstofffreien Regenbogenhäuten eine Farbe zu, denn sie erscheinen meistens blau und erst mit zunehmender Dichte oder Dicke werden sie farblos bezw. grau. Die blaue Farbe der unpigmentierten Regenbogenhäute ist eine physikalische Erscheinung. Das unpigmentierte Irisgewebe stellt eine trübe Schicht dar, dem das braune Epithel als dunkler Hintergrund dient. Infolgedessen werden die langwelligen roten und gelben Strahlen verhältnismäßig leicht absorbiert, während die kurz- welligen und unter ihnen hauptsächlich die blauen Strahlen reflektiert werden und daher in das Auge des Beobachters zurückkehren. Nimmt die Iris mit den Jahren an Masse und besonders an Fasern zu, so werden die blauen Strahlen nicht mehr zurückgeworfen; eine blaue Iris erscheint dann grau. [Hält man eine gutbrennende Zigarre gegen eine dunkle Fläche, so findet man hier die gleichen Erscheinungen wie an der Regenbogenhaut. Man kann sich leicht überzeugen, daß der dünne Rauch, welcher aus dem Mundstück hervor- dringt ein bläuliches Aussehen hat, während der dichtere und zum Teil auch mit Aschenstaub durchsetzte Rauch des brennenden Endes grau erscheint.] Eine blaue Iris und gelegentlich auch noch eine graue zeigt neben ihrem zarten Relief auch einen gewissen Glanz, der durch den Saftgehalt bezw. den Protoplasmareichtum des vorderen Stromablattes zustande kommt. Ist die Iris farbstoffhaltig, so wird der Glanz allerdings mehr oder weniger vermißt und zwar besonders dann, wenn sich reichliche Pigmentkörner in der dichten Protoplasma- zone des vorderen Stromablattes angesiedelt haben. Unter diesen Umständen erhält dann die Iris oft eine bestäubte oder gekörnte Oberfläche. Selbstverständ- lich erleidet das Relief und auch die Farbe durch die Pigmentierung beträchtliche Veränderungen. Ist die Pigmentierung eine herdförmige, so spricht man auch von Nävusbildungen, nur muß man sich darüber klar sein, daß die Nävuszellen der Ins mit denen der Haut nur die Färbung, aber sonst nur sehr wenig gemein- schaftliches haben. Die Ins teilt den vorderen Augenabschnitt in zwei ungleiche Räume: die vordere und hintere Kammer (Fig. 305). Beide kommunizieren durch die Pupille. Nach hinten grenzt sie an den Strahlenkörper (Corpus ciliare). Die Form des Ziliarkörpers erscheint auf dem Querschnitt als eine drei- eckige (Fig. 305). Die Basis des Dreiecks wird durch den peripheren Teil der vorderen Kammer durch den Kammerwinkel und durch den Irisansatz geliefert, die Spitze liegt am Übergang zur Aderhaut und zur Netzhaut (Fig. 305, 306. O) Vom Augeninnern aus betrachtet bildet der Ziliarkörper an den vorderen Partien eine Reihe von einzelnen Leisten, deren Gesamtanordnung ungefähr der Form eines konischen Zahnrades entspricht (Corona ciliaris, Fig. 305, Cor. eil.). Sein rückwärtiger Abschnitt ist schmal und glatt (Orbiculus ciliaris, Orb. eil.), sein hinteres Ende fällt ungefähr mit der gezackten Linie der Retina zusammen (Ora serrata, Fig. 305, 306, O). Am Ziliarkörper sind zwei Bezirke zu unterscheiden: der muskelhaltige und der mit Fortsätzen versehene. Die Muskein verlaufen entweder meridional bezw. etwas radiär (Brücke- scher Muskel, Fig. 305, 307, 308, B) oder zirkulär (Müllerscher Muskel, Fig. 305, 307, M; Fig. 308, Ml). Die meridionalen und zirkulären Muskelgruppen haben ganz verschiedene Funktionen. Die meridionale, der Sklera anliegende Muskel- zone (B) inseriert mit einer Sehne in die Descemetische Haut (Fig. 307, Dsc). Diese Sehne wird für gewöhnlich als Trabeculum corneosclerale bezeichnet (Fig. 307, 308, T); sie ist reichlich mit elastischen Fasern und mit längsgestellten Kernen ausgestattet, die zum Teil das Lumen des Schlemm sehen Kanals (Fig. 307, 308, C) in einer ansehnlichen Ausdehnung bedecken. Als Übergangsstelle vom Muskel zur Sehne dient ein kleiner Wulst der Lederhaut, der sog. Skleralsporn (Fig. 307, 308, Sc). Die andere, hinten gelegene Sehne geht allmählich in die 393 Krückmann, Aderhaut über (vgl. den Pfeil in Fig. 305). Sehr einheitlich ist daselbst die Ver- filzung mit den elastischen Fasern, da sowohl die Aderhaut als auch die Septen und die langen bindegewebigen Ausläufer des meridionalen Ziliarmuskels in statt- licher Anzahl elastische Fasern enthalten. Der radiäre Anteil dieser Muskelgruppe sendet seine elastischen Sehnen in großer Masse direkt zwischen die elastischen Fasern der sog. Lamina elastica chorioideae, mit der eine sehr innige Verfilzung zustande kommt. Die z i r k ul ä r angeordnete Muskelgruppe (Fig. 307, M, Fig. 308, Ml.) liegt nach innen und nach hinten von der meridionalen (B). Sie stellt einen ähnlich wirkenden Ringmuskel dar wie der Pupillensphinkter. Diese Portion hat weder kollagene noch elastische Muskelsehnen. Als Sehnen bezw. Sehnenfäden dieses Muskels wirken die Zonulafasern (Fig. 305, Z), welche an die Epithelien der Ziliarfortsätze geheftet und den Gliafasern gleich zu setzen sind, da sie ebenso wie diese Glia- produkte darstellen. Die meridionalen und radiären Muskelbündel spannen die Aderhaut, dagegen verengern die zirkulären den Raum um die Linse herum. Die anderen Bestandteile des Ziliarkörpers sind die Ziliarfortsätze. Sie sind außerordentlich gefäßreich und im Verhältnis zu ihrer Kleinheit vielleicht die gefäßreichsten Partien des menschlichen Bulbus. In ihnen befinden sich sehr viele kleine Venen und Kapillaren, aus denen durch die Vermittelung des aut- sitzenden Epithels das klare, durchsichtige und eiweißhaltige Kammerwasser abgesondert wird. Schließlich ist noch die Kammerbucht zu erwähnen. Die Kammerbucht oder der Kammerwinkel (auch FontanascherRaum genannt) befindet sich zwischen dem Trabeculum corneosclerale (Fig. 307,308, T), dem Ziliarmuskel und der Iris. Sie wird durch ein weitmaschiges, zellhaltiges Gewebe ausgefüllt, das im Verhältnis zu seiner räumlichen Ausdehnung nur sehr wenig mit kollagenen und noch spärlicher mit elastischen Fasern versehen ist (Ligamentum pectinatum, Fig. 307, Lig.pect., Fig.308,P). Dieses Ligamentum sowie das Trabeculum sind noch mit den Endothelien der Descemetischen Haut bedeckt. Sie stehen in direkter Verbindung mit dem Schlemm sehen Kanal, um mit diesem gemeinsam als Abflußstation des vorderen Augenabschnittes zu wirken. Einiges über die Pupille (cf. hierüber auch S. 40ff.) Die Pupille ist beweglich. Ihr Bewegungsspiel kommt einerseits durch den Sphinkter andererseits durch den Dilatator zustande. Mit dem Alter pflegt die Beweglichkeit etwas geringer uud die Pupille etwas enger zu werden. Diese Veränderungen sind dadurch bedingt, daß die Wandungen der Irisgefäße, welche normalerweise schon recht stattlich sind, später noch dichter sowie dicker werden. Die mit diesen Zuständen verbundene Starrheit erschwert naturgemäß eine schnelle und ausgiebige Veränderung der Pupillenweite. Das Pupillenzentrum deckt sich für gewöhnlich nicht genau mit der Iris- mitte ; in der Regel ist es etwas nach innen verlagert. In solchen Fällen erscheint dann die temporale Irishälfte etwas breiter wie die nasale. Diese Pupillen- verschiebung ist für die optischen Vorgänge mehr oder weniger gleichgültig, da die Gesichtslinie (d. h. die Fixierlinie, welche die Stelle des schärfsten Sehens — die Fovea centralis — mit dem angesehenen Objekt verbindet) sehr oft ebenfalls nasalwärts vom Hornhautzentrum verläuft (vgl. die Bemerkungen über den Winkel y, S. 107). Die Pupille erscheint für gewöhnlich schwarz. Die Erklärung hierfür ist einfach. Die durch die Pupille auf die Netzhaut fallenden Strahlen kehren auf demselben Wege wieder aus dem Auge zurück, in dem sie eingetreten sind, „sie werden in sich selbst reflektiert". Beim Blick in eine Pupille müßte auf der Netzhaut des Untersuchten ein Bild von der Pupille des Beobachters zustande kommen. Diese Netzhautstelle, welche das Pupillenbild des Untersuchers trägt, bleibt unbeleuchtet, weil der Beobachter aus seiner eigenen Pupille keine Licht- strahlen in das Auge des Untersuchten hineinsendet. Da vom Beobachter aus keine Lichtstrahlen in die Pupille des Untersuchten hineingelangen und infolge- Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 397 dessen auch keine heraustreten können, so ist die untersuchte Pupille unbeleuchtet und ihr Gebiet erscheint daher schwarz. Das schwarze Aussehen gilt natürlich nur für diejenigen Fälle, wo das Pupillengebiet sowne die Linse und der Glas- körper selbst klar und durchsichtig sind. Nimmt der Linsenkern eine bräunliche bezw. gelbliche oder die Linsenrinde eine grünliche Färbung an, wie dies bei zu- nehmendem Alter vorzukommen pflegt, so wird aus einer erweiterten Pupille ein bräunlicher oder ein grünlicher Linsenreflex hervorleuchten. Noch auffallender ist der graue Linsenreflex bei vorhandener Starbüdung. Die Pupillenweiten richten sich im allgemeinen nach der Beleuchtung; je heller das Licht ist, desto enger pflegt die Pupille zu sein, doch kommen hier noch andere Momente in Betracht, unter denen die Adaptation nur kurz erwähnt sein soll. Auf die Weite der Pupillen haben verschiedene Mittel einen Einfluß, welche direkt auf die Nervenendigungen des Sphinkters oder des Dilatators wirken. Als pupillenerweiternde Mittel (Mydriatica, vgl. S. 16) sind haupt- sächlich Atropin (V'a—1 °/o), Skopolamin (0,1—0,3 °/o) und Homatropin (V2—l°/o) in Gebrauch. Als pupillenverengernde Mittel (Miotica, vgl. 18) werden meistens Pilokarpin (1—2%) und Eserin (x/i—l"/o) angewendet. Die ersten lähmen, die letzteren reizen den Sphinkter der Iris und in gleicher Weise auch die zirkulären Bündel des Ziliarmuskels; sie haben somit auch einen Einfluß auf den Akkom- modationsakt. Sodann kommt als pupillenerweiterndes Mittel noch Kokain (2—4%) in Betracht, dieses reizt den Dilatator (vgl. S. 16). Eine maximale Mydriasis wird also erreicht durch Atropin (Sphinkterlähmung) plus Kokain (Dilatatorreizung). Auf die nervösen Einflüsse und Störungen bei der Pupillenbewegung und auf die einzelnen Pupillenreaktionen, wie sie auf Licht, Akkommodation, Kon- vergenz usw. eintreten, ist im Abschnitt „Untersuchung des Auges, S. 40ff., ein- gegangen worden. Über das Verhalten der vorderen Augenkammer (V. K.). Die vordere Kammer interessiert an dieser Stelle hauptsächlich hinsichtlich ihrer Tiefe, soweit diese durch krankhafte Veränderungen beeinflußt ist. Die vordere Kammer (V. K.) wird abgeflacht beim Akkommodationsvorgang und bei glaukomatösen Zuständen, wenn die Irisperipherie gegen die Hornhaut- hinterfläche vorrückt. Tief erscheint die V. K. in allen denjenigen Fällen, wo der Inhalt des hinteren Augenabschnittes verringert ist oder avo er die erweiterten Hüllen dieses Abschnittes nicht mehr auszufüllen vermag. Eine vertiefte V. K. findet man daher nach Entfernung der Linse aus ihrer normalen Lagerung oder nach Verlust von Glaskörper sowie auch bei Myopen; bei letzteren deswegen, weil bei ihnen eine Verlängerung der Augenachse eintritt, während das Glaskörpervolumen unver- ändert bleibt. Ist die V. K. vertieft, so muß die Regenbogenhaut nach hinten zurück- sinken. Sie verliert dadurch an Stützfläche für ihr Hin- und Hergleiten. Die Folge davon ist eine gewisse Unsicherheit in der Bewegung, was sich durch Schlottern oder Flattern bemerkbar macht -- Iridodonesis. Sehr auffällig ist diese Iridodonesis bei ungleicher Tiefe der V. K., z. B. bei Luxationen oder Subluxationen der Linse (vgl. S. 39). Über angeborene Veränderungen der Regenbogenhaut (Näheres cf. den Abschnitt „Mißbildungen", S. 210 ff.) Des A^ergleiches wegen seien hier nochmals kurz angeführt: IHe Überbleibsel der Pupillarmembran. Diese bestehen meistens aus kleinen grauen oder pigmentierten Fädchen, die von der Krause abgehen und von hier aus ins Pupillengebiet hineinpendeln. Mitunter beschränkt sich aber der ganze Rest der Pupillenmembrau auf einzelne braune Punkte, welche der vorderen Linsenkapsel aufgelagert sind. 398 Krückmann, Das sog. Ectropium uveae. Dies entspricht einer verlängerten Umschlagsfalte des Pigmentepithels. Das Pigmentepithel bedeckt in solchen Fällen diejenigen Stellen, an denen sonst der Sphinkter zur Entwickelung gelangt. Der Umschlagssaum hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Schürze. Für gewöhnlich hält sich dies Ektropium innerhalb des Sphinkterbereiches; nur selten geht es über diesen Bezirk hinaus. Das angeborene Kolobom der Iri s. Hierunter versteht man eine mangelhafte Ausbildung der Irisnach unten und nach innen. Dieser Zu- stand weist darauf hin, daß die fötale Spalte der Regenbogenhaut nicht vollkommen geschlossen ist. Das Kolobom kann in seiner Aus- dehnung außerordentlich schwanken. Mitunter ist nur eine kleine Einker- bung vorhanden, doch kann der Spalt auch bis zur Irisperipherie reichen. Der Sphinkter ist überall an der Ko- lobomgrenze nachweisbar, wenn auch nur in geringgradigem Maße. Hier- durch , sowie durch seinen Sitz un- terscheidet sich das angeborene Ko- lobom von den anderen lriskolobomen, die auf operativem oder trauma- tischem Wege gebildet Werden. Fig. 309. Ectropium uveae und angeborenes Iriskolobom. Die punktierte Linie gibt die normale Pupillenform an. K: Krause, L: La- kune oderKrypte, M: Sphinkter. Die Grenze des Ektropiums (E) ist durch eine zarte weiße Linie angegeben. Der angeborene Irismangel, die Aniridie. Die Regenbogenhaut fehlt in solchen Fällen meistens nicht vollständig; sie ist nur sehr rudimentär entwickelt. Das Rudiment besteht aus einem kleinen zirkulären Stumpf der Iriswurzel. Dieser Stumpf kann gelegentlich recht un- angenehm werden, weil er unter Umständen durch Verstopfung des Kammer- winkels zu glaukomatösen Zuständen zu führen vermag. Iridozyklitis. Über Entzündungen der Regenbogenhaut (Iritis) und des Ziliarkörpers (Zyklitis). Die Entzündungen der Regenbogenhaut werden herkömmlicher- weise vielfach eingeteilt in seröse, in fibrinöse und in suppurativa Eine derartige Gruppierung bedeutet weiter nichts, als daß im klinischen Bilde unter den anatomisch sichtbaren Eiitzündungsbestandteilen ent- weder die flüssigen oder die fibrinösen oder die zelligen vorherrschen, aber einen Hinweis auf die Krankheitsursache gestattet diese Scheidung nur in sehr geringem Umfange. Die Kntzündung der Regenbogenhaut kann primär in Er- scheinung treten, sie kann aber auch durch Erkrankung anderer Augenteile ausgelöst werden. Letzteres geschieht entweder durch eine Entzündung der Bindehaut und Hornhaut oder von den hinteren Uvealschichten aus. Von den Konjunktivitiden neigt die durch Strepto- Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 399 kokken oder Pneumokokken verursachte am meisten zu einer Iritis. Unter allen Hornhautentzündungen kommt es beim Ulcus serpens sowie bei der Keratitis interstitialis und disciformis am häufigsten zu einer Komplikation mit Iritis. Eine Zyklitis tritt nur sehr selten primär auf. An der Regenbogenhaut sind von den vier bekannten Entzündungs- symptomen: Rubor, Tumor, Dolor, Calor die ersten beiden außer- ordentlich häufig nachzuweisen. Dagegen ist der Schmerz nicht in allen Fällen vorhanden und noch seltener ward der Calor empfunden. Fast alle Entzündungen der Regenbogenhaut beginnen mit einer perikornealen Injektion und mit einer aktiven Erweiterung von radiär gerichteten Irisgefäßen, der sich eine Hyperämie der zugehörigen Kapillaren und Venen anschließt (Rubor). Die arterielle Röte kann plötzlich auftreten, aber auch langsam einsetzen. Die Gefäßhyperämie ist wie überall so auch in der Iris regelmäßig mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Gefäßwandungen und daher mit dem Austritt eines entzündlichen Exsudates verknüpft. Das entzündliche Exsudat (Tumor) setzt sich zusammen aus einer eiweiß- reichen serösen Flüssigkeit (dem Entzündungsödem), aus fädigen Ge- rinnungsprodukten (dem Fibrin) und aus Exsudatzellen (den Eiter- körperchen). Das quantitative Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den flüssigen, den fädigen und den zelligen Bestandteilen bringt die anatomisch verschiedenen Entzündungsformen und die klinisch ab- weichenden Krankheitsbilder zustande. Man spricht daher auch von einer serösen, serofibrinösen, fibrinösen, fibrinös-eite- rigen und einer rein eiterigen Entzündung. Die Beschaffenheit des Exsudates ist meistens außerordentlich leicht zu erkennen, weil es sich dem klaren Inhalt der vorderen Kammer beimischt, den es dann in charakteristischer Weise zu trüben pflegt. Bei dieser Gelegenheit soll nicht unerwähnt bleiben, daß der Inhalt der V. K. auch ohne Entzündung eine Trübung erfahren kann und zwar dann, wenn an den Ziliarfortsätzen die Funktion der Epithelien irgendwie gestört wird. Der- artige Störungen melden sich zuweilen schon nach einer Punktion der V. K. bezw. nach einer Entleerung des Kammerwassers. Das neue und verhältnismäßig schnell nachrückende Kammerwasser ist in der Regel wesentlich eiweißreicher als das normale. Der Gehalt an Eiweiß macht es trübe; auch pflegt jede Eiweißzunahme der V. K. das Pupillengebiet mehr oder weniger zu verschleiern. Die Eiweißkrümel, welche unter solchen Umständen in der V. K. vorhanden sind, lassen sich mikro- skopisch sehr häufig auch noch zwischen den Epithelzellen der Ziliarfortsätze selbst wahrnehmen. Außer diesem Eiweiß gibt es auch Eiweißausscheidungen innerhalb des Kammerwassers, die auf ein entzündliches Ödem der Regenbogenhaut und r,>i . Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 423 das innigste angeheftet sind. Diese Schicht (Suprachorioidea: S) dient den Gefäßen und Nerven zum Durchtritt, eine Gefäßautästelung findet in ihr nicht statt, dagegen enthält sie viele Chromatophoren. Die Chromatophoren, welche alle Gefäßschichten mit Ausnahme der vorderen Kapillarschicht durchsetzen, sind mitunter so dicht pigmentiert und zugleich so eng nebeneinander angeordnet, daß die zwischen den Gefäßen befind- lichen Räume — die sog. Intervaskularräume — fast vollkommen von ihnen ausgefüllt werden. Das Verhalten der Chromatophoren zu den Gefäßen läßt sich ungefähr in folgender Weise anschaulich machen. Deckt man die Finger von mehreren ver- schieden dicken Händen kreuzweise übereinander, wobei die Finger der kleineren Hände nach oben zu liegen kommen und drückt man dann die verkreuzten Finger zusammen in eine knetbare gefärbte Massi (z. B. in einen Teig), so hat man das Verhältnis der Gefäße zu den Intervaskularräumen. Den Fingern entsprechen die Gefäße und dem Teig die Intervaskularräume. Farbe und Aussehen der Aderhaut hei normalen und pathologischen Zuständen (vgl. Tafel A). Die Farbe des Augenhintergrundes ist wesentlich abhängig von der Art der Lichtquelle, die zum Augenspiegeln verwendet wird. Enthält die Lichtquelle vorwiegend langwellige — rote und gelbe — Strahlen, wie z. B. die Petroleumlampe, so wird der Augenhinter- grund dem Untersucher verhältnismäßig röter erscheinen als bei Be- nutzung einer Lichtquelle, von der vorzugsweise kurzwellige Strahlen geliefert werden, wie z. B. vom Auerlicht oder vom elektrischen Glühlicht. Bei Tagesbeleuchtung, in der die kurzwelligen Strahlen viel zahlreicher vertreten sind als in den künstlichen Lichtquellen, erscheint daher auch das ophthalmoskopische Bild des Augenhinter- grundes ungleich blasser rot als bei jeder anderen Beleuchtung. Diese von der Beleuchtungsquelle abhängige Farbenveränderung wird in jedem einzelnen Falle zu beachten sein. Hierbei wird der Ver- gleich mit der jeweiligen Röte oder Blässe der Papille berücksichtigt werden müssen. Vor allen Dingen hat man daran festzuhalten, daß die Farbstoffkörner der Pigmentepithelien die sog. Fusionskörperchen gleichsam als Deckfarbe dienen (Fig. 1, Ep). Ist die Pigmentierung eine sehr dichte und zugleich dunkle, so kann das Aderhautgefüge vollkommen verdeckt bleiben; ist die epitheliale Piamentierung dagegen eine schwache, so läßt sich das Aderhautgewebe meistens sehr schön wahrnehmen. Enthalten in solchen Fällen die Aderbaut-Chromato- phoren selber gleichfalls reichliches Pigment, so erscheint der Augenhintergrund rötlich-schwarz oder doch mindestens dunkelrot. Liegt das Chromatophoren- pigment hauptsächlich zwischen den Aderhautgefäßen, so daß diese gleichsam von gelben oder braunen Zellen eingehüllt werden, so erhält der Hintergrund ein gefeldertes oder getäfeltes Aussehen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Pigmentepithelien in ausreichendem Maße die Lichtstrahlen d?s Augenspiegels durchlassen Die einzelnen dunklen Felder der Aderhaut sind dann von roten Gefäßen begrenzt. Eine Aderhautfelderung kann man auch dann wahrnehmen, wenn das Auge unpigmentiert ist, wie dies z. B. bei den Albinos vorkommt. In diesem Falle erscheinen die Intervaskularräume nicht dunkel, sondern weiß, und zwar deswegen, weil die Sklera durchschimmert. Zwischen dem albinotischen Hintergrund und dem getäfelten, sowie dem ganz dunkelroten gibt es nun die verschiedensten Unterschiede, Grade und Abstufungen, die an dieser Stelle nicht einzeln besprochen werden brauchen (cf. Tafel II; ferner Abschnitt „Ophthal- moskopische Differentialdiagnose'', S. 63). Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind mehrere Aderhautielder nebeneinander abgebildet worden (Fig. 1, II—VI), an denen das histo- logische und ophthalmoskopische Verhalten von krankhalten Ver- änderungen in einem lochartig gehaltenen Bezirke studiert werden 424 Krückmann, kann. Das Chromatophorenpigment ist gelblich, das epitheliale bräun- lich schwärzlich. Die Färbung des Pigmentepithels, das gleichmäßig rote Kolorit der Choriokapillaris und der Farbstoffgehalt der Chromatophoren, welche stets und somit auch im vorliegenden Falle die Farbe des Hintergrundes bedingen, haben hier einen hellroten Farbenton zu- stande gebracht. Als Beleuchtungsquelle diente Gaslicht (Tafel A). Die Bezeichnungen sind folgende: Ep Pigmentepithel, Ca Choriocapillaris inklusive Basalmembran, Lamina elastica, sowie subkapillarer Fibrillen- und Zellen- lage, G Schicht der Arterien und Venen nebst ihren Verzweigungen, S Supra- chorioidea, L Lederhaut. Im ersten Bilde (I) erweist sich die Färbung des Hintergrundes und der histologische Querschnitt als normal. In den folgenden (II, III, IV, V, VI) sind in übersichtlicher und z. T. in schematischer Weise verschiedenartige Krank- heitsfälle dargestellt worden, an denen der Untergang von Kapillaren und die Mit- erkrankung der tieferen Schichten demonstriert werden sollen. In den Feldern II—VI entspricht das nebenstehende histologische Präparat stets dem runden Loche des Spiegelbildes. Im zweiten Felde (II) fehlt die Choriokapillaris und somit die gleichmäßig rote Tönung; auch das Pigmentepithel hat etwas gelitten. Infolgedessen treten die großen Aderhautgefäße deutlich hervor. Zwischen ihnen sind die gelben Inter- vaskularräume gut erkennbar. Über ihnen befinden sich einzelne schwarze Tüpfel, welche als die Überbleibsel der Fuszinkörper anzusprechen sind, die sich in den degenerierenden und degenerierten Pigmentepithelien erhalten haben. Im dritten (III) sind die Choriokapillaris und das Pigmentepithel völlig zu- grunde gegangen. Ophthalmoskopisch fehlt daher die schwarze Tüpfelung. Ein größeres Aderhautgefäß (A) ist obliteriert. Die gelben Intervaskularräume sind denen der vorigen Figur (II) durchaus ähnlich. Das obliterierte Gefäß (A) zeigt seinen Blutmangel durch das Fehlen der roten Blutsäule an. Im vierten (IV) sind die krankhaften Zustände und besonders die Gefäß- veränderungen wesentlich weiter vorgeschritten. Fast alle Gefäße sind obliteriert mit Ausnahme eines einzigen (B), das noch ein kleines Lumen zeigt. Die Inter- vaskularräume und das blutleere Geäder sind sehr deutlich. Auch der dünne Blut- streifen, der dem verkleinerten Lumen des soeben erwähnten Gefäßes (B) ent- spricht, ist leicht wahrnehmbar. Im fünften (V) findet man nur noch die Abdrücke der geschwundenen und atrophischen Gefäße oberhalb der Suprachorioidea und zwischen ihnen einige wenige Chromatophoren. Im sechsten (VI) ist ein Gefäß mit verdickten Wandungen und vollkommen obliterierter Lichtung (A) und ein anderes mit einem verkleinerten Lumen (B) vorhanden. Zum Unterschied von den anderen Feldern (II—V) handelt es sich hier aber nicht um den Ausfall der ganzen Kapillarschicht, sondern nur um den Untergang von einzelnen Kapillarschlingen. Auch finden sich am Pigment- epithel keine nennenswerten Veränderungen. Ophthalmoskopisch läßt sich die Blutleere des einen (A) und die Lumenverengerung des anderen (B) sehr gut erkennen, aber der geringe Verlust von Kapillarschlingen ist nur an einer Ver- änderung des roten Tones zu bemerken. Solche zarten Störungen innerhalb der Choriopapillaris sind ophthalmoskopisch schwer zu diagnostizieren. Diese Abbildungen sind nur deswegen ausgewählt worden, um in anschaulicher Weise einige Abstufungen von den bei Aderhauterkran- kungen auftretenden GeAvebsveränderungen wiederzugeben; sie machen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Außer diesen Gewebsveränderungen gibt es noch andere cho- rioideale Erkrankungen, die weniger aus dem Spiegelbild als aus dem der miterkrankten Netzhaut zu erschließen sind. Diese Netzhautveränderungen äußern sich ophthalmoskopisch meistens in der Form von schwarzen und weißen Flecken. ^Yeiße Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 425 Flecke sind in der Mehrzahl Anhäufungen von Fettkörnchen in den retinalen Gliazellen. Sie kommen als Folgezustände von Aderhaut- störungen nicht so häufig in Betracht wie die schwarzen Herde, welche vorwiegend dann vorhanden sind, wenn eine Zirkulations- störung in der Choriokapillaris vorliegt, die zur Schädigung des auf- sitzenden Pigmentepithels und der anstoßenden äußeren Netzhaut- schichten führt. Selbstverständlich können unter diesen Umständen auch die übrigen Schichten der Aderhaut und der Netzhaut auf die mannigfachste Weise in Mitleidenschaft gezogen sein (vgl. Tafel B). Die Farbstoff körnchen der Pigmentepithelien werden vielfach in die Netz- haut hinein verschleppt. Dies kommt dadurch zustande, daß die Fortsätze der Müll er sehen Stützzellen mit den Fortsätzen der Pigmentepithelien verschmelzen, und daß die neugebildeten gemeinschaftlichen Protoplasmabahnen als Transport träger für die Fuszinkörper Verwendung finden. Jede Netzhautpigmentierung ist daher in erster Linie der Ausdruck einer Pigmentierung der Müll ersehen Stütz- zellen und somit des retinalen Gliagewebes. Da das Gliagewebe unter patho- logischen Bedingungen in großer Ausdehnung zu wuchern vermag, so entstehen mitunter dichtpigmentierte schwarze Gliazellen, die besonders um die Gefäße herum angesiedelt werden. Selbstverständlich können die Pigmentepithelien aber auch in die degenerierte Aderhaut einwuchern. Hier handelt es sich dann aber nicht um eine Vereinigung von bereits vorhandenen aber bis dahin getrennten Protoplasmabahnen, sondern um eine Zellneubildung, die mitunter zu dichten schwarzen Flecken führen kann. Die Grenze der atrophischen Aderhautherde wird sehr häufig durch schwarze Säume kenntlich, welche zugleich den Übergang von den gesunden zu den abgestorbenen Pigmentepithelien angeben. Man nennt diese schwarzen Grenzsäume auch die epithelial-gliöse Verbindungszone. Zur näheren Orientierung sollen hier zwei Figuren dienen. In Tafel B Fig. 2 findet sich ein Aderhautherd, in dem die Choriokapillaris und das Pigmentepithel zugrunde gegangen sind. Rechts schimmert die weiße Sklera durch, daneben liegt ein gelber Aderhautbezirk, in dem sich zwei Gefäße erhalten haben. Davon zeigt das eine (A) verdickte Wandungen und ein verengertes Lumen, das andere (V) stellt eine gut gefärbte normale Vene dar. Der weiße Strich des ophthal- moskopischen Bildes gibt die ungefähr« Richtung des zugehörigen mikroskopi- schen Schnittes an. Der ganze Herd ist schwarz berändert. Diese Randpartien entsprechen der epithelial-gliösen Verbindungszone, die im Hintergrundsfelde etwas moosartig angeordnet ist. Mikroskopisch ist die Vene (V) sehr gut zu erkennen, desgleichen das ver- engte Gefäß (A), das wohl für eine Arterie gehalten werden muß. Die Netzhaut ist mit der Aderhaut verwachsen. Am Herdrande, d. h. an der Verwachsungsecke ist die Verbindung der Fortsätze der Pigmentepithelien mit denen der retinalen Stützzellen an dem gemeinschaftlichen braun gekörnten Anastomosennetz deutlich wahrzunehmen. Durch dieses Netz werden die Fuszinkörner von den Pigment- epithelien aus in die Retina hineintransportiert; zum Teil gleiten sie dann inner- halb der Stützzellen weiter nach vorne bis zur Limitans interna (Li). In Fig. 3 ist eine sehr dichte Pigmentierung vorhanden. Auch hier ist die Choriokapillaris zugrunde gegangen. An ihrer Stelle haben sich mehrere Bindegewebsleisten entwickelt, welche übereinander geschichtet sind und in ihren Spalten neugebildete Pigmentepithelzellen enthalten. Die verschiedenen schwarzen Zellagen ergeben ophthalmoskopisch einen dichten schwarzen Fleck. Auch an dieser Stelle ist die Verbindung des Stützgewebes mit dem Epithel nach- weisbar und zwar wiederum in durchaus ähnlicher Anordnung wie in der vorigen Abbildung (Fig. 2). Vorne ist ein größeres Netzhautgefäß (A) von einem dichten Pigmentring umgeben, der aus gewucherten farbstoffhaltigen Gliaelementen besteht. In beiden Fällen ist der Untergang der Choriokapillaris und des Pigmentepithels die Ursache für das Sichtbarwerden der Hintergrunds- erkrankimg. Im ersten Falle (Fig. 2) handelt es sich außerdem um eine Atrophie der Chorioidea, welche schon ophthalmoskopisch nach- 426 Krückmann, Tafel B. Leder haut' Aderhaut ♦ J#« #v» **r# •%• • * Netzhaut \ A. \ '*Q»«ttfr •*?• n^ i 'f • t^ »/■' -Z; Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 427 weisbar ist. Am zweiten Auge (Fig. 3) wird diese Aderhautatrophie durch eine Wucherung von Bindegewebe verdeckt, das aus einzelnen Strängen be- steht, deren Zwischenräume mit neugebildeten Pigmentepithelien durch- setzt sind. In beiden Fällen findet sich außerdem eine Verwachsung der Aderhaut mit der Netzhaut und eine Netzhautpigmentierung. Chorioiditis. DieEntzündungen derAderhaut sind mannigfacher Art. Viele beschränken sich auf die Aderhaut allein (Chorioiditis), andere sind Begleiterscheinungen von entzündlichen Veränderungen an der Iris und am Ziliarkörper (sog. Iridochorioiditis oder besser gesagt: Uveitis). Fast alle Entzündungen der Aderhaut, welche nicht im Anschluß an Verletzungen auftreten, sind entweder uveale Manifestationen von Allgemeinleiden (namentlich von Lues und Tuberkulose) oder sie stellen metastatische Vorgänge dar, die ihren Ausgang von einem oder mehreren Krankheitsherden des übrigen Körpers genommen haben. Beachtenswert für alle Ent- zündungen, welche sich auf die Aderliaut beschränken, ist der Mangel einer Schmerzempfindung; die Aderbaut besitzt keine sensiblen Nerven. Subjektive Symptome. Die subjektiven Beschwerden äußern sich bei Aderhauterkran- kungen durch verschiedenartige Sehstörungen. Die Klagen der Kranken beziehen sich hauptsächlich auf das Sehen von Funken und von Blitzen (Photopsie), auf Verzerrtsehen von Gegenständen (Metamorphopsie) (vgl. S. 126). Vielfach wird auch Flimmern angegeben (vgl. S. 125). Mit- unter erscheinen die beobachteten Objekte kleiner (Mikropsie). Beim Sitz der AfTektion in der Makulagegend ist die zentrale Sehschärfe mehr oder weniger hochgradig herabgesetzt. Sind die Herde über den ganzen Augen- hintergrund ausgebreitet, so bemerken intelligentere Patienten selbst die in dem Aderhautherden entsprechenden (iesichtsfeldlücken (subjektive positive Skotome, vgl. S. 130). Häufig äußern die von Chorioideal- Erkrankungen Befallenen eine Herabsetzung des Sehvermögens nur am Abend (Hemeralopie) (vgl. S. 126), doch ist diese Erscheinung bei weitem nicht so ausgesprochen wie bei der „Retinitis pigmentosa". Einer landläufigen Gewohnheit gemäß sollen auch im vorliegenden Abschnitte die nichteiterigen, d. h. die vorwiegend serösen und sero- fibrinösen Entzündungen von den eitrigen — suppurativen oder puru- lenten — getrennt werden, obwohl es sich im hinteren Uvealabschnitte ebenso wie im vorderen nur um gleitende Übergänge und somit um graduelle Unterschiede handelt. Chorioiditis serosa et fibrinosa. Bei den meisten Formen von nicht eitriger Chorioiditis bleibt der vordere Uvealabschnitt unbeteiligt. Es finden sich dann am Hintergrunde entzünliche Herde, die im allgemeinen den Papillen- durchmesser nur wenig oder gar nicht an Größe übertreffen. Gehen diese serösen, sero-fibrinösen, bzw. fibrinös-zelligen Herde mit reich- lichem ödem einher, so pflegt dieses auf die benachbarten Netzhaut- partien überzugreifen, sie mit Flüssigkeit zu durchtränken und sie grau oder graubläulich zu verfärben bezw. zu trüben.- Diese Netzhautschwellungen lassen sich mit dem Angenspiegel am besten dann nachweisen, wenn sie zufällig von Gefäßen passiert werden, da der Gefäß- verlauf durch die Flüssigkeit eine kleine Verlagerung zu erfahren pflegt. Solche Gefäßverschiebungen geben sich hauptsächlich in zweierlei Weise kund. Entweder wird die Blutsäule durch das Ödem ganz oder teilweise verdeckt oder sie wird 428 K rück mann, empor gehoben. Ist die Ödemflüssigkeit nur im mäßigen Grade oder in minimaler Weise vorhanden, so erhalten die Herde ein anderes und zwar meistens ein gelb- liches oder graugelbliches Aussehen. Die angelagerten Netzhautbezirke und die in ihnen verlaufenden Gefäße zeigen dann kaum oder nur sehr selten irgendwelche ophthalmoskopische Veränderungen. Weder bei den ödemhaltigen noch bei den Ödemarmen bezw. ödemfreien Herden reicht die Spiegeluntersuchung aus, um die Krank- heitsursache festzustellen; denn durch die verschiedenartigsten Ent- zündungserreger können die gleichen oder doch sehr ähnliche Spiegel- bilder hervorgerufen werden. Da nun alle Aderhautentzündungen gleichsam als Signal dafür gelten können, daß im übrigen Körper Entzündungsstoffe bzw. Erreger vorhanden sind, so ist eine all- gemeine Untersuchung des Körpers unerläßlich. Allerdings kommen Fälle vor, wo durch die Größe, die Farbe, die Anordnung und Lokalisation der Aderhautherde ein gewisser Anhaltspunkt für die Ätiologie gefunden werden kann. Liegen die Herde beispielsweise im vorderen Aderhautabschnitt, so wird in erster Linie die L u e s zu berücksichtigen sein. Dasselbe gilt von gruppierten Flecken, die auf einem engen Gebiet zusammengedrängt sind. Die Diagnose wird fast zur Sicherheit, wenn früher lokalisierte Sphinktererkrankungen vorhanden waren, deren Residuen in zirkumskripten Atrophien und breitbasischen Synechien bestehen. Bei den Tuberkeln ist diese verstreute — disseminierte — Anordnung von kleinen runden und in ihrer Größe fast übereinstimmenden Knötchen ver- hältnismäßig häufig. (Vgl. das Spiegelbild, Tafel VIII, 1 und S. 78). Beiläufig soll hier erwähnt werden, daß der ophthalmoskopische Nachweis von Chorioideal- tuberkeln bei einer Differentialdiagnose zwischen Typhus und Miliartuberkulose nicht mehr die Bedeutung hat wie früher vielfach angenommen wurde. Die modernen Methoden des Typhusnachweises (Widaische Reaktion usw.) machen den Spiegelbefund vielfach überflüssig. Außerdem treten miliare Aderhauttuber- keln vielfach erst so spät auf, daß der Allgemeinbefund so wie so schon das baldige Ende vermuten läßt. Schließlich sei noch erwähnt, daß auch beim Typhus und bei der Pneumonie in der Aderhaut Herde vorkommen können, die den Tu- berkeln durchaus ähnlich erscheinen. In allen Fällen ist es wichtig Nachforschungen anzustellen, ob fieberhafte Erkrankungen vorausgegangen sind. Unter ihnen spielen die akuten Exantheme, die Pneumonie und die Influenza eine gewisse Ptolle, weil während ihres Verlaufes gelegentlich eine latente Tuber- kulose wieder aufflackert. Atrophische Flecke. Verschwinden die einzelnen Herde mit Hinterlassung einer Ader- hautatrophie, so stellen sich unter Umständen die abwechselungs- reichsten Bilder ein und zwar sowohl mit wie ohne Netzhautpigmen- tierung (vgl. die Tafeln A und B, Fig. 1, 2, 3). Die atrophischen Aderhautflecke können rundliche, längliche, eckige, gezackte, blatt-, nieren- und hantelartige Formen annehmen. JedeNetzhautpigmentierung, die im Anschluß an umschriebene Aderhautflecke bemerkbar wird, gehört mehr oder weniger in das Gebiet der zufälligen Ereignisse. Sie kann bei gleichzeitig und gleichartig entwickelten Herden in massiver oder in zierlichster Weise ausgeprägt sein. Vielfach be- schränkt sie sich auf die Ränder (vgl. das Spiegelbild, Tafel B, Fig. 2), sie kann aber auch vollkommen fehlen und zwar dann, wenn die Fuszinkörperchen der Pigmentepithelien irgendwie weggeschleppt wurden (vgl. S. 77). Es kommen sehr häufig Fälle zur Beobachtung, bei denen die akuten Stadien der Herd- und Fleckenbildung nicht mehr beobachtet werden können, und bei denen man sich mit der Wahrnehmung der atrophischen Erscheinungen begnügen muß. Unter diesen Umständen Erkrankungen der Uvea, des Glaskörspers und der Sklera. 429 ist es nun außerordentlich schwer, der Ätiologie nachzuspüren, da durch Gefäßerkrankungen degenerativer Natur ähnliche Zustände 'her- gebracht werden können, wie durch Entzündungen. In dieser Hin- sicht spielt nun ganz besonders die Arteriosklerose eine wichtige Bolle. Aber auch bei der hochgradigen Myopie können Ausfallerscheinungen größerer Kapillarbezirke durch eine einfache Dehnung der Gefäße hervorgebracht werden, denn fast immer handelt es sich bei den atrophisch entfärbten Flecken der Aderhaut um den Ausfall von einem oder mehreren Kapillargebieten, bei denen nebenbei die anderen Schichten in kleinerer oder größerer Tiefe und Ausdehnung in Mit- leidenschaft gezogen sind. Selbstverständlich kommen sowohl bei der Arteriosklerose als auch bei der Myopie in erster Linie Obliterationen der klein en Arterien — sog. Arteriolen— in Betracht. Im speziellen sei noch hinzugefügt, daß beim Zusammentreffen von Arteriosklerose und hochgradiger Myopie iu bevorzugter Weise die Makula- gegend erkrankt ist. Man hat einige Formen der Chorioiditis mit besonderen Namen belegt. Man spricht z.B. von einer Chorioiditis disseminata (vgl. das Spiegelbild Tafel VIII, 2), wenn die Herde in unregel- mäßiger Verteilung den ganzen Hintergrund befallen. Unter einer Chorioiditis areolaris versteht man Herde, die sich zuerst am hinteren Pol entwickeln und die dann in hofartiger, d. h. konzentrischer Anordnung nach vorne, d. h. peripheriements fortzuschreiten pflegen. Eine besondere Beachtung verdient noch die umschriebene Aderhautatrophie in der Nachbarschaft der Papille. Diese findet sich hauptsächlich im höheren Alter (senile Atrophie), beim Glaukom (Halo glaucomatosus) und bei der Myopie (Conus). Zwar weichen die Entstehungsursachen dieser drei Veränderungen wesentlich voneinander ab, dagegen zeigt das anatomische und oph- thalmoskopische Ergebnis vielfache Übereinstimmungen, denn in allen Fällen handelt es sich in erster Linie um den Untergang der peri-oder para-papillär gelegenen Choriokapillaris und der zugehörigen Pigmentepithelschicht. Beim Halo und im Senium müssen die Obliterationen der Choriokapillaris und die Degenerationszustände der angelagerten Pigmentepithelien auf eine Arteriosklerose bezogen werden, die in der ganzen Zirkumferenz der Papille zu Ernährungsstörungen führt. Vermutlich kommen hier auch noch Venenerkrankungen unterstützend in Frage. Bei der Myopie ist zunächst die temporale Nachbarzone des Sehneiven- kopfes befallen, doch kann von hier aus die Atrophie die ganze Papille umsäumen. Der Übergang des atrophischen Herdes zur gesunden Umgebung, d.h. die epithelial-gliöse Verbindungszone ist bei den peri- und parapapillären Atrophien meistens sehr deutlich durch eine Pigmentierung begrenzt. Das Aussehen der schwarz umränderten Partie, d.h. des eigentlichen 'Herdgrundes hängt nun mehr oder weniger davon ab, inwieweit die mitt- leren und hinteren Aderhautschichten in den ophthalmoskopisch sicht- baren Degenerationsprozess hineingezogen sind. (Vgl. Tafel A und B). Es handelt sich in der Hauptsache um graduelle Verschiedenheiten. Die flächenhaft angeordneten Entzündungen der Ader haut lassen sich klinisch nur sehr schwer nachweisen, weil in solchen Fällen gleichzeitig störende Glaskörpertrübungen vorhanden zu sein pflegen. Sind die vorderen Anteile der Uvea ebenfalls ent- zündlich verändert, so ist eine Untersuchung des Hintergrundes ge- radezu unmöglich. Lehrbuch der Augenheilkunde. 28 430 Kr ückm an n, Die flächenhaften Atrophien der Aderhaut lassen sich dagegen oft in deutlicher Weise erkennen. Meistens findet man nur blutleere d.h. weiße Gefäßstränge und eine Auflockerung der Chroma- tophoren. Als Beispiele seien die Folgezustände der Chorioretinitis bei Lues congenita (vgl. Tafel X, 1) und die myopischen Veränderungen (vgl. Tafel IX, 1) erwähnt. Sie schließen sich hauptsächlich an diejenigen Formen von Gefäßobliterationen an, bei denen einzelne Stämme oder Zweige sehr langsam zugrunde gehen und bei denen der Blutumlauf der versagenden Bahnen durch eine gesteigerte Inanspruchnahme von Anastomosen aufrecht erhalten und geregelt wird, sodaß ein Ausfall von Kapillargebieten und eine umschriebene Fleckenbildung zu den Seltenheiten gehört. Iridochorioiditis oder Uveitis. Die Iridochorioiditis oder Uveitis kündet sich fast ausnahmslos durch Präzipitate und G1 askörpertrübungen an. Am vorderen Abschnitt können im weiteren Verlaufe alle Erscheinungen einer Irido- zyklitis auftreten, wie sie in einem früheren Kapitel bereits beschrieben worden sind. Von Bedeutung und Wichtigkeit ist bei dieser Erkran- kung die K on trolle des intraokularen Druckes und besonders die Spannungszunahme des Bulbus, sei es, daß eine Flüssigkeitsver- mehrung als Folge eines entzündlichen Ödems des Ziliarkörpers auf- tritt, oder daß die Flüssigkeitsabfuhr bei normalem Flüssigkeitsgehalt mechanische Störungen erleidet (Seclusio und sekundäres Glaukom). Eine Spiegeluntersuchung des Augenhintergrundes ist nur selten in genauer Weise durchführbar, weil das in die V. K. und in den Glaskörper eingetretene Exsudat eine Durchmusterung der einzelnen Hintergrunds- partien zu verhindern pflegt. Im allgemeinen ist die Iridochorioiditis daher weiter nichts als eine Iritis bzw. Iridozyklitis von vor- wiegend serösem oder sero-fibrinösem Charakter und unter gleichzeitiger M i tbeteiligung der Aderhaut. Hält sich die Exsudation in geringen Grenzen, so lassen sich bei recht- zeitiger Behandlung in der Regel hintere Synechien vermeiden oder doch beseitigen und damit die Gefahren des Sekundärglaukoms verringern. Unter solchen Umständen kann eine allmähliche Ausheilung der Krankheit selbst dann gelingen, wenn zu wiederholten Malen Nach- schübe aufgetreten sind; die Entzündung verläuft sich schließlich. Ist das Exsudat aber in reichlichem Maße vorhanden und außerdem vorwiegend fibrinöser oder sogar fibrinös-zelliger Natur, so ist seine Resorption wesentlich erschwert. Es stellt sich dann sehr häufig eine Organisation des Fibrins durch Granulationsgewebe ein, wobei so- wohl das Pupillengebiet als auch der Glaskörperraum in ausgiebigster Weise vom Bindegewebe durchsetzt werden kann. Eine sekundäre Kataraktbildung und eine durch Schrumpfung und narbige TJin- wandelung des Granulationsgewebes bedingte Verkleinerung des Auges vernichten dann das Sehvermögen oft in unaufhaltsamer Weise. Beachtenswert erscheint es, daß von dieser Art von Iridochorioiditis haupt- sächlich das weibliche Geschlecht befallen wird und zwar vorwiegend während und kurz nach der Geschlechtsreife sowie im Klimakterium. Bei den jugendlichen weiblichen Kranken stellt in manchen Gegenden die romanische und besonders die isiaelitische Rasse ein viel größeres Kontingent als die germanische und die slavische. Bei den älteren Kranken finden sich sehr oft chronische Nierenleiden, Gicht, Diabetes, Enteroptose, Adipositas, Obstipation, Erkrankungen der Genital- organe (Ovaiial- und Uterustumoren, Endometritis, chronische Gonorrhöe mit ihren Folgezuständen usw.), aber nur sehr selten hat die Behandlung dieser Leiden einen nachweisbar günstigen Einfluß auf die Iridochorioiditis. Diese Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 431 Krankheiten stehen kaum in einem ursächlichen Zusammenhange mit der Augen- entzündung, vielleicht sind sie nicht einmal als gelegentliche oder auslösende Momente zu betrachten. Sehr wahrscheinlich spielt bei vielen chronischen Fällen auch die Tuberkulose eine Rolle. In ihrem klinischen Verlaufe hat diese Iridochorioiditis oft eine große Ähnlichkeit mit der sympathischen Ophthalmie, von der sie ätiologisch aber wesentlich abweicht. Die lokale Therapie ist die- selbe wie bei der Iritis und Iridozyklitis. Therapie. Die Therapie der Chorioiditis ist im allgemeinen eine sehr mißliche und undankbare Aufgabe; sie richtet sich in erster Liniegegen das Grundleiden. Am besten bewährt sie sich noch bei syphilitischen Er- krankungen, welche erfahrungsgemäß energischen Quecksilberkuren zu- gänglich sind. Bei Verdacht auf Tuberkulose ist eine Tuberkulinkur in Erwägung zu ziehen (vgl. die Bemerkungen bei Iritis und Iridozyklitis). Bei den akuten Formen und besonders bei gleichzeitigem Netz- hautödem sind die Augen vor hellem Licht zu schützen (Dunkelbrille). Zu verhüten ist bei allen Formen das Auftreten von Kopfkongestionen und von Stuhlverstopfung. Lokal kann man bei den entzündlichen Formen Atropin (1 0,o) und Dionin (5°/o) in vorsichtiger Weise ein- träufeln (vielleicht jeden zweiten oder dritten Tag). Suggestiv wirken sehr oft blutige bezw. trockene Schröpfköpfe, erstere am besten in Gestalt von Heurteloupschen Saugapparaten. Zuweilen sieht man von subkonjunktivalen Kochsalzinjektionen (4 — 6 °/o) etwa 3 mal wöchentlich, einen gewissen Vorteil. Bei den chronischen Formen ist Jodkali am Platze, selbst wenn Lues nicht vorliegt, Auch die Anwendung einer leichten Quecksilberkur ist oft von Vorteil. Von den Schwitzkuren, die den Organismus mehr schwächen als dem Leiden nützen ist nicht viel zu erwarten. Chorioiditis suppurativa (purulenta). Von den eitrigen Entzündungen der Aderhaut sollen in Übereinstimmung mit dem letzten Kapitel ebenfalls nur diejenigen besprochen Averden, die nicht durch Verletzungen zustande kommen. Die Chorioiditis suppurativa hat mit den serösen und sero-fibrinösen Entzündungen das Auftreten von Glaskörpertrübungen gemeinsam, deren Dichte vielfach so auffällig ist, daß sie sich durch einen gelblichen Reflex bemerkbar macht. Wichtig ist bei den eitrigen Formen die stete An- wesenheit von Mikroorganismen. Allerdings gelingt der mikro- skopische und kulturelle Nachweis der im Augeninnern angesiedelten Bakterien nicht zu allen Zeiten, weil sie allmählich erschöpft werden und daraufhin zugrunde gehen können. Aber während der Periode der Eiterbildung sind sie ausnahmslos aufzufinden. Sodann ist zu bemerken, dass das erkrankte Auge in sehr vielen Fällen eitrig eingeschmolzen wird, es entsteht dann eine allgemeine eitrige Augenentzündung, die sog. Panophthalmie. Die Bildung von metastatischen Eiterherden in der Uvea gehört im allgemeinen zu den selteneren Augenerkrankungen, sowohl was ihre absolute Häufigkeit anlangt als auch was ihr prozen- tuales Verhältnis zu den Pyämien und besonders zu den Septikämien betrifft. Fs gibt eine große Anzahl von Pyämien, bei denen alle möglichen Organe von Eiterherden heimgesucht werden, während das Auge verschont bleibt. Noch zahlreicher sind die Septikämien, bei denen Eitererreger von z. T. starker Virulenz lange Zeit hindurch im Blute kreisen, bei denen eine Passage der Augengefäße ohne 28* 432 Krückmann, weiteres anzunehmen ist, aber bei denen in Übereinstimmung mit den anderen Körperorganen jede Entzündung im Augenmnern fehlt. In früheren Zeiten kam die Mehrzahl der metastatischen Chorioiditiden und Panophthalmien im Anschluß an eine puerperale Erkrankung zustande. Ferner wurden auch beim sog. Hospitalbrand und überhaupt bei eitrigen Wunder- krankungen nach chirurgischen Eingriffen recht häufig metastatische Augenver- eiterungen beobachtet. Die moderne Asepsis hat nach dieser Richtung hin energisch aufgeräumt. Heutzutage wird die metastatische Chorioiditis suppurativa in der Hauptsache nur noch als eine Folgeerscheinung von anderen Infektionskrank- heiten beobachtet, unter denen namentlich die Endocarditis ulcerosa, das Erysipel und die Pneumonie zu nennen sind. In zweiter Linie wäre der Typhus, die Influenza, die Meningitis cerebrospinalis epidemica und die Diphtherie zu erwähnen, Schließlich ist noch der akuten Hautexantheme und unter ihnen beson- ders des Scharlachs zu gedenken. Gelegentlich, wenn auch nur selten, kommt eine Hautfurun- kulose in Betracht. Die eiterige Chorioiditisführt zunächst zu einer Weiterverschlep- pung des Eiters in die Netzhaut und in den Glaskörper. Es entwickelt sich dann ein Glaskörper- abszeß. Die Eigenschaft aller Eiterungsvor- gänge, in ihrer Nach- barschaft entzünd- liche Ödeme zu er- zeugen , findet sich auch am Auge und zwar vorzugsweise in seiner unmittel- barsten Umgebung. Diese letztere Loka- lisation hat eine ganz besondere klinische Bedeutung, weil sie zwei für die Pan- ophthalmie cha- rakteristische Sym- ptome hervorruft, die Chemosisund den Exophthal- mus. Das episklerale bindegewebige Gerüst- werk, welches die Le- derhaut durch zarte Bün- del vorne mit der Binde- Fig.325. Zahlreiche Aderhautherde infolge von Kokkenmetastasen. Früheres Stadium des folgenden (Fig. 326). Die weitverbreiteten Knötchen befinden sich so- wohl in der Aderhaut als auch in der Iris und in einem Ziliarfortsatz (unten). Die kleinen Herde sind beginnende Abszeßchen. In der V. K. und im Glaskörper befand sich zartes Fibrin, welches aber wegen seiner Gering- fügigkeit bei dieser Vergrößerung nicht abgebildet werden konnte. Auf der Hornhauthinterfläche liegen reichliche Präzipitate. Die Netzhaut ist nur wenig beteiligt, an einigen Stellen erscheint sie etwas vorgebuckelt. In diesem Falle hätte sich unbedingt eine Panophthalmie entwickelt, wenn nicht der Tod am zweiten Tage der augenärztlichen Beobachtung eingetreten wäre. Beiläufig sei bemerkt, daß die sichtbaren Veränderungen des Augapfels (Knötchen in allen Teilen der Iris, Prä- zipitate, fibrinöses Exsudat) den Verdacht einer tuber- kulösen Erkrankung zu erwecken vermochten. Aber auch im histologischen Präparat konnten die kleinen Knötchen der gesamten Uvea sehr leicht als Tuberkeln angesprochen werden, so lange die mikroskopische Unter- suchung mit schwacher Vergrößerung erfolgte (vgl. das abgezeichnete Präparat). Der gesamte klinische Verlauf und die Allgemeinuntersuchung des Körpers sowie die Benutzung starker Vergrößerungen schützten allerdings vor diesem Irrtum. Die Knötchen erwiesen sich mikrosko- pisch als Häufchen von polymorphkernigen Leukozyten. Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 433 haut und hinten mit dem bindegewebigen Balkenwerk des Orbitalfettes verbindet, bildet den Ansammlungsort des entzündlichen Ödems. Das peribulbäre Gewebe läßt sich mit einem Stauweiher vergleichen, dessen Füllung einerseits zur Chemosis führt, und andererseits das Auge an die nachgiebigsten Stellen, d. h. nach vorne hervordrängt (Exophthalmus). Treten im Anschluß an eine Chorioiditis, die sich beispiels- weise durch eine Bulbusrötung, durch einen gel- ben Glaskörper- reflex bezw. durch ein Hypopyon be- merkbar macht, eineChemosisund ein Exophthal- mus auf, so ist das Auge dem Untergange ret - tungslos geweiht. In solchen Fällen ist die Evisze- ration (Exente- ration)desAugen- innern angezeigt. Bleibt es sich selbst überlassen, so entwickelt sich mitunter einePer- forationsöffnung, aus der die eingeschmolzenen Augenteile herausfließen. Es kommt verhältnismäßig selten vor, daß die Netzhaut bei einer eiterigen Chorioiditis unbeteiligt bleibt. In vielen Fällen dringen die eiterregenden Mikroorganismen (Streptokokken. Staphylokokken, Pneumokokken, Bacterium coli, Meningokokken, Influenzabazillen etc.) nicht allein von der Aderhaut aus, sondern auch auf dem Blutwege gleichzeitig oder sogar schon früher direkt in die Retinagefäße ein. Diese Tatsache ist wichtig, weil die Netzhaut durch die Tuberkulose meistens nur sekundär von der Uvea in Mitleidenschaft gezogen wird, und weil sich die Syphilis viel häufiger in der Aderhaut etabliert als in der Netzhaut. Die eiterigen Entzündungen zeigen nun mit den fibrinösen zu- weilen insofern eine Übereinstimmung, daß das eiterige Exsudat durch ein Granulationsgewebe organisiert wird. Allerdings geschieht dies erst dann, wenn eine Erschöpfung der Eitererreger und somit ein Stillstand der Entzündung eingetreten ist. Entwickelt sich das Gra- nulationsgewebe hauptsächlich nur von der Aderhaut aus, so drängt, es gegen die Netzhaut an, wodurch diese naturgemäß vorgetrieben wird. Durch ein solches Vorrücken kann bei Kindern ein Gliom vorgetäuscht werden, weil die Xetzhautgefäße von vorne her sehr deutlich erkennbar bleiben. Man hat diese Veränderung daher auch als ein Pseudo- gliom bezeichnet. Fig. 326. Aderhautabszesse bei K oLk k e n p y ä m i e Beginn eines Glaskörperabszesses und einer Panophthalmie. Tod am dritten Tage nach der Augenerkrankung. Die Netz- haut ist oberhalb der Aderhautherde geschwollen und ödematös durchtränkt. An einer Stelle haben die cho- rioidealen Eitermassen die Netzhaut bereits durchbrochen und den Glaskörper infiltriert. Klinisch war weiter nichts zu sehen wie eine starke Bulbusinjektion und ein gelber Reflex aus dem Glaskörper. 434 Krückmann, Sind Verwachsungen der Pupille (Seclusio) vorhanden und ist die Iris in starkem Maße vorgebuchtet (Verengerung der V. K.) sowie von dicken Venen durchzogen und ist weiterhin der Augendruck erhöht, so kann man bei Kindern bis zum zweiten und dritten Jahre zweifelhaft sein, ob es sich um e:n Gliom oder um den Folgezustand einer Iridochorioiditis handelt. Ist dagegen die Pupille frei von Verklebunuen und gleichzeitg der Augendruck herabgesetzt, so ist die Diagnose des Pseudoglioms einfach, zumal wenn akute Infektionskrankheiten vorausgegangen sind, die zu intraokularen Metastasen führen. Daß ein von der Aderhaut hervotsprossendes Granulationsgewebe mit der Zeit schrumpfen und verknöchern kann, soll nebenbei erwähnt werden. In mäßiger Ausbildung findet man die chorioidealen Granulations- wucherungen beispielsweise auch nach Wiederanlegung einer abgelösten Netzhaut. Das Gleiche findet sich bei tuberkulösen und luetischen Aderhautknoten, die lange Zeit bestanden haben aber schließlich vernarbt sind. In solchen Fällen pflegt sich das Granulationsgewebe nicht selten in Form von Leisten, Bändern und Kämmen anzuordnen. Es entstehen dann ophthalmoskopisch feine graue und z. T. pigmentierte Striche. Man hat diese Erschei- nungen früher fälschlicherweise als eine Retinitis und zwar als eine Retinitis striata bezeichnet. Ebenso unglücklich ist auch der noch vielfach gebräuchliche Ausdruck einer Retinitis proliferans für Granu- lationsbildungen innerhalb des Glaskörpers, welche von den binde- gewebigen Scheiden der Retinagefäße ausgegangen sind (vgl. Fig. 311). Geschwülste der Uvea. Die Geschwülste der Uvea bestehen fast ausschließlich aus Sarkomen. „Die Mehrzahl der Sarkome ist pigmenthaltig (Melanosarkome). Über den zelligen Ursprungsort d. h. den Mutter- boden gehen die Ansichten teilweise noch auseinander. Alle anderen Tumoren der Uvea kommen wegen ihres selteneren Auftretens nur nebensächlich in Betracht. Sie haben zwar ein gewisses histologisches Interesse aber keine besondere klinische Be- deutung, da man ihre Fagenart klinisch nur selten von den Sarkomen abzugrenzen vermag. Pathologische Anatomie. In der Regenbogenhaut sind sowohl die Chromatophoren als auch die Epithelzellen als Tumorbildner anzu- sehen. Im letzteren Falle wiid der Vorgang ähnlich aufzufassen sein wie bei den Melanosarkomen der Haut und der B.ndehaut, welche aus den epithelialen Nävuszellen abgeleitet werden. Bei den ZiliarkörpergeschWülsten ist der Ausgangspunkt viel schwerer zu bestimmen, weil sie wegen ihrer versteckten Lage nicht so frühzeitig erkannt weiden können wie die Iristumoren und weil sie bei ihrer Entdeckung meistens schon eine so bedeutende Größe erreicht haben, daß ihre feineren histo- logischen Beziehungen zu den benachbarten Gewebsarten vielfach verwischt sind. In der Ad er haut ist eine epitheliale Genese bis jetzt nicht anzunehmen, da die von ihr ausgehenden Melanosarkome fast ausnahmslos aus den mittleren und tieferen Schichten entspringen, welche durch die pigment- freie Zone der Choriokapillaris vom Pigmentepithel abgetrennt sind. Alle Sarkome haben die Neigung, in das Augeninnere hineinzu- wachsen und zwar die Irissarkome in die V. K. und die Sarkome des Ziliarkörpers sowie die der Aderhaut in den Glaskörper. Mit der Zeit führen sie zu Raumbeengungen und zu Verdrängungs- erscheinungen an den Xachbarorganen (z. B. an der Linse) zu Kom- pressionen der abführenden Venen und zu glaukomatösen Zuständen Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 435 zu Perforationen der Augenkapsel und schließlich zu Metastasen. Die Durchbrechung der Bulbusaußenwand pflegt früher zu erfolgen als die Ausfüllung des Augeninnern. Die Hauptgefahr der Uvealsarkom'e beruht in ihren frühzeitigen Metastasen. Der bevorzugte Sitz der Metastasen ist die Leber und namentlich bei solchen Personen, die an Atem- beschwerden leiden. Bei allen uvealen Sarkomen ist die Leber auf das genaueste zu untersuchen. Es handelt sich vermutlich vielfach um den sogenannten rückläufigen Trans- port d.h. um eine Weiterverschleppung von Tumorzellen, welche in die Kapillaren oder kleinen Venen eingedrungen und von dort in die großen Blutadern des Hülses weiter befördert sind. Bei ihrer Ankunft in den rechten Vorhof werden sie nun infolge der angestrengten Atembewegungen nicht nur in den rechten Ven- trikel hineingeschleudert, sondern von der Vena cava superior auch direkt in die Vena cava inferior und somit in die Venäe hepaticae hineingestoßen, um schließ- lich in der Leber haften zu bleiben. Außerdem findet selbstverständlich eine embolische Verbreitung der Tumorzellen auf arteriellem Wege statt. Im letzteren Falle ist dann von Anfang an ein generalisiertes Auftreten der Tumoren zu er- warten und vielfach auch vorhanden. Die Lebermetastnsen unterscheiden sich von den übrigen hauptsächlich dadurch, daß sie erst 10—15 Jahre nach erfolgter Enukleation klinische Erscheinungen verursachen können. Die Therapie der Sarkome besteht in der Enuklea- tion des Augapfels. Auch das kleinste Sarkom erfordert die sofortige Entfernung des Auges und zwar deswegen, weil schon von den unscheinbarsten Sarkomen Metastasen auszugehen vermögen, die irgendwo unbemerkt weiter wuchern. Hat bereits eine Perforation der Lederhaut stattgefunden, so sind auch die Rezidive unvermeid- lich, doch muß man sich hier noch viel mehr darüber klar sein, daß unter solchen Umständen mit größter Wahrscheinlichkeit bereits eine Verunreinigung des Blutes und eine Ansiedelung der Tumorzellen in entfernten Organen erfolgt ist. Ein perforiertes Sarkom er- fordert die Ausräumung der ganzen Umgebung; am geeignetesten ist die völlige Ausweidung der Orbita. Als Perforationsstellen für die Tumorzellen werden in der Regel die Durchgangsöffnungen der Gefäße angenommen, doch dringen die Tumorzellen sehr häufig auch als schmale Zellbänder in kleinen Zügen zwischen die einzelnen Lederhautbündel hinein, wobei sie zunächst unerkannt die Außenfläche erreichen. Ihre weitere Entwickelung ist im vorderen Abschnitt leicht wahrzunehmen, dagegen zeigen die Tumoren, welche die hintere Lederhauthälfte durchbrochen haben, ihren Übertritt in das Orbital- gewebe meistens erst dann an, wenn sie so stark gewuchert sind, daß sie eine Verdrängung des Augapfels nach vorne oder seitlich, d. h. einen Exophthalmus hervorbringen. Die Diagnose der Iristumoren ist im allgemeinen einfach, wenn frische Knoten auftreten, welche sich allmählich vergrößern. Schwieriger ist dagegen die Entscheidung, wenn es sich um vorge- bildete pigmentierte Herde handelt. Wenn diese langsam an Masse zunehmen und zugleich in ihre weitere Umgebung kleine Pigment- spritzer ausstreuen, so spricht auch dies unzweifelhaft für Sarkom. Ein bestimmter oder bevorzugter Sitz ist nicht vorhanden. Sind die Geschwülste pigmentfrei, so fehlt ihnen zum Unterschied von den Tuberkelknoten die höckerige Beschaffenheit und von den (iummen das graue und graugelbliche Aussehen. Auch haben die 436 Krückmann, tuberkulösen und gummösen Bildungen meistens noch andere Erken- nungsmerkmale, wie z. B. die Gefäßarmut, eine begleitende Entzün- dung, einen bevorzugten Sitz, sowie sonstige Zeichen am übrigen Körper (vgl. das betr. Kapitel). In zweifelhaften Fällen können die unpigmentierten Sarkome hauptsächlich mit Granulationsgeschwülsten verwechselt werden, welche Fremdkörper beherbergen (sog. Fremd- körpertuberkel). Die Tumoren des Ziliarkörpers sind in ihren ersten Anfängen weder subjektiv noch objektiv wahrzunehmen. Auffällig erscheint dem Kranken mitunter eine Verzerrung der Bilder, welche durch eine Verdrängung der Linse und einen dadurch bedingten Astigmatismus zustande kommt. Unter solchen Umständen gelingt die Sichtbarmachung der Tumoren mitunter nach künstlicher Pupillen- erweiterung. Die Aderhautsarkome sind schon in ihrem Anfangsstadium meistens sehr leicht aufzufinden. Die Netzhaut ist nach innen ver- drängt, aber sie bedeckt zunächst noch die ganze Geschwulstmasse, welche vielfach gelblich, bräunlich, schwärzlich hindurchschimmertund zuweilen auch ihre Ge- fäße erkennen läßt. Er- folgt aber später eine Ablösung der Netzhaut von ihrer Geschwulst- unterlage , was leicht durch ein kollaterales Odem zustande kom- men kann, so wird eine genaue Diagnose mitunter sehr schwer oder sogar unmöglich gemacht. Unter solchen Bedingungen sind zwei Symptome, und zwar die Erhöhung des intra- okularen Druckes so- wie eine partielle Er- weiterung beziehungs- weise Schlängelung der vorderen Ziliarvenen von großer Bedeutung. Die häufig angewand- ten Durchleuchtungs- methoden lassen bei un- sicheren Fällen und bei schwach pigmentierten Sarkomen häufig im Stich. Kommt es später zum Zerfall beziehungsweise zu einer Er- weichung der Tumoren oder zu einer Entzündung der Uvea, einer Iritis oder einer Iridochorioiditis, so ist die Diagnose unter Um- ständen schwer durchführbar. Sie wird unmöglich, wenn beide Zu- stände zusammentreffen und wenn gleichzeitig der Augendruck herab- gesetzt ist. Ganz allgemein ist noch zu bemerken, daß bereits kleine Tu- Fig. 327. Sarkom der Ad er haut, z. T. pig- menthaltig (Melanosarkom). Die Geschwulst sitzt mit breiter Grundlage in und auf der Aderhaut. Die Netzhaut ist vorgetrieben und haftet dem Tumor überall fest an. In der Nähe der Geschwulst ist die vordere Kammer und besonders der Kammer- winkel etwas verengt. Die Linse ist verschoben und eingedrückt. Das Auge befindet sich im Beginn eines glaukomatösen Zustandes, doch ist von einer Ex- kavation des Sehnerven noch nichts zu sehen. Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 437 moren gelegentlich zu wesentlichen Störungen in der Ökonomie des Auges, zu Druckerhöhung, Schmerzen usw. führen und daß anderer- seits schon recht stattliche Geschwülste entstanden sein können, be- vor sie vom Kranken bemerkt werden. Subjektiv fällt dem Kranken in der Regel zunächst eine Ver- dunkelung im Gesichtsfelde — ein Skotom — auf, das der Flächen- ausdehnung der Geschwulst zu entsprechen pflegt. Tritt aber z. B. ein Tumor in einem sehschwachen Auge auf, so kann die Geschwulst- bildung lange Zeit hindurch in unauffälliger Weise wachsen. Glaskörper. Anatomie. Der Glaskörper ist ein ektodermales Gebilde. Sein Gefüge besteht z. T. aus radiär, z. T. aus konzentrisch angeordneten Fasern, von denen die letzteren zur Bildung von Lamellen neigen. Zwischen diesem Gerüstwerk befindet sich eine gallertartige Masse von klarer und durchsichtiger Beschaffenheit. Die Grenz- haut des Glaskörpers ist die Limitans interna der Retina. Dies erklärt sich daraus, daß das Glaskörpergerüst aus den Gliaelementen der Netzhaut hervorgeht. Eine Membrana hyaloidea gibt es nicht. Dieselbe wird nur durch lamellöse Faserlagen vorgetäuscht, welche in unmittelbarster Nähe der Limitans interna verlaufen. Die größte Dicke und die dichteste Anordnung haben die Glaskörperfasern in der Nähe des Ziliarköipers. Unmittelbar neben diesen starken Glaskörperfasern liegen die ihnen ähnlichen Zonulafasern, welche aus den Ziliarkörperepithelien hervor- gehen. Ein Lymphgefäßsystem fehlt in dem Glaskörper, auch einen Canalis hyaloideus gibt es nicht. Bei krankhaften Veränderungen spielt der Glaskörper eine rein passive Rolle, wenigstens insofern, als er an der Neubildung von Zellen und Fasern unbeteiligt ist. Die Glaskörpererkrankungen bestehen in Trübungen (Opaci- tates), in Verflüssigung (Synchysis). Außerdem kommen Fremd- körper und Parasiten zur Beobachtung. Geringgradige angeborene Trübungen finden sich bei jedem Menschen, doch lassen sie sich in der Regel nicht objektiv, sondern nur subjektiv und zwar entoptisch nachweisen. Es sind dies die Über- bleibsel von embryonalen Zellen oder Fasern. Ihre An- wesenheit ist bedeutungslos. Sie sind dem Laien unter dem Namen der „Mouches volantes" hinlänglich bekannt. Merkliche Sehstörungen bedingen sie nur, wenn sie sich zufällig im Bereich der Gesichts- linie befinden; sonst werden sie in unangenehmer Weise fast nur von Myopen wahrgenommen. Dies kommt daher, daß sie auf der Netz- haut des kurzsichtigen Auges einen größeren Schatten werfen, als beim Emmetropen oder beim Hypermetropen. Unangenehme Empfin- dungen verursachen sie ferner bei überempfindlichen, nervösen oder übermüdeten Menschen. Alle anderen Trübungen sind erworben und daher aus- schließlich pathologischer Natur. Hier handelt es sich zunächst um Exsudatbestandteile und zwar vorwiegend um zellige und fibrinöse Massen. Der Hauptlieferant für entzündliche Glas- körpertrübungen ist der Ziliarkörper, doch kommen auch die Aderhaut und die Netzhaut in Betracht, Die Exsudatbestandteile können mit- unter so zart und fein sein, daß sie nur bei gewissenhafter Durch- leuchtung als staubartige Gebilde zur Anschauung gelangen (vgl. S. 47). Verkleben die Exsudatmassen miteinander, so können gelegentlich dichte Membranen entstehen, welche zu starken Sehstörungen Ver- 438 Krückmann, anlassung geben. Am häufigsten findet man neben den Exsudat- bestandteilen Blutungen, die im Anschluß an Traumen oder nach Gefäßerkrankungen auftreten. Besonders erwähnenswert ist eine gewisse Form von Glaskörper- blutungen, die bei jugendlichen Leuten und vorzugsweise bei Männern auftreten. Ihre genaue Ursache ist unbekannt; wahrscheinlich kommt hier eine frühzeitige Arteriosklerose in Frage. Diese Blutungen haben die unangenehme Eigenschaft jahrelang zu rezidivieren; sie können unter Umständen das Seh- vermögen in hochgradiger Weise herabsetzen. Sie stammen zumeist aus der Retina (vergl. „Erkrankungen derNetzhaut". Mitunter sieht man aber auch nach einiger Zeit atrophische Aderhautherde, die unbedenklich auf eine Gefäß- und Zirkulationsstörung bezogen werden können. Sodann sind Kristalle zu erwähnen, die den Glaskörper durch- setzen und sich durch Glitzern bemerkbar machen. Beim einfachen Durchleuchten hat man mitunter den Findruck von sprühenden Feuerwerkskörperchen (Synchysis scintillans). In der Mehrzahl bestehen sie aus Fettkristallen, von denen bis jetzt Cholestearin, Tyrosin, Leuzin, Margarin nachgewiesen sind. Gelegentlich sind auch Kalksalze gefunden worden. Die Kristalle sind sowohl für das Auge als auch besonders für das Sehen nebensächliche Bildungen. Alle diese erworbenen Trübungen sind der Resorption zugänglich. Sie können zerfallen und reaktionslos verschwinden. Bei größerer Menge und Dichte von Exsudatelementen und von Blutungen entwickelt sich dagegen nicht selten ein Granulations- gewebe, das entweder vom Ziliarkörper oder von der Netzhaut be- ziehungsweise von der Aderhaut stammt, und das nach Beseitigung der Massen mehr oder weniger bestehen bleibt. Das von der Netzhaut gelieferte Bindegewebe rekrutiert sich ausnahmslos aus den Wänden und Scheiden der Gefäße. Besonders deutlich ist dies an den Zentralgefäßen des Optikus zu sehen. Es quillt dann vom Sehnerverkopfe aus ein Gewebe hervor, das in den Glaskörperraum eindringt und das hier die Hämorrhagien beziehungs- weise das Exsudat vollkommen auflöst und substituiert (vgl. z. B. Fig. 311, die hintere Bindegewebswucherung bis zur gestrichelten Linie). Befindet sich eine Bindegewe b sneubildung in den zen- tralen Teilen des Glaskörperraumes, so wird das Sehvermögen fast regelmäßig in starkem Maße geschädigt. Ist diese Wucherung stark ausgeprägt, so kann sie durch ihre nachfolgende Schrumpfung eine völlige Aufsaugung des Glaskörpers, eine Netzhautablösung und schließ- lich eine so starke Volumsabnahme des Auges nach sich ziehen, daß eine unheilbare Atrophie des ganzen Bulbus eintritt. Die Verflüssigung des Glaskörpers (Synchysis) bezieht sich sowohl auf eine Verdünnung der festweichen Gallerte als auch auf eine Auflösung des zarten Glaskörpergerüstes. Jede Verflüssigung ist der Ausdruck einer PCrnährungsstörung; vielfach geht ihr eine Ent- zündung der Uvea oder der Retina voraus. In einzelnen Fällen kommt es vor, daß nicht der ganze Glas- körper, sondern einzelne Abschnitte eine Einbuße an ihrer Konsistenz erfahren. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Augenhülle gedehnt wurde und wenn es durch die Dehnung zur mechanischen Zerreißung der Fasern sowie zur Spaltenbilung in der Gallerte und im Anschluß hieran zur Ansammlung von Flüssigkeit innerhalb der Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 439 so geschaffenen Lücken kommt. Am häufigsten findet sich dies Er- eignis in den hinteren Abschnitten von myopischen Augen. Löst sich aber zugleich mit der Gallerte auch das faserige Gefüge des Glas- körpers auf, was namentlich bei und nach entzündlichen Zuständen beobachtet wird, so können auch die den Glaskörperfasern ähn- lich gebauten Zonulafasern in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folge hiervon ist dann eine Luxation oder doch eine Subluxation der Linse. Trübungen, welche im verflüssigten Glaskörper suspendiert sind, können sehr große Bewegungen machen; sie werden mitunter geradezu im Glaskörper hin- und hergeschleudert. Besonders interessant ist hier das Schauspiel von den tanzenden Kristallen (Synchysis scintillans). Von Fremdkörpern sind in erster Linie Steine und Metall- splitter zu nennen. Gelangen sie keimfrei ins Auge, so werden sie in der Regel zunächst von einer Fibrinhülle umgeben, die meistens durch ein Granulationsgewebe ersetzt wird, das später kapselartig den Fremdkörper umschließt. Diese Bindegewebskapseln sind aber keineswegs in der Lage, die Fremdkörper dauernd unschädlich zu machen, da sich noch nach längerer Zeit Entzündungen und nament- lich auch Netzhautdegenerationen einzustellen vermögen (näheres vgl. Abschnitt „Verletzungen"). In gleicher Weise werden eine Zeitlang die Parasiten vertragen. In Europa kommt vorwiegend der Cysticercus in Betracht; die Finne eines Bandwurmes, der vom Schwein stammt (Taenia solium). Vor der Einrichtung der obligatorischen Fleischbeschau und der Schlachthäuser war ein Glaskörpercysticercus kein allzu seltener Befund; in den letzten Jahren hat er dagegen wesentlich abgenommen. Die Menschen bekommen keinen Bandwurm mehr vom Genuß des kranken Schweine- fleisches, weil es entweder gekocht oder sonst irgendwie unschädlich gemacht wird. Die Zystizerken gelangen aus den Gefäßen der Retina oder der Uvea in den Glaskörper hinein nnd schwimmen in ihm zunächst als Blasen umher. Allmählich werden sie aber in gleicher Weise eingekapselt wie die Fremdkörper. Nur sehr selten gelingt es, auf ophthalmoskopischem Wege die Saugnäpfe der Zystizerken zu erkennen. Auch Echinokokken kommen ausnahmsweise vor. Be- sondere Bedeutung verdienen in neuester Zeit die Filarien, welche in den Kolonien erworben und von dorther mitgebracht werden. Solange sie im Glaskörper liegen, verursachen sie in der Regel keine weiteren Erscheinungen wie gelegentliche Sehstörungen. Gelangen sie aber in die Nähe des Ziliarkörpers oder von dort in die vordere Kammer, so können sie allein schon durch ihre Bewegungen große Schmerzen und vielfach auch Entzündungen verursachen. Lederliaut (Sklera). Anatomie. Die Lederhaut stellt die solide und undurchsichtige weiße Bulbushülle dar. Sie hat eine derbe, starre und daher auch eine nur wenig nachgiebige und dehn- bare Beschaffenheit, Ihr Gefüge setzt sich zusammen aus kollagenen Fibrillen, elastischen Fasern und aus Zellen. Die Zellen spielen eine unbedeutende Rolle. Die kollagenen Fibrillen sind zu Bündeln angeordnet, die sich in meridionaler, zirkulärer und schiefer Richtung diirchflechten, teilen und von neuem treffen. Die 440 Krückmann, Bündel haben in der Regel die Form eines breiten Bandes; in ihnen liegen reich- liche elastische Fasern. Die vorderen Partien dieser Bündel erhalten einen Zuschuß von den Augen- muskelsehnen, die in ihrer histologischen Struktur mit der Lederhaut überein- stimmen. Die dünnste Stelle der Lederhaut ist die Äquatorgegend. Die Leder- haut wird hinten von den Sehnervenfasern durchbrochen. An der Stelle des Sehnervendurchtrittes befindet sich ein siebartiges Maschenwerk (Skleraler An- teil der Lamina cribrosa), durch dessen Öffnungen die Sehnervenfasern hindurch- treten. Vorne ist die Hornhaut ubrglasartig in die Lederhaut eingesetzt und zwar derart, daß die Lederhaut vorne außen über die Hornhautperipherie hinüber- ragt und sie umfaßt. Aber auch nach innen und hinten befindet sich ein kleiner Vorsprung, der sog. Skleralwulst (vgl. Fig. 307, 308, *>e) doch umgreift dieser nicht die Hornhaut, sondern eine Rinne, die sog. Skleralrinne (vgl. Fig 307, 308 C). Über diesen Skleralwulst hinweg verläuft bis zum Ansatz der Descemetischen Haut das Trabeculum corneu-sclerale (vgl. Fig. 307, 308, 2'). Beide schließen gemeinschaftlich den Schlemm sehen Kanal nach innen ab. Der Übergang der Hornbautfibrillen in die der Lederhaut vollzieht sich im mikroskopischen Präparate unmerklich; im übrigen sind jedoch mancherlei Unter- schiede vorhanden. Die wesentlichsten sind die Undurchsichtigkeit, die mangelnde Quellbarkeit und die Festigkeit der Lederhaut. Die letztere Eigenschaft ist durch den Reichtum an elastischen Fasern bedingt. Daß die Lederhaut von den Ziliargefäßen und von den Strudelvenen, sowie von verschiedenen Nerven durchbohrt wird, soll der Vollständigkeit wegen erwähnt werden. Intrasklerale Lymphgefäße, welche einer Flüssigkeitsvermittelung von innen nach außen oder umgekehrt dienen könnten, sind nicht vorhanden. Nach außen ist die Sklera durch ein zartes und weitmaschiges, binde- gewebiges Gerüst mit ihrer Umgebung verbunden, doch gestattet dies Balkenwerk dem Augapfel eine große Beweglichkeit. Man hat daher auch oft eine Ait von Gelenkraum angenommen. Dieser Vergleich bezeichnet zwar die mechanischen Verhältnisse in einfacher Weise, aber histologisch stimmt er nicht ganz, weil die glatten Oberflächen fehlen. Innen wird die Lederhaut von der flockigen und häutchenartig aufgebauten Suprachorioidea bekleidet, mit der sie fest ver- wachsen ist. Entzündungen der Lederhaut. (Skleritis und Episkleritis.) Die Entzündungen der Sklera sind im allgemeinen recht selten. Dies rührt von der Gefäßarmut her. Da die Lederhaut in ihrer histologischen Zusammensetzung dem Sehnengewebe gleichartig oder doch mindestens sehr ähnlich ist, so gelangt man am ehesten zu einem klinischen Verständnis, wenn man die Skleritis und Episkleritis mit den Sehnenentzündungen in Analogie zu bringen sucht. Man hat sich herkömmlicherweise daran gewöhnt. oberflächliche von tiefen Formen zu trennen, doch erscheint diese Einteilung als eine graduelle und daher als eine willkürliche. Das Wesentliche der Lederhautentzündungen besteht in einer lokalisierten Verdickung und Hyperämie, d. h. in dem Auftreten eines unver schieb lieh en geröteten Knotens. Der Knoten kann rundlich oder oval sein. Stets ist ein solcher Knoten erhaben und zuweilen hat er sogar steile Ränder. Die Rötung stammt von den oberflächlichen Bindehautgefäßen. Der eigentliche Sklera- knoten selbst sieht bläulich aus, weil seine Gefäßinjektion den tieferen Schichten angehört, die von der Bindehaut bedeckt werden. Die Knoten haben nun die Eigenschaft, daß sie so gut wie niemals zur Erweichung und Einschmelzung oder gar zur Ulzeration führen. Sie Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 441 können sich lange Zeit hindurch, über Wochen und Monate hinaus, unverändert erhalten; endlich verlieren sie sich ganz. Bei ihrer Ab- teilung werden sie allmählich, fast unmerklich kleiner, blassen ab und verschwinden. Ist ein Knoten an einer Stelle verschwunden, so kann nach kurzer Zeit in seiner allernächsten Nachbarschaft ein neuer auftreten. Fs ist sogar möglich, daß die Hornhaut schließ- lich in ihrem ganzen Umkreise mit Knoten bepflastert wird. Da- gegen ist es ein selteneres Ereignis, daß mehrere Knoten gleichzeitig nebeneinander aufschießen. In manchen Fällen kann es bei einem einzigen Knoten sein Bewenden haben. Gelegentlich wenn auch nur sehr selten bleibt die Entzündung auf einer niedrigen Stufe stehen, wenigstens insofern, als sie nicht zur Knotenbildung führt. Derartige Erscheinungen können sich in Pausen wiederholen. Sie sind an und für sich bedeutungslos, aber durch die Hartnäckigkeit der Rückfälle mitunter sehr lästig; man hat sie als Episkleritis periodica fugax bezeichnet (vergl. zur Differentialdiagnose gegenüber den Phlyktänen S. 306). Die tieferen Knoten unterscheiden sich klinisch von den ober- flächlichen vorwiegend dadurch, daß sie eine Skleraverdünnung zurücklassen, wodurch die Festigkeit des Gewebes wesentlich ge- schädigt wird. Diese Skleraverdünnung äußert sich vielfach durch eine graue oder grau bläuliche Verfärbung. Die bläu- liche oder schiefrige Verfärbung der Sklera bleibt dauernd zurück; dieselbe ist für eine überstandene Skleritis sehr charakte- ristisch. Auch erleichtert es oft die Diagnose frischer Anfälle von Lederhautentzündungen, wenn sich neben zirkumskripten Hyperämien diese Verfärbung findet. (Von der schwärzlichen, landkartenförmigen. angeborenen „Melanosis sclerae" ist diese skleritische Verfärbung leicht zu unterscheiden.) Eine weitere Eigentümlichkeit der tieferen Knoten ist die Mit- beteiligung der Uvea, namentlich die des Ziliarkörpers und der Iris. Hier können unter Umständen die verschiedensten Formen der Irido- zyklitis bemerkbar werden, mit Ausnahme der eiterigen. Auch die Kornea beteiligt sich nicht selten unter dem Bilde der tiefen, weiß- lichen „Sklerosierenden Keratitis" (vgl. „Kornea", S. 382). Die Ursache der Lederhautentzündungen ist in Überein- stimmung mit den Sehnenerkrankungen zum Teil rheumatischer und gichtischer Natur. Eine erhebliche Bedeutung hat auch die Tuberkulose; mitunter kommt auch Lues in Betracht (in Lepra- Gegenden auch die Lepra). Bei den gichtischen Fällen treten ge- legentlich beträchtliche Schmerzen auf, die ähnlich wie die Gicht- anfälle verlaufen. Die lokale Therapie ist eine rein symptomatische; es kommt besonders die feuchte und trockene Wärme in Betracht. Manche schmerzhaften Fälle reagieren gelegentlich besser auf Eisanwendung. Recht brauchbar erweist sich mitunter eine Salbenmassage (Gelbe Salbe l°/o-3%, Nosophen 1%, Xeroform 1%—2°/o, Ichthyol 1% etc.). Wegen der Mitbeteiligung der Uvea wird auf das betreffende Kapitel verwiesen. Schmerzen müssen durch Narkotika bekämpft werden. Die Hauptsache ist eine gleichzeitige energische Behandlung des Grundleidens, d. h. des Rheumatismus, der Gicht, der 442 Krückmann, Lues, der Tuberkulose, In ätiologisch zweifelhaften Fällen wird man mit antirheumatischen Mitteln anfangen, und dann eventuell zu den anderen übergehen. Die skleritischen Buckel sind nicht zu verwechseln mit entzünd- lichen Neubildungen des Ziliarkörpers und der Regenbogenhaut, welche zu Tumorbildungen und zur Perforation der Lederhaut führen. Hier seien besonders die Tuberkulose und das Gumma erwähnt. Das rasche Wachstum und die übrigen Begleiterscheinungen der letzteren geben hier einen zuverlässigen Aufschluß. Differentialdiagnostisch ist ferner eine Verwechslung mit „Phlyk- tänen" zu vermeiden (vgl. S. 306). Erwähnenswert ist noch, daß mitunter eine große Pinguecula, welche im Anschluß an einen akuten Katarrh oder an Fremdkörper- verletzungen gerötet und verdickt wird, einen Skleraknoten vorzu- täuschen vermag. Klinisch läßt sich eine rheumatische oder gichtische Skleritis beziehungsweise Episkleritis nur in den vorderen Augenpartien nach- weisen. Liegen die Knoten in oder hinter dem Äquator, so handelt es sich meistens nicht um Rheumatismus oder um Gicht sondern fast ausnahmslos um Metastasen von Mikroorganismen, unter denen die Tuberkelbazillen und die Erreger der Syphilis den ersten Platz einnehmen. Diese Fälle gehören aber zu den allergrößten Selten- heiten, da es sich dann um zufällig in der Sklera haften gebliebene oder um dorthin verirrte Keime handelt. Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß auch in dem vorderen Leder- hautabschnitte eine Eruption von miliaren Tuberkeln stattfinden kann. Diese sitzen dann meistens an oder doch in der Nähe der vorderen Ziliargefäße. Entweder bleiben die Knötchen nur klein, oder sie konfluieren zu größeren Knoten. Sie neigen außerordentlich zur Ver- käsung und zur Ulzeration. Hier ist eine vorsichtig durchgeführte Tuberkulinkur mitunter sehr am Platze. Von Bedeutung sind noch die Formveränderungen der Lederhaut: die Ektasien und Staphylome. Die Dehnung der Lederhaut — Sklerektasie — tritt im all- gemeinen in zwei Formen auf, und zwar einmal so, daß eine Ver- längerung der Augenachse zu einer mehr oder weniger gleichmäßigen Ektasie führt und andererseits, daß eine lokalisierte Ausbuchtung der Augenhülle stattfindet, Die häufigste Form der Bulbusverlängerung ist die Aus- dehnungdeshintersten Augenabschnittes bei der Myopie. Die Verlängerung des vorderen Augenabschnittes kommt dagegen nur im Anschluß an Verdünnungen vor, die durch eine Skleritis bedingt oder doch mindestens vorbereitet sind. Diese Verdünnungen pflegen in der Regel zirkulär angeordnet zu sein. Es handelt sich dann um weiter nichts als um eine Dehnung von verdünntem Gewebe. Eine allgemeine Ausdehnung der Sklera findet sich fast nur im jugendlichen Alter und zwar beim Hydrophthalmus. Als besondere, seltenere Formen der Sklerektasien, welche durch Nach- giebigkeit der Lederhaut in Gemeinschaft mit einer Erhöhung des intraokularen Druckes zustande kommen, sind noch das Interkalar- und das Ziliar- staphylom zu erwähnen. In diesen Fällen ist die Ausbuchtung der Sklera eine partielle, sie befindet sich in der unmittelbarsten Nachbarschaft der Hörn- Erkrankungen der Uvea, des Glaskörpers und der Sklera. 443 haut. Bei dem Staphyloma intercalare wird die Gegend der Hornhaut-Lederhaut- grenze gemeinschaftlich mit der Iriswurzel vot gebuchtet. Letzteres ist deswegen möglich, weil der Irisansatz in solchen Fällen bereits vorher in größerer oder kleinerer Ausdehnung der Hinterfläche der Hornhaut und der Lederhaut ange- heftet ist. Bei d-m Züiarstaphylom wird der Ziliarkörper vorgetrieben. Eine Durchleuchtung dieses Staphyloms ermöglicht das Erkennen der Ziliarfortsätze, deren Firsten als schwarze Streifen hindurchschimmern. Vielfach kann man sich in brauchbarer Weise durch die Verlaufsrichtung der vorderen Ziliargefäße orientieren, da diese hinter dem interkalaren aber vor dem ziliaren Stnphylom in das Bulbusinnere eindringen. Bei beiden Staphylomarten sind bläuliche bezw. bläulich-schwärzliche Verfärbungen und außerdem glau- komatöse Zustände vorhanden. Die einzige Therapie, welche in Frage kommt, ist eine Iridektomie, um den Kammerwinkel zu lüften; aber auch dieser Eingriff ist oft aus rein ana- tomischen Gründen undurchführbar. Schließlich ist noch der äquotarialen Staphylome zu gedenken. Sie treten für gewöhnlich in der Mehrzahl auf. Ihr Aussehen ist gleichfalls ein bläuliches. Ihre anatomische Ur-ache ist darin zu suchen, daß der Äquator die dünnste Stelle der Sklera darstellt. Die Staphylome erheischen wegen ihrer Entstellung, wegen der Gefahr des Platzens, sowie wegen des Auftretens von Schmerzen verhältnismäßig häufig die Enukleation. Krankheiten der Linse. Von Professor L. Bach, Marburg. Anatomische Vorbemerkungen1). Die Linse (Lens crystallina) liegt innerhalb des von den Ziliarfortsätzen ge- bildeten Ringes und trennt das Auge in 2 Abschnitte, einen kleineren vorderen, den Kammerraum und einen größeren hinteren, den Glaskörperraum. (Fig. 328). Man unterscheidet an ihr eine vordere schwächer gewölbte und eine hintere stärker gewölbte Fläche. Linsenäquator Hintere Fläche Vorderer Pol Vordere Fläche Tellerförmige Grube Canalis Petiti zwischen den Fasern der Zonula ciliaris (Zinnii) Fig. 328. Nach der Abbildung in Raubers Anatomie kop. von Dr. Koerber. Vergr. ungefähr 5 fach. Das Zentrum der vorderen Fläche wird als vorderer, das der hinteren als hinterer Linsenpol und die Verbindungslinie heider als Linsenachse bezeichnet. Die abgerundete Grenze zwischen den beiden Flächen heißt Aequator lentis ') Die Entwickelung der Linse ist im Abschnitt „Entwi ckelungs- geschichte" nachzusehen. Krankheiten der Linse. 445 (Linsenrand). Sie ist ein vollkommener Kreis, dessen Durchmesser (äquatorialer Durchmesser der Linse) die größte Dimension der Linse darstellt. Die kleinste Dimension hat die Linse in der Richtung der Achse (sagittaler Durchmesser der Linse oder Linsendicke). Der vordere Pol der Linse nähert sich der Hornhaut auf etwa 2.6 mm und ragt etwa 0,5 mm über die Iriswurzel vor, so daß der Pupillarrand die vordere Linsenfläche berühren muß. Die Äquatorialebene fällt etwas hinter die Spitzen der Ziliarfortsätze. Die hintere Fläche liegt in der tellerförmigen Grube des Glaskörpers. Die Linse setzt sich zusammen aus der Kapsel, dem Epithel und den Fasern, welch letztere den weitaus größten Teil der Linsenmasse ausmachen. Weiter gebort zur Linse die sie in ihrer Lage festhaltende Zonula Zinnii1), die ebenso wie die Linse und deren Kapsel ektodermaler Herkunft ist. Die Linsenkapsel, die große Elastizität be- sitzt, ist als ein Produkt der Linsenepithelien aufzu- fassen. Sie ist vorn dicker (ungefähr 0,007 mm) als hinten (ungefähr 0.002 mm). Ihre Dicke nimmt im Laufe der Jahre etwas zu Die normale Linsenkapsel erscheint homogen, ist jedoch aus einer Anzahl Lamellen zusammengesetzt. Das Linsenepithel ist nur an derHinter- fläche der vorderen Kapsel vorhanden und besteht aus einer einfachen Lage kubischer Zellen, es reicht im normalen Auge ziemlich genau bis zum Äquator, hier mit scharfer Grenze aufhörend. Eine bestimmte Anordnung der Epithelzellen'1 an der Vorderfläche der Linse bis zum Äquator läßt sich nicht erkennen. An der Epithelgrenze sind hin- gegen die Zellen zu meridionalen Reihen geordnet. Am hinteren Ende dieser meridionalen Reihen wachsen die Zellen zu Linsenfasern aus; es kommt hier zur Bildung der „Kernzone" der Linse (Linsenwirbel) (Fig. 329), die sich hinter der Epithelgrenze, zunächst im scharfen Bogen nach hinten umbiegend, nach innen und vorn wendet. Von dieser Kernzone geht das Wachstum der Linse aus, indem immer neue Epithelzellen zu Linsen- fasern auswachsen und sich den früher gebildeten an- legen. Mit der Verlängerung der Kapselepithelien rückt der Kern derselben von der Kapsel ab in das Innere der Linse hinein, so daß entlang dem Äquator eine Zone sich findet, wo zahlreiche Kerne in der Linsensubstanz selbst hegen. An den Linsenfasern können wir 3 Gruppen als Zentralfasern, Uber- gangsfasern, Haupt- oder Grundfasern unterscheiden. (Rabl). Die ältesten, zuerst angelegten Fasern sind die Zentralfasern; sie bilden im wesentlichen den Linsenkern; mit zunehmendem Alter werden sie stetig härter, verlieren ihren Kern und haben wellenförmige oder gezähnelte Ränder. Die beiden anderen Fasergruppen bilden vorwiegend die Rinde der Linse. Sie bestehen aus bandförmigen 7—10 mm langen Fasern mit einem ovalen Kern ungefähr in der Mitte. Im Querschnitt sind sie sechseckig (Fig. 330) mit 2 längeren Seiten, sie sind durch eine Kittsubstanz derart verbunden, daß die langen Seiten der (Querschmtts)-Sechsecke aufeinander liegen, die Kanten aber alternieren. Das Wachstum der Fasern erfolgt von der Aquatorgegend gegen die beiden Pole hin. Fig. 329. Kernzone der Linse. Vergr. ca. 300:1. 2 Linsenkapsel. Die Epi- thelzellen e wachsen zu Linsenfasern/ mit den Kernen k aus. ]) Synonyma: Zonula ciliaris, Ligamentum Suspensorium lentis. Lehrbuch der Augenheilkunde. 29 446 L. Bach, Der Umstand, daß die Kapselzellen am Äquator in meridionalen Reihen angeordnet sind, führt dazu, daß die aus demselben herauswachsenden Linsen- fasern Radiärlamellen bilden, die wie die verschiedenen Sektoren einer Apfelsine aneinandergefügt sind. Die sekt orenf örmige Anordnung der Linsensubstanz tritt besonders deutlich bei pathologischen Prozessen und zwar hauptsächlich bei Trü- bungen hervor. ■~%r~~ Fig. 330. Querschnitt von Linsen- Fig. 331. Linsenstern. fasern. Vergr. ca. 300:1. Die Fasern der Radiärlamellen stoßen nicht an einem Punkte zusammen, sondern in radiären Linien, die sich um den Pol als Zentrum zu einem mehr oder weniger regelmäßigen Stern gruppieren (Linsen stern) (Fig. 331). Der Linsenstern besteht an der Vorderfläche der Linse aus mehreren bis zu neun Strahlen. Er wird bei den meisten normalen Linsen im lebenden Auge deutlich sichtbar, wenn man eine genügend helle Lichtquelle möglichst dicht an die vordere Linsenfläche bringt, er erscheint dann als ein System dunkler Linien auf weniger dunklem Grunde. Der hintere Linsenstern ist im normalen Auge mit den gebräuchlichen Untersuchungsmethoden nicht zu sehen. Die Zonula Zinii besteht aus zarten homogenen Fasern, welche ihren Ursprung an der Innenfläche des Ziliarkörpers von der Ora serrata an nehmen und mit der Pars ciliaris retinae in innigster Beziehung stehen. An den Firsten der Ziliarfortsätze verläßt die Zonula in Fibrillen aufgelöst den Ziliarköiper und spannt sich zum Linsenrande hinüber; ihre Fibrillen diver- gieren hierbei etwas und gehen teils am Äquator selbst, teils vor und hinter dem- selben in die Linsenkapsel über. Die vordere und hintere Reihe der Zonulafasern bilden keine geschlossenen Lamellen wie man früher glaubte. Zwischen den Zonulafasern und dem Linsenäquator ist ein auf dem Quer- schnitt dreieckiger Raum vorhanden, derCanalis Petiti; derselbe steht durch kleinste Lücken mit der hinteren Augenkammer in Kommunikation. Physiologische Vorbemerkungen. Mit zunehmendem Alter gehen in der Linse physiologische Veränderungen vor sich, welche 1. die Größe und Form, 2. die Konsistenz und 3. die Färbung betreffen. Die Linse vergrößert sich zeitlebens durch Apposition, in- dem von den meridionalen Reihen des Linsenäquators Zellen zu Linsenfasern aus- wachsen. Dieser Zunahme wirkt eine offenbar gleichfalls während des ganzen Lebens vor sich gehende Abnahme des Wassergehaltes der Linse entgegen, die sich be- sonders in Veränderungen der Kernpartien der Linse kund gibt. Es überwiegt jedoch die Volumenszunahme und zwar nimmt die Linse von der Jugend bis ins Alter um ungefähr V3 ihres Volumens und Gewichtes zu. Das Durchschnittsgewicht der normalen Linse des Erwachsenen wird zu ungefähr 0.22 g angegeben. Mit dem Größenwachstum der Linse ist auch eine Form Veränderung derselben verbunden. Während die sich selbst überlassene Linse des Neuge- borenen eine nahezu kugelige Gestalt annimmt, ist im Alter der sagittale Durch- Krankheiten der Linse. 447 messer wesentlich kleiner als der äquatoriale und die vordere Fläche weniger stark gewölbt. Beim Neuzeborenen beträgt der äquatoriale Durchmesser der Linse 6 mm, ihre Dicke ungefähr 4,5 mm, beim Greise der äquatoriale Durchmesser fast 10 mm, die Dicke zwischen 4 und 5 mm (C. Hess.) Als eine physiologische Veränderung der Linse ist die Sklerosierung zu bezeichnen. Die Sklerosierung äußert sich physikalisch im wesentlichen darin, daß zunächst vorwiegend die zentral gelegenen Linsenfasern unter Wasserverlust allmählich härter und spröder werden und sich abplatten. Der Sklerosierungsprozeß beginnt schon in der Kindheit und schreitet sehr langsam und ziemlich gleichmäßig — wenn auch mit individuellen Verschiedenheiten — fort. Man darf auf die Gleichmäßigkeit der Sklerosierung aus der großen Gleich- mäßigkeit der Abnahme der Akkommodationsbreite mit zunehmendem Alter schließen, indem die Fähigkeit der akkommodativen Gestaltsveränderung der Linse von der Größe dt-s keiner t'ormveränderung mehr fähigen Linsenkernes und der Weichheit und Elastizität der Rinde abhängt. (Siehe „Presbyopie" S. 93.) Ein deutlicher Kern ist erst vom Beginn des 3. Dezenniums an vorhanden, im hohen Alter ist fast die ganze Linse sklerosiert. Die menschliche Linse ist zum Unterschied von den meisten Tierlinsen niemals farblos, sondern stets deutlich gelblich. Diese Gelbfärbung nimmt kontinuierlich während des ganzen Lebens zu, ist aber individuell verschieden stark. In der Regel nimmt die Färbung vom Kerne nach der Peripherie ab. Die Ernährung der Linse. Die Ernährung der Linse erfolgt höchstwahrscheinlich lediglich durch osmotische Vorgänge. Vieles spricht dafür, daß die in Lösung befindlichen, er- nährenden Stoffe wesentlich in der Äquatorgegend eintreten und den Gefäßen des Corpus ciliare entstammen. — Der Stoffwechsel in der Linse ist ein sehr langsamer. Man darf dies daraus schließen, daß pathologische Veränderungen sich oft nur sehr langsam ausbreiten. Pathologie der Linse. In der Pathologie der Linse spielen die Linsentrübungen — grauer Star oder Katarakt1) genannt — die Hauptrolle; außerdem kommen Form- und Lageveränderungen der Linse vor. Linsentrübungen. Subjektive Symptome. Die Klagen, mit denen die Kranken zum Arzt kommen, sind wenig charakteristisch und meist ziemlich unbestimmt „Abnahme des Sehens", „Erscheinen von schwarzen Punkten und Strichen vor den Augen", „Sehen wie durch einen Schleier oder durch Nebel" usw. Erkundigt man sich genauer nach den wahrgenommenen Trü- bungen, so erfährt man, daß dieselben bei der Augenbewegung stets an derselben Stelle bleiben, womit die Unterscheidung von den beweg- lichen Glaskörpertrübungen gegeben ist, die ihren Ort ändern. Gelegentlich werden auch Klagen über Polyopie laut. Diese wird insbesondere beim Betrachten helleuchtender Punkte (Mond, ]) Der Star hieß bei den Arabern mV, Wasser oder ausführlicher al-ma' an-näzil fi l'ain, d. h. Wasser, das herabsteigt ins Auge. Hieraus ist der mittel- alterliche Name „Cataracta" — Wasserfall, entstanden. Das deutsche Wort „Star" (staraplint) kommt von „Starren" und will sagen, daß eine Blindheit be- stand, bei welcher die Pupille starr war. Es ist mißbräuchlich im Mittelalter auf die senilen Linsentrübungen übertragen worden. 29* 448 L. Bach, Sterne, Laternen usw.) bemerkt und ist durch Differenzen des Bre- chungsindex in scharf aneinanderstoßenden Linsenteilen (irregulärer Linsenastigmatismus) bedingt. Man kann diese Verhältnisse vortreff- lich mit einer gesplitterten Starbrille demonstrieren. Der Grad der Seh Störung ist sehr abhängig von der Be- schaffenheit und besonders von dem Sitze der Trübung und steht daher keineswegs immer im Einklang mit der Ausdehnung der Trübung. So lange selbst ziemlich dichte und ausgedehnte Trübungen in der Äquatorgegend, also hinter der Iris ihren Sitz haben, machen sie keine oder nur geringfügige Sehstörungen1). Im Gegensatz dazu können wenig gesättigte, aber diffuse Trü- bungen, die sich auf das Pupillargebiet beschränken, das Sehvermögen frühzeitig und hochgradig beeinträchtigen. Nehmen die Trübungen im Pupillargebiet nicht die ganze Aus- dehnung desselben ein, so ist der Grad der Herabsetzung des Seh- vermögens sehr von der Pupillenweite, somit von der Beleuchtung abhängig. Nimmt eine Linsentrübung nur die der Achse ganz naheliegenden Teile ein, so wird allerdings die zur Netzhaut gelangende Lichtmenge etwas vermindert, die Schärfe des Bildes aber, insbesondere wenn die Trübung eine dichte und scharf umschriebene ist, wenig beeinträchtigt sein. Nur bei greller Belichtung kann es infolge der eintretenden Pupillenverengerung geschehen, daß plötzlich eine sehr starke Sehstörung eintritt, wenn nämlich der Querschnitt der Trübung und der Pupillaröffnung gleich groß werden. Die umgekehrte Beobachtung wird gemacht, wenn die Lage der Trübung mehr den Randteilen einer mittelweiten Pupille entspricht; bei dieser Sachlage wird eine Verengerung der Pupille ein deutlicheres Sehen durch Ausschaltung der durch die getrübten Linsenteile bedingten Zerstreuungsbilder zur Folge haben. Nimmt eine Trübung nur das Pupillargebiet ein, so kann man durch künst- liche Erweiterung der Pupille, z. B. durch Atropin, manchmal eine nicht uner- hebliche Besserung des Sehvermögens, besonders für die Nähe erzielen. Dement- sprechend geben die Kranken an, daß sie bei herabgesetzter Beleuchtung besser als bei greller Allgemeinbeleuchtung sehen (Nyktalopie.) Außer der Herabsetzung der Sehschärfe bedingt eine diffuse Trübung im Pupillargebiet auch noch Blendungserscheinungen infolge der unregel- mäßigen Brechung der getrübten Linsenteile und diffuser Belichtung der Netzhaut. Bei einer Trübung der ganzen Corticalis empfängt die Netzhaut von den Außengegenständen keine Bilder mehr, das quali- tative Sehen, d.h. das Erkennen von Gegenständen, ist verloren gegangen, dahingegen ist das quantitative Sehen, d. h. die Unterscheidung von hell und dunkel, gut erhalten. Bei einer un- komplizierten, vollständigen Linsentrübung kann das Auge in einem finsteren Räume auf eine Entfernung von 6 m den Schein einer gewöhnlichen Kerzenflamme sehen, d. h. prompt angeben, ob die Flamme verdeckt oder freigegeben ist. Durch diese Prüfung be- kommen wir Gewißheit von der Unversehrtheit der Stelle des direkten Sehens, d. h. der Netzhautmitte. ]) Bei dieser Sachlage soll man im allgemeinen den Kranken keine Mit- teilung davon machen, daß „Star" vorliegt. Man würde sie, da die weitere Aus- bildung des Stars oft ungemein langsam vor sich geht, nur unnötig früh ängstigen. Sind noch gar keine Sehstörungen vorhanden, so sage man überhaupt nichts von der vorliegenden Veränderung im Auge, liegen bereits Belästigungen vor, so spreche man von einer geringfügigen Trübung im Auge, die keinen Anlaß zur Besorgnis gebe. Krankheiten der Linse. 449 Um aber die Aussichten einer operativen Entfernung der Linse ermessen zu können, müssen wir uns auch von dem Verhalten der Netzhautperipherie Kenntnis verschaffen. Es geschieht dies da- durch, daß wir Licht auf die periphere Netzhaut in den verschiedenen Hauptmeridianen ins Auge werfen und uns angeben lassen, von wo der Lichtreiz ausgeht. Wir benutzen dazu eine Kerze, die wir bei fixiertem, geradeaus- sehendem Auge in der Gesichtsfeldperipherie herumführen und ab- wechselnd verdecken und wieder freigeben, oder einen Spiegel, mit dem wir von einer hinter dem Auge stehenden Lichtquelle Licht auf die verschiedenen peripheren Abschnitte der Netzhaut werfen. Der Untersuchte muß in der Lage sein, die jeweilige Stellung der Kerze und des Spiegels anzugeben (vgl. auch „Funktionsprüfungen", S. 127). Nur selten, z. B. bei sehr ungeschickten, wenig intelligenten Kranken oder bei sehr langem Bestehen des Katarakt fällt diese Prüfung nicht befriedigend aus und es wird trotzdem durch die Operation ein gutes Sehvermögen erzielt. Manchmal geht der Starbildung das Auftreten von Kurzsichtigkeit voraus und zwar ist dies besonders bei der Cataracta diabetica der Fall (siehe „Allgemeinerkrankungen"). Infolge des Auftretens der Myopie rückt der Nahe- punkt wieder bis zur Leseweite herein und es können ältere Leute, die bislang wegen Presbyopie ein Glas brauchten, wieder ohne Brille lesen. — Die Myopie ist entweder durch eine Änderung des Brechungsindexes oder durch eine Wölbungs- vermehrung der Linse infolge Wasseraufnahme bedingt. Objektive Symptome. Dichte und ausgedehnte Trübungen im Bereiche des Pupillar- gebietes sind ohne weiteres zu erkennen. Zur Feststellung zarter Trübungen bedarf es der sei tl ich en Beleuchtung und der Unter- suchung im durchfallenden Lichte mittelst eines Planspiegels. (Näheres vgl. „Untersuchung des Auges", S. 45 u. 47.) Benutzt man bei letzterer Methode einen lichtstarken Konkavspiegel, so werden die grellen Lichtbündel desselben zarte Trübungen durchleuchten, ohne, falls man nicht eine lichtschwache Flamme benutzt, merklich an Helligkeit ein- zubüßsn. Zarte Trübungen lassen sich auch leicht durch Zuhilfenahme einer hinter dem Spiegel angebrachten starken Konvexlinse feststellen. Man durchleuchtet dabei das Auge bei großer Annäherung und bringt die Linse in den Brennpunkt des benutzten Konvexglases. Sehr schöne und lehrreiche Bilder erhält man durch Betrachtung mit der Zehender-Westiensehen Lupe und dem Kornealmikroskop. Um die so häufigen in der Äquatorgegend der Linse sitzenden Trübungen festzustellen, ist schräges Hereinsehen oder bei enger Pupille künstliche Pupillenerweiterung, wozu ich 5°/o Euphthalmin undV2°/o Homatropin einmal oder 4% Kokain zweimal eingeträufelt empfehle, nötig. Im auffallenden Licht sehen Linsentrübungen grau oder grau- weißlich aus. Trübungen der Linsenkapsel haben oft eine mehr kreideweiße Farbe und heben sich bei gleichzeitigem Vorhandensein graulicher Kortikaltrübungen scharf von letzteren ab. Im durchfallenden Lichte erscheinen die Trübungen grauschwarz bis schwarz. Die Formen der Trübungen sind außerordentlich mannig- faltig und gelegentlich ungemein zierlich; weitaus am häufigsten sind 450 L. Bach, radiärgestellte, sektorenförmige Trübungen, eine Tatsache, die mit dem Aufbau der Linse im Zusammenhang steht. Der Sitz der Trübung läßt sich mit Hilfe der seitlichen Beleuchtung meist leicht bestimmen. Mit Vorteil kann man dazu aber auch die Untersuchung im durchfallenden Licht verwenden, wobei die Richtung und Größe der parallaktischen Verschiebungen als Maßstab dient (siehe S. 47). Besonders geeignet ist letztere Methode zur Feststellung umschriebener Trübungen in den hinteren Abschnitten der Linse. Selbstverständlich verliert diese Methode ihre Anwendbarkeit, wenn die Trübungen das ganze Pupillargebiet einnehmen und so dicht geworden sind, daß eine Durchleuchtung nicht mehr möglich ist, dann tritt die seitliche (fokale) Be- leuchtung ganz und allein in ihre Rechte. Man lasse sich nicht verleiten, aus dem Vorhandensein eines graulichen Reflexes im Pupillargebiet alter Leute ohne weiteres die Diagnose Katarakt zu stellen, sondern wende stets zur Sicherung der Diagnose die Untersuchung im durchfallenden Lichte an (siehe S. 46). Die Linse älterer Leute hat nämlich stets einen großen Kern und dieser reflektiert mehr Licht als die noch nicht sklerosierte Linse. Darin liegt der Grund des grauen oder graugrünen Reflexes aus dem Pupillargebiet älterer Leute (Alters- reflex). Nur dann ist Katarakt zu diagnostizieren, wenn auch im durchfallenden Spiegellicht ein Schatten sichtbar ist. Wer dies beachtet, wird die nicht selten auch von ärztlicher Seite gestellte Fehldiagnose Star vermeiden, wo in Wirklichkeit eine ganz andere Erkrankung, z. B. ein Sehnervenleiden vorliegt. Zu beachten ist ferner, daß Trübungen im Pupillargebiet auch eine andere Ursache haben können — Pupillarmembran, Synechien, Pupillai schwarte (siehe Abschnitt „Uvea"). Pathologische Anatomie der Linse. An dem Epithel der vorderen Kapsel werden beim Altersstar oft schon in verhältnismäßig frühen Stadien der Starbildung aus- gedehnte und tiefgreifende Alterationen wahrgenommen. Eine häufige Degenerationserscheinung der Kapsel- epithelzelle stellt die sogenannte Bläs- chenzelle dar. Neben der Degenera- tion beobachtet man Epithelwuche- rung. Letztere ist als ein über das Ziel hinausschießender regenerativer Vor- gang anzusehen und hat ihre Ur- sache in dem Absterben benachbarter Zellgruppen. Beim sogenannten echten Kap- selstar begegnen wir folgendem histologischen Aufbau (Fig. 332). Fig. 332. Vorderer Kapselstar. . Da wo der KaPselstar beginnt, spaltet Ver"r ca 80/1 s^cn d*e Linsenkapsel derart, daß das Kap- k Kapsel. Dies'elbe'ist an der Vorder- selePithel einen nach hinten konvexen fläche des Kapselstares gefaltet Bogen blldet> Das EPithel ist stark §e" e Epithel. Genauere Beschreibung wuchert und zu Fa«ern ausgewachsen. Der siehe nebenan hintere Abschnitt des Kapselstares wird fast ausschließlich aus Epithelzellen mit nur wenig Zwischensubstanz gebildet, in der vorderen Hälfte werden die Zellen spärlicher und nehmen mehr reine. Spindelform an, schließlich können im vor- dersten Bereich die Zellen ganz fehlen. Krankheiten der Linse. 451 Die zwischen den Zellen vorhandene glashäutige Zwischensubstanz ist als ein Ausscheidungsprodukt der Zellen des Kapselepithels anzusehen. Bei sehr lange bestehendem Altersstare, bei Verletzung der hinteren Kapsel in der Nähe des Linsenwirbels, bei längere Zeit aus der Nachbarschaft einwirken- dem Reiz auf die hintere Linsenkapsel bekommt auch die hintere Kapsel an ihrer Innenfläche einen oft unregelmäßigen Epithelbelas. Die Epithelzellen nehmen dabei ihren Ursprung von den Zellen der Kernzone resp. sie entstehen durch Proliferation dieser Zellen. An den Linsen fasern kommt es beim Auftreten von Trü- bungen zu folgenden Veränderungen (Fig. 333): Die Fasern weichen etwas auseinander und es bilden sich Hohlräume zwischen denselben. infolge der Ansamm- lung feinster Fett- tröpfchen ein trübes Aussehen annimmt. Die Linsenfasern selbst können zu- nächst noch ein nor- males Aussehen dar- bieten, quellen dann aber auf, wodurch ihre Grenzen bald ungleichmäßig ge- staltet werden. Mit dem Auftreten der Quellung werden die Fasern trüb und es bilden sich sehr zahl- reiche feinste Tröpf- chen in denselben. Einzelne jüngere Fa- sern bekommen durch stärkere Auf- quellung den Cha- rakter von „ Bläs- chenzellen". Nach diesem Quellungsstadium der Linsenfasern kommt es zu einem mehr und mehr fort- schreitenden Zerfall derselben, so daß schließlich an Stelle der Fasern eine brei- ige, milchige Masse tritt, welche aus Flüssigkeit, feinsten Tröpfchen, zerfetzten Linsenfasern und etwas größeren runden Kugeln, sogen. Morgagnischen Myelinschollen besteht. Besteht zur Zeit der Ausbildung der Katarakt schon ein Linsenkern so erweist sich dieser in der Regel viel widerstandsfähiger, es lassen sich in ihm gar keine oder nur feinste punktförmige, weiter nicht auflösbare Trübungen nach- weisen. Die zerfallenen Linsenmassen werden allmählich eingedickt, indem die Flüssigkeit mehr und mehr resorbiert wird. Bei länger bestehendem Zerfall der Linsenfasern kommt es zur Ansammlung von Kalksalzen und Cholestearinkristallen. Im ersteren Falle bekommt die Linse ein gelbliches Aussehen, im letzteren Falle kommt es zum Auftreten glitzernder Punkte. Dieselben füllen sich mit einer Flüssigkeit, die sehr bald Fig. 333. Cataracta fere totalis. Präparat voneinem2Mo- nate alten anPädatrophie gestorbenen Kinde mit angeborener Katarakt. Vergr.350:1. k Linsenkapsel; e Epithel; v helle Hohlräume zwischen Epithel und den angrenzenden mäßig gequollenen Linsenfasern, zum Teil auch in sog Bläschen- zellen umgewandelte Zellen der vorderen Kapsel; d mit detritusartgen Massen angefüllte Hohlräume zwischen den gequollenen Linsenfasern; m Myelinschollen (Morgagni'sche Kugeln); h leere oder mit klarer Flüssigkeit angefüllte Hohlräume zwischen den Linsenfasern; b in Bläschenzellen umgewandelte Linsenfasern; g stark gequollene Linsenfasern. 452 L. Bach, Im Anschluß an den Rindenzerfall kann das Kapselepithel größtenteils oder vollständig zugrunde gehen. Klinische Formen der Katarakt. Mit dem Namen „Katarakt" bezeichnet man alle Trübungen der Linse. Die klinischen Erscheinungsformen der Katarakt sind ungemein mannigfaltig. Ihre Gruppierung kann nach verschiedenen Gesichtspunkten vorgenommen werden. Nimmt man den Sitz der Trübung zum Ein- teilungsprinzip, so hat man zu unterscheiden zwischen Kapselstar, Rindenstar, Kernstar und Totalstar. Nach dem Verlaufe ergibt sich eine Trennung in stationäre und progressive, nach der Entstehungszeit in angeborene und erworbene Stare. Legt man die Entstehungsursache als Ein- teilungsprinzip zugrunde, so kann man unterscheiden zwischen Linsen- trübungen aus lokaler Ursache, z. B. die Polstare, den Spindelstar, und solchen aus allgemeinen Ursachen, z.B. infolge von Diabetes, Rachitis, Intoxikationen etc., ferner zwischen spontan und durch Trauma entstandenen Staren. Damit sind die Einteilungsmöglichkeiten nicht erschöpft. "Welche Einteilung man aber auch wählen mag, vollständig befriedigt keine. Bei der folgenden Besprechung der klinischen Starformen ist ihre Entstehungszeit und Ursache als Haupteinteilungsprinzip zugrunde gelegt. Angehorene Starformen. Polstare. Es gibt einen vorderen und einen hinteren Polstar. Der vordere Polstar — Cataracta polaris anterior. Der vordere Polstar (Fig. 334) stellt sich als eine meist rund- liche, scharf umschriebene, intensiv weiße Trübung dar in der vorderen ^•!&* Polgegend der Linse, also in der Mitte des Pupillar- ^lV$$ . I . gebietes. In der Regel ist er punkt- bis steck- • \ nadelkopfgroß, selten größer. Meist bleibt er ^, stationär. In vielen Fällen findet er sich als einzige .• Trübung der Linse, manchmal zusammen mit an- v); deren Starformen: Spindelstar, Schichtstar, Zentral- ''^feMfah ',jß. >/ s^ar und hinterem Polstar. Fi«- 334 Cataricta Zuweilen ist die vordere Poltrübung sternförmig (Cat. ö-,' •' . '• . stellata), d. h. es strahlen feinste radiär gestellte Trübungen polaris anterior. .. T~. ., Vergr. 2:1. gegen Peripherie aus. Der angeborene vordere Polstar ist häufig doppelsei tig. Er kommt durch eine Störung beim Abschluß des Linsenbläschens zustande. Der vordere Polstar kommt auch erworben vor. Aus dem rein praktischen Grunde der größeren Übersichtlichkeit soll dessen Besprechung hier gleich angeschlossen werden. Er tritt fast ausschließlich nach Perforation eines zentralen, seltener eines parazentralen Hornhautgeschwüres auf. Die Entstehung Krankheiten der Linse. 453 des erworbenen vorderen Polstares ist dadurch zu erklären, daß mit der Perforation des Geschwüres das Kammerwasser abfließt und der Linsenscheitel der hinteren Hornhautfläche anzuliegen kommt. Von dem Geschwüre gelangen Toxine zu dem Kapselepithel, wodurch das- selbe teils zur Degeneration, teils zur Proliferation gebracht wird. Der Umstand, daß auch bei exzentrischer Lage des Geschwüres doch ein vorderer Polstar auftritt, hängt damit zusammen, daß wegen der Wölbung der Linsenfläche der vordere Pol am direktesten mit der den Reiz abgebenden Horn- hautfläche in Berührung tritt, sowie damit, daß die infolge der bestehenden Iritis verengte Pupille nur die Gegend des vorderen Pols frei läßt. Der Pyramidalstar — Cataracta pyramidalis. Der Pyramidalstar (Fig. 335) ist genetisch mit dem vorderen Polstar identisch. Es wirkt nur die Schädlichkeit länger und intensiver ein. Beim Pyramidalstar ragt die getrübte Partie vom vorderen Pole aus zapfenartig in die vor- dere Kammer hinein, in seltenen Fällen steht er durch einen feinen Faden mit der hinteren Horn- hautwand in Verbindung. Fig. 335. Cataracta pyramidalis. Vergr. 2:1. Der hintere Polstar — Cataracta polaris posterior. Beim hinteren Polstar (Fig. 336) sehen wir eine zirkum- skripte, selten größer als steck- nadelkopfgroße Trübung am hinteren Pol. Die Trübung bleibt fast immer stationär. Man unterscheidet eine Cataracta polaris posterior v e r a und spuria. Bei der letzteren Form handelt es sich nicht um Degenerationsvorgänge inner- halb der Kapsel, sondern um bindegewebige Auflagerungen— Reste der Arteria hyaloidea — auf deren Hinterfläche. In vivo läßt sich oft nicht entscheiden, ob eine Cataracta polaris posterior vera oder spuria vorliegt. Der hintere Polstar kommt auch erworben vor. (Siehe S. 463 bei ;,Cataracta complicata".) Therapie des vorderen und hinteren Polstares. Da die Polstare in der Regel keine stärkere Sehstörung verursachen, so ist eine Therapie überflüssig. In den Fällen, wo wegen ausnahmsweise größerer Ausdehnung der Poltrübung die Sehstörung erheblicher ist, Cat. pol. anter. *WSy et poster. I "> Cat. perinucle- aris sive zonularis Cat. centralis cong. Cat senilis sub- capsalaris Cat. totalis. Fig. 336. Schematische Darstellung des Trübungs- bereiches der verschiedenen Starformen. Die Trübungszone ist schwarz angegeben. Verür. ca. 4fach. 454 L. Bach, kommt eine optische Iridektomie oder eine Entfernung der Linse in Betracht. Seltene Formen angeborener Katarakt sind: Cataracta punctata (Cat. caerulea.) Es handelt sich dabei um eine seltene, wohl meist angeborene Linsen- trübung, welche in feinen in der vorderen und hinteren Rindenschicht verteilten Punkten besteht. In der Gegend der Pole sind die Punkte häutig sehr regel- mäßig sternförmig angeordnet mit den Polen als Mittelpunkten der Sterne. Eine bläulich-graue Farbe gab Anlaß zur Bezeichnung Cat. caerulea. Diese Starform ist in der Regel stationär. Die Sehstörung ist gering und deshalb eine Therapie nicht nötig. Der Spindelstar (Cat. fusiformis). (Fig. 336.) Der sehr seltene typische Spindelstar ist dadurch charakterisiert, daß eine faden- oder schlauchförmige Trübung vom vorderen bis zum hinteren Pole der Linse zieht. Der zentrale Teil der Trübung ist oft ampullenförmig aufgetrieben. Von diesem typischen Bilde kommen Abweichungen vor und zwar meist derart, daß die axiale Trübung, insbesondere die zwischen Zentrum und hinterem Pole, nur andeutungsweise vorhanden ist. Die genetische Verwandtschaft des Spindelstares mit anderen angeborenen Starformen geht daraus hervor, daß bei ein- und demselben Kranken an dem einen Auge Spindelstar, an dem zweiten eine andere angeborene Starform vor- handen sein kann. Den gleichen Schluß kann man daraus ziehen, daß bei ver- schiedenen Gliedern einer Familie teils Spindelstar, teils andere angeborene Kataraktformen beobachtet wurden. Der Spindelstar ist auf eine Entwickelungsstörnng der Linse zurückzu- führen und zwar dürften Störungen in der Abschnürung des Linsenbläschens, manchmal zusammen mit Störungen in der Rückbildung der Arteria hyaloidea hauptsächlich in Betracht kommen. Bezüglich der Therapie gilt das bei den Polstaren Gesagte. (Siehe S. 451.) Der Zentralstar (Cat. centralis congenita). (Fig. 336.) Bei dem Zentralstar ist lediglich oder doch fast ausschließlich das Zentrum der Linse getrübt. Die Trübungszone ist öfters nach dem hinteren Pol zu verschoben. Der Zentralstar ist angeboren, kommt meist doppelseitig, selten einseitig vor und bleibt in der Kegel stationär. Manchmal besteht auf dem einen Auge Zentralstar, auf dem anderen Auge eine andere angeborene Starform — besonders Schichtstar ist häufiger gleichzeitig mit Zentralstar beobachtet worden — und zweifellos stehen sich diese beiden Starformen ihrer Entstehung nach sehr nahe. Beim Zentralstar handelt es sich um eine relativ frühe und intensiv einsetzende Schädigung der Linse. Es gibt auch eine erworbene Kerntrübung (siehe S. 460.) Der Schichtstar. (Cat. zonularis sive perinuclearis.) (Fig. 336.) Charakteristisch für den Schichtstar ist das Bestehen einer zwischen den zentralen und peripheren Linsenteilen gelegenen Trü- bungszone, welche die ersteren wie eine Fruchthülse umgibt. Die zentralen Linsenpartien sind entweder normal oder zeigen unterschied- lich starke Veränderungen. Die peripheren Linsenteile sind meist völlig klar und durchsichtig. Krankheiten der Linse. 455 Zuweilen sieht man um die Haupttrübungsschicht noch eine zweite oder selbst eine dritte schalenförmige Trübung derart, daß sie von der näher dem Zentrum gelegenen durch eine normale, jedenfalls viel weniger stark getrübte Rindenpartie getrennt ist. In dem äquatorialen Bereich der Trübungszone gewahrt man sehr häufig radiär gestellte, etwas stärkere Trübungen. Sie bilden öfters zwei Schenkel, von welchen einer der vorderen, einer der hinteren Trübungszone aufsitzt, die sogenannten „Reiterchen". Sie liegen nicht selten etwas getrennt von der Haupttrübungsschicht in einer im übrigen normalen Linsenpartie. Der Durchmesser der Trübungszone ist sehr verschieden, er schwankt zwischen 3 und 8 mm. Nicht immer ist das Krankheits- bild typisch, sondern es kommen infolge unvollständiger Ausbildung der Trübungszone allerlei Abweichungen vor. Fig. 337. Fig. 338. Fig. 339. Fig. 337. Schichtstar mit Reiterchen im auffallenden Lichte gesehen. Vergr. 2:1. Die Startrübung ist hier in der Mitte weniger gesättigt, da das Zentrum der Linse nur wenig verändert ist. Fig. 338. Schichtstar mit Reiterchen im durchfallenden Lichte gesehen. Vergr. 3:1. Die Pupille ist künstlich erweitert. Die Trübung ist in der Peripherie gesättigter als in der Mitte. Zwischen dem Rande der Trübung und dem Pupillar- randePleuchtet die Pupille auf entsprechend der durchsichtigen Peripherie der Linse. Fig. 339. Schichtstar mit Reiterchen und Kernstar im auffallenden Lichte gesehen. Vergr. 2:1. Die Pupille ist künstlich erweitert. Die Startrübung ist in der Mitte gesättigter als in der Peripherie infolge der neben der Schichtstartrübung vorhandenen starken Veränderung im Zentrum der Linse (Cat. centralis). Zwischen dem Rande der Trübung und dem Pupillarrande P ist entsprechend dem durch- sichtigen Teile der Linse ein schwarzer Zwischenraum vorhanden. Die Schichtstartrübung ist bei seitlicher Beleuchtung, besonders bei künstlich erweiterter Pupille gut zu sehen (Fig. 337) — deutlicher und charakteristischer stellt sie sich aber im durchfallenden Lichte (Fig. 338) dar. Man sieht dieselbe als eine unterschiedlich dichte, manchmal leicht durchscheinende Trübungszone, die sich mit scharfer, gelegentlich mit zackiger Begrenzungslinie gegen die peripheren durch- sichtigen Linsenteile absetzt. Die Dichte der Trübung nimmt meist von der Peripherie nach dem Zentrum ab (Figuren 337 und 338), während w i r beim Zentralstar (Fig. 336) und bei dem mit Zentralstar kombi- nierten Schichtstare (Fig. 339) das entgegengesetzte Verhalten be- obachten. Von der Peripherie der Trübung gehen die sogenannten 456 L. Bach, Reiterchen als radiär gestellte dunkle Linien wie die Speichen eines Rades ab. . Der Schichtstar ist in der Regel doppelseitig und bleibt meist stationär. Er ist in der Mehrzahl der Fälle angeboren, kann aber auch in den ersten Lebensjahren und ausnahmsweise im späteren Leben auftreten. Hierbei ist jedoch zu bedenken, daß es sich aus irgend einer Ursache um eine Zunahme einer bereits vorhandenen feinen Trübung handeln kann. Histologisch findet man beim Schichtstar folgende Verhältnisse: Um die zentralen Linsenpartien herum sind rundliche oder unregelmäßig begrenzte kleine Degenerationsherde vorhanden, welche aus feinen Schollen und staubartigem Detritus bestehen. Das Verhalten der zentralen Linsenpartien ist verschieden. In der Mehrzahl der Fälle findet man an ihnen die gleichen Degenerationsheide wie in der Schichtstarzone selbst, nur in geringerer Zahl; manchmal ist die zentrale Linsenpartie ganz intakt. Die sog. Rei- _-«»—~*~—___•« terchen zeigen histo- ,^r—•""""*" "'"""—-•-.., _ logisch das gleiche ^*">"' ^'^s. Aussehen wie die Schichtstarzone und dürften auch in glei- cher Weise entste- hen wie diese. Über die Ur- sach edesSchicht- stares gehen die Ansichten noch auseinander. Im Hinblick auf die Tatsache, daß der Schicht- star meist ange- boren vorkommt, daß an einem Auge Schichtstar, an dem anderen Auge eine andere zweifellos auf eine Entwickelungsstörung zu be- ziehende Starform vorhanden sein kann und daß andere angeborene Fehler am Auge gleichzeitig beobachtet sind, wird der Schichtstar von vielen als eine Bildungsanomalie der Linse aufgefaßt. Man denkt an eine frühzeitig einsetzende Störung in der Abschnürung des Linsenbläschens vom Hornblatte, in deren Folge die Linsenfasern, nicht mehr ge- hemmt durch die umschließende Kapsel, zu wuchern begannen und dann zerfielen. Nachdem die Störung für den Abschluß des Linsenbläschens behoben war, kam dasselbe doch noch zum Verschluß und es entwickelten sich weiterhin normale Linsenfasern (Heß). Im Sinne dieser Pathogenese läßt sich auch die Neigung zur Vererbung des Schichtstares verwerten; er ist in einigen Familien durch mehrere Generationen hindurch beobachtet worden. Von anderer Seite werden Rachitis (Horner) und Tetanie (Peters) in ursächliche Beziehung zum Schichtstar gebracht. Man hat versucht, den Zusammenhang mit der Rachitis durch den Hinweis darzutun, daß in Ländern, in denen Rachitis sehr selten ist, auch der Fig. 340. Schichtstar und Zentralstar. Ver^r. 24:1. Zwischen Rinde und Kern befinden sich giößere und kleinere Hohlräume, die mit feinkörnigen Massen angefüllt sind. (Schichtstar sive Cat. perinuclearis sive zonularis.) Im Kerne finden sich ebenfalls zahlreiche Hohlräume, die mit fein- körnigen Massen angefüllt sind. (Cat. centralis.) Schicht- und Zentralstar sind nach einem Präparate von einem 9 jährigen Mädchen gezeichnet, das seit der Kindheit schlecht sah. Rinde und Kapsel wurden ergänzt. Krankheiten der Linse. 457 Schichtstar nur ausnahmsweise vorkomme und umgekehrt dadurch, daß sehr häufig bei Schichtstar anderweitige Erscheinungen von Rachitis, z. B. Schädel- deformitäten und besonders Zahnmißbildungen vorhanden seien. Bei den rachitischen Zähnen (Fig. 341) sind besonders an den blei- benden oberen Schneidezähnen, an den Augen- und ersten Backenzähnen horizon- tale Riefen im Schmelz oder horizontale Reihen kleiner Grübchen vorhanden. Zuweilen sind die Zähne so verkümmert, daß sie nur kleine kubische oder un- regelmäßige Klötze darstellen. Es handelt sich dabei um eine unvollkommene Entwickelung des Schmelzes infolge von Mangel an Kalk, dem Baumaterial desselben. Die Linse, welche in ihrer Entwickelung manches mit den Zähnen gemeinschaftlich hat, leidet in der Weise, daß diejenigen Linsenschichten, welche zur Zeit der rhachitischen Ernährungsstörung gebildet sind, trübe werden, während später nach dem Aufhören dieser Ernährungsstörung wieder normale Linsenpartien sich §' , Rhachiti- bilden. sehe Zähne. Von anderer Seite werden die bei Rachitis infolge der Exacerbationen einer serösen Meningitis sich einstellenden Konvulsionen, ferner die Krämpfe bei der Tetanie, wobei auch der Ziliarmuskel befallen ist, in ursächlichen Zusammen- hang mit dem Schichtstar gebracht. Sehr selten tritt, wie oben gesagt, der Schichtstar erst im späteren Leben, z. B. nach Verletzungen des Auges, bei Leucoma adhaerens etc. auf. Funktionell hat der Schichtstar eine je nach der Ausdehnung und Dichte der Trübung verschieden starke Sehstörung zur Folge. Ist dieselbe nicht hochgradig, so wird sie häufig erst bemerkt, wenn die Kinder zur Schule gehen. Ein therapeutisches Vorgehen ist in der Regel nur dann indiziert, wenn die Sehstörung eine erhebliche ist. Fast ausnahmslos kann es sich dabei nur um operative Maßnahmen handeln. Als solche kommen in Betracht die optische Iridektomie und die Entfernung der Linse. Will man bei kleinen Kindern mit dem operativen Eingriff noch abwarten, so kann die Verordnung von Atropin angezeigt sein, damit die klarere Peripherie zum Sehen benutzt wird. Die optische Iridektomie ist am Platze, wenn künstliche Erweite- rung der Pupille eine beträchtliche Besserung des Sehvermögens zur Folge hat. Für die größere Mehrzahl der Fälle kommt nur die Ent- fernung der Linse in Frage. Meist wird dieselbe durch eventuell wiederholte Diszissionen herbeigeführt. Manche Augenärzte geben zur Abkürzung der Behandlungsdauer der Linearextraktion der Linse den Vorzug (siehe S. 474). Der Totalstar. Bei dem seltener vorkommenden Totalstar ist die Linse gleich- mäßig grauweiß ohne jede Andeutung einer radiären Zeichnung in- folge starken Zerfalles der Rindenpartien (Cat. lactea). Öfters treten frühzeitig Schrumpfungsvorgänge ein. Der Totalstar steht genetisch und histologisch dem Zentralstar und Schichtstar außerordentlich nahe. Man darf annehmen, daß beim Totalstar die krankhafte Störung länger eingewirkt hat wie beim Schichtstar und kann somit den Totalstar als weit vorgeschrittenen Schichtstar auffassen. 458 L. Bach, Therapeutisch kommt nur die Entfernung der Linse in Frage. Dieselbe soll man bei allen angeborenen Starformen, die das Sehvermögen erheblich schädigen, möglichst frühzeitig vornehmen, da sonst die Netzhaut in der Entwickelung ihrer Funktion zurück- bleibt und eine Amblyopia ex anopsia entsteht, wodurch die Chancen der Operation vermindert werden. Die Prognose dieser kindlichen Totalstare ist insofern unsicher, als in diesen Augen oft noch sonstige Veränderungen, besonders in der Uvea bestehen. Manches anfänglich gute Resultat geht später durch Pupillarverschluß, komplizierten Nachstar wieder verloren, in anderen ist von vornherein die Sehschärfe mangelhaft. Es ist dabei auch an innere Ursachen, besonders Lues zu denken und eventuell eine entsprechende Kur einzuleiten. Erworbene Starformen. Der Altersstar. (Cataracta senilis.) Man pflegt unter Altersstar alle jene Starformen zusammen- zufassen, die bei älteren Leuten auftreten, ohne daß eine direkte, lokale oder konstitutionelle Entstehungsursache für die Trübung bei dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse nachzuweisen ist. Diese Begriffsbestimmung ist keine scharfe und es kommen Fälle vor, wo es der Willkür überlassen bleibt, ob man das Alter oder eine andere Ursache für eine Linsentrübung annehmen will; tritt z.B. bei einem über 50 Jahre alten Diabetiker Katarakt auf, so kann man mangels sicherer klinischer und anatomischer Unterscheidungsmerkmale das Alter oder den Diabetes als Ursache der Linsentrübung ansprechen. Der Altersstar tritt gewöhnlich erst nach dem 50. Lebensjahre, nur ausnahmsweise schon in den vierziger Jahren auf. Er befällt in der Regel beide Augen, aber selten ganz gleichzeitig, ja es kann die Starentwickelung lange Jahre einseitig bleiben. Verschiedene Formen des Altersstares. Man unterscheidet beim Altersstar nach dem klinischen und anatomischen Befund mehrere und zwar hauptsächlich drei Formen: 1. Den subkapsulären Rindenstar, 2. den supranuklearen Alters st ar, 3. den intranuklearen Altersstar (Hess). Die weitaus häufigste Form des Altersstares ist der sub- kapsuläre Rindenstar. Bei der Ausbildung desselben kann man ungezwungen vier Stadien unterscheiden: 1. Die Cat. subcapsularis incipiens, 2. die Cat. subcapsularis immatura sive intumescens, 3. die Cat. subcapsularis matura, 4. die Cat. subcapsularis hvpermatura. Ad 1. Cataracta subcapsularis incipiens. In der Rinde der Linse sind einzelne Trübungen, dazwischen aber noch durch- sichtige Partien vorhanden. Die Trübungen sind häufig radiär gestellt und haben die Form von Sektoren, deren Basis dem Linsenrand, deren Spitze den Linsenpolen zugekehrt ist, sogenannte Speichen. Krankheiten der Linse. 459 In der Regel treten diese Trübungen am frühzeitigsten in der Äquatorgegend auf (Fig. 342, 343, 344). Ad 2. Cataracta subcapsularis immatura sive intumes- cens. Die Trübungen breiten sich im Laufe von JahrenJ), selten im Laufe von Wochen, noch seltener binnen einigen Tagen mehr und mehr auf die ganze Cor- ticalis aus, die Linse nimmt eine weißlich-graue, manchmal bläu- lich-weiße Farbe an, bekommt an ihrer Oberfläche oft starken Sei- denglanz und es tritt deutlich der Linsenkern her- vor; außerdem wird die Linse mit der Zunahme der Trübung wasserreicher und bläht sich auf. Mit dem Grade der Aufblähung der Linse nimmt die vordere Kammer an Tiefe ab. So lange die Trübung der äußer- sten Rindenpartien noch verhältnismäßig gering ist, vermag bei Fig. 342. Cataracta senilis subcapsularis inci- piens. Vergr. ca. 12:1. In der Äquatorialgegend sind kleine, mit Schollen ausgefüllte Hohlräume vorhanden, die entsprechend der Linsenfaserung in die Länge ge- zogen und konzentrisch angeordnet sind. Unter Benutzung eines Präparates von C. Heß sowie eigener Präparate. .•.■#*•;?*_;££ Fig. 343. Fig. 344. Cataracta senilis subcapsularis incipiens im auffallenden (Fig. 343, Vergr. 2:1) und im durchfallenden (Fig. 344, Vergr. 3:1) Lichte. Sektorenförmige Trü- bungen in der Äquatorgegend der Linse. Die Iris J hat sich auf Atropin zurückgezogen. seitlicher Beleuchtung das Licht mehr oder weniger weit in die Linsenrinde einzudringen und wird erst an etwas tiefer gelegenen Schichten in größerer Menge reflektiert. Die Iris wirft dann auf der der Lichtquelle zugewendeten Seite einen breiteren oder schmäleren *) Wegen dieser langsamen Entwickelung, die der Altersstar in der Regel nimmt, empfiehlt es sich bei den meisten Kranken nicht, denselben bei Feststellung der ersten Anfänge die Diagnose „Star" mitzu- teilen, da sie dadurch unnötig früh geängstigt würden. 460 L. Bach, „Schlagschatten" (Fig. 345), der um so schmäler wird, je weniger tief das Licht in die Linsenrinde eindringen kann und ganz ver- schwindet, wenn die Trübung bis an die vordere Linsenkapsel heran- reicht. Wenn die Trübung auf die ganze Corticalis sich ausgedehnt hat, gibt die Linse allmählich wieder Wasser ab. Ad 3. Cataracta sub- capsularis matura. Das Sta- Cataracta senilis subcapsularis immatura dium der Reife (Fig. 346) ist A 1 V Fig. 345. im auffallenden Lichte. Vergr. 2:1. Schlagschatten des Iris von vorn gesehen. Der sichelförmige Schatten erscheint an der Seite des Pupillarrandes, die der Lichtquelle zugewendet ist. erreicht, wenn bei vollständiger Trübung der Corticalis die Linse ihr normales Volumen und damit die vordere Kammer wieder ihre normale Tiefe angenommen hat. Man erhält auch bei weiter Pupille kein rotes Licht mehr vom Augen- hintergrund, das Pupillargebiet erscheint bei seitlicher Beleuchtung grauweiß, weniger glänzend wie im vorigen Stadium, läßt aber in der Regel noch deutlich radiäre Zeichnung, sektorenförmige stärkere Trübungen und deutliches Hervortreten des vorderen Sternstrahles erkennen; nicht -fr- selten sieht man den Linsenkern bräunlich hin- durchschimmern. Die prakti- sche Bedeu- tung der Fest- stellung der Reife des Stares liegt darin, daß ein solcher Star nach Eröffnung der vor- deren Kapsel sich in der Regel ver- hältnismäßig leicht vollständig, ohne Zurückblei- ben von Rinden- f Fig. 346. Cataracta senilis subcapsularis matura. Vergr. 24:1. Die Corticalis ist nahezu in ganzer Aus- dehnung verändert. Die Linsenfäsern sind gequollen, aus- einandergedrängt und teilweise ganz zerfallen. Wir sehen zahlreiche Myelinschollen. Siehe S. 449. An den Stellen k finden wir eine Kapselstarbildung. Der Kern ist unverändert. Schematisch dargestellt unter Benutzung eines Präparates von C. Heß und mehrerer eigener Präparate. Substanz entbin- den läßt, während bei unreifen Staren öfters die mehr klebrigen Rindenmassen in kleinerer oder größerer Menge an der Kapsel haften bleiben und so Anlaß zur Bildung von Nachstar (siehe S. 480) geben können. Ad 4. Cataracta subcapsularis hypermatura. Bleibt die Cataracta matura sich selbst überlassen, so schreitet der Zerfall und die Verflüssigung der Kortikalmassen immer weiter fort, die sektorenförmigen Einzeltrübimgen schwinden mehr und mehr, es kommt zur Bildung einer mehr gleichmäßig milchigen Trübung, in welcher der Linsenkern, der auch jetzt noch dem Zerfalle mehr oder weniger widersteht, der Schwere nach zu Boden sinkt und im Krankheiten der Linse. 461 Laufe der Zeit kleiner wird. Man sieht ihn meist als beweglichen, ziemlich klaren, gelben oder braunen linsenförmigen Körper durch die breiigen Linsenmassen hindurch, insbesondere wenn der Kranke seinen Kopf nach vorn neigt, wo der bewegliche Kern in der ver- flüssigten Corticalis gegen den vorderen Pol zu sich verschiebt. Häufiger kommt es während der Schrumpfung der Linse zur Verdickung der vorderen Linsenkapsel durch Wucherung der Kapsel- zellen und damit zum Auftreten unregelmäßiger, gesättigt weißer Trübungen auf den grauen oder bräunlichen Resten der zerfallenen Linse. (Cat. capsulo-lenticularis, siehe Fig. 346 bei Je u. 347). Eine stark geschrumpfte Katarakt in verdickter Kapsel wird auch mit dem Namen „Cat. arida siliqua ta" bezeichnet wegen der Ähnlichkeit im Aus- sehen mit einer eingetrockneten Schotenfrucht. In seltenen Fällen wird die verflüssigte Corticalis ziemlich vollständig auf- gesaugt; das Pupillargebiet wird dann nahezu rein schwarz, vordere und hintere Kapsel berühren sich (Cat. me mbran acea), nur unten liegt meist eine Zeit- lang noch ein Rest des verkleinerten Kernes. — In vereinzelten Fällen wird die getrübte Linse samt Kapsel resorbiert, es tritt eine ideale Spontanheilung ein. Fig. 347. Cataracta capsularis Fig. 348. Cataracta calcarea sive bei Cataracta hypermatura. Vergr. 2:1. gypsea. Vergr. 2:1. Die Form der Pupille ist unregelmäßig infolge von hinteren Synechien. Als häufigere Komplikationen im Stadium der Überreife der Katarakt nenne ich die Ablagerung von Cholestearin oder Kalksalzen in den Linsenmassen. Im ersteren Falle treten glitzernde Kristalle in der Linse auf, im letzteren Falle nimmt die Linse eine kreideweiße oder gelbliche Färbung an (Catar. calcarea sive gypsea). (Fig. 348.) Durch die Schrumpfung der Linse, die nicht nur im sagittalen, sondern auch im äquatorialen Durchmesser vor sich geht, kommt es auch zu starker Zug- wirkung und schließlich zum Einreißen der Zonula Zinnii. Es bewegt sich dann die geschrumpfte Linse bei den Bewegungen des Auges (Cat. tremula). Solche Linsen luxieren gelegentlich spontan oder bei geringfügigen Einwirkungen von stumpfer Gewalt in die vordere Kammer. Bei der Operation im Stadium der Überreife kommt es leicht zu Glaskörper- vorfall. Cataracta supraiiuclearis. Bei der Cataracta supranuclearis beginnen die Trübungen in der Gegend der Kernoberfläche. Diese Starform ist viel seltener als der subkapsuläre Star. Es kommt zum Auftreten einzelner kurzer, schmaler, weißer Striche oder zum Auftreten von graulichen Nebeln oder weißen Wölkchen, die zunächst am stärksten in der Äquatorialgegend des Kernes vorhanden sind und sich dann rings um den Kern ausdehnen. Bei dieser Starform stellen sich ziemlich bald stärkere Störungen des Seh- vermögens ein, da die Trübung frühzeitig in das Pupillargebiet hineinragt und diffus ist, also keine freien Lücken zwischen sich läßt. 462 L. Bach, Cataracta intranuclearis. Diese Form des Altersstares kommt ebenfalls viel weniger häufig vor als die subkapsuläre Form. Sie ist hauptsächlich dadurch charakterisiert, daß die Kernpartien ziemlich gleichmäßig rauchig getrübt sind, während die Rinde mehr oder weniger vollständig normal erscheinen kann. Die Kerntrübung verliert sich rindenwärts ziemlich allmählich ohne scharfe Grenze. Es kommt niemals zum Auftreten von Speichen und Spalten. Diese Starform beginnt nicht selten schon zwischen dem 40. und 50. Jahre und tritt relativ oft bei höherer Myopie auf. Bei seitlicher Beleuchtung findet man einen intensiv grauen Reflex (Fig. 350), während bei der Durchleuchtung (Fig. 349) noch längere Zeit in überraschender Weise viel rotes Licht durch die getrübte Partie zurückkehrt. Die Herabsetzung des Sehvermögens pflegt relativ stark zu sein, da die Trübung im Pupillargebiet liegt und diffus ist. Fig. 349. Cataracta intranuclearis Fig. 350. Cataracta intranuclearis im im auffallenden Lichte. Vergr. 2:1. durchfallenden Lichte. Vergr. 3:1. Theorien über die Entstehung' des Altersstares. Die Ursache der Entstehung des Altersstares ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Das Alter an sich kann keine befriedigende Erklärung abgeben, da sonst alle alten Leute Star bekommen müßten. Das ist aber bekanntlich nicht der Fall, wenn auch zuzugeben ist, daß man bei Leuten jenseits des 60. Jahres bei erweiterter Pupille ganz außerordentlich häufig beginnenden Star feststellen kann. Man findet den Altersstar keineswegs besonders häufig bei dekrepiden Greisen, sondern oft bei sonst vollkommen rüstigen Personen. Die Ursache wurde einmal in lokalen Störungen an der Linse selbst, dann in konstitutionellen Veränderungen, die sekundär zur Erkrankung der Linse führen sollen, gesucht. Nicht ganz selten treten hereditäre Momente hervor, indem der Altersstar familiär vorkommt. Weit verbreitete Annahme fand eine Theorie, welche die Entstehung des Altersstares auf Anomalien inderAusbildung des Linsenkernes zurück- führt. Ungleichmäßige Ausbildung und zu starke Verdichtung des Linsenkernes sollen eine Zugwirkung an der Rinde und dadurch ein Auseinanderweichen der Linsenfasern bewirken. Die in der Gegend des vorderen und hinteren Poles ge- legenen Rindenschichten und die Kapsel könnten, da sie dort nicht fixiert seien, ohne weiteres dem Zuge nachgeben. Für die Äquatorialgegend liege aber die Sache anders. Einmal sei der Zusammenhang der Rindenschichten untereinander daselbst ein geringerer, da die jüngsten Linsenfasern gerade an dieser Stelle lägen, sodann fixiere die Zonula Zinnii die Kapsel nach außen und verhindere, daß sich der äquatoriale Teil der Linse vom Ziliarkörper entferne und der Augen- achse nähere. Es könne deshalb nicht wundernehmen, daß gerade in der äquatorial Krankheiten der Linse. 463 gelegenen Rinde bei der senilen Katarakt zuerst eine Lockerung des Zusammen- hanges, ein Auseinanderweichen der Rindenschichten (Gerontoxon lentis) und dann eine wirkliche Trübung der Linsenfasern, ein molekularer Zerfall (Starbildung) auftrete (Becker). Von konstitutionellen Erkrankungen werden als Ursache der Cataracta senilis besonders nephritische Prozesse und das Atherom der Karotis (v. Michel) herangezogen. Man erblickte ferner in Alters v erän der ungen der Ziliarkörper- epithelien und daraus resultierender Schädigung der Ernährung der Linse die Ursache der Kataraktbildung (Peters). Die Annahme, daß der Altersstar, insbesondere die gewöhnliche Form des- selben, der subkapsuläre Rindenstar, auf Störungen im ganzen Organismus zurück- zuführen ist, hat am meisten tür sich. Wahrscheinlich wirken von außen in die Linse eindringende Schädlich- keiten zunächst schädigend auf die Epithelien der Vorderkapsel, es kommt zum allmählichen Absterben derselben in größerer oder geringerer Ausdehnung, womit die zur Trübung führenden Vorgänge in den Rindenfasern eingeleitet werden. Vielleicht können diese Schädlichkeiten auch direkt auf die Linsenfasern einwirken. Es darf diese Annahme um so eher gemacht werden, als eine scharfe und unvermittelte Trennung der Linsenelemente in Epithelien und Fasern, insbe- sondere in den Äquatorialteilen nicht angängig ist, denn auch in den jungen Rindenfasern haben wir wachsende, kernhaltige Zellen vor uns, die den Kapsel- epithelien wohl nicht nur anatomisch, sondern auch in ihren biologischen Eigen- schaften um so näher stehen, je jünger sie sind. So kann es verständlich er- scheinen, wenn auch beim Altersstar gerade in dieser Gegend, ähnlich wie bei experimentellen Staren oft ein frühzeitiger, ausgiebiger Untergang der Fasern ge- funden wird (Hess). Eine derartige Betrachtungsweise der Genese des Altersstares bildete den Ausgangspunkt zu dem Versuche, die vermutete schädigende Substanz im Organis- mus mit Hilfe von Methoden der Immunitätsforschung kennen zu lernen. (Roemer). Roemer ging dabei zunächst von der Annahme aus, daß diese supponierte Substanz ein Körper vom Bau der Cytotoxine sei und in der Tat brachten seine Untersuchungen gewisse Anhaltspunkte dafür, daß die häufigste Form des Alters- stares sowie der diabetische Star durch cytotoxische Einwirkung auf die Linsen- elemente zustande komme. In bezug auf die Erklärung des supranuklearen und intranuklearen Alters- stares sind wir bis jetzt auf ganz vage Vermutungen angewiesen. Therapie. Die Therapie des Altersstares und der im folgenden geschilderten Starformen ist auf S. 471 und den ff. besprochen. Cataracta nigra (brunescens). Ich schließe der Besprechung der verschiedenen Formen des Altersstares die der Cataracta nigra an, da dieselbe häufig als eine besondere Form des Altersstares angesehen wird. Von Cataracta nigra oder besser brunescens spricht man, wenn nahezu die ganze Linse dem Sklerosierungsprozeß anheimgefallen ist. Sie ist dann zu einer harten, dunkelbraunen, durchscheinenden Masse geworden. Es handelt sich hier also nicht um eine Katarakt im eigentlichen Sinne, sondern um einen exzessiven physiologischen Vor- gang. Man trifft diese Form fast nur bei sehr alten Leuten. Die Prognose der Operation der Cataracta nigra ist nicht schlecht. Entsprechend der hochgradigen Sklerosierung muß ein großer Schnitt gemacht werden. 464 L. Bach, Der Zuckerstar. (Cataracta diabetica.) Der Zuckerstar gilt als das Prototyp einer sogenannten kon- stitutionellen Starform. Entwickelung, Verlauf und Aussehen des Zuckerstares haben nichts Charakteristisches derart, daß man schon daraus die Diagnose stellen könnte. Der Zuckerstar tritt nicht selten schon bei relativ jugendlichen Individuen auf und entwickelt sich öfters gerade bei diesen manchmal innerhalb weniger Tage. Gewöhnlich ist er doppelseitig. Nach erfolgreicher Behandlung des Diabetes in den hierfür in Betracht kommenden Kurorten wurde gelegentlich eine teilweise Rückbildung der Trübung beobachtet. In der Regel entwickelt sich der Zuckerstar als subkapsu. Iärer Star. Der Weg, auf dem die diabetische Allgemeinerkrankung zur Linsentrübung führt, ist noch nicht sicher btkannt. Wahrscheinlich kommt es zuerst zu einer Schädigung des Kapselepithels, wodurch anormale Diffusionsverhältnisse geschaffen werden ähnlich wie beim Naphthalinstar (siehe S. 463). Gewöhnlich kann man in der getrübten Linse der Diabetiker minimale Spuren von Zucker nachweisen. Anatomisch unterscheidet sich der Star bei Diabetes nicht von dem sub- kapsulären Altersstar. Häufig finden sich Veränderungen im Pigmentepithel der Iris und darauf dürfte die Tatsache zurückzuführen sein, daß man nach Vornahme einer Iridektomie an Zuckerkranken gelegentlich eine braunschwarze Flüssigkeit oder abgebröckelte Pigmentkllimpchen in der vorderen Kammer findet. Mit der beginnenden Starbildung tritt bei manchen Zuckerkranken eine ziemlich rasch einsetzende Refraktionserhöhung ein. Die Prognose der Operation ist bei der Cataracta diabetica etwas weniger günstig, besonders wegen der bei Diabetes bestehenden Neigung zum Auftreten von Iritis. Star bei Ergotinvergiftung, bei Tetanie und bei Struma. Bei Ergotinvergiftungen wird nicht selten wenige Monate nach der Vergiftung Kataraktbildung beobachtet. Die Katarakt wurde fast nur bei der konvulsivischen Form der Ergotinvergiftung festgestellt, sie reifte innerhalb weniger Monate. Bei Tetanie kommt öfters das Auftreten von Katarakt vor, überhaupt spielen Krämpfe in der Ätiologie der Katarakt eine ziemlich große Rolle, ohne daß wir in der Lage wären, genauere Angaben über die ätiologischen Beziehungen zu machen. Auch Struma soll infolge Antointoxikation durch Aufhebung oder Ände- rung der physiologischen Funktion der Schilddrüse infolge des Kropfes öfters zur Starbildung Anlaß geben (Vossius). Erwähnt sei noch, daß bei Glasbläsern relativ häufig Star vorkommen soll. Ursache noch unbekannt. Cataracta complicata. Unter Cataracta complicata faßt man die Trübungen der Linse zusammen, welche im Anschluß an Erkrankungen des Uveal- traktus und der Netzhaut, besonders nach Xetzhautablösung, ferner Krankheiten der Linse. 465 infolge von Glaucoma absolutum, von intraokularen Tumoren, Zysti- zerken etc. auftreten. Das klinische Bild der Cataracta complicata hat in einer Reihe von Fällen nichts Charakteristisches. — In anderen Fällen kann man schon aus dem Aussehen des Stares allein die Diagnose der Cataracta complicata mit großer Wahrscheinlichkeit stellen, so beim Vorhandensein einer sternförmigen Trübung in der hinteren Corticalis (Fig. 351 und 352) oder einer graugrünlichen Färbung der Linse und gleichzeitiger Erweiterung der Pupille. Häufig treten frühzeitig starke regressive Metamorphosen, ins- besondere Kalkablagerungen, in der Linse auf, ferner hochgradige Schrumpfung und Schlottern der Linse, daneben bestehen Kapsel- verdickungen mit oder ohne hintere Synechien usw. (Fig. 353). M Fig. 353. Cataracta complicata calcarea. Hintere Syn- echien. Coloboma iri- dis arteficiale nach oben. Vergr. 2:1. Ist nach Abklingen einer heftigen Iritis eine Pupillarschwarte vorhanden, so läßt sich das Vorhandensein der Cataracta complicata nur vermuten. Bei verschiedener Pigmentierung beider Irides beobachtet man gelegentlich an dem Auge mit der helleren Iris eine Katarakt, In der Mehrzahl der Fälle dürfte eine schleichende Iridocyclitis zu- grunde liegen. In allen Fällen von Cataracta complicata ist eine besonders sorgfälige Funktionsprüfung nötig, wenn die Frage und die Chancen eines operativen Eingriffes erwogen werden. Die experimentellen Starformen. Die experimentellen Starformen haben viel zur Klärung der Entstehungs- weise der Linsentrübungen beigetragen. Sie lehren uns ferner, wie mannigfach die schädigenden Einflüsse sind, die zur vorübergehenden oder dauernden Trübung der Linse führen. Einige davon sollen hier kurz geschildert werden. Der Xaphthalinstar. Der Naphthalinstar steht den Starformen beim Menschen, welche als kon- stitutionelle bezeichnet werden, am nächsten. Es handelt sich dabei um eine durch abnorme Blutzusammensetzung bedingte Schädlichkeit, die von den Ge- fäßen des Ziliarkörpers aus wirkt und die zelligen Elemente der Linse sowie sekundär die Linsenfasern zum Zerfall bringt. — Zunächst kommt es zum Auf- treten glasklarer Speichen dicht unter der Kapsel, dann zum Auftreten der ver- 466 L. Bach, schiedenartigsten Trübungen der Linse. Die Trübungen können sich wieder zu- rückbilden, sie können aber auch trotz Aussetzens der Naphthalinfütterung weiter fortschreiten. Das Naphthalin wirkt nur auf die Linse, wenn es per os einverleibt wird. Es scheint eine schwere Allgemeinerkrankung hervorzurufen, wobei schäd- liche Substanzen sich bilden, die durch den Kreislauf zur Linse gelangen und hier ihre giftige Wirkung auf die lebenden Elemente der Linse, in erster Linie auf das Kapselepithel ausüben. Der Ulitzstar. Nach Blitzschlag wurden die verschiedenartigsten Linsentrübungen be- obachtet. Es kommt dabei zunächst zum Untergang des Vorderkapselepithels und überhaupt zum Zerfall von Linsenzellen und hierauf zum Auftreten der Trübungen (Hess). Der Massagestar. Bewegt man bei aufgehobener vorderer Augenkammer ein stumpfes In- strument auf der Hornhaut einige Minuten unter leichtem Druck hin und her, so stellt sich eine Trübung der Linse bei unverletzter Kapsel ein. Das klinische Bild des Massagestares ist je nach Dauer und Stärke der Massage verschieden. Die Trübung der Linse kann schon wenige Stunden nach der Massage auftreten. Die anfänglich stärkere Trübung kann sich teilweise wieder zurückbilden. Das Auftreten der Trübung ist im wesentlichen auf eine Quetschung und Degeneration der Epithelzellen der Linse und dadurch bedingte Veränderung der Ernährungsverhältnisse der Linse zurückzuführen. Das mikroskopische Bild des Massagestares stimmt in allen wesentlichen Punkten mit dem des Naphthalinstares überein. Siehe: Künstliche Reifung des Stares S. 473. Linsentrübung- durch Kälte. Während es sich bei den eben besprochenen Trübungen um degenerative Prozesse in den lebenden Elementen der Linse handelte, sind die jetzt kurz zu besprechenden Trübungen im wesentlichen Folge rein physikalischer Zustands- änderungen. Dementsprechend können diese letzteren Trübungen auch an der aus dem Auge herausgenommenen Linse hervorgerufen werden und gehen nach Beseitigung des schädigenden Momentes in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder zurück. Setzt man die Linse Kälteeinwirkung aus, so trübt sie sich, jedoch nur so lange als die Temperaturerniedrigung anhält. Salztrübung der Linse. Läßt man Kochsalz, andere Salze oder Zuckerlösungen vom Blute aus wirken, so trübt sich die Linse zunächst am Äquator; bei Einwirkung von der vorderen Kammer aus z. B. nach Einbringen von Kochsalz in den Binderhautsack trübt sich die Linse zuerst oder ausschließlich im Pupillargebiet. Auch die aus dem Auge herausgenommene Linse trübt sich in Kochsalzlösungen. Der Wimdstar. (Cataracta traumatica.) Eine Durchtrennung der Linsenkapsel hat stets eine Trübung der Linse zur Folge. Gewöhnlich erfolgt eine Verletzung der Linsenkapsel nach vor- heriger Durchtrennung der Bulbushüllen direkt durch Stich oder Schnitt oder einen eindringenden Fremdkörper; gelegentlich absicht- lich durch Operation (Diszission). Krankheiten der Linse. 467 Jedoch auch ohne Eröffnung des Bulbus kann es bei Einwirkung einer stumpfen Gewalt zu Einrissen in der Linsenkapsel und zwar besonders in der dünneren hinteren Linsenkapsel in der Nähe des Äquators kommen. Ja es wird angegeben, daß lediglich durch Kon- tusion infolge der Erschütterung der Linse Trübung derselben ein- treten könne. Gelegentlich kommen bei direkt von vorn her eintretender Kontusion eigenartige ringförmige Trübungen in der Gegend des vorderen Poles zur Beobachtung. Die Linsentrübung stellt sich schon wenige Stunden nach der Verletzung ein. Sie erfolgt um so rascher und ausgedehnter, je größer und klaffender die Wunde in der Kapsel ist. Als Ursache der Linsentrübung ist das Eindringen des Kammerwassers, bei Verletzungen der hinteren Kapsel das Eindringen der Glaskörperflüssigkeit anzusehen, wodurch es zur Aufquellung und gleichzeitigen Trübung der Linsenfasern kommt. Auf die Schnelligkeit des Auftretens der Linsentrübung und ihre Ausdehnung ist ferner von großem Einfluß das Alter des Verletzten, in- dem bei jungen Leuten die Folgen einer Linsenkap- selverletzung viel ausgedehnter sind als bei älteren Leuten, wo sich dieTrübung meist auf die nächste Umgebung der Verletzungsstelle beschränkt. Einen Un- terschied in den Folgeerscheinun - gen bedingt auch der Sitz der Verletzungen, indem nach einer Verletzung der vorderen Kapsel die Trübung der Linse sich rascher und ausgedehnter einstellt als bei einer Verletzung der hinteren Kapsel. Die klinischen Erscheinungen nach einer ausgedehnten Verletzung der vorderen Linsenkapsel sind in der Regel folgende: Es kommt zunächst an der Verletzungsstelle zu einer Auf- quellung und Trübung der Linsenmassen, dieselben drängen sich aus der Verletzungsstelle heraus, bröckeln ab und füllen mehr und mehr die vordere Kammer aus (Fig. 354). Über den weiteren Verlauf, die möglichen Komplikationen, be- sonders die Drucksteigerung, vgl. Abschnitt „Verletzungen". Eine vollständige Quellung und Resorption ist in der Regel nur so lange möglich, als kein größerer Kern gebildet ist, also durch- Fig. 354. Wundstar. Vergr. ca. 24:1. Die Kapselenden sind an der Rißstelle spiralig aufgerollt. An der Rup- turstelle der Kapsel drängen sich getrübte und gequollene Linsenmassen hervor. Inmitten derselben liegt ein Stück aufgerollte Kapsel. Die Corticalis ist in weiter Ausdehnung zerklüftet, die Linsenfasern der Corticalis sind gequollen und in Zerfall begriffen, besonders stark in der Umgebung der Kapselwunde. Der Kern ist noch wenig verändert. Schematisch unter Benutzung eines Präparates von 0. Schirm er. 468 L. Bach, schnittlich bis zum 25. Lebensjahre. Im späteren Alter widersteht meist der Kern der Aufquellung und Auflösung durch das Kammer- wasser. . Während die Ausbildung einer stärkeren Trübung der Linse nach einer Durchtrennung der Kapsel die Regel darstellt, kommen doch auch und zwar nicht allzu selten Fälle vor, wo die Trübung sich auf die nächste Um- gebung der V erletzungsstelle beschränkt, ja manchmal tritt selbst in Fällen, wo ein Fremdkörper vordere und hintere Linsenkapsel durchtrennte, nur entsprechend der Richtung, welche der Fremdkörper genommen hat, entlang dem Flugkanal eine schlauchartige TiÜbung auf. Bei älteren Leuten sind diese ge- ringen Folgeerscheinungen wohl wesentlich auf die schon weit vorgeschrittene Sklerosierung der Linse zu beziehen, bei jungen Leuten werden sie hauptsächlich dann beobachtet, wenn an der Kapselwunde sich rasch Fibrin ansammelt und die Wunde verklebt oder wenn die Wunde hinter der Iris gelegen ist und -die Iris sich vor die Wunde legt. In Fällen, wo relativ rasch ein Verschluß der Kapselwunde eintritt, kann die eingetretene Linsentrübung sich weitgehend wieder aufhellen. Kleine Fremdkörper, die in die Linse eindrangen, z. B. Pulverkörner, ja selbst Kupfersplitter können in die Linse einheilen, ohne zur Trübung derselben zu führen. Über die Veränderungen in der Linse bei Anwesenheit eines Eisen- splitters cf. ebenfalls Abschnitt „Verletzungen". Die Art und Weise wie der Verschluß einer Kapselwunde vor sich geht, ist hauptsächlich durch experimentelle Untersuchungen fest- gestellt worden. Es erfolgt die Vernarbung von den Epithelzellen der vorderen Kapsel aus. Während zwar die zunächst gelegenen Zellen in einiger Ausdehnung zugrunde gehen, erfolgt sehr bald in der Umgebung des Defektes eine Neubildung von Zellen. Dadurch entsteht eine starke Lage langgestreckter Zellen, die eine solide Vernarbung der Kapselwunde herbeiführen; die Zellen der Narbe besitzen die Fähigkeit, eine glashäutige Substanz auszuscheiden, ähnlich der von den normalen Zellen ausgeschiedenen Kapselmasse. Auch die Rupturen der hinteren Linsenkapsel heilen wieder zu. Es proliferieren die Zellen des nächstgelegenen äquatorialen Bezirkes, der Kernbogen wendet sich nach hinten zur Verletzungsstelle hin, es kommt zunächst zu einer zel- ligen Verlegung der verletzten Stelle, dann zu einer mehr faserigen, ähnlich wie bei der Heilung einer vorderen Kapselwunde. Erfolgte die Verletzung der hinteren Kapsel nicht von vorn her, so beteiligt sich an dem Verschluß der Wunde nicht nur die Kernzone am Äquator, sondern auch ein von der Bulbusnarbe her kommender Bindegewebsstrang. Bei der bisherigen Betrachtung des Wundstares war von der Voraussetzung ausgegangen worden, daß die Kapselverletzung aseptisch geschah. Anders gestalten sich die Verhältnisse, wenn dabei eine Infektion erfolgte (vgl. „Verletzungen"). Es spielen sich dann neben der Wundstarbildung schwere Ent- zündungsprozesse der Iris und des Corpus ciliare ab, es kommt neben der Trübung und Zerstörung der Linse zu reichlicher Exsudation und meist bilden Linsenkapsel, Reste der Linsenfasern und das sich orga- nisierende Exsudat dicke Schwarten, die mit der Iris und dem Ziliar- körper verwachsen sind — Cataracta accreta. Anomalien der Form und Lage der Linse1). Lenticonus. Wir unterscheiden einen Lenticonus anterior und posterior. Der Lenticonus (Crystalloconus) anterior ist wesentlich dadurch charak- terisiert, daß die vordere Oberfläche der Linse eine kegelförmige Gestalt zeigt. x) Das Linsenkolobom ist im Kapitel „Mißbildungen" behandelt. Krankheiten der Linse. 469 Der Lenticonus bedingt eine erhebliche Sehstörung. Er ist in der Regel doppel- seitig. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine Entwickelungsstörung. Viel häufiger als der Lenticonus anterior ist der Lenticonus (Lentiglobus) posterior. Er stellt eine kegel- oder kesselörmige Vorbuchtung der hinteren Pol- gegend gegen den Glaskörper dar. Die vorgebuchtete Partie kann durchsichtig sein, meist ist sie besonders in der Gegend des hinteren Poles getrübt. Die übrigen Abschnitte der Linse sind teils durchsichtig, teils getrübt. In den Fällen, wo die kegelförmige Vortreibuug ganz oder nahezu ganz durchsichtig ist, werden eigentümliche Reflexerscheinungen beim Durchleuchten des Auges wahrgenommen, man gewinnt gelegentlich den Eindruck eines der Linse aufgesetzten Öltropfens. In den mittleren Partien der Linse besteht gegen- über den peripheren ein stark myopischer Refraktionszustand. Der Lenticonus ist in der Regel angeboren, er kommt ein- und doppel- seitig zur Beobachtung. — In ursächlicher Hinsicht kommen besonders Störungen in der Rückbildung der Art. hyaloidea in Betracht. Die Sehschärfe ist meist stark herabgesetzt. In manchen Fällen kann durch Konkavgläser das Sehvermögen etwas ge- bessert weiden. Falscher Lenticonus. Bei dem „falschen Lenticonus", auch „Scheinkatarakt", „zen- trale Linsenmyopie" genannt, handelt es sich um folgendes klinische Bild: Bei älteren Personen zeigt sich beim Durchleuchten mit dem Augenspiegel inner- halb des von Trübungen freien Pupillargebietes eine zentrale, 4—5 mm große, dunkler rote, aber gleichfalls durchsichtige Scheibe, in deren Bezirk die Refraktion eine wesentlich myopischere ist als peripherwärts davon. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine auf die Linse älterer Leute einwirkende Schädlichkeit, die, ohne Trübung zu erzeugen, eine optische Diffe- renzierung in eine niedriger brechende Rinde und einen höher brechenden Kern bewirkt, so daß damit das Bild der lens in lente auftritt. Verlagerungen der Linse. Verschiebungen der Linse aus ihrer normalen Lage zur Augen- achse haben eine Verlängerung oder ein Einreißen ihres Auf hängebandes zur Voraussetzung, denn solange dasselbe intakt ist, bleibt die Linse unbeweglich in der tellerförmigen Grube des Glaskörpers. Geringfügige Verschiebungen der Linse bezeichnet man mit dem Namen: Subluxatio lentis, dagegen spricht man von Luxatio lentis dann, wenn die Linse ihre normale Lage ganz verlassen hat. Bei der Subluxatio lentis kann die Linse rein seitlich verschoben sein, sie kann schief gestellt, d. h. der eine Rand mehr nach vorn, der andere mehr nach hinten gelagert sein oder es besteht gleich- zeitig seitliche Verschiebung und schräge Stellung. Die v o r d e r e K a m m e r ist bei der Subluxatio immer ungleich tief. Steht z. B. der laterale Teil der Linse mehr nach vorn, so wird die Iris lateral nach vorn gedrängt und an dieser Seite die Kammer seichter sein. Hat der laterale Rand der Linse eine Ver- schiebung nach der medialen Seite erfahren, so ist die vordere Kammer lateral tiefer, da dann die Iris dort ihrer Unterlage ermangelt und zurücksinkt, Bei stärkeren Verschiebungen der Linse ist der Linsenrand ohne weiteres im Pupillargebiet sichtbar, bei geringeren Graden der Subluxatio sieht man ihn nur bei weiter Pupille. 470 L. Bach, Er erscheint im auffallenden Lichte als bogenförmig verlaufende strohgelbe glänzende Linie, im durchfallenden Lichte und im um- gekehrten Bilde als dunkle Linie (Fig. 355 und 356). Der linsenlose Teil des Pupillargebietes ist rein schwarz, der linsenhaltige Teil zeigt den normalen leicht graulichen Linsenreflex oder bei vorhandener Katarakt eine grauweiße Farbe (Fig. 357). Fig. 357. Nach unten verlagerte getrübte Linse. Vergr. 2 :1. Auffallendes Licht. Die Subluxatio kann allmählich in eine Luxatio übergehen. Letztere erfolgt entweder in den Glaskörper oder in die vor- dere Kammer. Die Luxation in den Glaskörper ist das weitaus häufigere Vorkommnis. Man gewahrt dabei eine Vertiefung der vorderen Kammer sowie ein rein schwarzes Pupillargebiet. Meist liegt die Linse frei beweglich am Boden des Glaskörpers, in seltenen Fällen ist sie durch eine Schwarte im Glaskörper fixiert. Besteht eine Trübimg der luxierten Linse, so kann man dieselbe beim Blick von oben in das Auge häufig ohne weiteres sehen; ist die Linse nicht getrübt, so muß man den Augenspiegel zu Hilfe nehmen und sieht dann leicht bei der Blicksenkung den linsenförmigen Fremd- körper im Glaskörper. Eine in den Glaskörper luxierte durchsichtige Linse trübt sich in der Regel nach und nach. Sowohl bei der Subluxation als besonders bei der Luxation schlottern Linse und Iris bei Augenbewegungen (Irido- donesis). Das klinische Bild der Luxation der Linse in die vordere Kammer ist in den meisten Fällen außerordentlich cha- Krankheiten der Linse. 471^ rakteristisch. Die vordere Kammer ist in ihren mittleren Partien beträchtlich vertieft (Fig. 358) und man gewinnt den Eindruck, als ob ein Öltropfen in derselben sei (Fig. 359). Außer der Luxation der Linse in den Glaskörper und in die vordere Kammer kommt noch eine solche unter die Bindehaut Fig. 358. Luxation der Linse in die vordere Augenkammer. Vergr. ca. 6 : 1. Die Linse ist teilweise getrübt. Die Iris ist nach hinten gedrängt. Schematisch unter Benutzung eines Präparates von E. v. Hippel. vor, Voraussetzung für eine derartige Luxation ist eine Ruptur der Sklera. Nach Resorption des zunächst um die Linse herum befindlichen Blutergusses sieht man die Linse unter der gespannten Bindehaut liegen. Sie trübt sich ziemlich rasch, zerfällt und wird allmählich resorbiert (vgl. „Ver- letzungen"). Sowohl die Subluxation als die Luxation der Linse haben beträchtliche Sehstörungen zur Folge. Durch die Lockerung oder Zerreißung der Zonula wölbt sich die Linse stärker und das Auge wird kurz- sichtig. Der Schiefstand und die Verschiebung der Linse Fig. 359. Luxation der bedingen einen regelmäßigen Astigmatismus infolge un- Linse in der Vorder- gleichmäßiger Brechung des Lichtes in den verschiedenen kamnier. Vergr. 2:1. Meridianen, nicht selten kommt es auch infolge unter- schiedlicher Brechung in den verschiedenen Abschnitten ein und desselben Me- ridians zu unregelmäßigem Astigmatismus. Am hochgradigsten ist die Sehstörung bei der subkonjunktivalen Luxation, da dabei fast immer schwere Veränderungen im Innern des Auges vorhanden sind. In den Fällen, wo der Linsenrand im Pupilargebiet liegt, tritt Doppel- sehen auf; gelegentlich ist sogar bei doppelseitiger Subluxation Vierfachsehen eingetreten. Es kommt vor, daß die in den Glaskörper luxierte Linse dauernd gut ertragen wird, manchmal verschwindet sie sogar allmählich durch Resorption und man erhält bei solcher Sachlage beim Vorsetzen eines Starglases ein gutes Sehvermögen. In der Mehrzahl der Fälle kommt es allerdings im Laufe der Zeit zu Komplikationen. Die schlimmsten bestehen in dem Auftreten von Iridocychtis und intraokularer Drucksteigerung, letztere bleibt bei der in die 472 L. Bach, vordere Kammer luxierten Linse so gut wie nie aus. Außerdem hat die in die vordere Kammer luxierte Linse eine Hornhauttrübung zur Folge. Pathogenese. In bezug auf die Entstehung der Linsen- verlagerungen hat man zunächst zwischen angeborenen und erworbenen zu unterscheiden. Bei den angeborenen Verlagerungen der Linse, für die viel- fach die Bezeichnung Ektopia lentis gebräuchlich ist, handelt es sich gewöhnlich um Subluxationen. Die Verlagerung ist in der Regel doppelseitig und symmetrisch und zwar meist nach oben. Häufig ist sie ererbt und wird bei mehreren Gliedern der Familie angetroffen. Im Laufe der Jahre wird aus der Subluxation oft eine Luxation. Die Genese der angeborenen Ektopia lentis ist in dem Abschnitt „Mißbildungen" erörtert. Die erworbenen Linsenverlagerungen sind entweder spontan oder durch ein Trauma entstanden. Die spontanen Luxationen treten anscheinend ohne weitere äußere Veranlassung oder aber und zwar häufiger im Anschluss an Husten, Niesen, Bücken etc. auf. Sie erfolgen stets nach unten, denn selbst wenn die Zonula zuerst an anderen als nach unten gelegenen Stellen gelockert oder zerstört ist, wird die Linse bei aufrechter Kopfhaltung erst ihren Platz ver- lassen, wenn sie der Schwere folgend, nach unten sinken kann. Die Schädigung der Zonula, die zu der Subluxation führt, hat fast immer ihre Ursache in primär vorhandenen Glaskörperverän- derungen infolge verschiedener intraokularer Anomalien, z. B. hoch- gradiger Myopie, Chorioretinitis etc. Dies wird verständlich durch den innigen genetischen Zusammenhang von Glaskörper und Zonula, Außer Glaskörperveränderungen können Schrumpfungsvorgänge in der Linse, z. B. bei Cat. hypermatura, ferner Ausdehnung der Sklera, z. B. bei Hydrophthalmus. bei vorderem Skleral-Staphylom zur Dehnung und zum Einreißen der Zonula und somit zur Subluxation führen. Bei den traumatischen Linsenluxationen handelt es sich meist um die Folge einer Kontusion. Es können dadurch die allerverschiedensten Subluxationen und Luxationen der Linse zustande kommen, ja es kann, wie oben schon angeführt, bei eintretender Kontraruptnr der Sklera die Linse durch die Rupturstelle hindurch unter die Bindehaut zu liegen kommen oder ganz aus dem Auge entfernt werden (vgl. ^Verletzungen"). Zu den traumatischen Luxationen werden auch die nach Perforation eines Hornhautgeschwüres eintretenden gerechnet. Bei großer Perforationsstelle kann die Linse ganz aus dem Auge treten. Die Luxation der Linse in die vordere Kammer kommt fast nur bei einer gerade die Hornhautmitte treffenden Gewalteinwirkung vor. Es wird dabei der Pupillarrand der Iris an die Linse gepreßt, die Peripherie der Iris aber sackartig nach hinten ausgebuchtet. Dadurch kommt es zu einer Pupillen- erweiterung und zu einem Durchschlüpfen der Linse durch die Pupille. Hinter der in die vordere Kammer gelangten Linse kontrahiert sich der Sphinkter wieder und klemmt die Linse in die vordere Kammer ein. Manchmal gelangt die Linse nicht ganz, sondern nur zur Hälfte in die vordere Kammer derart, daß die andere Hälfte hinter der Iris bleibt. Krankheiten der Linse. 473 Es sind Fälle beobachtet worden, wo eine verkleinerte Linse leicht durch die Pupille schlüpfen konnte, so daß man sie bald vor, bald hinter der Iris fand. Zuweilen kann bei solcher Sachlage der Patient die Linsenverschiebung willkürlich erzeugen. Durch starke Neigung des Kopfes nach vorne schlüpft die Linse in die vordere Kammer und kehrt bei Rückenlage wieder hinter die Iris zurück. Therapie der Verlagerungen. Zieht die Verlagerung der Linse keine weitere Störungen als die des Sehvermögens nach sich, so muss man versuchen, diese Störung durch entsprechende Gläserkorrektion zu bessern. Bei eintretenden Komplikationen muß man die Linse zu ent- fernen suchen. Leicht ist dies bei der in die vordere Kammer luxierten Linse. Schwieriger gestaltet sich die Entfernung bei der hinter der Iris befindlichen, verlagerten Linse. Die Extraktion gelingt meist nur unter gleichzeitigem erheblichem Glaskörperverlust. -— Die in den Glaskörper luxierte Linse kann nur selten operativ entfernt werden. Man muß sich in diesen Fällen darauf beschränken, die Folgezustände der Iridocyclitis und der Drucksteigerung durch eine Iridektomie zu bekämpfen. Gelingt dies dadurch nicht, so ist meist die Enukleation angezeigt. Therapie der Katarakt. Die Therapie der Katarakt ist eine medikamentöse und ope- rative. Die medikamentöse Therapie kommt nur in Ausnahmefällen und vorübergehend in Betracht und zwar dann, wenn lediglich die mittleren Partien der Linse Sitz einer ausgedehnten Trübung sind, während die peripheren Linsenteile ihre Durchsichtigkeit bewahrt haben. Man kann in diesen Fällen durch zeitweise Atropineinträu- felungen die Pupille weit halten und dadurch eine Besserung des Sehvermögens erzielen. Abgesehen von solcher Sachlage ist zurzeit stets eine operative Therapie indiziert. Historisches. Im Altertum und im ganzen Mittelalter bestand die fast ausschließlich ge- übte Staroperation in einer Versenkung der getrübten Linse in den Glaskörper (Depressio cataractae) oder in einem Umlegen der Linse derart, daß die vordere Fläche nach oben schaute (Reclinatio). Diese Operationsmethoden: das „Starstechen" wurden meist von eigens darauf eingeübten Ärzten oder Kurpfuschern vorgenommen. Im Mittelalter zogen dieselben von Jahrmarkt zu Jahrmarkt und führten ihre Operationen aus. Mau gebrauchte zu der Operation eigne Nadeln, die meist eine pfeil- oder lanzenförmige Spitze und einen gerieften Stiel hatten. Der Einstich der Starnadel erfolgte entweder in der Sklera ungefähr 5 mm hinter der Hornhaut (Sklerotikonyxis) oder in der Hornhaut (Keratonyxis). Diese Operationen hatten große Schattenseiten und bargen nicht selten schwere Gefahren in sich. Häufig wurde die Linse alsbald oder einige Zeit nach der Operation wieder an ihrer alten Stelle sichtbar. Nicht selten kam es infolge Ziliarkörperverletzungen zu schweren Blutungen, die größte Gefahr be- stand aber in dem nachtäglichen Auftreten von ürucksteigerung und Entzündung sowie von Netzhautablösung infolge der schweren Glaskörperverletzung. Durch das Starstechen wurden höchsten 40% Dauererfolge erzielt. Heutzutage sind diese Methoden so gut wie ganz verlassen. Trotz der Ausführung zahlloser Staroperationen war man sich bis in die Neuzeit nicht klar über das Wesen des Stares. Lehrbuch der Augenheilkunde. «U 474 L. Bach, Man nahm an, daß es sich um einen Erguß von trüber Flüssigkeit, der „aus einem feuchten Dunst sich sammle", auf die Vorderfläche der Linse handle. Die Linse selbst hielt man für ein perzipierendes Organ der Lichtempfindung. Erst im Jahre 1705 wurde durch Brisseau überzeugend nachgewiesen, daß die in den Glaskörper versenkte Katarakt die Linse selbst war. Brisseau hatte bei einem gestorbenen Starkranken die Depression vorgenommen und das Auge nachher anatomisch untersucht. Der erste, der die Extraktion der Katarakt methodisch geübt hat, war Da viel. Im Jahre 1745 hat er die erste Starausziehung vorgenommen. Die operativen Maßnahmen, welche heutzutage fast ausschließ- lich zur Anwendung kommen, sind die Diszission1) und die Ex- traktion der Linse. Vorbereitende Maßnahmen (cf. auch „Allg. Therapie", S. 7 ff.). Allen Operationen an der Linse hat eine sorgfältige Untersuchung der Be- schaffenheit der Bindehaut und der tränenableitenden Wege voraufzugehen, da beim Vorhandensein eiteriger Absonderung seitens derselben wegen erhöhter In- fektionsgefahr die Operation hinausgeschoben werden muß, bis die Erkrankung der Bindehaut oder der tränenableitendeu Wege behoben oder doch wesentlich gebessert ist. Am Abend vor der Operation wird von vielen Operateuren das zu ope- rierende Auge verbunden, um zu sehen, ob während der Nacht eine stärkere Ansammlung eines schleimig-eiterigen Sekretes stattfindet. Die direkten Vorbereitungen zu den Staroperationen beginnen ungefähr 1J2 Stunde vor der Operation. In Abständen von ungefähr 5 Minuten werden 3 bis 5 Tropfen einer 5°/o Kokainlösung in den Bindehautsack eingeträufelt, wo- durch eine hinreichende Unempfindlichkeit des Auges erzielt wird. Lider und Umgebung werden mit warmem Wasser und Seife gewaschen und dann mit Äther und Alkohol abgewischt. Kurz vor der Operation wird auf dem Operationsutuhl eine Reinigung der Lidränder mit steriler Watte unter gleichzeitiger reichlicher Berieselung mit lauwarmer physiologischer Kochsalzlösung vorgenommen. Nun wird der Kranke aufgefordert, die Augen ungefähr 20 mal auf- und zuzu- machen, da durch den Lidschlag die in der Flüssigkeit des Bindehautsackes sus- pendierten Bakterien nach der Nase weggeschwemmt werden. Hierauf erfolgt eine nochmalige Reinigung der Lidränder wie vorher. Nunmehr wird bei der Diszission der Sperrlidhalter eingelegt, bei der Extraktion wird das obere Lid durch den Hessschen Lidhalter, das untere Lid durch den Daumen des Assi- stenten abgezogen 2), mit der Fixationspinzette der Bulbus fixiert und hierauf unter gleichzeitiger reichlicher Berieselung die Stelle, an der eingestochen oder der Schnitt angelegt wird, mit einem auf einen Glasstab aufgewickelten sterilen Wattetupfer sorgfältig abgewischt. Nach Auftupfung der Flüssigkeit des Binde- hautsackes beginnt der Operationsakt selbst. Diszission der Linse. Die Entfernung der Linse mittels Diszission wird nur ausgeführt bei Linsen mit noch geringer Kern- bildung, also bei Leuten unter 25 Jahren. Eine Indikation zur Beseitigung der Linse durch Diszission geben hauptsächlich die angeborenen oder im jugendlichen Lebens- alter erworbenen Starformen ab, falls sie das Sehvermögen erheblich stören und keine schweren Komplikationen seitens der Netzhaut und der Sehnerven bestehen. Auch zur Ausschaltung der durchsichtigen Linse jugendlicher Individuen aus dem optischen System des Auges, z. B. bei hoher Myopie kommt die Diszission mitunter in Betracht. Bei doppelseitiger Indikation empfiehlt es sich, die Operation nicht gleichzeitig an beiden Augen vorzunehmen. ') discindere = spalten. 2) Manche Operateure benutzen auch bei der Extraktion den Sperrlidhalter. Krankheiten der Linse. 475 Kontraindiziert ist die Diszission bei älteren Leuten, bei der Subluxation der Linse, bei verdickter und bei ringförmig mit der Iris verwachsener Linsenkapsel. Will man bei älteren Leuten eine unvollständige Katarakt in eine voll- ständige verwandeln, so kommt in Betracht die Künstliche Reifung. Die künstliche Reifung verfolgt den Zweck, aus einem unreifen Star einen reifen zu machen. Man macht einen linearen Schnitt von ungefähr 4 mm Länge am Limbus oben, wenn man der künstlichen Reifung eine Iridektomie voraus- gehen lassen will; hat man diese Absicht nicht, so legt man einen etwas kleineren Schnitt im Limbus unten an. Bei aufgehobener vorderer Kammer wird dann mit dem Da vi eischen Löffel oder einem ähnlichen Instrument durch die Hornhaut hindurch ca. zwei Minuten lang eine Massage der Vorderfläche der Linse vorge- nommen. In der Mehrzahl der Fälle tritt im Laufe der folgenden Tage eine fortschreitende Trübung der Corticalis ein. Die künstliche Reifung wiid heutzu- tage weniger häufig gemacht, da die meisten Operateure keine Bedenken tragen, auch unreife Stare zu extrahieren. Ausführung- der Diszission. Bei künstlich durch Atropin erwei- terter Pupille setzt man ein steriles Knapp- sches Diszissionsmessfer oder eine Diszissionsnadel (Fig. 360) lfa mm vom äußeren unteren Hornhautrand entfernt auf, führt dasselbe schräg durch die Sklera in die vordem Kammer ein, dringt bis über die JV'itte des Pupillargebietes vor und macht durch Aufstellen und geringes Zu- rückziehen des Messerchens einen senk- rechten und wagerechten Schnitt durch die Linsenkapsel, ohne zu tief in die Linse einzudringen. Hierauf wird das Messer- ehen wieder zurückgezogen. Der Ab- fluß des Kammerwassers soll vermieden werden. Zweck der Diszission. Wir bezwecken mit der Diszission der Linse dasselbe, was der Zufall so oft bei Verletzungen des Auges fügt. Durch die Öffnung in der vorderen Linsenkapsel soll das Kammerwasser Zutritt in den Kapselsack erhalten, wodurch eine Quellung, Trübung und allmähliche Aufsaugung der Linsenmassen herbeigeführt wird. S. „Wundstar" S. 464. Kommt die Resorption der Linsenmassen durch Verschluss der Kapselwunde zum Stillstand, so muß wiederholt diszindiert werden. Nachbehandlung. Das Auge wird nach der Diszission verbunden, die Pupille durch Atropin weit gehalten. Komplikationen. Als Komplikationen können während der Nachbehandlung Druck- steige rung und Iritis sich einstellen. Erstere tritt besonders bei allzu stürmischer Quellung der Linse und bei rigider Sklera auf. Es kommt subjektiv zum Auftreten von Schmerzen, objektiv zu stär- kerer Injektion, Trübung der Hornhaut, Tensionserhöhung. Fis;. 360. Diszission der Linse. 476 L. Bach, Die Iritis wird in der Regel durch Druck und chemischen Reiz der Linsenmassen hervorgerufen. Bei eitriger Iritis liegt eine Infektion vor, die fast immer auf ein mangelhaft sterilisiertes oder nicht steril erhaltenes Diszissionsmesser zurückzuführen ist. Die Drucksteigerung und die nicht infektiöse Iritis können durch Ablassen der getrübten Linsenmassen behoben werden. Siehe „Linearextraktion" diese Seite unten. Die auf Infektion zurückzuführende Iritis hat sehr häufig Schrumpfung des Auges zur Folge. Siehe „Cat. traumat" S. 466. Diszission des Nachstars. Die Diszission des Nachstars siehe S. 481. Extraktion der Linse. Die Extraktion bezweckt eine rasche und möglichst vollständige Entfernung der Linse. Die Extraktion setzt sich aus 3—4 Akten zusammen. 1. Akt. Anlegung des Schnittes. Die Länge des Schnittes richtet sich nach der Grösse und Härte des Linsenkernes. 2. Akt. Ausschneiden eines kleinen Irisstückes. Dieser Akt kann wegfallen1). 3. Akt. Eröffnung der Linsenkapsel, um durch die Öffnung der Corticalis dem Linsenkern den Austritt zu ermöglichen. 4. Akt. Austreibung (Entbindung) der Linse. Vorbedingungen. Der Vornahme der Extraktion muß stets eine genaue Funk- tionsprüfung' vorausgehen. Nur dann kann die Operation mit Aussicht auf guten Erfolg vorgenommen werden, wenn das Sehver- mögen dem Grade der Linsentrübung entspricht Siehe S. 45. Trifft das nicht zu, so ist mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Komplikationen von seiten der Netzhaut (Ablösung etc.) oder des Sehnerven (Atrophie) zu schließen. Der operative Eingriff ist darum noch nicht unter allen Umständen kontraindiziert, nur ist der Kranke auf die mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit eines nicht befriedigenden Operationserfolges aufmerksam zu machen. Methoden der Extraktion. Zur Extraktion der Linse wird entweder ein linearer Schnitt (Linearextraktion) oder ein ^.—^ bogenförmiger Schnitt (Lappenextraktion) ge- macht. Linearextraktion (Fig. 361). Indikationen. Die Linearextraktion ist angezeigt zur Beseitigung von relativ weichen, mehr breiigen Linsen, ohne großen und harten Kern, also für jugend- liche Individuen, sie ist ferner am Platze zur Ent- fernung der gequollenen Linsenmassen nach der Diszission der Linse, sowie zur Operation ge- schrumpfter Stare und verdickter Nachstare. ') Für die Extraktion mit Iridektomie ist die Bezeichnung „kombinierte Extraktion", für die Extraktion ohne Iridektomie die Bezeichnung „einfache Extraktion" üblich. Fig 361. Linearextraktion. Vergr. 2:1. Krankheiten der Linse. 47; Ausführung der Operation. Zur Ausführung des Schnittes empfiehlt sich der Gebrauch einer Hohl- lanze (Fig. 362). Der Schnitt kann nach unten oder nach oben von der Hornhaut angelegt werden. Die Spitze der Lanze wird im allgemeinen lk mm vom Horn- hautrand entfernt eingestochen, in die vordere Kammer eingeführt und so weit vorgeschoben, daf3 je nach Bedarf ein Schnitt von 2—7 mm angelegt wird. Die Eröffnung" der Linsenkapsel kann mit der Lanze beim Vorführen und Zurückziehen derselben oder nachträglich mit der Fliete oder der Kapsel- pinzette vorgenommen werden (Fig. 362). Bei der Entfernung der gequollenen Linsenmassen des Wundstares ist natür- lich die Kapselöffnung nicht mehr nötig. Zur Entfernung der Linsenmassen drückt man je nach der Größe des Schnittes mit einem etwas in die vordere Kammer eingeführten schmalen oder breiten Spatel (Fig. 362) den peripheren Wundrand leicht zurück, um den Schnitt Tearmesser. krumme Lanze. 3. Hohllanze ber. 4. Cystitom (Fliete). 5. Starnadel nach Beer. 6. Diszissionsm esserchen nach K na pp. 7. Daviels Löffel. 8. Irisspatel. 9. Webers Schlinge. 10. Breiter Spatel nach C. H ess. 11. Doppelhäkchen. 12. Lidhalter nach C. He ss. 13. Weckers Pinzettenschere. 14. Sperrlidhalter. 15. Iris- pinzette. 16. Kapselpinzette. 478 L. Bach, zum Klaffen zu bringen, gleichzeitig verhindert man damit das Prolabieren der Iris. Durch leichten Druck und streifende Bewegungen mit einem Glasspatel oder dem D avieIschen Löffel auf die dem Schnitte gegenüberliegende Hornhaut- partie werden in vorsichtiger und möglichst vollständiger Weise die Linsenmassen entfernt. Bei der Extraktion einer ho chgra dig geschrumpften Katarakt oder eines verdickten Nachstares wird der Schnitt in derselben Weise an- gelegt, hierauf mit einem scharfen Häkchen oder einer Kapselpinzette eingegangen, der Star gefaßt und vorsichtig herausgezogen. Nach Beendigung der Linearextraktion wird die Iris sorgfältig in ihre normale Lage gebracht, entweder durch Reiben auf der Kornea oder Kingehen mit dem Spatel. Die Wundränder verkleben rasch und die Heilung geht in der Regel rasch und ohne Zwischenfälle vor sich. Lappenextraktion (Fig. 363). Indikation. Die Lappenextraktion ist am Platze zur Ent- fernung aller Linsen mit einem großen un d rigiden Kern. Sie dient vornehmlich der Entfernung des Altersstares. Es ist besonders bei Leuten über 60 Jahre nicht notwendig, das Stadium der Reife des Stares Fig. 363. abzuwarten. Ist der Star doppelseitig, so soll Lappenextraktion man im allgemeinen operieren, sobald der Kranke mit Iridektomie. seiner gewöhnlichen Beschäftigung nicht mehr nach- Vergr. 2 :1. kommen kann. Bei einseitiger Starbildung ist es dem Ermessen des Kranken anheimzugeben, ob er die Operation bald vorgenommen haben will oder zuwarten will, da, abgesehen von einer (resichtsfelderweiterung, der Kranke zunächst keinen Nutzen von dem operierten Auge hat. Vorbedingungen. Die Vorbedingungen der Lappenextraktion sind dieselben wie bei der Linearextraktion. Ausführung der Operation. 1. Akt. Schnittfiiiirung (Fig. 364). Die Ausführung des Schnittes erfolgt mit dem Grae feschen Linearmesser (Fig. 362). Das Linearmesser, welches man schreibfederartig in die Hand nimmt, wird ungefähr 1 mm oberhalb des horizon- talen Meridians der Hornhaut \2 mm nach außen vom Hornhautrand mit nach oben gerichteter Schneide in die Sklera eingestochen, durch die vordere Kammer hindurchgeführt und an der korrespondierenden Stelle medial vom Hornhautrand ausgestochen, sofort in sägenden Zügen nach oben geführt und die Ausschnitts- stelle in die Sklera hart am Limbus verlegt. Sobald das Messer die Sklera durch- schnitten hat, befindet es sich unter der Bindehaut, die zur Bildung eines Binde- hautlappens erst etwa 2 mm oberhalb des Hornhautrandes durchschnitten wird. Um keine zu großen Bindehautlappen zu bekommen, muß man das Messer nach dem Durchschneiden der Sklera rasch aufstellen. Durch den Schnitt wird das obere Viertel bis Drittel der Hornhaut als Lappen abgetrennt. Die Größe des Schnittes wird der Größe des Kernes, welcher in toto durchtreten muß, angepaßt. In bezug auf die Schnittführung unterscheiden sich die einzelnen Operateure insofern, als manche den Schnitt noch in die durchsichtige Hornhaut legen und die Bildung eines Bindehautlappens unterlassen. Bei skleraler Lage des Schnittes Krankheiten der Linse. 479 und Bildung eines Bindehautlappens, wodurch die Wunde nach außen abgeschlossen wird, ist die Infektionsgefahr etwas geringer. 2. Akt. Iridektomie1). Nachdem der Bindehautlappen auf die Hornhaut umgeklappt wurde, geht man mit der Irispinzette (Fig. 362) in die vordere Kammer ein, faßt nahe dem Pupillarrande ein schmales Stück Iris, zieht dasselbe vor die Wunde und schneidet es mit der senkrecht zum Schnitt gestellten Pinzetten- schere (Fig. 362) ab. Die Ausführung der Iridektomie ist nicht unbedingt not- wendig und unterbleibt bei glatter Sachlage häufig. Allein dabei fällt nicht selten die Iris nachträglich vor und muß dann doch abgetragen werden. Bei sehr alten und bei unruhigen Kranken, bei Subluxatio lentis, bei Cat. complicata empfiehlt sich von vornherein die Vornahme der Iridektomie. 3. Akt. Eröffnung der Linsenkapsel. Diese wird mit der Kapselpinzette oder der Fliete vorgenommen. Die Kapselpinzette wird geschlossen eingeführt bis über die Mitte der Pupille, dann geöffnet und unter leichtem Andrücken an die Linse mit ihren nach rückwärts gerichteten Zähnen ein Stück der vorderen Kapsel gefaßt und langsam durch die Wunde herausgezogen. Fig. 364. Schnittfiihrung bei der Lappen- Fig. 365. Entbindung der Linse. extraktion. Benutzt man die Fliete zur Kapselspaltung, so wird dieselbe in die vordere Kammer eingeführt und damit ein Kreuzschnitt in der Kapsel angelegt, in- dem man die Kapsel zuerst in vertikaler Richtung von oben nach unten, dann in wagerechter Richtung anschneidet. 4. Akt. Entbindung der Linse (Fig. 365). Mit einem breiten Spatel (Fig. 362) drückt man den oberen Wundrand etwas zurück und übt dann mit dem Davieischen Löffel oder einem ähnlichen Instrument einen leichten Druck am unteren Hornhautrand zunächst von vorn nach hinten, dann von unten nach oben aus und läßt die Corticalis und den Kern durch den Schnitt austreten. Sobald der Kern den Schnitt größtenteils passiert hat, läßt man mit dem Druck auf den Bulbus nach und entfernt die Linse, wenn sie nicht von selbst ganz austritt mit einem scharfen Häkchen oder durch Abstreichen mit einem sterilen Wattebausch. ') Präparatorische Iridektomie. Die präparatorische Iridektomie wird der Extraktion einige Zeit, wenigstens 4—5 Tage vorausgeschickt. Sie ist zu empfehlen bei seichter vorderer Kammer sowie bei Cat. complicata. Eine In- dikation dazu können ferner hohes Alter, ungünstiger Allgemeinzustand, hoch- gradige Arteriosklerose, Diabetes, Nephritis abgeben. 480 L. Bach, Hat man keine Iridektomie vorgenommen, so hält man mit dem oben angelegten Spatel die Iris zurück. Nach Austritt des Linsenkernes werden noch vorsichtig die zurückgebliebenen Kortikalreste und die Blutkoagula durch leichtes Aufdrücken des Da vi eischen Löffels (Fig. 362) oder des Unterlides auf die unteren Partien der Hornhaut nach Möglichkeit entfernt. Löffel und Unterlid dürfen aber nicht mit der Wunde in Berührung kommen. Leichter und vollständiger gelingt die Entfernung der Kortikalreste, wenn man einen breiteren, vorn etwas aufgebogenen Spatel in die vordere Kammer bis ungefähr zur Mitte des Pupiüargebietes vorführt und auf diesen die Reste der Corticalis hinaufbringt. Nach möglichster Entfernung der Corticalis werden mit dem Irisspatel die Irisschenkel aus der Wunde in die vordere Kammer zurückge- bracht und in ihre richtige Stellung geschoben. Wurde keine Iridektomie vorgenommen, so muß die Iris auf das sorg- fältigste in ihre normale Lage gebracht werden. Ist dies nicht möglich, nimmt die Pupille keine runde Form an, so ist nachträglich eine Iridektomie anzulegen. Üble Zufälle bei der Extraktion. Mancherlei üble Zufälle können die Extraktion der Katarakt erschweren, ja gelegentlich unmöglich machen. Bei zu kleinem Schnitt oder zu wenig ausgiebiger Eröffnung der Linsenkapsel kann der Linsenkern nur schwer oder überhaupt nicht aus- treten. Bei solcher Sachlage muß nachträglich der Schnitt vergrößert und die Kapselöffnung erweitert werden. Die Eröffnung der Linsenkapsel kann einen Zonulariß und Subluxation zur Folge haben, wodurch die Entbindung der Linse wesentlich erschwert werden kann. Übt der Operateur oder der Kranke durch Pressen einen stärkeren Druck auf den Bulbus aus, so kann ebenfalls die Zonula bersten und der Glas- körper vorstürzen. Diese Gefahr ist besonders gegeben bei einer bereits vor der Operation defekten Zonula, z. B. bei Cat. hypermatura, Cat. complicata, Subluxatio lentis. Ist der Glaskörper vorgefallen, so kann die Katarakt nicht mehr durch Druck auf den Bulbus entfernt werden, da sonst der ganze Glaskörper ausfließen würde, sondern die Linse muß durch Eingehen mit einem In- strument z. B. mit der Weberschen Schlinge oder dem Reisi n gerschen Doppelhäkchen (Fig. 362) entfernt werden. Dieselben werden hinter die Linse eingeführt und die Linse durch Zug herausbefördert. Nicht allzu reichlicher Glaskörperverlust bei sonst gesundem Auge braucht den unmittelbaren Erfolg der Operation nicht in Frage zu stellen. Es wird aber, und zwar ist dies be- sonders bei hochgradig myopischen Augen und überhaupt bei Augen mit ver- ändertem Glaskörper der Fall, eine gewisse Disposition zu nachträglicher Netz- hautablösung geschaffen. Nachbehandlung (vergl. auch „Allg. Therapie" S. 9 u. ff.). Nach der Extraktion wird in der Regel für 24 Stunden ein doppelseitiger Verband angelegt, der keinerlei Druck auf das Auge ausüben darf. Am 2. Tage tritt an Stelle des doppelseitigen Verbandes meist nur ein Verband des operierten Auges. Um das Auge gegen äußere Insulte möglichst zu schützen, empfiehlt es sich, auf das das Auge bedeckende sterile Lintläppchen und Wattebäuschchen, eine den Orbitalrändern gut anliegende Zelluloidkapsel aufzulegen. Tagsüber kann ungefähr vom 5. Tage ab statt des Verbandes eine dunkle Muschelbrille getragen werden. Während der Nacht empfiehlt sich das Forttagen der Zelluloidkapsel während der ersten 10—14 Tage. Krankheiten der Linse. 481 Ist die Extraktion mit Iridektomie ausgeführt worden, so träufelt man nach Beendigung der Operation 2 Tropfen einer 1 °/o Atropinlösung in den Binde- hautsack, an den der Operation folgenden Tagen muß man oft mehrmals täglich, um die Pupille weit zu erhalten, Atropin geben. Bei der Extraktion ohne Iridektomie bleibt sofort nach der Operation das Atropin weg, ja es kann sich empfehlen, statt dessen Eserin zu geben. Im übrigen ist die Nachbehandlung dieselbe. Es ist nicht unbedingt notwendig, die Operierten ins Bett zu legen. Es empfiehlt sich vielmehr, sie frühzeitig in einem bequemen Lehnstuhl in Gegenwart von anderen Patienten sitzen zu lassen. Nachbehandlung in einem Dunkelzimmer ist nicht nur nicht nötig, sondern zu widerraten. Komplikationen bei der Nachbehandlung. Tritt Wundeiterung ein, so kommt es häufig zum Auftreten einer Pan- ophthalmie und nachträglicher Schrumpfung des Auges. Bei Beherrschung der Asepsis und der notwendigen Vorsicht läßt sich die- selbe nahezu sicher vermeiden. In anderen Fällen wird der Erfolg der Operation durch subakute oder chronische Entzündung der Iris und des Corpus ciliare in Frage gestellt. Das gesetzte Exsudat bildet mit der Linsenkapsel eine dichte, das Pupillargebiet ver- legende Membran, die mit der Iris und oft auch mit dem Corpus ciliare verwachsen ist. Cat. secundaria accreta. Blieb die Erkrankung auf den vorderen Bulbusabschnitt beschränkt, so kann man, nachdem die Entzündung längere Zeit abgelaufen ist, manchmal durch eine Iridektomie oder Iridotomie oder Durch- trennung der Cat. secundaria ein gutes Sehvermögen schaffen. Von weiteren Komplikationen erwähne ich das Auftreten schwerer Blu- tungen, ferner von Pneumonie und Psychosen. Letztere Komplikationen lassen sich bei der obigen Nachbehandlung so gut wie ganz ausschalten. Extraktion in geschlossener Kapsel. Die Extraktion der Katarakt in der geschlossenen Kapsel, die an und für sich die idealste Operation darstellt, weil sie ein vollständig schwarzes Pupillar- gebiet schafft, hat sich wegen der damit verbundenen erhöhten Gefahr des Glas- körperverlustes und wegen des häufig vorkommenden Platzens der Linsenkapsel während der Extraktion keine allgemeine Anerkennung verschaffen können. Eine Indikation für ihre Ausführung geben überreife, geschrumpfte, ver- kalkte Stare und alle luxierten Linsen. Es wird zuerst in gewöhnlicher Weise ein Linear- oder Lappenschnitt an- gelegt, dann eine Iridektomie vorgenommen und hierauf die W"eb er sehe Schlinge bis über die Mitte der Hinterfläche der Linse vorgeschoben und damit die Linse extrahiert. Resultate der Staroperation. Die Eesultate der Staruperationen sind heutzutage außerordent- lich günstige. Die Zahl der direkten Verluste beträgt durchschnitt- lich 1, höchstens 2 Prozent. Ein Auge, dessen Linse entfernt ist, nennt man ein aphakisches. Die Iris eines solchen Auges schlottert bei den Bewegungen des Auges, da ihre Unterlage fehlt. Ohne Gläserkorrektion ist das Sehvermögen des aphakischen Auges gering und reicht nur zu grober Arbeit aus. Beim Gebrauch 482 L. Bach, entsprechender Gläser steigt die Sehschärfe erheblich und zwar nicht selten bis zur Norm. Die Linse des emmetropischen Auges repräsentiert im allgemeinen einen Wert von 10—12 Dioptrien und dementsprechend muß ein Auge nach der Staroperation ein Konvexglas von 10—12 Dioptrien tragen. Bestand vor der Operation Hypermetropie, so addiert sich diese zu der Dioptrienzahl, welche für ein emmetropisches Auge nötig ist, während bei vorher vorhandener Myopie das Korrektionsglas entsprechend schwächer genommen werden kann. Bei hochgradigen Myopien repräsentiert die Linse oft einen Wert von 15 Dioptrien und mehr. Die Ordination der passenden Gläser ist in der Regel einige Wochen nach der Operation möglich. Da mit dem Verlust der Linse auch die Akkommodation ver- loren ging, muß für die Naharbeit ein ungefähr 4 Dioptrien stärkeres Glas getragen werden. Bei manchen Staroperierten tritt beim Aufenthalt im Hellen Erythropsie (Rotsehen von eQv&QOg, rot) auf, besonders so länge die Pupille noch erweitert ist. Von Staroperierten, die nicht im Dunkelzimmer nachbehandelt wurden, hört man diese Klage selten. Nachstar. Cataracta secundaria. Zur Nachstarbildung kann es auf verschiedene Weise kommen. Bei der Extraktion der Linse bleibt in der Regel der größte Teil der Linsen kapsei zurück. Oft haften derselben auch noch Reste der Corticalis an, die schon bei der Extraktion getrübt waren oder nachträglich unter dem Emfluss des Kammerwassers sich trübten. Besonders häufig bleiben bei der Operation unreifer Altersstare ziem- lich viel Reste der Corticalis zurück, jedoch auch bei der Operation reifer, ja überreifer Stare ist dies gelegentlich der Fall. Sind diese Reste über das ganze Pupillargebiet verbreitet, ohne daß an einer Stelle eine freie Lücke besteht, so ist der Erfolg der Operation nur ein geringer. Ist an einer Stelle eine freie Lücke, so kann trotz des Zurückbleibens eines großen Teiles der Corticalis ein gutes Sehver- mögen resultieren, besonders wenn die Lücke ziemlich zentral liegt. In einer Reihe von Fällen bessert sich das infolge Zurückbleibens von Kortikalresten zunächst schlechte Sehvermögen, indem die Kortikalreste allmählich resorbiert werden. Es ist dies besonders dann der Fall, wenn eine breite Lücke in der vorderen Kapsel besteht, die dem Kammerwasser den Zutritt zu dem Kapselsack er- möglicht. In nicht seltenen Fällen ist zunächst das Sehvermögen nach der Extraktion ein gutes und erst allmählich tritt eine Verschlechterung ein. Dies kann darin seinen Grund haben, daß die zurückgebliebene Kapsel sich fältelt und dadurch eine unregelmäßige Brechung der Strahlen veranlaßt wird (Fig. 366). Besonders an der hinteren Kapsel treten solche nachträgliche Fältelungen ein und es kommt dann zur Bildung eines feinen, spinnwebenartigen Nachstars (Fig. 367). In anderen Fällen tritt nicht nur eine Fältelung der hinteren Kapsel ein, sondern Krankheiten der Linse. 483 es kommt zu Wucherungen des Vorderkapselepithels und damit zur Bildung dickerer Nachstare. Fi" 366. Querschnitt durch den vorderen Abschnitt eines Auges, an welchem die Linse mittelst Lappenschnitt und Iridektomie extrahiert war. Vergr. ca. 6:1. s Schnittnarbe an der Korneoskleralgrenze. i Irisstumpf. Von der vorderen Kapsel r fehlt ein °roßes Stück. Die Rißstellen der Kapsel sind eingerollt. Die hintere Kapsel h ist in ganzer Ausdehnung vorhanden und leicht gefältelt. Es haften an ihr noch kleine Reste getrübter Corticalis; ebenso befindet sich noch ein Rest o-etrübte Corticalis beiderseits in der Äquatorgegend zwischen vorderer und hin- terer Kapsel k (Soemmeringscher Kristallwulst). Unter Benutzung von Prä- paraten von C. Heß und E. v. Hippel. Therapie. Bei dem Spinnwebennachstar erzielt man meist durch die Dis- zission, bei der man 2 aufeinander senkrecht stehende Schnitte, womög- lich in' der Mitte des Pupillargebietes, bei künstlich erweiterter Pupille ausführt, eine dauernd klaffende Lücke und damit einen vollen Erfolg (Fig. 368). Bei dickeren Nachstaren gelingt es nicht immer auf diese Weise eine Lücke in dem Nachstar herzustellen, da die Nachstar- massen sich nicht mit dem .Messerchen durchschneiden lassen, sondern 484 L. Bach. in toto ausweichen. Bei solcher Sachlage macht man einen Schnitt wie bei der Linearextraktion und zieht die Nachstarmassen mit einer Pinzette heraus oder durchschneidet sie mit der Scherenpinzette oder einem ähnlichen Instrument. In solchen Fällen wird auch empfohlen, gleichzeitig 2 Diszissions- nadeln in das Auge einzuführen. Die eine wird vom nasalen, die andere vom temporalen Hornhautrande aus bis zur Mitte des Pupillargebietes vorgeführt, hier= auf werden die Nadeln in den Nachstar eingestochen und durch hebelartige Be- wegungen voneinander entfernt (Dilaceratio). Man sucht so in der Mitte der Membran eine Lücke herzustellen. Es wird bei diesem Vorgehen keine Zerrung an der Iris und dem Ziliarkörper ausgeübt, was bei dem Herausziehen des Nach- stares der Fall ist und leicht zur Iridocyclitis Anlaß gibt. Lymphzirkulation und Glaukom. Von Professor Peters, Rostock. Die Lymphzirkulation des Auges. Das Augeninnere enthält keine eigentlichen Lymphgefäße, sondern nur Lymphräume, die mit Endothel ausgekleidet sind. Die vorderen Lymphräume sind die vordere und hintere Augenkammer, die miteinander in direkter Verbindung stehen, so lange die Pupille frei ist. Sie sind erfüllt mit dem Humor aqueus, dessen Zu- sammensetzung von der der Körperlymphe verschieden ist. Die Abfluß wege der vorderen Kammer liegen im Kammer winkel; durch das Maschenwerk des Ligamentum pectinatum hindurchgehend wird die Lymphe in die venösen Bahnen filtriert, speziell in den Schlemm sehen Venenplexus, z. T. auch in die Venen des Ziliar- körpers und der Iris. Aus dem Glaskörper fließt die Lymphe durch den Zentralkanal, der nach Eesorption der fötalen Arteria hyaloidea persistiert, in die Lymphscheiden der Zentralgefäße des Optikus. Zwischen Aderhaut und Sklera liegt der schmale Perichorioidal- raum, der sich zwischen die Gefäßschicht der Aderhaut fortsetzt. Die Lymphe entleert sich besonders in die Lymphscheiden der Venae vorticosae und diese kommunizieren mit dem Tenonsehen Raum, der ebenfalls einen schmalen Spalt darstellt und sich in den supra- vaginalen Lymphraum des Sehnerven fortsetzt. Mit diesem steht auch der Subarachnoidalraum des Sehnerven in Verbindung durch die Lymphscheiden der die Duralscheide durchsetzenden Gefäße. Die Kommunikation dieser Räume bei Injektionen, sowie die Auskleidung mit Endothel charakterisieren sie als Lymphräume. Die Augenflüssigkeiten werden von den Gefäßen der Uvea geliefert. Das Kammerwasser ist eine klare Flüssigkeit von 1,007 spez. Gewicht, welches Serum- albumin und Serumglobulin, ferner Spuren von Zucker und Harnstoff enthält. Die Zusammensetzung der Glaskörpeiflüssigkeit ist annähernd dieselbe. Die Erneuerung des Kammerwassers dauert etwa 48 Minuten; nach Eröffnung füllt sich die Kammer dagegen erheblich schneller. Durch den erheblich geringeren Eiweißgehalt unterscheidet sich das Kammerwasser von der Körperlymphe. Es ist daher wahrscheinlich, daß dem Epithel der Ziliarfortsätze elektive Eigen- schaften zukommen in dem Sinne, daß sie gewisse Stoffe zurückhalten und an- deren den Durchtritt gewähren können. 486 JPeters, Das Hauptorgan für die Absonderung sind die Ziliarfort- sätze, aber auch eine Beteiligung der Irisvorderfläche ist wahr- scheinlich. Nach Rom er hat der normale Ziliarkörper auch die Eigen- schaft, die sogenannten Cytotoxine (zellangreifende Giftstoffe) zurück- zuhalten, zu denen auch die sogenannten Antikörper gehören, die erst bei Reizung des Auges im Kammerwasser erscheinen. Eine Reihe von Stoffen geht dagegen in das Kammerwasser über, z. B. Ferrozyankalium, Jodkalium, Fluoreszin. Die Hornhaut ist durch das Endothel gegen die Einwirkung des Kammerwassers geschützt; sie trübt sich, wenn diese Schutzwirkung fortfällt. Genau dasselbe ist bei der Linse der Fall. Sie trübt sich, sobald die Schutzwirkung des Linsenkapselepithels fortfällt, vor allem nach Eröffnung der Linsenkapsel. Die Störungen der Lymphzirkulation bewirken in erster Linie Änderungen des intraokularen Druckes, und zwar 1. die pathologische Drucksteigerung (Hypertonie) oder das Glaukom, für dessen Entstehung die hinteren Abflußwege nicht in Betracht kommen, weil hier stets ein Ausgleich möglich ist, sondern nur die vorderen, deren Verlegung schwere Störungen verursacht und 2. die pathologische Druckerniedrigung oder die Hypotonie des Auges. Die Lehre vom Glaukom. Das Krankheitsbild des Glaukoms ist wechselnd, weil die ihm zugrundeliegende Steigerung des intraokularen Druckes kein konstanter Faktor ist, sondern in bezug auf Grad, Dauer und Schnelligkeit des Auftretens großen Schwankungen unterliegt und andererseits die Widerstandsfähigkeit der Gewebe in mechanischer und auch in vitaler Beziehung der rasch oder langsam einwirkenden Schädigung gegenüber eine verschiedene ist. Da nun auch die Ursache der Drucksteigerung selbst 'keine einheitliche ist, sondern verschiedenartige Prozesse als Ursache in Betracht kommen können, so ist das Glaukom nicht als Krankheit im eigentlichen Sinne, sondern als der Ausdruck der ver- schiedenartigen Folgen zu betrachten, welche die aus verschiedenen Ursachen stammende Drucksteigerung zeitigen kann. Man unterscheidet zunächst ein primäres vom sogenannten Sekundärglaukom und definiert den Unterschied gewöhnlich dahin, daß bei ersterem sichtbare andere Erkrankungen des Auges nicht vorliegen, während bei letzterem die Ursache der Drucksteigerimg in einer deutlich erkennbaren anderweitigen Schädigung des Auges klar zutage tritt; mit anderen Worten, ein Glaukom, dessen Ursachen bekannt sind, ist ein sekundäres, während das Primärglaukom seiner Entstehung nach unbekannt ist, soweit der Einzelfall in Betracht kommt. Es liegt auf der Hand, daß die Abgrenzung dieser beiden Glaukomformen sich mit der fortschreitenden Forschung ständig ver- schieben muß. Ebensowenig ist eine völlig scharfe Trennung der einzelnen Formen des primären Glaukoms möglich, weil viele Über- gänge vorkommen. Eine Schilderung einzelner Typen des Glaukoms muß daher zur Aufgabe haben, die beiden Extreme, das akute und das chronische Glaukom, gegenüberzustellen. Zum Verständnis Lymphzirkulation und Glaukom. 487 der einzelnen Ubergangsformen ist es jedoch nötig, dieser Schilderun« erst einige allgemeinere Bemerkungen über die Druck- steigerung und ihre Folgen vorauszuschicken. Die Spannung des Auges ist unter normalen Verhältnissen ab- hängig vom Blutdruck, und es ist vor allem die Sklera, welche ihn zu tragen hat und vermöge ihrer Elastizität die Form des Auges erhält. Zur Messung des intraokularen Druckes für wissenschaftliche Zwecke dienen manometrische und tonom etrisc h e Verfahren, welche für klinische Zwecke zu kompliziert und auch entbehrlich sind, weil die Übung mit den palpierenden Fingern sehr große Sicherheit in der Beurteilung der Druck- verhältnisse zu geben pflegt. Die bisherigen Forschungen ergaben für das menschliche und das Kaninchenauge einen Druck von 15 mm Quecksilber wobei ein wesentlicher Unterschied zwischen Glaskörper und vorderer Kammer nicht besteht. Die klinische Diagnose der Drucksteigerung gründet sich in erster Linie auf die Palpation mit den Fingern und zwar ist es entschieden anzuraten, wie bei der Prüfung auf Fluktuation sich der beiden Zeigefinger zu bedienen, welche oberhalb des Tarsus auf das mäßig nach abwärts gewendete Auge, d. h. auf das Oberlid, auf- gesetzt werden. Zum Vergleich zwischen links und rechts empfiehlt sich die gleichzeitige Palpation mit je zwei Fingern (siehe: „Unter- suchung des Auges", S. 31). In vielen Fällen ist es notwendig, die Drucksteigerung aus ihren Folgen zu erschließen. Wenn nun die D r u c k s t e i g e r u n g das Wesentliche des Glaukoms ist, so müssen sich die sämtlichen Symptome der verschiedenen Glaukomformen aus ihr herleiten lassen und das ist in der Tat der Fall, und so sollen an dieser Stelle die Hauptsymptome kurz darauf- hin geprüft werden. Ein wichtiges Symptom des Glaukoms, wenn es länger besteht, ist die Exkavation, dieAushöhluiig-derSelinervenscheibe durch Zurückweichen der Lamina cribrosa, der Siebplatte, welche den Sehnervenfasern den Durchtritt gewährt und gegenüber der Skleral wand eine erheblich geringere Resistenz besitzt (Vgl. Tafel III, Fig. 5). Die Tatsache, daß zwischen der Tiefe der Exkavation und der Intensität der Drucksteigerung oft ein Mißverhältnis besteht, insofern, als beidenchronischen Glaukom- formen die Drucksteigerung sehr gering und die Exkavation sehr ausgesprochen sein kann, während beim akuten Glaukom die Ex- kavation trotz hoher Spannung zu fehlen pflegt, hat man immer wieder dazu verwertet, der Exkavation den Charakter einer Druck- exkavation streitig zu machen. Aber weder der Versuch, die Ex- kavation aus einer primären Höhlenbildung im Sehnerven zu erklären, noch andere Gründe haben vor den Resultaten der pathologisch- anatomischen und experimentellen Forschung Stand halten können; insbesondere lehrt die letztere, daß bei künstlicher Obliteration des Kammerwinkels bei Tieren das Auftreten der Exkavation die Regel ist. Das Bild der glaukomatösen Exkavation kann vorgetäuscht werden, wenn sich zu einer präexistierenden sogenannten physio- logischen Exkavation eine Sehnervenatrophie hinzugesellt; die so ent- stehende Sehstörung ist zwar eine andere wie beim Glaukom; immer- hin ist die Unterscheidung gelegentlich schwierig, so daß der praktische Arzt gut daran tut, jeden Fall mit totaler Exkava- tion als glaukomverdächtig anzusehen und vor das Forum des Augenarztes zu bringen. 488 Peters, Das Fehlen einer Drucksteigerung in manchen chronischen Glaukomfällen ist oft nur ein scheinbares, indem sie nur zu gewissen Tageszeiten auftritt. Wird eine, wenn auch noch so geringe Druck- steigerung nachgewiesen, so ist damit der Charakter einer Druck- exkavation gesichert. Wie die orthopädischen Erfahrungen lehren, können langdauernde aber geringfügige Kräfte stärkere Wirkungen entfalten, als ein kurzdauernder starker Druck, der oft ganz ohne Einfluß ist. So kann auch die Exkavation in erster Linie auf eine geringe intermittierende, aber lange einwirkende Drucksteigerung zurückgeführt werden, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß noch andere, bisher unbekannte Faktoren eine begünstigende Rolle bei der Entwickelung der Exkavation spielen können. Die Ausbildung der glaukomatösen Exkavation hat ei* Zurückweichen der Lamina cribrosa zur Voraussetzung und unterscheidet sich dadurch von der sog. physiologischen und der atrophischen Exkavation. Unter letzterer versteht man die flache Vertiefung, welche an der Papille durch den Schwund der Nervenelemente eintritt. Sie kann daher einen nennenswerten Grad nie erreichen und spielt praktisch keine Rolle. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, ob eine Exkavation eine physiologische ist, wenn die Aushöhlung, wie es nicht selten der Fall ist, recht tief geht. Entscheidend ist, daß die physiologische Exkavation, fast niemals ganz bis zum Rande reicht und immer einen Ring nor- maler, rötlich gefärbter Nervenelemente erkennen läßt. (Näheres vgl. Abschnitt „Ophthalmoskopische Dif f erentialdiagnose", S. 62 und 66, sowie Tafel III.) Das ophthalmoskopische Bild, auf dessen Schilderung in Kap. I. verwiesen wird, variiert je nach dem Grade der Druckexkavation, in dem alle Übergänge von der normalen bis zur atrophischen Färbung der Papille, von der zentralen bis zur randständigen Exkavation mit Abknicku.ig der (Jefäße vorkommen. Der sog. Halo glaucomatosus stellt eine ringförmige Atrophie der Aderhaut um die Papille herum dar. Eine weitere, aber nicht konstante Folge der Druck- steigerung ist die Verbreiterung der in die Papille eintretenden Venen, die sich zu förmlichen Gefäßknäueln entwickeln können, und die arterielle Gefäßpulsation, (Näheres cf. S. 70 u. 71, in „Ophthalmoskopische Differential-Diagnose".) Die Ausbildung der Exkavation erfolgt allmählich. Sie kann bei kurzdauernden, öfters sich wiederholenden Glaukomanfällen lange Zeit hindurch fehlen, während bei den chronischen Formen ein all- mähliches Fortschreiten die Regel ist. Die Beobachtung des Fort- schreitens ist meistens dadurch unmöglich, daß die Kranken erst bei zunehmender Sehstörung zum Arzte kommen, wenn die Exka- vation schon weit gediehen ist. Die Entwickelung der Druck- exkavation erfolgt meistens zuerst in der temporalen Hälfte und erst später in der nasalen, augenschein- jj \\ \\ lieh deshalb, weil hier die reich- , Jj lieh er vorhandenen Nervenfasern Fig. 369. Exkavation der Sehnerven. und die hier verlaufenden Gefäße größeren Widerstand leisten. Die ausgebildete Exkavation kann eine Tiefe von mehr als V/-2 mm er- reichen; sie reicht bis zum Rande, was nur auf Kosten der nervösen Elemente geschehen kann und in dieser Schädigung der Nervenfasern liegt die große Gefahr des Glaukoms für das Sehvermögen begründet, Lymphzirkulation und Glaukom. 4s), meist nicht gleich- zeitig erscheinend, sondern ein Auge wird nach dem andern ergriffen. Es läßt sich in solchen Fällen jedoch nicht annehmen, daß die Geschwulst von einem Auge zum anderen übergewandert sei, da der Tumor im primär untersuchten Auge meist noch als kleiner zirkumskripter Knoten liegt, sondern man wird em selbständiges Ent- stehen der Geschwulst in jedem Auge ver- muten müssen. In einer Anzahl von Fällen wiederholte sich die Krankheit bei allen Kindern der Familie, so ist publi- ziert, daß acht Kinder derselben Eltern hintereinander von Gliom befallen wurden und daran zugrunde gingen. Ferner finden sich bei den befallenen Kindern zuweilen noch andere Mißbildungen. Diese und andere Beobachtungen machen es höchst wahrscheinlich, daß der Geschwulst eine angeborene Anomalie des Auges zugrunde liegt. Klinisch unterscheiden wir, wie beim Sarkom der Chorioidea, vier Stadien: 1. Stadium des reizlosen Verlaufs. Die Anfänge der Geschwulstbildung kommen gewöhnlich nicht zur Beobachtung, da die Geschwulst keine Schmerzen bereitet und äußerlich keinerlei Er- scheinungen am Auge hervorruft. Sobald die Geschwulstknoten aber etwas in den Glaskörper hineingewachsen sind, machen sich auch für den Laien Erscheinungen geltend. Den Eltern fällt es auf, daß die Pupille ungewöhnlich weit ist und daß aus dem Innern des Auges ein gelber Schein hervorleuchtet (cf. Fig. 395). Unter- Fig. 395. Glioma retinae im Stadium des sogen, amau- rotischen Katzenauges. Die gelben Massen leuchten aus der Pupille hervor. Krankheiten der Retina. 539 sucht man nun bei fokaler Beleuchtung, so ergibt erstens der Mangel einer Pupillarreaktion auf Lichteinfall, daß das Auge blind ist, zweitens sieht man nicht weit hinter der Linse die vorgetriebene, verdickte Netzhaut liegen. Dieselbe hat ein strohgelbes oder rötlich- gelbes Aussehen und zeigt auf der Oberfläche viele, geschlängelte, neugebildete Gefäße. Diese gelbe Geschwulst ist deshalb schon vom Laien sichtbar, weil sie weiter nach vorne liegt, also das Auge an dieser Stelle stark hypermetropisch wird. Von Beer wurde der Zu- stand amaurotisches Katzenauge genannt, weil das Auge blind ist und wie das Tapetum eines hypermetropischen Katzenauges im Dunkeln leuchtet. 2. Stadium glaucomatosum. Durch das stetige Wachstum der Geschwulst erhöht sich der intraokulare Druck, und es entsteht das Bild des chronischen, entzündlichen Glaukoms, zu dem schließ- lich Linsentrübung hinzutritt. Die Diagnose ist in diesem Stadium nicht schwer, da bei Kin- dern so gut wie nie primäres Glaukom vorkommt. 3. Stadium des Durchbruchs. Die Ge- schwulst breitet sich zuerst durch den Sehnerv nach hinten aus, und zwar ge- schieht dies meist schon sehr früh. Anfangs ist der Nach- weis nur durch die mikro- skopische Untersuchung zu bringen, später entwickeln sich dicke Knoten am Seh- nerv, welche den Bulbus nach vorne vortreiben. Ist das ganze Innere des Bulbus mit Geschwulstmasse angefüllt, Fig.396. Gliomaretinae. Stadium fungosum. findet auch ein Durchbruch nach vorne statt. Es geschieht dies meistens am Rande der Horn- haut, welche nekrotisch wird. Das Wachstum ist nun ein rapides, die Augenlider werden auseinandergedrängt, und es kann ein Tumor von der Größe eines Kindskopfes vor dem Auge sich entwickeln. Es dauert manchmal lange, bis die Kinder an Erschöpfung, durch septi- sches Fieber, durch häufige Blutungen aus den verjauchten Tumor- massen zugrunde gehen. 4. Stadium der Verallgemeinerung (cf. Fig. 396). Es ist wichtig zu bemerken, daß bei Gliom frühzeitig die benachbarten Lymphdrüsen ergriffen werden und später Sitz von Geschwülsten werden können. Auch die Kopfknochen sind nicht selten der Sitz von Sekundärknoten. Die Neigung zur Metastasenbildung ist jedoch beim Gliom viel geringer als beim Sarkom des Uvealtraktus. Einige Autoren leugnen überhaupt das Vorkommen von Metastasen bei Gliomen. Dagegen werden bei dem Gliom häufiger die umliegenden Teile durch Weiterkriechen der Gesclv.vulstmassen ergriffen iso Seh- nerv, Gehirn, Lymphdrüsen, Kopfknochen etc.). Auch ist die Neigung zu lokalen Rezidiven viel ausgesprochener als bei dem Sarkom. 540 Gree ff, Während bei dem Sarkom des Uvealtraktus bei ungünstigem Verlauf die Patienten meist an den Metastasen in Leber, Lunge etc. zugrunde gehen, erliegen die Gliomkranken der lokalen Ausbreitung oder den lokalen Rezidiven der Geschwulst. Pathologisch anatomisch besteht das Gliom aus einer sehr weichen, weißlich oder rötlich-gelb aussehenden Masse, welche anfangs kleine, zirkum- skripte Knoten bildet, die sich rasch in die Breite und Höhe vergrößern. Das Gliom geht aus den Körnerschichten der Retina hervor. Es besteht mikroskopisch aus dicht gedrängten rundlichen Zellen, die einen großen Kern und sehr wenig Protoplasma besitzen. Die Zellen haben meist die Größe der Körner in den Körnerschichten. Zwischen den Zellen sieht man nur spärlich eine fein- granulierte oder faserige Interzellularsubstanz. Durch Schütteln oder nach der Golgischen Färbemethode kann m;m nachweisen, daß von den einzelnen Zellen zahlreiche feine Fort- sätze ausgehen, die sich gegenseitig verflechten. Es sind also Gliazellen wie im Gehirn (Dei- terssche, Spinnenzel- len etc.). Gefäße sind zahl- reich in den Tumormas- sen vorhanden, die Ge- schwulstzellen drängen sich dicht an die Gefäße und ihre Verbreitungs- gebiete heran und in der Peripherie eines je- den Gefäßbezirkes ster- ben die Zellen frühzeitig ab. Die Geschwulst- knoten bekommen da- durch im histologischen Schnitt ein sehr charak- teristisches Aussehen. Es findet sich ringsum ein Gefäß eine Zone von lebensfrischen Zel- len, die sich mit Hä- matoxylin sehr gut fär- ben und scharf gegen die Zellen in der Um- gebung abgesetzt sind, die nicht mehr er- nährt, abgestorben sind und sich mit Kernfärbungsmitteln gar nicht oder sehr schwach färben. Um jedes quergetroffene Gefäß findet sich also ein Kranz, um jedes längsgetroffene ein breiter Streifen stark gefärbter Zellen, während die dazwischen liegenden Zellen ganz blaß erscheinen (Fig. 398). Auch eine Art Verfettung der Zellen zu diffusen Haufen kommt frühzeitig vor. Wintersteiner hat die interessante Entdeckung gemacht, daß sich bei beginnendem Gliom größere Zellhaufen in Schichten vorfinden, in die sie ihrer Natur nach nicht gehören. Es gibt dies eine Stütze für die Ansicht, die auch sonst nach allem, was wir wissen, die wahrscheinlichste ist, daß sich die Gliome aus größeren, versprengten Zellhaufen entwickeln. Der Keim zum Gliom ist also durch eine Mißbildung in der Retina gelegt, versprengte embryonale Zellen, welche ganz nach der C ohnheim sehen Theorie von der Entstehung der Ge- schwülste zum Aufbau des Organismus nicht verwendet worden sind, sondern Fig. 397. Glioma retinae endophytum (mikro- skopischer Querschnitt durch das Auge). Eindringen der Tumormassen in den Sehnerv (P). T. Tumormassen; 0. s. Ora serrata. Krankheiten der Retina. 541 ruhen bleiben, bis sie später von selbst oder durch irgend einen Anlaß zu wuchern beginnen. Verlauf. Das Gliom ist eine der bösartigsten Geschwülste die wir kennen. Es entsteht entweder nach der Geburt oder in den ersten Lebensjahren. Sich selbst überlassen, durchläuft es stets alle Stadien und führt in wenigen Jahren durch Erschöpfung, septisches Fieber oder durch Metastasen in den inneren Organen'zum Tode Es ist bisher kein einziger unzweifelhafter Fall von Spontanheilung eingetreten. Auch die operierten Fälle haben in noch manchen Fällen dasselbe Schicksal. Jedenfalls ist die Prognose um so günstiger je früher operiert wird. Hat die Geschwulst erst einmal den größten Teil des Bulbus angefüllt, oder ist schon der Sehnerv ergriffen, so ist kaum noch auf Erhaltung des Lebens zu hoffen. Die Rezidive pflegen sehr bald sich einzustellen, meist schon nach 14 Tagen bis 4 Wochen, spätestens nach 2 bis 3 Monaten. Diagnose. Man erkennt die Geschwulst schon äußerlich an dem gelben Schein aus der Tiefe und der meist starren Pupille. Jedoch kann dies Täuschungen hervorrufen. Es kom- men bei Kindern Fälle von entzündlichen ganz chronisch sich ent- wickelnden Neubildun- gen im Glaskörper vor, welche ganz das Bild eines Glioms im ersten Stadium vortäuschen können. Das Auge ist äußerlich normal, die vordere Kammer seicht, und die weite starre Pupille zeigt an, daß das Auge erblindet ist. Auch nimmt man aus der Tiefe den hellen Reflex wahr. Es sind eine Anzahl solcher Augen wegen vermeint- lichem Glioma retinae enukleiert worden, wobei erst die mikroskopische Untersuchung die falsche Diagnose nachzuweisen imstande war. Man bezeichnet diese Fälle als Pseudogliome. Meist handelt es sich um bindegewebige Schwartenbildung im Glaskörper nach einer ganz chronisch verlaufenen, eiterigen Chorioiditis oder einem kleinen Abszeß. Solche Chorioiditiden pflegen sich bei Kindern zuweilen an akute Infektionserkrankungen, Masern, Scharlach, Typhus etc. anzu- schließen, ferner treten sie wohl nach Meningitis auf. In anderen Fällen von Pseudogliom hat man Tuberkulose der Aderhaut oder Gewebsmassen fötalen Ursprungs als Ursache des gelben Scheines aus der Tiefe des Auges mikroskopisch nachgewiesen. Fig. 398. Gliomaretinae; mikroskopischer Schnitt durch einen Geschwulstknoten, Färbung mit Hä- matoxylin. a Gefäß, quer; a1 längsgetroffen; 6 Zellmantel um die Gefäße; c abgestorbene Zellmassen; d verfettete Herde. 542 Greeff, Oft ist die Entscheidung sehr schwer oder fast unmöglich. Zu beachten ist, daß meist bei echtem Gliom der Druck des Bulbus normal oder leicht erhöht ist, oder die Bulbuswände durch den erhöhten Druck ausgedehnt sind, während beim Pseudogliom der Druck meist herabgesetzt ist. Ferner ist auch das Alter zu berücksichtigen. Das Gliom wird nur in den ersten Lebensjahren (meist 1.—3.) gefunden, mit 5 oder mehr Jahren ist der Diagnose schon sehr zu mißtrauen, das Pseudogliom entwickelt sich meist erst später. In wirklich zweifelhaft bleibenden Fällen wird man das Un- günstigere annehmen und das doch schon erblindete Auge lieber opfern als das Leben auf das Spiel zu setzen. Die Therapie hat in der möglichst frühzeitigen Enu- kleation des betroffenen Auges zu bestehen. Im Stadium des amaurotischen Katzenauges ist dann Heilung zu erhoffen, wenn sie auch absolut nicht sicher zu erwarten steht Schon unmerklich kann der Sehnerv ergriffen, und damit der Keim zur Dissemination und zu Rezidiven gegeben sein. Jedenfalls empfiehlt es sich bei der Enukleation ein möglichst großes Stück Sehnerv mit zu exstirpieren. In späteren Stadien ist quoad vitam alles Operieren umsonst. Die Krankheiten des Sehnerven (Nervus opticus) und der Sehhahn. Von Professor Dr. R. Greeff, Berlin. Normale Anatomie. Der Sehnerv unterscheidet sich mit dem Nervus olfactorius dadurch von allen übrigen Gehirnnerven, daß er nicht eigentlich zu den peripheren Nerven gehört, sondern ein vorgestülpter Teil der weißen Hirnsubstanz ist, wie auch die Retina ein echtes nervöses Zentrum des Gehirns ist, das nur in die Periphere vorgeschoben ist. Es geht das schon aus der Tatsache hervor, daß die Neuro- glia des Zentralner- vensystems sich nicht nur in den Wurzeln der Nerven findet, sondern sich unverändert bis in die weiteste Peripherie verfolgen läßt. Es ist diese Tatsache für die Auffassung der Patho- logie dieser Gebilde von der größten Wichtig- keit. An dem Sehner- ven unterscheidet man die Scheiden und den Nerven stamm. Der Sehnerv ist von drei Scheiden um- geben,welche die direkte Fortsetzung der drei Ge- hirnhäute und deshalb am besten wie diese be- nannt werden; 1. die Dura; 2. die Arachnoi- dea; 3. die Pia (siehe den Querschnitt des Seh- nerven Fig. 399). Außen liegt lose um den Sehnerv herum die dicke sehnenfeste Duralscheide. Sie tritt an den Sehnerven erst vor dessen Durchtritt durch das Foramen opticum heran und bildet in diesem Foramen zu- Fig 399. Querschnitt durch den Sehnerven. Einige Millimeter hinter der Papille. (Nach einer photo- graphischen Aufnahme.) (Die Falte unten links ist ein Kunstprodukt, entstanden durch die Schrumpfun der Härtung des Gewebes.) bei 544 Greeff, gleich das Periost des Knochens. An der inneren Seite der Dura liegt ein zartes zellreiches Häutchen: die Arachnoidea, die zweite Scheide des Sehnerven. Als dritte, innerste Scheide, den Sehnerven fest umschließend uud ihn vom Ge- hirnaustritt bis in die Sklera begleitend, finden wir die Pia. Zwischen Dura und Pia zieht rings um den Sehnerv ein breiter Lymphraum der int er vaginale Raum. Dieser kommuniziert mit demsubduralenRaum des Gehirns und ist also mit Cerebrospinalflüssigkeit angefüllt. Er endet am Bulbus in der Sklera blindsack- artig (siehe Längsschnitt Fig. 400). Der intervaginale Raum wird durch die Aiachnoidea unvollständig in einen subduralen und einen subarachnoidalen Raum getrennt. Von der Dura durch diese Räume und durch die Arachnoidea hin ziehen bindegewebige Balken mit Gefäßen nach der Pia, radiär von außen nach innen laufend. Im Sehnervenstamm scheidet sich schon bei makroskopischer Betrachtung das bindegewebige Septenwerk scharf von den eingeschlossenen Nerven- bündeln. Alle Septen stammen aus der Pia und dringen von ihr aus in den Stamm ein. Die Septen bestehen aus dichtem fibrillärem Bindegewebe mit spär- lichen lang-spindelförmigen Kernen. Das Septenwerk führt außerdem die Gefäße mit sich, sowohl die zentralen zur Retina ziehenden, als die kleinen, welche zur Ernährung des Sehnervenstammes dienen. JL kg PÄD Fig. 400. Längsschnitt durch das Sehnervenende. (Linkes Auge). Der Sehnerv ist von drei Scheiden umgeben: D Dura, A Arachnoidea, PPia. Der dazwischen liegende intervaginale Lymphraum (J L) endigt blind im inneren Drittel der Sklera. — Zwischen den Bindegewebsbündeln, welche oben in die Sklera umbiegen, liegt der Sklero tikal-Gefäß r ing (Sg), der von den hinteren, kurzen Ziliararterien gespeist wird und zum Teil auch den Optikus mit Gefäßen versorgt. — In der Sklera sieht man Stückchen von Ziliargefäßen die zur Chorioidea hinziehen. — Der Seh nervenstamm wird von etwa zwanzig längs ver laufend enBindege web ssepten durchzogen, welche vielfach durch Quersepten miteinander verbunden sind. — Nach einwärts von der Pia liegen die schmalen Räume des Neurogliamantels des Sehnervenstammes (ng). — In der Lamina cribrosa unterscheidet man einen hinteren, von der Sklera ab- stammenden, und einen vorderen, von der Chorioidea gelieferten Abschnitt. —' Die Nervenfasern biegen auf der nasalen Papillenseite (n) reichlicher in die Retina um als auf der temporalen (t). — ÄRetina; — CA Chorioidea; »SV Sklera. Innerhalb der Septen findet sich nur Nervensubstanz und zwar Nerven- fasern und Neuroglia. Die Nervenbündel sind alle aus einer großen Anzahl feiner Nervenfasern zusammengesetzt, welche ganz denselben Charakter wie die meisten Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 545 Nervenfasern überhaupt besitzen, d. h. sie bestehen aus feinen Achsenzylindern, welche mit dünnen Myelinscheiden umgeben sind. Den Fasern fehlt die Schwannsche Scheide, d. h. eine umhüllende, kernhaltige, elastische Membran; auf das Mark' folgt gleich die umhüllende Neuroglia. Das Kaliber der Nerven- fasern schwankt ganz außerordentlich. Man sieht dicke Nervenfasern von etwa 5—10 fi Durchmesser regellos zwischen viel dünneren verlaufen. Man ist der Ansicht, daß die feinen Nervenfasern die eigentlichen Sehbahnen darstellen, welche die Überleitung der zum Bewußtsein kommenden Seheindrücke besorgen, während die anderen, widerstandsfähigeren dem unbewußten Sehen dienen, welches sich in dem Zustandekommen des Pupillenspiels äußert. Gefäße. In wechselnder Entfernung hinter dem Bulbus (10—20 mm) treten von unten und etwas nach innen her die zentralen Gefäße schief in den Sehnerven ein und verlaufen ungefähr in der Mitte des Sehnervenstammes in einen dicken bindewebigen Strang eingehüllt, der zum Septenwerk gehört, hin an die Oberfläche der Papilla nervi optici, wo sie in die Gefäße der Retina zerfallen. Die Arteria centralis stammt aus der Art. ophthalmica (diese aus der Carotis interna); die Vena centralis läuft entweder in die V. ophthalmica superior und mit dieser oder direkt zum Sinus cavernosus. Die Zentralgefäße geben in ihrem Verlauf zahlreiche Zweige ab, die im Septenwerk verlaufen. Im übrigen wird der Sehnerv durch Gefäße ernährt, die von der Pia her mit dem Septenwerk in den Stamm eintreten. Im Verlauf des Sehnerven kann man von der Gehirnbasis anfangend folgende Abschnitte unterscheiden: I. die Sehnervenwurzeln, II. den Tractus opticus, III. das Chiasma nervorum opticorum, IV. den intrakraniellen Teil des Sehnerven. V. den intrakanalikulären Teil, VI. den intraorbitalen Teil, a) vor dem Eintritt der Zentralgefäße, b) nach dem Eintritt der Zentralgefäße, VII. den inlrabulbären Teil. Wir sehen makroskopisch den Sehnerv an der Basis des Gehirns mit zwei gesonderten Wurzeln aus dem Corpus geniculatum laterale entspringen. Diese vereinigen sich bald zu einem gemeinschaftlichen platten Strange, den wir Tractus opticus nennen. Die beiden Traktus ziehen um die Großhirnschenke] herum und konvergierend nach dem Tuber cinereum hin. Auf diesem liegend ver- einigen sie sich dicht vor dem Infundibulum zu dem Chiasma, in welchem eine dichte Verflechtung der Sehneivenfasern von beiden Seiten her stattfindet. Als runde Stränge verlassen die Fasern nun divergierend das Chiasma, und von hier ab beginnen die eigentlichen Sehnerven. Ein kurzes Stückchen des Seh- nerven verläuft noch intrakraniell, dann tritt der Sehnerv durch das Foramen opticum (intrakanalikulärer Teil) in die Orbita. Das Chiasma liegt im Sulcus opticus des Siebbeinkörpers also unmittelbar vor dem Infundibulum und über der Hypophysis cerebri. Von der intraorbitalen Öffnung des Foramen opticum ab zieht der Sehnerv in S-förmigem Bogen zum Bulbus, in den er etwa 21/«—3 mm nach innen und '/*—1 mm nach unten vom hinteren Pole des Bulbus eintritt. Das intraorbitale Stück gliedert sich naturgemäß in zwei verschiedene Ab- schnitte dadurch, daß der obere Abschnitt ohne zentrale Gefäße ist, in dem unteren Abschnitte Vene und Arterie zentral verlaufen. Schließlich haben wir das intraokulare Stück des Sehnerven. Wenn der Sehnerv in den Bulbus eintritt, so behält er eine Strecke weit noch seine frühere Struktur bei, er ist eben soweit auch noch von dem intervaginalen Lymphraume umgeben. Bei Beginn des inneren Drittels der Sklera hört der letztere jedoch auf, und darüber hinweg ziehen die Fasern der Sklera durch den Lehrbuch der Augenheilkunde. 35 546 Greeff, Camp. oc. sin. Camp. oc. dexi Rechter Seh* Die. duerschnü' entsp rechen den Sc 1-5 des Schem n.ont. üncrscbi hinter dem r.Bid n. o. zw ischen dem. r i Lt. Chiasma rt.opt. vor dem Chi Linker Ofit rechter ■ linker rechter Chiasma, Fig. 401. Verlauf der Seh bahnen. Die der rechten (roten) Hemisphäre angehörigen Sehfasern versorgen infolge der Semidecussation die beiden rechten Netzhaut- hälften, die der linken (blauen) Hemisphäre die beiden linken Netzhauthälften. Die im Chiasma sich kreuzenden Bündel versorgen jederseits die innere Netz- hauthälfte bezw. die temporale (äußere) des Gesichtsfeldes. r. Tractus opixü Lage des papillo-makuläi Faserbündels (« in den Sehbahnei Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 547 Sehnerven hindurch als Lamina cribrosa. Vor der Lamina cri- brosa verlieren die Sehnerven- fasern ihre Markscheiden und laufen als nackte durchsichtige Achsenzylinder, um bald in die Ebene der Retina umzubiegen. Faserverlauf im Seh- nerven. Die Sehnervenfasern sind zumeist lange Achsenzylinder, die von den Ganglienzellen in der Ganglienzellenschicht der Re- tina ausgehen. Sie verlaufen dann zuerst in der Nervenfaserschicht der Retina zur Papille, biegen dann rechtwinklig um in den Seh- nerv, durchdringen das Chiasma nervorum opticorum und endigen erst in den großen Ganglienhaufen im Gehirn nahe der Basis, den sogenannten primären optischen Ganglien. Wir nennen sie die zentripetal leitenden Ner- venfasern. Andererseits finden sich in geringer Zahl Achsenzylinder im Sehnerven, welche in umgekehrter Richtung leiten. Sie gehen aus von Ganglienzellen in den pri- mären optischen Ganglien des Gehirns, verlaufen durch den Seh- nerv nach abwärts und endigen erst in der inneren plexiformen und inneren Körnerschicht der Retina. Es sind diese also zen- trifugal leitende Sehner- venfasern. Die S e midecussatio im Chiasma: Im Chiasma findet keine vollständige, sondern nur eine teilweise Kreuzung der Seh- nervenfasern statt — eine S e m i - decussatio. Kommissuren im Chi- asma. Im Chiasma liegen noch Faserzüge, die nichts mit den Seh- nervenfasern zu tun haben, son- dern Kommissuren (Verbindungs- fasern) zwischen den Gehirn- hemisphären bilden. (Gudden- sche Kommissur, Meynertsche Kommissur. Die Sehnerven im Gehirn. Wir haben gesehen, daß die Sehnerven an der Basis des Gehirns aus dem Corpus geni- Fig. 402. Schema des Verlaufes der Sehnerven- fasern von den Stäbchen und Zapfen bis in das Corpus geniculatum. ^.Retina; A.N. opticus; C. Corp. geniculatum; a Zapfen; b Stäbchen; c bipolare Zellen; d innere Körnerzelle, um- sponnen von den Endfasern einer zentrifugalen Nerven- faser; e Ganglienzelle; /'zentripetale Nervenfasern, die aus den Ganglienzellen in der Retina entspringen; ;/ zentrifugale Nervenfaser, die aus einer (ianglienzelle in dem Corpus geniculatum entspringt; h Ganglien- zellen im Corpus geniculatum, welche ihren Achsen- zylinderfortsatz zur Hinterhauptsrinde entsenden. 35* 548 Greeff, culatum entspringen. Die mikroskopische Untersuchung, die Krankenbeobach- tungen bei aufsteigender Degeneration, sowie das Experiment lehren uns je- doch, daß die Sehnervenfasern nicht nur in den äußeren Kniehöcker (Corpus geniculatum externum) eintreten, sondern auch in das Polster der Sehhügel (Pulvinar thalami optici) und in das vordere Vierhügelpaar (Corpus bigeminum anterius). Wir nennen diese drei Zentren die primären Optikusganglien. In diesen Gan- glienhaufen finden die von den Ganglienzellen der Ganglienzellenschicht in der Netzhaut herkommenden Sehnervenfasern ihr vorläufiges Ende. Sie splittern sich hier in feine baumförmige Fasern auf, die wir Endbäumchen nennen. Diese treten jedoch wieder in Verbindung mit den hier liegenden Ganglienzellen, die nun wieder neue Achsenzylinder zentralwärts aussenden, welche zum hinteren Drittel der inneren Kapsel und von da, sich fächerförmig ausbreitend, als Gratiolet- sche Sehstrahlung zur Rinde des Hinterhauptslappens, dem Cuneus, weiterziehen. Hier liegt das sog. sekundäre Optikusganglion, das psycho-optische Rindenfeld oder die Sehsphäre von Munk. Das S ehze ntrum oder sekundäre optische Ganglion liegt also auf beiden Seiten des Gehirns in der Rinde des H inter hauptslappens, dem sog. Cuneus. Die hier liegenden Ganglienzellen sind ebenso regelmäßig ange- ordnet wie die Endigungen der Fasern in den Stäbchen und Zapfen der Netz- haut, so daß benachbarte Rindenelemente benachbarten Retinaelementen ent- sprechen (Munk). In diesen Ganglienzellen werden die auf der Netzhaut empfangenen Eindrücke in Sinneswahrnehmungen umgesetzt. Diese genügen jedoch allein noch nicht zur völligen geistigen Auffassung eines Gegenstandes. Es genügt nicht, daß wir z. B. einen Stuhl in seiner ganzen Gestalt sehen und auffassen, wir müssen mit diesem Eindruck unsere Erfahrungen verbinden, was ein Stuhl ist, was er zu bedeuten hat etc. und Schlüsse daraus ziehen. Zu diesem Zweck gehen von den Ganglienzellen im Cuneus zahlreiche Nervenfasern zu den verschiedensten, entfernt liegenden Teilen des Gehirns hin, die das Sehzentrum in Verbindung setzen mit anderen höheren geistigen Zentren, sog. Assoziationsfasern (siehe Fig. 401, schwarze Fasern). Hierher gehört besonders der Fasciculus occipito-temporalis und der Fasciculus occipito-frontalis. Diese Assoziationsfasern setzen also das Sehzentrum, ein Sinneszentrum in Verbindung mit den großen Denkzentren im Gehirn (nach Flechsig). Diese Verbindungen gehören also mit zu einem vollständigen Sehakt. Die in den Gehirnzentren liegenden Ganglienzellen gehen durch den Seh- akt eine mehr oder weniger dauernde Veränderung ein (Gedächtnis), welche unter Umständen oder bei Wiederholungen so stark sind, daß wir uns später das Bild des Gesehenen geistig reproduzieren können (optische Erinnerungsbilder). Umge- kehrt können jedoch auch die hier zurückbleibenden Spuren einer Empfindung mit der Zeit durch animalische Vorgänge, durch Stoffwechsel Vorgänge verwischt werden. So entsteht das Vergessen. Wird bei einem Menschen nun eine bestimmte Stelle im Gehirn zerstört, so sieht er vielleicht noch ganz gut, ist auch geistig noch ganz normal, kann aber nichts mehr wiedererkennen, findet sich nicht mehr in seiner Wohnung, in seiner Straße zurecht. Man bezeichnet das mit Seelenblindheit. Die Er- innerungsbilder des Sehens sind verloren gegangen. Lokalisation von Sehstörungen in der Seilbahn. Eine Sehstörung kann entweder vor der lichtperzipierenden Schicht der Retina sitzen oder in dieser Schicht oder da- hinter in der Leitungsbahn. Im ersteren Falle handelt es sich um Trübungen in den brechen- den Medien des Auges, wie z. B. Hornhauttrübung oder Katarakt, die in mehr oder weniger ausgiebigem Maße den Lichteinfall zur Retina behindern, also ein optisches Hindernis. Dieses stellen wir leicht durch die Untersuchung des Auges fest. Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 549 Krankheiten des lichtperzipierenden Apparates, seien sie direkt bedingt, wie z. B. Netzhautablösung, oder indirekt, eine Atrophie der Retina durch mangelhafte Ernährung durch die Chorioidea, sehen wir mit dem Augenspiegel vor uns. Auch die Sehnervenerkrankungen, welche auf der Papilla nervi optici sichtbar sind, können ophthalmoskopisch erkannt werden. Die dahinter in der Sehbahn liegenden Erkrankungen sehen wir nicht. Sie können erkannt und lokalisiert werden hauptsächlich durch die Gesichtsfelduntersuchung (vgl. dazu das im vorigen § Ge- sagte und Figur 401). Liegt eine Erkrankung oder Verletzung in einem Sehnerv zwischen Netzhaut und Chiasma, so wird sie ihre Sehstörungen nur an einem Auge machen. Meist kann man mit dem Augenspiegel weiter loka- lisieren, ob die Erkrankung nahe hinter dem Bulbus liegt, in diesem Falle sind die zentralen Gefäße mitbetroffen (z. B. Schuß oder Stich durch die Schläfe in die Orbita), oder jenseits dieser Stelle, wobei Erblindung oder ein Gesichtsfelddefekt einseitig auftritt, ohne ophthalmoskopischen Befund (z. B. Schädelbasisfraktur, Sprung durch das Foramen opticum mit teilweiser oder gänzlicher Abquetschung des Sehnerven). Vermöge der Semidecussatkm der Sehfasern im Chiasma werden Leitungsunterbrechungen im Chiasma und jenseits desselben in symme- trischer Weise auf beiden Augen Defekte setzen, wir meinen den Zustand Hemianopsie (vgl. auch S. 138 ff.). Denken wir uns durch das Chiasma einen sagittalen Schnitt von vorn nach hinten gelegt, so werden dadurch alle sich kreuzenden Fasern durchschnitten, während die sich nicht kreuzenden Fasern unbetroffen bleiben, da die sich kreuzenden Fasern die innere Xetz- hauthälfte versorgen, so werden nach dem Gesetz der Projektion beiderseits die äußeren oder temporalen Gesichtsfeldhälften ausfallen. Wir haben eine ungleichseitige oder hetoronyme temporale Hemi- anopsie vor uns. Diese wird beobachtet, wenn durch Entzündung (z. B. Lues basilaris) oder Tumoren (z. B. Exostosen der Sella turcica, Hypophysistumoren) das Chiasma in der Mittellinie zerstört wird, oder nur im vorderen oder hinteren Winkel. Fig. 403. Fig. 404. Heteronyme (temporale) Hemianopsie bei Chiasmaerkrankung. Liegt dagegen die Zerstörung in den beiden seitlichen Winkeln des Chiasmas, z. B. durch einen das Chiasma umwachsenden Tumor, so könnten beiderseits die sich nicht kreuzenden Fasern erdrückt werden. Diese versorgen die äußeren 550 Greeff, Netzhauthälften, die Defekte liegen also im Gesichtsfeld beiderseits in der nasalen Hälfte. Wir hätten also eine nasale Hemianopsie, die ebenso selbstverständlich wie die temporale eine ungleichseitige oder heteronyme ist. Eine solche nasale Hemianopsie spielt praktisch keine Rolle. Nehmen wir dagegen an, es würde der Traktus, z. B. der rechte durchtrennt, so würden beiderseits die rechten Netzhauthälften funk- tionsunfähig werden, nach dem Gesetz der Projektion also im Ge- sichtsfeld beiderseits die linken Hälften ausfallen. Wir hätten also eine gleichseitige (laterale oder homonyme) Hemianopsie vor uns und zwar eine linksseitige. Bei Durchtrennung des linken Trak- tus würde also eine rechtsseitige Hemianopsie erfolgen. Natürlich tritt dieselbe Sehstörung ein, wenn die Unterbrechung oder Zerstörung weiter zentralwärts in der Sehbahn oder im Cuneus selbst liegt. Fig. 405. Fig. 406. Rechtsseitige homonyme Hemianopsie nach Apoplexie in die linke innere Kapsel. (Makulares Gesichtsfeld.) Fig. 407. Fig. 408. Makulares Restgesichtsfeld nach doppelseitiger homonymer Hemianopsie. Bei der typischen homonymen Hemianopsie ist die Trennungs- linie zwischen den beiden Gesichtsfeldhälften, der sehenden und der erblindeten, meist nicht einfach vertikal, sondern am Fixier- punkt biegt sie um ein paar Grad in die erblindete Hälfte hinein, so daß also der Teil des Gesichtsfeldes, welcher der Fovea centralis entspricht, vollständig erhalten bleibt (Fig. 405 u. 406). Dies Erhaltenbleiben des Fixierpunktes tritt noch deutlicher bei beiderseitiger Hemianopsie hervor (wenn z. B. ein Patient erst auf der einen, dann auf der anderen Seite eine Apoplexia cerebri in der Sehbahn hat, vgl. Fig. 407 u. 408). Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 551 Ein solcher Patient ist nicht einfach blind, sondern er hat noch ein minimales Gesichtsfeld von ein paar Grad (cf. Fig. 407 u. 408), das genau dem Fixierpunkt, d. h. der Fovea centralis entspricht, mit voller Sehschärfe. Er verhält sich jedoch wie ein Blinder, da ihm mit diesem engsten Gesichtsfeld jede Orientierung im Raum fehlt und außerdem das Ortsgedächtnis geschwunden zu sein pflegt. Die Fovea centralis hat also noch eine besonsere zerebrale Fasernversorgung, die meist bei Zerstörung der zerebralen Sehbahn erhalten bleibt. temp. 9> 270 nas. las. zu* ■*> temp. 150 160 Fig. 409. Fig. 410. Linksseitige Quadrantenhemianopsie (Läsion im rechten Traktus). Eine Hemianopsie braucht übrigens nicht vollständig zu sein. Wir unterscheiden eine H. completa und incompleta (cf. Fig. 409 u. 410). [Natürlich gehören nicht hierher Fälle, bei denen infolge von beiderseitiger Sehnerv- oder Netzhauterkankung, (z. B. bei Atrophia n. opt. dorsuali oder bei Glaukom) in beiden Gesichtsfeldern ähnlich geformte Defekte auftreten.] Übersicht über die Entzündungen und Degenera- tionen im Sehnerven. 1. Neuritis nervi optici peripherica (Rötung. Ver- schwommensein der Grenzen der Papille; descendens z. B. bei Meningitis oder ascenders. Eventueller Folgezustand: neuri- tische Atrophie (partiell oder total). Stauungspapille (Symptom des gesteigerten Hirndruckes. Papille pilzförmig vorspringend. 2. Neuritis retrobulbaris, Erkrankungen des papillo- makulärenBündels (zentrales Skotom). Eventueller Folge- zustand: temporale Atrophie. 3. Einfache Sehnervenatrophie, besonders tabische oder primäre Degeneration (Progressive Atrophie). 4. Glaukomatöse Exkavation (Druckatrophie des Seh- nerven). 1. Neuritis nervi optici peripherica (vgl. Tafel IV, Fig. 1-4) (siehe ferner „Ophthalmoskopische Differentialdiagnose". Seite 68). Allgemeines. Eine Entzündung des Sehnerven entwickelt sich meist ans einer Entzündung der ihn umgebenden Häute, der Meningen, 552 Greeff, die, wie die des Gehirns sehr empfindlich sind. Das, was man gewöhn- lich eine Neuritis nervi optici nennt, ist deshalb eigentlich zunächst eine Perineuritis; den bindegewebigen Septen folgend, dringt dann später erst die Entzündung in den Sehnervenstamm ein. Die Entzündung des Sehnerven kann an jeder Stelle erfolgen, wir sehen sie jedoch erst mit dem Augenspiegel, wenn sie am Seh- nervenkopf erscheint. Das tut sie gewöhnlich sehr rasch, eine ein- mal irgend woher eingeleitete Perineuritis verbreitet sich meist rapide bis zur Papilla nervi optici. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Meningitis des Gehirns. Bei ihr sind die Scheiden des Sehnerven, die die unmittelbaren Fortsetzungen der Meningen sind, meist mit- beteiligt, und sehr bald sehen wir als ein wichtiges Symptom der bestehenden Meningitis mit dem Augenspiegel die Neuritis optica. Eine solche Neuritis, welche sich vom Gehirn her nach der Papilla n. opt. erstreckt, nennen wir eine deszendierende. Umgekehrt kann auch eine Entzündung des Auges nach hinten zu weiter kriechen, nach dem Sehnervenkopf und in den Sehnerv gelangen, eine aszen- dierende Neuritis. Die wesentlichen Grundlagen des ophthalmoskopischen Bildes der Neuritis nervi optici sind: Hyperämie, Trübung- und Schwellung. 1. Hyperämie. Bei jugendlichen Individuen ist die Hyperämie am sichtbarsten in den Netzhautvenen, welche erweitert und stark geschlängelt erscheinen, die Arterien sind gewöhnlich etwas enger als normal. Infolge einer stärkeren Füllung der sehr zahlreichen kleinen Gefäße des Optikus erscheint das Sehnervenende stärker gerötet und zeigt manchmal durch Beimischung eines bläulichen Farbentones eine eigentümliche lila Färbung, welche sich dann gewöhnlich bis in das Gebiet der Retina erstreckt. Es ist gar keine seltene Erscheinung, daß sich die Papille in ihrer Färbung kaum oder gar nicht mehr von der umgebenden Retina unterscheidet. Wir sind nicht imstande, mit dem Augenspiegel die zahlreichen feinen Ge- fäßchen zu sehen, welche im Sehnerven köpf verlaufen und dem ophthalmo- skopischen Bild einen mehr oder weniger roten Farbenton beimischen. Bei jugend- lichen Individien pflegt dieser rötliche Hauch über der Papille deutlicher sichtbar zu sein als bei älteren Individuen. Im übrigen ist zu bemerken, daß der Farbenton der Papille individuell recht verschieden ist. Man darf deshalb nicht allein aus der Farbe der Papille eine Hyperämie des Sehnervenkopfes diagnostizieren, wenn nicht unter unseren Augen eine Zunahme der normalen Röte eingetreten ist. Handelt es sich um einen lokalen Prozeß, so ist die Vergleichung mit der Papille des anderen Auges von Wert, da unter normalen Verhältnissen beide Papillen gleich aussehen und Abweichungen in der Farbe oder dem Füllungsgrad der Gefäße eines Auges als pathologisch betrachtet werden dürfen. 2. Trübung. Die Trübung der Gewebe im Nerven und der angrenzenden Retina bewirkt, daß alle tiefer gelegenen Teile, die Begrenzungslinien der Papille, die Lamina cribrosa und einzelne tiefer eingebettete Windungen der Netzhautgefäße verschleiert erscheinen oder ganz unsichtbar werden. Es beginnt diese Trübung oft zirkum- skript und verdeckt die Papillengrenzen meist zuerst nach innen zu, um dann allmählich fortzuschreiten und die ganze Papille rund zu umgeben (die Grenzen erscheinen „verwaschen"). Oftmals ist dann die radiäre Ausstrahlung der Optikusfasern auf der Papille deutlich als eine zarte radiäre helle Streifung sichtbar. Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 553 3. Die Schwellung des Sehnerven kommt dadurch zustande, daß ein seröser Erguß im Sehnerv und in den einzelnen Schichten der Retina, besonders in der Nervenfaser Schicht zu einer Auf- lockerung führt. Nicht bei jeder Neuritis, d. h. zirkumskripter Entzündung des Sehnerven- kopfes ist jedoch eine ohneweiteres in die Augen fallende Schwellung und Er- hebung der Papille ophthalmoskopisch erkennbar. Das kennzeichnet vielmehr eine besondere Form der Neuritis, die Stauungspapille (cf. S. 555). Kommt es bei Neuritis optica zu einem ausgebreiteten serösen Erguß, so erstreckt sich die Schwellung in die umgebende Retina hinein, ohne scharf ab- gegrenzt zu sein. Überhaupt läßt sich also keine absolut scharfe Grenze zwischen den Er- krankungen des Sehnervenkopfes und der Retina ziehen, da sowohl die Sehnerven- fasern als die Gefäße unmittelbar und ohne Grenze aus dem Sehnerv in die Re- tina übergehen. Als Neuritis trennt man jedoch diejenigen Fälle ab, in welchen die ophthalmoskopischen Veränderungen sich auf die Eintrittsstell e der Seh- nerven beschränken; von N eur oretinitis resp. Re tinitis spricht man, wenn der entzündliche Prozeß sich jedoch noch weit in die umgebende Reti na hinein erstreckt. Diese letzteren Bilder gehören meist zu den Netzhauterkrankungen und sind auch ätiologisch wie diese zu beurteilen. Die subjektiven Symptome bestehen in Sehstörungen als Herabsetzung des Sehvermögens in verschiedenem Grad, bis zur Er- blindung, Flimmern, Lichtscheu, Ermüdbarkeit, Kopfschmerzen. Die Dauer der Krankheit erstreckt sich meist über Monate. Danach kann entweder nach Ablauf der Entzündungen das Sehver- mögen wieder auf den Status quo ante sich heben, d. h. alle Seh- nervenfasern erholen sich und erhalten ihre Leitungsfähigkeit oder, was häufiger ist, mehr oder weniger, oder alle Sehnervenfasern sind zugrunde gegangen, der Zustand ist in eine partielle oder totale ent- zündliche Atrophia n. opt. übergegangen (siehe diese). Ätiologie. Alle Kranken mit Neuritis optici, be- sonders einer doppelseitigen, müssen uns in erster Linie den Verdacht einer zerebralen Krankheit erwecken, an zweiter Stelle sind Infektionskrankheiten und sonstige toxische Einflüsse zu erwägen. Am häufigsten findet sich Menin- gitis in allen ihren Formen und andere entzündliche Gehirnkrank- heiten als Ursache der Neuritis n. opt. Die Entzündung wird längs den Meningen bis zum Sehnervenende fortgeleitet (deszendierend). Am leichtesten geschieht dies, wenn die Meningitis an der Basis cranii (syphilitisch, tuberkulös, epidemisch, otitisch etc.) sitzt. Die Syphilis ist oft Ursache der Neuritis, entweder wird der Sehnerv direkt von der syphilitschen Erkrankung befallen, oder die Entzündung wird von der Umgebung (Entzündung, syph. Geschwülste in der Orbita oder in der Schädelhöhle) auf dem Sehnerven über- geleitet. Der Sehnerv reagiert gelegentlich auf akute fieberhafte Infek- tionskrankheiten und Ernährungsstörungen. So ist Neuritis n. opt. nicht selten bei den akuten Exanthemen, wie bei Masern. Scharlach. Blattern etc., ferner bei Influenza. Pneumonie, Typhus, Keuchhusten etc. (Neuritis infectiosa genannt). Wir finden sie ferner bei Albumi- nurie, Diabetes und Tuberkulose. Bei Frauen tritt sie zuweilen auf im Anschluß an Menstruationsstörungen, Schwangerschaft, Laktation. Die Krankheitsprodukte können direkt auf den Sehnerven einwirken, 554 Greeff, es kommen aber auch bakterielle Embolien und Metastasen im Sehnerv zustande (z. B. bei Sepsis). Ferner findet sich diese Form der Neuritis n. optici bei nur einigen ganz bestimmten Vergiftungen, so durch Blei, Salizylsäure, Chinin und Filix mas und Atoxyl (Neuritis toxica), während die meisten chronischen Vergiftungen ebenso regelmäßig Erkrankungen des papillo- makulären Bündels machen (siehe p. 559 ff.). In aufsteigendem Sinne kann der Sehnerv sich entzünden bei Entzündungen oder septischen Wunden in der Peripherie der Netz- haut oder des Tractus uvealis. Die Behandlung wird sich in erster Linie gegen das Grund- leiden zu richten haben. Lokal ist bei dem sehr ernst aufzufassenden Leiden absolute Schonung der Augen anzuordnen (dunkle Schutzbrille, Augenschirm, Aufenthalt im Dunklen, jedenfalls Schutz vor grellem Licht, Aufgabe der Arbeit) Blutentziehungen an der Schläfe oder am Processus mastoideus, Jodkali, Quecksilberkuren und Schwitzkuren. Neuritische Atrophie (Tafel IV, Fig. 4). Wenn die Neuritis optica nicht zurückgeht, so tritt die neuri- tische Atrophie des Sehnerven als Folgezustand eines abgelaufenen heftigen Entzündungsprozesses im Sehnervenstamm (Neuritis, Neuro- retinitis, Stauungspapille) auf. Die der Neuritis folgende Atrophie kann total oder partiell sein, sie kann auch ganz ausbleiben (siehe oben), je nach dem Grad und der Dauer der Entzündung des Seh- nerven. Die Papille sieht nach Ablauf der entzündlichen Erscheinungen weiß oder bläulich-weiß aus, meist hat sie aber einen mehr schmutzig-grauen Farbenton und das Gewebe (cf. Tafel IV, Fig. 4), das bei der primären Atrophie rein und durchschimmernd aussieht, erscheint mehr trübe. Die Grenzen der Papille er- scheinen undeutlich und unregelmäßig. Die Gefäße, besonders die Arterien, sind mehr oder weniger verdünnt. Nicht selten kann man an ihnen noch die Spuren der ab- gelaufenen Entzündung wahrnehmen. Oft zeigen sich die Wandungen stellenweise verdickt, weiße Streifen oder Flecken begleiten die Wandungen oder verdecken sie. Es läßt sich also an einer solchen Atrophie noch nach vielen Jahren ein früherer entzündlicher Prozeß erkennen (häufig eine von Meningitis auf den Seh- nerven übergeleitete Neuritis). Die aszendierende Atrophie des Sehnerven sieht meist etwas anders aus. Wir sprechen von einer aszendierenden oder retinalen Atrophie, wenn die Sehnervenfasern durch langedauernde Retinitis oder Chorioiditis von der Peripherie der Retina hin nach dem Sehnerven zu aszendierend atrophisch werden (z. B. bei Retinitis pigmentosa, Ret. e lue hereditaria etc.). Es kann das geschehen, ohne daß sich an der Papille sichtbare Entzündungserscheinungen abspielen. Diese Atrophie unterscheidet sich oft schon durch die Farbe von anderen Formen. Die Papille sieht nicht so sehr bläulich-weiß als schmutzig-gelb, wachs- artig aus (daher auch oft wachsgelbe Atrophie genannt). Die Grenzen der Papille sind ringsum leicht verschwommen, die Gefäße meist fadendünn, oft so spärlich, daß man nur noch ein paar zarte Stämmchen von der Papille aus- gehen sieht (vgl. Tafel VII, Abb. 2). Eine eigentümliche Sehnervenatrophie, der eine Trübung der Papille vorauszugehen pflegt, tritt zuweilen nach starken Blutver- lusten ein, besonders nach Magenblutungen und Metrorrhagien. Die Erblindung durch Atrophia n. opt. tritt gewöhnlich erst einige Tage nach dem Blutverlust ein und ist meistens dauernd. Die Therapie kann sich nur gegen noch bestehende entzünd- liche Erscheinungen richten und einen eventuellen weiteren Zerfall Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 000 der Sehnervenfasern verhüten, eine einmal zerfallene Sehnervenfaser stellt sich nicht wieder her. Immerhin ist manchmal trotz auffälliger Weißfärbung der Papille noch ein leidliches Sehvermögen zu er- reichen und man sollte deshalb auch in Fällen, die ophthalmoskopisch den Anblick einer vollständigen Atrophie machen, dieses Ziel zu er- reichen versuchen. Besonders Jodkalium, längere Zeit, auch in großen Dosen, und andere Jodpräparate, Galvanisierung kommen in Betracht. Von mancher Seite werden zur Anregung der noch vorhandenen Fasern Strychnininjektionen (0,001 in die Schläfenhaut) empfohlen. Quecksilber ist bei vorgeschrittener Atrophie im allgemeinen nicht ratsam. Stauungspapille. (Tafel IV, Fig. 1 und 2.) Eine besondere Form der „Neuritis opticiu und sehr charakte- ristische Erkrankung des Sehnervenkopfes kommt vor in Verbindung mit intrakrani eilen Erkrankungen, die raumbeengend in der knöchernen Schädelhöhle wirken, sie ist also ein Symptom des gesteigerten Hirndruckes, v. Graefe hat zuerst das ophthalmoskopische Bild derselben in allen seinen Einzelheiten vor- trefflich beschrieben und seinen Zusammenhang mit dem Vorhanden- sein einer Geschwulstbildung im Gehirn nachgewiesen. Das ophthalmoskopische Bild der Stauungspapille stellt sich folgender- maßen dar: Wir sehen die Papille pilzförmig geschwollen und sich steil aus der Umgebung erheben. Oft erheben sich die Ränder nicht nur steil, sondern sie sind überhängend, was man am besten an dem Unterkriechen und Ver- schwinden der Gefäße erkennt. In der Mitte der Erhebung ist dann entsprechend dem Ein- und Austritt der Gefäße, die der Schwellung der Papille einen Gegenzug entgegenstellen, wieder eine Einsenkung. Gleichzeitig ist das geschwollene Ge- webe schmutzig milchglasartig getrübt. Die Gefäße sieht man den steilen Hügel der Papille hinabsteigen; an dessen Basis sie mit einer scharfen Biegung in die Ebene der Retina übergehen. Häufig sind die Venen erweitert und stark ge- schlängelt, auf- und niedertauchend, so daß tiefliegende Strecken der Venen von dem getrübten Gewebe ganz zugedeckt sind. Entzündliche Erscheinungen können im Anfang ganz fehlen, es han- delt sich nur um ein Ödem des Sehnervenkopfes. Früher oder später kommen Entzündungen hinzu, man sieht dann die Beimischung eines ungewöhnlichen violetten Farbentones, streifige Ecchymosen und eine hellere feinere radiäre Streifung des Gewebes, entsprechend der Richtung des Nervenfaserverlaufes. Durch die parallaktische Verschiebung (s S. 58), wenn man das Konvexglas auf- und niederbewegt, sieht man die weiter vorn gelegenen (also geschwollenen) Partien sich über die Umgebung hinschieben. Die Schwellung der Papille ist genauer ophthalmoskopisch festzustellen auf die Weise, welche für die Bestimmung von Niveaudifferenzen im Augenhintergrund besprochen sind (s. S. 58). Man stellt im aufrechten Bild die Refraktion auf der Höhe der Papille und dann direkt neben der Papille fest. Die Refraktionsdifferenz zeigt die Höhe der Schwellung an. Ungefähr drei Dioptrien Differenz entsprechen einem Millimeter Schwellung. Die subjektiven Beschwerden von seifen der Augen können im Anfang sehr gering sein oder ganz fehlen, so lange noch keine erheb- lichen entzündlichen Erscheinungen zu der Schwellung hinzugekommen sind. Nur über Flimmern, Lichtscheu, Mangel an Ausdauer beim Sehen und zeitweilige Obscurationen wird geklagt (letztere bedingt dadurch, daß die infolge der Schwellung komprimierten Zentralgefäße 55G Greeff, vorübergehend kollabieren resp. sich zusammenziehen). Man findet nicht selten eine erhebliche Stauungspapille bei voller Sehschärfe und freiem Gesichtsfeld. [Nur der „blinde Fleck" erweist sich bei genauer Prüfung als vergrößert infolge der Verbreiterung der Papille.] (Fig. 411.) Man sollte deshalb nicht versäumen, bei jedem Verdacht auf zerebrale Er- krankung auch ohne Klagen von Seiten der Augen den Augen- hintergrund ophthalmoskopisch Fig. 411. Vergrößerung des blinden Flecks zu untersuchen! bei Stauungs-Papille. Fig. 412. A. Querschnitt durch eine Stauungspapille. Die Papille ist stark nach der Glaskörperseite hin vorgetrieben und verbreitert, die Lamina cribrosa nach vorne zu konvex, der intervaginale Lymphraum ist ausgedehnt. B. Querschnitt durch die Papille mit tiefer glaukomatöser Ex- kavation. Die Lamina cribrosa ist nach hinten zu konvex. Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 557 Theorie der Stauungspapille. v Graefe faßte die Stauungspapille als ein Symptom des gesteigerten Hirndruckes auf. Er nahm an , daß die Stauungspapille durch Kompression des Sinus cavernosus entstehe, doch mußte diese Ansicht aufgegeben werden nach- dem S esemann nachgewiesen hatte, daß der Abfluß aus der Vena ophthalmica größtenteils gar nicht dorthin, sondern nach der Vena facialis posterior stattfindet Gegenwärtig bestehen hauptsächlich zwei Theorien über die Entstehung der Stauungspapille 1. die Manz-Schmidt-Rimplersehe rein mechanische Trans- porttheorie und 2. die Leb ersehe Entzündungstheorie. Die erste Theorie fußt auf der Entdeckung Schwalbes, daß die Gehirn- haute und die zwischen ihnen liegenden Häute sich bis zum Sehnervenende fort- setzen. Es muß nun ein erhöhter Druck im Schädel sich nach den Gesetzen der Mechanik nach allen Seiten hin gleichmäßig fortpflanzen, also auch bis an die Papille gelangen. So findet man dann hier die zwei großen Veränderungen a) die Lymphräume zwischen den Seh- nervenscheiden stark erweitert — den Hydrops vaginae nervi optici und b) die Schwellung der Papille (cf. Fig. 412 und Fig. 413). Letztere kommt dadurch zustande, daß infolge der Flüssigkeitsansammlung im Zwischen- scheidenraume auch eine Lymphstauung im Sehnervenstamme selbst entsteht. Dieser drückt ferner auf die Zentral- gefäße im Sehnerv, stärker an der dün- neren Vene, als an der dickwandigen Fi§' 413- Hydrops vaginae nervi optici Arterie, so daß der venöse Abfluß sehr bei Stauungspapille. (Nach Pagen- behindert ist. Die venöse Stauung macht Stecher und Genth.) die Schwellung und das Ödem. Die Stauungspapille ist somit ein indirektes Hirnsymptom bedingt durch Blut- und Flüssigkeitsstauung. Auch experimentell ist diese Annahme vielfach gestützt. Wurde bei Kaninchen Kochsalzlösung unter konstantem Druck durch eine Trepanationsöffnung in die Subarachnoidealräume des Gehirns eingespritzt und der Druck auf 40—60 mm Hg gesteigert, so zeigte sich der Boden der Papille vorgetrieben, die Retin alarterien wurden feiner, die Retinal venen dagegen schwollen an, wurden dunkler, blutreicher und ihre Krümmungen mehr und mehr ausge- prägt. Wurde der Druck noch mehr erhöht, bis zu 140 mm Hg, so waren die ge- nannten Erscheinungen noch stärker vorhanden; besonders auffallend war die schmale Beschaffenheit der Arterien. Die Zirkulationsstörungen verschwanden nicht gleich beim Aufhören der Drucksteigerung, wenn ein mäßiger Druck längere Zeit (1 V2 bis 4 Stunden) ausgeübt worden war. Nach Leber u. a. unterscheidet sich die Stauungspapille nur quantitativ von der einfachen Neuritis descendens. Sie ist eine Neuritis mit ungewöhnlicher Schwellung des Kopfes des Sehnerven. Die Produkte der Entzündung wirken im Intervaginalraum als Entzündungsreiz und verursachen so den Hydrops vaginae und die Schwellung der Papille. In neuerer Zeit mehren sich jedenfalls Beobachtungen, nach denen sich die rein mechanische Entstehung der Stauungspapille nicht mehr aufrecht erhalten läßt. Es scheint sich so zu verhalten, daß wohl der Stauung der Cerebrospinal- flüssigkeit eine wichtige Rolle zufällt, daß entzündliche Reize aber mitwirken. Jedenfalls ist klinisch wohl zu unterscheiden das Bild der einfachen des- zendierenden Neuritis mit starker Rötung und Verschwommensein der Grenzen, oft ohne jede Schwellung und das Bild der pilzförmig geschwollenen Papille, zunächst oft ohne sonstige entzündliche Erscheinungen. Die typische Stauungspapille ist eines der sichersten Symptome eines Tumor cerebri. Aber nicht bei jedem Tumor cerebri ist sie 558 Greeff, vorhanden. Die Größe des Tumors ist für die intrakranielle Druck- steigerung und damit das Vorkommen der Stauungspapille nicht maßgebend, sie ist bei ganz kleinen Tumoren gefunden worden und kann bei viel größeren fehlen. Eher ist noch der Sitz des Tumors von Einfluß. Am häufigsten tritt sie bei Tumoren der hinteren Schädelgrube und des Kleinhirns auf (sie ist dann meist beider- seitig und gleichartig auf beiden Augen), während sie seltener bei Tumoren an der Basis cranii gefunden wird. Bei Hirnabszeß ist die Stauungspapille selten, es liegt das wohl daran, daß bei einem Abszeß Hirnmasse zerfällt und deshalb nicht eine solche Raum- behinderung stattfindet, wie bei einem Tumor, infolgedessen auch der Hirndruck bei Abszeß meist nicht erhöht ist. Bei Hirnlues, wenn sich tumorartige gummöse Massen gebildet haben, welche raumbeengend wirken, kann auch eine Stauungspapille auftreten. Bei Hydrocephalus internus und Meningitis serosa ist die Stauungspapille ebenfalls häufig. Man kann sich diese Tatsachen vielleicht so erklären, daß in der hinteren Schädelgrube das Tentorium cerebelli den Raum beengt und wenig nachgiebig ist- Dadurch kommt es leicht zu Kompression des Aquaeductus Silva oder der Vena magna und zu Stauungen des Liquor cerebrospinalis in den vorderen Hirnven- trikeln. Basale Tumoren dagegen können direkt die Einmündung des Zwischen- scheidenraumes der Sehnerven in die Schädelhöhle verlegen und so das Eindringen der Cerebrospinalflüssigkeit in denselben direkt verhindern. Drückt hier ein Tumor direkt auf die Sehnerven, so kann eine einfache deszendierende Atrophia n. opt. entstehen (Druckatrophie ohne Entzündung und ohne Schwellung). Bei Ohrerkrankungen, besonders bei otitischen intrakraniellen Kom- plikationen sind Veränderungen der Papille sehr häufig. Diese können zweierlei Art sein, entweder sie entstehen durch Fortleitung einer Entzündung auf den Sehnervenkopf, wir finden dann aktive Hyperämie und spätere Neuritis, die sich fast stets auf den Sehnervenkopf begrenzt und keine oder minimale Schwellung verursacht. Sie ist wichtig, weil sie meningitische Reizung und in fortgeschrittenem Stadium Meningitis (besonders an der Schädelbasis) anzeigt. Sehr selten entstehen die Veränderungen durch einen verhinderten Abfluß des venösen Blutes aus der Vena centralis (Thrombose der Vena centralis, Sinusthrombose). Es entsteht passive Hyperämie, zu welcher Trübung des Gewebes und oft ein seröser Erguß in den Papillenkopf und die umgebende Retina mit mehr oder weniger Schwel- lung hinzutreten kann (Neuroietinitis). Auch typische Stauungspapille kann durch Ohrerkrankungen verursacht werden. Die Therapie der Stauungspapille muß sich natürlich, wenn möglich, in erster Linie gegen das zugrunde liegende Leiden richten. Am erfolgreichsten ist die Therapie bei den nicht seltenen gummösen Geschwülsten, die Quecksilber und Jodkali oft sehr rasch zum Rückgang bringen. Man soll deshalb jeden Kranken mit Tumor- symptomen resp. Stauungspapille zunächst mit Hg-JK behandeln. Ist eine Lokalisation eines malignen Tumors möglich, so ist die chirurgische Entfernung anzustreben. Auch kann, selbst wenn die lokale Diagnose unsicher ist, allein im Interesse der Erhaltung des Sehvermögens schon eine palliative Trepanation des Schädels indiziert sein, am besten unter dem Musculus temporalis oder am Hinterkopfe. Es ist dabei unbedingt für sofortigen dichten Schluß der Hautwunde zu sorgen, damit der spätere Hirnprolaps, der als Ventil wirkt, subkutan bleibt. Man sieht oft danach sofort die Schwellung der Papille zurückgehen und das Sehvermögen sich heben. Es kann auf diese Weise auch den unheilbaren Fällen wenig- Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 559 stens das Sehen bis zum Tode erhalten bleiben. Doch darf die Trepanation nicht zu lange verschoben werden; im Stadium der Atrophie kommt man zu spät! Daß das auch bei Erkrankungen des inneren Ohres nach Aufmeißelung des Felsenbeines geschehen kann, ist schon oben gesagt worden. Anstatt der Trepanation ist auch die Quincke sehe Punktion des Cerebro- spinalsackes unterhalb des zweiten bis vierten Lendenwirbels gemacht worden. Das Verfahren ist nicht gefahrlos, es kann zwar in einzelnen Fällen nützen und einen Rückgang der Stauungspapille bewirken, doch kann auch ein sofortiger Exitus danach auftreten. 2. Neuritis retrobulbaris. Erkrankungen des papillo-makulären Bündels. Temporale Abblassung- oder Atrophie. (Taf. IV, Fig. 6.) Es gibt eine Anzahl von Allgemeinerkrankungen, welche die Sehnerven in bestimmter Weise in Mitleidenschaft ziehen und zwar nicht in der Art, daß wie bei der einfachen Neuritis von den um- gebenden Häuten und der Peripherie die Entzündung in den Stamm des Sehnerven hineinkriecht, sondern daß direkt ein bestimmter Strang im Sehnervenstamm erkrankt. Wir kennen das Bündel heute sehr genau, es ist zwar im normalen Sehnerv nicht mar- kiert , tritt aber nach Degeneratio- nen scharf hervor. Dieses mächtige aus den zartesten Sehnervenfasern bestehende Bündel läuft hauptsächlich axial im Sehnerv um die zentralen Gefäße herum (da- her auch axiales Bündel genannt), um sich kurz vor der Papille tempo- ralwärts zu wenden und in der Netz- haut seine Fasern direkt zu der Ma- cula lutea zu sen- Fig. 414. Atrophischer Herd im papulo-makulären Bündel den. Wir nennen des Sehnerven. es deshalb das pa- pillo-makuläre Bündel. Es besorgen also die Fasern des Bundeis das schärfste Sehen in der Mitte des Gesichtsfeldes. Die Lage dos Bündels ist in den verschiedenen Abschnitten des Sehnerven eine verschiedene und erhellt aus den auf S. 546 in Fig. 401 gegebenen Bildern 560 Greeff, Man muß sich jedoch das Bündel nicht als ein für sich abgeschlossenes im Sehnerv vorstellen. Es ist dies nur sozusagen der Strang, um den sich die Erkrankung in mehr oder weniger weiten Umfang angliedert, dem entsprechend kann das zentrale Skotom winzig sein, so z. B. zuweilen bei Diabetes oder so groß, daß es fast den ganzen Sehnerven einnimmt. Ja sogar es kann in wenigen Tagen einen solchen Grad erreichen, daß überhaupt jede Lichtempfindung er- loschen ist (akute retrobulbäre Neuritis). Immerhin sieht man beim Entstehen oder Abklingen der Sehstörung, daß sie von der Mitte des Gesichtsfeldes ausge- gangen ist. Symptome und Verlauf. Die Krankheit beginnt meist plötz- lich und oft beiderseitig a tempo mit einem relativen zen- tralen Farbenskotom und zwar für rot und grün (d.h. ein inselförmiger Ausfall im Gesichtsfeld, entsprechend der Stelle des Fig. 415. Fig. 416. Zentrales Farbenskotom für rot und grün, beiderseits, bei Intoxikationsamblyopie. Fig. 417. Fig. 418. Zentrale Skotome für alle Farben bei disseminierter Sklerose. Sehens mit der Macula lutea und Fovea centralis) bei freier Peri- pherie (cf. Fig. 415, 416). Infolgedessen haben die Kranken zwar einen freien Umblick und freie Orientierung, sie sehen und bemerken alles, aber sie sehen es nicht deutlich in seinen Einzelheiten. Diese er- hebliche Sehstörung führt den Patienten zum Arzt. Es können zwar noch große Buchstaben erkannt werden, ein fließendes Lesen ist aber unmöglich geworden. Im Gesichtsfeld sind die Außengrenzen normal, im Zentrum erscheint aber das weiße Textobjekt grau oder verwaschen. Ausschlaggebend ist die Untersuchung mit Farben, grün und rot (am besten in Form von 1 qcm großen Kärtchen vorgehalten) werden zentral nicht mehr erkannt, sie erscheinen nur schmutzig grau, Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 561 während sie peripherer im Gesichtsfeld gesehen werden. Die Form des Skotoms ist meist ein liegendes Oval. Geht der Prozeß weiter, so geht die anfangs noch erhaltene Farbenperzeption von Blau und Gelb zentral auch noch verloren, und es ist nun ein absolutes Skotom da. Während anfangs der Prozeß rückbildungsfähig ist, ohne Spuren zu hinterlassen, trifft das nach längerem Bestehen nicht mehr ein, die betroffenen Sehnervenfasern sind nicht mehr erholungsfähig, sondern sind atrophisch geworden. Das absolute Skotom bleibt dann das ganze Leben bestehen. Niemals entsteht aber daraus völlige Atrophie des Sehnerven mit völliger Erblindung, wenn sich nicht etwa eine progressive Degeneration noch als Komplikation hinzugesellt. Ophthalmoskopisch ist anfangs nichts abnormes zusehen, da die Erkrankung in diesem Bündel meist eine Strecke weit hinter dem Bulbus den Sehnerv befällt (der viel gebrauchte Name hierfür Neuritis retrobulbaris trifft aber nicht das Charakteristische, da jede Neuritis n. opt. retrobulbär beginnen kann, z. B. die in den Meningen verlaufende Neuritis descendens). Zuweilen sieht man jedoch mit dem Augenspiegel ein leichtes Verschwommensein der Papillengrenzen, besonders an der temporalen Seite. Geht der Prozeß in Atrophie des papillo-maculären Bündels über, so sieht man mit dem Augenspiegel auf der Papille den von den Fasern eingenommenen keilförmigen Bezirk (siehe oben Fig. 401, S. 546) blaß oder weiß, wie bei einfacher Sehnervenatrophie werden (temporale Atrophie oder Abblassung). (Tafel IV, Abb. 6.) Wir erinnern uns aber, daß die temporale Hälfte der Papille im normalen Zustand schon meist etwas blasser ist als die nasale. Es ist also auch hier mit dem Augenspiegel, wenigstens im Beginn, die Diagnose nicht immer mit Sicherheit zu stellen, es gehört dazu der Nachweis eines zentralen Farbenskotoms. Ätiologie. Zugrunde liegen der Krankheit meist chronische Intoxikationen, so besonders häufig mit Tabak und Alkohol, ferner gelegentlich mit Schwefelkohlenstoff (im Laboratorium oder in Kautschukfabriken), Arsen, Jodoform, Chloral, Strammonium bei Asthmatikern, die Strammoniumzigaretten rauchen, etc., ferner Autoin- toxikationen, namentlich nicht selten bei Diabetes, allgemeiner Karzinomatose etc. Der Name „Intoxikations-Amblyopie" ist aber nicht ohne weiteres für die ganze Gruppe zutreffend, da, wie wir gesehen haben, andere Vergiftungen wieder ganz andere Sehnervenerkrankungen machen, wie Chinin, Blei, Salizylsäure, Filix mas von der Peripherie aus- gehende einfache Neuritis. Überhaupt erfolgt die Einwirkung der einzelnen Gifte auf den Sehnerv in sehr verschiedener Weise. Es gibt ferner eine Nervenkrankheit, welche häufig und dann oft sehr frühe zu einer Erkrankung des papillo-maculären Bündels im Sehnerven führt, sowohl doppelseitig wie einseitig, das ist die mul- tiple Sklerose. Es handelt sich dabei im Sehnerven um dieselbe Affektion wie im Rückenmark und Gehirn, d. h. eine fleckförmige Degeneration. Der erste Degenerationsherd im Sehnerv setzt sich aber meist gerade in diesem aus besonders zarten Fasern bestehenden Bündel fest. Andere Herde im Sehnerven folgen später (fleckförmige Degeneration des Sehnerven). Man muß also bei zentralem Skotom 562 Greeff, beteiligt wenigen temp. auch auf multiple Sklerose untersuchen. Die Sehstörung kann sogar den anderen Symptomen vorausgehen (vgl. auch Abschnitt „Allgemein- erkrankungen und Auge"). Die Therapie muß rasch einsetzen. Schonung der Augen, dunkle Brille, Enthaltung von Alkohol und Tabak. Bei anderen Vergiftungen Vermeidung der Schädlichkeit, Abstinenz und Austreibung des Giftes aus dem Körper, so Schwitzbäder, Ableitung auf den Darm, Bewegung. Die Erkrankung kann sehr wohl in völlige Heilung übergehen, es muß dann die Schädlichkeit oder Grundkrankheit rasch gehoben werden. Am besten ist die Prognose bei den chronischen Vergiftungen, wenn die Behandlung rechtzeitig einsetzt. Nach längerem Bestehen gehen die betroffenen Fasern zugrunde. Doch führt die Krankheit fast nie zu völliger Erblindung, auch nicht bei der disseminierten Sklerose, weil die Achsenzylinder lange erhalten bleiben. Gegenüber diesen nicht seltenen Formen der chronischen Neuritis des papillo-maculären Bündels gibt es auch eine, allerdings viel seltenere akute Neuritis, an der sich dieses Bündel besonders stark (Neuritis retrobulbaris acuta genannt). Sie kann in Tagen oder Stunden ein oder beide Augen derartig be- fallen, daß jede Lichtempfindung erloschen ist. Wenn man je- doch bei solchen Fällen, die direkt mitten vor den Augen selbst ein intensives Licht nicht mehr sehen, die Peripherie des Gesichtsfeldes am Perimeter mit einem Licht ableuchtet, so zeigt sich zuweilen, daß noch an den Außengrenzen des Gesichtsfeldes ein schmales Streifchen Licht- empfindung erhalten geblieben ist. Diese Untersuchung, jeden- falls aber die Art des Rück- ganges der Sehstörung beweist, daß es sich um ein riesiges, ab- solutes, zentrales Skotom handelt, das ganz oder häufiger fast ganz die Außengrenzen des Gesichtsfeldes erreicht. Das Auftreten dieser Erkrankung wird meist von dumpfen oder heftigen Schmerzen im oder hinter dem Auge oder in der be- fallenen Kopfhälfte begleitet. Besonders bei Bewegungen des .Auges steigern sich die Schmerzen, ebenso bei Druck auf das Auge. Äußer- lich ist an dem Auge nichts zu bemerken, ophthalmoskopisch ist entweder nichts Abnormes an der Papilla nervi optici zu bemerken oder man sieht nur ein leichtes Verschwommensein der Grenzen. Die sichtbaren Gefäße können verengt sein. Der Entzündungsherd liegt eben meist eine Strecke weit hinter dem Sehnervenkopf. Der Verlauf der Erkrankung pflegt ein sehr langsamer zu sein, doch ist die Prognose meist leidlich günstig. In den seltensten Fällen bleibt die absolute Amaurose bestehen. Meist geht die Seh- störung allmählich zurück und zwar dann stets so, daß das Skotom sich von den stets unveränderten Außengrenzen des Gesichtsfeldes allmählich zurückzieht und kleiner wird. Entweder tritt dann völlige Fig. 419. Einseitiges großes zentrales Skotom während der, Rückbildung einer akuten retrobulbären Neuritis (bei disse- minierter Sklerose). Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 563 Heilung mit voller Sehschärfe wieder ein oder es bleibt ein mehr oder weniger kleines relatives Skotom zurück. Als Ursache dieser Krankheit ist in erster Linie die disse- minierte Sklerose zu nennen. Beobachtet man die Fälle jahre- lang weiter, so stellen sich auffallend häufig sklerotische Symptome ein, auch bei Patienten, welche zur Zeit der akuten retrobulbären Neuritis noch keine sonstigen Nervenerscheinungen darboten. Die Sehnervenerkrankung kann also zu den Frühsymptomen der Sklerose gehören! Auch Druck auf den Sehnerven, bei Entzündung der tiefsten Siebbeinzellen und des Keilbeins kann gelegentlich ein ähnliches Bild erzeugen. (Deshalb ist rhinologische Untersuchung nötig!) Ferner finden sich angeschuldigt Erkältungen, z. B. Durch- nässungen mit nachfolgendem Sitzen bei kalter Zugluft, Überanstren- gungen, Infektionskrankheiten, Vergiftungen, Ausbleiben der Menses etc. Es gibt Fälle, bei denen sich ein Grund überhaupt nicht auffinden läßt. Die Behandlung ist die, wie wir sie auch sonst bei einer akuten Neuritis anwenden. Im Beginn pflegt ganz besonders eine energische Schwitzkur (mit Natr. salicyl. oder Aspirin, oder Pilo- karpin-Injektionen, oder im Lichtbad) große Erfolge herbeizuführen. Auch für Ruhe des Auges durch Abhalten des Lichtes (dunkle Brillen, Dunkelkuren) ist zu sorgen. Zuweilen wirken Blutentziehungen an der Schläfe (durch Blutegel oder durch den Heurteloupe) gute Dienste. Einfache Sehnervenatropliie. A. Primäre (tabische, progressive) Degeneration (Atrophie) des Sehnerven. (Tafel IV, Fig. 5.) Der einfache Ausdruck „Atrophie des Sehnerven" ist nicht aus- reichend für eine Diagnose, da schließlich jede Krankheit des Seh- nerven zu Atrophie, d. h. zum Untergang der Nervenfasern führen kann. Aus den verschiedenen Arten der Atrophie hebt sich eine klinisch und anatomisch scharf umschriebene Erkrankung ab, die in dem primären progressiven Zerfall der Sehnervenfasern besteht ohne Entzündungserscheinungen. Diese Krankheit, die ich direkt tabi- sche Degeneration des Sehnerven nennen möchte, ist für den genau Untersuchenden meist nicht zu verkennen und bedeutet immer eine Teilerscheinung der Tabes dorsalis oder Tabesparalyse. Wir erkennen die Krankheit durch das Gesichtsfeld und den ophthalmoskopischen Befund. Der klinische V er lauf ist ein außer- ordentlich regelmäßiger. Der Verfall der Nervenfasern beginnt ohne Ausnahme in der Peripherie, im Gesichtsfeld (cf. Fig. 420 ff.) meist von der temporalen Seite her, jedoch kann der Defekt auch an einer anderen Stelle beginnen, immer jedoch schneidet er von der Peripherie sektorenförmig ein. Wir können auf das Genaueste die ersten Anfänge diagnostizieren. Zunächst engt sich das Gesichts- feld für Grün ein, die periphere Grenze des Grün zieht sich von dem Rot zurück, meist zunächst nur temporalwärts, darauf folgt bald in derselben Weise Rot. Die Grün-, dann sehr bald die Rotemptindung 564 Greeff, geht schließlich ganz verloren. Das zentrale Sehen, das anfangs noch intakt war, ist nun auch mäßig herabgesetzt. Relativ viel später engen sich die Grenzen für Blau ein (cf. Fig. 421, 422), bis diese Emp- findung schließlich auch ganz erlischt (totale Farbenblindheit). (Dieser Zustand ist wohl zu unterscheiden von einem zentralen Skotom, bei dem peripherwärts Farben immer noch erkannt werden.) Von der temp. si 280 wo nas nas. 2; 0 temp Fig. 420. Fig. 421. Sektorenförmige Skotome bei doppelseitiger tabischer Sehnervenatrophie. Rechts rot und grün verschwunden. Fig. 422. Tabische Optikusatrophie. Einschränkung mehr konzentrisch. Rot- grün fehlen bereits. Zeit ab, wo Blau beginnt sich einzuschränken, engt sich ge- wöhnlich auch die Außengrenze für Weiß ein und zwar wieder meist sektorenförmig von der temporalen Seite her (einer rein konzentrischen Einengung ist zu mißtrauen, da sie vielfach auf Schwäche oder Unaufmerksam- keit des Patienten beruht). Schließlich erreicht der Defekt den Fixierpunkt, überschreitet ihn, es bleibt dann noch eine kurze Zeit ein kleines ex- zentrisches Gesichtsfeld übrig und endlich tritt völlige, un- heilbare Erblindung ein. Eine Besserung ist naturgemäß in jedem Stadium ausgeschlossen. Aber auch ein Stillstand für längere Zeit kommt nur selten vor. Untersucht man genau, so ist der Prozeß in dieser Zeit doch, wenn auch sehr langsam, fortgeschritten. Die Erkrankung ist stets beiderseitig, es ist jedoch die Regel, daß nicht beide Augen zu gleicher Zeit ergriffen werden, sondern ein Auge erheblich später (um Wochen oder Monate) nach dem anderen befallen wird. Meist kommen die Patienten mit einer Sehstörung auf einem Auge zum Arzt. Sie klagen vor allem, daß mit diesem Auge alles blasser und farbloser aussehe. Man findet schon einen großen Gesichtsfelddefekt. Das andere Auge ist schein- bar noch ganz gesund, untersucht man jedoch genau die Peripherie des Gesichtsfeldes, besonders mit Farben in der oben geschilderten Weise, so findet man doch schon den leisen Beginn der Erkrankung Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 565 auch hier. Der Beginn der Erkrankung bleibt dem Patienten eben lange unbemerklich. Bis zur Erblindung vergehen viele Monate, häufiger mehrere Jahre. Ophthalmoskopisch bekommt die sonst rötliche Papille, meist zuerst auf der nasalen (im umgekehrten Bild temporalen) Hälfte, einen weißen oder bläulichweißen Ton (wie Porzellan oder bläuliches Papier), der sich dann allmählich über die ganze Papille erstreckt. Wenn die Degeneration auch ganz der grauen Atrophie der Hinterstränge entspricht, so ist doch ophthalmoskopisch kein grauer Ton sichtbar. Die Gefäße zeigen gar keine Veränderungen oder verengern sich nur unbedeutend in den späten Stadien. Ebenso tritt nur selten eine seichte Exkavation der Papille auf. Die ophthal- moskopische Diagnostik steht der durch das Gesichtsfeld sehr nach, da in frühen Stadien mit dem Augenspiegel allein die Farbenunter- schiede nur schwer zu konstatieren sind und trügerisch sein können. Jedenfalls bedarf der ophthalmoskopisch gefaßte Verdacht der Be- stätigung durch einen Gesichtsfelddefekt, um sicher zu sein. Die glaukomatöse Exkavation der Papilla nervi optici muß hier wegen der Differentialdiagnose nochmals erwähnt werden (cf. im übrigen „Glaukom", S. 66 und 492) und Ophthalmosk. Diff.-Diagnose, S. 69). [Eine einfache Sehnervenatrophie, aber mit sehr engen Gefäßen kommt schließlich zur Ausbildung nach Verschluß der Art. centr. retinae, vgl. S. 520, 74.] Daß das ophthalmoskopische Bild der einfachen Atrophie auch auf andere Weise, bei Leitungsunterbrechung und Druck auf den Sehnerven entstehen kann, wird noch auf S. 566, 567 besprochen weiden. Die Krankheit ist nur ein Symptom der Tabes dorsualis. Auch bei der progressiven Paralyse findet sie sich, wenn diese mit Tabes kompliziert ist. Sie ist stets ein Frühsymptom, in späten Stadien der Tabes kommt sie merkwürdigerweise nicht mehr vor. Eine idiopathische Sehnervenerkrankung dieser Art, von der früher so viel die Rede war, gibt es wohl überhaupt nicht (Uhthoff), diese Ansicht ist daraus entstanden, daß dies Sehnervenleiden in einigen Fällen das überhaupt erste Symptom der Tabes sein kann. Berger fand die ersten ataktischen Symptome erst zwei Jahre nach dem Beginn der Sehnervenatrophie. Hoff mann und Bernhardt konnten ein Intervall von sieben Jahren konstatieren. Charcot fand die Atrophia n. opt. zehn Jahre als einziges Symptom, dann erst setzten andere tabische Erscheinungen ein. So kommt es, daß die davon betroffenen Patienten meist noch keine Ahnung von ihrem zugrunde liegenden Leiden haben. Untersucht man jedoch genau, so findet man fast immer reichlich andere Sym- ptome (Pupillendiff'erenz, reflektorische Pupillenstarre, lanzinierende Schmerzen, Gürtelgefühl, gastrische Krisen, Rombergsches Phänomen, Fehlen der Patellarreflexe etc.). In einigen Fällen handelt es sich überhaupt um sogenannte abortive Formen der Tabes (Edinger). Obgleich sicher Tabes vor- handen ist, kommt es gar nicht zur Entwickelung des ganzen Krank- heitsbildes, sondern die Krankheit mit etwaigen Symptomen bleibt stehen oder schleicht sehr langsam hin. Die aber einmal begonnene Sehnervendegeneration geht, wenn auch langsam, weiter bis zur voll- ständigen Amaurose. Lehrbuch der Augenheilkunde. "0 566 Greeff, Dem Leiden liegt in den allermeisten Fällen eine alte Syphilis zugrunde. Während man früher annahm, daß die Degeneration der Nervenfasern vom Zentralorgan ihren Ursprung nähme, beweisen die neueren Untersuchungen, daß der Prozeß ganz peripher am bulbären Ende des Sehnerven beginnt. Nach der Neuronenlehre und den Beobachtungen müssen wir sogar annehmen, daß der Prozeß in der Peripherie der Retina von der Ganglienzellenschicht (dem dritten Neuron in der Retina) ausgehe (die Sehnervenfasern sind die Achsen- zylinderfortsätze der Ganglienzellen in der Ganglienzellenschicht); gehen die Zellen zugrunde, so müssen die Fortsätze auch zerfallen. In dieser Beziehung ist uns eine klinische Beobachtung von Wagenmann von großem Interesse. Er hatte einen tabischen Patienten mit erhaltenen markhaltigen Nervenfasern in der Retina in Beobachtung und konnte mit dem Augenspiegel beobachten, daß der Schwund der sichtbaren Markhüllen zu einer Zeit vollendet war, als im Gesichtsfeld nur eine Ündeutlichkeit sich nachweisen ließ, daß er also dem voll- kommenen Ausfall im Gesichtsfeld vorangegangen war. Die tabische Sehnervenatrophie ist immer progressiv. Sie führt schließlich früher oder später zu einer totalen Amaurose beider Augen. Es ist aber sehr verschieden, wie rasch dieses traurige End- resultat eintritt. Die Therapie ist höchstens imstande, den End- ausgang hinauszuschieben. Therapie. Lokal ist eine möglichst ausgiebige Schonung der Augen anzuempfehlen, Vermeidung von anhaltendem Lesen vor starkem Lichte, namentlich künstlicher Beleuchtung. Die sonst so oft über- flüssigerweise verordneten dunklen Schutzbrillen sind hier am Platze, von größter Wichtigkeit ist überhaupt körperliche und geistige Ruhe. Ob der Beruf aufzugeben ist, das kann nur von Fall zu Fall ent- schieden werden. Natürlich ist es bei einem sehr anstrengenden Beruf das Beste, wenn es die Umstände und Verhältnisse erlauben. Man wird aber auch nicht so grausam sein, dem Patienten nun alle Beschäftigung und allen Lebensmut zu nehmen. Früher hielt man viel von Strychnininjektionen in die Schläfe, die jedoch meist nur vorübergehend das Gesichtsfeld etwas erweitern, ferner die Anwendung des konstanten Stromes, auf das Auge selbst appliziert. In Fällen, wo sicher Syphilis nachgewiesen ist, besonders, wenn der Beginn noch nicht lange zurückliegt, kommt eine Sehmierkur in Frage. In jedem Falle darf diese nicht zu energisch appliziert werden, sie darf den Kranken nicht schwächen, sonst kann sie mehr schaden wie nützen. Sinkt während der Quecksilberkur das Sehen nur etwas, so muß man sofort abbrechen. In jedem solchen Falle ist aber Jodkali angezeigt. Im übrigen hat sich die Therapie gegen das Grundleiden zu richten. Bei Tabes Arsenik oder Argentum nitricum innerlich, äußer- lich vorsichtige Hydrotherapie, gymnastische Übungen und anderes mehr. Vor allen Dingen verlangsamt ein ruhiges, behagliches Leben mit guter Ernährung, aber frei von jeglichen körperlichen Exzessen auch den weiteren Zerfall der Sehnervenfasern um ein Erhebliches. B. Andere Formen der einfachen Sehnervenatrophie. Retrobulbäre Leitungsnnterbreehungen durch Verletzungen des Sehnerven. Der Sehnerv kann innerhalb der Orbita von eindringenden Fremdkörpern teilweise oder ganz durchtrennt werden. Z. B. bei den Schläfenschüssen der Selbstmörder gehen die Kugeln sehr oft nicht in Krankheiten des Sehnerven und der Sehbahn. 567 das Gehirn, sondern in die Orbita und zerreißen den Sehnerv. Es tritt nach einer solchen Durchtrennung, je nachdem, teilweise oder völlige Erblindung auf. Liegt die Durchtrennung dicht hinter dem Bulbus, in dem Bezirk des Seh- nerven, welche die zentralen Gefässe führt, so ist ophthalmoskopisch direkt eine Unterbrechung der Blutzirkulation zu sehen. Liegt aber die Leitungsunterbrechung höher, so sind mit dem Augenspiegel zunächst gar keine Veränderungen an der Papille zu sehen. Erst nach Wochen wird die Papille blaß, wenn die deszen- dierende Atrophie den Sehnervenkopf erreicht hat. Nicht selten tritt ein Gesichtsfelddefekt oder eine einseitige Erblindung auf nach einem Schlag oder Fall auf den Kopf. Es handelt sich dann meist um eine indirekte Sehnervenverletzung durch Quetschung in dem Foramen opti- cum, einem der sichersten Symptome einer Schädelbasisfraktur. Diese Frakturen laufen aber sehr gern quer durch das Foramen opticum, in dem der Sehnerv so dicht eingefügt liegt, daß die Dura mater zugleich das Periost bildet. Es genügt also die geringste Verschiebung der Knochenbrüche hier, um den Sehnerv abzu- quetschen. Anfangs ist also ophthalmoskopisch keine Veränderung nachweisbar, erst nach Wochen oder Monaten beginnt die deszendierende Atrophie sichtbar zu werden. Eine solche Fraktur an der Schädelbasis kann auch doppelseitig sein. Nach einer Leitungsunterbrechung in der Sehbahn oberhalb des Chiasmas (Gehirnverletzung) tritt, wie S. 549 auseinandergesetzt worden ist, gleichseitige Hemianopsie ein. Es scheint aber, daß die dadurch gesetzte Atrophie der Seh- fasern nicht von einem Neuron auf das anderen überspringt, oder erst nach langen Jahren. Es würde also z. B. nach einer isolierten Verletzung des Cuneus (Fraktur des Schädeldaches am Hinterhaupt) niemals eine Sehnervenatrophie auftreten. Druckatrophie. Ahnlich der Leitungsunterbrechung durch Verletzung wirkt die Druckatrophie Sie kann von jeder Stelle aus durch Exsudate, Geschwülste, besonders Exostosen die auf den Sehnerven drücken, ausgelöst werden. Es geschieht das besonders in der Gegend der intrakraniellen Optici an der Schädelbasis sowie am Foramen opticum. Hier genügen oft schon geringe Schwellungen, um die Sehnervenfasern in mehr oder weniger großen Mengen zur Atrophie zu bringen. In der Gegend des Austrittes des Sehnerven aus der Schädelhöhle liegt der Sehnerv direkt der Karotis auf und die Zweige der letzteren, die A. ophthal- mica und die A. cerebri communicans ant. bleiben noch eine Strecke weit mit dem Sehnerv in dichter Berührung. Bei Arteriosklerose1) der Karotis können die starren Wandungen dieser Gefäße sich direkt in den Sehnerven einbohren und so Atrophie bewirken. Ferner können Prozesse in der benachbarten Keilbeinhöhle oder den hinter- sten Siebbeinzellen direkt auf den Sehnerven wirken. Auch basale Tumoren im Forderen Teil (z. B. solche der Hypophyse) rufen, wie schon auf S. 558 erwähnt), häufig Druckatrophie der Sehnerven hervor (während sie nur selten Stauungs- papille verursachen). Alle diese Formen von deszendierender Atrophie brauchen, wenn sie unter geringen entzündlichen Erscheinungen oder ohne solche sich entwickeln, nicht eigentlich das ausgesprochene Bild der neuntischen Atrophie zu geben. Die Grenzen der Papille bleiben auch nach der totalen Abblassung scharf, so daß das ophthalmoskopische Aussehen dem der tabischen Atrophie oft nahe kommt. In solchen Fällen ist die allgemeine Untersuchung und der klinische Verlauf, der ein ganz anderer ist, ausschlaggebend: Bei der tabischen schon im Beginn der Sehstörung die ophthalmoskopisch sichtbare Abblassung, bei der deszendierenden, retrobulbär beginnenden Atrophie eilt dagegen die Sehstörung der ophthalmoskopischen Veränderung voraus und selbst nach Monaten ist oft ein Mißverhältnis zwischen Hochgradigkeit der Seh- störung und relativ geringerer Atrophie der Papille charakteristisch. i) Bei Arteriosklerotikem im höheren Alter kommt überhaupt einfache Sehnervenatrophie gelegentlich vor, ohne tabische Erscheinungen. 36* 568 G i e e f f. Geschwülste des Sehnerven. Es gibt primäre und sekundäre Sehnervengeschwülste. Als primär bezeichnet man sie, wenn sie innerhalb der Dura mater des Sehnerven entstanden sind. Es gibt eine eigenartige Sehnervengeschwulst, die im Jugendalter beginnt und sehr langsam wächst. Sie sitzt meist nicht unmittelbar hinter dem Bulbus, sondern ein Stück von 5—10 mm hinter dem Bulbus bleibt frei. Dann erhebt sich der walzenförmige Tumor, um meist vor dem Foramen opticum wieder abzufallen. Bei diesen gutartigen Geschwülsten handelt es sich um eine Art Neurofibro- matose, oft mit myxomatöser Degeneration auf angeborener Grundlage. Da- neben finden sich seltener Endotheliome und tuberkulöse und syphilitische Ge- schwülste. Das gemeinsame Symptom der primären Sehnervengeschwülste ist der Ex- ophthalmus, bei dem der Bulbus gerade nach vorn gedrängt ist ohne seitliche Verdrängung. Die Beweglichkeit des Bulbus nach allen Seiten hin bleibt lange erhalten. Frühzeitig tritt Erblindung ein. Sekundär kann der Sehnerv durch die verschiedensten retrobulbären Ge- schwülste ergriffen werden. Therapie: Operative Entfernung. Zuweilen gelingt dies mit Erhaltung des Bulbus entweder von vorn her, nach Ablösung des Muse. rect. int. (Knappsche Operation) oder von der Schläfe her (Krönleinsehe Operation). Verletzungen. Sympathische Ophthalmie. Unfallentschädigung. Von Professor O. Schirmer, Straßburg. Die Verletzungen des Auges. Die Verletzungen des Auges werden zweckmäßig geschieden in Verwundungen durch schneidende oder stechende In- strumente, in Quetschungen und in Verletzungen durch Agentien, bei welchen die chemische oder physikalische Wirkung die mechanische übertrifft und das Krankheitsbild dominiert. Es trägt diese Einteilung nicht nur der Ätiologie, sondern auch dem klinischen Bilde, der Prognose und der Therapie Rechnung; sie er- möglicht deshalb, Gleichartiges zusammenzufassen und Wiederholungen zu vermeiden. A. Schnitt- und Stichwunden ohne Hinterlassung eines Fremdkörpers. Die Schnitt- und Stichwunden des Augapfels erhalten ihr cha- rakteristisches Gepräge durch die meistens dabei eintretende Perfo- ration der Bulbushüllen. Wenn man auch seit langem weiß, daß solche perforierenden Wunden primär und ohne stärkere Reak- tionserscheinungen heilen können, und daß auch der Verlust des ganzen Kammerwassers und eines Teiles (Vs—7*) des Glaskörpers eine glatte Heilung nicht verhindert, so lehrt doch die Beobachtung, daß sehr häufig schwere und langwierige Entzündungen folgen und den Bulbus vernichten. Es ist eine noch immer nicht allgemein durch- gedrungene Erkenntnis der neuesten Zeit, daß diese Entzündungen nicht etwa auf einer besonderen „Vulnerabilität" des Augeninnern, speziell des Ziliarkörpers beruhen, wie man früher auch das Peritoneum und die Gelenkserosa für besonders „vulnerabel" hielt, daß sie also nicht mechanisch bedingt sind, sondern stets einer Infektion mit Mikro- organismen ihre Entstehung verdanken. Daß diese Entzündungen im Auge schwerer verlaufen und häufiger entstehen als an anderen Körperteilen, hat seinen Grund darin, daß das Augeninnere, speziell der Glaskörper ein ausgezeichneter Nährboden für Bak- terien aller Art ist. Es werden deshalb auch vereinzelte Mikroben, 570 0. Schirmer, die in die Wunde eindringen, die Möglichkeit haben, sich hier zu entwickeln und zu vermehren und im Kampfe gegen die Körper- gewebe sich zu behaupten. Zu einer solchen Infektion einer perforierenden Wunde sind stets die verschiedensten Möglichkeiten gegeben. Zunächst kann die Infektion eine primäre sein, d. h. es können im Moment der Verletzung mit dem verletzenden Instrument selbst die Mikroben ins Augeninnere eindringen, wie dies besonders der Fall ist, wenn gleich- zeitig ein Fremdkörper im Auge zurückbleibt. Vielleicht ebenso häufig tritt aber die Infektion erst nachträglich ein. Schon der normale, erst recht der chronisch entzündete Bindehaut- sack beherbergt stets Bakterien, und sehr häufig pathogene, die in die Wunde einwandern können; der katarrhalisch entzündete Tränensack ent- hält eine Fülle von pathogenen Keimen; und schließlich werden gewiß sehr häufig von außen her durch den Patienten selbst die Entzündungs- erreger in die Wunde gebracht. Jede unverbundene Bulbuswunde wird dauernd als leichter Reiz empfunden und fordert den Patienten zu beständigem Wischen, Drücken und Reiben mit den Fingern auf; hierdurch sind eine Fülle von Infektionsmöglichkeiten gegeben. Für den behandelnden Arzt aber leiten wir hieraus die dringende Mahnung ab, jedes Auge mit perforierender Wunde dau- ernd unter Verband zu halten und nicht etwa, wie es noch immer vielfach geschieht, kühle Umschläge machen zu lassen, oder den Patienten mit einem schmutzigen Taschentuch als Verband in die nächste Klinik zu schicken. Die Entscheidung ob eine Wunde perforierend ist, dürfte nur selten Schwierigkeiten machen. In der Hornhaut sieht man ohne weiteres die leicht grau infiltrierten Wundränder, man findet in frischen Fällen das Kammerwasser abgeflossen oder wenigstens die Vorderkammer noch seicht und den intraokularen Druck herabgesetzt. Ist die Kammer schon wieder hergestellt, so ist die Iris häufig nach der Wunde hingezogen oder in sie eingelagert; auch eine Verletzung der Linsenkapsel zeigt uns mit Sicherheit die stattgehabte Perforation an. Ähnlich liegen die Verhält- nisse bei den Skleral wunden, die übrigens häufig auch noch in die Hornhaut hineinreichen. Man sieht ohne weiteres die leicht klaffende Wunde von subkonjunktivalen Blutungen umgeben. Zwi- schen ihren Rändern liegen nicht selten braune, mitunter durch den Lidschlag strangförmig gerollte Massen — Ziliarkörper oder Chorio- idea — oder graue Stränge — Retina. Klafft die Wunde stärker, so sieht man in ihr eine glänzende Glaskörper blase erscheinen, etwa von dem Aussehen, wie es ungekochtes Hühnereiweiß darbieten würde; erst am folgenden Tage nimmt vorliegender Glaskörper eine trüb- schleimige Beschaffenheit an. Handelt es sich um Stichverletzungen, so sieht man auch mitunter mit dem Spiegel den Stichkanal im Glaskörper und in ihm mit hineingerissenes Blut oder Fremdkörper (z. B. Zilien oder Luftblasen). Die genannten Symptome, vor allem das Verhalten des intraokularen Druckes, werden wohl immer die Diagnose ermöglichen, ob eine Perforation vorliegt. Bleibt man im Zweifel, so soll man die Behandlung leiten, als ob dies der Fall wäre. Niemals darf man sich verleiten lassen, zur Sicherung der Diagnose die Wunde zu sondieren. Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 571 Viel schwieriger ist die Frage zu entscheiden, ob e ine Infektion eingetreten ist. Da diese Frage stets das ganze klinische Bild, die Prognose und die Therapie beherrscht und auch bei den perforierenden Kontusionsverletzungen immer wiederkehrt, so soll hier zunächst erörtert werden: Woran erkennen wir, ob eine Infektion eingetreten ist. Dringen irgendwo Mikroben in die Gewebe ein, so entstehen in diesen Veränderungen, welche durch die Stoffwechselprodukte der Bakterien ausgelöst werden und als ein Kampfmittel des Organismus gegen die Eindringlinge aufzufassen sind. Sie haben den Zweck, dieselben in ihrer Entwickelung zu hemmen, sie abzutöten und ihre toten Leiber fortzuschaffen. Wir nennen diesen Vorgang „Ent- zündung". Von der Art der eingedrungenen Bakterien hängt die Form der Entzündung und ihr Verlauf ab. Ihr Hauptsitz ist stets die Uvea, vor allem Iris und Ziliarkörper (vergl. deshalb auch den Abschnitt „Uvea"). Wir unterscheiden drei Hauptformen: 1. die akut verlaufende eiterige Entzündung, 2. die chronisch verlaufende fibrinöse Entzündung und 3. die seltene und praktisch bedeutungslose seröse Entzün- dung. Letztere hat ihren Hauptsitz im Ziliarkörper und ist durch das Auftreten Descem et scher Beschläge bei geringem Reizzustande des Auges charakterisiert. Wo sie in ihrer reinen Form auftritt, ist sie eine durchaus gutartige Erkrankung; von ihr soll hier weiter nicht die Rede sein. Die eiterige Entzündung ist charakterisiert durch das Auftreten von Eiter entweder in der Vorderkammer (Hypoyon) oder im Glaskörper (Glaskörperabszeß) oder, was das häufigste ist, in bei- den. Sie ist bedingt durch das Eindringen der auch sonst als Eiter- erreger bekannten Bakterien in das Augeninnere (Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken und andere). — Das Charakteristische der fibrinösen Entzündung ist die Produktion fibrinösen Exsu- dates an der Oberfläche von Iris und Ziliarkörper; doch ist auch das gesamte Kammerwasser stark fibrinhaltig, und gerinnt gewöhnlich an der Luft. Ihre Erreger sind nicht mit Sicherheit bekannt, Diagnose der stattgehabten Infektion. Um die Er- kennung der stattgehabten Infektion dem Unerfahrenen zu erleichtern, werde ich den Heilungsverlauf einer perforierenden radiären Schnitt- wunde der Korneoskleralgrenze ohne Linsenverletzung beschreiben, wenn dieselbe 1. aseptisch, 2. fibrinös infiziert, 3. eiterig in- fiziert ist. — 1. Aseptische Heilung. Kommt solch ein Patient einige Stunden nach stattgehabter Verletzung zu uns, so finden wir in allen drei Fällen die Vorder- kammer seicht oder noch fehlend, die Iris der Hornhautwunde angelagert oder aus ihr vorgefallen, den skleralen Anteil der Wunde leicht klaffend und von subkonjunk- tivalen Blutungen eingesäumt; ihre nähere Umgebung, aber auch die ganze Bulbusoberfläche bietet das Bild der episkleralen Injektion. Das Auge ist, solange ein Teil der Wunde noch klafft, breiweich, die Wund- gegend gewöhnlich leicht druckempfindlich. Die spontanen Schmerzen nehmen schon bald nach der Verletzung erheblich ab und schwinden, wenn das Auge ruhig gehalten wird, vollständig. Leitet man die regelrechte Behandlung ein, legt man also solche Augen unter Verband und den Patienten ins Bett, so findet man bei aseptischem Ver- 572 0. S'chirmer, lauf am folgenden Tage die Wundränder miteinander verklebt, die Injektion ist gering, die Pupille auf Atropin gut erweitert. Der Patient ist schmerzfrei. In den nächsten Tagen macht die Verheilung der Wunde weitere Fortschritte, während zugleich das Auge mehr und mehr abblaßt; die Regenbogenhaut, die vielleicht anfangs durch Blutergüsse etwas verfärbt war, hat wieder ihr normales Aussehen gewonnen. Nach 6—10 Tagen pflegt das Auge völlig blaß und die Wunde so fest zu sein, daß der Verband fortfallen kann. Die Verletzung ist per primam intentionem geheilt und hat eine Narbe hinterlassen, die in der Hornhaut als grauer Strich erscheint, in der Sklera sich nur durch die Adhäsion der Kon- junktiva an der Sklera verrät, mitunter auch durch eingelagertes Pigment schwarz gefärbt ist. 2. Fibrinöse Wundentzündnng. Ist die Wunde mit den Erregern der fibrinösen Uveitis infiziert, so braucht der Verlauf in den ersten Tagen nicht von der aseptischen Heilung abzuweichen. Vor allen Dingen verläuft auch hier der Wundschluß in völlig normaler Weise. Die ersten entzündlichen Erschei- nungen zeigen sich in der zunehmenden perikornealen Injektion und an der Iris. Ihre Färbung normalisiert sich auch nach Resorption etwa ausgetre- tenen Blutes nicht völlig, ihre Zeichnung wird gröber, verwaschener, die Pupille verengt sich allmählich trotz reichlichen Atropins. Zugleich stellt sich die fibri- nöse Exsudation ein, welche für diese Erkrankung charakteristisch ist, ent- weder schon in den ersten Tagen in Form eines Vorderkammerexsudates oder sie zeigt sich nur in der Bildung hinterer Synechien. Wie an der Iris, so haben wir diese Fibrinausscheidung auch am Ziliarkörper, dessen Ober- fläche sie überzieht; bei reichlicher Produktion kann sie hinter der Linse kon- fluieren. Es ist dies ein Zeichen, daß auch der Ziliarkörper von der Entzündung ergriffen ist. Da dies immer geschieht, sprechen wir am besten von vorneherein von Irido-Cyklitis fibrinosa, nicht von Iritis. Auch die Aderhaut pflegt sich an dieser Entzündung zu beteiligen; doch macht dies keine klinischen Sym- ptome, sondern ist im allgemeinen nur am anatomischen Präparat zu konstatieren. Wendet sich der Prozeß zur Heilung, so kann das ganze Exsudat resorbiert weiden und bis auf einige hintere Synechien alles zur Norm zurückkehren. Schreitet er fort, so beginnt jetzt der intraokuläre Druck, der infolge der Entzündung des Ziliarkörpers immer etwas herabgesetzt war, stark zu sinken — zwischen der zweiten und fünften Woche nach der Verletzung pflegt dies der Fall zu sein — und damit ist das Schicksal des Auges besiegelt. Die durch den geringen intraokulären Druck nicht mehr genügend gespannt gehaltenen Bulbus- hüllen schrumpfen, der Augapfel wird kleiner — Phthisis oder Atrophia bulbi. Besonders auffallend ist die Verkleinerung an der Hornhaut, die dabei völlig durchsichtig bleiben kann; auch das Zurücksinken der Bulbusvorderfläche und die Verkleinerung der Lidspalte macht sich bald bemerkbar. Druckemp- findlichkeit der Zili argegend, meist in ihrem oberen Umfang tritt häufig auf, kann aber auch fehlen. Die anfangs noch guten Funktionen des Auges werden ungenügend, weil die fibrinösen Exsudate im Glaskörper sich organisieren und schrumpfen — cyklitische Schwarten — und hierbei die Netzhaut von ihrer Unterlage abzerren. — Zeigt sich dieser Symptomenkomplex, so ist die Enuklea- tion des inzwischen blind gewordenen Bulbus indiziert, um das zweite Auge zu schützen. Gerade diese traumatisch entstandene, chronisch-fibrinöse Uvealentzün- dung ist geeignet, die so gefährliche sympathische Entzündung am zweiten Auge zu erzeugen, und je chronischer und reizloser ihr Verlauf war, um so gefährlicher pflegt sie zu sein. 3. Eiterige Infektion. Sind Eitererreger in die Wunde einge- drungen, so ist die stattgehabte Infektion stets schon nach 24 Stunden, oft schon früher, zu konstatieren. Das Auge ist um diese Zeit spontan und auf Druck in der Ziliargegend empfindlich, starke ziliare Injektion zeigt sich, die Binde- haut ist oft chemotisch, die Iris verfärbt, verwaschen und in der Vorder- kammer befindet sich meist reichliches, fibrinös-eiteriges Exsudat, aus dem sich gewöhnlich in den nächsten Tagen ein Hypopyon zu Boden senkt. Ge- stattet die Durchsichtigkeit der brechenden Medien einen Einblick in die Tiefe Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 573 des Auges, so gewahrt man hier bald einen gelblichen Reflex, der täglich an Intensität und Ausdehnung zunimmt; es hat sich ein Glaskörperabszeß gebildet. — Der weitere Verlauf kann nun der sein, daß sich die Eiterung schnell über den ganzen Inhalt des Augapfels ausdehnt; es tritt dann unter heftigen Fig. 423. Phthisischer Bulbus. H perforierende Hornhautwunde, / Iris, C.c. Ciliarkörper, c. S. cyklitische Schwarten, S Sklera, Ch Chorioidea, R strang- förmig abgelöste Retina, P Papilla. Fig. 424. Glaskörperabszeß nach Stichverletzung. W perforierende Wunde der Kornea-Skleralgrenze, t stichförmiger Abszeß im Glaskörper, dem Stichkanal entsprechend, V Vorderkammer mit teils gelatinösem, teils eiterigem Exsudat gefüllt, c. E cyklitisches, fibrinös-eiteriges Exsudat, L seitlich verschobene Linse, R eiterig infiltrierte Retina. 574 0. Schirm er, Schmerzen starkes Lidödem und Exophthalmus hinzu, wir haben das Bild der P an Ophthalmitis: oder die Entzündung verläuft subakut, wie wir es zumal bei energischer antiphlogistischer Behandlung häufig sehen, und geht dann ent- weder in Heilung oder in Phthisis bulbi über, in ganz ähnlicher Weise, wie es vorher für die Uveitis fibrinosa geschildert wurde. Sympathische Entzündung des zweiten Auges entsteht nach eiterigen Infek- tionen sehr viel seltener, als nach der fibrinösen Entzündung, ist aber möglich. Wir werden des- halb auch hier, falls die Entzündung nicht zur Heilung kommt, das zweite Auge sicher stellen und zwar bei florider Panophth almie durch die Exenteratio bulbi, bei Übergang in Phthise durch die Enukleation. In manchen Fällen kommt es bei reinen Hornhautwunden vor, daß die Eiterung auf die Vorderkammer beschränkt bleibt. Diese Fälle geben eine recht gute Prognose, da der eiterige Prozeß keine Neigung zeigt, über das Zonula- Linsendiaphragma hinweg nach hinten zu wandern. n. ,oc -r, ,.1 i • Umgekehrt ist nicht selten bei reinen Skleral- Fig 425 Panophthalmie J der Glaskörper infiziert; hier nach Süchverletzung Lider ^ ^ jedoch mcht ^^ wie wenn stark odematos und vorge- Bulbusabschnitte gleichzeitig betroffen sind. trieben; zwischen ihnen die che- .° ° . motische Konjunktiva sichtbar. Es darf übrigens nicht verschwie- gen werden, daß in manchen Fällen die Diagnose, ob ein Auge infiziert ist, die größten, ja unüber- windliche Schwierigkeiten machen kann. Stärkere Quetschung der Gewebe, stärkerer Bluterguß und vor allem quellender Wundstar können, auch ohne daß ein Fremdkörper im Auge zurückbleibt, länger dauernde perikorneale Injektion und leichte iritische Erscheinungen machen. Heilt solch ein Auge dann nach wochenlangem Reizzu- stande schließlich aus, so kann man im Zweifel bleiben, ob eine leichte Infektion vorlag, oder lediglich die chemotaktische Wirkung der quellenden Linsenmassen, absterbender gequetschter Gewebsfetz- chen und sich resorbierender Blutergüsse. Und ebenso kann es auch dem erfahrenen Arzt passieren, daß in einem Auge, das er immer für aseptisch gehalten hatte, wenn es auch vielleicht ab und zu leichte Reizung gezeigt hatte, noch nach Wochen plötzlich Desce- metsche Beschläge oder hintere Synechien auftreten und sich hieran vielleicht eine progressive Irido-Cyklitis mit Übergang in l'hthisis bulbi anschließt. Die Prognose der perforierenden Bulbuswunden ist nicht nur in erster Linie, sondern fast ausschließ- lich davon abhängig, ob die Wunde infiziert ist; sie bleibt deshalb bei jeder frischen Verletzung einige Tage ungewiß, bis die Infektionsfrage entschieden werden kann. Ist die Wunde asep- tisch und handelt es sich nicht um völlige Zerschmetterungen des Bulbus oder um profusen Glaskörperverlust, so muß der Augapfel bei richtiger Behandlung stets gerettet werden. Es sind deshalb Horn- hautwunden viel günstiger als Skleralwunden, welche den Glaskörper- raum eröffnen und dadurch Gelegenheit sowohl zur Infektion, wie zum Verlust desselben geben. — Ist hingegen die Wunde infiziert, so ist die Prognose stets sehr ernst, und nur einer energischen, zielbe- wußten Therapie gelingt es, etwa die Hälfte der Augen mit Uveitis Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 575 purulenta und drei Viertel der Augen mit Uveitis fibrinosa zu retten, hiervon ein Viertel, resp. ein Drittel mit gutem Sehvermögen (s >> Viu). Solche guten Resultate sind indes nur in einem Krankenhause zu er- zielen, bei ambulanter Behandlung geht der größte Teil dieser Augen verloren. Dem praktischen Arzt muß man deshalb raten, perforierende Verletzungen in eine Klinik zu schicken, sobald die ersten Zeichen infektiöser Entzündung auftreten. Die Therapie der perforierenden Bulbuswunden hat in erster Linie die Aufgabe, einer nachträglichen Infektion und nach- träglichem Glaskörperverlust vorzubeugen. Es kommen ja solche Fälle gewöhnlich zuerst nicht zum Spezialisten, sondern zum praktischen Arzt, und von dessen Therapie hängt der ganze weitere Verlauf ab. Denn wie oben gesagt, sind sekundäre Infektionen etwa ebenso häufig, wie primäre. Kommt ein Patient mit einer frischen perforierenden Wunde, so soll man ihm den Bindehautsack mit einer sterilen, leicht antisep- tischen Lösung (z. B. 3°/o Borlösung oder Sublimat 1 : 5000, hingegen nie Karbol oder Lysol) ausspülen und auch die Wunde damit ab- spülen. Hierauf wird Jodoform aufgepudert und ein fest schließender einseitiger Verband angelegt, der es dem Kranken unmöglich macht, mit den Fingern die Wunde zu berühren oder einen Druck auf das Auge auszuüben und dadurch Bulbusinhalt herauszupressen. Mit einem solchen Verbände ist jeder Patient reisefähig und kann, falls nötig, eine längere Eisenbahnfahrt in die nächste Klinik unbedenklich antreten. Will der Arzt die Behandlung selbst weiter leiten — und auch der NichtSpezialist kann dies bei einfachen, nicht infizierten Stich- und Schnittverletzungen sehr wohl — so ist nichts weiter nötig, als den Kranken einige Tage ins Bett zu legen, täglich die Wunde mit etwas feinst pulverisiertem Jodoform oder Xeroform zu bepudern oder Sublimatvaselin (1 : 3000) in den Bindehautsack zu streichen und den Verband zu erneuern; auch wird durch leichte Irisreizung wohl stets Atropineinträufelung indiziert sein. Hierbei tritt nach Größe und Form der Wunde in 5—14 Tagen Heilung ein, die Wundränder ver- wachsen wieder miteinander, und es bleibt eine Narbe zurück, die in der Sklera meist nicht sichtbar ist und keine Störung hinterläßt. Hornhautnarben bleiben dagegen das ganze Leben hindurch als graue Striche sichtbar und stören das Sehvermögen, mehr wenn sie im Pupillengebiet liegen, weniger bei exzentrischer Lage. Diese Seh- verminderung ist hauptsächlich durch Störung der normalen Ober- nächenkrümmung der Hornhaut bedingt (irregulärer Astigmatismus). Liegen die Wundränder nicht exakt an einander, sei es, daß sie klaffen, sei es daß Bulbusinhalt zwischen ihnen liegt, so muß man sie richtig lagern. Zu dem Zweck kokainisiert man das Auge, legt den Lidhalter ein und schneidet alles, was zwischen den Wundrändern hegt, ab, nachdem man es mit einer Pinzette etwas angezogen hat. Liegt auch hiernach die Wunde noch nicht gut, so kann man sowohl die Kornea wie die Sklera entweder mit feiner Seide vernähen, oder man bedeckt die Wunde mit einem Bindehautlappen, der einen sicheren Schutz gegen nachträgliche Infektion bildet und bei richtiger Entnahme sehr wohl imstande ist, die Wundränder einander zu nähern. Ragt die Wunde weit in die Hornhaut hinein, so wählt man 576 0. S chirmer, am besten einen doppeltgestielten, brücken förmigen Lap- pen; beschränkt sie sich auf die Limbusgegend, so ist eine Kon- junktivalverschiebung zweckmäßiger, ebenso bei reinen Skleral- wunden. Immer aber soll man darauf achten, daß Bindehautwunde und Skleralwunde einander nicht decken; denn von solchen Narben, welche gradlinig beide Membranen durchsetzen, zumal wenn noch ein Iris- oder Kapselfetzchen eingeheilt ist, gehen zuweilen, oft noch nach Jahren, Spätinfektionen aus. Die Nachbehandlung nach allen die- sen Eingriffen ist die gleiche wie die Behandlung einfach perforieren- der Wunden. Sehr viel schwieriger und komplizierter wird die Therapie, wenn sich eine Infektion der Wunde heraus- stellt. Auch hier ist die gute Versorgung und glatte Aneinander- passung der Wundränder erstes Haupterfordernis. Es kommt aber hinzu, die lokale Therapie, wie sie bei jeder Irido-Cyklitis nötig ist (Atropin und feuchte Wärme); und vor allem spielt sowohl bei der fibrinösen, wie bei der eiterigen Uveitis die Anwendung hoher Queck silberdosen eine Hauptrolle. Fig. 426. Doppeltgestielter brückenför- Fig. 427. Konjunktivalverschiebung bei miger Konjunktivallappen zur Deckung penetrierender Korneaskleralwunde. Die eines parazentralen Irisprolapses. gestrichelte Linie gibt die Schnittfüh- rung an, die ausgezogene Linie zeigt die Lagerung nach vollzogener Naht — a mit ax vereinigt. Inunktionen von 8 g grauer Salbe pro die, intramuskuläre Einspritzungen des leicht löslichen Hydrargyrum bijodatum, subkonjunktivale Injektionen von Subli- mat, \'4 ccm Hydrargyrum oxycyanatum (1:2000) oder Kochsalz (4°/o, */2 ccm täglich); daneben völlige Bettruhe: solange die Wunde nicht fest geschlossen ist, dauernder Verband und Schwitzbäder. Bei frischen Verletzungen mit beginnender Eiterung läßt sich mitunter durch die Galvanokaustik der eiterige Prozeß unterdrücken, und man braucht sich nicht zu scheuen, die Glühschlinge bis in den Glaskörper einzuführen. Auch die Einführung von Jodoformröllchen in das Bulbusinnere gibt mitunter gute Resultate. Gelingt es bei dieser Therapie nicht, die intraokulare Entzün- dung zum Ablauf zu bringen und entweder ein normal gestaltetes oder ein völlig reizloses phthisisches Auge zu erzielen, bleibt der Augapfel injiziert und lichtscheu, tränt er leicht oder ist er gar spontan oder auf Druck schmerzhaft, so liegt die Gefahr sympa- thischer Entzündung vor, und es muß das zweite Auge operativ vor dieser geschützt werden. Dies geschieht am sichersten durch die Enukleation des verletzten Auges oder bei Panophthalmie durch die Exenteration. Ist der Bulbus zwar blind, aber nur / ~\\/u Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigun wenig verkleinert, und die Entzündungsresiduen nur unbedeutend so wird man sich nur ungern zur Enukleation entschließen, zumal 'bei der arbeitenden Bevölkerung, die ein künstliches Auge bei der Arbeit meist nicht verträgt und ohne dasselbe von ewig rezidivierenden Konjunktivitiden in der leeren Orbita geplagt zu sein pflegt. Hier ist die Resectio optico-ciliaris mit Entfernung eines großen Sehnerven- stücks oft vorzuziehen. Die Regenbogenhaut kann bei Hornhautperforationen in ver- schiedenster Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Sie kann in die Wunde hinein oder aus ihr vorfallen und hierbei mitunter in großer Ausdehnung am Ziliaransatz abgerissen werden; sie kann auch direkt vom verletzenden Instrument durchschnitten oder durchstochen werden. Selbständige Bedeutung haben nur die Iriszysten. Am häufigsten sind die serösen Zysten, mit Flüssigkeit gefüllte Hohl- räume von graulicher Farbe und kugeliger Gestalt, welche noch Monate und Jahre nach einer Hornhautperforation entstehen können und operative Behandlung erheischen, da sie bei weiterem Wachstum Sekundärglaukom erzeugen; ihre Innenfläche ist von Epithel ausgekleidet, vermutlich traumatisch versprengtes Hornhautepithel. Sehr viel seltener sind die soliden Perlzysten, die sich aus Epidermiszellen bilden. Fig. 428. Seröse Iris- zyste, a perforierende, der Iris adhärente Hornhaut - narbe, in Kontakt mit der Zyste. Von großer praktischer Bedeutung sind die Verletzungen der Kristallinse (Wundstar, cf. auch Abteilung „Linse", S. 467). weil auch im günstigsten Fall — von seltenen Ausnahmen abge- sehen — ein durch den Verlust der Linse arg verstümmeltes, hoch- gradig hypermetropisches Auge zurückbleibt. Wird die Linsenkapsel durchstochen oder durchschnitten, so dringt sofort Kamme rw asser in die Linse ein und bringt die Linsenfasern zur Quellung und zum Zerfall; hierbei trübt sich die Linse so schnell, daß mitunter schon nach 6 Stunden jeder Einblick in den Glaskörper unmöglich geworden ist. Die Quel- lung des Linsenkörpers bedingt ein Seichterwerden der vorderen Kammer und das Hervorquellen einer Linsenflocke aus der Kapselwunde. Ganz allmählich löst sich dieselbe im Kammerwasser auf und verläßt mit demselben bei dem nor- malen Flüssigkeitsweehsel durch die Fontanaschen Räume und den Schlemm- schen Kanal das Auge. Neue Flocken dringen nach und werden ebenso gelöst und fortgeschafft, und es kann auf diese Weise allmählich die ganze Linse re- sorbiert werden. Allerdings geht dies sehr langsam, da das wenige vorhandene Kammerwasser bald mit Linsensubstanz gesättigt ist, und nur in langsamem Wechsel durch neues ersetzt wird. Man muß bei Kindern 4—6 Monate auf die Fig. 429. Perlzyste der Iris. a große, mit der Iris verwach- sene Schnittnarbe der Kornea (Messerstich). 578 0. Schirmer, Resorption einer Linse rechnen; bei Erwachsenen resorbieren sich nur die Kor- tikalmassen, der harte Kern ist der Auflösung nicht zugänglich. Es kann also auf diese Weise eine Art Selbstheilung eintreten ; wir er- halten wieder eine schwarze, durchsichtige Pupille. Aber es fehlt die Linse im Auge, mit ihr das Akkommodationsvermögen; und die Refraktion ist, wenn vor- her annähernd Emmetropie bestand, eine hochgradig hy perm etropische geworden (cf. Abschnitt „Hyperopie" S. 100). Das zur Korrektion notwendige Konvexglas kann aber fast niemals getragen werden, weil durch das- selbe im aphakischen Auge größere Netzhautbilder entstehen, als in seinem emmetropischen Partner; es haben also die Gegenstände doppelte Konturen, die der Patient höchst lästig empfindet. Der Gebrauchswert eines solchen Auges ist also seiner Sehschärfe im unkorrigierten Zustande gleichzusetzen, und diese beträgt nicht mehr als Fingerzählen in 1—2 m. Zweifellos viel günstiger wäre es, wenn die Kapselwunde sich bald schließen könnte, und die Linse hierdurch Schutz vor dem Kammerwasser bekäme und klar bliebe. In der Tat ist eine Narben- bildung in der Linsenkapsel möglich und tritt auch mit großer Regelmäßigkeit ein. Das Kapselepithel selbst bildet sie, indem es in Wucherung gerät, zu langen, bandförmigen Zellen auswächst, welche bald die Lücke ausfüllen und schließlich Kapselsubstanz zwischen sich produzieren ; diese bildet die definitive Narbe und erhält an ihrer Rückfläche einen Kapselüberzug und den für die Vorderkapsel normalen Epithelbelag, während die primäre Zellwucherung zugrunde geht. Nur selten aber bildet sich diese Narbe frühzeitig genug. Nur wenn die Wunde sehr klein ist oder hinter der Iris liegt, kann man hoffen, daß die Linsentrübung auf die nächste Umgebung der Wunde beschränkt und damit ein brauchbares Sehvermögen erhalten bleibt. Weit häufiger schließt sich die Kapselwunde erst, nachdem die ganze Linse getrübt ist, oder der Wundstar doch schon solche Fortschritte gemacht hat, daß auch der Kapselschluß nicht mehr das weitere Fortschreiten der Starbildung aufzuhalten vermag. Es endet dann der Prozeß mit der Bildung einer undurchsichtigen, grauen Trübung, welche das ganze Pupillengebiet ausfüllt und aus dem starig zer- fallenen, nicht resorbierten Rest der Linse besteht. Es setzt das Seh- vermögen auf quantitative Lichtempfindung herab und muß extrahiert oder wenn es sich um eine dünne Membran handelt, diszidiert wer- den. Die auf diese Weise erzielte Heilung ist jedoch gerade so un- vollständig, wie es oben für die Spontanresorption der Starmassen geschildert war. Die Prognose des Wundstares ist für die Erhaltung des Auges gut. Eine richtige Therapie muß in einem aseptischen Auge mit jeder Form des Wundverlaufs fertig werden. Aber es bleibt ein aphakisches, akkommodationsloses, stark hyperopisches Auge zurück, dessen Gebrauchswert bei normalem zweiten Auge gering ist, bei ver- lorenem zweiten Auge aber dem Verletzten fast die Hälfte seiner Arbeitsfähigkeit erhält. Die Therapie einer frischen Linsenverletzung erfordert neben der Sorge für die perforierende Bulbuswunde nur reichlich Atropin, so reichlich, daß die Pupille maximal weit wird. Hierzu gehören ungewöhnlich große Gaben, da die quellende Linse einen starken Reiz auf den Sphincter iridis ausübt (bei Erwachsenen 2—3 mal täglich eine 4 °/o Atropinsalbe einstreichen). Wird die rechtzeitige Erweite- rung der Pupille verabsäumt, so bilden sich hintere Synechien, oft in reichlicher Menge aus und sind später nicht mehr zu zerreißen. Ist Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 579 die Bulbuswunde geschlossen, und die Linsenquellung verläuft normal, so kann der Patient ohne Verband bleiben und sogar wieder an seine Arbeit gehen. Man hat nur nötig, die Pupille dauernd erweitert zu halten, bis entweder die ganze Linse resorbiert oder die Kapsel- wunde geschlossen ist. In letzterem Falle muß dann nach einiger Zeit die Beseitigung der Startrübung folgen. Ein unangenehmer Zwischenfall ist das Auftreten von Drucksteigerung, die unter dem Bilde des irritativen Glaukoms mit Schmerzen, Hornhauttrübung und -stippung und stärkerer Injektion in die Erscheinung tritt. Große Kapselwunden mit stürmischer Quellung und seichter Vorderkammer sind die gewöhnliche Ursache; ungenügende Atropinisierung begünstigt ihr Auftreten. Solch Sekun- därglaukom erheischt sofortigen operativen Eingriff, und zwar soll man durch einen kleinen peripheren Hornhautschnitt ohne Iri- dektomie die quellenden Linsenmassen möglichst vollständig entbinden. Hierdurch geht die Drucksteigerung im allgemeinen prompt zurück, und die Resorption der Starreste nimmt weiter normalen Verlauf. Schnittwunden der Bindehaut allein erfordern nur, wenn sie stark klaffen, Vereinigung durch eine feinste Seidensutur. — Sorgfäl- tigste Naht ist dagegen stets bei den Seh nittwunden der Lider erforderlich, zumal wenn dieselben, wie so häufig, das Lid in seiner ganzen Ausdehnung, also bis zum Fornix durchsetzen. Tritt in sol- chen Fällen keine tadellose Heilung ein, so bleibt ein dreieckiges Lid- kolobom zurück, das sehr häßlich aussieht und Ursache beständigen Tränenträufelns wird. Man muß hier vor allen Dingen auf das sorg- fältigste die Wunde der Bindehaut und des intermarginalen Teils vernähen. Der erste Faden wird zunächst dem Fornix angelegt, so daß der Knoten im Bindehautsack liegt, dann steigt man mit den Knopfnähten allmählich in der Bindehaut in die Höhe — gewöhnlich ist das untere Lid betroffen — bis zum intermarginalen Teil, dessen Wundränder besonders sorgfältig vereinigt werden; dann erst vernäht man die Hautwunde. Begnügt man sich mit letzterem allein, wie es vielfach in der Praxis geschieht, so hat man zu gewärtigen, daß die Bindehautwunde nicht verheilt und von hier aus der ganze Riß wieder aufplatzt. Stichwunden der Orbita wie sie durch Degen, Stöcke, Regen- schirme zustande kommen, führen nicht selten die Durchtrennung des N. opticus an der Spitze der Orbitalypyramide herbei. Sofortige und dauernde Erblindung ist die Folge, während objektive Veränderungen zunächst völlig fehlen, abgesehen von der Reflextaubheit dieses Auges, d. h. dasselbe löst weder direkt noch konsensuell Pupillenreak- tion aus, seine eigene Pupille reagiert aber prompt bei Belichtung und Beschattung des gesunden Auges. Man hat das Verhalten, das durch die Durchtrennung der im Sehnerv verlaufenden zentripetalen Pupillenfasern bedingt ist, auch wohl „amaurotische Starre" genannt (cf. „Pupillenprüfung" S. 42). Erst nach 3—4 Wochen kommt als weiteres Symptom die Abblassung der Sehnervenpapille hinzu, die bald ganz weiß wird und das Bild der nicht entzündlichen Sehnerven- atrophie bietet, also weiße Farbe, scharfe Grenzen, normale Gefäße (cf. S. 466 ff.) — Durchtrennt der Stich einen Augenmuskel oder reißt er eine Muskelinsertion ab, so ist paralytisches Schielen mit sofort auftretenden, störenden Doppelbildern die Folge. Nur em baldiger operativer Eingriff vermag diese Störung zu heben. 580 0. S c h i r m e r, Während die aseptischen Wunden stets schnell heilen, erzeugt eine Infektion den Orbitalabszeß oder die Orbitalphlegmone. Unter heftigen Schmerzen, oft unter Fiebererscheinungen schwellen die Lider stark an, die Bindehaut wulstet sich chemotisch vor, und der Aug- apfel tritt aus der Augenhöhle nach vorn und, falls der Abszeß seit- lich sitzt, nach der entgegengesetzten Seite. Wo dieser Symptomen- komplex sich zeigt, ist baldige Inzision und womöglich Entleerung des Eiters mit folgender, feuchter Tamponade indiziert. Wird dies verabsäumt, so kann die Entzündung sich in den Optikus fortpflanzen und Amaurose erzeugen, oder durch die Fissura orbitalis superior auf die Meningen übergreifen und den Exitus herbeiführen. — Anhangs- weise sei erwähnt, daß Geisteskranke fähig sind, ohne Zuhilfenahme eines Instrumentes sich die Bulbi aus der Orbita herauszu- reißen, und daß ein Unbeobachtetbleiben von wenigen Minuten ihnen genügt, um diese Selbstenukieation auszuführen. B. Schnitt- und Stichwunden mit Hinterlassung eines Fremdkörpers. Während die Frage, ob eine Bulbuswände perforierend ist, im allgemeinen leicht zu beantworten ist, stößt die Entscheidung, ob der durchbohrende Fremdkörper oder ob Teile desselben im Auge zurück- geblieben sind, vielfach auf große Schwierigkeiten. Und doch ist diese Entscheidung von größter Bedeutung sowohl für die Prognose, wie für unser therapeutisches Handeln; eine Fehldiagnose kann den Verlust des Auges zur Folge haben. Der praktische Arzt tut deshalb besser, Fälle, in welchen er diese Frage nicht sicher entscheiden kann, sofort einem Spezialisten zuzuschicken. Diagnose der Fremdkörper im Bulbusinnern. Haben wir Ver- dacht, daß sich noch ein Splitter im Auge befindet, so müssen wir vor allem suchen, ihn zu sehen. Das ist bei ganz frischen Verletzungen meist möglich, entweder mit fokaler Beleuchtung oder mit Hilfe des Augen- spiegels. Doch können auch bei ganz klaren bre- chenden Medien selbst größere Fremdkörper sich hinter der Iris oder dem Ziliarkörper verbergen. Schon nach wenigen Stun- den ist der Einblick mit- unter durch beginnenden Wundstar oder bei gleich- zeitiger Infektion durch fibrinöse Exsudation un- möglich geworden. — Wir Fig. 430. Eisensplitter in der Netzhaut. sind dann auf die Anam- nese angewiesen, zusam- mengehalten mit dem Befunde an der Wunde. Die Erfahrung lehrt, daß von stechenden oder schneidenden Werkzeugen höchst selten etwas absplittert und im Auge zurückbleibt. Handelt es sich dagegen um kleinste Partikel, die mit großer Gewalt an- Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 581 fliegen, so kann man mit größter Wahrscheinli chkeit annehmen, daß sich dieselben noch im Auge befinden, wenn sie die Kraft gehabt haben, eine per- forierende Wunde zu setzen; und diese Annahme wird zur Gewißheit, wenn man eine korrespondierende Wunde in Iris oder Linsenkapsel nachweisen kann. Es ist dann nur noch an die Möglichkeit zu denken, daß der Splitter auch die hintere Bulbuswand durchschlagen nnd sich in der Orbita eingebettet hat; doch ist dies nicht gerade häufig. Wenn man die Durchschlagsstelle nicht mit dem Spiegel sehen kann, ist eine sichere Entscheidung mitunter durch die Röntgenphoto- graphie möglich, ein Bild aufgenommen bei ruhendem, eines bei bewegtem Bulbus. Vielfach aber sind die Splitter zu klein, als daß sie bei den dicken Knochenwänden, welche die Strahlen zu passieren haben, noch scharfe Bilder geben könnten. Ihre Hauptverwendung finden die Röntgenstrahlen bei den Schußverletzungen, wenn es sich um die Diagnose von Schrotkugeln oder noch größeren Projektilen handelt. Für die viel häufige- ren kleinen Splitter, die ge- wöhnlich beim Hämmern abspringen und sehr oft von Eisen sind, spielt die Sideroskopie eine weit größere Rolle, als die Ra- dioskopie. Das von A s m u s an- gegebene Sideroskop ist eine in einer Röhre an einem Kokonfaden frei schwe- bende Magnetnadel, wel- cher das auf Eisensplitter verdächtige Auge genäheit wird. Selbst wenn der Split- ter nur Bruchteile eines Milligrammes wiegt und im hinteren Bulbuspol sitzt, be- kommt man noch, event. nach vorheriger Magneti- sierung des Splitters, einen Ausschlag, der mit einer Spiegelvorrichtung abgele- sen wird. Die verschiedene Größe des Ausschlages an verschiedenen Stellen der Bulbuswand gestattet auch eine recht sichere Lokal- diagnose. Fig. 431. Untersuchung mit dem Sideroskop. Die Folgen Das kokainisierte Auge wird ganz nahe an die, die längeren Verwei- Magnetnadel enthaltende Glashülse herangebracht. lens intraokularer Fremdkörper. Kein Fremdkörper wird reaktionslos im Bulbus- innern ertragen. Von einem jeden werden beständig Teilchen in den Augenflüssigkeiten gelöst, verbreiten sich durch Diffusion und rufen eine Summe von Veränderungen hervor, die wir durch die Unter- suchungen Lebers als entzündliche kennen gelernt haben. Die In- tensität dieser Entzündung' ist sehr verschieden und hängt von der chemischen Konstitution des Fremdkörpers ab. Wollte man die häufigsten in eine Reihe von fallender Intensität ordnen, so wurde dieselbe etwa lauten: Kupfer, Eisen, Blei, Glas, Porzellan, Stein. 582 0. Schirm er, Natürlich kann jeder Fremdkörper die ihm eigentümliche entzündliche Wirkung nur dann rein entfalten, wenn er aseptisch eingedrungen ist. Besteht nebenbei eine infektiöse Entzündung, so dominiert sie das klinische Bild vollständig und löscht die charakteristische Fremd- körperwirkung aus. Kupfer, das so leicht beim Hämmern auf Zündhütchen ins Auge fliegt, ist ein exquisiter Eitererreger. Liegt es in der Vorderkammer, so erzeugt es eine eiterige Irido-Cyklitis mit Hypopyon; liegt es im Glaskörper, so ruft es einen Abszeß hervor. In beiden Fällen richtet es das Auge zuarunde, wenn es nicht bald gelingt, es wieder zu entfernen. Nur die Linse, in der wegen ihres lang- samen Stoffwechsels alle Fremdkörper jahrelang unschädlich liegen können, ver- mag auch Kupfersplitter zu beherbergen, ohne daß außer traumatischer Katarakt irgendwelche Veränderung im Auge entsteht. Eisen, aseptisch in nicht zu großer Masse ins Augeninnere gedrungen, heilt hier zunächst reaktionslos ein. Es ruft weder klinisch sichtbare Entzündung noch Störungen der Netzhautfunktion hervor. Beständig ist aber die Kohlensäure der Gewebe tätig, kleinste Teilchen von ihm zu lösen; durch Diffusion verbreitet sich diese dünne Eisenlösung im ganzen Bulbus und ruft in seinem Gewebe, wenn auch erst nach Monaten, mitunter erst nach Jahren, eine Reihe von Veränderungen hervor, die unter dem Namen „Verrostung des Auges, Siderosis bulbi" zu- sammengefaßt werden. Am wenigsten widerstandsfähig erweisen sich gewöhnlich a b Fig. 432. Siderosis des linken Auges (6) bei intraokularem Eisensplitter. Unten innen Eintrittsnarbe. Die früher der rechten Seite (a) gleiche Iris ist rot- braun geworden; unter der Linsenkapsel haben [sich bräunliche Rostfleckchen entwickelt. Beginnende Katarakt. die Ganglienzellen und Nervenfibrillen in der Retina, dementsprechend pflegen Sehstörungen den Anfang zu bilden. Das Auge wird zunächst hemeralopisch, dann tritt konzentrische Gesichtsfeldeinengung ein, und schließlich sinkt die zentrale Sehschärfe. Die atrophisch gewordenen Netzhautteile pigmentieren sich nicht selten; die Pigmentierung würde also, entsprechend der Gesichtsfeld- einengung, von der Peripherie her zentralwärts fortschreiten, so daß der Ver- lauf dem einer typischen Pigmentdegeneration der Netzhaut gleicht und nur weit schneller fortschreitet. — In zweiter Linie sind siderotische Verfärbungen der Augenhäute zu nennen, die wohl selten vor Ablauf eines halben Jahres auftreten. Die häufigste ist die Braunfärbung der traumatischen Katarakt, die sich bei Sitz des Splitters in der Linse findet. Die Eisenkatarakt pflegt eine besonders harte Konsistenz zu haben. Sowohl bei Sitz des Eisen- splitters in der Linse, wie im Glaskörper tritt mitunter ein Kranz von etwa 15 bis 20 rostbraunen Punkten auf, die entsprechend dem Rande einer mittelweiten Pupille, genau kreisförmig angeordnet, unter der Vorderkapsel liegen; sie ähneln sehr den Fußpunkten gerissener hinterer Synechien. Die anatomische Grund- lage dieser Punkte sind zirkumskripte Wucherungen des Vorderkapselepithels. in denen Eisenoxyd abgelagert isr. — Die siderotische Verfärbung der Iris ist grünbraun oder kastanienbraun und meist so intensiv, daß sie schon auffällt, wenn der Patient das Zimmer betritt. Dem Geübten gestattet sie dann, schon Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 583 aus der Ferne die Diagnose auf Eisen im Bulbus zu stellen, obwohl nach den grundlegenden Untersuchungen von Hippels auch das Eisen, das bei der Zer- setzung massiger intrabulbärer Blutungen frei wird, diese Verfärbung zu erzeugen vermag. Sie beruht auf der Ablagerung eines eisenhaltigen Pigments in oder auf der Iris. Eine rostbraune Eisenfärbung der Kornea ist sehr selten. — Schließlich äußert sich die Wirkung der dünnen Eisenlösung, die den ganzen Bulbus durch- tränkt, auch an der Uvea. Es treten zunächst Glaskörpertrübungen, dann iritische Symptome und schließlich eine subakute, keiner Behandlung zu- gängliche Irido-Cyklitis auf mit häufig rezidivierenden Blutungen, die sehr heftige Schmerzen verursacht. Die Enukleation ist deshalb meistens der Endausgang, wenn der Eisensplitter im Bulbusinnern geblieben war. Nur in seltenen Fällen werden größere, häufiger sehr kleine Splitter auf die Dauer reaktionslos im Auge vertragen. Bei dieser ungünstigen Prognose muß man die allgemeine Regel an- erkennen, daß jeder Eisensplitter möglichst bald aus dem Auge zu extrahieren ist. Und hierzu bietet uns beim Eisen der 3Iagnet besonders guten Chancen. Jeden anderen Stoff müssen wir sehen und mit einer Pinzette Fig. 433. Extraktion eines Eisensplitters mit dem Riesen-Elektromagneten. (Volkmannscher Hängemagnet.) fassen, um ihn zu entfernen; Eisen können wir extrahieren, ohne es zu sehen und können es meistens von einem einfachen Kornealschnitt aus selbst aus dem Glaskörper hervorholen. Wir benutzen nebeneinander zwei Modelle des Magneten, den Riesenmagnet (Fig. 433) und den Handmagnet. Ersterer ist ein sehr starker, stabiler Elektromagnet. Wird ihm das Auge genähert, so vermag er selbst leichte Eisensplitter durch den ganzen Glaskörperraum hindurch und um die Linse herum in die Vorderkammer zu leiten. Zumal in frischen Fällen ge- lingt dies fast regelmäßig, während nach längerer Zeit der Splitter nicht selten durch ein zähes Exsudat oder eine Bindegewebskapsel zu fest an Ort und Stelle fixiert wird. Ist der Splitter erst einmal in der Vorderkammer, so ist die Ex- traktion leicht mit dem Handmagneten zu bewerkstelligen, dessen Spitze durch einen peripheren Hornhautschnitt in die Vorderkammer eingeführt wird. Ahnlich muß man verfahren, wenn der Splitter im Glaskörper festgehalten wird und beginnende Siderosis zur Extraktion nötigt. Man lokalisiert ihn genau mit dem Sideroskop, macht an dieser Stelle einen meridionalen Einschnitt in die Sklera und führt die Spitze des Handmagneten ein. Auf diese Weise gelingt es nicht selten, Splitter zu entfernen, die dem Riesenmagneten widerstanden. Immerhin ist dieser 584 0. S c h i r in e r, Eingriff nicht ganz gleichgültig für das Auge, und man wird ihn deshalb besser unterlassen, wenn der Splitter schon längere Zeit reaktionslos im Auge ruht. Ähnliche Veränderungen wie Eisen bringt das Blei hervor, das meist in Form von Schrotkugeln in das Auge dringt. Im Verhältnis zu den Eisen- splittern sind dies aber schon recht große Fremdkörper, und es stehen deshalb die mechanischen Folgen der Verletzung so sehr im Vordergrund des klinischen Bildes, daß die chemische Wirkung des Bleies nicht zur Entfaltung kommen kann. Schrot. kugeln perforieren relativ häufig auch die hintere Bulbuswand und heilen ohne Schaden in der Orbita ein. Man soll deswegen niemals einen Extraktionsversuch wagen, ehe man sich nicht überzeugt hat, daß die Kugel wirklieb noch im Bulbus sitzt. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei Glas. Porzellan und Holz. Bei allen dreien ist die reaktive Entzündung gewöhnlich so geringfügig, daß das Auge sie ohne Schaden übersteht; sie bleibt im wesentlichen auf die nächste Umgebung des Fremdkörpers beschränkt und führt zu einer Emkapselung desselben. Ist deshalb einer von diesen Körpern aseptisch eingedrungen, so werden wir ihn im allgemeinen sich selbst überlassen und auf Einheilung hoffen; eine Ausnahme würde gegeben sein, wenn der Splitter sehr groß oder sehr leicht zu extra- hieren ist. Sind neben einem Fremdkörper Infektionskeime eingedrungen, so beeinflußt der Splitter den Verlauf der infektiösen Entzündung durch- aus ungünstig; er erschwert die Heilung wesentlich und gestaltet auch in den schließlich günstig verlaufenden Fällen den Verlauf zu einem ungewöhnlich hart- näckigen ; auch treten häufig Rückfalle der Entzündung auf. Es ist deshalb auch bei infizierten Wunden die sofortige Extraktion eines zugleich eingedrungenen Fremdkörpers indiziert; in einer erheblichen Quote von Fällen gelingt es dadurch noch der Entzündung Herr zu werden und das Auge zu retten. Der Ausbruch sympathischer Entzündung wird durch die Anwesenheit eines Splitters im Auge nicht begünstigt; aseptisch eingedrungene Fremd- körper können sie niemals erzeugen. Multiple Fremdkörper dringen gewöhnlich bei den Pulver- und Dynamit- explosionen ins Auge; nebeneinander findet man Sand- und Pulverkörnchen, sowie kleinste Steinchen. Es gehören diese Verletzungen, die sehr häufig infiziert sind, zu den allerschwersten, zumal gewöhnlich beide Augen davon betroffen sind. Wir müssen fast immer darauf verzichten, die Fremdkörper aus dem Bulbusinnern zu entfernen; um so sorgfältiger soll man die stets massenhaft in Kornea und Haut eingedrungenen Sand- und Pulverkörner entfernen. Ein Teil von ihnen ist gewöhnlich so fest eingekeilt, daß man am ersten Tage Schwierigkeiten hat, sie herauszulösen; am dritten Tage haben sie sich meist von selbst etwas gelockert und sind leichter zu entfernen. Inzwischen legt man den Verletzten ins Bett und streicht dreimal täglich eine Atropin-Kokain-Sublimatsalbe (0,1:0,4:0,003:10,0) in den Bindehautsack; Verband ist nur bei etwas größeren perforierenden Wunden nötig; die kleinen Eintrittspforten von Pulver- oder Sandkörnchen sind schon nach wenigen Stunden geschlossen. Die Schmerzen in der gewöhnlich stark ge- schwollenen und entzündeten Haut schwind n am schnellsten unter zimmerwarmen Umschlägen mit essigsaurer Tonerde. Anhangsweise sei erwähnt, daß die Haare der Raupen von manchen Bärenarten, ins Auge gelangt, knötchenförmige Entzündung der Konjunktiva erzeugen. Sie können sogar mit Hilfe ihrer Widerhaken die Hornhaut durch- bohren und in der Iris heftige Entzündung erregen; dabei treten multiple Knöt- chen in ihr auf, deren Zentrum ein Raupenhaar bildet. Eine der häutigsten Verletzungen ist das Hineinfliegen von Fremdkörpern in die Hornhaut, das in manchen Betrieben, z. B. beim Steinmetz, etwas so gewöhnliches ist, daß in jeder größeren Fabrik sich einzelne Arbeiter finden, die mit einer Stecknadel nicht zu fest sitzende Splitter entfernen können. In der Hornhaut sitzen ausschließlich spezifisch schwere Fremdkörper, wie Stein und Eisen, Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 585 während die spezifisch leichten, Holz, Stroh, Kohlenstäubchen nur auffliegen und dann durch den nächsten Lidschlag entfernt 'oder unter eines der Lider verschoben werden. Die Splitter in der Hornhaut sind durchaus nicht immer leicht zu sehen. Um sie aufzufinden, stellt man den Kranken mit dem Gesicht dem Fenster gegenüber und läßt das Auge nach allen Seiten hin drehen. Hierbei sieht man die meist hellen Stein- splitter leichter auf dem dunklen Hintergrund der Pupille, die schwarzen Eisensplitter besser, wenn sich gerade hellere Iris hinter ihnen befindet. Auch fällt einem bei dieser Untersuchungsart leicht die Unterbrechung im Reflexbild des Fensters auf, welche der Fremd- körper verursacht (cf. „Untersuchung des Auges", S. 33). War der Splitter glühend, wie dies viele Eisen- und Steinsplitter im Momente des Abspringens durch die heftige Erschütterung werden, so koaguliert er seine nächste Nachbarschaft; man findet ihn dann umgeben von einem weißen Verbrennungsring. Derselbe darf nicht verwechselt werden mit dem grauen, verwaschen begrenzten Infiltrationsring, der die eingetretene Infektion anzeigt; in diesem Falle haben wir Fig. 434. Entfernung eines Fremdkörpers aus der Hornhaut. Mit der seitlich herangeführten Nadel soll der Fremdkörper aus |seinem Bett herausgehoben werden. auch stärkere perikorneale Injektion, lebhaftere Beschwerden und leichte Iritis. Eisensplitter bekommen nach einigen Tagen einen rotbraunen Saum, den Rostring; derselbe besteht aus Eisen, welches durch die Kohlensäure der Gewebe vom Splitter gelöst, sofort in Oxydform in seiner Nachbarschaft niedergeschlagen wurde. Kleine Fremdkörper können reaktionslos in die Hornhaut ein- heilen; doch bleibt hierbei das Auge stets eine Reihe von Tagen ge- reizt, und die Narbe fällt größer aus, als bei schonender Entfernung. Wir rechnen deshalb mit dieser Möglichkeit nur dann, wenn es sich, wie bei Explosionen, um multiple kleinste Splitter handelt, oder wenn der Fremdkörper so nahe der Hornhautrückfläche sitzt, daß man befürchten muß, ihn in die Vorderkammer zu stoßen. Andern- falls anästhesiert man das Auge durch -4—5 Tropfen 4°/oiger Kokain- lösung, in Zwischenräumen von 1 Minute gegeben — bei starkem Tränen- fluß muß man oft noch mehr Kokain oder etwas Paranephrin da- zwischen geben — und hebelt den Splitter mit einer Fremdkörpernadel heraus, die man unmittelbar neben ihm ansetzt. Fan Rostring soll mit 586 0. Schirmer, entfernt werden. Die Kunst besteht darin, möglichst geringe Neben- verletzungen zu machen. Der noch vielfach gebräuchliche Hohlmeißel ist ein schlechtes Instrument. Nach der Entfernung wird Sublimat- salbe ohne Atropin eingeführt und das Auge verbunden; in 1—2 Tagen ist die Heilung vollendet. Ist die Wunde infiziert, so ist Atropin und feuchter Verband angezeigt. Eine weitere typische Verletzung der Hornhaut sind die Ero- sionen, oberflächliche Abschürfungen, die durch Anstreifen von kaum- zweigen, Kratzen mit Fingernägeln u. dergl. entstehen. Es sind meist etwas größere, oberflächliche Defekte, die man im auffallenden Licht an dem unregelmäßigen Oberflächenreflex oder nach Einträufelung von Fluoreszin an ihrer grünen Farbe leicht erkennt. Sie pflegen lebhaften Schmerz zu verursachen. Die Behandlung besteht in 5% Dioninlösung, Sublimat- oder Jodoformsalbe und Verband. Dionin lindert zugleich die Schmerzen; in schwereren Fällen helfen einige Tropfen Acoinöl, während Kokain, als Epithelschädling zu ver- meiden ist. Hierbei tritt in 1—2 Tagen Heilung ein. Manchmal aber stellen sich nach einigen Wochen, meist Morgens beim Erwachen, neuerdings heftige Schmerzen ein, und bei der Untersuchung findet sich an der ursprünglich verletzten Stelle eine neue Epithelabhebung (rezidi- vierende Erosion). Bei gleicher Behandlung, wie vorhin, pflegt auch diese bald zu heilen; man ist aber meist genötigt, um ähnliche Anfälle zu vermeiden, noch längere Zeit abends Sublimat- oder Bor- vaselin einstreichen zu lassen. Fremdkörper im Konjunktivalsack. Im Konjunktivalsack finden sich fast ausschließlich ganz leichte Fremdkörper, wie Stroh, Kohlenstäubchen, Sandkörnchen u. dergl. Sitzen sie unter dem un- teren Lid oder in der oberen Übergangsfalte, so machen sie meist nur geringe Beschwerden. Liegen sie dagegen unter dem Ober- lid im Sulcus subtarsalis, so scheuern sie bei jedem Lidschlag auf dem Bulbus; das Auge ist dann injiziert, lichtscheu und tränt und leicht entstehen Epitheldefekte auf der Hornhaut. Fremdkörper unter dem Unterlid bekommt der Arzt selten zu sehen, weil sich die Patienten meist durch Wischen und Reiben nach der Nase zu, wo der Bindehautsack flach ausläuft, von ihnen befreien können. Die unter dem Oberlid werden nach einfachem Umklappen sichtbar und sind leicht mit einem Bausch feuchter Watte zu ent- fernen. Schwieriger zu finden sind nur die Fremdkörper der oberen Übergangsfalte, wohin sich hauptsächlich Ähren- grannen durch ihre Widerhaken schieben. Um sich die Übergangsfalte sichtbar zu machen, klappt man das obere Lid mit einem Glasstäbchen um, drückt dann mit demselben etwas stärker nach unten und preßt so die Falte unter dem Tarsus hervor (cf. Fig. 18 „Unter- suchung1', S. 27), oder man kokainisiert gut, klappt in gewöhnlicher Weise um und hebt dann mit einer Sonde oder Pinzette den nunmehr unteren Rand des Tarsus vom Bulbus ab. Häufig liegt hier das Strohstück in dichten Schleim ein- gehüllt. — Fremdkörper in der Conjunctiva bulbi sind meist nicht herauszuhebein, sondern müssen mit ihrer Unterlage herausgeschnitten werden. Nicht immer schwindet der Schmerz, sowie der Fremdkörper entfernt ist, und die Patienten sind häufig schwer zu überzeugen, daß sie nichts mehr im Auge haben. Kühle Umschläge oder ein Tropfen Kokain beseitigen schnell dieses Nachgefühl. V Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 587 In der Orbita handelt es sich stets um große Fremdkörper. Messerklingen, Schirme, Stöcke können sich, wenn sie mit Gewalt in die Orbita gestoßen werden, in einer der Knochenfissuren festkeilen und brechen dann beim Herausziehen °-e- wöhnlich ab. Die Folge ist ein retrobulbärer Abszeß, der aber auch nach Ent- leerung des Eiters nicht ausheilt, sondern dauernd absondert. Zur Heilun" ist die Entfernung des Fremdkörpers nötig, wozu oft erhebliche Kraft erforderlich ist. Mit einer Sonde ist der Fremdkörper schwer zu fühlen; um seine Anwesen- heit sicher auszuschließen, tut man gut, den Wundkanal zu erweitern, bis man den kleinen Finger einführen und alles abtasten kann. Beim Co n amen suieidii durch Schläfenschuß, wenn der Revolver zu weit vorn aufgesetzt wurde, bleibt die Kugel gewöhnlich links von der Median- linie im Siebbein oder Keilbein stecken. Hierbei wird häufig der rechte Sehnerv, gar nicht selten aber auch der linke durchschossen, so daß der Selbstmordkandidat zwar weiter lebt, aber völlig blind wird. ß. Quetschungen (Kontusionen) des Auges. Wenn auch bei den Quetschungen des Auges der verletzende, stumpfe Körper nicht in die Gewebe eindringt, so kann er doch durch die Formveränderung des Augapfels, die er hervorruft oder durch wellenförmige Fortpflanzung der außen ansetzenden Kraft auf sämtliche Teile des Augeninneren wirken. Es handelt sich meist um Schläge mit Faust, Peitsche oder Stock, um Stoß gegen eine vor- springende Kante oder um Anprallen eines Selterwasser- oder Sekt- pfropfens. In der Conjunctiva bulbi entstehen an der direkt getroffenen Stelle durch Ruptur eines episkleralen Gefäßes Blutungen in das sub- konjunktivale Gewebe. Infolge Durchsichtigkeit der Bindehaut er- scheinen sie intensiv rot und lassen an ihrer z. B. langgestreckten Form oft noch die Schlagrichtung erkennen. Nach mehreren Tagen werden sie von den Rändern her gelb und resorbieren sich nach ihrer Größe in 5—20 Tagen vollständig. Massage durch die Lider hindurch ist das beste Mittel, die Aufsaugung zu beschleunigen. Erst 1—3 Tage nach dem Trauma zeigen sich, von der Über- gangsfalte beginnend, die aus der Orbita fortgeleiteten Blu- tungen, welche den Periostgefäßen entstammen und bei Schädel- basisfraktur entstehen. Sie haben für die Diagnose einer Fraktur durch die vordere Schädelgrube, deren Boden ja das Dach der Orbita bildet, dieselbe Bedeutung, wie Blutungen aus der Nase oder bei der mittleren Schädelgrube Blutungen aus dem Ohr. Prellungen der Hornhaut können Defekte imDescemet- schen Endothel hervorrufen, das im normalen Zustande das Eindringen des Kammerwassers verhindert. Nunmehr kann sich die Hornhaut mit ihm vollsaugen, und es entsteht eine graue, diffuse Quellungs- trübung, die sich aber in einigen Tagen unter einfachem Okklusiv- verband zurückbildet. Leichte, oberflächliche Verletzungen der Kornea, die das feste Gefüge ihres Epithels lockern, gewinnen dadurch besondere Bedeutung, daß sie Infektionserregern das Eindringen und die Ansiedelung er- möglichen. So entstehen die einfachen traumatischen Geschwüre, so die Keratitis diseiformis, so durch Eindringen von Pneumo- kokken das gefürchtete Ulcus serpens (cf. „Kornea", S. 369). Die Kontusionsverletzungen der Regenbogenhaut (vgl. auch S. 41S, Abb. 324) bestehen in Kontinuitätstrennungen dieser Membran, die Lehrbuch der Augenheilkunde. °' 588 0. Schirmer, immer mit einem Bluterguß verbunden sind. Das Blut sammelt sich am Boden der Vorderkammer — Hyphaema — und ändert, da es nicht ge- rinnt, seine Lage bei Neigungen des Kopfes. Der kleine Riß im Irisgewebe kann häufig trotz genauer Untersuchung nicht gefunden werden. In anderen Fällen liegt er am Pupillenrande und hat dann eine radiäre Richtung und eine Länge von 1—2 mm — Sphinkterriß — oder es ist die Iris vom Ziliarkörper abgerissen — Iridodialyse. Hierbei verschiebt sich der abgerissene Teil, dessen Dilatator der zuführenden Nerven beraubt ist, durch den Tonus des Sphinkters zentralwärts; der Pupillenrand geht an der betroffenen Stelle aus dem Bogen in die Sehne über. — Schließlich findet sich als Kontusionsfolge eine My- driasis mittleren Grades, bei der die Pupille ihre Rundung und prompte Reak- tion verloren hat und sich einem stehen- den Oval in der Form nähert. Auch hier sind vielleicht multiple kleine Einrisse des Sphinkters die Ursache. Kein Riß und kein Loch in der Iris heilt Fig. 435. Iridodialyse. wieder zu. Sphinkterriß und Iridodialyse ver- schwinden also nicht wieder; hingegen kann die Mydriasis sich in den ersten Wochen rückbilden, kann aber auch bestehen bleiben. Das Hyphaema verschwindet stets in einigen Tagen, ohne Residuen zu hinterlassen. Die Therapie kann sich auf einen einfachen Okklusivverband und Ruhe beschränken. Bei traumatischer Mydriasis wird die Rückbildung durch Pilokarpininstillationen (1 bis 2°/o) begünstigt; ist in 4 Wochen keine Heilung eingetreten, so ist sie auch nicht mehr zu erwarten. In der Linse kann durch eine Kontusion Starbildung entstehen, die meist auf den vorderen Kortex beschränkt bleibt. Eine viel wichtigere und häufigere KontusionsVerletzung ist aber die Luxatio und Subluxatio lentis. Für jede Verschiebung der Linse ist Vorbedingung, daß ihr Aufhängeband, die Zonula Zinnii, welche sie zirkulär am Ziliarkörper befestigt, einen Riß bekommen hat. Ist dieser Riß partiell, so daß die Linse ihre Lage in der tellerförmigen Grube des Glaskörpers nicht völlig verlassen kann, so sprechen wir von einer Subluxation; ist dagegen die ganze Zonula zerrissen und hat die Linse die Fossa patellaris verlassen, so haben wir eine Luxa- tion (cf. Abschnitt „Linse", S. 470 ff.). Bei der Subluxation hat sich die Linse um ihre Achse gedreht, ge- wöhnlich um die vertikale; zugleich ist sie mehr oder weniger weit von der Riß- stelle weg verschoben, nicht selten so weit, daß ihr Rand im Pupillargebiet sichtbar wird. Je nachdem die eine oder andere Form der Verschiebung überwiegt, spricht man von Achsendrehung oder seitlicher Verschiebung; in Wahrheit ist stets beides miteinander kombiniert. In beiden Fällen schlottert die nicht mehr durch die Zonula fixierte Linse und mit ihr die Iris; zugleich ist die Vorderkammer ge- wöhnlich ungleich tief, flacher an der Seite, welcher sich die Linse genähert hat, tieler an der Seite des Zonularisses. Weiter ist bei der Achsendrehung gewöhn- lich nichts zu sehen. Bei seitlicher Verschiebung sieht man den Linsenrand als tiefschwarze Bogenlinie, wenn man mit dem Spiegel ins Auge hineinblickt Er erscheint schwarz, nicht weil er undurchsichtig wäre, sondern weil alles ihn passierende Licht so stark abgelenkt wird, daß es nicht in das Auge des Beob- achters gelangt. Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 589 Ist die Verschiebung so stark, daß der Linsenrand durch das Pupillargebiet hindurchgeht, so kann man schon bei Tageslicht die ver- schiedene Färbung des linsenhaltigen und linsenlosen Teiles der Pupille erkennen; ersterer erscheint leicht graulich und mit matten Glanz, letzterer tiefschwarz. In diesem Falle haben wir auch das eigentümliche Phänomen der monokularen Diplopie. Vom gleichen Gegenstand entwerfen sich auf der Netzhaut zwei Bilder, eines durch den linsenlosen, eines durch den linsenhaltigen Teil, aber beide unscharf. Denn wo die Linse fehlt, herrscht — vorhergehende Emmetropie vorausgesetzt — starke Hyperopie; wo sie vorhanden ist, Myopie, weil die durch die Zonula nicht mehr gespannt gehaltene Linse sich infolge ihrer Elastizität, ebenso wie bei der Akkommodation, stärker krümmt. Achsendrehung bedingt nur leichte Sehstörung, weil die schief gestellte Linse nach Art eines Zylinderglases wirkt. Bei der stets kongenitalen, stets doppelseitigen Ectopia lentis ist die Zonula überall erhalten, aber an zwei entgegengesetzten Seiten ungleich lang. Eine Heilung der Subluxation ist ausgeschlossen. Im günstigsten Falle hält sich der Zustand dauernd so, wie er kurz nach der Ver- letzung war. Es kann aber auch die Zonula stetig weiter einreißen, bis eine totale Luxation eingetreten ist, und schließlich kann sich jederzeit, am häufigsten in den ersten Wochen nach der Verletzung, Sekundärglaukom ausbilden. Nur diese Komplikation verlangt daher therapeutisches Ein- greifen. Häufig ist es möglich, durch Miotika, Verband und vor allem durch Bettruhe die Drucksteigerung allmählich zum Abklingen und zu dauernder Heilung zu bringen. Gelingt dies nicht, so muß man auf die Iridektomie und wo auch diese versagt, auf die Extrak- tion der subluxierten Linse zurückgreifen. Letztere beseitigt sicher das Glaukom, ist aber wegen der Schwierigkeit, die Linse zu fassen, und wegen der Gefahr reichlichen Glaskörperverhistcs ein ernster Eingriff. Bei einer kompletten Luxation kann sich die Linse in den Glaskörper, in die Vor der kämm er oder, wenn gleichzeitig die Sklera geborsten ist, auch unter die Bindehaut oder ganz aus dem Auge heraus verschieben. Sie bleibt hierbei fast stets in der intakten Kapsel; nur bei Luxation unter die Bindehaut findet man die Kapsel gewöhnlich eingerissen. Diesen Typus der Ver- schiebung werde ich bei den Skleralrupturen abhandeln; hier inter- essieren uns zunächst die beiden andern Formen. Die gemeinsame Ursache aller Linsendislokationen sind stärkere Prellungen, welche die Hornhaut treffen, z. B. Stock- und Peitschenhiebe oder ein anfliegender Sektpfropfen. Hieidurch wird der Bulbus von vorn nach hinten abgeflacht, also der Ansatzring der Zonula gedehnt; vor allem aber wird durch die Eindellung der Hornhaut das Kammerwasser zum Ausweichen nach hinten gezwungen. Es preßt hierbei die Iris gegen die Zonula und bringt letztere zum Bersten. Kam der Stoß gerade von vorn und war er heftig genug, so wird die Zonula im ganzen Umkreis zerreißen; kam er schief von vorn, so reißt sie nur an einer Seite. In manchen Fällen buchtet die nach hinten drängende Kammerwasserwelle die mittleren Teile der Iris so stark nach hinten, daß der stark gedehnte Pupillarrand um den Linsenäquator herumgleitet, und die Iris bei der jetzt einsetzenden Sphinkterkontraktion hinter der Linse sich zusammenzieht. Die Linse liegt jetzt in der Vorderkammer. Bisweilen reicht die Kraft nicht aus, den ganzen Pupillarrand um die Linse herumzuschlendern, und diese bleibt in der Pupille stecken, die sich sofort krampfhaft um sie zu- sammenzieht und sie festklemmt. Bei der Luxation in den Glaskörper verläßt die Linse die optische Achse des Auges; dieses wird also hochgradig übersichtig, und der Patient be- klagt sich über starke Herabsetzung seines Sehvermögens. Bei der objektiven 37* 590 0. Schirm er, Untersuchung findet man die Vorderkammer vertieft; die Iris, deren Pupillarrand nicht mehr durch die Linse nach vorn gedrängt wird, ist in eine frontale Ebene zurückgesunken und schlottert stark bei Bewegungen des Auges — Irido- donesis. Die Pupille erscheint auffallend schwarz, und die Linsenbildchen fehlen. Die luxierte Linse ist nur bei der Untersuchung mit dem Augenspiegel zu sehen und erscheint als eine durchsichtige, rundliche Scheibe mit schwarzem Rand. Prognose und Therapie sind etwa die gleichen, wie bei der Subluxation. Das Auge kann bis ans Lebensende reizlos und funktionsfähig bleiben, und man hat keinen Grund, unter solchen Umständen therapeutisch einzugreifen. Die wichtigste und nicht gerade seltene Komplikation ist auch hier das irritative Glaukom, gegen welches in gleicher Weise wie bei der Subluxation Eserin und Bettruhe oder die Iridektomie oder schließlich die Extraktion der luxierten Linse ins Feld zu führen sind. Seltener kann die Linse durch ihr Anschlagen an die Bulbusinnenwand chronische Cyklitiden und Chorioiditiden mit Glaskörper- trübungen erzeugen und muß auch in diesem Falle entfernt werden. In der Vorderkammer ist die luxierte Linse, auch wenn sie völlig durchsichtig ist, meist ohne Schwierigkeit zu entdecken. Sie erscheint infolge ihres höheren Brechungsindex wie ein glänzender Tropfen, etwa ein Öltropfen, ist von leicht gelblicher Farbe und füllt die Vorderkammer nicht vollständig aus. Zuweilen wenn die Kornea glaukomatös getrübt ist, kann es aber große Schwierig- keiten machen, eine sichere Diagnose zu stellen. Man muß in solchen Fällen bei Lampen- und bei Tageslicht nach dem oberen Linsenrand suchen, der bei be- stimmter Richtung des Lichteinfalls plötzlich hell aufglänzt. Die Sehstörung ist gewöhnlich recht erheblich, weniger durch die auch hier eintretende Myopie, als durch das schnelle Einsetzen von Komplikationen, von welchen wieder das Glaukom die wichtigste ist. Die Blockierung des der Linse anliegenden Pupillarrandes und die dadurch bedingte Absperrung der beiden Kammern gegeneinander bewirkt mitunter schon nach Stunden, meist nach einer Reihe von Tagen Steigerung des intraokularen Druckes. Heftige Schmerzen und starke Abnahme des Sehvermögens zeigen dies dem Patienten an. Der Arzt entdeckt dann eine stark gestippte, trübe Kornea und grobe, düstere Injektion der Bulbusoberfläche. Die sofortige ICxtraktion der Linse ist in diesen Fällen indiziert und meist ohne Schwierigkeit ausführbar. Aber auch wo das Glaukom zunächst ausbleibt, ist die sofortige Extrak- tion der Linse das richtigste Verfahren, denn noch andere Gefahren drohen dem Auge. Vor allem ausgedehnte und irreparable Hornhauttrübung. Denn durch die Anlagerung der Linse an die Hornhautrückfläche leidet das Descemetsche Endothel und wird abgeschilfert; durch die nackte Descemetsche Membran dringt dann das Kammerwasser leicht in die Hornhaut ein und bringt sie zur Quellung und Trü- bung. Da außerdem die Linse in der Vorderkammer regelmäßig nach einiger Zeit kataraktös wird und das Glaukom sehr selten auf die Dauer ausbleibt, tut man am besten, jede in die Vorderkammer gefallene Linse primär zu extrahieren. Heftige Kontusionen des Bulbus führen mitunter zu isolierten Einrissen der Aderhaut (cf. Tafel IX, Fig. 2a) in der Gegend des hinteren Poles. Sie liegen gewöhnlich konzentrisch, selten radiär zur Papille und zwar häufiger an ihrer temporalen Seite. Solange sie frisch sind, findet man ihre Ränder mit Blut umsäumt und die darüber liegende Netzbaut zwar nicht zerrissen, aber leicht getrübt. Bald resorbieren sich Blut und Trübung, und die Ränder des weißen Risses, hier und da von dunklem Pigment eingefasst, treten scharf hervor. Ist nicht zufällig die Macula selbst betroffen, so bedingt ein Aderhautriß keine Sehstörnng. Erfolgt aus den durchrissenen Gefäßen eine reichlichere Blutung, so kann sich dieselbe, ebenso wie auch aus zerrissenem Netzhaut- gefäß, in den Glaskörper ergießen und erscheint hier — bei Betrach- tung mit dem Augenspiegel — als große, dunkle Wolke; bisweilen ist sie bei weiter Pupille auch schon bei fokaler Beleuchtung sichtbar Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 591 und an ihrer dunkelroten Farbe als Blut zu erkennen. Eine Glas- körperblutung ist stets viel ernster zu nehmen, als eine Vorderkammerblutung. Sie braucht Wochen, zuweilen Monate zur Resorption und kann pigmentierte Bindegewebsschwarten hinterlassen, die das Sehvermögen erheblich stören und bisweilen selbst zur Netzhautablösung führen. Die Behandlung besteht in den ersten Tagen in Bettruhe und Druckverband; später muß man durch Resorbentien — Jodkalium, Schwitzen, subkonjunktivale Injektionen — das Blut möglichst schnell und vollständig der Aufsaugung zuführen. An der Netzhaut beobachtet man nicht selten eine graue bis milchweiße Trübung, Commotio retinae (cf. Tafel IX, Fig. 2b), die einige Stunden nach der Kontusion auftritt und nach 2—3 Tagen wieder zu verschwinden pflegt. Sie findet sich als unregelmäßiger, größerer Fleck an der Stelle, die vom Stoß getroffen war, seltener auch an der entgegengesetzten Seite; bisweilen ist auch die Macula- gegend von einer halbkreisförmigen Trübung eingenommen. Die Sch- störung hierbei ist unbedeutend und verschwindet ohne weitere Be- handlung in einigen Tagen wieder. Die anatomische Ursache dieser Anomalie ist ein Odem der Netzhaut. Viel wichtiger als diese vorübergehenden Störungen sind die Ver- änderungen, welche sich nach stärkeren Kontusionen in der Macula- gegend ausbilden und fast stets zu bleibender und hochgradiger Sehstörung führen. Es handelt sich hierbei um so geringfügige, ophthalmoskopische Befunde, daß ihre Diagnose ohne künstliche Erweiterung der Pupille oft unmöglich ist. Neben und in der Macula liegen kleinste rötliche oder gelbliche, selten weißliche Herdchen von etwas dunklerer Pigmentierung eingerahmt, aber meist ohne intensiv schwarze Pigmentherde. Sie erinnern sehr an die ganz analogen Bilder, die man als senile Veränderung, bei Kompression des Aug- apfels durch Orbitaltumoren oder bei aseptischen Fremdkörpern im Bulbus mitunter findet; auch die allerersten Anfänge der myopischen Maculaveränderung können ihnen ähnlich sein. Es handelt sich um degenerative Veränderungen in Netzhaut und Aderhaut, die zuweilen zu so hochgradiger Rarefaktion des zarten Netzhautgewebes führen, daß es zu ausgedehnter Lochbildung in der Macula kommt. Dieselbe erscheint als hellroter Fleck in trübgrauer Umgebung, etwa von der Größe der Papille. Diese Veränderungen können wochen- und monatelang progressiv sein und das Sehvermögen auf Finger- zählen in kurzer Distanz reduzieren; jede Therapie ist aussichtslos. Kontusionsruptur des Bulbus. Tritt man mit dem Fuß auf einen am Boden liegenden Aug- apfel, so platzt derselbe, sowie der innere Druck eine solche Höhe erreicht hat, daß ihn die Wandungen nicht mehr zu tragen vermögen, und zwar erfolgt der Riß von innen nach außen; die innerste Haut reißt zuerst. Genau ebenso platzt der in situ befindliche Bulbus, wenn ihn ein heftiger Stoß, z. B. durch ein Kuhhorn oder ein starker Stockschlag trifft und gegen das Orbitalgewebe anpreßt. Hierbei erfolgt der Riß fast stets in der Lederhaut — Skierairuptur — und liegt konzentrisch zum Hornhautrande, 1—2 mm von demselben ent- fernt; die Prädilektionsstelle ist der nasale obere Quadrant. 592 0. Schirmer. Wenn auch kleine Rupturen der Sklera vorkommen, so handelt es sich doch meist um sehr ausgedehnte Risse; zuweilen erstrecken sie sich über einen ganzen Quadranten. Die mechanischen Folgen der Verletzung pflegen deshalb sehr hochgradige zu sein, viel hoch- gradiger, als bei den Stich- und Schnittverletzungen. Bisweilen ist die nur locker dem Bulbus aufliegende Konjunktiva intakt erhalten ge- blieben. Diese subkonjunktivalen Rupturen bieten in ihrem Aussehen und prognostisch mancherlei Besonderheiten. Ist die Ruptur eine offene, so sieht man gewöhnlich ohne weiteres die leicht klaffenden Wundränder, eingesäumt von blutig suffundierter, leicht geschwellter Bindehaut. Zwischen ihnen erscheint der Glaskörper, in frischen Fällen als eine durchsichtige, in situ dunkel erscheinende, glänzende Masse von gallertiger Konsistenz; nach 1—2 Tagen wird er graulich getrübt und von mehr schleimiger Beschaffenheit; er ist gewöhnlich blutig imbibiert. Weiter ist in der Regel Iris oder Ziliarkörper in die Wunde vorgefallen und erscheint als ein schwärzlicher Fetzen oder Strang. Dementsprechend fehlt gewöhnlich in der Wundgegend, also oben innen, die Iris an ihrer normalen Stelle; wir haben ein traumatischeslris- k o 1 o b o m. Es kann sogar, ebenso wie die Linse, die ganze Iris aus dem Bulbus herausgerissen werden — traumatische Ani- ridie. Ist die Bindehaut erhalten geblieben, so fin- det man sie an der Stelle der Ruptur wulstförmig abgehoben durch einen großen Bluterguß. Dies Blut verdeckt alle aus dem Bulbus prolabierten Teile, also Glaskörper und Uvea, nur die subkonjunktival luxierte Linse ist gewöhnlich an ihrer cha- rakteristischen Form und gelblichen Farbe auch durch das Blut hin- durch zu sehen. Die Wundränder sind in frischeren Fällen niemals Fig. 426. Ruptur der Sklera mit subkon- junktival luxierter Linse. C. c Fig. 427. Äubkonjunktivale Linsenluxation. SR Skleralriß mit eingelagerter Iris, L luxierte, aus der Kapsel getretene Linse, Lt Linsenrest an normaler Stelle, (' Kornea, C. c. Corpus ciliare. Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 593 direkt zu sehen, und es bildet deshalb der Nachweis, daß der Bulbus breiweich ist, ein ^wichtiges, diagnostisches Hilfsmittel. Die Prognose ist bei den Rupturen entschieden etwas gün- stiger, als bei den Schnitt- und Stichverletzungen. Denn eine primäre Infektion ist hier, wo kein Fremdkörper in den Bulbus eindringt, unmöglich, und auch eine sekundäre Infektion vom Konjunktivalsack aus kann nur bei offenen Rupturen eintreten; bei der subkonjunktivalen Ruptur bietet die Bindehaut, wenn sie wirklich völlig intakt ist — und das ist sie meistens — einen sicheren Schutz gegen das Ein- dringen von Mikroben. Auch die Gefahr profusen Glaskörper- verlustes ist bei den subkonjunktivalen Rissen nicht groß, denn unter der abgehobenen Bindehaut hat nicht viel Corpus vitreum Platz. Bei offenen Wunden aber kann es zu massenhaftem Austritt von Glas- körper kommen und damit zu allen üblen Folgen desselben, Ablatio retinae und Phthisis bulbi. Daß die Einheilung des vorgefallenen Bulbusinbaltes, speziell des Ziliarkörpers, in die Wunde Ursache dauernder Reizzustände und progressiver, chronischer Entzündungen werden könne, ist ein Aberglaube der älteren Ophthalmologie; die größten Teile Uvea können reizlos in die Bulbuswand einheilen. Therapie. Ist die Bindehaut erhalten, so ist die Therapie sehr einfach. Unter Druckverband und Bettruhe heilen die Wund- ränder fast ausnahmslos wieder fest zusammen, das ergossene Blut resorbiert sich, und es stellt sich oft ein recht gutes Sehvermögen wieder ein. Liegt die Linse unter der Bindehaut, so wartet man am besten erst die Heilung der Skleralwunde ab, ehe man sie durch einen kleinen Einschnitt in die Konjunktiva herausbefördert. Offene Rupturen schickt der praktische Arzt besser unter einem sicheren Schutzverband in eine Augenklinik; denn hier ist ein sofortiger Eingriff zur Erzielung schneller und dauernder Heilung entschieden zweckmäßiger, als das exspektative Verfahren. Nach gründlicher Säuberung der Wunde müssen alle vorgefallenen Teile mit Schere und Pinzette abgetragen werden und die Wund ränder durch Nähte vereinigt, welche die Konjunktiva oder wenn die Wunde stark klafft, auch die Skleralränder fassen müssen. Unter Druck- verband und Bettruhe pflegt dann in 8—10 Tagen glatte Heilung einzutreten. Treten chronische Reizzustände oder Entzündungen während der Heilung auf, so war die Wunde infiziert, und es gelten für das klinische Bild, für Prognose und Behandlung alle die Regeln, welche ich oben ausführlicher geschildert habe. Wegen der Schwere der mechanischen Veränderungen pflegt in diesen Fällen die Prognose besonders schlecht zu sein. Die Gefahr sympathischer Entzündung besteht bei den Rupturen, wie bei jeder perforierenden Verletzung, und es muß deshalb auch hier die prophylaktische Enukleation häufig in Anwendung gebracht werden. Die Kontusionsverletzungen der Orbita gehören zum großen Teil in das Gebiet der Chirurgie, speziell die Frakturen des Orbitaldaches, das ja zu- gleich den Boden der vorderen Schädelgrube bildet. Hierbei tritt stets aus den durchrissenen Periostgefäßen eine Blutung in das Orbitalgewebe ein, die indes selten so erheblich ist, daß sie zu deutlichem Exophthalmus führt. Gewöhnlich bahnt sich das Blut einen Weg nach vorn und kommt nach einigen Tagen, vom Fornix her vordringend, unter der Konjunktiva zum Vorschein. Dieses späte Auf- treten unterscheidet diese Art der Blutung von den an Ort und Stelle entstan- 594 0. S c h i r m e r, denen und verleiht ihr die gleiche diagnostische Bedeutung für die .Basisfrakturen durch die vordere Schädelgrube, wie sie den Ohrblutungen für die mittlere Schädel- grube zukommt. Geht der Bruch durch den Canalis opticus, so bedingt die geringste Verschiebung der Knochenstücke eine Quetschung des N. opticus. Nach ihrer Intensität ruft dieselbe eine leichtere oder stärkere Funktionsstörung bis zur völligen Erblindung hervor. Hierbei tritt in gleicher Weise, wie ich das früher für die Stichverletzungen des Sehnerven geschildert habe (S. 579), Verlust der Pu- pillenreaktion bei Belichtung dieses Auges, sowie deszendierende Atrophie des Sehnerven auf, die nach 3—4 Wochen als weiße Verfärbung der Sehnervenpapille ophthalmoskopisch sichtbar wird. Auch Impression von Knochensplittern in den Nervenstamm, Blutungen in den Nerv oder in den Zwischenscheidenraum kommen zur Beobachtung und erzeugen Herabsetzung der Sehschärfe und entsprechende Gesichtsfelddefekte. Hat die Fraktur ihren Sitz in den vorderen Teilen der Orbita, so kann sie eine der umgebenden pneumatischen Knochenhöhlen — Highmorshöhle, Stirnbein- höhle, Siebbeinhöhle — eröffnen und durch eine Fissur mit dem Unterhautzell- gewebe der Lider oder mit der Orbita in Verbindung setzen. Schneuzt sich nun der Patient und komprimiert hierdurch die Luft in der Nase und ihren Neben- höhlen — auch vom zerrissenen Tränensack aus ist es möglich — so dringt plötz- lich eine größere Menge Luft in Lider oder Orbita ein und kann sehr erhebliche Anschwellung derselben hervorrufen — Emphyseiua palpebrarum resp. Orbitae. Zuweilen tritt dies erst einige Stunden nach der Verletzung auf. Dies Hautemphysem, das sich bis in die Schläfen- und Wangengegend er- strecken kann, bietet dem tastenden Finger ein eigentümlich knisterndes Gefühl, wie wenn man kleine Kügelchen unter der Haut hin und her bewegt; bei Per- kussion gibt es exquisit tympanitischen Schall. Emphysem der Orbita bedingt Protrusio bulbi, die mitunter recht hochgradig sein kann. Die Luft resorbiert sich regelmäßig wieder, ohne daß ein bleibender Schaden entstünde; man muß nur durch das Verbot des Schneuzens Sorge tragen, daß nicht fortwährend neuer Nachschub in die Gewebe dringt. Ein Druckverband beschleunigt die Auf- saugung. Ein Fall auf den Kopf aus größerer Höhe erzeugt zuweüen einen Exoph- thalmus, der nicht auf einer Blutung, sondern auf Gefäßausdehnung in der Orbita beruht und sich von allen anderen Vortreibungen des Augapfels dadurch unter- scheidet, daß er synchron dem Herzschlag pulsiert: ..pulsierender Exophthal- mus". Derselbe entsteht dadurch, daß ein abgesplit- tertes Knochenfragment die Carotis interna während ihres Durchtritts durch den Sinus cavernosus anspießt und so eine Kommunika- tion zwischen beiden her- stellt. Durch das Loch er- gießt sich arterielles Blut in den kavernösen Sinus und die kommunizierenden venösen Bahnen, speziell die einmündenden orbitalen Venen. Diese weiden hier- durch unter den hohen Druck des arteriellen Sy- stems gesetzt und stark aus- Fig. 428. Pulsierender Exophthalmus. gedehnt; zugleich strömt Unter beiden Lidern und am innern Lidwinkel sind jede Pulswelle in sie ein, die stark ausgedehnten Venen deutlich unter der wie in eine Arterie. Die Haut sichtbar. Folgen für das Auge sind: Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 595 Protrusio bulbi, Ausdehnung der sichtbaren Venen auf Sklera, Lidern, Stirn und rhythmische Zunahme und Abnahme des Exophthalmus synchron dem Herzschlage, die mit der aufgelegten Hand stets leicht fühlbar ist. Zugleich hört man, wenn man das Stethoskop auf den Bulbus oder die Stirn setzt, ein sausendes oder blasendes Geräusch, das rhythmisch an- und abschwillt. Auch der Patient hört dies Geräusch und ist oft sehr dadurch belästigt. Kompression der gleichseitigen Carotis communis läßt sofort alle Pulsationsphänomene verschwinden. Eine Heilung dieses Aneurysma arterio-venosum ist nur durch Be- seitigung der Kommunikation zwischen beiden Gefäßen möglich; die Lücke muß durch einen sich später organisierenden Fibrinpfropf geschlossen werden, oder eine Gerinnung in einem der beiden Gefäße eintreten. Zuweilen kann man dies durch länger fortgesetzte Digitalkompression der Carotis communis erreichen; meist wird es aber nötig, dies Gefäß zu unterbinden. Diese Operation gibt nicht nur quoad vitam eine recht gute Prognose, da die Kollateralen durch die vorher- gehende Digitalkompression alle gedehnt sind, sondern auch quoad sanationem, und die Heilung ist bei fiischen Fällen mei?t eine vollständige. In neuerer Zeit ist .auch mehrfach mit Erfolg der Versuch gemacht, die ektatischen Venen der Orbita zu exzidieren. Wird eine Behandlung unterlassen oder mißlingt sie, so nimmt die Ausdehnung der venösen Gefäße innerhalb und außerhalb des Schädels stetig zu, bis eines derselben platzt und Anlaß zu einer tödlichen Blutung gibt. Auch Zurücksinken des Bulbus in die Orbita — Enophthalmus — kommt nach schweren Traumen vor, wenn dieselben zu einer Fraktur der Orbitalwände geführt haben und Orbitalinhalt durch die Lücken ausgetreten ist (cf. Abb. 4>Hj. auf S. 6LH in Abschnitt „Orbita"). Noch auffallender, als das Zurücksinken des Bulbus pflegt in diesen Fällen das Herabsinken des nicht mehr genügend gestützten oberen Lides zu sein. Eine Therapie ist meist unmöglich. C. Verätzungen und Verbrennungen des Auges. Eine Sonderstellung nehmen diejenigen Verletzungen ein, bei welchen die mechanische Wirkung des verletzenden Agens hinter der chemischen oder physikalischen in den Hintergrund tritt. Am häu- figsten handelt es sich bei den Verletzungen um Alkalien (gelöschter Kalk, Mörtel, Lauge), selten um Säuren (Schwefelsäure). Verbren- nungen kommen am häufigsten durch Zigarren oder umherspritzendes Fett, bei Arbeitern in Gießereien auch oft durch flüssige Metalle (Eisen) zustande; hingegen sind Pulverexplosionen gewöhnlich nicht mit einer Verbrennung verbunden. Alle diese Verletzungen sind in ihren Fol- gen für das Auge und in den Veränderungen, die sie erzeugen, ein- ander so ähnlich, daß sie gemeinsam abgehandelt werden können. Verätzungen und Verbrennungen der Lidhaut rufen Rötung und Schwellung derselben hervor; in schwereren Fällen ist das Epithel in Blasen ab- gehoben ; kommt es, wie sehr häufig, zur Nekrose, so treten flache, mit gelblichen Schorlen bedeckte Substanzverluste auf. Säuren, besonders Schwefelsäure, mumi- fizieren die Haut zu einer braunen, pergamentähnlichen Masse. Die Behandlung besteht in kühlen Umschlägen mit essigsaurer Tonerde, falls die Verletzungen des Augapfels eine offene Behandlung gestatten; speziell die Schmerzen werden durch diese Therapie schnell gelindert. Muß verbunden werden, so soll man eine indifferente Kühlsalbe auflegen. Ist die Haut in ihrer ganzen Dicke nekrotisiert, so bilden sich Narben aus, welche bei der leichten Verschieblichkeit der Lidhaut sehr oft zu Verziehungen des Lidrandes Anlaß geben. Besonders das Ektropium des unteren Lides ist eine häufige Folge schwererer Verbrennungen und bedarf operativer Beseitigung. Hierbei ist von größter Wichtigkeit, daß sämtliche Narbenstränge durchtrennt und narbige Schwielen exzidiert werden, ehe man den gestielten oder ungestielten Lappen in den Defekt einpflanzt. 596 0. Schirm er, Auch bei den Verbrennungen und Verätzungen der Konjunktiva lassen sich Läsionen ersten Grades — Hyperämie — und dritten Grades — Nekrose — scharf unterscheiden; der von den Hautverbrennungen her bekannte zweite Grad, die Blasenbildung, kommt aber niemals zur Beobachtung, weil das Bindehautepithel zu zart ist, als daß es Blasen bilden könnte. Zur Hyperämie gesellt sich an der Bindehaut stets eine schlei- mige Absonderung, so daß wir bei leichten Verbrennungen und Ver- ätzungen mit diluierten Chemikalien, die übrigens durch die herbei- stürzenden Tränen sofort weiter verdünnt werden, das Bild der akuten Konjunktivitis haben. Es findet sich also Rötung und Schwellung gewöhnlich der unteren Übergangsfalte und der unteren Lidbinde- haut, während die Conjunctiva bulbi lebhaft injiziert, nicht selten sogar chemotisch ist. Auch am Bulbus finden sich die Hauptverän- derungen in seiner unteren Hälfte, da das Auge bei jeder drohenden Gefahr nach oben flieht; oberhalb der Kornea schützt das obere Lid gegen die direkte Einwirkung der Atzstoffe, und hier finden wir deshalb die Bindehaut unverhältnismäßig blaß und wenig verändert. Es gibt dies dem Aussehen des Auges etwas so Charakteristisches, daß man hieran die Conjunctivitis chemica von der akuten katarrha- lischen Konjunktivitis mit ihrer gleichmäßigen Verbreitung von Rötung und Schwellung mit ziemlicher Sicherheit unterscheiden kann. Von Wichtigkeit ist dies bei den artefiziellen Bindehautentzün- dungen, welche sich Simulanten und Hysteriker, zumeist durch Salz- körnchen oder Zigarrenasche erzeugen. Bei der Behandlung muß man vor allem daran denken, daß es sich um eine stark überreizte Bindehaut handelt, der weitere Reize durchaus ferngehalten werden müssen. Alle Kaustika und stärkeren Adstringentien, die wir bei akuten Konjunktivitiden anwenden, sind deshalb durchaus zu vermeiden, und lediglich kühle Umschläge mit Blei- oder Borwasser am Platz. Etwa bestehende heftigere Schmerzen kann man durch mehrmaliges Einstreichen einer 2°/o Kokainsalbe sehr mildern. Nekrotische Stellen der Bindehaut erscheinen weiß, von starker Injektion, mitunter auch kleineren Blutungen umgeben. Dabei ist der ganze Bindehautsack hochgradig entzündet, weil die chemische oder physikalische Noxe in geringerer Intensität auch die ganze Nachbar- schaft getroffen hat. In den ersten Tagen bestehen meist stärkere Schmerzen und längere Zeit reichliche Absonderung; die nekrotischen Stellen bedecken sich häufig mit leichten fibrinösen Belägen. — Der weitere Verlauf gestaltet sich derart, daß weiße Stellen von geringer Ausdehnung durch einfache Resorption wieder verschwinden können. Größere nekrotische Stellen stoßen sich dagegen in toto ab, und es hinterbleibt eine ulzerierte Fläche, aus welcher bald Granu- lationen hervorsprießen. Die Deckung des Defektes geschieht dann nur zum geringen Teil durch Verschiebung des Konjunktivalepithels, hauptsächlich durch Herbeiziehung der benachbarten Bindehaut. Die hierdurch bedingte narbige Schrumpfung und die gebildeten Narben- stränge behindern aber nur selten die Beweglichkeit des Augapfels, wenn nicht die A'erbrennung zwei einander gegenüberliegende Flächen, also Bulbusoberfläche und Lidinnenfläche getroffen hatte. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn Kalkkrümel einige Zeit im Binde- Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädig hautsack liegen blieben oder bei Verbrennungen mit flüssigem Me- tall, wenn die sofort krampfhaft geschlossenen Lider einen Teil des- selben zurückhielten. Dies erstarrt dann in Form einer dünnen Platte die ein Abguß des Bindehautsackes ist. Reicht in solchen Fällen die Verätzung bis in die Übergangsfalte, so entsteht ein Symplepha- ron. Es ist unmöglich, eine Verwachsung des Lides mit dem Bulbus zu verhindern; regelmäßiges Lösen der Verklebungen, Einstreichen von Salben,_ Einlegen oder Einnähen von Zelluloidplatten und dergl. nützt gar nichts dagegen. Nur wenn der Fornix in größerer Aus- dehnung erhalten ist, kann man hoffen, durch häufiges Lösen der Adhäsionen und Einstreichen von Sublimatsalbe (1 : 3000) einer Ver- wachsung vorzubeugen und eine isolierte Vernarbung jeder der beiden Flächen zu erzielen. Die Therapie hat vor allem die Aufgabe, etwa zurückgeblie- bene Atzstoffe möglichst schnell aus dem Bindehautsack zu entfernen. Bei den so häufigen Kalk- und Mörtel Verletzungen geschieht dies gewöhnlich gleich auf dem Bau durch einen Arbeiter. Zweck- mäßig ist es hierbei, den Verletz- ten auf die Erde zu legen und aus etwa 2 Fuß Höhe reines Wasser in dünnem Strahl auf das Auge zu gießen. Die Lider desselben wer- den hierbei durch einen dritten weit geöffnet gehalten, das untere Lid womöglich ektropioniert. Hier- durch wird aber niemals alles ent- fernt, und soll mit diesen Manipula- tionen nicht zu viel Zeit verloren werden. Sondern der Patient soll möglichst schnell zum Arzt, der eine sorgfältige Nachlese bei der ersten Konsultation vorzunehmen hat. Es muß der Bindehautsack kokai- nisiert werden — 5 Tropfen einer 4c/o Lösung mit 1 Minute Zwischen- raum genügen meist — und dann in seiner ganzen Ausdehnung, besonders auch nach doppeltem Umklappen des oberen Lides die obere Über- gangsfalte, gründlich abgesucht und mit feuchtem Wattebausch aus- gewischt werden. Festhaftende Bröckel hebt man am besten mit einer Pinzette oder einem Löffel ab, natürlich ohne die benachbarte Bindehaut zu verletzen. Diese mechanische Säuberung ist sehr wichtig und muß mit größter Sorgfalt ausgeführt werden. Nach beendigter Reinigung und Spülung streicht man reichlich Salbe ein (Lanolin und Vaselin), welche die wunden Stellen einhüllt. Die Nachbehandlung besteht in kühlen Umschlägen, eventuell Kokain- salbe. Nach einigen Tagen sind den Patienten häufig warme Kom- pressen angenehmer, die auch den Vorteil haben, die Abstoßung der Schorfe zu beschleunigen. — Haben sich Narbenstränge oder ein Symblepharon gebildet, das den Patienten lästig fällt, so müssen die Verwachsungen gelöst und die entstandenen Defekte durch Verschie- bung der Conjunctiva bulbi oder durch Überpflanzen von Mund-, Präputial- oder Vaginalschleimhaut, oder auch durch Thi er seh sehe Läppchen gedeckt werden. Fig. 429. Symblepharon. 598 0. Schirm er, Konzentrieite Zuckerlösung und Glyzerin 30°/o sollen zurückgebliebene Kalkreste unschädlich machen; ebenso bewirkt Bespülung mit kohlensaurem Wasser die Bildung von (nicht ätzendem) kohlensaurem Kalk, die mit Bitterwasser führt den Kalk in (ebenfalls nicht ätzenden) Gips über. Man kann diese Flüssig- keiten, wenn man sie gerade zur Hand hat, zur Nachspülung der Bindehaut be- nutzen; die mechanische Reinigung können sie aber nie ersetzen. Die Verbrennungen und Verätzungen der Kornea sind für die Schwere der ganzen Verletzung maßgebend. Die Folgen der Narbenbildung in Lidern und Bindehaut lassen sich fast stets durch operative Eingriffe auf ein erträgliches Maß zurückführen; aber die schweren Trübungen, welche in der Hornhaut zurückbleiben, sind gewöhnlich keiner Therapie zugängig. Die Intensität der Hornhautnarbe ist bei Verbrennungen in erster Linie von der Tiefe abhängig, bis zu welcher das Parenchym nekrotisiert worden ist. Handelt es sich nur um Nekrose des Epithels, wie so häufig, wenn Tröpfchen kochendes Fett oder Wasser gegen das Auge spritzen oder wenn eine Brennschere gegen das Auge stößt, so ist die Prognose trotz anfangs heftiger Schmerzen durchaus gut. Man findet die Epithelien an der versengten Stelle zu einem weißlichen Schleier geronnen; binnen 24 Stunden stoßen sie sich aber ab — Sublimatsalbe und Schutzverband — und nach 2—3 Tagen ist die Stelle neu epithelisiert und alles zur Norm zurückgekehrt. Wie tief die Verschorfung ins Parenchym greift, ist schwer zu beurteilen, denn die Intensität der Trübung gibt uns nur einen un- gefähren Anhaltspunkt. Jedenfalls überwiegt die Gefahr, daß man zu günstig prognostiziert. Reicht die Nekrose durch die ganze Dicke der Kornea, wie es besonders häufig bei den Verletzungen durch flüssiges Metall der Fall ist, so ist dieselbe intensiv weißgrau, ihre Oberfläche trocken, nicht selten leicht gerunzelt und ihre Sensibilität völlig geschwunden. Eine solche Membran stößt sich stets in toto ab. Die Iris fällt in der ganzen Ausdehnung der Perforation vor, und es kann zu ausgedehnter Staphyl ombildun g kommen, falls keine Phthisis bulbi eintritt. Die Therapie muß sich auch hier auf Einstreichen einer Sublimat- oder (10°/o) Jodoformsalbe mit Atropin und auf Anlegen eines Schutzverbandes beschränken. Begreift die Verätzung einen großen Teil des Hornhautrandes mit ein, so wächst von hier nicht selten die Bindehaut auf den Defekt hinauf — Narbenpterygium. Die Gefahr einer totalen Nekrose ist bei den Verätzungen viel geringer; hingegen tritt bei den so häufigen Kalkverletzungen eine andere Gefahr in den Vordergrund, daß sich nämlich die Horn- haut durchEinlagerung einer undurchsichtigen Kalkver- bindung völlig trübt. Welcher Art dieselbe ist, steht noch nicht völlig fest; wahrscheinlich ist es Kalziumkarbonat. Da sich dasselbe spontan nur in geringem Maße resorbiert, hat man versucht, es durch geeignete Reagentien zur Auflösung zu bringen. Als bestes Mittel hierzu ist eine 10 % ige Lösung von neutralem Ammoniumtartrat empfohlen worden; doch ist es auch hiermit nötig, wochenlang ein- bis zweimal täglich halbstündige laue Bäder auf das Auge zu applizieren, wenn man sichtbare Erfolge haben will. An dieser Stelle müssen auch die Veränderungen besprochen werden, welche am Auge durch die ultravioletten Strahlen, durch Röntgen-, Radium- und Wärmestralilen, sowie durch den Blitzschlag auftreten können. Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 599 Von den ultr avi oletten Strahlen ist seit langem bekannt, daß ihnen von allen Strahlen des Sonnenspektrums die intensivste chemische Wirkung zu- kommt. Dementsprechend rufen sie auch in allen Geweben, welche sie treffen, starke entzündliche Veränderungen hervor. Sie sind es im wesentlichen, welche das „Sonnenstich" genannte Hauterythem erzeugen, wenn Körperteile, die ge- wöhnlich durch die Kleider geschützt sind, für längere Zeit den Sonnenstrahlen ausgesetzt werden; sie sind es, welche die sogenannte Schneeblindheit erzeugen, da von weißen Schneeflächen gerade die ultravioletten Strahlen in großer Menge reflektiert werden, und sie spielen eine Rolle bei den Augenverletzungen durch elektrischen Kurzschluß. Die Sehneeblindheit ist durchaus nicht, wie der Name anzudeuten scheint, mit einer starken Herabsetzung des Sehvermögens verbunden, denn die Linse absorbiert den größten Teil der ultravioletten Strahlen und schützt so Netzhaut und Aderhaut gegen ihre schädliche Wirkung. Vielmehr ist Schneeblindheit ledig- lich eine akute Konjunktivitis mit schleimiger Absonderung, welche einige Stunden nach Einwirkung dieser Strahlen auftritt; nur in schweren Fällen gesellt sich eine haucliförmige Trübung der Hornhaut hinzu. Schutz des Auges durch rauch- graue Gläser bei längeren Schnee- und Gletscherwanderungen ist ein sicheres Prophylaktikum; als Therapie genügen kühle Bleiwasserumschläge. Auch wenn die Augen in die sehr hellen Lichterscheinungen bei elektri- schem Kurzschluß gesehen haben, entstehen nach einigen Stunden Inkuba- tionszeit Konjunktivitiden und Keratitiden, weil das entstehende Licht sehr reich an ultravioletten Strahlen ist. Sie geben ebenfalls bei kühlen Bleiumschlägen eine gute Prognose. Selten ist der Reizzustand sehr heftig und hält längere Zeit an; dann ist auch die Lichtscheu mitunter erheblich. Es spielen beim Kurzschluß aber noch andere Momente eine wichtige Rolle. Zunächst der elektrische Schlag, welcher den Körper in vielen Fällen durchläuft. Hysterische und neurasthenische Zustände, die sich nicht selten mit einer funktio- nellen Sehstörung kombinieren, sind seine Folge. Und schließlich hat man schwere intraokulare Erkrankungen beobachtet: Retinitis, ausgedehnte Chorioiditis, Netz- hautablösung u. a., deren Prognose keine besonders günstige ist. Sie verdanken ihre Entstehung wahrscheinlich der Einwirkung von Wärmestrahlen und leuch- tenden Strahlen, vielleicht auch von elektrischer Entladung auf die inneren Augenhäute. Nach Blitzschlag findet man von allen geschilderten Veränderungen nur selten eine oder die andere. Dagegen kommt häufiger Blitzkatarakt vor, die wieder beim Kurzschluß fehlt. Sie entsteht vermutlich durch Zerstörung der Kapselepithelien, wodurch dem Kammerwasser der Eintritt in die Linse ermöglicht wird. Zuweilen bleibt der Staar partiell; wird er total, so kann er mit Aussicht auf Erfolg extra- hiert werden. Eine reine Verbrennung der Makula ist die Störung, welche nach Sonnenfinsternissen bei Leuten beobachtet wird, die mit ungenügend oder gar nicht geschützten Augen die Sonne beobachtet haben. Sie klagen sofort über erhebliche Herabsetzung der Sehschärfe, ein positives zentrales Skotom und starkes Flimmern im Gesichtsfeld. Ophthalmoskopisch findet man einen rötlichen Fleck in der Makula, die versengte Stelle. In leichteren Fällen können bei Dunkel- aufenthalt und Schonung des Auges die Erscheinungen zurückgehen; meist aber bleibt das zentrale Skotom und die herabgesetzte Sehschärfe (cf. auch „Retina", S. 530). Auch die Röntgen- und Radiumstrahlen vermögen schwere und irreparable Veränderungen am Auge hervorzurufen. Dieselben treten zuweilen trotz des Schutzes des Auges durch Bleiplatten auf und mahnen zu größter Vor- sicht bei Anwendung dieser Strahlen in der Nähe des Auges. Im Gegensatz zu den ultravioletten Strahlen besteht hier eine lange Latcnzperiode von 8—20 Tagen. Erst dann zeigen sich Lidödem, Ausfall der Wimpern, akute Konjunktivitis mit schleimiger Sekretion und parenchymatöse Hornhauttrübung. Da die Linse gegen diese Strahlen keinen Schutz gewährt, kommen auch Hintergrundsveränderungen als Ursache der Sehstörung zur Beobachtung; experimentell am Kaninchen hat man feinkörnigen Zerfall des Chromatins in den Ganglienzellen der Netzhaut beobachtet. 600 0. Schirmer, Die sympathische Augenerkrankung. Als sympathische bezeichnen wir solche Augenerkrankungen, welche an einem Auge lediglich infolge einer Erkrankung des anderen Auges auftreten. Dies ersterkrankte Auge nennen wir das sympathi- sierende, das zweiterkrankte das sympathisierte. Man unterscheidet zwei durchaus verschiedene Formen dieser Erkrankung, die sympathische Reizung und die sympathische Entzündung. Die sympathische Reizung ist dadurch bedingt, daß ein Reizzustand in den sensiblen Nerven eines Auges auf dem Wege der Ziliarnerven auf das zweite Auge übertragen wird und hier teils eine vermehrte Reizbarkeit, teils eine ver- minderte Leistungsfähigkeit hervorruft, die in sämtlichen Nerven des Auges auf- treten kann. Objektive Veränderungen fehlen hierbei — von leichter perikornealer Injektion abgesehen — vollständig. Schwere Fälle dieser Art kommen nicht oft zur Beobachtung, leichte außerordentlich häufig. Bei jeder Iritis und Keratitis, ja schon bei einem Fremdkörper unter dem Oberlid kann man häufig beobachten, daß das „gesunde" Auge lichtscheu ist, tränt und zu anhaltender Arbeit nicht ge- braucht werden kann. Diese drei Symptome stellen zugleich die klassische Trias bei der sympathischen Reizung dar: Lichtscheu, Epiphora und Asthenopie. Hierzu gesellt sich häufig eine stärkere Injektion des Augapfels und subjektive Lichterscheinungen, Photopsien. Alle Erscheinungen werden durch helles Licht und durch den Gebrauch des Auges, besonders bei Naharbeit verschlimmert, während Untätigkeit in einem verdunkelten Zimmer beruhigend wirkt. Nicht sehr häufig ist die Amblyopia sympathica, d. h. die rein funktionelle Herab- setzung der Sehschärfe eines Auges, das keinerlei objektive Veränderungen auf- weist. Ein Glaucoma sympathicum existiert nicht. Am sympathisierenden Auge kommen die allerverschiedensten Erkrankungen zur Beobachtung. Neben Entzündungen im vorderen Bulbusabschnitt findet man Hornhautstaphylome, luxierte Linsen, alte irritative Glaukome und besonders häufig phthisische Stümpfe. Alle diese Augen sind selbst gereizt. Sie sind, wenn auch in geringem Grade, schmerzhaft oder lichtscheu oder am Ziliarkörper druck- empfindlich oder sie tränen. In dem phthisischen Bulbus findet man häufig Ver- knöcherungen oder Entzündungsreste. Ein völlig reizfreier Bulbus vermag nicht sympathisierend zu wirken. Die Prognose dieser Erkrankung ist durchaus gut; es kann niemals zu dauernden Veränderungen bei ihr kommen. Sowie das erste Auge geheilt ist, ist auch die sympathische Irritation abgelaufen, und das sympathisierte Auge wieder normal und leistungsfähig. Ist das erste Auge nnheilbar, wie dies bei phthisischem und glaukomatösem Bulbus so oft der Fall ist, so ist das Radikal- mittel, das aber auch absolut sicher hilft, die Enukleation. Den gleichen Erfolg, aber nicht mit derselben Sicherheit, besonders nicht gegen Rezidive, kann man durch die Durchschneidung der Bahnen für die Überleitung der sympathischen Reizung erzielen , durch die Resectio optico-ciliaris. Trotz der weniger sicheren Prognose ist diese Operation im allgemeinen vorzuziehen, wenn das fragliche Auge noch kosmetischen Wert hat. Die sympathische Entzündung geht von vornherein mit objektiven Veränderungen entzündlicher Xatur einher und wird durch die Enukleation oder Heilung des ersterkrankten Auges nicht eben- falls geheilt, denn bei ihr handelt es sich um eine Infektion des erkrankten Auges. Die Infektionserreger entstammen dem sympathi- sierenden Auge und sind durch endogene Übertragung in das zweite Auge gedrungen, wo sie festen Fuß gefaßt haben. Eine Enukleation des ersten Auges beseitigt also nicht mehr die Krankheitsursache. Die sympathische Entzündung tritt bei weitem am häufigsten unter dem Bilde einer Uveitis fibrinosa auf, nicht selten mit einer Papillo-Retinitis vergesellschaftet, die allerdings gewöhnlich bald Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallcntschädigi durch die Medientrübungen unsichtbar wird. Die Entzündung welcher häufig keine Prodromalerscheinungen vorhergehen, kann ganz schlei- chend beginnen, mit leichter Injektion und feinen Descemetschen Beschlägen oder einzelnen hinteren Synechien. Meist ist sie aber subakut, die Iris ist stark geschwollen und stark hyperämisch, so daß in schweren Fällen das Atropin nur unvollkommen wirkt. Sehr reich- lich pflegt die fibrinöse Ausscheidung zu sein. Occlusio und Seclusio pupillae sind häufige Folgezustände. Ja es wird nicht selten die ganze Hinterkammer mit Fibrin ausgefüllt, das flächenförmige Ver- klebungen zwischen Iris und Linsenkapsel herbeiführt und später bei seiner Organisation die Irisperipherie nach hinten retrahiert, es wird hierdurch die Vorderkammer in ihrer Peripherie auffallend tief. Der weitere Verlauf gestaltet sich in der Regel sehr langwierig. Sel- ten endet ein Fall schon nach einigen Wochen mit Ausgang in Phthisis bulbi, noch seltener mit Heilung. Gewöhnlich gelingt es der Be- handlung , zunächst eine Besserung her- beizuführen, aber der Rest der entzünd- lichen Erscheinun- gen will nicht wei- chen; bald tritt eine neuerliche Ver- schlimmerung ein, und dies Spiel kann sich beliebig oft wie- derholen. Aber auch wo die Entzündung völlig abgelaufen schien, er- weist sich nicht selten die Hoffnung als eine trügerische und schon bald, nachdem der Kranke aus der Klinik entlassen war, tritt eine neuerliche Verschlimmerung ein. Erblindung und Schrumpfung des Augapfels ist auch in diesen Fällen nur zu oft der Endausgang, der wohl immer noch in einem Drittel bis zur Hälfte aller Fälle eintritt. In den anderen kommt es schließlich doch noch zur Heilung, wenn auch oft erst nach vielen Monaten, mitunter nach Jahren. Es kann aber ein recht er- heblicher Teil des Sehvermögens erhalten bleiben; stärkere Herabset- zung desselben hängt meist von irreparablen Medientrübungen ab. Man findet zwar nach Ablauf der Erkrankung recht häufig Reste von Aderhautentzündung, kleine gelbliche bis rötliche Herdchen mit wenig Pigmententwickelung. Dieselben liegen aber gewöhnlich peripher und bedingen keine merkliche Sehstörung. Eine weit leichtere, aber auch weit seltenere Form sympathi- schen Erkrankens ist die Uveitis serosa, eine chronische Entzün- dung aller drei Teile des Uvealtraktus, wenn sie sich auch hauptsäch- lich im Ziliarkörper lokalisiert. Ihre Hauptkennzeichen sind die Descemetschen Beschläge, feine, graue Pünktchen, die sich an der Fig. 430. Vorderer Abschnitt eines sympathi- sierenden Auges. Sehr starke Schwellung der Iris (/), die knötchenförmige Entzündungsherde enthält und flächenförmig der Linse adhärent ist. P Stelle der Pupille, durch Exsudat verlegt. Also Seclusio und Occlusio papillae. 602 0. Seh irmer, Descemetschen Membran, hauptsächlich in ihrer unteren Hälfte ablagern. Daneben leichte perikorneale Injektion und Lichtscheu. Bleibt die Entzündung rein serös, so kommt sie schon nach einigen Wochen, höchstens Monaten zum Ablauf. Es besteht aber während ihres ganzen Verlaufs die Gefahr, daß sich fibrinöse Exsudation hin- zugesellt und hintere Synechien auftreten. Damit wird der weitere Verlauf und die Prognose ganz die gleiche, wie bei der Uveitis fibrinosa sympathica. Schließlich gibt es eine reine Papillo-Retinitissympathica ohne jede Beteiligung des Uvealtrakts. Die Papille erscheint hierbei etwas stärker gerötet, ihre Grenzen leicht verwaschen, die Venen er- weitert und geschlängelt, die Arterien verengt; die umgebende Retina ist leicht graulich getrübt. Zeichen äußerer Entzündung bestehen nicht, die Sehschärfe ist nur mäßig herabgesetzt. Diese Papillo-Reti- nitis nimmt den Uvealentzündungen gegenüber insofern eine Sonder- stellung ein, als sie jeder medikamentösen Therapie trotzt, aber mit Sicherheit durch die Enukleation des sympathisierenden Auges ohne jede andere Therapie geheilt wird; nicht momentan wie eine sympa- thische Reizung, aber doch im Laufe von 8—14 Tagen. Es kann sich deshalb nicht um eine bakterielle Infektion des Auges handeln — eine solche würde selbständig weiter fortschreiten — sondern man muß annehmen, daß toxische Substanzen aus dem primär erkrankten Auge auf dem Wege des Zwischenscheidenraums zur Papille des zweiten Auges übergeleitet sind. Andere sympathische Augenentzündung en gibt es nicht. Aus dieser Schilderung ergibt sich, daß bei keiner der drei Formen sympathischer Entzündung das klinische Bild ein so charak- teristisches ist, daß man aus ihm allein die sympathische Natur der Erkrankung diagnostizieren könnte. Es muß deshalb diese Diagnose stets eine Wahrscheinlichkeitsdiagnose bleiben. Sie erlangt aber einen sehr hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, wenn man zugleich den Zustand des sympathisierenden Auges, das Zeitintervall zwischen der Erkrankung beider Augen und den allgemeinen Körperzustand in Rechnung zieht. Das sympathisierende Auge leidet an einer ehro- nisch-f ibrin ös en Uveitis, die durch ektogene Infektion mit noch unbekannten Erregern entstanden ist. Die Ein- gangspforte wird in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle durch eine perforierende Verletzung geschaffen, seltener durch eine Operation, ein perforiertes Hornhautgeschwür, einen durchgewachsenen Tumor oder ähnliches. Es ist von Wichtigkeit, zu betonen, daß sehr selten eiterige Entzündungen, noch seltener Panophthalmien sympathisieren; es sind fast stets fibrinöse Uveitiden und gerade diejenigen Formen sind besonders gefährlich, welche mit geringfügigen Entzündungser- scheinungen ganz schleichend verlaufen. Solche Entzündungen kommen vielfach überhaupt nicht zum Ablauf. Noch nach Jahren, wenn die Bulbi längst blind und phthisisch geworden sind und für gewöhnlich dem Patienten gar keine Beschwerden machen, verrät sich die im Innern noch glimmende Entzündung dadurch, daß sich das Auge ab und zu etwas rötet, ab und zu etwas schmerzt, und besonders die Gegend des Ziliarkörpers bei Betastung empfindlich ist — Phthisis dolorosa. Nach einfachen Kontusionen flammt häufig die Entzün- Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 603 dung wieder stärker auf und ist dann besonders geneigt, das zweite Auge in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Gefahr besteht aber während der ganzen Zeit, wo Entzündungsspuren nachweisbar sind. Solche phthisischen Stümpfe müssen daher entfernt werden. Aus dem eben Gesagten geht hervor, daß die Zeitdauer zwischen der Erkrankung beider Augen Jahre und Jahr- zehnte betragen kann. Das ist jedoch selten. Gewöhnlich tritt sie 4—12 Wochen nach der Verletzung auf, am häufigsten in der vierten bis achten Woche. Vor dieser Zeit wird sie wieder seltener und früher als 14 Tage nach dem Trauma ist noch niemals sympathische Entzündung mit Sicherheit beobachtet. Die Diagnose dieser Erkrankung gewinnt1 um so mehr an Wahrscheinlichkeit, je mehr sich ein Fall in diesen 3 Punkten — Verhalten des sympathisierenden Auges, Verhalten des sympathisierten Auges, Intervall — dem gewöhnlichen Verhalten nähert. Sie wird aber weiter dadurch sicherer, daß es gelingt, andere Ursachen aus- zuschließen, die erfahrungsgemäß ähnliche Uveitiden erzeugen können, z. B. Lues, Tuberkulose usw. Die sympathische Entzündung braucht zu ihrer Entstehung nicht die Mitwirkung irgend einer körperlichen Disposition, sondern befällt meist ganz gesunde Individuen. Umge- kehrt erzeugt sie aber auch keine körperlichen Leiden. Es wird zwar von Kopfschmerzen und Schwerhörigkeit berichtet; ob dem aber orga- nische Erkrankungen zugrunde liegen, steht noch dahin. Die Prognose ist bei der sympathischen Reizung und auch bei der reinen Papillo-Retinitis sympathica, bei der Glaskörpertrü- bungen und entzündliche Veränderungen im Uvealtrakt fehlen, eine durchaus gute. Auch die seröse Uveitis kommt häufig zu völliger Heilung. Doch ist hier stets zu befürchten, daß sie sich in die viel bösartigere fibrinöse Form umwandelt. Auch nach Enukleation des sympathisierenden Auges ist dies noch möglich, ein Beweis, daß beide Formen durch die gleichen Erreger bedingt sind. — Die ungünstigste Vorhersage gibt die Uveitis fibrinosa. Je reichlicher die fibrinöse Absonderung, je stärker die Schwellung des Irisgewebes, um so schlechter ist die Prognose. Man muß rechnen, daß ein Drittel bis die Hälfte aller Fälle verloren geht. Vor einigen Dezennien war die Vorhersage eine noch viel schlechtere, und es wird auch heute noch vielfach angegeben, daß nur in Ausnahmefällen ein sympathisch erkranktes Auge mit brauch- barer Sehschärfe ausheilt. Das ist entschieden unrichtig. Die Pro- gnose ist besser geworden, einmal weil die Erkrankung heute weniger schwer, weniger akut auftritt, wie vor 50 Jahren, ähnlich wie dies z. B. auch bei der Conjunctivitis diphtherica und beim Trachom der Fall ist, und zweitens, weil unsere Therapie eine bessere geworden ist, weil wir, um das Wichtigste herauszugreifen, nicht mehr so früh- zeitig und so häufig iridektomieren, wie dies früher üblich war. In der Therapie der sympathischen Entzündung spielt die Prophylaxe eine große Rolle, denn diese Erkrankung ist viel leichter zu verhüten, als zu heilen. Und die sicherste Prophylaxe ist die Enukleation des ersterkrankten Auges. Man soll des- halb sympathiefähige Augen, d. h. Augen, in welchen nach einer — meist traumatischen — Perforation chronisch-fibrmöse Entzündung besteht, enukleieren, sobald sie blind sind oder ihre baldige Er- Lehrbuch der Augenheilkunde. öo 604 0. Schirmer, blindung mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Bei phthisischen Stümpfen wird man sich hierzu stets leicht entschließen; in frischen Fällen aber ist die Entscheidung oft sehr schwierig, ob man ein längeres Zuwarten noch verantworten kann. Jedenfalls ist es un- richtig, die Operation hinaus zu schieben, bis sich am zweiten Auge Störungen zeigen. Da Prodrome nicht selten fehlen, sind diese Störungen schon die Anfänge der Entzündung, und dann kommt die Enukleation zu spät. — Unzuverlässig als Prophylaktikum ist die Neurotomia optico-ciliaris und die Exenteratio bulbi, während über den Wert der Resectio optico-ciliaris die Akten noch nicht ge- schlossen sind. Der Nutzen der Enukleation ist nicht vom Moment der Opera- tion an ein absoluter, sondern wird dies erst nach 4—5 Wochen; ist das zweite Auge 5 Wochen nach der Enukleation noch gesund, so bleibt es auch gesund. In der Zwischenzeit aber erkrankt es noch manchmal, doch pflegt in .diesen Fällen die Erkrankung be- sonders leicht zu verlaufen:-" Wir nehmen für diese Fälle an, daß die Enukleation nicht mehr den ganzen Krankheitsherd aus dem Körper entfernt hat, sondern daß die Erreger der sympathischen Ophthalmie schon den ersten Bulbus verlassen hatten und auf der Überwanderung ins zweite Auge begriffen waren. Ist die Entzündung einmal ausgebrochen, so gehört der Patient in eine Augenklinik. Die Enukleation des ersterkrankten Auges ist auch jetzt noch zweckmäßig, wenn es blind ist; eine entscheidende Wendung im Verlaufe der sympathi- schen Entzündung bringt sie aber nicht hervor. Man darf es des- halb niemals entfernen, solange es noch Reste von Sehvermögen hat; denn es kann vorkommen, daß das sympathisierte Auge zugrunde geht, während das sympathisierende einen Rest von Sehvermögen be- hält. Die weitere Behandlung besteht in Einreibungen mit grauer Salbe, Schwitzen, sub- konjunktivalen Injektionen von Kochsalzlösung (2—4°/o) oder Hydrargyrum oxycya- natum (1:2000); ferner na- türlich, wie bei jeder Irido- Cyklitis Atropin und feuchte Wärme. Operatives Eingrei- fen ist möglichst zu vermei- den, weil es mit Sicherheit von einem Rezidiv der Ent- zündung gefolgt ist. Speziell aus optischen Gründen darf durchaus nicht eher iridek- tomiert oder die Linse ex- trahiert werden, als bis min- destens ein halbes Jahr seit dem letzten Auftreten ent- zündlicher Erscheinungen verflossen ist. Aber auch bei intraokularer Drucksteige- rung, die infolge der reich- C. c.—a Ch '- R Fig. 431. Sehr schwere Form sym- pathischer Entzündung. Iris (/), Cor- pus ciliare (C.c.)und Chorioidea (CA) sind enorm entzündlich verdickt, erstere bei P durch die Sklera gewuchert. L Linse. R Retina, par- tiell abgelöst. Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 605 liehen Fibrinabscheidung durch Seclusio pupillae oder zirkuläre Flächensynechie leicht eintritt, soll man suchen, ohne Iridektomie auszukommen. Die mikroskopischen Veränderungen sind in beiden Augen vollkommen identisch. Man findet in der ganzen Uvea zerstreut zahlreiche Häufchen ein- kerniger Rundzellen (Lymphozyten), die in der Aderhaut die Schicht der großen Gefäße einnehmen und die Choriokapillaris stets frei lassen. In schweren Fällen konfluieren die Knötchen und die ganze Uvea wird diffus kleinzellig infiltriert, wobei zugleich Iris und Chorioidea, in geringerem Maße auch der Ziliarkörper staik verdickt sind. In dieser Infiltration treten recht häufig epitheloide und Riesenzellen auf, mitunter in solcher Massenhattigkeit, daß man an ein Riesen- zellensarkom erinnert wird. Auch Bilder, die an Tuberkulose erinnern, kommen vor, Knötchen, die außen einen Gürtel von Lymphozyten haben, darin eine Gruppe Fig. 432. Ein Stück der Bulbuswand von Fig. 431. Die Chorioidea (Ch) enthält massenhaft Riesenzellen, Rundzellen und epitheloide Zellen. Ihre enorme Verdickung tritt durch den Gegensatz zur normal dicken Retina (R) und Sklera (Sc) besonders deutlich hervor. von epitheloiden Zellen und im Zentrum eine oder einige Riesenzellen, die häufig den Langhanssehen Typus zeigen; Nekrose fehlt aber stets. Geht die Ent- zündung zurück, so schwindet die zellige Infiltration, aber das nunmehr zum Vor- schein kommende Gewebe hat seine zierliche normale Struktur verloren, und es stellen sich besonders Iris und Chorioidea als dünne, gefäßarme Häutchen dar, die aus fibrillärem Bindegewebe bestehen und von Pigmentklümpchen unregel- mäßig durchsetzt sind. Fibrinöses Exsudat wird während des ganzen entzünd- lichen Prozesses von der Aderhaut niemals produziert, hingegen regelmäßig von Iris und Ziliarkörper, deren hintere, resp. innere Oberflächen es überzieht. Hier organisiert es sich später zu den derben fibrösen Schwarten, welche die Flächen- synechien der Iris bedingen und im hinteren Bulbusabschnitt durch ihre Schrump- fung zur Ablösung der Retina führen. — Netzhaut, Papille und Optikus weisen in der Re^-cl nur geringfügige entzündliche Veränderungen auf, die speziell im Sehnerv schon kurz hinter der Lamina cribrosa an Intensität abnehmen und bald ganz verschwinden. 38* 606 0. Schirmer, Pathogenese: Während allgemein anerkannt ist, daß die sympathische Reizung durch Überleitung des Reizes von einem Auge aufs andere auf dem Wege der Ziliarnerven entsteht, unterliegen in der Pathogenese der sympathischen Ent- zündung noch wichtige Punkte der Kontroverse. Der Autor, der uns — im Jahre 1835 — die erste ausführliche Beschreibung ihres klinischen Bildes gab, William Mackenzie, führt auch schon die drei Wege an, auf welchen man sich über- haupt die Übertragung denken kann: die Ziliarnerven, die Blutgefäße und den Optikus, den er für den Hauptweg hält. Allerdings machte er sich, entsprechend den Anschauungen seiner Zeit, ganz verkehrte Vorstellungen von der Art der Übertragung. Lange Zeit galten dann auf die Autorität von Heinrich Müller hin (1855) die Ziliarnerven als der Überträger eines Reizes, der sich zur Ent- zündung sollte steigern können. Mit dem Fortschreiten unserer Kenntnisse wurde das Unhaltbare solcher Anschauungen klar, und an die Stelle der nervösen Theorien traten die bakte- riellen. Man nahm an, daß es sich um die Überwanderung von Mikroorganismen aus dem verletzten Auge in das gesunde handle; als Weg bezeichnete Berlin die Blutgefäße, Leber den Optikus mit seinen Scheiden. Lange Zeit stand der allgemeinen Annahme dieser Theorien, der Umstand im Wege, daß trotz eifrigen Suchens der Erreger nicht gefunden werden konnte. Zwar wurde von den ver- schiedensten Seiten über positive Befunde berichtet, und speziell der Staphylo- coccus galt eine Zeitlang auf Grund der Arbeiten Deutschmanns als Erreger. Als aber erst mit größeren Kautelen gearbeitet wurde, schwanden die positiven Befunde; weder mikroskopisch noch kulturell wurden Bakterien gefunden. Jetzt wissen wir, daß dies nicht gegen die mikrobische Natur einer Erkrankung spricht, und daß das klinische Bild allein genügen kann, ihren infektiösen Charakter fest- zustellen, den z. B. bei der Syphilis längst vor der Entdeckung des Spirochaete pallida niemand mehr bezweifelt hat. Folgendes darf heute als sichergestellt gelten: Die sympathische Entzün- dung ist eine mikrobische Erkrankung. Die noch unbekannten Infektionserreger entstammen dem sympathisierenden Auge, in welches sie durch ektogene Infek- tion eindringen. Unentschieden ist noch, ob sie nach Art einer Metastase auf den Blutbahnen (Berlin) oder auf den Lymphwegen des Optikus (Leber) in das sympathisierende Auge eindringen. Die reine Papillo-Retinitis sympathica ist wahrscheinlich eine toxische Erkrankung (Schirmer) und entsteht dadurch, daß aus dem verletzten Auge nur die Toxine in das zweite Auge dringen und zwar auf dem Optikuswege. Unfallentschädigmig. Seit einer Reihe von Jahren existieren Gesetze über Ent- schädigung Unfallverletzter, falls sich die Verletzung in einem ver- sicherungspflichtigen Betriebe ereignet hat. Die Entschädigung wird in Form einer Rente geleistet, welche dem Patienten den Ausfall an Einnahmen wenigstens zum Teil decken soll, den er durch seine ver- minderte körperliche Leistungsfähigkeit hat. Es ist also die Rente nicht etwa als eine Art Schmerzensgeld zu betrachten, sondern sie soll nur gewährt werden, wenn die Erwerbsfähigkeit durch den Unfall wirklich herabgesetzt ist; und zwar wird sie in einer Höhe gewährt, die dem wirklichen Ausfall an Verdienst pro- portional steigt, aber stets um 33°/o geringer ist, als dieser. Es wird nämlich die Beschränkung ausgedrückt in Prozenten der vollen Erwerbsfähigkeit. Ist Z, d. h. Verlust an Erwerbsfähigkeit = 100%, ist also der Verletzte völlig erwerbsunfähig, so erhält er die Voll- rente. Dieselbe entspricht 66,6 °/o des jährlichen Durchschnittsver- dienstes der letzten drei Jahre. Dem Arzt obliegt die Begutachtung der Unfallverletzten, d. h. er soll feststellen, ob die von den Verletzten angegebenen Beschwerden Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 607 wirklich vorhanden und als eine Folge des Unfalls anzusehen sind, und, bejahenden Falles, wie hoch die hierdurch bedingte Beschränkung der Erwerbsfähigkeit ist. Diese Rentenfeststellung ist eine für den Arzt sehr schwierige Aufgabe, da außer dem körperlichen Defekt auch die Art der Arbeit des Verletzten berücksichtigt werden sollte; immerhin ist er dazu noch geeigneter als die versicherungspflichtigen Behörden. Erleich- tert wird uns die Aufgabe dadurch, daß sich mit der Zeit für eine Reihe typischer Schädigungen eine ganz bestimmte Recht- sprechung ausgebildet hat, von welcher der Gutachter nicht ohne besonderen Grund abweichen sollte. — Das erste Gutachten, die Mitteilung der direkten Verletzungsfolgen und ihres Heilverlaufes, sowie die Beurteilung der entstandenen Schädigung ist im allgemeinen Sache des erstbehandelnden praktischen Arztes; hingegen wird in komplizierten Fällen häutig und in der Berufungsinstanz immer das Gutachten von einem Spezialisten ein- geholt, und es ist im Interesse der Sache sehr zu wünschen, daß Widersprüche seitens der Begutachter möglichst vermieden werden. Die Entscheidung, ob die von Patienten geklagten Beschwerden als Folgen des erlittenen Unfalls anzusehen sind, wird häufig dadurch erschwert, daß die Patienten simulieren oder wirklich vorhandene Beschwerden aggravieren; weiter aber auch dadurch, daß sie in bestem Glauben Beschwerden, besonders Sehstörungen, auf einen Unfall zurückführen, weil sie zufällig bald nach dem- selben aufgetreten sind oder weil sie dieselben zufällig kurz nachher bemerkten. Es kommt häufiger vor, als man denken sollte, daß ein Erwachsener auf einem Auge hochgradig schwachsichtig ist, ohne es zu wissen. Erleidet er nun auf diesem Auge einen kleinen Unfall und kneift jetzt das unverletzte Auge zu, um sich zu überzeugen, ob er einen Schaden erlitten hat, so wird er selbstverständ- lich seine alte Amblyopie auf die Verletzung zurückführen und ist gewöhnlich nicht vom Gegenteil zu überzeugen. In solchen Fällen kann oft nur ein erfahrener Augenarzt die richtige Entscheidung treffen. Gegen Simulation und Aggravation kann man sich am besten schützen, wenn man regelmäßig bei der ersten Konsultation, also kurz nach dem Unfall eine Sehprüfung macht. Auf die Idee zu simulieren, kommen die Meisten erst nach Ablauf der Erkran- kung; auch benutzen sie nicht selten diese Zeit, sich mit unseren Simulations- proben vertraut zu machen. (Bezüglich der Feststellung von Simulation und Aggra- vation cf. Abschnitt Funktionsprüfling, S. 156.) Natürlich beweist nicht jede widerspruchsvolle Angabe, daß der Untersuchte ein Simulant ist. Auch Patienten mit traumatischer Neurose oder Hysterie können solche Angaben machen. In zweifelhaften Fällen soll man deshalb erst nach mehrtägiger Beobachtung sein Urteil fällen und genau auf das psychische Verhalten und die charakteristischen somatischen Erscheinungen untersuchen. Nur bei einem Gesunden beweisen Widersprüche Simulation. Viel schwieriger ist der zweite Teil unserer Aufgabe, die Fest- stellung, wieviel Prozent seiner Erwerbsfähigkeit der Verletzte verloren hat. Da die gleiche Schädigung in ver- schiedenen Berufen die Arbeitsfähigkeit durchaus nicht in gleichem Maße herabsetzt, und da der Arzt unmöglich die Erfordernisse aller Berufsarten kennen kann, tappen wir noch vielfach im Dunkeln; um so mehr als brauchbare Statistiken über diese Frage noch fast völlig fehlen und auch sehr schwer zu beschaffen sind. Auch spielen Alter, Intelligenz und guter Wille eine große Rolle in der Über- windung körperlicher Defekte. In manchen Fällen, z. B. bei ent- stellenden Narben ist mehr noch als die Fähigkeit zu arbeiten, die Möglichkeit, Arbeit zu finden, herabgesetzt. Es sind deshalb alle 608 0. Schirmer, Versuche gescheitert, diese verwickelten Verhältnisse durch eine Formel auszudrücken, welche uns gestattete, aus der Sehschärfe die Erwerbsfähigkeit zu berechnen. Ich werde mich deshalb begnügen, einige allgemeine Normen zu geben. Vorweg sei bemerkt, daß neben der Sehschärfe auch Ge- sichtsfeld, binokularer Sehakt, Beweglichkeit der Augen, Schmerzen und Reizzustände zuweilen berücksichtigt werden müssen. Bei weitem am häufigsten und wichtigsten sind aber immer die Sehstörungen. Außerordentlich viele kleine Unfälle werden überhaupt nicht ent- schädigt, weil die durch sie bedingte Sehstörung zu geringfügig ist, und Erwerbsbeschränkungen von weniger als 10% in Deutschland überhaupt nicht entschädigt werden. Bei intaktem einen Auge ver- ursacht Herabsetzung der Sehschärfe des andern auf 1/2, bei Land- arbeitern auf >> V4 noch keine Erwerbsbeschränkung. Ob bei er- blindetem anderen Auge diese Sehstörung in Anschlag zu bringen ist, darüber gehen die Ansichten noch auseinander. Umgekehrt be- ginnt die völlige Erwerbsunfähigkeit nicht erst bei völliger Blind- heit, sondern schon bei einer Sehschwäche, welche eine gewinn- bringende Beschäftigung unmöglich macht. Diese liegt bei städtischen Arbeitern etwa bei Fingerzählen in weniger als 3 m, bei ländlichen Arbeitern bei Fingerzählen in weniger als 2 m, also bei einer Seh- schärfe, die freie Bewegung auf der Straße nicht mehr gestattet. Bei manchen Berufen, z. B. ßureauarbeiter oder feinere Handwerker, von denen man billigerweise nicht verlangen kann, daß sie Taglöhner- dienste leisten, wäre die untere Grenze noch höher, etwa bei Vio anzusetzen. Dazwischen liegen alle Stufen von 0—100 Prozent. Aber es nimmt nicht etwa die Erwerbsfähigkeit proportional der Sehschärfe ab, sondern bis etwa s=Vs—V7 nimmt die Sehschärfe schneller ab; bei xh erlischt gewöhnlich die Fähigkeit, gewöhnlichen Druck zu lesen, und hier und von hier abnimmt die Erwerbsfähigkeit viel schneller ab als die Sehschärfe. Bei einseitiger Amblyopie ist s=V10 ein wichtiger Punkt, denn bei ihm erlischt gewöhnlich der binokulare Sehakt, von welchem die Fähigkeit, körperlich zu sehen und Distanzen richtig zu schätzen, abhängt. Ohne diesen bat das makulare Sehen des Auges keinen Wert mehr, sondern nur noch sein Gesichtsfeld, das gewöhnlich mit 10% bewertet wird. Eine häufige und wichtige Unfallfolge ist der völlige Verlust eines Auges, resp. seines Sehvermögens. Wenn auch die binokulare Sehschärfe kaum geringer ist, als die monokulare, so macht sich doch die Verkleinerung des Gesichtsfeldes und vor allem der Verlust des körperlichen Sehens höchst störend bemerkbar; denn von ihm hängt die Fähigkeit ab, Distanzen richtig zu schätzen. Die Ent- schädigung beträgt bei gewöhnlichen Arbeitern 25%, bei Handwerkern, Fabrikarbeitern, kurz allen Berufen mit höheren optischen Ansprüchen 33°/o. Maurer, Zimmerleute, Dachdecker können wegen der Unsicherheit in der Schätzung von Entfernungen nicht mehr ohne Gefahr auf Gerüsten gehen; sie müssen deshalb den Beruf wechseln und sind oft mit 59% kaum hinreichend entschädigt. Weiter ist einseitiger Wundstar eine häufige Unfallfolge. Wurde derselbe mit Erfolg operiert, so wird der Erwerbsverlust wegen der Verletzungen, sympathische Ophthalmie und Unfallentschädigung. 609 » s = Rechts s = 0, links s ^> * s = s = hochgradigen Ametropie mit 10% bewertet, trotzdem die Sehschärfe mit korrigierendem Glas vielleicht normal ist. Paralytisches Schielen mit Diplopie im ganzen Gesichtsfeld ist zu bewerten wie der Verlust eines Auges, weil das Schielauge, um den störenden Doppelbildern zu entgehen, stets verdeckt gehalten werden muß. Unter Zugrundelegung der eben angeführten Normen, mag folgende Skala einen ungefähren Anhaltspunkt geben für die Bewertung des Erwerbsverlustes (z) bei den dazwischen liegenden Graden von Sehstörung. Die erste Kolumne der Sehschärfen und die höheren Prozentsätze finden im allgemeinen Anwendung bei den Berufen mit höheren optischen Ansprüchen. Es sollten aber stets die be- sonderen Verhältnisse jeden Falles ausgiebige Berücksichtigung finden. Rechts s = 1, links s < '/2 resp. V4—V1", z = 10 — 15°/o Vio—x/3o, z = 15—25% x/2 resp. > V*, z = 25—33% Va—>Vs, z = 25-50 °/o Vs—>7io, z = 50-75°/o „ s = Vio—Vao, z = 75—100%. Wie bei den Verletzungen, so wird die Mitwirkung des Arztes auch in Anspruch genommen, wenn es sich um die Feststellung handelt, ob jemand invalide ist. Das Invaliditäts- und Alters- versicherungsgesetz will allen Versicherten, welche dauernd oder mindestens seit 26 Wochen ununterbrochen erwerbsunfähig sind, eine Invalidenrente, und wenn sie das 70. Lebensjahr zurückgelegt haben, eine Altersrente verschaffen; bei letzterer wird also die Er- werbsfähigkeit des Patienten nicht berücksichtigt. Invalide im Sinne des Gesetzes ist jeder, der nicht mehr imstande ist, durch eine seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit ein Drittel des ortsüblichen Tagelohnes zu verdienen. Invalidität wird meistens durch chronisch verlaufende Erkrankungen bedingt sein. Es ist aber auch hier durchaus daran festzuhalten, daß eine Verschlechterung gegenüber einem früheren Zustande, in dem noch keine Invalidität bestand, eingetreten sein muß. Speziell habe ich hier die hoch- gradigen Myopen im Auge, welche nicht selten bei noch ganz guter oder doch ausreichender Sehschärfe sich um die Invalidenrente be- werben, während es doch keinem Zweifel unterliegen kann, daß an- nähernd der gleiche Grad von Kurzsichtigkeit schon seit vielen Jahren besteht. Weiter ist für die Invalidität stets auch das All- gemeinbefinden nicht nur der Zustand der Augen allein zu berück- sichtigen. Die Erkankungen der Orbita, Von Professor A. Peters, Rostock. Anatoraische Vorbemerkungen. Die Wandungen der Augenhöhle setzen sich aus 7 verschiedenen Knochen zusammen und enthalten zahlreiche Spalten und Öffnungen, welche mit den benachbarten Hohlräumen des Kopfskelettes in Verbindung stehen (s. Fig. 433 F.o. LS. Fe As OF Fos Cix F.l. Fig. 433. Rechte Orbita (nachMerkel undKallius). Ansicht vorne, Schädel etwas nach links gedreht. OF Stirnbein, OZ Wangenbein, OM Oberkieferbein, ON Nasenbein, F.o. Foramen opticum, Fos Fissura orbitalis superior, Foi Fissura orbitalis inferior, Fe Foramina eth- moidalia, F. I. Fossa lacrimalis, Ci Canalis infraorbitalis, CV dessen Gesichtsöffnung, Zt Canalis zygomatico-tempo- ralis, Zf Canalis zygomatico-facialis, Sri Spina musc. recti lateralis, LS. Incisura supraorbitalis, As Arcus superciliaris. und 434). Die äußere Wand, welche den Ansatz des Joch- beins trägt, ist die stärkste, während die innere, soweit sie vom Siebbein und Tränenbein gebildet wird, sehr dünn ist. Auch der vordere Teil der obe- ren Augenhöhlen- wand ist oft sehr dünn und im Alter oft defekt, wie auch Defekte und Mangel des Tränenbeins nicht selten sind. Der ganze Augenhöhlen- rand ist abgerundet und stark verdickt, wodurch ein gewis- ser Schutz gegen äußere Schädlichkei- ten gegeben ist. Das Verhält- nis der Breite und der Höhe des Orbi- taleinganges variiert bei den einzelnen Rassen und Indivi- duen nicht unbe- trächtlich. Die Verbindung mit der Nase stellt im vorderen Teil der medianen Wand der Orbita der sich aus der Fossa lacrymalis fortsetzende Tränen- Erkrankungen der Orbita. 611 Sinus front. Fig. 434. Sinus maxillaris Frontalschnitt Nasen- höhle durch die Orbita und die benachbarten Nebenhöhlen. nasengang her, im oberen Teile die beiden Foramina ethmoidalia. Dem tief- sten Teile der Orbita entsprechend bildet das Foramen opticum die Eintritts- stelle für den Sehnerven und die Arteria ophthalmica, die eine Strecke weit in dem knöchernen Canalis opticus verlaufen. Für die Nerven der Augenmuskeln gewährt die Fissura orbitalis superior ebenso wie für den ersten Ast des Trigeminus den Durchtritt, während die Fissura orbitalis inferior die Ver- bindung mit der Fossa spheno-maxillaris herstellt und einige Äste des zweiten Trigeminusastes durchtreten läßt. Ausgekleidet ist die Augenhöhle mit einem dün- nen Periost, welches sich in die oben genannten Spal- ten und Kanäle fortsetzt, dabei aber gleichzeitig eine Art Abschluß im Bereiche der Fissuren bildet. Den Hauptinhalt der Augen- höhle bildet der Augapfel mit seinen Muskeln und dem sie umgebenden Fett- polster. Die Lage des Aug- apfels wie der Tränendrüse wird gewährleistet durch verschiedene Faszien, die untereinander in Verbin- dung stehen. Der Augapfel selbst ist von einer festen Kapsel, der T e n o n sehen Kapsel umgeben, welche eine Art Kugellager für den Aug- apfel bildet und tief in der Orbita beginnend bis unter die Konjunktiva nach vorne reicht und sich hier mit den Augenmuskelfaszien verbindet. Der Raum zwischen Tenonscher Kapsel und Sklera wird als Lymphraum angesehen, der in den supravaginalen Lymphraum des Optikus übergeht. Die Faszien der Augenmuskeln reichen bis zur Orbitalwand. Sie sind im Bereiche des Augapfels stärker entwickelt, als im orbitalen Verlaufe und strahlen an der Orbitalwand in ein derbes Gewebe aus, verbinden die Muskel- ansätze untereinander und dienen zum Arretieren der Augenbewegungen. Im vorderen Abschnitt stellen die Lider den äußeren Abschluß her, und der hierzu gehörige Faszienapparat, die Fascia tarso-orbitalis, welche mit dem Tarsus und den seitlichen Ligamenten in inniger Verbindung steht, inseriert ebenfalls tief in der Orbita und bildet die Fortsetzung des periostalen Überzuges der Orbitalwand. Bezüglich des Tränen apparates sei auf das betreffende Kapitel verwiesen und hier nur erwähnt, daß die beiden Teile der Tränendrüse durch Faszienblätter voneinander getrennt sind. Die Gefäße der Augenhöhle entstammen der aus der Carotis interna entspringenden Arteria ophthalmica, welche, die Scheide des Optikus und diesen selbst versorgend, in die Augenhöhle gelangt. Die wichtigsten Äste sind die Arteria lacrimalis, die Aa. ethmoidalis, ciliares longae und breves und die Arteria centralis retinae. Die Venen verlaufen gesondert. Ihr Hauptstamm, die Vena orbitalis superior, entspricht der Arteria ophthalmica, während die Vena orbitalis inferior das Blut aus den übrigen Teilen der Augenhöhle auf- nimmt und mit den Gesichtsvenen in Verbindung steht. Zahlreiche Anastomosen stellen die Kommunikation mit den benachbarten Organen und besonders mit den Nebenhöhlen der Nase her. Die Nerven der Orbita sind sensible, motorische und sympathische für die verschiedenen Organe des Auges und seine Adnexe. Lymphatisches Gewebe kommt normalerweise in der Orbita nicht vor. 612 Peters, Allgemeines über die Symptomatologie, sowie über die Diagnose und die Ätiologie der Orbitalerkrankungen. Das wichtigste Zeichen einer Orbitalerkrankung ist die Lage- veränderung des Augapfels. Da ihr eine hohe diagnostische Be- deutung zukommt, so ist zunächst festzustellen, welches die normale Lage des Augapfels ist und durch welche Momente eine Lagever- änderung vorgetäuscht werden kann. Unter normalen Verhältnissen ist die Befestigung des Augapfels durch den Sehnerven, der wegen seines leicht gekrümmten Verlaufes bis zu einem gewissen Grade Exkursionen nach vorn gestattet, ferner durch die Augenmuskeln, sowie durch den Druck der Lider, resp. die Fascia tarso-orbitalis eine solche, daß der Hornhautscheitel nicht weiter als der Orbitalrand nach vorne tritt. Ist dies doch der Fall, so kann z. B. eine Achsenverlängerung bei hochgradiger Myopie die Ursache sein. Auch durch eine mangelhafte Entwickelung der knö- chernen Orbita kann eine solche Prominenz bewirkt werden; in gleicher Weise wirkt eine abnorme Zunahme des Orbitalfettes bei Fettleibigen. In diesen Fällen pflegt die Lidspalte kaum vergrößert zu sein im Gegensatz zu den Fällen von wirklichem Exophthalmus pathologischer Art. Liegen Asymmetrien vor, so daß ein Auge stärker hervortritt als das andere, so ist mit gleichzeitigen Asymmetrien des Kopf- skelettes, sowie mit erheblichen Größenunterschieden beider Augen zu rechnen, ehe man an pathologische Vortreibungen denkt. Um den Grad des Exophthalmus zu bestimmen, ferner um eine Ab- oder Zunahme zu konstatieren, sind für wissenschaftliche Zwecke besondere Ex- ophthalmometer konstruiert worden, die sich in die Praxis kaum Eingang verschaffen, weil die normale Lage des Augapfels individuellen Schwankungen unterliegt und die meisten pathologischen Lageveränderungen ziemlich sinnfällig hervortreten. Die Ursachen des Exophthalmus sind verschieden. Ge- ringe Grade können sich mitunter ausbilden durch Verschiebungen der Muskelansätze am Bulbus, durch Operationen und Verringerung des Tonus, sowie bei ausgedehnter Lähmung der Augenmuskeln. Praktisch in Betracht kommt besonders die Verdrängung des Augapfels nach vorne oder auch seitwärts durch eine Ansammlung von Flüssig- keit oder ein Plus an Gewebe in der Orbita. Der Grad des Exophthal- mus kann ein sehr erheblicher werden, so daß die Lidspalte weit klafft (Lagophthalmus) und schließlich die Lider den Augapfel nicht mehr zurückhalten können. Die in letzterem Falle eintretende Luxation des Augapfels verlangt wegen der gewaltigen schmerzhaften Zerrung durch den Liddruck die sofortige Reposition; eine dauernde Schädigung durch kurzdauernde Luxationen braucht nicht zu erfolgen, weil der Sehnerv wegen seines gekrümmten Verlaufes in weitem Maße anpassungsfähig ist. Höhere Grade des Exophthalmus bedingen eine schwere Gefahr für den Augapfel, der dadurch äußeren Insulten mehr preis- gegeben und durch den mangelhaften Lidschluß der Vertrocknung ausgesetzt ist Die dadurch entstehende Keratitis e lagophthalmo verlangt daher in erster Linie eine Befeuchtung der Hornhaut und Erkrankungen der Orbita. 613 angrenzenden Bindehaut; in nicht zu hochgradigen Fällen kann dies durch zeitweiliges partielles Vernähen der Lidspalte erreicht werden. Weiterhin bedingt der Exophthalmus vielfach eine Störung des binokularen Einfachsehens, wobei allerdings mehr die Dislokationen in seitlicher Richtung in Frage kommen. Die so er- zeugten Doppelbilder verhalten sich im allgemeinen wie bei Paresen von Augenmuskeln. Spielt der verdrängende Prozeß sich in der Umgebung des Sehnerven ab, so können Sehstörungen durch Kom- pression, Neuritis optica, Blutungen etc. hervorgerufen und auch die sensiblen Nerven können in Mitleidenschaft gezogen werden. [Bei den seltenen Dislokationen nach hinten, dem sogenannten Enophthalmus (s. Fig. 435) spielen verschiedene Momente dauernder und vorübergehender Art mit. Zu den letzteren gehört das Tief- liegen der Augäpfel, bei Abnahme des Wassergehaltes der Gewebe, z. B. bei Cholera, bei hochgradiger Abmagerung. Bemerkenswert ist ferner das zeitweilige Tiefertreten eines Auges bei Adduktion, wenn Fig.435. Morbus Basedowii. Linke Lidspalte vernäht wegen Keratitis e lagophthalmo. Fig. 436. Links Enophthalmus traumaticus. (Fall von Axenfeld.) abnorme angeborene Muskelverhältnisse vorliegen, die an den Retractor bulbi bei Tieren erinnern. Dauernder Enophthalmus tritt, abgesehen von der nach Exstirpation der Tumoren vorkommenden Verminderung des orbitalen Fettgewebes, besonders nach Traumen ein (s. Fig. 436). Die Erklärung für diese Formen ist keine einheitliche insofern, als hier Abreißungen und Verwachsungen von Faszienzipfeln, Brüche der Orbitalwand und Läsionen des Sympathikus in Betracht kommen können.] Die Diagnose der Orbitalerkrankungen beruht in erster Linie auf der Inspektion, welche die Lageveränderungen des Augapfels und die Beweglichkeitsstörungen festzustellen hat. VV ertvolle Aut- schlüsse liefert dann weiterhin die Palpation, welche uns oft mit einiger Sicherheit Fluktuation oder eine gewisse Resistenz m der Umgebung des Augapfels erkennen läßt. Die Palpation wird am besten mit dem kleinen Finger ausgeübt, der tiet in die Orbita ein- dringen kann. Auch aus der Schmerzliaftigkeit beim Palpieren oder beim leichten Hineindrücken des Augapfels in die Orbita, oder bei 614 Peters, spontanen Bewegungen des Auges lassen sich oft wichtige Schlüsse ziehen. Ergibt die Palpation mit Sicherheit Fluktuation, so kann unter aseptischen Kautelen eine Probepunktion am Platze sein. Über das Verhalten der Nebenhöhlen der Nase gibt uns die Durchleuchtung mit einer elektrischen Glühlampe Aufschluß, indem auf diese Weise Tumoren oder Eiterungen meistens nachweis- bar sind. In gleicherweise ist die Durchleuchtung mit Röntgen- strahlen nutzbar zu machen, welche uns über den Zustand der Orbi- talwandungen und Nebenhöhlen informiert, vor allem bei Tumoren und Fremdkörpern der Orbita, sowie bei Frakturen. Eine sehr wichtige Ergänzung erfährt die Diagnostik der Orbital- erkrankungen durch die 0 p h th a 1 m o s k o p i e, welche außer Kompres- sionsatrophien entzündliche Veränderungen am Sehnerven und ge- legentlich Einbuchtungen der Bulbuswand erkennen läßt. Die Funk- tionsprüfung muß sich auch auf das Gesichtsfeld erstrecken, weil gelegentlich kleine zentrale Skotome auf eine Affektion in der Tiefe der Orbita hindeuten und weil in anderen Fällen Sehnervenaffektionen frühzeitig an Gesichtsfeldeinschränkungen kenntlich sein können. Was nun speziell die Ä tiologie des Exophthalmus angeht, so haben wir verschiedene Gruppen zu unterscheiden. 1. Den entzündlichen Exophthalmus, 2. den Exophthalmus durch Gefäßanomalien, 3. den Exophthalmus durch Geschwulstbildungen, 4. den nicht entzündlichen Exophthalmus bei Allgemeinerkran- kungen, 5. den Exophthalmus durch Verletzungen. Doppelseitigkeit des Exophthalmus muß zunächst an All- gemeinleiden denken lassen, welche eine genaue Untersuchung des Nervensystems erforderlich machen (Morbus Basedowii), auch kann eine Blutuntersuchung (Leukämie und Pseudoleukämie) auf die richtige Spur führen. Ist der Exophthalmus einseitig, so kommen die anderen Mög- lichkeiten mehr in Betracht. Wenn ein Exophthalmus ziemlich schnell und mit Odem der Lider und der Bindehaut, sowie mit Schmerzen und Fieber sich entwickelt, so ist die Diagnose „entzündlicher Exophthalmus" leicht, während andererseits ein Exophthalmus durch Tumorbildung durch den langsamen, reizlosen Verlauf ausgezeichnet ist. Oft ist aber die Differentialdiagnose zwischen Tumor und Entzündung sehr erschwert, indem z. B. der Verlauf mancher entzündlicher Prozesse ein sehr langsamer sein kann, z. B. bei gum- möser Periostitis der Orbitalwände oder bei den sogenannten Muko- celen, die als entzündliche Xebenhöhlenerkrankungen beginnen und nur sehr langsam sich ausdehnen. Auf der anderen Seite kann ein Tumor an Lidern und Bindehaut Stauungserscheinungen hervorrufen, die von Entzündungen oft schwer zu unterscheiden sind. In zweifel- haften Fällen ist oft die interne Darreichung von Jod nütz- lich gewesen, so daß man ex juvantibus nachträglich mit einiger Sicherheit auf Lues schließen konnte1). ') Es soll deshalb stets zunächst ein Versuch mit D arr ei chung großer Joddosen gemacht werden! Erkrankungen der Orbita. G15 In manchen Fällen wird die Eröffnung der Orbita zu diagnostischen Zwecken nicht zu umgehen sein. Für neben dem Augapfel gelegene Tumoren genügt die Freilegung von der Stelle der deutlichsten Resistenz her; in anderen Fällen gewährt die tem- poräre Resektion der äußeren Orbital wand nach Krön- lein einen guten Einblick und ermöglicht sogar die Entfernung retrobulbär gelegener Geschwülste unter Erhaltung des Augapfels. Sehr eigentümlich sind die seltenen Fälle, in denen bei einer Eröffnung der Orbita die Ursache des Exophthalmus nicht ermittelt wurde und letzterer dennoch zurückging. Es handelte sich wohl um entzündliche Infiltration oder z. B. um ein diffuses Lymphangiom, das bei der Operation entleert wurde. In letzterem Fall kann der Exophthalmus rezidivieren. I. Der entzündliche Exophthalmus. a) Die Erkrankungen der Orbitalwände. Die primäre Ostitis der Orbitalwand ist selten, augenscheinlich, weil die wenigsten Knochen der Wandung nennenswerte Markräume aufweisen. Die besonders bei Kindern vorkommende primäre Osteo- myelitis des Jochbeins kann nach der Orbitalwand hin übergreifen; auch im Orbitaldache und im Oberkiefer ist dieser Prozeß beobachtet worden. Weit häufiger sind die Falle, in denen eine Periostitis zu einer sekundären Beteiligung des Knochens führt. Soweit das Trauma eine Rolle dabei spielt, ist der den Schädlichkeiten dieser Art am meisten ausgesetzte obere Orbitalrand am häufigsten betroffen, im übrigen aber kommt die selbständige Orbitalperiostitis besonders unten und außen am Jochbein vor. Wenn man von den Fällen absieht, in welchen ein Empyem einer Nebenhöhle zu Grunde liegt, so handelt es sich im übrigen meistens um tuberkulöse Herde, die langsam zur Nekrose des Knochens führen können. Auch gummöse Zerstörungen mit sekun- dären Eiterungen kommen vor, primäre Eiterung endogenen Ur- sprunges ohne Verletzung der Weichteile scheint dagegen sehr selten zu sein. Die Symptome einer Periostitis des Orbitalrandes bestehen in Rötungen der Haut und Schmerzhaftigkeit des verdickten Periostes und Übergreifen der Schwellung auf das Lid. Nach spontanem Durch- bruch liegt oft der kariöse Knochen frei. Es ist frühzeitige Aus- kratzung oder Aufmeißelung und Sequesterentfernung anzustreben, weil bei Spontanheilung stark eingezogene Narben entstehen können, die zur Schrumpfung und Ektropionierung des Lides führen, wenn die Nekrose der Haut sehr umfangreich war. Für die gummösen Prozesse ist die starke Auftreibung des Periostes und die Neigung zu Zerfall und pjterung charakteristisch. Je näher bei diesen Periostitisformen der Krankheitsherd nach dem Orbital ran de zu liegt, um so weniger ist auf einen Exophthalmus zu rechnen. Eher handelt es sich dann um Verdrängungen des Aug- apfels in seitlicher Richtung. Schwieriger ist die Diagnose einer Periostitis in der Tiefe der Orbita. Es besteht dann meistens Exophthalmus mit entzündlichem Ödem der Lider; so lange es sich aber um einen rem periostalen. 616 Peters, nicht in das Orbitalgewebe durchgebrochenen Prozeß handelt, pflegt die Beweglichkeit des Auges relativ wenig beeinträchtigt und die Bindehaut des Augapfels nicht stark chemotisch zu sein, im Gegensatz zu den Fällen von ausgesprochener Phlegmone des Orbitalgewebes. Bei der tiefen Periostitis kommt weit seltener Tuberkulose oder Lues in Frage, als ein Übergreifen einer Nebenhöhleneiterung nach der Orbita hin. Die nach Inzisionen oder spontanem Durchbruch des Eiters zu fühlende Rauhigkeit des Knochens erfordert Freilegung und Aus- kratzung der Herde mit dem scharfen Löffel und entsprechende Behandlung der Nase, wobei man bestrebt sein muß, die Radikal- operation des betreffenden Sinus unter Umständen von der Orbita her anzuschließen. Eine besondere Erwähnung verdienen die Fistelbildungen und phlegmonösen Prozesse in der Gegend des Tränensackes, welche in der Hälfte der Fälle eine Komplikation mit Nebenhöhlenerkrankungen erkennen lassen. Wo eine solche nicht vorliegt, muß man auch an die Möglichkeit einer Tuberkulose des Tränensackes oder einer tuber- kulösen Periostitis seiner Nachbarschaft denken. Die enorme Bedeutung der Nebenhöhleneiterungen für die Erkrankungen der Orbita zeigt sich auch bei den b) Entzündungen des orbitalen Zellgewebes, so daß man bei diesen ebensowenig wie bei der Periostitis orbitae die Nasenuntersuchung versäumen darf. Erst wenn man Nebenhöhlenerkrankungen ausschließen kann, darf man an eine primäre Entzündung des Orbitalgewebes denken, für welche dann in erster Linie eine Infektion nach Trauma oder operativen Ein- griffen, sowie ein in die Orbita übergegangenes Erysipel in Frage kommt, während die metastatischen Eiterungen, wenn sie überhaupt vorkommen, äußerst selten sind, und man darf wohl annehmen, daß manche dieser Fälle, die auf Rotz, Milzbrand, Typhus und Meningitis zurückgeführt wurden, heute sich als Folgen von Nebenhöhlenerkran- kungen erweisen würden, die man damals noch kaum kannte. Ist die Infektion des orbitalen Zellgewebes einmal erfolgt, so ist meistens Abszedierung und spontaner Durchbruch des Eiters nach außen zu erwarten, wenn auch gelegentlich Fälle vorkommen, in denen die Eröffnung der Nebenhöhlenräume von der Nase her die be- ginnende Orbitalphlegmone rück- gängig werden läßt, wobei zu berücksichtigen ist, daß der ei- gentlichen Phlegmone eine starke ödematöse Schwellung des or- bitalen Zellgewebes vorauszu- gehen pflegt, deren Rückgang auf die soeben geschilderte Weise weit eher zu erwarten ist, als der eines ausgesprochenen Orbi- talabszesses. Da die Nebenhöhlenerkran- Fig.437. U Phlegmone orbitae. Ent- kungen zunächst eine Periostitis zündlicher Exophthalmus mit starkem der Orbita hervorrufen, SO ist Ödem, besonders der Conjunctiva bulbi oft schwer zu entscheiden, ob (Chemosis). schon eine beginnende Orbi- Erkrankungen der Orbita. 617 talphlegmone vorliegt. Ihre Diagnose wird um so sicherer, je rascher sich die Protrusion und die Beweglichkeitsbeschränkung des Aug- apfels einstellt. Fluktuation kommt auch bei periostalen Abszessen vor. Starke Chemosis der Bindehaut deutet eher auf eine Beteili- gung des orbitalen Zellgewebes hin (s. Fig. 437). Nach Entleerung des Eiters pflegen diese Symptome bald zu schwinden. Sobald die Diagnose einer Orbitalphlegmone feststeht, ist die operative Behandlung angezeigt, wobei auch die intranasale Behand- lung nicht zu versäumen ist, wenn eine Nebenhöhleneiterung vorliegt. Wird die Eiterung sich selbst überlassen, so können schwere Seh- störung und Lebensgefahr die Folge sein, indem eine Periostitis eine Perforation nach der Schädelhöhle mit nachfolgender Meningitis herbeiführt, was besonders nach chronischen Empyemen beobach- tet wird. Die Gefahren für das Sehvermögen bestehen in einer Beteiligung des Sehnerven, die als retrobulbäre Neuritis, Neuritis optica und Phlebitis der Zentralvene in die Erscheinung treten kann. Je früh- zeitiger die Kompression durch Entleerung des Eiters aufgehoben wird, um so sicherer wird eine neuritische oder Kompressionsatrophie des Sehnerven verhütet, wie auch eine Augenmuskellähmung oder eine Eindrückung der Bulbuswand wieder rückgängig werden kann. Die operative Behandlung hat nicht nur die Entleerung des Eiters zum Ziele, sondern es muß bei der Freilegung des Krankheits- herdes auch die Untersuchung der benachbarten Wandungen vor- genommen und unter Umständen die Radikaloperation des betreffen- den Sinus angeschlossen werden. Jede Erkrankung der Orbita erfordert eine genaue Untersuchung der Nebenhöhlen der Nase. Nach neueren Statistiken waren sie in etwa 60% der Fälle als Ursache einer entzündlichen Orbitalerkrankung anzusprechen und diese Zahl ist in Wirklichkeit vielleicht noch größer, weil manche Nebenhöhleneite- rungen latent bleiben oder rascher ausheilen können, als die durch sie bedingte Orbitalkomplikation. Am häufigsten ist die Stirnhöhle, dann die Kieferhöhle und gleich häufig die Siebbeinzellen und am seltensten die Keilbeinhöhle betroffen, in Form einer eiterigen Entzündung, welche oft einer Rhinitis, Influenza, Pneu- monie, Scharlach, Diphtherie oder einem Trauma ihren Ursprung verdankt. Das Übergreifen der Entzündung geschieht in diesen Fällen meistens an den Stellen, wo das Periost am dürftigsten entwickelt ist und Gefäße den Knochen durchsetzen. Durch die Perforation des Knochens entsteht dann in der Orbita eine Periostitis oder ein periostaler Abszess oder eine Phlegmone. Für die Ver- breitung der Entzündung spielen außer den Venen auch die Lymphspalten eine Rolle. Als Infektionsträger kommen verschiedene Keime in Betracht; für die ohne fötiden Geruch einhergehenden Formen kommen am häufigsten Pneumo- kokken, Streptokokken und Influenzabazillen in Betracht. Erfolgt der Durchbruch des Eiters aus der Orbita spontan, so kann man aus gewissen Prädilektionsstellen, wenn auch nicht mit Sicherheit, auf die Beteiligung bestimmter Höhlen schließen. So perforiert das Stirnhöhlen- empyem meistens im oberen inneren Teil der Orbita, während die Siebbein- und Keilbeineiterungen im Bereiche der medialen Wand zutage treten. Phlegmonen der Tränensackgegend haben oft ihren Ursprung in einer Erkrankung der vorderen Siebbeinzellen, deren Eiter sich auch in den Tränensack entleeren kann. Im unteren Abschnitt der Orbita perforieren oft die Kieferhöhleneiterungen, ferner periostale Abszesse dentalen Ursprungs. Auch fortgeleitete Warzenfortsatzent- zündungen können diesen Teil in Mitleidenschaft ziehen. 618 Peters, Für die spezielle Diagnose der von den Nebenhöhlen aus- gehenden Orbitaleiterungen kommt besonders in Betracht: Druckempfind- lichkeit der Orbitalwand, Schmerzliaftigkeit beim Zurückdrängen des Bulbus und bei Augenbewegungen, Dislokation des Bulbus, Abszeß oder Fistelbildung im Orbitaleingang, Beteiligung des Sehnerven in Form von Atrophie durch Thrombophlebititis oder retrobulbäre Neuritis, die sich im zentralen Farben- skotom kundgibt. Sehr häufig verursachen die latent en Empyeme, auch ohne Vermittlung einer Orbitalentzündung, nervöse Störungen in der Nachbarschaft des Auges hervorrufen. Hierher gehören in erster Linie die oft recht schweren Supra- orbitalneuralgien, besonders bei akuten Stirnhöhlenempyemen, ferner asthenopische und allgemein nervöse Beschwerden, wobei kon- zentrische Einengungen des Gesichtsfeldes selten zu sein scheinen. Auch können chronische Entzündungen des Bulbus und seiner Adnexe eine Ver- zögerung der Ausheilung erfahren, so lange ein solches latentes Empyem besteht. Die Prognose der Orbitalentzündungen ist eine wesentlich bessere geworden, seitdem die Diagnose der Nebenhöhlenerkrankungen frühzeitig gestellt werden kann. Außer den eiterigen Nebenhöhlenerkrankungen kommen als Ursache von orbitalen Störungen auch die Mukocelen besonders der Stirnhöhle oder der Siebbeinzellen vor, d. h. eine chronische Ektasie mit Verschluß des Ausfuhrungsganges, die zu starker Verdrängung des Augapfels führen können und öfters an einem Knittern der stark vorgetriebenen Knochenwandungen zu erkennen sind. Hier ist ausgiebige Entleerung des schleimigen Inhaltes nach der Nase zu bewirken, wozu sich dann oft noch die Radikaloperation der Stirnhöhle von vorne her, möglichst mit Erhaltung einer die Ent- stellung vermeidenden Knochenspange nach Killian gesellen muß. Seitdem die Beteiligung der Nebenhöhlenempyeme bei Orbital- erkrankungen mehr und mehr erkannt wird, finden auch viele früher rätselhafte Fälle von Orbitalentzündung ihre Erklärung, ebenso die sogenannten kontralateralen Sehstörungen, wo durch abnorme Lage und Variationen der Keilbeinhöhle und der hinteren Siebbeinzellen der Optikus der anderen Seite in Mitleidenschaft gezogen wird. e) Die Thrombose der Orbital venen, welche meistens sekundär, von entzündlichen, infektiösen Prozessen der Nachbarschaft fortgeleitet, dagegen seltener primär, d. h. maran- tisch bedingt ist. Das klinische Bild der Thrombophlebitis der Orbita gleicht dem der Phlegmone insofern, als Lidschwellung, Chemosis, Protrusion des Augapfels und venöse Hyperämie des Sehnervenkopfes bestehen. Gelegentlich fühlt man die thrombosierten Venen als schmerzhafte, derbe Stränge. Die Diagnose wird gesichert durch das der Throm- bose zugrunde liegende Leiden, welches die Orbita in Mitleidenschaft zieht, entweder dadurch, daß eine Thrombose des Sinus cavernosus auf die Orbita übergreift, wobei eine Beteiligung des Sinus trans- versus durch Vermittelung von Venenemissarien sich in einer teigigen Schwellung in der Gegend des Processus mastoideus verraten kann, oder indem ein infektiöser Prozeß sich nach der Orbita von kariösen Zähnen, den Tonsillen, Furunkeln der Gesichtshaut, oder von einem Gesichts- oder Nasenerysipel fortpflanzt. Beim Fehlen dieser Erkran- kungen wird man an eine Sinusthrombose denken müssen, die auch Erkrankungen der Orbita. 619 otitischen Ursprunges sein kann. Während eine doppelseitige Orbital- phlegmone sehr selten sein dürfte, ist eine Beteiligung beider Augen- höhlen an der Thrombose relativ häufiger. Die Prognose ist im allgemeinen eine schlechte. Bei den vom Gesicht und von der Nase fortgeleiteten Thrombosen kommt wie beim Erysipel eine Beschränkung auf die Orbita vor, jedoch ist die Lebens- gefahr meistens eine sehr große. Beim guten Ausgang eines Erysipels dieser Art droht immer noch die Beteiligung des Sehnerven in Form der Atrophie. d) Die Entzündung der Tenonischen Kapsel. Sie ist ein seltenes Vorkommnis und ist früher sicherlich öfters mit Neben- höhlenerkrankungen verwechselt worden. Wie bei Panophthalmie und bei In- fektionen nach Trauma eine Beteiligung dieser Wandungen des Lymphraumes vorkommt, so kann sie auch selbständig auftreten als sog. seröse Form nach In- fluenza und Erkältungen, die durch Aspirin ohne bleibende Folgen zur Ausheilung gebracht werden kann. Sie verrät sich durch leichte Protrusion, Chemosis des Augapfels und gleichmäßig nach allen Seiten verminderte Beweglichkeit und auf den Augapfel beschränkte Druckempfindlichkeit. Dem Verstreichen der Hautfalte im oberen Lide und der Beschränkung des Lidödems auf den tarsalen Teil des Lides kommt dagegen keine diagnostische Bedeutung zu. II. Der Exophthalmus durch Gefäßanomalien. a) Der pulsierende Exophthalmus. Das Zusammenvorkommen eines einseitigen Exophthalmus mit Ge- fäßgeräuschen und palpebraler Pulsation wird in den allermeisten Fällen erzeugt durch eine Ruptur der Carotis interna im Sinus cavernosus. Der so zustande kommende Exophthalmus (s. Fig. 438) pflegt ziemlich hochgradig zu sein; das schwere Lid ist prall gespannt und gerötet. Die Bindehaut und oft auch die Lidhaut sind von erweiterten Venen durchsetzt, eigentümlich düster injiziert, mitunter etwas ödematös. (Vgl. Abschnitt „Verletzungen", S. 594.) Der Augapfel läßt sich öfters ein wenig zurückdrängen. Bei Palpa- tion, besonders oben und innen ist öfters Pulsation und Schwirren, sowie Fig. 433. Links-Exophthal- eine komprimierbare Schwellung nach- mus pulsans. zuweisen. Mit dem Stethoskop hört man durch das obere Lid ein deutliches Geräusch, welches nach Kom- pression der Carotis communis sofort aufhört. Ophthalmoskopisch können die Zeichen der venösen Stauung oder der Ischämie der Retina durch Kompression der Zentralgefäße vorliegen; die Pupille ist oft weit und reagiert träge, die Beweglichkeit des Bulbus gestört und die Sensibilität der Lid- und Stirnhaut öfters herabgesetzt. Die Affektion ist schmerzhaft und durch die Geräusche sehr lästig. Sie kommt spontan, z. B. nach Husten und Bücken, auch in der Gravidität vor, und beginnt mit einem plötzlichen Knacken und heftigem Schmerz, während die Symptome weniger rasch auf- treten, wenn eine Verletzung der Schädelbasis stattgefunden hat. Lehrbuch der Augenheilkunde. öa 620 Peters, welche die Ruptur der Carotis interna im Sinus cavernosus oder ge- legentlich die eines Aneurysmas an dieser Stelle erzeugt. (Wahre Aneurysmen oder Arteria ophthalmica sind sehr selten. Die Ursache ist sehr selten ein Aneurysma arteriovenosum.) Nur in seltenen Fällen bildet sich der pulsierende Exophthal- mus spontan zurück. In anderen kommt es zu dauernden Sehstö- rungen oder es erfolgt eine tödliche Blutung aus den erweiterten Gefäßen. Die Spontanheilung kann dadurch erfolgen, daß eine Thrombose der Vena ophthalmica superior sich auf den Sinus caver- nosus fortsetzt und hier den Verschluß der geborstenen Arterie möglich macht. Das doppelseitige Auftreten der Affektion ist außer- ordentlich selten. Die Therapie hat zur Aufgabe, beim orbitalen Sitz der Er- krankung die Entfernung des Aneurysmas anzustreben, eventuell unter Zuhilfenahme der temporären Resektion der äußeren Orbitalwand nach Krönlein. Bei der Ruptur der Karotis im Sinus cavernosus sind, weil die Arterien wunde nicht verklebt, Blutdrucksteigerungen zu vermeiden. Durch methodische Kompression der Carotis communis durch Instrumente oder mit den Fingern sind Erfolge erzielt worden, wie es scheint, bei den idiopathischen Formen öfter, als bei den traumatischen, weil hier die Gerinnungen auf der er- krankten Gefäßwand fehlen. Führt die Kompression nach einigen Wochen nicht zum Ziele, so muß man die Unterbindung der Carotis communis vornehmen, nach welcher die Pulsation und die Geräusche meistens sofort schwinden und der Exophthalmus sich langsam zurückbildet. Gehirnerscheinungen können auftreten, ebenso Rezidive. Die Prognose ist jedoch im ganzen günstig, wenn sie nicht durch schwere Gefäßerkrankungen beeinträchtigt wird. b) Periodischer Exophthalmus durch Taricen der Orbita. In den sehr seltenen Fällen von variköser Erweiterung der Or- bitalvenen, welche beim Bücken einen stärkeren Exophthalmus be- wirken, pflegen die Geräusche und die Pulsation zu fehlen. In auf- rechter Stellung steht in diesen Fällen das Auge normal, mitunter sogar etwas zurückgesunken. III. Der Exophthalmus durch Geschwulstbildungen. 1. Gutartige Tumoren. a) Die Orbitalzysten. Am häufigsten sind die sogenannten Dermoidzysten. Ihre Form ist meistens rundlich, sie sind selten mehrkammerig. Der In- halt erinnert meistens an den sog. Atherombrei, daneben können sich aber Haare, Zähne etc. finden. Die Größe variiert bis zu der eines Gänseeies. Der Sitz ist außerhalb des Muskeltrichters in den äußeren Teilen der Orbita und zwar häufig nach oben und außen. Die Mehrzahl dieser Tumoren wird im jugendlichen Alter beobachtet. Ihre Anlage ist wohl ausnahmslos kongenital und das Wachstum erfolgt verschieden rasch, wobei der Augapfel eine Verdrängung erfahren kann. Dabei sind sie aber ausgesprochen gutartig. Die operative Entfernung dieser Dermoidzysten, welche oft durch das tiefe Hineinragen in die Orbita erschwert ist, geschieht nach den Erkrankungen der Orbita. 621 Regeln der operativen Chirurgie, meistens aus kosmetischen Gründen, seltener, um einer Gefährdung des Auges vorzubeugen. Von diesen Dermoidzysten ist die viel seltenere, ebenfalls kon- genital angelegte Encephalocele zu unterscheiden, deren Inhalt Cerebrospinalfiüssigkeit und deren Wandung die Dura mater ist, welche sich hernienartig ausgestülpt hat. An der Bruchpforte ist die Dura mit dem Periost verwachsen und die Arachnoidea und Pia drängen sich vor. Meistens erscheint die Hernie im Be- reiche des inneren oberen Orbitalwinkels als bohnen- oder taubeneigroße, fluktu- ierende, von normaler Haut bedeckte Zyste, deren Inhalt zuweilen durchschim- mert. Sie entsteht durch eine Lücke zwischen Stirnbein und Siebbein als ange- borener Bildungsfehler, der auch doppelseitig vorkommt. Für die Diagnose kommt besonders in Betracht, daß sich die Zyste auf Druck entleert und dabei Symptome von Hirndruck entstehen oder Pulsation zu fühlen ist. Fehlen diese Symptome, so ist gegenüber den Dermoidzysten wichtig das unverschiebliche Fest- sitzen auf dem Knochen und die Verdrängung des Inhaltes. In seltenen Fällen kommt aber auch eine Abschnürung gegen die Schädelhöhle in Frage. Fig. 439. Orbitalzyste, Fig. 440. Ketrobul bärer Echino- später operiert mit Erhaltung coccus orbitae, später nach Krön- völliger Beweglichkeit des an lein mit Erhaltung des Bulbus ope- normaler Stelle befindlichen riert. (Fall von Axenfeld.) Auges. Eine Probepunktion unter aseptischen Kautelen ist gestattet, der operative Verschluß der Pforte aber wohl in den meisten Fällen zu unterlassen wegen der Gefahr einer Meningitis und weil meistens keine direkte Indikation vorliegt. Eine weitere angeborene Form der Zystenbildung stellt die Verbindung mit angeborenem Mikrophthalmus dar. Sie kommt als Bildungsfehler zustande, wenn das Mesoderm den Schluß der Augenblase hindert und diese in abnormer Weise nach außen weiter wächst. Die so entstandene Ausstülpung ist mit Netzhautelementen ausgekleidet und steht mit dem Augapfel durch eine direkte Öffnung in Verbindung. Der Sitz dieser Zysten ist, dem Sitze der Augenspalte entsprechend, nach unten gelegen. Der Inhalt kann durch das vorgedrängte Lid durchschimmern. Der Zusammenhang mit dem verkleinerten Augapfel und die kongenitale Herkunft sichert die Diagnose. Differentialdiagnostisch kommt bei den Zysten ferner der Echinococcus in Krage (Fig. 440). 3',)* 622 Peters, Er kommt vor im orbitalen Zellgewebe, in den Muskel- und Optikus- scheiden. Durch den Wachstumsdruck werden Schmerzen und reaktive Verände- rungen im Gewebe ausgelöst und es kommt zu erheblichen Dislokationen des Auges und zur Gefährdung des Sehvermögens. Die Geschwulst stellt einen Sack mit fluktuierendem Inhalte dar; es ist die aus dem eingewanderten Embryo ent- standene Mutterblase mit den Tochterblasen. Der Zysteninhalt ist gelblich ge- färbt und enthält Bernsteinsäure und besonders Kochsalz. Das Vorkommen ist ein seltenes. Noch seltener ist der orbitale Cysticercus, der sich durch eine derbe Kapsel auszeichnet. Die Entfernung der Parasiten stößt bei tiefem Sitz auf Schwierig- keiten, die gelegentlich durch die temporäre Resektion der äußeren Orbitalwand nach Krönlein zu beheben sind. Weiterhin kommen Fälle vor, in denen sich über die Herkunft einer Zyste nichts Sicheres ermitteln läßt. Ein solcher mit Erfolg operierter und geheilt gebliebener Fall ist in Fig. 439 abgebildet. b) Die Gefäßgeschwülste der Orbita. Sie sind nicht gerade selten und treten besonders auf als kavernöse Angiome, entweder in Form weicher Geschwülste als Fortsetzung einer Teleangiektasie der Lider oder als Gefäßkonvolut in der Tiefe der Orbita, welches den Augapfel stark verdrängen und schließlich bläulich durch die Lider durchschimmern kann. Der Wechsel des Grades des Exophthalmus, das schmerzlose und langsame Wachstum sind oft charakteristisch, vor allem auch die stärkere Füllung beim Bücken und Pressen. Abgekapselte Angiome zeigen diese wechselnde Füllung jedoch nicht. Durch Gefäßektasien venöser Art erklären sich die Fälle von intermittierendem Exophthalmus nur beim Bücken, der beim Aufrichten wieder langsam zurückgeht. Da die Angiome auf die Dauer Entstellungen und Gefährdungen des Auges hervorrufen können, so muß die möglichst frühzeitige Beseitigung vorgenommen werden. Doch stößt dies bei den diffus das Gewebe durchsetzenden Formen oft auf große Schwierigkeiten. Kann man auch beim Zugang von der Schläfe her noch nicht genügende Abgrenzung gewinnen, so kommt auch die elektrolytische Zerstörung in Frage. Das kavernöse Lymphangiom ist sehr selten und beruht wohl immer auf einer angeborenen Anlage. c) Anderweitige gutartige Geschwulstformen. Eine seltenere Form stellt das plexiforme Neurom dar, ferner das Lymphom der Orbita, welches aus diffusem lymphoi- dem Gewebe bestehend, hier vor allem deshalb auffällt, weil in der Orbita, abgesehen von der Tränendrüse, lymphoides Gewebe sonst nicht vorkommt. Diese Geschwülste treten meistens beiderseits und dann stets im Gefolge einer Leukämie oder Pseudoleukämie auf (s. u.). Das sog. Lymphosarkom (maligne Lymphom) bildet den Übergang zu der folgenden Gruppe. 2. Maligne Tumoren der orbitalen Weichteile. Ein Karzinom im Orbitalgewebe ist von außen oder von der Tränendrüse fortgeleitet oder könnte höchstens vom Epithel einer Dermoidzyste ausgehen oder metastatisch sein. Selbständige epi- theliale Neubildungen kommen dagegen nicht vor. Anders ist es mit Erkrankungen der Orbita.J 623 den Sarkomen, welche m allen Modifikationen im Orbital-ewebe auftreten können. Sie zeichnen sich meistens aus durch eine gewisse Harte, fehlen der Iluktuation und der Pulsation. Bei zysti eher Erweichung oder großem Gefäßreichtum können die Tumoren sich weicher anfühlen. wejJ 61CÜ Wir finden Endotheliome Myxosarkome, Rundzellen- und Spindel- zellensarkome, ferner Fibrosarkome, die primär oder geWenthch ls Metastasen vorkommen. Der Ausgangspunkt ist im^rsfe^en Fat das Periost oder andere mesodermale Teile in der Orbita sowet sie nicht von der Schädelhöhle oder von der Nasen und Mimdl" Fig. 441. Fibrosarcoma orbitae. Fig. 442. Diffuses Sarcoma 'orbitae. her in die Orbita hineinwachsen. Hiervon ist die Prognose ab- hängig, die aber auch bei rein orbitalem Ursprung dieser Geschwülste noch schlecht genug ist, indem selbst bei sorgfältigster Entfernung der Geschwülste, bei der sich oft die Beseitigung eines noch seh- tüchtigen Auges nicht vermeiden läßt, Rezidive nicht selten sind. Das Wachstum dieser Tumoren ist oft ein schrankenloses (cf. Fig. 441, 442) und führt durch Metastasenbildung und Marasmus rasch zum Tode. Eine Abart der Sarkome stellt das sogen. Chlorom dar, welches besonders nach den Schläfen zu zu wachsen pflegt und eine eigentümlich ge- färbte, ins Grünlich-gelbe gehende Geschwulst darstellt. Auch Tumoren des Augeninnern, z. B. die Aderhautsarkome oder die Gliome der Netzhaut können in der Orbita enorme Geschwülste er- zeugen (s. Fig. 443). p,. ..' ° v ö ' Glioma retinae, Eine besondere Gruppe bilden noch orbitales Rezidiv. 3. Die Geschwülste des Optikus und seiner Scheiden. Die Symptome dieser nicht so seltenen Form sind: Vortreibung des Augapfels nach vorne und oft auch etwas nach außen, schmerz- loses Wachstum, relativ gut erhaltene Beweglichkeit, frühzeitige Seh- 624 Peters, Störung unter dem Bilde der Neuritis oder neuritischen Atrophie und Möglichkeit der Palpation, besonders von der medialen Seite her. Es handelt sich um Abkömmlinge des Mesoderms, welche meist als Myxo- sarkome und Endotheliome beschrieben sind. Erstere entstehen meistens in der Piaischeide des Sehnerven als spindelförmige Auftreibungen am Sehnerven, die oft erweicht und stets von der Duralscheide überzogen sind. Mit Recht werden diese Tumoren neuerdings als „Neurofibromatose" bezeichnet: denn im ganzen sind diese Tumoren gutartig; sie durchbrechen die Duralscheide nicht und machen keine Metastasen, haben aber Neigung, nach der Schädelhöhle hin zuwachsen, weshalb ihre operative Entfernung nach der Kr önle inschen Methode anzustreben ist (s. Fig. 444). Die Endo theliome machen dieselben klinischen Erscheinungen, sind aber bösartiger und von alveolärem Bau mit epitheloiden Zellen. Sie entstehen von dem Zellbelag der Arachnoidalscheide aus und können eine erhebliche Größe er- reichen. Wegen den öfters auftretenden Endothelperlen sind diese Tumoren auch als Psammome bezeichnet worden. Erweichungen und Verknöcherungen kommen ebenfalls vor. Das Auftreten der Sehnerventumoren ist meist an das jugendliche Alter gebunden. Ganz selten dürfte das Auftreten einer konglobierten Tuberkulose eine Geschwulst Vortaschen. Für die langsam wachsenden Sehnerven-Tumoren ist die Ent- fernung mit der Erhaltung des Augapfels unter Umständen möglich, besonders, seitdem die Krön lein sehe Operation auch bei diesen Tumoren in Anwendung gezogen ist (Fig. 445). Bei rascherem Wachstum wird man eher an ein Endotheliom denken und die Aus- räumung der Augenhöhlen vornehmen müssen. Jedenfalls ist diese sofort auszuführen, wenn der Versuch der Exstirpation unter Er- haltung des Auges rasch von einem Rezidiv gefolgt ist. Die sekundären Sehnervengeschwülste entstehen durch Ausbreitung intraokularer Gliome und Sarkome, bosonders in die Scheiden und erfordern neben der Enukleation die Exenteratio orbitae, wobei besonders die dunkle Färbung der Melanosarkome nach der Operation die Propagation anzeigt. Weit seltener ist die Beteiligung des Optikus bei Metastasenbildungen von Karzinomen. sehen Operation (nach Ha ab). Die Bogen- linie entspricht dem Hautschnitt. Fig. 444 II Sehnerven- tumor, mit Erhaltung des Bulbus, nach Krönlein ope- riert (Fall von Axenfeld). Erkrankungen der Orbita. 625 Die Schnittführung bei der temporären Resektion der äußeren Orbitalwand nach Krönlein ist aus Fig. 445 ersichtlich. Zuerst wird ein Bogen- schnitt durch die Weichteile gemacht und dann die Periorbita von der Orbital- wand abgehebelt. Die im spitzen Winkel zusammenlaufenden Knochenschnitte ermöglichen nach Durchmeißelung oder Durchsägung das Zurückklappen eines Hautknochenlappens, wodurch der ganze laterale Teil der Orbita zugänglich ge- macht wird. So zeigt z. B. Fig. 446 ein ausgezeichnetes Operationsresultat nach Entfernung eines Tränendrüsenkarzinoms. Anwendung findet die Operation außer bei Sehnerventumoren bei allen tiefliegenden Prozessen in der Orbita, wenn eine größere Übersichtlichkeit des Operationsterrains erwünscht ist. Bei der Exenteration der Orbita ist eine ausgiebige Abhebelung der Periorbita anzustreben, um alle Geschwulstteile gründlich entfernen zu können. Den plastischen Verschluß der Höhle kann man durch Hautlappen aus der Umgebung unter Benutzung der Lider erzielen (s. Fig. 447). Fig.446. R Orbitalkarzinom, von der Tränendrüse ausge- gangen, mit Erhaltung des Bul- bus, nach K r ö n 1 e i n operiert. (Fall von Axenfeld.) Fig. 447. Plastischer Ver- schluß der Orbita nach totaler Exenteration. 4. Die Geschwulstbildungen der Orbital wände. In erster Linie stehen hier die Knochengeschwülste, die als Exostosen oder Osteome auftreten. Erstere sind gutartige Geschwülste, können aber dadurch Schaden stiften, daß sie den Augapfel ver- drängen. Sie entstehen oft spontan, vielleicht aus embryonalen An- lagen im oberen inneren Teil der Orbita und nehmen oft eine elfen- beinerne Härte an. Ein anderer Teil ist zweifellos traumatischen Ursprungs und seltener, während bei multipler Exostosenbildung die Orbita unbeteiligt zu sein pflegt. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Osteome zu den Nebenhöhlen (s. Fig. 448 und 449). Hier kann der Aus- gangspunkt dieser Geschwülste sein, oder sie können in diese Zellen hineinwachsen und eine Usur der Wandungen herbeiführen und dadurch eine Eröffnung des Schädelraumes bewirken, auf welche man bei der Operation gefaßt sein muß. Unter Umständen sind die Sinusosteome frei beweglich oder elfenbeinhart; sie verdanken' ge- gelentlich einem Trauma ihren Ursprung, vielleicht sind auch öfters 626 Peters, schon fötal angelegt. Der Ausgangspunkt der Osteome und Exostosen ist sicherlich oft das Periost. Differentialdiagnostisch kommen dann gelegentlich periostale Verdickungen in Frage, wie sie die Lues zu erzeugen pflegt. In seltenen Fällen dürfte der Ausgangspunkt in ver- sprengten Knorpelinseln der Orbita zu suchen sein. Fig. 448. Osteom des 1. Sinus frontalis. Fig. 449. Osteom des Sinus frontalis, in die Orbita vorspringend, von einer die Stirnhöhle teilenden Spange ausgehend. (Fall von Axenfeld.) Die Diagnose gründet sich auf den festen Zusammenhang mit den benachbarten Knochen und die Konsistenz der Tumoren. In neuerer Zeit wird für diese Fälle die Durchleuchtung mit Röntgen- strahlen herangezogen und man kann auf dem Schirm deutlich die Tumoren erkennen. Die Prognose ist eine gün- stige, selbst wenn die Tumoren nach der Schädelhöhle hin wachsen. Ihre Entfernung kommt in Frage, wenn die Verdrängung des Aug- apfels Gefahren für das Sehver- mögen hervorruft; wenn man streng aseptisch vorgeht, so kann die früher mit Recht gefürchtete Ge- fahr einer komplizierenden Menin- gitis doch wohl ziemlich sicher aus- geschaltet werden, die doch auch bestellen bleibt, wenn ein Osteom die Wandungen einer Nebenhöhle usuriert, die mit einer erkrankten Schleimhaut ausgekleidet ist. Di ff er entialdia gnos tisch kommen vor allem die Mucocelen der Stirnhöhle in Frage, welche jedoch bei einer Probepunktion schleimigen Inhalt und gewöhnlich sehr dünne Knochenwandungen Fig. 450. Sarkom des Siebbeins und der Orbita. Erkrankungen der Orbita. 627 aufweisen, ferner die Tumoren der Tränendrüse, welche auf Seite 273 ihre Besprechung gefunden haben. Fig. 451. Osteosarkom des Schläfenbeins, nach der Orbita zu gewachsen (äußerst langsames Wachstum; 2 Jahre nach der Operation rezidivfrei). Fig. 452. Sarkom der Keil- beinhöhle, nach der Orbita durchgewachsen. In zweiter Linie sind Sarkome zu nennen, welche von den Wandungen resp. ihrem Periost ausgeben und sich diffus verbreiten. Sie sind außerordentlich maligne und fast nie mit dauerndem Erfolg operabel (Fig. 450-452). IV. Exophthalmus durch AUgemeinerkrankungen. a) Die Basedowsehe Krankheit. Sie wurde zuerst von G-raves (1835) in ihren Hauptsymptomen beschrieben, während einige Jahre später Basedow auf die Bedeutung des Exophthalmus aufmerksam machte. Die Krankheit befällt Frauen weit häufiger als Männer und tritt meistens im mittleren Lebensalter auf dem Boden der neuropathischen Belastung, seltener nach psychischen und anderen Traumen und nach erschöpfenden Krankheiten auf. Kardinalsymptome sind Ta- chykardie, Struma und doppel- seitiger Exophthalmus. Sie kom- men einzeln und zusammen vor. Die Tachykardie tritt meistens zuerst auf und pflegt ganz konstant zu sein, ohne daß sonstige Herzaffektionen vorliegen. Der Herzstoß ist verstärkt; die Puls- frequenz über 100 gesteigert. [Näheres über die Symptomatologie enthalten die Lehrbücher der inneren Medizin.] Das Struma ist sehr häufig; die Schilddrüse ist in toto vergrößert und weich. Öfters ist bei Palpation ein Schwirren fühlbar. Der Exophthalmus (s. Fig. 435, S. 613), ist meistens ein doppel- seitiger und wechselt gelegentlich dem Grade nach. In exzessiven Fällen ist der Lidschluß erschwert; die in großer Ausdehnung frei- liegende Bindehaut wird chronisch entzündlich verändert und die Kornea kann durch mangelhaften Lidschluß, der noch dazu seltener er- Fig. 453. Graefes Symptom. 628 Peters, folgt (Stellwagsches Symptom) der Gefahr der Vertrocknung und damit der Keratitis e lagophthalmo ausgesetzt werden. Beim Blick nach abwärts folgen die Lider dem Augapfel nicht vollständig, wobei der obere Teil der Sklera sichtbar wird (v. Graefes Symptom). Da diese Erscheinung auch ohne Exophthalmus beo- bachtet wird, so muß dabei auch eine Kontraktur, ein Reizzustand in dem vom Sympathikus innervierten Lidheber, dem Müll ersehen Muskel wirksam sein. Das Sehvermögen bleibt bei intakter Hornhaut meistens unverändert; Pulsationen der Retinalarterien kommen zu- weilen vor, Die Beweglichkeit der Augäpfel ist meistens ungestört bei asso- ziierten Seitenbewegungen, dagegen besteht öfters eine Insuffizienz der Recti interni (M oebiussches Symptom). Die Behandlung hat zur Aufgabe, Schädlichkeiten fernzuhalten, die auf Psyche und Nervensystem wirken und allgemeine Kräftigung anzustreben, da- neben kommt Elektrizität zur Anwendung und von Medikamenten, Eisen, Chinin und Arsenik. Die operative Entfernung der Schilddrüse, die gelegentlich wirk- sam ist, darf nur eine partielle sein, damit nicht die Cachexia strumipriva oder nach Entfernuung der sog. Epithelkörper Tetanie auftritt. Besondere Besprechung verdient noch die Therapie der Augensymptome. Wird der Exophthalmus zu hochgradig, so muß man einer Luxation des Augapfels und einem zu breiten Frei- liegen der Hornhaut und Bindehaut dadurch entgegenarbeiten, daß man die Lidspalte durch eine Tarsorrhaphie verengert. Ist die Horn- haut lädiert, so bedarf sie der größten Schonung. Man nähert die Lider mit Heftpflasterstreifen, aber ohne einen Druck auf die Horn- haut auszuüben; die Bindehaut ist durch Umschläge mit lauwarmein Wasser möglichst feucht zu halten, welche auch die Reparation von Hornhautgeschwüren begünstigen. Legt man einen Verband an, so hat man durch ringförmige Wattepolster den direkten Druck auf die Hornhaut auszuschalten. Erkrankungen der Orbita. 629 b) Leukämie und Pseudoleukämie. Auch hier ist der Exophthalmus doppelseitig und bedingt durch beträchtliche tumorartige Massen von lymphoidem Gewebe. Die Blut- untersuchung muß die Diagnose sichern. Die mitunter recht beträcht- liche Protrusion geht unter Arsenikbehandlung oft völlig zurück (s. Fig. 454 und 455), allerdings folgen meist Rezidive. (Auf Lues und Tuberkulose als Ursache von Orbital- entzündung ist bereits oben hingewiesen worden.) Verletzungen der Orbita vgl. Abschnitt „Verletzungen". Allgemeinerkrankungen und Augen- symptome. Von Professor L. Heine, Kiel. Übersicht. 1. Allgemeine Infektionskrankheiten. Typhus abd. und recurrens, Malaria, Influenza, Gelenkrheumatismus, Menin- gitis, Sepsis, Pyämie, Diphtherie, Variola, Scarlatina, Erysipel, Anthrax. Tuberkulose und Skrofulöse. 2. Krankheiten der Respirationsorgane. Pertussis, Pneumonie. 3. Krankheiten der Zirkulationsorgane. Klappenfehler, Endo- und Myokarditis, Arteriosklerose. 4. Krankheiten der Digestionsorgane. Parotitis, maligne Tumoren, Darmkatarrh der Kinder, Darmparasiten. ">. Lebererkrankungen. Akuter Ikterus, fieberhafter Ikterus. 6. Nierenerkrankungen. Albuminurie, Urämie, Cystitis, Pyelonephritis. 7. Krankheiten des Nervensystems. Kopfschmerz, Neuralgien und Lähmungen der Hirnnerven. Rückenmark: Tabes, Littlesehe Krankheit, Multiple Sklerose, Mye- litis, Syringomyelie, Wirbelerkrankungen, Commotio, Hämatomyelie. Medulla ■— Vierhügel: Bulbärparalyse, Tumoren, Cysticerken. Gehirn: Hyperämie, Anämie, Blutungen, Tumoren, Encephalitis, Abszeß, zerebrale Kinderlähmung, Hydrocephalus, Menieresehe Krankheit, progressive Paralyse. Hirnhäute: Pachymeningitis, Sinusthrombose, Meningitis. Psych oneurosen: Neurasthenie, Hysterie, traumatische Neurose, Tetanie, Chorea, Hemicrania, Morbus Basedowii, Epilepsie. 8. Schädelmißbildungen. Hypsicephalus u. a. 9. Ohrerkrankungen. Otitische Komplikationen. 10. Nachbarhöhlenerkrankungen. Akute und chronische Empyeme, Tumoren. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 631 11. Krankheiten der Bewegungsorgane. Rachitis, Rheumatische Diathese. I 2. Blutkrankheiten. Chlorose und Anämie, Leukämie, Skorbut, Purpura, Kachexie und Blut- verlust. 13. Krankheiten dos Stoffwechsels. Diabetes, Gicht, Adipositas, Myxödem, Infantilismus. 14. Geschlechtskrankheiten. Syphilis, Gonorrhöe, Ulcus molle. Weibliche Geschlechtsfunktionen. 15. Intoxikationen. Alkohol und Nikotin, CS2, Chinin, Felix mas, Pellagra, Ergotismus, CO, Santonin, Atropin, Morphium, Botulismus u. a. 16. Hautkrankheiten. Ekzem, Herpes zoster, Pemphigus, Sklerodermie, Ichthyosis, Elephantiasis, Erythema multif., Angioma, Xeroderma pigm., pflanzliche und tierische Parasiten. 1 7. Erbliche Augenkrankheiten. Pigmentdegeneration der Retina, Hemeralopie, retrobulbäre Neuritis opt., Amaurotische Form der Idiotie, Glaukom und Hydrophthalmus, Farbenblindheit, Starbildung, Augenmuskelleiden, Entwickelungshemmungen. 1. Allgemeine Infektionserkraiikungen. Die Augenbeteiligung bei den akuten allgemeinen Infektions- krankheiten ist keine allzuhäufige. Wir können im großen und ganzen zwei Arten unterscheiden: 1. die Lokalisation der Infektionsträger im oder am Auge, 2. die nervösen — toxisch bedingten — Nachkrankheiten. Wir wollen erstere die direkten, letztere die indirekten Schädigungen nennen. Ad 1. Von direkten Schädigungen ist an den äußeren Teilen des Auge3 oft eine leichte entzündliche Reizung der Bindehäute zu beob- achten, so bekanntlich meistens bei den akuten Exanthemen (besonders den Masern). Während diese harmlose Form der Konjunktivitis bedingt erscheint durch die im Blut kreisenden Mikroorganismen oder ihre Toxine, entstehen bedrohliche Formen eventuell mit ulzerativenKomplikationen von seiten derHornhaut, sekundärer Iritis, Neuritis optica, Perforation und Panophthalmie bei An- siedelung der Mikroorganismen im Konjunktivalsack, so besonders bei Diphtherie und Vari ola. Grundsätzlich zu scheiden sind von diesen durch spezifische Erreger be- dingten Affektionen die Schädigungen des Auges, die dadurch entstehen, daß der Lidschlag bei schwer benommenen Kranken fehlt, so daß es zur Eintrocknung der Kornea mit sekundärer Ulzeration kommt (Keratitis e Lagophthalmo), zu trennen sind ferner die Folgezustände der Conjunctivitis xerotica bei Pädatrophie, seltener die Hemeralopie und Xerose der Erwachsenen, die zu perforierenden Ulzerationen führen können (Keratitis xerotica), zu trennen endlich die Keratitis neuroparalytica bei Trigeminus- und eventuell Sympathikus- Affektionen. Von den inneren Teilen des Auges ist es die Uvea, insbesondere die Iris, die dem Virus usw. günstige Bedingungen bietet. Iritis finden wir bei Typhus abd. und recurrens, Malaria, Influenza und akutem Ge- lenkrheumatismus; Cyklitis am häufigsten bei der Meningitis, ganz 632 L. Heine, besonders der epidemischen, wo der Endausgang durch das „amaurotische Katzenauge" dargestellt wird, sehr viel seltener bei Influenza und septi- schen oder pyämischen Allgemeininfektionen. Neuritis optica ist bei den akuten allgemeinen Infektionskrankheiten keine häufige Erscheinung, wir finden sie gelegentlich bei Typhus recurrens, Scarlatina, Variola, Diphtherie, Meningitis, Sepsis, Pyämie und Rheumatismus. Augenmuskellähmungen sind meist basilär bedingt, so z. B. bei Meningitis. Erysipel, zumal das rezidivierende zeigt Neigung, die Orbita in Mitleidenschaft zu ziehen (Orbitalphlegmone), dasselbe finden wir bei Sinus- thrombose, denn die Orbita kann ebensowohl von vorn wie von hinten her Infek- tionen erleiden. Der Anthrax kann seine Eingangspforte am Auge wählen und zu hoch- gradiger entzündlicher Schwellung mit nachfolgender Nekrose der Lider führen. Ad. 2. Indirekt schädigen die Infektionskrankheiten das Auge durch die nervösen Nachkrankheiten. Im Vordergrunde steht hier die postdiphthe- rischeAkkommodationslähmung, die etwa 4—6 Wochen nach einer auch ganz leicht verlaufenen, oft gar nicht als diphtherisch angesehenen Halsentzündung auf- treten kann. Wie oft eine Diphtherie zu solchen Lähmungen führt, läßt sich schwer sagen, jedenfalls ist es eine recht häufige Nachkrankheit, vielleicht die häufigste nervöse Augenbeteiligung des Kindesalters. Sehr viel seltener sind postdiphtherische Abducens- oder Okulomotoriuslähmungen, die dann stets doppelseitig auf- treten. Sehr viel seltener sind andere nervöse das Auge betreffende Nachkrank- heiten: die verschiedenen Formen der Ophthalmoplegia externa finden wir bei Malaria, Influenza, Typhus. Auf dem Gebiet der sensiblen Nerven beteiligt sich gern der Trigeminus mit höchst lästigen Supra- oder Infraorbitalneuralgien, z. B. bei Herpes zoster besonders Ophthalm. (s. Nerven-Erkr.). Tuberkulose und Skrofulöse. Im. folgenden soll im allgemeinen der Standpunkt vertreten werden, daß Skrofulöse und Tuberkulose sehr viel miteinander zu tun haben, daß sie aber nicht ohne weiteres als identisch zusammen- geworfen werden sollten. Auf die Art der Beziehungen, die zwischen beiden bestehen, soll hier nicht näher eingegangen werden. Die Skrofulöse bedingt eine große Reihe von Erkrankungen des äußeren Auges und verschont das Bulbusinnere. Erinnert sei hier nur an das ganze Heer der ekzematösen, phlykta- nulären usw. Blepharokonjunktivitiden und Keratitiden, an die Hordeola der Lider, an die isolierte Phlyktäne, an die Hornhaut- infiltrate, die H ornhautulzeratio nen , das Gefäßbändchen usw. Daß die skrofulösen Hornhautaffektionen von der Kindheit her oft zeit- lebens charakteristische Makeln in der Kornea hinterlassen, gibt ihnen eine nicht zu unterschätzende diagnostische Bedeutung. Die Tuberkulose äußert sich am Auge in einer fast uner- schöpflichen Reichhaltigkeit der Symptome, welche höchstens noch von der Syphilis übertreffen wird. Lidlupus, Ectropium cicatricium infolge Hautschrumpfung od«r infolge Fistelbildungen nach Karies dor Orbitalwände, Lupus im Tränen- nasenkanal aufsteigend, Dacryocystitis, tuberkulöse Konjunktivitis der verschiedensten Form, später Narben hinterlassend und Dacryoadenitis betreffen das äußere Sehorgan. Am Bulbus selbst befällt die Tuberkulose die Kornea in Form der Kera- titis mit Knötchenbildung, oder in Form der Keratitis parenchymatosa. Die Iris kann typische Tuberkeleruptionen — oft in der Mitte des Stromas gelegen — aufweisen. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 633 Das Corpus ciliare erkrankt chronisch oder akut an Tuberkulose ver- schiedenster Form, ebenso die Aderhaut, wo die miliaren Knötchen und konglo- bierten Tuberkulome die am besten charakterisierten Formen darstellen. Aber auch gewisse Formen mehr chronischer Aderhautleiden — disseminierte Chorioretinitis, Cykliti s serosa u. ä. — sind höchstwahrscheinlich nicht selten tuberkulöser Natur. Auch die Sklera wird von Tuberkulose befallen: Es bilden sich gelegent- lich förmliche Skeraltumoren mit Exophthalmus, sekundärer Aderhautbeteiligung und Amotio retinae. Auch in der Orbita kommt es zu tuberkulösen Prozessen, die meist vom Knochen ihren Ausgang nehmen, wenn auch die Lokalisation am Orbitaleingang (Trauma!) häufiger ist. Im Schädelinneren gibt die. Tuberkulose Veranlassung zu den ver- schiedenen Meningitisformen und den diese begleitenden Augensymptomen (s. u.). Welche enorme Rolle die Tuberkulose bei allen Affektionen des Hirn- stammes spielt — meist in Form der Solitärtuberkel — wird unten gezeigt werden. Viele Augenmuskellähmungen und Stauungspapillen finden hier ihre Erklärung. Karies des Felsenbeins ist eine der häufigsten Ursachen der Sinusthrombose mit seinen Folgezuständen: Exophthalmus usw. Die allgemeine Tuberkulose der Lungen, Drüsen usw. manifestiert sich am Auge durch die sekundär anämischen Zustände, die miliare Aussaat durch das charakteristische Bild der miliaren Chorioidealtuberkel. 2. Krankheiten der Rcspirationsorgane. Die Krankheiten der Respirationsorgane geben selten zu Augen- beteiligung Veranlassung. Daß der akute Schnupfen oft von Lid- und Bindehautentzündung begleitet ist, ist jedem Laien bekannt. Bindehautblutungen finden wir — stets harmloser Natur — bei Pertussis. Bei Pneumonie ist der Herpes der Lider, gelegentlich der Kornea, nicht selten. Innere Augenbeteiligung kommt fast nicht vor. Kommt es zur metastatischen Ophthalmie, so müssen wir schon mehr von allgemeiner Pneumokokkensepsis sprechen. 3. Erkrankungen der Zirkulationsorgane. Häufiger werden die Augen in Mitleidenschaft gezogen durch Erkrankungen des Herzens und der Gefäße. Klappenfehler äußern sich gelegentlich in Pulsphänomenen des Augenhintergrundes. Charakteristisch sind die pulsatorischen Schlängelungen der Arterien bei Aorteninsuffizienz oder Aneu- rysma. Das letztere verursacht gern Sympathikusparese. Akute Endo- und Myokarditis bedingen Retinalblutungen, Blick- und Augenmuskellähmungen durch Blutungen im Hirnstamm, Embolie und Thrombose der zentralen Retinalarterie und -vene, selten Neuritis opt., und zwar meist nur, wenn Fieber besteht. Die Arteriosklerose kann mancherlei Schädigungen bedingen, je nach dem Sitz der durch sie bedingten Blutungen, zu nennen wären: Retinalblutungen, Augenmuskel- oder Blicklähmungen, Hemi- anopsien, ferner durch Druck der verdickten Gefäßwände und aneurys- matische Erweiterung der Lumina, z. B. der Carotis int.: Optikus- atrophie, durch lokale Arteriosklerose der Retinalgefäße: partielle und totale Thrombose der Zentralarterie (sogenannte Embolie) und der Vene. 634 L. Heine, 4. Krankheiten der Digestionsorgane. Die entzündliche Erkrankung der Parotis kombiniert sich gern mit Dacryoadenitis; eine chronische Veränderung stellt die symme- trische Schwellung sämtlicher Speicheldrüsen, oft verbunden mit entsprechenden Veränderungen der Tränendrüsen dar (Mikuliczsche Krankheit). Die malignen Tumoren des Dig esti on strak tus äußern sich durch metastatische Aderhautbeteiligung, öfter doppelseitig, mit sekundärer Amotio ret., ferner in Orbitalmetastasen mit Exophthalmus. Das Ösophaguskarzinom verrät sich bisweilen durch eine Sympathikus- parese. Darmkatarrh der Kinder. Bei dem Darmkatarrh der Kinder finden sich an den Augen als Zeichen der allgemeinen Ernährungs- störung Xerose der Bindehaut (Bitotsche Flecke). Die Ver- trocknung kann — ohne daß eigentlicher Lagophthalmus besteht — auch auf die Kornea übergreifen, Ulzerationen mit Perforation, Panophthalmie und Phthisis bulbi bedingen. Die Affektion ist stets doppelseitig, braucht jedoch nicht auf beiden Augen diesen verderb- lichen Ausgang zu nehmen. Ist ein Kind mit gesunden Augen geboren und einige Wochen oder Monate gesund geblieben, so ist in erster Linie an das oben geschilderte Krankheitsbild zu denken, wenn wir z. B. auf einem Auge Phthisis finden, auf dem andern Leukoma corneae adhaerens eventuell mit vorderer Polarkatarakt. Entstand das Leiden schon in den ersten Tagen nach der Geburt, so ist dagegen Gonokokken- infektion anzunehmen (s. d.). Kommen die Kinder im Anfang der Krankheit in ärztliche Behandlung, so ist die Prognose nicht schlecht. Von der Hebung des Ernährungszustandes hängt es ab, ob die Augen erhalten bleiben, lokal ist nur für sorgfältige Reinigung zu sorgen. Sind perforierende Hornhautulzerationen vorhanden, so kommt es darauf an, rechtzeitig zu iridektomieren, um dem Sekundärglaukom zu begegnen und — bei Verlegung der Pupille durch Hornhauttrübung eine künstliche Pupille zu bilden. Wird auch dadurch ein zentrales Sehen nicht ermöglicht, so bildet sich meist Nystagmus aus. Das Proletariermaterial liefert durch die geschilderten — meist stark vernachlässigten — Kinderkrankheiten einen sehr großen Teil der Insassen unserer Blindenanstalten. Von den Darmparasiten ist in erster Linie der Cysticercus der Taenia solium (Cyst. cellulosae) zu erwähnen. Er ist seit Einführung der Fleischbeschau eine große Seltenheit geworden. Wir finden ihn vor, seltener hinter der Retina. Gelingt es nicht, ihn operativ aus dem Auge zu entfernen, so geht dasselbe meist an Cyklitis zugrunde oder erblindet unter den Erscheinungen der Amotio ret. Sehr selten sitzt der Parasit in der Vorderkammer oder Konjunktiva, wo er dann relativ leicht entfernt werden kann. Anchylostomum duodenale und Botryocephalus latus geben zur Entstehung hochgradiger Anämien Veranlassung. Die Schädigung der Augen besteht demnach in Retinitis anaemica und cachectica oder R. toxica und Retinalblutungen. Auch die Trichinose ist jetzt ein seltenes Krankheitsbild. Die Augen beteiligen sich dadurch, daß die äußeren Augenmuskeln befallen werden und die Augenbewegungen schmerzhaft sind. 5. Lehererkranklingen. Bei den Erkrankungen der Leber finden wir seltener Augen- beteiligung. Der akute Ikterus macht die bekannte Verfärbung Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 635 der Konjunktiva, der chronische schon viel seltener. Xanthopie und Hemeralopie werden mitunter von den Patienten angegeben (letztere durch Schädigung der Adaptation infolge Lösung des Seh- purpurs in der gepaarten Gallensäure?). Auch die chronischen Degenerationszustände in der Aderhaut, die man als Chorioretinitis hepatica beschrieben hat und die mit den hereditär-syphilitischen peripheren Chorioretinitiden sowie mit der Pigmentdegeneration der Retina gewisse Ähnlichkeit zeigen, sind seltene Vorkommnisse. Beim fieberhaften Ikterus infolge Leberabszesses, Chole- lithiasis und ähnlichem finden wir am Auge Netzhautblutungen, Retinitis septica und metastatische Ophthalmien, ähnlich wie bei septisch-pyämischen Infektionen aus anderen Ursachen. 6. Krankheiten der Nieren. Sehr häufig werden die Augen bei der chronischen Nephritis (Albuminurie, Schrumpfniere) befallen, während der akuten nur selten solche Schädigungen folgen. Das gedunsene Aussehen solcher Patienten, zumal ein chronisches oder rezidivierendes blasses Ödem beider Lider, muß uns stets auf eine Urinuntersuchung hinweisen. Ferner ist die Schrumpfniere bei weitem die häufigste Ursache für Netzhautblutungen, für die meist doppelseitige Neu- ritis optica mit und ohne Prominenz und für typische und atypische Retinitis albuminurica. In bezug auf die Prognose quoad vitam ist zu bemerken, daß die Hälfte aller Patienten mit albuminurischen Retinalveränderungen schon innerhalb der nächsten zwei Jahre ad exitum gelangen, die wenigsten erreichen das vierte Jahr. Sub finem vitae finden wir bei allgemeinen Stauungserscheinungen nicht selten doppelseitige transsudative Amotio retinae. Auch die Nephritis gravidarum kann alle diese Erschei- nungen bedingen, doch ist die Prognose hier — entsprechend der des Grundleidens — meist viel besser. Selten sind Augenmuskellähmungen bei Schrumpfnieren. Die Urämie bedingt ein typisches Krankheitsbild: das der urämischen Amaurose, die wir bei normalem Augenspiegelbefund und guter Pupillenreaktion als kortikal bedingt ansehen müssen. Reti- nitis albuminurica braucht dabei nicht gleichzeitig vorhanden zu sein. Sie klingt ab, indem das Gesichtsfeld vorübergehend hemianopische Form zeigt, ein Umstand, der ebenfalls für kortikalen Sitz der Läsion spricht. Pyelonephritis und Cystitis können die Erscheinungen allgemeiner Sepsis bedingen: Retinalblutungen, Retinitis septica, metastatische Ophthalmie. 7. Krankheiten des Nervensystems. Der Kopfschmerz. Eigentlich bei sämtlichen Formen des Kopf- schmerzes haben wir alle Veranlassung, eine genaue Augenuntersuchung vorzunehmen, denn gar nicht selten erklärt sich das Leiden aus pathologischen Verhältnissen an den Augen, oder wir finden irgend ein Symptom an den Augen, welches auf ein Grundleiden hinweist. Lehrbuch der Augenheilkunde. 4" 636 L. Heine, Zunächst ist hier das ganze Heer der Refraktionsanomalien, be- sonders des Astigmatismus zu erwähnen. So mancher Kopfschmerz wird — zu- mal bei Schulkindern — durch eine passende Brille aus der Welt geschafft. Die Refraktionsanomalie kann bei nervösen Patienten auch die Veranlassung zu Mi- gräne und Flimmerskotom abgeben, so] daß wir durch Behandlung der Anomalie gelegentlich recht schwer erscheinende nervöse Zustände dauernd beseitigen können, die nach Weglegung der Brille oder wenn diese nicht mehr paßt, wieder- kehren. Nächst den Refraktionsanomalien sind es Abweichungen, die die äußeren Augenmuskeln betreffen: dynamische Insuffizienzen, auch solche nach der Höhenrichtung. Hier ist eine sorgfältige Motilitätsprüfung unerläßlich. Eine genaue Anamnese wird die Kopfschmerzen gelegentlich als durch Flimmerskotom bedingt erweisen. Da dieses häufig begleitet ist von allge- meiner Nervosität infolge Unterernährung, da es sich steigert durch Alkohol- und Tabakmißbrauch, durch Exzesse aller Art, durch Blendungseinflüsse usw.1, so werden wir durch die Diagnose „Fliinmerskotom" auch wertvolle Fingerzeige für die Therapie des Kopfwehs erhalten. Der Befund einer ein- oder doppelseitigen Neuritis optica oder einer Stauungspapille beweist mit einem Schlage gegenüber allen funktionellen Leiden die organische Natur, der Schädigung: Tumor cerebri, Abszeß, Lues, Nephritis usw. Netzhautblutungen bei Kopfschmerz deuten auf Arteriosklerose, An- ämie, Chlorose, Leukämie; typische Retinitisformen geben oft allein schon die Allgemeindiagnose. Auch eine genaue Perimetrie würde manches zur Erklärung der Kopf- schmerzen beibringen können: zentrale Skotome deuten auf chronischen Alkoho- lismus oder Tabakmißbrauch, bitemporale Hemianopsie (event. nur für Farben) auf Hypophysentumor oder Lues basil., homonyme Traktushemianopsie desgl., auf Arteriosklerose kortikale und subkortikale Hemianopsie (auch bei Encephalo- pathia saturnina). Nicht zu vergessen als Ursache der — meist einseitigen — Kopfschmerzen ist das Glaukom. Funktionelle Gesichtsfeldanomalien, Verschiebungs- und Ermüdungstypus lassen das Kopfweh als neurasthenisches Symptom erscheinen. Hirimerven. Neuralgien im Bereiche des Trigeminus — Supra- und Infra- orbitalneuralgie — werden oft von den Patienten als Augenschmerzen bezeichnet. Die Untersuchung der Druckpunkte läßt den Sachverhalt erkennen. Solche Neuralgien sind stets Veranlassung, eine Unter- suchung der Nachbarhöhlen vorzunehmen, ganz besonders, wenn Exophthalmus auftritt. Lähmungserscheinungen im Bereich des sensiblen Trigeminus, also Sensibilitätsherabsetzungen, haben eine gewisse Be- deutung für die topische Diagnose der Hirnaffektionen. Alle Herde peripher vom V-Kerngebiet schädigen zugleich den Reflex- bogen, alle Herde oberhalb desselben stören die Sensibilität ohne den Reflex auf- zuheben. Die Schädigungen, die die sensible Bahn vom Gesicht an bis zur Hirnrinde treffen können, sind gegeben durch Meningitis, Tumoren, Abszesse, Periostitiden, Caries, Traumen. Schädigungen des ersten V-Astes — meist in der Fissura orb. sup. — oder am Orbitaldach machen Kornea und Konj. unempfindlich, gleiches finden wir aber auch bei Pons- und Zerebellarherden. Intensive Störungen im Bereich des Trigeminus können Keratitis neuroparalytica bedingen. Der Herpes zoster ophthalmicus breitet sich mit Vor- liebe im Bereich des I. Trigeminus aus und zieht fast immer das Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 637 Auge erheblich in Mitleidenschaft. Wir finden conjunktivale und ziliare Injektion, reflektorischen Blepharospasmus, dendritische Kera- titis, Ziliarneuralgien, Supra- und Infraorbitalneuralgie, gelegentlich sogar Kornealulzerationen mit Perforation. Reizzustände in der Bahn des Nervus facialis — direkt oder reflektorisch bedingte — erzeugen Blepharospasmus. Die Reiz- ursachen, die den Fazialis selbst treffen, sind erheblich seltener als die, welche ihn reflektorisch erregen. Hier sind die schon beim Trigeminus genannten Ursachen zu wiederholen. Ob ein Reiz den Stamm des N. facialis peripher oder zentral vom Gan- glion geniculi trifft, kann man in geeigneten Fällen am Verhalten der Tränen- sekretion erkennen. Da die der Tränensekretion vorstehenden Fasern vom ge- nannten Ganglion in den Nerv. petr. superf. major einbiegen, so wird eine Reizung zentral vom genannten Ganglion also auch die Tränensekretion beeinflussen, eine peripher vom Ganglion gelegene aber nicht. (Einseitiges Weinen.) Lähmung des Fazialis bedingt, wenn der Augenfazialis beteiligt ist, ein markantes Bild: Herabhängen des unteren Lides, mangelhafter Lidschluß, Tränenträufeln (mechanisch bedingt durch mangelhafte Abfuhr von seiten des defekten Lidschlages) Keratitis e lagophthalmo. Sympathikuslähmung bedingt einen typischen, den sogen. Hornerschen Symptomkomplex: enge Lidspalte, enge Pupille, schein- baren Enophthalmus, Sympathikusreizung das Gegenteil. Durch Vorhandensein des genannten Symptomkomplexes kann man eine Wurzelaffektion im Bereich der unteren Halswirbel von Plexusschädigungen (z. B. der Erbschen Lähmung) unterscheiden. Sympathikuslähmung deutet auf Struma, Lungenspitzenaffektion, Halsdrüsentumoren und Narben, Carotis-aneurysma, )sophagus-car- cinom, kann aber auch ganz isoliert bestehen. Rückenmark. Die häufigste und wichtigste dieser Erkrankungen ist bekannt- lich die Tabes. Sie zieht die Augen in sehr hoher Prozentzahl in Mitleidenschaft und zwar vielfach in sehr verhängnisvoller Weise. Die Augenstörungen sind dreifacher Art. 1. Optikusatrophie. 2. Augenmuskellähmungen. 3. Reflektorische Pupillenstarre. ad 1. Optikusatrophie. 10—15 v. H. aller Tabiker verfallen der Erblin- dung durch die einfache Atrophie. Innerhalb einiger Monate oder einiger Jahre tritt fast unfehlbar die Erblindung ein. Stationärwerden, ja selbst Remissionen gehören zu den größten Ausnahmen. Vielfach ist die Optikusatrophie ein Früh- symptom, namentlich bei der sogen. Tab. superior, welche lange Zeit ohne Ataxien einhergeht. Die • häufigste Form des Gesichtsfeldverfalls ist die konzentrische oder exzentrische Beschränkung, selten ist das zentrale Skotom; der Färbensinn leidet gewöhnlich weit eher als der Schwarz-Weißsinn. ad. 2. Augenniuskellälimungen. Klinisch an zweiter Stelle stehen die Augenmuskellähmungen, die sich in 20-25 v. H. aller Fälle von Tabes finden. Mindestens jeder fünfte Tabiker hat eine Augenmuskellähmung oder hat sie mal gehabt. Oft ergibt die Anamnese, daß eine Zeitlang doppelt gesehen, be- sonders nach einer Seite hin (Abducens), oder daß das obere Lid herabgesunken sei (Okulomotorius). Der Okulomotorius ist bei weitem am häufigsten beteiligt, 638 L. Heine, halb so oft der Abducens, selten der Trochlearis. Ophthalmoplegien sind bei Tabes dagegen seltener, ebenso Nystagmus. Auffallend ist am klinischen Bild der tabischen Augenmuskellähmungen der Umstand, daß sie meist plötzlich auftretende völlige Lähmungen (nicht nur Paresen) darstellen und trotzdem nach Wochen oder Monaten spurlos verschwin- den können. Trigeminusstörungen, vermehrtes Tränenträufeln, Sympathikuslähmung, Fa- zialislähmung sind seltenere Vorkommnisse bei Tabes. ad. 3. Reflektorische Starre. Klinisch ohne subjektive Erscheinungen verläuft das so außerordentlich wichtige Symptom der reflektorischen Pu- pillenstarre. Im Anfangsstadium finden wir schon 50%, später oft 75% und noch mehr. Eine Tabes mit dauernd normal reagierenden Pupillen ist also fast eine Seltenheit. In etwa einem Viertel der Fälle mit Pupillenstörungen ist die Starre total, d. h. nicht nur bei Lichteinfall, sondern auch bei Konvergenz vor- handen. Auch einseitige Starre und Anisokorie kommen gelegentlich zur Be- obachtung. Häufig sind die Pupillen dabei eng (spinale Miose) selbst bei kompleter Optikusatrophie. Bei allen übrigen Systemerkrankungen des Rückenmarks treten die Augensymptome sehr in den Hintergrund, was auch wieder für die diagnostische Wichtigkeit derselben gerade für die Tabes spricht. Nur bei der sog. Litt leschen Krankheit, der kongenitalen spastischen Gliederstarre finden wir in ca. 1/3 aller Fälle einen Strabismus convergens meist concomitans, selten paralyticus. Von den diffusen Erkrankungen des Rückenmarks steht, was Wichtigkeit und Reichhaltigkeit der Augenbeteiligung anbetrifft, die multiple Sklerose an erster Stelle. 1. Veränderungen der optischen Leitungsbahnen. 2. Bewegungsstörungen. 3. Pupillenstörungen. 1. Die Veränderungen der optischen Leitungsbahnen haben hier einen wesentlich anderen Charakter als bei der Tabes. Fast nie führen sie zu Erblindungen, oft bleiben sie einseitig. Die häufigste Form ist die der ein- oder doppelseitigen Abblassung der temporalen Papillenhälfte, die wir in ca. 20% aller Fälle finden. Fast ebenso olt kommt eine leichte Abblassung der gesamten Papillen- scheibe vor, doch ist die temporale Hälfte dann stärker betroffen und verrät auf diese Weise den partiellen Charakter der Schädigung. Nur in 3—4% sieht die Papille der tabischen zum Verwechseln ähnlich. Etwa ebenso oft sehen wir ent- zündliche Veränderungen an der Papille: Neuritis optica, selbst Stauungs- papille. Also etwa die Hälfte aller Fälle von multipler Sklerose zeigt ophthal- moskopische und zwar oft charakteristische Veränderungen. Trotz ausgesprochen pathologischen Verhältnissen am Sehnerven können die Funktionen normal sein! Ist die Sehschärfe herabgesetzt, so hat das Ge- sichtsfeld meist ein zentrales Skotom, seltener konzentrische oder exzen- trische Defekte. Charakteristisch für die hier vorliegenden Sehstörungen ist die Ab- hängigkeit von allgemeiner Ermüdung nach körperlichen Anstrengungen, ferner der auch spontan große Wechsel in der Intensität. Über Nacht kann ein Auge erblinden, um im Laufe des Tages wieder normal zu werden oder um ein zentrales Skotom zurückzulassen. Auch darin bestehen also typische Unterschiede gegen- über der tabischen Atrophie. 2. Auch die Erscheinungen im Bereich der äußeren Augenmuskeln haben etwas recht Charakteristisches und von denen bei Tabes Abweichendes: Augen- muskel 1 ähmungen finden wir hier nicht so häufig, meist ist dann der Ab- ducens, selten — etwa halb so oft — der Okulomotorius betroffen. Häufiger sind Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 639 dagegen leichte Blickbeschränkungen im assoziierten Sinne an beiden Augen. Beide Augen können nicht weit genug nach rechts, links, oben oder unten bewegt werden, oder aber die binokulare Funktion der Konvergenz oder Divergenz ist beeinträchtigt. Solche Bewegungsstörungen finden sich bei multipler Sklerose etwa in V*—% aller Fälle. Nystagmus und nystagmusartige Zuckungen, letztere nament- lich in den Endstellungen, zumal in den seitlichen, sind ein sehr häufiges Vor- kommnis bei der multiplen Sklerose, sie finden sich in mehr als der Hälfte aller Fälle. Ersteres etwa in 10, letztere in 50%. Sie sind also von ganz er- heblicher diagnostischer Bedeutung. 3. Demgegenüber finden wir Pupillenstörungen recht selten bei der multiplen Sklerose, was auch wieder gegenüber den Verhältnissen bei der Tabes hervorzuheben ist. In Frage kommen Miose mit erhaltener Lichtreaktion, Ani- sokorie, schlechte Lichtreaktion, schlechte Konvergenzreaktion u. ä., alles in allem aber nur in '% aller Fälle. Bei den verschiedensten Formen der Myelitis finden wir ge- legentlich Beteiligung des Sehnerven mit mehr oder weniger hochgradigen Sehstörungen, doch treten andere Augensymptome, die keine Sehstörungen machen, bei den verschiedenen Formen der Myelitis sehr in den Hintergrund. Auch die Syringomelie gibt selten Veranlassung zu augen- fälligen Symptomen; das Einzige, was hier der Erwähnung wert wäre, ist eine meist einseitige Sympathikusparese, die sich in ca. 1ji der Fälle findet. Alle anderen Augensymptome, die sich hier und da in der Literatur be- schrieben finden, sind wohl fast durchweg auf Komplikationen zurückzuführen und gehören nicht eigentlich zum Bilde der Syringomyelie. Höchstens der Ab- ducens wird — entsprechend seinem tieferen Sitz — gelegentlich affiziert. Relativ häufig sind indes Trigeminusstörungen, die sich aber nicht auf die Augen beschränken, sondern inselförmige Sensibilitätslähmungen im Ge- sicht bedingen und gelegentlich durch die herdweise Ausbreitung als nukleare - gegenüber den durch Astschädigung bedingten — zu erkennen sind. Bei den durch Wirbelerkrankung bedingten Rückenmarks- affektionen kommt von Augensymptomen fast einzig die Sympathikus- parese in Frage. Findet sich diese, so deutet sie stets auf Sitz der Schädigung im unteren Hals- oder oberen Brustmark hin. Auch bei den sonstigen Rückenmarksverletzungen (Commotio, Kontusio, Hämatomyelie, Stichverletzungen) kommt für uns fast nur die Sympathikusparese, selten eine Pupillenstörung in Frage. Medulla oblongata. Bei den verschiedenen Formen der — chronischen und akuten — Bulbärparalyse ist mehr das Fehlen von Augensymptomen als das Vorhandensein derselben bezeichnend. Am ehesten wird gelegent- lich — seiner Lage nach ist das verständlich — der Fazialis in Mit- leidenschaft gezogen, seltener schon der Abducens. Optische Leitungs- bahnen und Pupille sind fast stets intakt. Charakteristisch und außerordentlich häufig bei der myastheni- schen Bulbärparalyse ist die Pto sis (in */s aller Falle!), ferner mehr oder weniger ausgesprochene Ophthalmoplegia externa mit myasthenischer Ermüdbarkeit. Etwa die Hälfte aller Fälle laßt solche Störungen der äußeren Augenmuskulatur erkennen, wahrend die inneren Augenmuskeln intakt bleiben. Fast regelmäßig gesellt sich zur l tosis und Ophthalmoplegie F a z i a 1 i s(Orbikularis-)schwache hinzu. 640 L. Heine, Pons. Die Erkrankungen des Pons, durch welche Augensymptome bedingt sein können, sind Tumoren: in erster Linie der Ponstuberkel, seltener Gliom, Sarkom, Gumma und einige andere. Veränderungen der Papillen finden sich etwa in V3 ah"er Ponstumoren und zwar meist Neuritis optica spl., etwas weniger häufig typische Stau- ungspapille. Von den äußeren Augenmuskeln wird etwa in % aller Fälle der Abducens befallen, meist zusammen mit dem Fazialis. Etwa die Hälfte aller Fälle, in denen der Abducens beteiligt ist, zeigt gekreuzte Körperparese. Wirkliche Blicklähmung (Rect. ext. dereinen, Rect. int. der anderen Seite) findet sich als sehr beachtenswertes typisches Ponssymptom in ca. Vs aller Ponstumoren. Auch Kombinationen der seitlichen Blicklähmung mit gekreuzter Körper- lähmung und eventuell gleichseitiger Lähmung anderer Hirnnerven vom III—VII. sind charakteristische Ponssymptome. Der Okulomotorius beteiligt sich sehr viel seltener, etwa in % aller Fälle, und dann öfter mit gekreuzter Körperparese. Der Trochlearis ist sehr selten in Mitleidenschaft gezogen. Der Trigeminus zeigt sehr oft Störungen, doch stets nur partielle, deren Ausbreitung auf Kern- oder Wurzel- (nicht aber auf Ast-) beteihgung schließen läßt. Stets sind auch andere Hirnnerven beteiligt. Bei Kombination mit VII- parese ergibt sich nicht selten das typische Bild der Keratitis neuro- paralytica. Pupillenstörungen sind bei Ponstumoren so selten, daß ihr Vor- handensein eher gegen die Diagnose Ponstumor spricht. Vierter Ventrikel. Isolierte Tumoren und Cysticerken des vierten Ventrikels lassen die soeben als charakteristisch für Ponsaffektion geschilderten Symptome fast regel- mäßig vermissen. Differentialdiagnostisch ist dies von großer Wichtigkeit, da man a priori leicht versucht ist, eine Mitbeteiligung des Pons durch Druck anzu- nehmen. Dagegen steigt das Vorkommen der Neuritis optica und Stauungspapille von V3 auf Vs—% aller Fälle. Großhirnsclienkel. Tuberkel und Erweichungen , die hier die Mehrzahl der Erkrankungen bedingen, setzen mit Vorliebe — in %—% aller Fälle — eine Okulomotorius- lähmung mit gekreuzter Körperlähmung oder halbseitigem Zittern auf der gekreuzten Seite (Webers und Benedikts Symptom). Kombiniert sich die Illparese mit gekreuzter Ataxie ohne Extremi- tätenlähmung, so haben wir an Sitz des Herdes in der Schleife, bei den obigen Symptomenkomplexen mehr an Sitz im Hirnschenkelfuß zu denken. Gegenüber diesem außerdentlich charakteristischen Symptom von Weber und Benedikt treten alle übrigen sehr in den Hintergrund: isolierte Hemiparese, isolierte Okulomotoriusparese sind seltene Vorkommnisse bei Hirnschenkelerkran- kungen. Auch Neuritis opt. und Staungspapille begleitet nur etwa Vio aller Fälle. Es fehlen Pupillenstörungen und Nystagmus. Vierhügel und Zirbeldrüse. Die Erkrankungen der Vierhügel- und der Zirbeldrüse, meist Tuberkel, seltener andere Tumoren (Gliom, Sarkom u. a.) manifestieren sich zunächst in :,/4 aller Fälle durch Beteiligung der Papillen (Neuritis opt. oder Stauungspapille). Von den Bewegungsnerven ist fast regelmäßig der Okulomotorius und zwar meist doppelseitig mitbetroffen, zum mindesten ist fast ausnahmslos doppel- seitige Ptosis vorhanden. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 641 Sodann ist als recht markantes Symptom die Blicklähmung nach oben und unten, etwa-in V5 aller Fälle, zu erwähnen, während die seitliche Blicklähmung durchaus fehlt. Trochlearis und Abducens sind recht selten affiziert. Pupillenstörungen, etwa in der Hälfte der Fälle vorhanden, erklären sich einerseits durch die Häufigkeit der Papillenveränderungen, andererseits durch die so häufige Okulomotoriusbeteiligung. Nystagmus ist relativ häufig vorhanden, häufiger als bei sonstigen intra- kraniellen Affektionen. Krankheiten des Gehirns. Das bunte mosaikartige Bild, welches die Augenkomplikationen bei Erkrankungen des Rückenmarks und Hirnstammes bilden, wobei jeder Krankheit je nach Art und Ort ein gewisser Symptomenkomplex zukommt, ändert sich beim Eintritt in die Bezirke des Groß- und Kleinhirns. Zunächst wäre hier eine Reihe von Symptomen zusammenfas- send zu besprechen, die sich bei einer größeren Anzahl von Hirn- krankheiten finden, die oft, aber nicht ausschließlich, eine Steigerung des allgemeinen Hirndruckes begleiten und z. T. wenigstens durch diesen bedingt sind. 1. In erster Linie steht hier die doppelseifige Stauungspapille mit einer Prominenz von mindestens 2 D ohne komplizierende Retinal- veränderungen. 3A aller Fälle von doppelseitiger Stauungspapille er- klären sich aus Tumor cerebri oder cerebelli, Vio etwa durch Lues und V20 durch Tuberculosis cerebri, die übrigen zusammen genommen, im ganzen etwa noch Vio, entfallen auf Abszeß, Hydro- cephalus, Meningitis, Cysticercus, Sinusthrombose, Nephritis, Bleiintoxi- kation, Anämie u. a. Wir sehen, daß in allererster Linie räum- beengende Prozesse im Schädel Veranlassung zur Stauungs- papille geben. Aber freilich ergeben einerseits solche Prozesse nicht immer Stauungspapillen und andererseits kann Stauungspapille auch gelegentlich aus anderen Ursachen entstehen. Auch die einseitige Stauungspapille kann ein allgemeines Hirn- drucksymptom darstellen. Gelegentlich ist sie jedoch schon loka- lisatorisch zu verwenden (s. u.). Die doppelseitige Neuritis optici spl. (ohne Schwellung) hat schon seltener diese eminente diagnostische Bedeutung wie die Stauungspapille. Hier stehen Blut- und Nierenerkrankungen, sowie Lues sec. im Vordergrund, noch weniger ist einseitige Neuritis optica für die Diagnose einer Hirnkrankheit zu verwerten. 2. Nächst der doppelseitigen Stauungspapille haben wir öfters einen leichten Grad von doppelseitigem Exophthalmus vor uns, ähnlich wie bei Morbus Basedowii, doch meist ohne Graetes Symptom des zurückbleibenden Lides beim Blick nach unten. 3. Als drittes allgemeines Hirnsymptom wäre die konjugierte Deviation zu erwähnen. Betrifft eine Schädigung irgend eine Stelle des rechten Hirnes, so kann dadurch eine Beeinträchtigung der Linkswender beider Augen (Rect. ext. des linken, Rect. int. des rechten Auges) bedingt sein, sie weichen also nach rechts ab (die Augen „sehen den Herd an"). _ . Setzt iedoch die Schädigung keine Lähmung, sondern einen Reiz der Lmks- wender, so werden die Augen beide nach links abgelenkt: „sie sehen vom Herd weo" Sind sonstige Hirnreizsymptome (Krämpfe, Nystagmus) vorhanden, so 642 L. Heine, kann man im letzteren Falle mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf Affektion des rechten Hirnes schließen, ebenso im ersteren Falle, wenn auch im übrigen Lähmungserscheinungen vorherrschen. Im Pons sind die Verhältnisse genau umgekehrt, da sich die Bahnen hier schon gekreuzt haben. 4. Als viertes allgemeines Hirnsymptom sind diffuse Blickbe- schränkungen zu erwähnen, die bei benommenen Kranken recht hohe Grade, bis zur Unbeweglichkeit der Augen, annehmen können, ohne daß man eine Ophthalmoplegia totalis diagnostizieren dürfte. Auch die Lider hängen halb herab (mäßige Ptosis), bedecken die geradeaus gerichteten Korneae nur halb und bewegen sich nicht spontan, wohl aber auf Berührung der Kornea reflektorisch, wenn das Koma noch nicht sehr tief ist. 5. kann es durch allgemeinen Hirndruck zu einer — fast stets doppelseitigen — Abducensparese, sehr viel seltener auch wohl gelegentlich zur doppelseitigen Okulomotoriusparese kommen, ohne daß wir dieselbe für eine topische Diagnose verwenden dürften. 6. haben wir als allgemeine Hirnsymptome einige funktionelle Gesichtsfeldstörungen anzusehen, das ist die konzentrische Ein- schränkung, die leichte Ermüdbarkeit bei Untersuchung des zentralen oder peripheren Gesichtsfeldes und intermittierende Verdunkelungen. Abgesehen von diesen die Augen betreffenden „allgemeinen Hirn- symptomen" kennen wir ferner eine Reihe von Herd-Erschei- nungen am optischen Apparat im weitesten Sinne, die eine gewisse Lokalisation der Schädlichkeit gestatten. Gehen wir von den Pedunculi ad pontem (s. oben) weiter in das Hirn hinein, so ist zunächst vom Thalamus opticus zu erwähnen, daß Hemianopsien öfter hier ihre Ursache haben können, zumal wenn Corp. gen. ext. oder Tract. opt. in Mitleidenschaft gezogen ist. Ferner können bei Thalamusherden die mimischen Ausdrucksbewegungen des unwillkürlichen Lachens und Weinens gestört sein, während die willkürliche Innervation der Gesichtsmuskeln möglich ist. Störungen im Nucleus caudatus und lentiformis lassen keine typischen Augensymptome erkennen. Herde im hinteren Schenkel der inneren Kapsel bedingen Hemi- anopsie, wenn die Gratiolettsche Sehstrahlung mitbetroffen ist. Affektionen der Hirnrinde ergeben folgende Augensymptome: Occipitallappen, besonders mediale Partien: kortikale Hemianopsie, opt. Aphasie und Seelenblindheit. Scheitelwindungen, besonders Gyrus angul.: Alexie oder Wortblindheit. Stirnwin düngen (Broca): Motor. Aphasie, Agraphie und bisweilen Alexie. Schläfenwindungen besonders die hintere obere: sensorische Aphasie Worttaubheit (s. aphas. Symptomenkomplex b. Mering-Moritz). Kleinhirnaffektionen bedingen an und für sich keine topischen Augensymptome. Erkrankungen an der Schädelbasis können je nach ihrem Sitz einen oder mehrere Hirnnerven schädigen und somit — wenn Optikus (Nervus oder Traktus), Okulomotoriiis, Abducens, Trochlearis, Trig. I. Ast oder Fazialis betroffen ist, — die bekannten typischen Augensymptome hervorrufen. Wir wenden uns jetzt zu den einzelnen Gehirnkrankheiten und den sie begleitenden Augensymptomen. Zirkulationsstörungen: Gehirnanämie äußert sich gewöhnlich in weiter, Gehirnhyperämie in enger Pupille. Gele- gentlich läßt der Augenhintergrund den Füllungsgiad der Hirngefäße Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 643 beurteilen, namentlich bei Hyperämie finden wir venöse Stauung bis zu Blutaustritten. Anämie läßt den Optikus blasser, die Arterien dünner erscheinen. Hirnblutungen bedingen konjugierte Deviation, kortikale oder subkortikale Hemianopsien, fast nie aber Optikusveränderungen. Die Pupillenstörungen sind nicht charakteristisch. Die Tumoren des Gehirns (Gliome, Sarkome, Gummen, Tuberkulome) ferner Cysticerken manifestieren sich in erster Linie in doppelseitiger Stauungspapille, die nur in ca. 5°/o der Fälle dauernd fehlt. Rasches schnelles Ansteigen derselben spricht für Sitz in der hinteren Schädelgrube besonders im Kleinhirn, Einseitig- keit, zumal wenn gleichseitige Hirnnerven mitbetroffen sind, deutet auf die mittlere Schädelgrube. Auch alle übrigen, die Augen be- treffenden „allgemeinen Hirnsymptome" kann der Tumor veranlassen, doch reicht keines an diagnostischer Bedeutung auch nur annähernd an die typische Stauungspapille heran. Seltener bedingt er Hemianopsien der verschiedensten Form und kann dann bisweilen gut lokalisiert werden. Akute und chronische Encephalitis, Hirnabszeß, zereb rale Kinderlähmung, Hydrocephalus, Menieresche Krankheit bedingen häufig an den Augen die oben geschilderten allgemeinen Hirnsymptome, seltener jedoch typische Stauungspapillen und noch weniger häufig Lokalsymptome. Die Menieresche Krank- heit zeigt relativ oft Nystagmus, besonders in den seitlichen End- stellungen. Die progressive Paralyse zeigt ähnlich der Tabes recht markante Augensymptome: Klinisch im Vordergrund steht die ein- fache — meist doppelseitige —■ Optikusatrophie, die in ca. Vio aller Fälle auftritt, ferner finden wir in ca. 3A aller Fälle Pupil len- starre (reflektorische und totale), sowie Anisokorie, drittens sind Augenmuskellähmungen keine Seltenheit bei der Paralyse und ähneln in Charakter und Verlauf sehr den tabischen. Die Fazialis- parese bei progressiver Paralyse betrifft meist nur den Mundfazialis und läßt den Augen fazialis frei. Krankheiten der Hirnhäute. Größere epidurale und subdurale Blutergüsse setzen meist nur die oben geschilderten „allgemeinen Hirnsymptome", sehr viel seltener Lokalsymptome (Hemianopsie und basiläre Symptome). _ Ent- prechend verhält sich die Pachy meningiti s hämorrhagica. Die Sinusthrombose, ganz besonders die entzündliche, setzt sich nicht selten durch die Vena ophthalmica auf die Orbita fort und bedingt dann entzündlichen Exophthalmus. Auch die akuten eiterigen Meningitiden, einschließlich die syphilitischen, rufen häufig die genannten allgemeinen Symptome an den Augen hervor, nicht selten auch lokale, dann meist basilär bedingte Hirnnervenschädigungen mit Traktushemianopsie oder auch kortikale Hemianopsie, Neuritis optica, Aphasie u. a. Auch Pupillenstörungen sind nicht gerade seltene Erscheinungen. Charakteristisch für die epidemische Cerebrospma 1- meningitis ist die metastatische Ophthalmie, beginnend in Iris, Uvea oder Retina mit Ausgang in „amaurotisches Katzenauge". 644 L. Heine, Nicht selten schließen sich sekundäre Optikusatrophien an die Neuritis optica basilaris mit Ausgang in mehr oder weniger vollstän- digen Verlust des Sehvermögens an. Charakteristisch für syphilitische Erkrankung sind gewisse Kombinationen so z. B. axiale Neuritis optica mit zentralem Skotom und Ophthalmoplegia interna ferner Traktushemianopsie mit doppelseitiger Ptosis oder Okulomotoriusparese, endlich bitemporale Hemianopsien schnell progressiven oder wechselnden Charakters. Psychoneurosen, zentrale und vasomotorisch-trophische Neurosen. Bei Neurasthenie, Hysterie und der traumatischen Neurose finden wir die verschiedensten Augenerscheinungen subjek- tiver Natur, wie es ja im Wesen der Krankheit liegt. Der Neura- stheniker hat meist hypochondrische Klagen über „gräßliche Schmerzen" bei chronischer Blepharitis, „dichte Schleier und Wolken" bei fliegen- den Mücken, „Augenzittern" bei Nictitatio usw. Leichte Ermüdbar- keit, mangelhafte Leistungsfähigkeit, gibt den Übergang zur eigent- lichen Hysterie und, falls ein Trauma das auslösende Moment darstellt, zur traumatischen Neurose. Bei beiden finden wir meist noch andere Symptome: Konjunktiva!- und Kornealhypästhesie, Amblyopie oder Amaurose eines Auges, das mit Simulations- proben oder Plangläsern untersucht, normale Sehschärfe zeigt, hochgradige kon- zentrische Gesichtsfeldeinschränkung, doch ohne Orientierungsstörungen, selbst wenn — bei einseitigen Störungen — das normale Auge verbunden wird. Ermüdungstypus und Verschiebungstypus des Gesichtsfeldes sind wohl auch gelegentlich nachweisbar. Auch monokulare (oder seltener binokulare) Diplopie und Polyopie können vorkommen. Wir ersehen aus der kurzen Zusammenstellung, daß fast alles hysterisch bedingt sein kann, was auch von Simulanten angegeben wird, die sich durch bewußten Betrug einen Vorteil verschaffen wollen. Bei notorisch Hysterischen, wo solche Zustände vielleicht nie einen Vor- teil, wohl aber viele Nachteile im Gefolge haben und die Patienten oft unglücklich machen, haben wir keinerlei Ursache, Simulation an- zunehmen. Kinder stehen hier — sozusagen — in der Mitte zwischen Hysterikern und Simulanten, indem bei ihnen manches halb und halb bewußt sein dürfte. Ptosis und Blepharospasmus können rein hysterisch sein. Organisch bedingte Symptome wie Hemi- anopsie, Ophthalmoplegia int. oder typische Nervenlähmungen gehören nicht zum Bilde der Hysterie, können aber natürlich als Komplika- tionen vorkommen und die nervöse Erkrankung ungünstig beeinflussen. Reflektorische Pupillenstarre während eines Krampfanfalles spricht jedenfalls weniger für Hysterie als für Epilepsie. Sonstige Augen- symptome finden wir bei letzterer Krankheit nicht. Konstatieren wir jedoch eine Stauungspapille, so ist die Epilepsie als symptoma- tische, nicht als genuine aufzufassen. Bei der Tetanie finden wir eine auffallende Neigung zu früh- zeitiger Kataraktentwickelung in den 30—40 er Jahren. Chorea und T i c - Krankheit bieten außer den bekannten klo- nischen Orbikulariskontraktionen nichts augenärztlich Bemerkenswertes, doch können sie gelegentlich durch Behandlung einer Blepharokon- junktivitis günstig beeinflußt werden. Bei der Hernierania finden wir nicht selten ausgesprochene Augenbeteiligung in Form von orbitalen Neuralgien oder Flimmer- skotom. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 645 Morbus Basedowii zeigt als eines seiner Kardinalsymtome denExophthalmus dupl. mit Graefes Symptom: Zurückbleiben des oberen Lides bei Blicksenkung - - auch bei Thomsenscher Krankheit anzutreffen - - mit Stellwags Symptom: Neigung der Augen zu Divergenz, und Möbius Symptom: Seltener Lidschlag. Ophth. sehen wir nicht selten Arterienpuls. Der Exophthalmus kann ausnahmsweise so hochgradig werden, daß die Lider die Korneae nicht mehr decken, so daß ulzeröse Keratitis e lagophtalmo entsteht. Seltenere Komplikationen — auch als Prodromalsymptome auftretend — sind Augenmuskel- und Blicklähmungen. 8. Schädelmißbildimgen. Anhangsweise seien noch einige Augenanomalien erwähnt, 'die sich bei Schädelmißbildungen vorfinden, besonders bei Turmschädel (Hypsicephalus), aber auch gelegentlich bei Kahnschädel u. a. vorkommen. Hier finden wir näm- lich eine neuritische Atrophie der Sehnervenscheibe. Bekommen wir die Patienten früh genug in Beobachtung, d. h. im Laufe der ersten Lebensjahre, so sehen wir manchmal noch die doppelseitige Stauungspapille selbst, später dann die neuritische Atrophie, und nach vielen Jahren können die entzündlichen Reste fast völlig verschwinden, so daß wir scheinbar eine einfache Atrophie vor uns haben. Zugleich besteht ein gewisser Grad von doppelseitigem Exophthalmus und Strab. div., bedingt durch Divergenz der Orbitalachsen. Das Gesichtsfeld zeigt kon- zentrische Einschränkung, die Sehstörung kann die verschiedensten Grade zeigen. 9a Olirerkraiikimgen und otitisclie Hirnkoinplika- tioneii. Die Labyrintherkrankungen äußern sich nicht selten an den Augen in ausgesprochenem Nystagmus, der ganz besonders bei Blickbewegunyen nach der kranken Seite hin aufzutreten pflegt und mit starken Schwindelerscheinungen einhergehen kann. Gelegentlich ist dies für Lokalisation der Störung wichtig. Auch bei otogenen Abszessen verschiedenster Form finden wir betreffs des Nystagmus ganz analoge Verhältnisse. Außerdem kommt nicht selten Neu- ritis optica und Stauungspapille doppelseitig vor. Auffallenderweise tritt diese letztere bisweilen erst post festum auf, d. h. wenn der Abszeß durch Ope- ration eröffnet ist und sich der Patient auf dem Wege zur Heilung befindet. Die Stauungspapille beweist also in solchen Fällen durchaus nicht immer, daß noch ein Herd irgendwo versteckt ist, sondern heilt nachher auch ihrerseits spontan ab. Dies kann indes Monate in Anspruch nehmen. Die otitische Meningitis führt oft zu Neuritis opt. und zu basalen Lähmungen. Bei der otogenen Sinus- thrombose sind solche Komplikationen viel seltener. Geht die Sinusthrombose in den Sinus cavernosus über, so kann Thrombophlebitis orbitae sich anschließen. 10. Xachbarliöhloiierkraiiknngen. Unter den Neben- oder Nachbarhöhlen der Orbita verstehen wir die Stirn- höhle, die Siebbeinzellen, die Keilbein- und die Oberkieferhöhle. Sämtliche ge- nannten Höhlen können akut erkranken mit schleimig-eitriger Absonderung und oft heftigen Neuralgien im Bereich des 1. und 2. Trigeminus (supra- und infraorbitale Druckpunkte). Beteiligung des Sehnervenstammes mit zentralem Skotom oder konzentrischer Einschränkung gesellt sich bisweilen dazu. Einseitige Neuritis optica, ophthalmoskopisch sichtbar, oder Stauungspapille deuten meist schon auf entzündliche Mitbeteiligung der Orbita, wobei es dann auch zu periostalen Abszessen und Orbitalphlegmone kommen kann, ohne daß eine wirkliche Perforation des Nachbarhöhlenempyems stattgefunden zu haben braucht, 646 L. Heine, Der Exophthalmus ist verschieden hochgradig, je nach den Veränderungen des orbitalen Zellgewebes. Diese sind es auch, die gelegentlich Augenmuskel- lähmungen, selten Ophthalmoplegia totalis, bedingen. Ganz andere Symptome machen die chronischen Katarrhe der Schleimhäute in den Nebenhöhlen, sie führen zu Hygrombildungen (Mucocoele) und wirken auf das Auge nur verdrängend ein. Am häufigsten ist eine Ektasierung der Stirnhöhle, wobei der Bulbus im Laufe von Monaten und Jahren um 2—3 cm weit nach unten disloziert werden kann. Die außerordentliche Langsamkeit der Entwickelung solcher hochgradiger Dislokationen gestattet den äußeren Augen- muskeln, sich derartig anzupassen, dass der binokulare Sehakt völlig ungestört erhalten bleiben kann. Solche Hygrome geben gelegentlich zu Verwechslung mit echten Tumoren Veranlassung. Auch Tumoren können von den Schleimhäuten oder knöchernen Wan- dungen der Nebenhöhlen ausgehen und das Auge in Mitleidenschaft ziehen. Das häufigste Symptom ist der Exophthalmus, der bei Durchbruch des Tumors in beide Orbitae doppelseitig sein kann. Solche Tumoren gehen meist vom Keil- beinkörper aus. Bei einseitigem Sitz wird bisweilen der Optikus komprimiert, so daß sich ein entsprechend exzentrischer Gesichtsfelddefekt, oft temporal gelegen, ergibt, Augenmuskelstörungen und Stauungspapille können sich anschließen. Ähnliche Erscheinungen machen metastatische Orbitaltumoren. Primäre Sehnerventumoren unterscheiden sich von solchen sekundären Be- teiligungen der Orbita durch frühzeitig auftretende starke Sehstörungen. 11. Krankheiten der Bewegungsorgane. Die Rachitis äußert sich am Auge dadurch, daß kraniotabische Krampfkinder sehr zu Schichtstar veranlagt erscheinen. Die sogenannte rheumatische Diathese (nicht Gicht) be- schuldigen wir als Ursache für gewisse Formen der Episkleritis, Tenonitis, Keratitis, Iritis, Cyklitis, Neuritis optica und einiger Augenmuskellähmungen. Der akute Gelenkrheumatismus wurde unter Infektionskrank- heiten erwähnt, die Gicht wird unten (Stoffwechsel) besprochen werden. 12. Blutkranklieiten. Von den durch Blutkrankheiten bedingten Augenerscheinungen können wir die bei Chlorose und Anämie als im wesentlichen übereinstimmend zusammenfassen. Abgesehen von der Blässe der Bindehaut sehen wir mit dem Augen- spiegel auch die Blässe des Blutes direkt vor uns ganz besonders bei der Chlorose, die Blutgefäße der Retina scheinen mit der Grenze der Papille „abzu- brechen". Es kommt dies daher, daß die schwach gefärbte Blutsäule von dem weißlichen Licht, das die Papille zurückgibt, zum Teil durchstrahlt wird. Dieses Phänomen tritt in Erscheinung, wenn der Hämoglobingehalt unter 40°/0 sinkt. Der ganze Fundus erscheint dabei oft leicht getrübt, blasser als normal, besonders die Papille sieht in hochgradigen Fällen geradezu atrophisch aus (Fundus anaemicus). Fernerhin können kleine, selten größere Blutungen, Neuritis optica, sogar typische Stauungspapille und Venenthrombose auftreten. Plötz- lich in größerer Anzahl auftretende lachenförmige Blutungen sind ein signum mali ominis. Von den verschiedenen Formen der Leukämie bedingt fast nur die myelogene charakteristische Augenveränderungen. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 047 Zunächst sind auch hier, wie bei allen Blutkrankheiten, Blutungen in der Netzhaut keine Seltenheit. Diagnostisch wichtiger ist aber das markante Bild des Fundus leukaemicus: Arterien und Venen in der Farbe wenig different, beidegelblich rotbraun, beide stark gefüllt und geschlängelt, Reflexstreifen undeutlich, Begrenzung der Gefäße nicht ganz scharf, Retina leicht trüb. Unter Retinitis leukaemica versteht man grauweißliche Herde, blutig eingerandet, meist an dem Äquator gelegen. Seltener ist ausgesprochene Neuritis optica oder Stau- ungspapille. Pseudoleukämie und Leukämie können symmetrische Tumoren in der Orbita mit doppelseitigem Exophthalmus bedingen; so daß bei jedem doppelseitigen Exophthalmus die Blutuntersuchung not- wendig ist. Kachexie und Blutverluste bedingen einander ähnliche Bilder in den Augenkomplikationen: Zunächst sind die Retina 1- blutungen eine recht häufige Erscheinung, sie erklären sich wohl ungezwungen durch die Anomalie der Blutmischung und durch degene- rative Veränderungen in den Gefäßwänden. Sodann haben wir bei den Kachexien öfter eine eigenartige Retinitis zu beobachten Gelegen- heit, die mit derjenigen bei Sepsis die meiste Ähnlichkeit hat und an die bei Anämie zu beobachtende erinnert. Infolge größerer Blutverluste, ganz besonders im Anschluß an Magen- und Darmblutungen, kommt es nach einigen Tagen bis Wochen zu erheblichen Sehstörungen, die bis zur dauernden Erblindung führen können. Die Retina ist dabei leicht getrübt, mitunter sind einige kleine Blutungen vorhanden. Die Papille ist schlecht abgegrenzt, die Gefäße eng. Das Bild kann also dem der arteriellen Thrombose (sogen. Embolie) sehr ähneln. Gelegent- lich sind aber alle diese ophthalmoskopischen Erscheinungen sehr wenig ausge- prägt, so daß wir die Affektion hauptsächlich im Sehnervenstamm suchen müssen. Sekundär entwickelt sich meist eine Atrophie der Optikusscheibe. Männer werden etwa ebenso häufig von dem Leiden befallen wie Frauen; die Hauptursachen geben Ulcus ventriculi, Darmblutungen bei Karzinom und nach Typhus, abundante Genitalblutungen ab, besonders solche während der Entbindung, aber auch schon stark blutende Aborte und profuse Menses. Die Prognose ist meist für beide oder für ein Auge schlecht, doch kann sich auch ein leidliches Sehvermögen wieder herstellen. Das Gesichtsfeld bietet nichts Typisches: Es finden sich konzentrische oder exzentrische, seltener zentrale Skotome. Hämophilie, Skorbut, Morbus maculosus, Purpura u. a. setzen gelegentlich Lid- und Bindehautblutungen, Retinal- und besonders grössere präretinale Blutungen, seltener ernstere Störungen wie Venenthrombose. 13. Krankheiten des Stoffwechsels. Von den Stoffwechselkrankheiten, welche die Augen in Mitleiden- schaft ziehen, steht an erster und wichtigster Stelle der Diabetes, der fast alle Teile des Auges und die zugehörigen Hirnteile schädigen kann und oft zu recht markanten Krankheitsbildern führt, die uns allein schon die Diagnose der Allgemeinkrankheit gestatten. Zunächst ist Iritis ein nicht seltenes Symptom des Diabetes. Charakteristisch für die diabetische Iritis sind vielleicht gelatinöse Exsudate mit Hypopyon in der Vorderkammer. G48 L. Heine, Die Linse kann kataraktös erkranken und sich atlasartig weiss trüben, sie kann aber auch — ohne eigentliche Trübungen — sklero- sieren, was dann gewöhnlich unter Erhöhung ihrer Brechkraft vor sich geht, so daß myopische Refraktion entsteht: eine erst im mittleren Lebensalter entstehende Myopie, eine dementsprechend verspätete Presbyopie muß immer den Verdacht auf Diabetes erwecken. Sodann treten häufig Retinalblutungen auf, charakteristischer ist aber eine bestimmte Form der meist einseitigen Retinitis punc- tata, die sich ähnlich einem Sternhimmel in der Macula lokalisiert. Neuritis optica retro bulbaris mit zentralen Skotomen im Ge- sichtsfeld oft doppelseitig, ähnlich der Intoxikationsamblyopie (s. u.) ist schon ein selteneres Symptom. Ferner beobachten wir als Folge von Hirnblutungen die verschiedenen Formen der Hemianopsie und Augenmuskellähmungen. Sehr charakteristische Symptome .in den Augen zeigt im besonderen noch das diabetische Koma. Eine sehr bald im Verlauf oder kurz vor dem Koma auftretende Hypotonie der Bulbi ist meist so ausgesprochen, daß ein Griff des tastenden Fingers die Diagnose gestattet. Als recht seltene Komplikation scheint gelegentlich Lipämie bei schwerem Diabetes vorzukommen. Ophthalmoskopisch diagnostizierbar wird diese bei 4—5% Fettgehalt des Blutes. Dieses sieht dann ausgesprochen weißlich aus. Es ist dieses um so bemerkenswerter, als die Lipämie klinisch sonst ganz symptomlos ver- laufen kann. Alle diese genannten Symptome kommen dem Diabetes mellitus, nicht dem insipidus zu. Fragen wir nach der Häufigkeit der Augenstörungen bei Diabetes, so läßt sich etwa als Prozentzahl 10—15 angeben: das häufigste ist Kataraktbildung (V4—1/3 der Augenfälle), dann schließt sich Retinitis an (l/io—1/ö der Fälle), dann Aftektionen der optischen Leitungsbahn etwa eben so häufig, endlich die Augenmuskel- lähmungen in etwa V20 aller Fälle von Diabetes mit Augensymptomen. Betreffs der vitalen Prognose scheinen die AfTektionen in Retina und optischer Leitungsbahn die ernsteste Bedeutung zu haben. Die Statistik ergibt, daß die Hälfte aller solcher Patienten innerhalb von 2—3 Jahren ad exitum gelangt. Die Gicht (uratische Diathese) wird beschuldigt als iTsache für einige Formen von Episkleritis, sowie Skleritis und sklero- sierender Keratitis, Iritis und Zyklitis. Auf dem Umweg durch Nephritis, gichtische Schrumpfnieren und Anomalien der Blutmischung kann die Gicht natürlich zu allen möglichen — oben schon erwähnten — Augensymptomen Veranlassung geben. Die eigentümlichen Stoffwechselanomalien, die wir bei juveniler Adipositas universalis, Myxödem, Infantilismus, Akromegalie und ähnlichen, oft mit Polyurie einhergehenden Zuständen besonders bei Kindern annehmen müssen, äußern sich an den Augen bisweilen in einer Optikusatrophie mit bitemporalen Gesichtsfeldstö- rungen, Wir nehmen hier eine Hypophysenveränderung an (TumorV vikariierende Hypertrophie bei Schilddrüsenatrophie?). 14. Geschlechtskrankheiten. Die Syphilis äußert sich am Auge in sämtlichen Stadien ihrer Entwickelung, ja kann sogar am Auge selbst ihre Eingangspforte wählen. Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 649 Primäre Syphilis: An den Lidern kennen wir indurierten Schanker (durch Kuß u. ä.). Auch die Konjunktiva kann in seltenen Fällen die initiale Sklerose beherbergen (Infektion von Ärzten und Hebammen). Einen diagnosti- schen Fingerzeig bieten stets die indolenten — gelegentlich auch schmerzhaften — präaurikularen Drüsenschwellungen. Die sekundäre Syphilis bedingt mit Vorliebe Iritis und Irido- cyklitis (über die Hälfte aller akuten Iritiden sind spezifisch), Chorio- retinitis diffusa und Glaskörpertrübungen, zumal die staubförmigen feinen Wolken in der Fossa patellaris des Glaskörpers. Leichtere Neuritis optica und N euroretin itis besonders die der inneren Schichten mit ausgedehnten Gefäßbeteiligungen müssen uns in erster Linie an Syphilis denken lassen. Zwischen sekundärer und tertiärer Syphilis können wir am Auge vielfach nicht scharf unterscheiden. Fast alle die oben genannten Formen der Augen- beteiligung können auch bei einer schon Jahre lang bestehenden sonst latenten Syphilis in Erscheinung treten. Bei der tertiären Syphilis finden wir am Auge Keratitis paren- chymatosa, ferner Iritisformen, die gelegentlich deutlich gummösen Charakter zeigen, ebenso Chorioiditis gummosa, Gumma der Orbita, Periostitis gummosa am Orbitalrand sowohl wie an den inneren Orbitawänden. Der Sehnervenstamm wird affiziert in Form der axialen Neuritis mit zentralem Skotom oder der Perineuritis mit konzentrischer oder exzentrischer Einschränkung des Gesichtsfeldes. Die basiläre Syphilis bedingt Traktushemianopsie, Chiasma- hemianopsie (bitemporale), basiläre Augenmuskellähmungen, doppel- seitige Ptosis, Ophthalmoplegia interna, Trigeminus- und Fazialisstörungen event. mit Keratitis neuroparalytica. Die gummösen Formen der Hirnsyphilis kennzeichnen sich durch Stauungspapille und die sogenannten allgemeinen Hirnsymptome, welche die Augen betreffen, ganz ähnlich dem Bilde des Hirntumors. Die Blutgefäßsyphilis des Hirns bedingt dieselben Erscheinungen wie die Arteriosklerose auch sonst wohl, nur handelt es sich hier meist um jugendlichere Individuen. Auch für die Hirn stamm äff ektionen stellt die Syphilis ihr erhebliches Kon- tingent durch Blutungen, Gummen u. ä. Recht häufig sind ferner Komplikationen mit spinalen Symptomen, so daß leicht Tabes oder Paralyse vorgetäuscht werden kann. (Wirksamkeit der Wunder- kuren bei Rückenmarkschwindsucht und Gehirnerweichung). Nächst Paralyse und Tabes ist für die reflektorische und totale Pu- pillenstarre die akquirierte und hereditäre Lues die Hauptursache. Die hereditärenFormenderSyphilis verraten sich in reflektori- scher oder totaler Pupillenstarre, Keratitis parenchymatosa, Iritis verschiedenster Form, Chorioretinitis zumal der peripheren (marmo- rierten) wie auch der diffusen, endlich der weißen und gelben Optikusatrophie. Endlich kann die Syphilis durch Vermittlung der Nieren und der Leber die oben geschilderten Retinal- und Chorioidalerkrankungen bedingen. Die innigen Beziehungen zur Tabes und Paralyse lassen die Syphilis auch für die diese Krankheiten begleitenden Augensymptome zum Teil verantwortlich erscheinen. Als zweite Geschlechtskrankheit ist die Gonorrhoe zu erwähnen. Reicht ihr Gebiet an Ausdehnung auch nicht entfernt an das der Syphilis heran, so können doch erhebliche Sehstörungen, ja Erblindungen bei Kindern und Erwachsenen auf verschiedene Weise hervorgerufen werden. Zunächst ist die Augengonorrhoe der Neugeboren en zu erwähnen, die oben ausführlich (s. Bindehaut) besprochen ist. Sie entsteht durch äußere Inokulation des infektiösen Sekrets. 650 L. Heine, Ferner beobachten wir eine ganz analoge Bindehautentzündung mit even- tuellen Hornhautkomplikationen bei kleinen Mädchen mit Vulvo-Vaginitis gonorrhoica, die gewisse Ähnlichkeit mit der Diphtherie aufweisen kann. Drittens finden wir dieselbe Conjunctivitis gon. bei Erwachsenen, die eine Gonorrhoe der Urethra haben oder solchen, die sich die Augen zu Heil- zwecken mit dem Urin einer anderen gonorrhöekranken Person ausgewaschen haben. Viertens kennen wir eine metastatisch gonorrhoische Konjunk- tivitis oder Subkonjunktivitis, die selten zu Kornealkomplikationen führt. Fünftens existiert zweifellos eine meist leichtere Form der metastati- schen Ophthalmie, die fast stets doppelseitig zunächst die Iris befällt, dann aber auch Corpus ciliare, Glaskörper, Retina und Nervus opticus in Mitleiden- schaft ziehen kann. Auch diese führt — allerdings in seltenen Fällen — zu Erblindungen. Die letzten beiden Formen der Augengonorrhöe begleiten besonders gern die mit Gelenkaffektionen einhergehenden Urethralgonorrhöen. Endlich kann auch die dritte Geschlechtskrankheit — das Ulcus molle — das Auge befallen, indem durch irgend einen Zufall infektiöses Sekret, wohl meist durch einen nicht genügend gesäuberten Finger in den Bindehautsack gelangt und hier zu einem Ulcus molle Veranlassung gibt. Der Nachweis geschieht bakteriologisch. Klinisch machen die Drüsenschwellungen und Schmerzliaftigkeit am ehesten aufmerksam. Weibliche (Jeschlechtsfunktionen. Die weiblichen Geschlechtsfunktionen können schon unter nor- malen, noch mehr natürlich unter pathologischen Verhältnissen die Augen erheblich schädigen. Die normale Menstruation beeinträchtigt wohl meist das Allgemein- befinden und kann schon vorhandene Augenleiden, zumal neurasthenischer Natur, ungünstig beeinflussen, sie setzt jedoch kaum jemals ernstere Schädigungen. Wohl aber treten beim A usbleiben der Menses gelegentlich Retinal- und Präretinalblutungen auf, die erhebliche Sehstörungen veranlassen können, wenn auch die Prognose günstig ist. Größere Menstrualblutungen oder Uterusblutungen aus anderer Ursache (partus usw.) können zur „Amaurose oder Amblyopie nach Blutverlust" unter dem Bilde der Optikusatrophie führen. Gravidität, Puerperium und Laktation bedingen — wenn auch nicht häufig — Optikusstammaffektionen, die mit zentralen Skotomen oder atypischen Gesichtsfelddefekten einhergehen und bei wiederholten Entbin- dungen rezidivieren können, so daß künstlicher Abort in Frage kommt. Fieberhafte Erkrankungen im Wochenbett — Sepsis, Pyämie — setzen dieselben Augensymptome, wie auch sonstige septische Erkrankungen aus anderen Ursachen: Netzhautblutungen, Retinitis septica, metasta- t'ische Ophthalmie. 15. I ntoxikationen. Von allen Intoxikationen steht in erster Linie die chronische Alkoholintoxikation. Zweifellos das häufigste Augensymptom ist hierbei das zentrale Skotom, stets doppelseitig, im Beginn nur relativ für Farben, selten sehr hochgradige Dimensionen annehmend. Bedingt ist dieses durch eine axiale Neuritis optici retrobulbaris, welche entsprechend dem Verlaufe des papillomakulären Bündels in der Gegend des knöchernen Kanals und im intrakraniellen Teil die mittleren Bezirke des Optikusquerschnittes, dicht hinter dem Bulbus Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 651 aber die temporale Seite des Sehnervenstammes einnimmt. Erst nach einigen Wochen des Bestehens tritt eine sekundäre Abblassung der temporalen Papillenhälfte ein. Sehr viel seltener sind die Augenmuskellähmungen: meist ist es dann die doppelseitige Abducensparese, seltener ausgesprochene üphthalmophlegia externa (Polioencephalitis superior hämorrhagica). Von Pupillenstörungen ist auf das seltene Vorkommen von refl. Pupillenstarre hinzuweisen. Ferner finden wir noch Hemeralopie und Xerose bei chronischen Potatoren und Gesichtshalluzinationen, letztere besonders häufig, wie bekannt, im Symptomkomplex des Delirium tremens. Auf dem Umwege der Arteriosklerose und Schrumpf- niere sowie der Leberzirrhose kann die chronische Alkoholin- toxikation auch zu allen den diese letzteren Krankheiten begleitenden Augensymptomen Veranlassung geben. Die chronische Xikotinintoxikatioii, häufig, wie bekannt, mit dem Alkoholmißbrauch vergesellschaftet, bedingt gleichfalls ganz ana- loge Formen des doppelseitigen zentralen Skotoms, während von anderen Symptomen nur noch die Miosis mit erhaltener Lichtreaktion zu erwähnen sind. Alle übrigen Intoxikationen stehen diesen beiden großen Schäd- lichkeiten gegenüber erheblich an Bedeutung zurück. Zu nennen ist zunächst noch die Bleiintoxikation, meist als Berufsschädlichkeit bei der arbeitenden Klasse der Bevölkerung vor- kommend. Sie bedingt eine Neuritis optici intraocularis oder retrobulbaris mit zentralen Skotomen, aber meist intensiven Sehstörungen. Sonstige Schädi- gungen der optischen Bahnen finden wir bei der Encephalopathia saturnina in Form von relativen und partiellen homonymen Hemianopsien. Von den äußeren Augenmuskeln wird der Abducens, auch einseitig, seltenener der Okulomo- torius befallen. Die SchwefelkohleiistofiYergiftung, ebenfalls meist als Berufs- schädigung auftretend (Kautschukarbeiter), bedingt gelegentlich eine typische axiale Neuritis optici mit zentralen Skotomen. Anders geartete Sehstörungen finden sich bei der Chininintoxi- kation, welche unter dem Bilde des Arterienkrampfes zur Optikus- atrophie mit hochgradiger konzentrischer Gesichtsfeldeinschränkung führt. Auch bei der Filix mas-Vergiftung scheint das Gefässystem die Mittlerrolle zwischen Sehstörung und Optikusatrophie zu spielen. Pellagra und Ergotismus, sowie Tetanie und Naphthalin- vergiftung bedingen gelegentlich Kataraktbildung. Im Gefolge der Kohlenoxyd Vergiftung finden wir Hemi- anopsie (meist partielle kortikale), Herpes zoster und selten Augen- muskellähmungen. Santonin bedingt das bekannte Gelbsehen (Xanthopsie). Atropin: doppelseitige Ophthalmoplegia interna. Morphium: Mi ose mit erhaltener Pupillenreaktion. Hecht markante Augensymptome treten bei den unter dem Sammelbegriffe „Botulismus" zusammengefaßten Intoxikationen durch verdorbenes Fleisch, Fische, Austern, Schinken, Käse, Hummern usw. auf. Lehrbuch der Augenheilkunde. 41 im L. Heine, Die häufigste Augenkomplikation besteht in mehr oder weniger vollständiger doppelseitiger Ophthalmoplegia ext. und int., seltener werden einzelne Augenmuskeln isoliert befallen. Nicht selten tritt Herpes zoster auf. Die postdiphtherischen Intoxikationen wurden bei den allge- meinen Infektionskrankheiten erwähnt. Von den Autointoxi kationen ist zusammenfassend zu sagen, daß die intestinal bedingten sich mit Vorliebe in Augenmuskellähmungen äußern, die histiogenen dagegen (Diabetes, Gicht, Urämie, Karzinom, Chlorose, Gravidität, Puerperium, Laktation) mehr Schädigungen der optischen Leitungsbahnen veranlassen. Von anderen Giften seien kurz nur noch einige seltenere angeführt: So wird berichtet bei Vergiftung mit Arsen Lidödem und Konjunktivitis, mit Jodoform zentrale Skotome, ebenso bei Haschisch, Benzin, Thyreoidin, Anilin. Jod macht bekanntlich äußere entzündliche Erscheinungen an den Augen (Epiphora, Lidödem, Konjunktivitis), seltener Schwellung des Gesichtes, der Nase, der Speicheldrüsen, Glottisödem. Jod inner- lich, zusammen mit Kalomel äußerlich, bedingt bekanntlich starke Ver- ätzungen der Binde- und Hornhaut durch Jodquecksilberbildung. Antipyrin, Osmiumsäure (Dämpfe derselben) lassen Konjunktivitis beobachten. Chloroform, Äther und andere Narkotika bedingen die hinreichend bekannte Beeinflussung der Pupille, die von der Intensität der Anwendung ab- hängig ist. Chrysarobin sollte bei Hautsalben für das Gesicht nicht verwendet werden, denn ins Auge gebracht, ruft es heftige Konjunktivitis hervor. 16. Hautkrankheiten. Am häufigsten zieht das F]kzem verschiedenster Ursache Lider und Bindehaut, ja auch Hornhaut in Mitleidenschaft. Bekannt und typisch ist ja der Zusammenhang zwischen Gesichtsekzem (be- sonders dem der Ohren, Nase, Lippen) und skrofulösen Augen- af fektionen. Entzündliche Beteiligung des äußeren Auges findet sich ferner bei den verschiedenen Formen des Erythema multiforme, der Akne. In zweiter Linie ist der relativ seltene Pemphigus der Haut und Schleimhaut zu erwähnen, der oft die Bindehaut — oder auch diese allein — befällt und durch Blasenbildung und Vernarbung auch die Hornhaut schädigen kann. Weit seltener beobachtet man bei Sklerodermie mangelhaften Lid- schi uß und dessen Folgen wegen der Steifheit der Lider. Ähnliche Zustände finden sich bei Ichthyosis. Bei der Elephantiasis verschiedener Ursache beteiligen sich die Lider an den Wucherungen, so daf3 sie geschwulstartig über die Augen herüberhängen und zu operativen Eingriffen Veranlttssung geben können. Ähnlich finden sich bei multiplen Angiomen der Haut und Schleimhaut, auch solche der Lider und Bindehaut — sehr selten auch im Innern des Auges —, welche operative Behandlung erfordern. Der eigenartige zum Xeroderma pigmentosum führende Hautprozefi beteiligt mit Vorliebe die Bindehaut, führt zur Konjunktivitis, sekundären Vernarbungen und bösartiger Geschwulstbildung (meist Karzinom). Allgemeinerkrankungen und Augensymptome. 653 Von den durch pflanzliche Parasiten bedingten Hautkrankheiten haben für die Lider der Favus, der Herpes tonsurans und die Sycosis parasitaria eine gewisse Bedeutung. Von den tierischen Parasiten kommt gelegentlich der Phthirius inguinalis an den Zilien und Superzilien vor, seltener Pediculus capitis. Der Acarus f olliculorum ist ein häufiger Schmarotzer in den Haarbälgen der Zilien. 17. Erbliehe Augenkrankheiten. Unter Vererbung versteht man im vorliegenden Falle die Übertragung der körperlichen Eigenschaften eines Individuums auf seine direkten oder indirekten Nachkommen, nicht aber die Übertragung einer Infektionskrankheit, z. B. der Lues. Auch ist „vererbt" nicht mit „angeboren" gleichzusetzen. Irgend eine Mißbildung kann angeboren sein, ohne vererbt zusein, wenn nämlich weder Vater oder Mutter (direkte Vererbung), noch die Großeltern, Oheime, Tanten oder Urahnen usw. (indirekte Vererbung) das Leiden aufzuweisen hatten. Erkranken mehrere Geschwister an ein und demselben Leiden, wofür eine kongenitale Anlage mit Wahrscheinlichkeit verantwortlich zu machen ist, so spricht man von kollateraler Vererbung. Aus dem Gesagten ergibt sich schon, daß ein erbliches Leiden nicht als solches angeboren zu sein braucht, daß viel- mehr meistens nur eine gewisse Disposition, d. h. die Möglichkeit zu leichterer Erwerbung der Krankheit mit auf die Welt gebracht wird. Über das Wesen der Erblichkeit besitzen wir noch kaum Hypothesen, nur die Tatsache verdient betont zu werden, daß Blutsverwandtschaft der Eltern die erblichen Einflüsse im ungünstigen Sinne zu steigern vermag. Möglich ist, daß die Blutsverwandtschaft allein als solche genügt, um minderwertige Nachkommen zu erzielen; wahrscheinlicher aber ist, daß gewisse familiäre Schädlichkeiten sich durch die Ehe der Verwandten addieren und dadurch die Nachkommenschaft im besonderen Maße schädigen. Bemerkenswert ist ferner eine weitere Tatsache, daß nämlich Männer ihren Defekt öfter durch Vermittlung ihrer gesunden Töchter auf die männlichen Enkel vererben. Es erklärt dies die oft nachweisbare stärkere Beteiligung des männ- lichen Geschlechts bei gewissen erblichen Krankheiten. Die häufigste Form der Vererbung ist die kollaterale, die indirekte geschieht oft durch Vermittlung von seiten gesunder Frauen, relativ seltener ist die direkte Vererbung. Die Gefahr der Weiterverbreitung liegt also besonders bei den — wenn auch selbst gesunden — Frauen der Familie, weniger bei den selbst kranken Männern, sofern nur deren Töchter ledig bleiben. Das Prototyp der erblichen Augenkrankheit stellt die Pi gmentdegen e- ration der Retina dar, wobei auch die Konsanguinität der Eltern eine erheb- liche Rolle spielt. Letztere läßt sich etwa in 1;i aller Fälle nachweisen. Kolla- terale Erblichkeit findet sich fast ebenso oft. Direkte Übertragung von seiten der Eltern auf die Kinder ist dagegen relativ selten. Männer sind ausgesprochen häufiger befallen als Frauen. Auch die angeborene Nachtblindheit ist eine ausgesprochen erb- liche Affektion, doch spielt die Blutsverwandtschaft hier eine geringere Rolle. Dagegen erkranken oft mehrere Geschwister derselben Familie, dann kann eine Generation ganz verschont bleiben, und die nächste wird mehrfach erkranken und zwar die männlichen Mitglieder etwa doppelt so häufig als die weiblichen. Ausgesprochen hereditär-familiäre Schädigungen spielen eine große Rolle bei der doppelseitigen retrobulbären Op tikuss tamm affektion, die mit zentralen Skotomen einhergeht und das Sehen meist erheblich schädigt. Fast 90% aller Patienten sind männlichen Geschlechts. Sehr ausgeprägt ist die kollaterale Erblichkeit bei der glücklicherweise sehr seltenen „amaurotischen familären Idiotie" mit Maculaaffektionen und Optikusatrophie. Sicher spielen erbliche Verhältnisse eine gewichtige Bolle bei den ver- schiedenen Formen des Glaukoms einschließlich des Buphthalmus cong., hier ist der Vererbungsmodus meist der direkte: Vater auf Sohn, Mutter auf 41* 654 L. Heine. Tochter, aber auch Vater auf Tochter usw. Ja, es können mehrere Generationen nach einander beständig an Glaukom erkranken, so daß man bis zu 5 Generationen hat zählen können. Aber auch indirekte Vererbung und kollaterale kommen vor. Sache der Theorie ist es vorläufig, darlegen zu wollen, was nun eigentlich dabei das Vererbte ist. Ist uns doch am Wesen des Glaukoms selbst kaum mehr bekannt als die Drucksteigerung, die noch dazu beim Glaucoma spl. fehlt oder minimal ist. Ahnlich liegen die Verhältnisse bei der Myopie, wo hereditäre Verhält- nisse gar nicht zu verkennen sind. Der Vererbungsmodus ist derselbe wie bei Glaukom : meist der direkte. Über die Theorie oder Disposition zur Myopie siehe bei Myopie (Funktionsprüfungen). Ganz besonders augenfällig sind die erblichen Einflüsse bei der totalen Farbenblindheit und beim sog. Daltonismus (Rot-grün-Blindheit = Dichro- masie). Während bei ersteren der kollaterale Vererbungsmodus vorherrscht, ist es bei letzterem der indirekte mit besonderer Beteiligung des männlichen Ge- schlechts. Sind doch 3°/0 aller Männer, und nur 0,3 °/0 aller Frauen rot-grünblind. Wie die Hämophilie ist auch der Daltonismus em klassisches Beispiel für die Vererbung des Defekts durch normale Töchter auf männliche Enkel. Sehr auffallend ist ferner die Erblichkeit der verschiedenen Formen des grauen Stars, über deren Wesen wir uns noch kaum theore- tische Vorstellungen machen können. Im Gegensatz zum Daltonismus herrscht hier der direkte Vererbungsmodus vor mit gleichmäßiger Beteiligung der Ge- schlechter oft durch viele Generationen hindurch. Weniger ausgesprochen ist die Vererbung bei Augenmuskelleiden: Nystagmus cong., Strabismus concomitans und paralyticus, Ophthalmoplegia cong., Ptosis, wobei meist der direkte Modus statthat. Endlich sind noch einige Entwickelungshemmun gen namhaft zu machen, die gelegentlich familiäres Auftreten erkennen lassen: Kolobome, Ectopia lentis, Hyperopie, Albinismus, Amblyopia cong. mit Strabismus. Tafel I. Normaler Augengrund, glattrot. Cilioretinale Arterie temporal. (Vgl. S. 60—64.) ,uch der Augenheilkunde. Tafel I. Fig. I. Tafel IL Fig. 1. Normaler Augengrund, getäfelt. (Vgl. S. 63.) Fig. 2. Normaler Augengrund, Albinismus. Unten: Strudelvenen. (Vgl. S. 63.) buch der Augenheilkunde. Tafel II. Fig. 1. Fig 2 Tafel III. Fig. 1. Normaler Sehnerveneintritt mit Skleralring, Pigmentring und unscharf begrenzter physiologischer Exka- vation. (Vgl. S. 62.) Fig. 2. Normaler Sehnerven ein tritt mit großer überhängender, scharf begrenzter physiologischer Exkavation. (Vgl. S. 63.) Fig. 3. Conus temporalis bei Myopie. (Vgl. S. 65 und 106.) Fig. 4. Conus nach unten (kongenital); cilioretinale Arterie temporal. (Vgl. S. 65.) Fig. 5. (ilaukomatöse (totale) Exkavation, steilrandig. Halo glaucomatosus. Atrophie des Sehnerven. (Vgl. S. 66} 487 und 502.) Fig. 6. Markhaltige Nerven fasern der Netzhaut an der Papille. (Vgl. S. 67 und 215.) rtuch der Augenheilkunde. Tafel III Fig. 5. Fig 6 Tafel IV. Fig. 1. Neuritis optica (Stauungspapille) bei Tumor cerebri. Papille gerötet, vergrößert, prominent, mit verwaschenen Grenzen. In der Nähe einzelne radiäre Hämorrhagien. (Vgl. S. 68, 552, 555 und 641.) Fig. 2. Stauungspapille, Überwiegen des Ödems. (Vgl. S 68, 555 und 641.) Fig. 3. Thrombose der Vena centralis retinae. Hochgradige venöse Stauung mit massenhaften Hämorrhagien im ganzen Augen- hintergrund. (Vgl. S. 72 und 522.) Fig. 4. Atrophia nervi optici nach Neuritis (neuritische Atrophie). Abblassung, aber mit unscharfen Grenzen und Gefäß- veränderungen. (Vgl. S. 69 und 554.) Fig. 5. Einfache Sehnervenatrophie (von einem Tabiker). Papille abgeblasst, sonst unverändert. (Vgl. S. 69. 565 und 637.) Fig. 6. Temporale Abblassung durch Atrophie des papillo- maculären Bündels (nach Neuritis retrobulbaris bei Indoxikations- Amblyopie, disseminierter Sklerose). (Vgl. S. 69, 561, 638 und 650.) buch der Augenheilkunde. Tafel IV. Fig 1. Fig. 2 Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Tafel V. (Vgl. S. 516 ff. Fig. 1. Retinitis albuminurica. Blutungen, weiße Herde. Stern- figur an der Makula. (Vgl. S. 75, 526, 634 und 635.) Fig. 2. Retinitis diabetica. Blutungen, weiße Herde. Außerdem als Komplikation zentral Chorioretinitis (marmorierter Herd). (Vgl. S. 73, 528 und 648.) uch der Augenheilkunde. Tafel V. Fig. 1. Fig. 2. Tafel VI. Fb. 1. Amotio retinae in einem myopischen Auge (mit deutlichem „Konus" um die Papille). In dem faltig abgelösten, getrübten Gebiet sind die Netzhautgefäße dunkler, ohne Reflexstreifen. (Vgl. S. 47, 74 und 534.) Fig. 2. Verschluß der Art. centr. ret. Milchige Trübung der Retina, kirschroter Fleck an der Makula. (Vgl. S. 74 und 520.) •buch det Augenheilkunde. Tafel VI. W^% 1 . \^^^r W ■■ ;S^> m:. J MJJLt^J. WjJ*. ^"* . ^üv 4$ M^I^""vA •*■* ^| ""v-\ |\ V ■:-'--.^ 1) '•".• ' i1.r ":,t _/__s^/ *■ IöSäTI "**-^ 3 m^^TTaLtWm Wr^E^ -' *^M ^HfHr^«c?>-?'• n ._^^ BRv%-vl ■P&fs*1 B^^Utf . "^ z7^ /. /V^. 2 Tafel VII. Fig. 1. Retinitis proliferans (Manz). (Vgl. S. 75 und 518.) Fig. 2. Diffuse Pigmentatrophie der Retina. Sogenannte Retinitis pigmentosa. Typische Pigmentierung (Knochenkörper- chen). Diffuse Atrophie des Pigmentepithels, Chorioidea mit ihren sklerotischen Gefäßen deshalb sichtbar. Papille atrophisch. Verengerung der Retinalgefäße. (Vgl. S. 77 und 530.) nch der Augenheilkunde. Tafel VII. Fig. 1. Fig 2. Tafel VIII. (Vgl. auch Tafel A und B von Krückmann, S. 425 und 426. Fig. 1. Frische Miliartuberkel der Chorioidea. Gelbliche, ver- waschen begrenzte Herdchen. (Vgl. S. 78, 428 und 633.) Fig. 2. Atrophische Herde in Chorioidea und Pigmentepithel, viel- fach von Pigmentwucherungen eingesäumt bei Chorioiditis disse- minata. Papille und ihre Gefäße nicht verändert. (Vgl. S. 77 und 428 ff., ferner Tafel A und B, S. 425 und 426.) ch der Augenheilkunde. Tafel VIII. Fig. 1 Fig. 2. t Tafel IX. Fig. 1. Aderhautdegeneration bei hochgradiger Myopie. Großes peripapilläres „Staphyloma posticum" im Umkreis der (oval er- scheinenden) Papille. Makulare atrophische Stellen in der Chorioidea. (Vgl. S. 106.) Fig. 2a. Ruptura chorioideae durch Contusio bulbi. Typischer, die Papille umkreisender Spalt. (Vgl. S. 78 und 590.) Fig. 2b. Commotio retinae. Berlinsche Trübung nach Kontusion. (Vgl. S. 74 und 591.) ch der Augenheilkunde. Tafel IX. "^ Fig. 1. Fig. 2. Tafel X. Fig .1. Chorioretinalatrophie (Chorioretinitis) bei Lues con- genita. Diffuse Atrophie des Pigmentepithels. Zahlreiche kleinste Pigmentfleckchen wechseln mit kleinsten weißen Herdchen. Sklerose der Aderhautgefäße (weißlich durchschimmernd). (Vgl. S. 79, 431, 533 und 649.) Fig. 2. Coloboma congenitum chorioideae (et retinae); typisch nach unten gelegener Defekt. Kolobom der Papille. (Vd. S. 78 und 211) >ch der Augenheilkunde. Tafel X. Fig. 1. Fig. 2. Register. A. Abblassuris:, temporale, des Sehnerven 559, 561. Abducenslähmung, postdiphtherische 632. Abducensparese bei Gehirnkrankheiten 642. Aberration, chromatische 85. — sphärische 84. Ablatio retinae 534. Ablenkung, paretische 175. — strabotische 175. Abszeß der Lidhaut 232. Acarus folliculor. 231. Achsenhyperopien 100. Achsenmyopie 105. Acid. lactic. 19. Adaptation 85, 149. — Störungen der 150. Adaptometer 198. Adduktionsprisma 154. Adenitis 233. Adenome der Bindehaut 332. Adenom des Lides 238. — der Tränendrüse 273. Adenosarkom der Tränendrüse 273. Aderhaut, Anatomie 421. — Atrophie 428, 429. — Diagnose 485. — Einrisse 590. — Entzündungen 427. — Farbe 423. — Gefäßverteilung 421. — Geschwülste 434. — Iridochorioiditis 430. — Knoten, tuberkulöse 434. — — syphilitische 434. — Sarkom 434. Aderhautsarkom der Orbita 623. Aderhauttumoren SO. Aderhautatrophie 65. Aderhauterkrankungen 79. — bei Albinos 79. — Blutungen 79. — Entzündungen 79. - Nävus 80. — Tumoren 80. Aderhautgefäße: Perivasculitis 80. Sklerose 80. Aderhaut-Sehnervenkolobom 78. Adipositas 648. Adnexe des Auges 25. Adrenalin 6. . Adstringentia 18. — Acid. lactic. 19. — Argent. nitric. 18. — Collyrium adstring. 19. — Cuprocitrol 19. — Cupr. sulf. 19. — Natr. bibor. 18. — Plumb. acetic. 18. - Protargol. 19. - Tannin 18. — Zinc. sulf. 18. Aequator lentis 444. Äther 652. Aggravation 81. Ajryrose 289. Akne rosacea der Lider 222. Akkommodation 81, 91. Akkommodationsbreite 92. — relative 165. Akkommodationsgebiet 92. Akkommodationskrampf 97, 202. Akkommodationslähmungen 94. — Diagnose 95. — doppelseitige 94. — einseitige 94. — luetische 96. — postdiphtherische 97, 632. — Prognose 97. — Symptome 95. — Therapie 96. — Ursachen 95. Akkommodationsparalyse 94. Akkommodationsparese 94. Akkommodationsprüfnng 92. Akromegalie und Augenkrankheiten 648. Aktinomykose der Lider 245. Albinismus 221. - Ätiologie 221. Alkoholintoxikation und Augenkrank- heiten 650. 650 Register. Altersreflex der Linse 45. Alterssichtigkeit 93. Altersstar 458. Altersstar, Formen : intranuklearer Altersstar 458. subkapsulärer Bindenstar 458. supranuklearer Alterstar 458. — Theorien über Entstehung 462. Amaurose 126. — urämische 528. Amblyopia ex anopsia 155, 193. — sympathica 600. Amblyopie 125. — kongenitale 155. Amotio retinae 74, 535. Amyloid der Bindehaut 332. Anämie und Augenkrankheiten 646. Angiom, kavernöses, der Orbita 622. — der Bindehaut 337. — der Lider 287. Aniridie 213, 398. — traumatische 593. Anisokorie der Pupillen 40. Anisometropie 30, 40, 115, 155. Ankyloblepharon 241. Annulus arthritic. 495. Anomalien, angeborene, des Auges 203. Anophthalmus 159, Anthrax. 632. Antipyrin 652. Antisepsis in der Augenheilkunde 9, 12. Aphakenhyperopie 53. Aphakie 39. Aplanatio corneae 99. — Strahlenverlauf 117. Aplasia nerv, optic. 214. Arcus senilis 383. - Therapie 383. Argent. nitr. 18. Argyll Robertsonsches Phänomen 42. — bei Lues 42. — bei Paralyse 42. — bei Tabes 42. Art. centralis, Embolie 520. — — Diagnose 521. — — Prognose 521. — — Therapie 521. — hyaloid. persistens 67, 214. — ophthalmica 611. — — Aneurysma 619. - papill. nasnl. sup. 60. -----inf. 60. — — temporal, inf. 60. — — — sup. 60. Arterien, zilio-retinale 62. Arterienpuls, spontaner 71. — der Retina 314. Arteriosklerose und Optikusatrophie 633. Retinalblutungen 633. Aspirin 2, 5. Asepsis in der Augenheilkunde 9, 12. Assoziationsfasern 548. Asthenopie 48, 126. — Akkommodations- 191. Asthenopie, akkommodative 98. — — Ursachen 98. — konjunktivale 99. — muskuläre 98, 191. — — Ursachen 99. — nervöse 99. — Therapie 191. Astigmatismus 117. ■— hyperopie. horizontal, spl. 121. — — vertical. spl. 122. — irregulärer 117. — — Diagnose 118. — — Prognose 118. -----Ursachen 118, 122. -- — Therapie 118. mixt, gegen die Regel 121. - — nach der Regel 121. — -— Diagnose 122. — — Prognose 122. — — Symptome 122. - — Therapie 123. — myopic. horizont. spl. 121. - — vertical. spl. 121. — regulärer 33, 118. — — Strahlenverlauf 119. — — nach der Regel 121. — — gegen die Regel 121. — mixtur 121. Atresie der Tränenpunkte 220. Atrophia bulbi 572. — — der Regenbogenhaut 418. Atrophie, aszendierende 554. — nach Blutverlusten 554. - Druck- 551, 567. — einfache 551. — ex neuro-retinitide 76. — ex retinitide 76. — nach Glaukom 70. — nach Neuritis optic. 69. — nach Neuroretinitis 70. -- neuritische 69, 551, 554. — progressive 551. — retinale 554. — temporale 61, 69. - Therapie 551. — simpl. 69. — der Sehnerven 551. Atropin 16. Atropinvergiftung 651. Augapfel s. a. Bulbus. — Luxation 612. Auge, aphakisches 481. — Entwickelungsgeschichte 203. — Konstanten des 87. — Lymphzirkulation 485. - Mißbildungen 209. — Nahepunkt 92. — reduziertes 87. — Ruhelage, 172. --- — normale 172. — — Heterophorie 173. -----Orthophorie 173. — Schädigung durch Blitzschlag 599. -----Kurzschluß 599. — — Radiumstrahlen 599. — — Röntgenstrahlen 599. Register. Auge, Schädigung durch ultraviolette Strahlen 599. - — Wärmestrahlen 598. — Untersuchung 21. — — objektive 23. - Verletzungen 569. — - Fremdkörper im 580. — — Kontusionen 581. — — Quetschungen 587. — — Rupturen 591. — — Schnittwunden 569. — — Stichwunden 569. — — — aseptische Heilung 571. — — — eiterige Infektion 572. — — — fibrinöse Wundentziindung 572. — — — Prognose 574. — — — Therapie 575. — — sympathische Erkrankung 600. — — Verätznngen 595. — — Verbrennungen 595. Augenbecher 204. Augenbewegungen, Nervenbahnen 170. Augenbewegungen unter dem Einfluß der sensor. Korrespondenz 164. Augenblasen 203. Augenblasenstiel 203. Augenentzündung, ägyptische 309. Augenerkrankung, sympathische 600. — Anatomie, pathologische 605. — Diagnose 603. — Formen 602. — Pathogenese 606. - Prognose 600, 603. — Symptome 600. - Therapie 603. Augengrund, normaler 60. Augengrund, Farbe 63. Augenhintergrund, Ophthalmoskopie 55. Augenkammer, vordere 485. — hintere 485. Augenkapsel 10. Augenklappe 10. Augenkrankheiten, erbliche 654. — Albinismus 655. — Amblyopie 655. — Buphthalmus congenit. 654. — Catarakt 655. — Daltonismus 655. — Ectopia lentis 655. Farbenblindheit 655. — Glaukom 654. — Hyperopie 655. — Idiotie, amaurotisch-familiäre 654. — Kolobom 655. — Myopie 654. — Nachtblindheit 654. — Nystagmus 655. — Ophthalmoplegie 655. — Optikusstammaffektion, retrobulbäre 654. — Ptosis 655. — Pigmentdegenetatum 654 — Strabismus 655. Augenleuchten 46. Augenlid, Anatomie 222. — — Physiologie 222. Augenlider, Ursprung 205. Augenlidererkrankungen, Abszesse — Adenom 238. - Akne 230. — Akne rosacea 227. — Aktinomykose 235. — Angiom 237. — Ankyloblepharon 241. - Atherom 236. — Blastomykose 235. - Blepharitis marginalis 229. -----ciliaris 229. — — squamosa 230. — — ulcerosa 230. — Blepharochalasis 244. — Blepharophimosis 240. — Blepharospasmus 242. — Blutungen 226. - Chalazion 233. — Chromhidrosis 226. — Cornu cutaneum 237. — Cysten 236. — Dermoidcysten 236. — Drüsencysten 236. - Ekzem 229. — Elephantiasis 237. — Entropium 245. — Entzündungen 226. - Erysipel 227. — Erythema exsud. 227. — Exantheme, akute 226. - Favus 235. — Fibrom 238. — Filzläuse 235. — Furunkel 232. — Gangrän 234. — Herpes tonsur 235 — Hordeolum 231. — Hyperämie 225i — Impetigo 231. — Karzinom 239. — Kopfläuse 235. — Konkretionen, kalkige 234. - Lagophthalmus 241. — Lepra 235. — Lipom 238. — Lupus 235. — Lymphangiom 237. — Lymphom 238. — Milien 236. - Missbildungen 218 f. — Milzbrand 234. — Mollusc. contagiosum 235. — Naevus pigmentosus 238. - Naevus vasculosus 237. — Neurofibroma plexiforme 238. — Ödem 225. — Papillome 238. — Pemphigus 222. — Pityriasis rubr. 227. ■— Pseudoptosis 243. — Psoriasis 227. -- Ptosis 242. — Rankenneurom 238. — Rhinosklerom 235. — Rotz 235. 65S Register. Augenlidererkrankungen, Sarkom — Seborrhoe 226, 230. — Sykosis 230. — Symblepharon 241. — Syphilis 235. — Teleangiektasien 237. — Trichiasis 245. — Tuberkulose 235. — Tumor vasculosus 237. — Ulcus molle 235. — Urticaria 227. — Vaccinola 226. - Varicen 237. — Verletzungen 270. — Warzen 237. — Xantelasma 238. Augenlidmuskulatur 224. Augenmuskeln, Anatomie der 166. — Faszien 611. — Krämpfe 202. Augenmuskellähmungen, Lokalisierung der Krankheitsherde 187. — Doppelsehen 176. — b. Hemisphärenläsion 187. — b. Hemiplegia alternans 187. — b. Kern- u. Wurzelerkrankungen 188. — Kongenitale 187. — Kopfhaltung 176. — b. Läsionen der Hirnbasis 189. — b. orbitalen Affektionen 189. — Orientierungsstörung 177. — Prognose 189. — Schielstellung 179. — Schwindelgefühl 176. - Symptome 176, 178. — Therapie, operative 189. — Ursachen 187. — bei Meningitis 632. ----Endokarditis 633. -----Erysipel 632. -----Myokarditis 630. — — Sinusthrombose 632. Augensalben 19. — Neissersche 19. — Pagenstechersche 19. ■— Petersche 19. Augenspalt 204. Augenspiegel, Geschichte 53. Augenspiegelmodelle 59. — v. Helmholtz 59. — v. Liebreich 59. — v. Morton 59. — v. Roth 59. - v. Wolff 59. — v. Thorner 59. — binokulare 59. - elektrische 59. — mit Recossscher Scheibe 59. Augentropfen 15. Augenverbände 9. Augenwannen 9. Augenzittern 201. Auswärtsroller 169. Autointoxikation 652. Autophthalmoskopie 59. B. Bäder, Allgemeines 2. Basalmembran, vordere 342. — hintere 343. — des Pigmentepithels 421. Basedowsche Krankheit 627. Bazillus, Koch-Weekscher 283. Bazillus, Morax-Axenfeldscher 288, 354. Bazillus, Zur Neddens, 355. Begleitschielen 192. Beleuchtung, fokale 37. Bewegungsapparat des Auges, Anatomie 166. Bi-Fokusgläser 43. Bild, aufrechtes 55. — umgekehrtes 55. — scheinbares 82. — aufrechtes 82. — gleichgrosses 82. — umgekehrtes 82. — vergrössertes 82. — verkleinertes 82. — wirkliches 82. Bilder, disparate 162. — Längsdisparation 162. — Querdisparation 162. Bildentstehung 89. Bildpunkt 82. Bildweite 82. Bindegewebsbildungen bei Retinitis 75. — — Gefäßerkrankungen 75. -----Neuritis 75. Bindebauts-Konjunktiva 274. Bindehaut, Anatomie 274. — Xerose bei Darmkatarrh 634. Bindehautblutungen b. Pertussis 633. Bindehauterkrankungen 277f. Binokularlupen 36. Binokularmikroskope 36. Binoculus 10. Blastomykosis der Lider 235. Blausinnstörungen 143. — bei Pigmentdegeneration 143. — — Amotio retinae 143. — — Retinitis albumin. 173. Bleiinkrustation der Hornhaut 8. Bleiintoxikation und Augenkrankheiten 651. Bleiwasser 8. Blendung 125. Blennorrhoe 290. Blennorrhoea neonator. 290. Blepharitis marginalis ciliaris 229. — — squamosa 229. — — ulcerosa 230. --------Ätiologie 231. — — — Prognose 231. -------Therapie 231. Blepharochalasis 244. Blepharokonjunktivitis 288. Blepharokonjunktivis ekzematosa 632. — — phlyktaenulosa 632. Blepharophimosis 240, 322. Blepharorhaphie 250. Blepharospasmus 242. Register. 650 Blepharospasmus Ätiologie 242. — Prognose 242. — Therapie 242. — scrofulosus 242, 305, 364. Blepharotomie 365. Blickbeschränkungen bei Gehirnkrank- heiten 642. Blickfeld 176. — binokulares 170. Blicklähmungen, assoziierte 186. — atypische 186. — konjugierte 186. Blicklähmungen bei Endokarditis 633. — Myokarditis 633. Blickzentrum 170. Blindheit, Diagnose 158. — doppelseitige 152. — einseitige 158. — s. a. Amaurose, Catarakt. Blitzstar 466. Blutgefäße der Netzhaut , Arterio- sklerose 70. — Degeneration, fettige 70. — Endarteritis 70. — Endophlebitis 70. — Periarteritis 70. — Periphlebitis 70. Blutgefäße des Sehnerven 70. — Arteriosklerose 70. — Endarteritis 70. — Endophlebitis 70. — fettige Degeneration 70. — Periarteritis 70. — Periphlebitis 70. Blutungen der Lider 226. — subkonjunktivale 332. Borsäure 8. Botulismus und Augenkrankheiten 651. Brechkraft, verschiedene auf einem Auge 115. — doppelseitige 115. — einseitige 116. Brechungsexponent des Glaskörpers 88. — des Kammerwassers 88. — der Kornea 88. — der Linse 88. Brechungsgesetz 83. Brechungshyperopien 100. Brechungsmyopie 104. Brechungsverhältnisse 89. Bildentstehung 89. Breitenwahrnehmung 89. Brennpunktsebene 84. Brennpunktslosigkeit 117. Brennweite 82. — hintere 88. — vordere 88. Brückenkolobom 110. Bulbusparalyse 639. Bulbus, Asymmetrien 612. - Dermoide 220. — Enophthalmus 613. Exophthalmus 612. — Kontusionsruptur 591. — Lagophthalmus 612. Bulbus, Lipodermoide 220. — Prognose 593. — Quetschungen 590. — Therapie 593. — Untersuchung 20. C. (S. a. K. u. Z.) Canalis Cloqueti persistens 67. — Petiti 446. Caruncula lacrymal. 274. Cataracta 442. — accreta 468. — angeborene 452. — brunescens 463. — arida siliquata 461. — caerulea 454. — calcarea s. gypsea 461. — capsulo-lenticularis 461. — central, congenita 454. — complicata 464, 479. - diabetica 464. — b. Ergotinvergiftung 464. - b. Tetanie 464. — b. Struma 464. — erworbene 452. — fusiformis 454. — intranuclearis 462. — klinisches Bild 465. — lactea 457. — ■— Prognose 458. -----Therapie 458. membrauacea 461. — nigra 463. — polaris ant. 452. -----post. 47, 453. — progressive 452. — punctata 454. — pyramidal. 453. — secundaria 45, 482. - — accreta 481. — — Therapie 483. -----traumatische 582. — — Ursachen 482. — senilis 458. — spuria 453. — stationäre 452. — subcapsularis incip. 458. — — hypermatura 458, 460. — — immatur. 458. -----immatura sive intumescens 459. -----matura 458, 460. — Symptome 447. — — objektive 447. — — subjektive 449. — Therapie 453. — supranuclearis 461. — traumatica 466. — treinula 461. — vera 453. — Wundstar 466. — zonularis s. perinuclearis 454. -----Therapie 457. G60 Register. Cataracta Depressio 473. — Diszission 474. — Extractio 474. — Formen, experimentelle 465. — Keratonyxis 473. — Reclinatio 473. — Reifung, künstliche 47r. — Sklerotikonyxis 473. — Theorien über Entstehung 462. - Therapie 473. — Untersuchung 45. — durch Ergotismus 651. — durch Naphthalin 651. — durch Pellagra 651. — Tetanie 651. Catarrhus sicc. conjunct. 287. Chalazion 233. — Therapie 233. Chemosis 231. Chiasma nerv. opt. 54. Chininintoxikation und Augenkrank- heiten 651. Chloroform 652. Chloroformapparat v. Roth-Dräger 6. Chlorom d. Orbita 623. Chlorose und Augenkrankheiten 646. Cholestearinkristalle d. Glaskörpers 47. Cholestearinkristalle in der Papille 69. — der Retina 76. Chorea und Augenkrankheiten 644. Chorioidalablösung 75. Chorioidalring 61. Chorioidalruptur 78. Chorioidaltumor 75. Chorioidea, Ursprung 207. Chorioidealtuberkel, miliarer 633. Chorioiditis, akute 78. — areolaris 429. — diffusa 78. — disseminierte 78, 429. — fibrinosa 427. — luetische 79. — maculöse 78. — peripherische 78. — purulenta 431. — senile 79. — serosa 427. — suppurativa 431. — Symptome 427. — Therapie 431. — tuberkulöse 78. — zirkumpapilläre 78. Choriocapillaris 421. Chorioretinitis hepatica 635. — syphilitische 525. Chromatophoren 388. Chromhidrosis 226. Chrysarobin und Augenkrankheiten 652. Chrysarobinkonjunktivitis 278. Circulus arteriös, irid. 389. - — nerv, optic. 389. Cocain 6, 16. Collyrium adstringens 19. Commotio retinae 74, 5.3. Conjunktiva bulbi 274. Conjunctiva corneae 274. — fornicis 274. — palpebral. 274. — tarsalis 274. Conjunktivitis, allgemeine Ätiologie • 272. — simpl. akuta 282. - Ätiologie 283. — — d. Neugeborenen 285. — — Prognose 286. — — Symptome 282. - Therapie 286. — blennorrhoica 290. — — Ätiologie 292. — — Anatomie, pathologische 294. — — Prophylaxe 295. ----Symptome 290. — — Therapie 296. — chronica 286. ----Ätiologie 288. — — Komplikationen 289. ----- Prognose 289. — — Symptome 286. - Therapie 289. — contagiosa 283. — — Pneumokokken 284. — — Koch-Weekscher Bazillen 283. — — d. Heuschnupfen 285. — crouposa 298. — diphtherica 298. -----Ätiologie 300. — — Anatomie, pathologische 301. — — Differentialdiagnose 300. -----Prognose 300. -----Therapie 300. — eczematosa 303. — folliculosa 287, 315. — granulosa 309. — — Anatomie, pathologische 316. -----Beginn 310. — — Differentialdiagnose 312. — — Disposition 318. — Prognose 319. — — Prophylaxe 323. ----Therapie 319. -----Übertragung 318. - Parinaudsche 316. — petrificans 333. — phlyctaenulosa 303. — — Ätiologie 307. — — Anatomie, pathologische 306. — — Differentialdiagnose 306. ----- Prognose 307. - — Symptome 304. -----Therapie 308. — pseudomembranosa 298. — scrofulosa 303. — sicca 287. — simpl. 282. — tuberkulosa 329. — — Differentialdiagnose 330. -----infiltr. 329. — — Prognose 331. -----Therapie 331. — ulceros. 329. Register. 661 Conjunktivitis vernalis 325. — -- Ätiologie 327. — Anatomie, pathologische 327. - Differentialdiagnose 326. ----Prognose 326. -----Therapie 328. ----Verlauf 326. Conus myop. 107. — annularis 107. — ringförmiger 107. Cornea, Anatomie 341. — Abrasio 384. — Arcus senilis 383. — Beleuchtung, fokale 32. — Blasenbildung 385. — Degeneration, hyaline 386. — — amyloide 386. -----kalkige 386. — Durchsichtigkeit 343. — Entzündung, Allgemeines 342. - Farbe 344. - Gefäßbildung 344. — Gefäßueubildung 36. — Geschwür, Allgemeines 348. — Geschwürsformen 347 f. - Glätte 32. — Herpes 368. — Karzinom 386. — Keratektasie 347. — Keratitis 347. — Keratitisformen 347 f. — Keratoglobus 346. — Keratokonus 346. — Keratoskopie 32. — Megalokornea 346. — Mikrokornea 346. - Oberfläche 344. — Präcipitate 345. — Papillom 386. — Quetschungen 387. — Randektasie 386. - Reflexbild 343. — Ringabscess 369. — — Tuberkulose 383. - Sarkom 387. Sensibilität 31. — Syphilis 383. — Tätowierung 360. — Teratom 387. — Transparenz 36. — Trübungen 36, 38. — — angeborene 383. ----gittrige 384. -----gürtelförmige 385. -----knötchenförmige 384. — Untersuchung 343. — Verbrennungen 598. — Verätzungen 598. - Wölbung 32. Cornu cutaneum d. Lider 237. Corona ciliaris 395. Corpus ciliare. Tumoren 436. _____Brückescher Muskel 395. _ — corona ciliar. 395. _____Kammerbucht 396. - Müllerscher Muskel 395. Corpus orbiculus ciliar. 395. — — Ziliarfortsätze 396. Cuprocitrol. 19, Cupr. sulfur. 19. Cyklitis b. Meningitis 631. — b. Influenza 632. —- b. Pyämie 632. — b. Sepsis 632. Cyklodialyse 509. Cyklopie 218. Cysten d. Lider 236. — Dermoid- 236. - Drüsen- 236. Cysticerkus des Glaskörpers 439. — d. Orbita 622. D. Dakryoadenitis 272. — purulenta 278. — und Parotitis 634. S. auch Tränenorgane. Dakryocystitis 259. -- Prognose 262. — Symptome 261. — Therapie 262. — phlegmonosa: — — Ätiologie 268. -----Definition 268. - — Prognose 270. — — Symptome 269. -----Therapie 270. Dakryocystoblennorrhoe 259. S. a. Tränenorgane. Dacryops 273. Daltonismus 655. Darmleiden u. Augenerkrankungen 634. Darmparasiten uud Augenerkrankungen 634. Deckstellen 161. Degeneration der Cornea, amyloide 386. — — hyaline 386. -----kalkige 386. — der Nervenfasern 75. - der Sehnerven: — — fleckförmige 561. — — primäre 551, 563. — — progressive 563. — — tabische 551. — ganglioforme 75. — glaukomatöse 500. Demonstrationspiegel 59. Depressio cataractae 473. Dermoid der Bindehaut 338. — des Bulbus 220. — der Hornhaut 387. Dermoidzyste der Orbita 220, 619. Descemetokele 353. Deuteranopen 146. Deuteranopsie 143. Deviation conjugee 182. — konjugierte, bei Gehirnkrankheiten 641. | Diabetes und Augenkrankheiten 647. Diät, allgemeine bei Augenkrankheiten 1. j Diaphragma, Aubertsches 148. 662 Register. Diathese, rheumatische bei Augenkrank- heiten 646. - skrofulöse 307. Dichromaten 146. Differentialdiagnose,ophthalmoskopische 60. Diffusionstheorie bei Ablatio retinae 537. Dilaceratio der Katarakt 484. Dionin 7. Dioptrie 85. Diphtherie und Abduzenslähmung 632. — Akkomodationslähmung 632. — Iritis 631. — Keratitis 631. — Neuritis optica 631. — Okulomotoriuslähmung 632. — Panophthalmie 631. Diplobazillen Zink 3. Diplopie 176, — monokulare 589. Disparation, gekreuzte 163. — gleichseitige 163. Disposition, glaukomatöse 494. Dissimulation 159. Distichiasis 219, 277. Diszission der Linse 475. -----Ausführung 475. — — des Nachstars 476. — — Komplikationen 475. — — Nachbehandlung 475. — — Reifung, künstliche 475. — — Zweck 475. Divergenz, latente 190. Doppelauge 161. Doppelbilder, vertikaldistante 154. Doppelobjektmethode 40. Doppeltsehen 126, 176. — paradoxes 196. Druckatrophie der Sehnerven 567. — Ätiologie 567. Druck, intraokularer 31. Druckproben von Jäger 92. — von Nieden 92. — von Schweigger 92. — von Snellen 92. Druck, Prüfung dos intraokularen 31. Drucksteigerung und Diszission der Linse 476. Druckverbände 11. Drusenbildung in der Bowmannschen Membran 384. Drüsen, Krausesche 275. — Manzsche 275. — Meibomsche 275. — — Chalazion 233. -----Konkretionen, kalkige 234. E. Echinococcus der Orbita 620. Ectopia lentis congenit. 116. — Strahlen verlauf 117. Einfachsehen, binokulares 161. Einschränkung, konzentrische 129, 133, 141. —- Ursachen 142. | Einstellung für die Ferne 89. I — für die Nähe 91. Einträufelungen 15. Einwärtsroller 169. Einzelauge 161. Elektropionierung 27—29. — der Bindehaut 27. — der Lider 27. Ektropium 26, 219, 249. — cicatricium 632. — narbiges 249. — paralyticum 249. — Ätiologie 249. — Operationen 251. — Prognose 250. — Therapie 250. —■ uveae 398. Ekzem, impetiginöses der Lider 229. — Ätiologie 229. — Prognose 229. — Therapie 229. Elephantiasis acquisita 237. — congenita 237. Embolie der Zentralarterie 74. Embrotoxon 215. Emmetropie 48, 89. Encephalocele 620. - der Orbita 220. Endokarditis u. Augenmuskellähmungen 633. — — Blicklähmungen 633. — — Retmalblutungen 633. Endotheliom des N. opticus 624. — der Orbita 623. — der Sehnerven 568. Enophthalmus 187, 595. Entropium 26, 219, 245. — muskuläres 246. — narbiges 246. — seniles 246. — spastisches 246. — Differentialdiagnose 246. — Prognose 247. - Therapie 247. Entropiums-Operatioiien 247. Entzündung, fibrinöse 571. — bei Augenverletzungen .571. Entzündung, sympathische 600. Entzündungsspiesse 398. Epicanthus 219. — doppelseitiger 219. Epilation 231. Epiphora 256. Episkleritis 440. — periodica fugax 441. Epithelialxerose 333. Erblindungen 126. Ergotismus und Augenkrankheiten 651. Ermüdbarkeit beim Lesen 126. Erysipel der Lider 227. — Prognose 227. — Therapie 227. Erysipel u. Augenmuskellähmungen 632. Erythema exsudativ. 227. Erythropsie 143, 482. Eserin 18. Register. 663 Esophorie 190. Eukain 6. Exantheme, akute u. Lidererkrankungen 226. Exkavation, angeborene 66. — erworbene 66. — glaukomatöse 66, 551. — pathologische 66. — physiologische 60, 62. Exkavation der Sehnervenscheibe 487. — atrophische 488. — glaukomatöse 487, 502. — physiologische 488. Exophorie 190. Exophthalmometer 612. Exophthalmus 30, 612. — doppelseitiger bei Gehirnkrankheiten 641. — entzündlicher 615. — periodischer 619. — — Ätiologie 619. — pulsierender 594, 618. — — Symptome 618. -----Therapie 619. -----Ätiologie 614. -----Differentialdiagnose 614. — durch Basedowsche Krankheit 627. -----Therapie 628. — durch Geschwülste 619. -----gutartige 619. -----maligne 622. — durch Leukämie 629. — durch Lues 626. — durch Pseudoleukämie 629. — durch Tuberkulose 615. Exostosen der Orbita 629. Exsudat, fibrinöses bei Keratitis 351. — hämorrhagisches bei Keratitis 351. Extractio cataractae 474. Extraktion der Linse 476. — einfache 476. — kombinierte 476. — Ausführung 477. — mit Iridektomie 478. — ohne Iridektomie 476. — in geschlossener Kapsel 481. - Methoden 476. — Nachbehandlung 480. — Resultate 481. — Vorbedingungen 476. - Zufälle bei der 480. F. Fallversuch, Heringscher 154. Farbenblindheit 145 f. — totale 147. . Farbenmischapparat, Herings 14b. Farbenoptometer 124. Farbensinn 81. — Störungen 143. _ _ angeborene 143. — — erworbene 143. -----Blausinn 143. _____Erythropsie 143. _____Gelb-Blausinn 143. Farbensinn, Störungen,Grünblindheit 143. — — Rotblindheit 143. -----Rot-Grün- 143. — Schwarzweiß- 143. - Violettblindheit 143. — — Xanthopsie 143. Farbenskotom, relatives zentrales 560. Farbstiftprobe, Adlersche 146. Farbentäfelchen 146. Fascia tarso-orbitalis 611. Fasciculus occipito-temporalis 548. — occipito frontalis 548. Fascie, Tenonsche 169. Favus des Augenlides 235. Fazialislähmung und Augenkrankheiten 637. Fehler,"optische des Auges 84. Fernpunktsbestimmung bei Myopie 109. Fettdegeneration der Retina 75. Fettinfiltration der Retina 75. Fibrom der Augenlider 238. - der Bindehaut 337. Fibrosarkom der Orbita 623. Filaria des Glaskörpers 439. Filix mas-Vergiftung und Augenkrank- heiten 651. Filzläuse an den Lidern 235. Fiss. calcarina 170. — orbitalis sup. 611. -----inf. 611. Fleck, blinder, Vergrösserung bei Stau- ungspapille 556. Flecke, Bitotsche 634. Flimmern 125. Flimmerskotom 130. Florpapierversuch, Pflügerscher 146. Flügelfell 335. — s. a. Pterygium. Fluoreszin 38. Fluoreszinkalium 345. Fluoreszeinnatrium 32. Follikelbildung 310. Follikulitis 231. Foramen opticum 166. Foramina ethmoidalia 611. Fovea centralis 515. Foveareflex 64. Fremdkörper i. Bulbus 580. -----Eisen 581. -----Glas 584. -----Holz 584. -----Kupfer 581. — — Porzellan 584. — i. d. Hornhaut 584. — i. Konjunktivalsack 586. — i. d. Orbita 587. Fremdkörpergetühl 22. Frühjahrskatarrh 324. Fundus bulbi 63. Funktionsprüfung 81. Fuiunkel d. Lidhaut 232. Fusionsbewegungen 164. 664 Register. G. Gefäßbändchen-Keratitis 362. Gefäße, optikoziliare 62. Gefäße des Auges s. Anatomie der einzelnen Teile. Gefäßgeschwülste der Orbita 622. Gefäßinjektion 276. Gefäßkranz, Zinnscher 62. Gefäßschichten der Aderhaut 421. Gefäßtrichter 63. Gehirnkrankheiten und Augenkrank- heiten 641. — Abszess 643. — Anämie 642. — Blutungen 643. — Entzündungen 643. — Hydrocephalus 643. — Hyperämie 642. — Kinderlähmung 643. — Paralyse 643. — Tumoren 643. Gelbblaublindheit 146. Gelbblausinnstörungen 143. Geiontoxon 216, 383. Geschwülste d. Augenlider 237. — d. Orbita 619. Geschwulst des Sehnerven 568. — Endotheliom 568. — Gumma 568. — Neurofibrom 568. — Tuberkulose 568. — Symptome 568. — Therapie 568. Geschwüre, atheromatöse, der Hornhaut, 386. — katarrhalische 283. — neurotische, der Hornhaut 368. Gesichtsfeld, normales 127. — Prüfung 127. Gesichtsmuskelkrampf,postparalytischer 242. Gesichtsfeldmessung 124. Gesichtsfeldstörungen bei Gehirnkrank- heiten 642. Gicht und Augenkrankheiten 648. Gitter, Fuchssches 11. Gläser ä double foyer 93. Glashyperopie 112. Glaskörper, Abzeß 573. — Anatomie 437. — Blutungen 438. — Brechungsexponent 88. — Dicke 88. — Fremdkörper 439. — Parasiten 439. — Synchysis 438. — Trübungen 437. — Ursprung 206. — Verflüssigung 438. Glaskörperabszess 573. Glaskörperblutung 571. Glaskörperblutungen, juvenile, rezidi- vierende 518. Glaskörperflüssigkeit, Zusammensetzung 485. Glaskörperkanal 67. Glaskörperverfliissigung 107. Glasmyopie 111. Glaukoma 486. — absolut. 500. — akutes 486. — Anatomie, pathol. 501. - -Anfall 494. -----'Ätiologie 494. — — prodromaler 492. — chronic, feie simpl. 492. — degenerativ. 501. — Differentialdiagnose 492. — fülminans 492. — hämorrhagic. 500. — Hauptsymptome 487. -----Exkavation 487. — — Sehstörung 489. — — Zirkulationsstörungen 489. — infantiles 496. — inflammator. 489. -----acut. 490. ■— — chron. 490. — primäres 486. — sekundäres 486, 498. — simplex 490, 493. ---Theorien 504. — — v. Donders 505. -----v. Gräfe 505. — — v. Knies 505. — — v. Mackenzie 505. — — v. Priestley-Smith 505. -----v. Weber 505. — Therapie 506. -----Cyklodialyse 509. — — Einschneiden des Kammerwinkels 509. — Entfernung des Halsganglions des Sympathicus 509. — — Iridektomie 506. — — Sklerotomie 509. Glioma retinae 538. — — Anatomie, pathologische 540. — — Diagnose 541. — — Stadien 538. — — Therapie 542. — — Verlauf 541. Gliom d. N. opticus 624. — der Orbita 623. Gonorrhoe und Augenkrankheiten 649. Granulöse 309. Gravidität und Augenkrankheiten 650. Grünblindheit, angeborene 143. Gumma der Sehnerv. 568. H. Haarfistel 272. Habitus glaucomatos. 491. Halo glaucomatosus 65. 66, 488. Hämophilie und Augenkrankheiten 647. Hämorrhagien der Retina 75. — marginale 75. — präretinale 75. — b. Anämie 75. — b. Blutkrankheiten 75. Register. 065 Hämonhagien b. Chlorose 75. — b. Gefässerkrankung 75. — b. Intoxikationen 75. —- b. Leukämie 75. — b. Neuritis optic. 75. — b. Retinitis 75. — b. Skorbut 75. — b. Trauma 75. Hängemagnet, Volkmannscher 583. Haken, Snellens 90. Hauptpunkt 84. — vereinigter 88. Hauptpunktsebene 84. Hautkrankheiten u. Augenerkrankungen 652. — Acarus follicul. 654. — Angiom 652. — Eczema scrofulos. 652. — Elephantiasis 652. — Erythema multiforme 652. — Favus 653. — Herpes 653. — Ichthyosis 652. — Pediculus 654. — Pemphigus 652. — Phthirius inguinalis 654. — Sklerodermie 652. — Sykosis 653. — Xeroderma 652. Heilung, aseptische von Augen Ver- letzungen 571. Hemeralopie 150. — dioptrische 151. — doppelseitige 151. — einseitige 151. — Ursachen 150. — Therapie 150. Hemianopie 136. — beiderseitige 550. — binasale 141. — doppelseitige 139. — heteronyme 549. — homonyme 138, 550. — inkomplette 551. — komplette 551. — kortikale 139. - laterale 550. — nasale 550. — subkortikale 139. — temporale 549. -■•• Cuadranten- 551. — Ursachen 140, 141. — b. Lu-S basilaris 549. — b. Tumoren 549. Hemianopsie durch Kohlenoxyd Vergif- tung 651. Hemicranie 644. Hemiplegia alternans 187. Herde in der Retina 522. - zirkumskripte der Retina 75. Herpes corneae 368. — der Lider und Pneumonie 633. — febrilis corneae 38. — zoster ophthalmicus 632. 636. Herzfehler und Augeneikrankungen 633. Heterochromie 221. Heterophorie 172, 187, 190. — Lähmungen 172. — Paresen 172. -- Strabismus 172. — — latenter 172. manifester 172. Hirnrindenreflex, Haabscher 41. Höhenprisma 154. Höherstand, latenter 190. Holokain 6. Homatropin 16. Hordeolum 231. — Diabetes u. H. 232. - externum 231. — internum 231. - Therapie 233. Hornhaut s. Cornea 341. - Ursprung 207. Hornhautfistel 354. Hornhautfläche, Krümmungsradius 87. Hornhaut, Fremdkörper 584. — — Erosionen 586. Hornhautgeschwür 348. Hornhautgeschwüre, Diff.-Diagnose 356. — ekzematöse 359. — e lagophthalmo 354. — katarrhalische 353. — Komplikationen 355. — mykotische 354. primäre 354. — Prognose 356. — randständige 355. — sekundäre 355. — Therapie 356. Hornhautnarbe 353. - mit Linsensynechie 354. Hornhautphlyktäne 304. Hornhauttrübungen, angeborene 215. — diffuse parenchymatöse 216. Humor aqueus 485. Hydrargyr. oxycyanat. 8. Hydrodiaphanoskop 347. Hydrophthalmus 216, 346. — congenit. 496. Hydrops vagin. nerv. opt. bei Stauungs- papille 557. Hyperämie der Lider 225. — aktive 225. — passive 225. Hyperopie 48, 89, 99. - Anatomie 100. — aphakische 100. — lentale 100. — — Ursachen 100. — Diagnose 101. — — ophthalmoskopische 100. — Folgen 101. — Glashyperopie 112. — korneale 99. — — Ursachen 99. — latente 105. — manifeste 102. — Prognose 104. — Therapie 103. — totale 102. — wahre 112. 666 Register. Hyperphorie 190. Hypertonie 486. Hypertrophie, variköse 75. Hyphäma 39, 588. Hypopyon 39, 351, 355, 571. Hypopyonkeratitis 1, 369. — S. a. Keratitis. Hyposphagma 332. Hypotonie 486, 510. Hypsicephalus 645. Hysterie und Augenkrankheiten 644. I, J. Illacrymatio 256. Tnf'antilismus und Augenkrankheiten 648. Infektion, eitrige von Augenverletzungen 572. Infiltrat, oberflächliches 304. — pustulöses 304. — sklerotisches 306. Influenza und Iritis 631. Injektion, perikorneale 277. Injektionen, subkonjunktivale 5. Instillationen 15. Intei kalarstaphylom 442. Intoxikationen und Augenkrankheiten 650. Intoxikations-Amblyopie 561. Iridektomie 479, 506. — optische 507. — präparatorische 479. —- Glaukom 507. Irideremia congenita 213. Iridochorioiditis 2, 430. S. a. Chorioiditis 427 f. Iridocyclitis fibrinös. 572. — syphilitica 526. Iridodialyse 39, 588. Irido donesis 39, 397, 589. Iris, Anatomie 39, 391. - Aniridie 398. — Atrophie 418. — Ectropium uveae 398. — Iritis 400. — Iridocyklitis 398. — Iridodonesis 397. — Kolobom, angeborenes 398. — Krause 394. — Krypten 394. — Lakunen 394. — Mangel 398. — Syphilis 409. — Tuberkulose 412. — Ursprung 207. — Veränderungen, angeborene 397. — Zysten 418. Iriskolobom 210, 216, 398. — traumatisches 592. Irismangel, angeborener 213. Iris, Quetschungen 587. — Reposition 507. Irisprolaps, paracentraler 576. Iriszysten 418, 577. Iritis 2, 400. — Ätiologie 405. Iritis rheumatica 408. — serosa 400. — suppurative 404. — Symptome 404. — syphilitica 409, 526. — Therapie 419. — Tripper- 408. — Tuberkulose 412. Iritis b. Diphtherie 631. — nach Diszission 476. — b. Gelenkrheumatismus 631. — b. Influenza 631. — b. Malaria 631. — b. Typhus abdom. 631. — — — recurrens 631. — b. Variola 631. Jequirity-Behandlung des Pannus 322. Jochbein 610. Jod 652. Jodpräparate 5. Kalium permangan. 8. Kalkkonkremente der Bindehaut 333. Kalkverletzungen 596. Kammer, vordere, Tiefe 87. — Enge der 39. - Tiefe der 39. — Verengerung 39. Kammerbucht des Ziliarkörpers 396. Kammerwasser, Brechungsexponent 88. Kammerwinkel 485. — Einschneiden des 509. Kapillarpuls der Retina 514. Kapsel, Tenonsche 611. — — Entzündung 618. Kapselstar 450. Karies der Orbitalwände 632. Karzinom der Bindehaut 338. — der Hornhaut 386. — der Lider 239. — der Orbita 622. Kataphorie 190. Kataplasmen 7. Katzenauge, amaurotisches 539. Keratektasie 347. — e panneo 347. — ex ulcere 347. Keratitis, A.natomie, patholog. 347. — bulbosa 385. — dendritica 38, 368. — disciformis 383, 587. — e lagophthalmo 354, 612. — ekzematosa 361. — — ulcerosa 362. — fascicularis 38, 304, 362. -----Ätiologie 363. — — Differentialdiagnose 363. — — Prognose 363. -----Therapie 363. — gummös. 383. — leprosa 383. — lymphatica 361. — neuroparalytica 369. Register. 667 Keratitis pannosa 365. ----Ätiologie 367. -----Anatomie, pathol. 365. — — Differentialdiagnose 366. — — Prognose 367. ----Therapie 367. — parenchymatosa 376. — — Ätiologie 379. — — avasculosa 378. — — Differentialdiagnose 380. -----Komplikationen 378. ---- Prognose 380. ----Symptome 377. ----Therapie 380. ----Verlauf 377. — parenchymat., sekundäre 383. — phlyctaenulosa 362. — punctata profunda 382. — pustulosa 362. — Schimmelpilz- 375. — septica 369. ----Ätiologie 372. — — Differentialdiagnose 372. — — Komplikationen 373. — — Prognose 373. -----Therapie 373. ----Verlauf 372. — sclerosificans 382. — scrofulosa 361. — subepithelial, punctata 361. — superficialis 304. 361. — suppurativa 369. — Symptome, Allgemeines 351. — Therapie, Allgemeines 352. — tuberculos. 383. — ulcerosa simpl. 352. — vesiculosa 385. ----Ätiologie 385. -----Therapie 385. — b. Diphtherie 631. — b. Variola 631. Kerato-Globus 99, 346. Keratokonus 346. — angeborener 346. — erworbener 346. — Therapie 347. - Verlauf 347. Keratomalacie 334. — Prognose 375. - Therapie 375. — Ursache 375. Keratonyxis 473. Keratoplastik 361. Keratosis corneae 386. Keratoskop 32, 343. — v. Placido 33. Keratoskopie 32. Kernlähmung 42. Kernzone der Linse 445. Kinder, Behandlung von 26. Knotenpunkt 84. — vereinigter 88. Knotenpunktsebene 84. Körnerkrankheit 309. Kohlenoxydvergiftung und Augenkrank- heiten 651. Lehrbuch der Augenheilkunde. Kolobom 210. — atypisches 78, 210, 213. - Brücken 210. — Iris 210. — kongenitales 65. — d. Lider 218. — Linsen 211. — Netzhaut, Aderhaut 211. — Prognose 211. — Sehnerven 66, 211. — Therapie 212. - typisches 78, 210. Kompensationsmethode 86. Kompressen 8. Konjunktiva, Anatomie 274. — Ektropionierung 27. — Erkrankungen 333. — Adenome 333. -----Amyloid 332. -----Angiom 337. — — Conjunktivitis, allgem. Ätiologie 277. — — — blennorrhoica 290. — — — contagiosa 283. — — — crouposa 298. — — — diphtherica 298. — — — ekzematosa 303. --------folliculosa 287. — — — Ophthalmia militaris 293, 309. — — — phlyctaenulosa 303. — — — pseudomembranosa 298. — — — scrophulosa 303. — — — sicca 287. --------simplex 282. — — — vernalis 325. -----— der Neugeborenen 285. -----Dermoid 338. -----Fibrom 337. -----Flügelfell 335. — — Kalkkonkremente 333. — — Karzinom 338. — — Lidspaltenfleck 337. — — Lymphom 337. — — Naevus 338. -----Papillom 337. — — Pemphigus 313. -----Phlyktäne 303. — — Pinguecula 332. — — Polypen 337. — — Pterygium 335. -----Sarkom 339. _____Trachom 309. — — Xerose 333. -----Zysten 337. — Gefäßinjektion 276. — Quetschungen 587. — Schnittwunden 578. — Untersuchung 276. — Verätzungen 595. — Verbrennungen 595. Konjunktivitis durch Arsen 652. — Antipyrin 653.^ — Chrysarobin 652. - Jod 652. — bei Masern 631. — Osmiumsäure 652. 42 C68 Register. Konkavspiegel 82. Konkremente in den Tränenröhrchen 258. Konstanten des Auges 87. Kontaktgläser 118. Kontraktur, hysterische der Lider 242. Kontrollprüfung bei Perimetrie 128. Kontusionen des Auges 587. Konus 65. Konvergenz, latente 190. — Insuffizienz 192. — Therapie 192. Konvergenzbreite, relative 165. Konvergenzkrampf 202. Konvergenzlähmung 186. Konvergenzmikropsie 95. Konvergenzreaktion der Pupille 42. Konvexspiegel 82. Kopfläuse an den Lidern 235. Kopfschmerzen und Augenerkrankungen 634. Korektopie 214, 218. Kornea 31. S. a. Hornhaut und Keratitis 347. — Brechungsexponent 88. — Spiegelbildchen 33. Korrespondenz, sensorische 161. Kortikalkatarakt, hinterer 465. Krankheit, Basedowsche 627. — Littlesche 638. — Mikuliczsche 634. Krankheiten der Großhirnschenkel 640. — der Vierhügel 640. — der vierten Ventrikel 640. — der Zirbeldrüse 640. Kryptophthalmus 218. Kugellupe, Hartnacksche 36. Kurzsichtigkeit 48, 104. S. a. Myopie 104 f. L. Lacksprünge 106. Laktation und Augenkrankheiten 650. Lähmungsschielen 177. Lähmungstypen der Augenmuskeln 179. Lagophthalmus 26, 241. — Ätiologie 241. — Folgen 241. — Prognose 241. — Therapie 242. Lamina elastica chorioid. 421, — vitrea chorioideae 421. Längsdisparation der Netzhautbilder 162. Lappenextraktion 476. — Ausführung 478. — Entbindung der Linse 479. — Indikationen 478. — Vorbedingungen 478. Leberkrankheiten u. Augenerkrankungen 634. Lederhaut s. Sklera 439. Lens crystallina s. Linse 444. Lentiglobus 469. Lenticonus 468. — ant. 105, 468. — post. 105, 468. Lentikonus, falscher 469. Leseprobenoptometer 124. Leukämie und Augenkrankheiten 647. Leukom, adhärentes 215. — nicht adhärentes 215. — partielles 215. — totales 215. Leukoma adhaerens 415, 499. — corneae adhaerens 353. Levatorvornähung 244. Lichtreflexe im Fundus 64. Lichtschein, guter 128. Lichtscheinprüfung 46. Lichtschutz 13. Lichtsinn 81, 148. — Untersuchung 148. — Ursache 149. Lidgangrän 234. - Ätiologie 234. — Prognose 234. - Therapie 235. Lidhalter 24. Lidlupus 632. Lidödem 236. — durch Arsen 652. — durch Jod 652. Lidrandplastik 248. Lidschlußreaktion 41. Lidspaltenfleck 276. Ligament, suspens. lentis 445. Limbus cornealis 274. Linearextraktion 476. — Ausführung 477. — Indikationen 476. Linse, Altersreflex 45. — Altersstar 458. — Anatomie, normale 444. — — pathologische 450. — Aniridie 592. — Aphakie 45. — Brechungsexponent 88. — Depression 473. — Dicke 87. — Dislokation 588. — Diszission 473. — Ektopie 39. — Entbindung der 479. — Ernährung 442. — Extraktion 473. — Fehlen der 45. — Kapselstar 450. — Katarakt 447. -----Untersuchung 45. — Krankheiten — Lenticonus 468. — Luxation der 45, 588. — Physiologie 446. — Polstar 452. — Reklination 473. — Schichtstar 454. — Sklerosierung 447. — Spindelstar 452. — Subluxation 39, 588. — Totalstar 455. — Trübungen 477. — Ursprung 205, 206. Register. 669 Linse, Verlagerungen 469. — — Luxatio 469. — — Pathogenese 472. ----Subluxatio 469. -----Therapie 473. — Verletzungen 572. — Wundstar 467, 572. — — Prognose 577. ----Therapie 577. — Zentralstar 454. — Zuckerstar 464. Linsen 85. — bikonkave 86. — bikonvexe 86. — konkave 85. — Benennung 85. — Erkennung 85. Linsendislokation 589. Linsenepithel 445. Linsenfasern 445. Linsenfiäche, hintere 87. — vordere 87. Linsenhyperopie 100. Linsenkapsel 445. — Eröffnung 477, 479. Linsenkern 445. Linsenkolobom 211. Linsenmassen, Entfernung 277. Linsenmyopie, zentrale 45, 469. — Ursachen 105. Linsenpol, hinterer 444. — vorderer 444. Linsenrand 445. Linsenschlottern 95. Linsen3klerose, diabetische 94. Linsenstern 446. Linsentrübung durch Kälte 466. Lipodermoid 218, 220, 338. Lipom der Lider 238. — subkonjunktivales 338. Lues cerebri 641. Lupeneinstellung 49. Lupenspiegel 345. Lupenspiegeluntersuchung 45. Lupus der Lider 235, 632. — des Tränennasenkanals 632. Luxatio lentis 588. Lymphangiom der Lider 237. — der Orbita 622. Lymphom der Bindehaut 337. - der Lider 238. — der Orbita 622. — der Tränendrüse 273. Lymphosarkom der Orbita 622. 31. Makropsie 126. Makula lutea 64, 515. Makula, Aussparung der 139. Makulakolobom 78, 213. Makula, Lochbildung 591. — Verbrennung 599. Makulargefässe 60. Malaria und Iritis 631. Malleus der Lider 235. Masernkonjunktivitis 631. Massagestar 466. Megalokornea 216, 346. Megalophthalmus 216, 346. Melanosarkom der Aderhaut 734. Melanosis 221. Melanosis sclerae 441. Membrana Bowmanni 342. - Descemeti 343. — pupill. persistens 214. Meningitis und Augenkrankheiten 643. — und Neuritis opt. 632. — und Augenmuskellähmungen 632. Meningocele der Orbita 220. Menstruationsstörungen u. Augenkrank- heiten 650. Metamorphopsie 536. Meterlinse 85. Mikroblepharie 219. Mikrokornea 346. Mikrophthalmus 216. Mikrophthalmus congenitus 620. Mikropsie 95, 126. Milzbrand der Lider 234. Miosis b. Irisatrophie 40. — b. Paralyse 40. — b. Tabes 40. — b. Verwachsungen 40. Miotica 18. — Eserin 18. — Pilokarpin 18. Mißbildungen des Auges 209. -----Ätiologie 209. -----Aniridie 213. — — Anophthalmus congenitus 217. — — mit Unterhdzyste 217. — — Aplasia nerv. opt. 215. — — Art. hyaloid. persist. 214. -----Cyklopie 218. — — Embryotoxon 215. — — Hornhauttrübungen, angebor. 215. — — Irideremia 213. -----Irismangel, angeborener 213. -----Kolobom 210. -----Korektopie 214. — — Leukom 215. -----Maculae 215. — — Megalokornea 216. — — Megalophthalmus 216. — — Membran, pup. persist. 214. — Mikrophthalmus 216. — — Nervenfasern, markhaltige 215. -----Polykorie 213. -----Totalstaphylom 216. Mißbildungen der Lider 218. — — Distichiasis 219. -----Ektropium 219. — — Entropium 219. -----Epicanthus 219. — — Hornhauttrübungen 218. — Kolobom 218. — — Korektopie 218. — — Kryptophthalmus 218. -----Mikroblepharie 219. — — Symblepharon 219. Molluscum contagiosum 235. 42* 670 Register. Monochromaten 146. Monoculus 10. Morbus maculosus u. Augenkrankheiten 647. Morphiumvergiftung und Augenkrank- heiten 651. Mörtelverletzungen 596. Motilitätsstörungen 161. Mouches volantes 437. Mücken, fliegende 131. Mukocelen der Siebbeinzellen 618. — der Stirnhöhle 618. Mumps der Tränendrüse 273. Muse, levator palpebr. 22, 166. — obliq. sup. ocul. 168. -----inf. ocul. 168. — orbicul. 224. - Krampf 242. — rect. med. ocul. 167. -----sup. ocul. 167. — — inf. ocul. 168. — palpebral. 224. — subtarsal. 224. — rectus lateralis oculi 166. — obliqui oculi 166. Muskel, Brückescher 395. — Hornerscher 216. — Müllerscher 395. Muskelgleichgewicht 172. Mydriasis traumat. 40, 42. — b. Glaukom 40. — Kontusion 40. — der Dilatatorreizung 41. — bei Epilepsie 41. — bei Migräne 41. — der Sphinkter]ähmung 41. — bei Trigeminusneuralgie 41. Mydriatika 16. — Atropin 16. — Kokain 16. — Homatropin 16. — Skopolamin 18. Myelinschollen, Morgagnische 451. Myopenfamilien 108. Myopie 48, 89, 104. — Achsenmyopie 105. — Anatomie 105. — Brechungsmyopie 104. — Diagnose 108. — Fernpunktsbestimmung 109. — Glasmyopie 111. — — korrigierende 113. — — operative 115. — — Prognose 112. -----Therapie 113. — Grade der 108. — korneale 104. — lentale 105. — Netzhautablösung 107. — suggerierte 97. — Ursachen 107. — wahre 111. Myxödem und Augenkrankheiten Mvxosarkom d. N. opticus 624. — der Orbita 623. N. Nachbild versuch 155. Nach star 482. — Diszission 476. Nachtblindheit 151. Naevus der Bindehaut 338. — pigmentosus der Lider 238. — vasculosus 237. Nahepunkt 82. Napfkucheniris 493. Naphthalinstar 466. Narbenektropium 249. Narbenentropium 246. Narbenkeratitis, sequestrierende 386. Natr. biborac. 18. Nebelsehen 125. Nebenhöhlenerkrankungen und Augen- krankheiten 645. Nekrose der Lider bei Anthrax 632. Nervenbahn, motorische 170. Nervenfasern, markhaltige der Netz- haut 67. Nerven, motorische 170. N. abducens 172. N. oculomotorius 171. Nervus opticus, Anatomie 543. — — Chiasma nerv, optic. 545. ----Gefäße 545. — — Gefaßring 544. — -- pars intrabulbar. 545. — — — intracanalicularis 545. — — — intracran. 545. — — — intraorbital. 545. — — Raum, intervaginaler 544. -----Scheiden 543. — — Sehnervenwurzeln 545. — — Tractus optic. 545. — Endotheliom 624. — Geschwülste, Symptome 623. — Gliom 624. — Kommissuren 547. — Myxosarkom 624. — Neurofibromatose 624. — Semidecussatio 547. — Sarkom 624, 627. — s. a. Sehnerv. Nerv, trochlearis 171. Netzhaut s. Retina 73 f., 512. Netzhautablösung 74, 534. — Ätiologie 536. — Diagnose 534. — Prognose 537. — Sehstörung 535. — Therapie 537. — b. Myopie 107. Netzhaut-Aderhautkolobom 211. Netzhautblutungen 516. — Ätiologie 517. — Formen 517. — Therapie 518. Netzhautgefäße 62. Netzhautstränge 76. Netzhautveränderung bei Sepsis 529. Netzhäute, Korrespondenz 161. | Neurasthenie und Augenkrankheiten 644. Register. 671 Neuritis nasal, myop. 107. Neuritis nerv, optic. peripherica 551. — — Ätiologie 553. — — Allgemeines 551. — — ascendens 551, 552. — — Behandlung 554. — — Dauer 553. — — descendens 551, 552. — — Hyperämie 552. — — infectiosa 553. -----Schwellung 553. — — Symptome 553. — — toxica 554. ----- Trübung 552. Neuritis optica 2, 68. — b. Diphtherie 631, 632. — b. Meningitis 632. — b. Pyämie 632. — b. Rheumatismus 632. — b. Scarlatina 632. — b. Sepsis 632. — b. Typhus recurrens 632. — b. Variola 632. Neuritis optici dupl. 641. — retrobulbäre, 68, 551. Neuritis retrobulbaris 559. — akute 560, 562. -----Ätiologie 561. — — Prognose 562. -----Symptome 560. -----Therapie 562. — chronica 562. -----Ätiologie 563. ----Therapie 5o3. _____Verlauf 562. Neurofibrom der Sehnerven 568. — myxomatöse Degeneration des 568. Neurofibroma plexiforme der Lider 238. Neurofibromatose des N. opticus 623. — primäre 623. — sekundäre 624. — Therapie 624. Neurom, plexiformes der Orbita 622. Neuroretinitis 70, 526, 553, 554. Neurose, traumatische 644. Neurotomia occipito-ciliaris 604. Nickhaut 274. Nierenkrankheiten und Augenerkran- kungen 635. Nikotinintoxikation und Augenkrank- heiten 651. . Niveaudifferenzen, Bestimmung 58. Normalsichtigkeit 48, 87. S. a: Emme- tropie. Nyktalopie 151. Nystagmus 201. - angeborener 201. — der Bergwerksarbeiter M£. — optischer 201. — undulierender 202. — Ursachen 201. O. Objektweite 82. Occlusio pupillae 401, 601. Ödem der Lider 225. — angioneurotisches 226. — entzündliches 225. - Stauungs- 226. - syphilitisches 226. Ohrerkrankungen und Augenkrankheiten 645. Okulomotoriuslähmung, gekreuzte 171. — postdiphtherische 632. Okulomotoriusparese bei Gehirnkrank- heiten 647. Ophthalmia militaris 293, 309. — nodosa 278. Ophthalmomalacie 31, 511. Ophthalmometer 34. — Brechungsdifferenz 35. — Kontaktstellung 35. — Prinzip 34. — von Helmholtz 34. — von Javal 34. Ophthalmometrie 32. Ophthalmoplegia exterior 185. — inferior 185. — interna 42, 95. Ophthalmoparesis interna 3, 95. — — einseitige 96. — — doppelseitige 96. -----Therapie 96. — — Ursachen 95. Optik, physiologische 81. Optikusatrophie, tabische 13o, 564. Optikusganglien, primäre 548. — sekundäre 548. S. a. N. opticus und Neuritis optica. Optometer 55, 123. Ora serrata 515. Orbicul. ciliaris 395. Orbita, Aderhautsarkom 623. — Anatomie 610. — Angiom, kavernöses 622. — Chlorom 623. — Cysticerkus 622- — Dermoidzysten 220, 619. — Echinokokkus 620. — Encephalocele 220, 620. — Endotheliom 623. — Enophthalmus 613. — Erkrankungen: — — Ätiologie, allgemeine 612. — — Diagnose, allgemeine 612. _ _ Symptomatologie, allgemeine 612. — Exophthalmus 612. — Exostosen 625. — Fibrosarkom 623. — Fraktur 593. — Gefäßgeschwülste 622. — Geschwülste 619. — Gliom 623. — Karzinom 622. — Kontusionen 593. — Lageveränderung 612. — Lagophthalmus 612. — Lymphangiom 622. — Lymphom 622. — Lymphosarkom 622. — Meningocele 220. 672 Register. Orbita, Myxosarkom 623. — Neurom, plexiformes 622. — Osteosen 625. — — Diagnose 626. — — Prognose 626. — — Therapie 626. - Ostitis 615. — Phlegmone 616. — Sarkom 623. — Stichwunden 578. — Teratom 220. — Thrombophlebitis 618. — Thrombose der Venen 618. — Varicen 619. — Zysten 619. Orthophorie 146, 172. Osmiumsäure 652. Osteom der Orbita 624. Osteosarkom des Schläfenbeins 627. Ostitis der Orbita 615. — tuberculosa 615. — Symptome 615. — Therapie 615. P. Palpebra tertia 274. Pannus crassus 312, 365. - degenerativ. 368, 385. — eczematos. 363. — epaulettenförmiger 378. — reparativ. 366. — tenuis 366. — trachomatosus 311, 365. — typischer 313. Panophthalmitis 574. Panophthalmie bei Diphtherie 631. Papille, Cholestearin in der 69. — Drusenbildung 68. — Farbe 67. — Flächenausdehnung der 65. - Ödem, der 68. — Pigment in der 69. Papillengewebe, Anomalien 67. Papillenarterie, obere 60. — untere 60. Papillendiameter 64. Papillendurchmesser 58. Papillom der Augenlider 238. Papillome der Bindehaut 337. Papilloma corneae 386. Papillomatose 337. Papillomakularbündel 60. Papillo-Retinitis 600. — sympathica 602. Parallaxe 67. Parallelstrahl 82. Parallelversuch 128. Paracentese der Kornea 359. Paresis musc. rect. lateral, sin. 179. --------med. dext. 180. — nerv, oculomotor. sin. 185. — — trochlear. 181. — obliq. inf. dext. 184. — — sup. dext. 180. — rect. inf. sin. 185. -----sup. sin. 184. Parotitis und Dakryoadenitis 634. Pediculosis capitis 3. Pemphigus der Konjunktiva 313. — der Lider 227. Periadenitis 233. Peridektomie 322. Perifollikulitis 231. Perimeterobjekte 128. Perimetrie 81, 124. — binokulare 130. Perineuritis nerv. opt. 552. Periostitis der Orbita 615. Peritomie 322. Perivaskulitis 520. Perlzysten 577. Pertussis und Bindehautblutungen 633. Pflastersteinwucherungen der Konjunk- tiva 328. Phlegmone orbitae 616. — Therapie 617. Phlyktäne 303, 304. — breite 303. — sandkornförmige 303. Photometer, Förstersches 148. Photopsie 536. Photoptometer 148. Phthise, essentielle des Auges 511. Phthisis anterior 32. — bulbi 31, 511, 572. — dolorosa 602. Pigmentatrophie der Retina 72. — diffuse 77. — herdförmige 77. — bei Chorioiditis 77. — bei Degeneration, seniler 79. — bei Glasdrusen der Lamin. vitr. cho- rioid. 79. — bei Glaukom 77. — bei Miliartuberkel 78. — bei Retinitis pigmentosa 77. — bei Syphilis 19. Pigmentdegeneration der Retina 530. Pigmentepithel, Atrophie 76. — Hypertrophie 77. — Supraposition des 62, 65. — Ursprung 206. Pigmentflecke der Retina 76. Pigmentring 61. Pigmentzellen der Uvea 388. Pilokarpin 18. Pinguecula 276, 332. Pityriasis rubr. der Lider 227. Plica semilunaris 274. Plumbum aceticum 18. Pneumonie und Herpes der Lider 633. Polarkatarakt 39. Polstar 452. Polykorie 213. Polyopie 447. Polypen der Bindehaut 337. Präaurikulardrüse 29. Präzipitate der Iris 400. — des Kammerwassers 38, 39. Presbyopie 91, 93. - — verspätete b. Diabetes 94. — vorzeitige b. Diabetes 94. Register. 673 Projektion, defekte 128. — fehlerhafte 128. — gute 128. Protanopen 146. Protanopsie 143. Protargol 19. Protrusion 189. Pseudogliom der Retina 591. Pseudoleukämie und Augenkrankheiten 647. Pseudoneuritis 67. Pseudopterygium 333, 336. Psoriasis der Lider 227. Pterygium 335. — Ätiologie 335. — Anatomie, pathol. 336. — Prognose 336. — Therapie 336. Ptosis der Lider 242. — acquisita 243. — congenita 243. — muscularis 243. — Pseudoptosis paralytica 243. — sympathica 243. — spastica 243. — Prognose 244. — Therapie 244. Ptosis, inkomplete 40. Ptosisoperationen 244. Puerperium und Augenkrankheiten 650. Pulsation, lokomotorische 70. Pulvereinstäubungen 20. ----Technik 20. — Airol 20. — Calomel 20. - Dionin 20. — Jodoform 20. — Kollargol 20. — Xeroform 20. Punkt horopter 162. Punctio sclerae 537. Pupillarmembran, Überbleibsel 397. Pupillarreaktionsprüfung, Technik 43. Pupille 40, 396. — Anisokorie 40. — Erweiterung, reflektorische 44. — Form 40. — — ausgeeckte 417. -----Elfenblattform bei Akkommoda- tionslähmung 95. — — entrundete 417. — — gezackte 416. — — gezerrte 415. — — verzogene 415. — Konvergenzreaktion 42. — Lidschlußreaktion 41. - Lichtreaktion 43. — Pupillenstarre, reflektorische 42. — Pupillometer 44. — Reaktion, hemianopische 43. — indirekte.-41. — — konsensuelle 41. — — paradoxe 43. — Starre, der 42. ■----Ursachen 42. -----amaurotische 42. Pupille, Weite 40. Pupillenlicht, wanderndes, gleichnamiges 50. — ungleichnamiges 51. Pupillenschwarte 402. Pupillenstarre, reflektorische 42. — hemianopische 140. Pupillometer 44. Purkinje-Sansonsche Bildchen 45. Purpura 647. Pyämie und Cyklitis 632. — und Neuritis optica 632. Pyramidalstar 452. Q. Quadrantenhemianopsie 129, 139, 551. Quecksilberpräparate 4. Querdisparation der Netzhautbilder 162. Quetschungen des Auges 587. - des Bulbus 590. — der Retina 591. S. a. Kontusionen 587. K. Rachitis und Augenkrankheiten 646. Radiärfaserkugel, Müllersclier 76. Randektasie der Kornea 386. ----Therapie 386. Randfurchengeschwür, indolentes 386. Randkeratitis 304. Randkolobom 65, 178. Randphlyktäne 306. Rankenneurom der Lider 238. Raum, intervaginaler d. Sehnerv. 544. Reaktion, hemianopische 43. — paradoxe 43. Reclinatio lentis 473. Reflexbild des Auges 88. — der Kornea 88. — der hinteren Linsenfläche 88. — der vorderen Linsenfläche 88. Reflexbogen, Weißscher 64. Reflexion, totale 83. Reflexionsgesetz 81. Refraktion 81. Refraktionsbestimmung, objektive48, 50. — Vorbemerkungen, optische 48. Refraktion, Bestimmung mit Augen- spiegeL50. Refraktionsgesetz 83. Regel, physiologische bei regulärem Astigmatismus 120. Regenbogenhaut s. Iris 391. Regenerationsspieße der Kornea 348. Reifung, künstliche 475. Reihen, pseudoisochromatische 146. Reiterchen 455. Reizung, sympathische 606. Resektion, temporäre der Orbitalwand 625. Resectio optico-ciliaris 604. Retentionstheorie des Glaukoms 505. Retina, Ablösung 534. — Anatomie, normale 512. 074 Register. Retina, Arterienpuls 514. — Atrophie 530, 533. — Atrophia ex retinitide 76. — — ex neuro-retinitide 76. — Bindegewebsbildungen 75. — Blutungen 516. - Cholestearinkristalle 76. — Commotio 523. — Degeneration, ganglioforme 75. -----fettige 75. — Entzündungen 578. — Entzündungsherde 75. — markhaltige Fasern 215, — Fettinfiltration 75. — Fovea centralis 515. — Funktion 515. — Gefäße 514. - Gliom 538. — Hämorrhagien 75. — Herde 522. — — zirkumskripte 75. — Hyperämien 519. — Hypertrophie, variköse 75. — Kapillarpuls 514, 515. — Macula lutea 515. — Massen, fibrinöse 75. — — hyaline 75. — Netzhautstränge 76. — Netzhauttrübungen 522. — Ödem 523. — Pigmentdegeneration 530. — Pigmentflecke 76. — Pseudogliom 541. — Pulsationen, sichtbare 514. — Quetschungen 591. — Stützsubstanz 514. — Trübung, diffuse 74. — Ursprung 206. — Venenpuls 514. — Veränderungen 73. Retinalblutungen bei — Arteriosklerose 633. — Endokarditis 633. — Myokarditis 632. Retinitis 516. — allgemeine Ätiologie 524. — Anatomie, pathologische 523. — Sehstörung 524. — Therapie 524. — Verlauf 524. — albuminurica 73, 522, 526. — — Ätiologie 526. -----Prognose 527. -----Therapie 527. — — gravidarum 528. —-----Prognose 528. — circinata 76. — diabetica 73, 528. — bei Scharlachnephritis 527. — diffusa 79. — e lue hereditaria 533. — luetica 525. — metastatica 525. — nephritica 73. — pigmentosa 77, 530. -----Anatomie, pathologische 533. Retinitis pigmentosa, Symptome 531, -----Therapie 533. — proliferans 75, 518. — septica 73. — septisch-toxische 529. — — bei Anämien 73, 528. — -- bei Arteriosklerose 73. — — bei Blendung 529. — — bei Karzinomatose 529. — — bei Leukämie 73, 529. — — bei Nephritis 73. — — bei Oxalurie 528. — — bei Sepsis 73. -----bei Skorbut 529. -----bei Syphilis 73. — — bei Wurmanämie 73. Rheumatismus und Iritis 631. Rhinosklerom der Lider 235. Richtungslinie 89. Ring, Landolts 90. Ringabszeß der Hornhaut 375. Ringkeratoskop 33. Ringskotom 129, 526, 531. Rotblindheit, angeborene 143. Rot-grünblindheit 145. — Bedeutung 145. — Diagnose 145. — Häufigkeit 145. — Therapie 146. Rotz der Lider 235. Rücklagerung der Augenmuskeln 198. Ruhelage, normale des Auges 172. Ruptur, subkonjunktivale 592. S. Salizylpräparate 2, 4. Salztrübung der Linse 466. Sammelbilder 154. Santonin 651. Santoninvergiftung und Augenkrank- heiten 651. Sarkom der Aderhaut 434. — der Bindehaut 339. — der Hornhaut 387. — der Lider 238. — des N. opticus 624. - der Orbita 623. — des Siebbeins 626. — der Tränendrüse 273. Scarlatina und Neuritis optica 632. Schädelmißbildungen und Augenkrank- heiten 635. Scharlachnephritis und Retinitis 527. Schattenprobe 37, 50. — s. a. Skiaskopie. Schattensehen 125. Scheibe. Massonsche 148. — Recoßsche 59. Scheinkatarakt 469. Scheinmyopie 103. Schichtstar 454. — Ätiologie 456. - Histologie 456. — Vererbung 456. — durch Rachitis 456. Register. 675 Schichtstar durch Tetanie 456. Schielablenkung 173. — primäre 175. — sekundäre 175. Schielamblyopie 155. Schielen, divergierendes 194, 200. — Höhen- 195. — konkomittierendes 192. — konvergierendes 193. -----Ursachen 193. — latentes 190. — manifestes 190. — scheinbares 173. — Differentialdiagnose gegenüber Läh- mungsschielen 195. - Therapie 192. — s. a. Strabismus. Schielwinke], Messung 173. — primärer 174. — sekundärer 174. Schläfenbein, Osteosarkom 627. Schlagschatten 460. Schmerzen bei Augenerkranküngen 22. Schneeblindheit 599. Schnittwunden des Auges 569. Schrumpfungstheorie bei Ablatio retinae 537. Schulfollikel 287. Schutzbrillen 13. Schwachsichtigkeit, doppelseitige 158. — einseitige 158. — Diagnose 159. Schwarz-vor-den-Augen 126. Schwarzweiß-Sinnstörungen 143. Schwefelkohlenstoffvergiftung u. Augen- krankheiten 651. Schwellungskatarrh, akuter 282. — phlyktänulärer 304. - skrofulöser 304, 307. Scopolamin 16. Seborrhoe der Lider 226, 230. Seclusio pupillae 402, 601. Seelenblindheit 548. Sehakt, binokularer 81. Sehbahn, Verlauf der 546. Sehen, binokulares 151. — Physiologie 151. — Störungen 155. — Therapie 156. — Untersuchung 154. — Ursachen 155. — qualitatives 127. Sehgrube 203. Sehnerv, Abblassung, temporale 559. — Anatomie, normale 543. — Atrophie, neuritische 551. -----progressive 551. — — temporale 551. — Bündel, papillo-makuläres 559. — — Lage des 559. — Degeneration 551, 561, 563. — Druckatrophie 567. — Einpflanzung, schräge 65. — Entzündungen 551. — Exkavation 551. — Geschwülste 568. Sehnerv, Hydrops vaginae 552. — Stauungspapille 551, 557. — Ursprung 206. Sehnervenatrophie, absteigende 69. — Druck- 567. — einfache 563. — glaukomatöse 66. — idiopathische 565. — primäre 551, 563. — progressive 69, 563. — tabische 551, 563. — Diagnose 565. — Prognose 566. — Symptome 564. — Therapie 566. — nach Gehirnverletzung 567. — nach Kopfkontusionen 567. — nach Schädelfrakturen 567. — nach Verletzungen 566. Sehnerveneintritt 60. — Anomalien 64. Sehnervenkolobom 211. Sehnervenpapille 60. — Querschnitt 60. — Kopf 60. — Entzündung 68. Sehnervenscheiden-Kolobom 65. Sehnervenwurzeln 545. Sehpurpur 149. Sehrichtung, identische 162. — Haupt- 162. Sehschärfe 81, 89. Sehschärfe, Bestimmung mit Buch- staben 90. — mit Doppelobjektmethode 90. — mit Haken 90. — mit Ringen 90. — mit Zahlen 90. — nach Snellen 90. — b. Analpheten 90. — b. Kindern 90. Sehschwäche 125. Sehstörungen 125. Sehstörung b. Retinitis 524. — b. Ablatio retinae 535. Sehstörungen, Lokalisation 548. — i. d. Dämmerung 126. Sehstrahlung, Gratioletscbe 548. Sehwinkel 89. — kleinster 89. Sehzentrum 548. Sekretionstheorie bei Ablatio retinae 537. Sekretuntersuchung bei Konjunktivitis 281. Sekundärglaukom 498, 589. — Ätiologie 498. Semidecussatio nerv, optic. 547. Selbstkorrektion b. Hyperopie 50. Sepsis und Neuritis optica 682. Cyklitis 632. Serumtherapie 3. Sideroskop 581. Siderosis bulbi 581. Siebbein 610. — Sarkom 626. 676 Register. Simulation 81, 156. — Differentialdiagnose 156. — v. einseitiger Blindheit 152. — v. doppelseitiger Blindheit 152. — v. doppelseitiger Schwachsichtigkeit 152. — v. einseitiger Schwachsichtigkeit 152. Simultankontrast 85. Sinus frontal., Osteom 626. Sinusthrombose und Augenmuskelläh- mungen 632. Skala, skiaskopische 52. Skiaskop 52. Skiaskopie 37, 50. — mit Konkavspiegel 51. — mit Planspiegel 50. Sklera, Anatomie 434. - Ektasien 442. — Episkleritis 440. — Melanosis 441. — Skleritis 440. — Staphylom 441. Skleralband 342. Skleralring 61. Skleralrinne 440. Skleralruptur 591. Skleralsporn 502. Skleralwulst 440. Sklerektasie 442. Skleritis 2, 440. — Ätiologie 441. — Diagnose 442. — Symptome 440. — Therapie 441. Skerose, multiple und Augenkrank- heiten 638. Sklerosierung der Linse 447. Sklerotikal-Gefäßring 544. Sklerotikonyxis 473. Sklerotomie 506, 509. Skorbut und Augenkrankheiten 647. Skotom, absolutes 13. — doppelseitiges 132. — einseitiges 132. — exzentrisches 135. — Flimmer- 130. — homonymes 140. — inselförmiges 140. — negatives 130. — objektives 130. — peripheres 135. — positives 130, 512. — relatives 130. — ringförmiges 133. — — beiderseitiges 133. -----einseitiges 134. — sektor enförmiges 134. — subjektives 130. — zentrales 131, 551. Skotome,, konzentrische 564. — sektorenförmige bei Sehnerven- atrophie 564. — durch Anilin 652. — durch Arsen 652. -----Benzin 652. — — Haschisch 652. Skotome durch Jodoform 652. -----Thyreoidin 652. — Prognose 133. — Symptome 130. — Therapie 133. Skrofulöse und Augenerkrankungen 632. Sondenpalpation des Bulbus 48. Spätglaukom 499. Spaltbildungen 210. Spannungsmyopie 98, 105. Sphärizität 117. Sphinkter iridis, Krämpfe bei Ophthal- moplegie 41. — Kontraktionen bei Bulbusbewegungen 41. Sphinkterriß 588. Spiegel, Erkennung der 82. Spiegelgesetz 81. Spindelstar 452, 454. Stäbchenversuch 154. Stammerkrankung, periphere 42. Staphyloma corneae, partiale 353 — — totale 353. — äquatoriale 444. — interkalare 443. — postic. 65. — verum 105. ---Operation 359. Star, grauer 447. — s. a. Cataracta. Starformen, experimentelle 465. — Naphthalinstar 465. — Blitzstar 466. — Massagestar 466. — Linsentrübung durch Kälte 466. — Salztrübung der Linse 466. Staroperationen: Extraktion in geschlos- sener Kapsel 481. — Komplikationen bei der Nachbehand- lung 481. - Resultate 481. Starre, amaurotische 46, 578. Starstechen 413. Stauungspapille 48, 551, 554, 555. — Bild, ophthalmoskopisches 555. — Symptome 555. — Theorien 557. -----Gräfes 557. — — Sesemanns 557. — — Manz-Rimplers 551. — — Lebersche 552. — Therapie 558. — bei Hirnabszeß 558. — bei Hirnlues 558. — bei Hydrocephalus 558. — bei Meningitis 558. — bei Ohrenerkrankungen 558. — bei Tumor cerebri 557. — Hydrops vagin. nerv, optic. 557. — doppelseitige, bei Gehirnkrankheiten 641. Stereoskop 154. Stichwunden des Auges 569. Stovain 6. Strabismus 190, 192. j — alternans 155. Register. 677 Strabismus, concomitans 192. — convergens 193. — deorsum vergens 195. — divergens 194. — sursum vergens 195. — — s. auch Schielen. Strahl, ungebrochener 82, 83. Strahlenkörper s. Corpus ciliare 395. Strikturen im Tränennasengang 268. — Therapie 259. Subluxatio lentis 95, 588. Substantia propria corneae 342. Suprachorioidea 421. Supraposition des Pigmentepithels 62, 65. Suprarenin 6. Symblepharon 219, 241, 596. Sympathikuslähmung 637. Sympathikuslähmungsmiosis 40. Symptom, Stellwagsches 627. — Gräfes 26, 628. - Molins 628. — Therapie 628. Synchisis scintillans 47, 438. Synechie, hintere 40, 351, 403. — ringförmige 402. — vordere 39. Syphilis der Kornea 383. — der Lider 235. — und Augenkrankheiten 648. Syringomyelie und Augenkrankheiten 638. T. Tabes und Augenerkrankungen 637. — Augenmuskellähmungen 637. — Optikusatrophie 637. — Pupillenstarre, reflektorische 637. Täfelung der Aderhaut 79. Tafeln, pseudoisochromatische 146. Tangentenskala nach Maddox 174. Tannin 18. Tarsalmuskel, Müllerscher 216. Tarsitis syphilitica 236. Tarsorhaphie 242. Tastversuch, Gräfes 177. Teleangiektasien der Lider 237. Tenotomie des Augenmuskels 198. Tension 31. Teratom der Hornhaut 387. — der Orbita 220. Tetanie und Augenkrankheiten 644. Therapie, Allgemeines 1. Thermophore 8. Thrombophlebitis 618. — Diagnose 618. — Prognose 618. — Symptom 618. Thrombose der Orbitalvenen 618. -----Zentralarterie 74. Typhus und Neuritis optic. 632. — Iritis 631. Tic convulsiv 644. Tieferstand, latenter' 190. Tonometer 31. Tortuositas vasorum 62. Totalrefraktometer 83. Totalstaphylom 216. Totalstar 455. Trabeculum corneo-sclerale 440. Trachom 309. — grobkörniges 311. — narbiges 311. — papilläres 311. — sulziges 311. Tractus opticus 545. Traktushemianopsie 140. Transfixion der Linse 506. Tränenbein 610. Tränendrüse 254. — Ursprung 208. Tränenfistel 271. Tränennasengang 208, 610. — Anatomie 254. — s. a. Tränenorgane. Tränenorgane 611. — Anatomie 254. — Anomalien, angeborene: — — Atresie der Tränenpunkte 220. — — Fehlen der Tränen punkte 220. — — überzählige 221. — Mangel des Tränensackes 221. — — Tränensackfisteln 221. — — Tränensackblennorrhoe 221. — Erkrankungen 256. -----Adenom 273. — — Adenosarkom 273. — — Dakryoadenitis 272. — — Dakryocystitis 259. — — Dacryocystitis catarrhal. 259. — — — phlegmonös. 268. — — Epiphora 256. — — Eversion der Tränenpunkte 257. -----Haarfistel 272. — — Illacrymatio 256. — — Konkremente 258. — — Lymphom 273. -----Sarkom 273. — — Strikturen 258. -----Tränenfistel 271. — — Tränensackkatarrh 268. -----Tuberkulose 273. -----Tumoren 273. — — Zylindrom 273. — Physiologie 254. Tränen punkte, Anatomie 254. — Atresie 220. — Eversion 257. — Therapie 258. — Fehlen 220. — überzählige 220. — s. a. Tränenorgane. Tränenröhrchen, Anatomie 254. — s a. Tränenorgane. Tränensack, Anatomie 254. — Entzündung 259. — Exstirpation 262. — Mangel 221. — Prognose 262. — Therapie 262. — s. a. Tränenorgane. Tränensackabszeß 268. 678 Register. Tränensackblennorrhoe 221. Tränensackfisteln 221. Tränensackkatarrh, angeborener 268. Tränenschlauch 255. Tränenträufeln 256. — s. a. Epiphora. Trichiasis 245. — Ätiologie 246. — Anatomie 245. Trichiasisoperationen 248. Trichromasie 146. — anomale 147. Tripperiritis 408. Tritanopen 146. Tritanopsie 143. Trübungen i. d. Retina 522. Trübung, diffuse d. Retina 74. Tuberkulin 4. Tuberkulose u. Augenerkrankungen 632. — d. Aderhaut 633. — d. Bindehaut 329. — d. Bulbus 632. — d. Corpus ciliare 633. — d. Felsenbeins 633. — d. Iris 632. — d. Konjunktiva 632. — d. Kornea 383, 632. — d. Lider 235, 632. — d. Orbitalwände 632. — d. Sklera 633. — d. Sehnerven 568. — d. Tränendrüse 273. — d. Tränenorgane 632. — d. Gehirns 641. Tumor cerebelli 691. — cerebri 691. — vasculosus 237. IT. Übergangsfalte 274. Übersichtigkeit 48, 99. S. a. Hyper- metropie und Hyperopie. Uhrglasschutzverband 11. Ulc. corneae simpl. 352. -----Ätiologie 354. — eczematos. 354. — mycotic. 354. — rodens 369. - serpens 362, 369. Ulcus molle der Lider 235. — — und Augenkrankheiten 650. Ulcus serpens 587. — — corneae 369. -----Ätiologie 372. — — Differentialdiagnose 372. — — Prognose 373. ----Therapie 373. - Verlauf 372. Ulcus tuberculos. conjunct. 329. Umschläge 7. Unfallentschädigungen 606. Unterhdzyste 217. Untersuchung der Adnexe 25. — des Auges 21. — des Bulbus 30. Urticaria der Lider 227. Uvea, Allgemeines 388. — Bau 388. — Gefäßverteilung 389. — s. Aderhaut 421. Uveitis 427, 430. — fibrinosa 572, 600. — serosa 601. V. Vaccinola d. Lider 226. — Diagnose 227. — Therapie 227. Varicen d. Lider 237. Variola und Neuritis optic. 632. Vena central, retinae, Thrombose 522. Vena orbital, inf. 611. — — sup. 611. Venae ciliar, antic. 390. — vorticosae 390. Venen d. Orbita, Thrombose 618. — zilio-retinale 62. Venenplexus, Schlemmscher 485. Venenpuls, spontaner 71. — d. Papille 70. — d. Retina 519. Verätzungen d. Auges 595. Verbindungszone, epithelial-gliöse 425. Verbrennungen d. Auges 595. Verfärbung, siderotische 582. Verdunkelungen d. Gesichtsfeldes 126. Vergrösserung d. blinden Flecks 136, Verlagerungen d. Linse, Therapie 413. Verletzungen d. Auges 569. — perforierende 1, 570. Vorlagerungen d. Augenmuskeln 199. Verrostung des Auges 581. Verschiebung, entgegengesetzte 86. — parallaktische 58, 83. — perspektivische 58. — prismatische 86. Verschiebungstypus, Försterscher 162. — Scheinerscher 123. Vertikalschielen 201. Verwechselungsproben 159. Verzerrtsehen 126. Violettblindheit 146. Vorderkammerblutung 591. Vorderkammer, Punktion 374. W. Wahlproben, Holmgreensche 145. Wanderphlyktäne 362. Warzen der Lider 237. Wasserkammerbrillen 118. Weitsichtigkeit 48, 93, s. a. Hyperopie. Wölbungsdifferenz, normale 36. Wollproben, Holmgreensche 145. Wundbehandlung 9. Wundstar 9. X. Xantelasma der Lider 238. Xanthopsie 143, 635. — s. a. Santoninvergiftung. Xerophthalmus 313. Xerosebazillen 334. Xerosis conjunctiv. 333. — Symptome 333. — Therapie 334. Xerosis conjunctiv. bei Darmkatarrl Xerosis corneae 386. Z. Zentralarterie 60. — Embolie 74. — Thrombose 74. Register. 679 Zentral gefäße 60. Zentralstar 454. Zentralvene 60. Ziliarfortsätze 396, 486. Ziliargefäße 389. Ziliarkörperkolobom 211. Züiarstaphylom 443. Zinc. sulf. 18. Zonula ciliaris 445. *n, — Zinnii 445. )ö*' Zuckerstar 464. Zuckungen, nystagmische 202. Zyklitis 401. Zylindergläser 123. Zylindrom der Tränendrüse 273. Zysten der Bindehaut 337. — der Iris 418. — der Orbita 614. * * Preis: broschiert 14 Mark, gebunden 15 Mark. LEHRBUCH DER AUGENHEILKUNDE BEARBEITET VON Prof. AXENFELD, Freiburg i. Br.; Prof. BACH, Marburg a. L.; Prof. BIELSCHOWSKY, Leipzig; Prof. ELSCHNIG, Prag; Prof. GREEFF, Berlin; Prof. HEINE, Kiel; Prof. v. HIPPEL, Heidelberg; Prof. KRUECK- MANN, Königsberg i. Pr.; Prof. PETERS, Rostock; Prof. SCHIRMER, Strassburg i. E. HERAUSGEGEBEN VON Dr. THEODOR AXENFELD, PROFESSOR DER AUGENHEILKUNDE in Freiburg i. Br. MIT 10 FARBENTAFELN UND 455 ZUM GROSSEN TEIL MEHRFARBIGEN ABBILDUNGEN IM TEXT. LIBRARY*, SURGEON GENERALE OFFICE MAR 2 61909 VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. 1909. VERLAG VON GUSTAV FISCHER IN JENA. Die Bakterioloflie in der flu9enbeilkunde. I™P^~™tnÖ in Freiburg i. Br. Mit 87 zum Teil farbigen Abbildungen im Text, 3 farbigen Tafeln und einer Tabelle. 1907. Preis: 12 Mark, geb. 13 Mark. flugenärztlicbe und bygieniscbe Scbuluntersucbungen. v^eefr' aRioh" Prof. der Augenheilkunde an der Universität und Direktor der Augenklinik in der Kgl. Charite" zu Berlin. Angestellt und bearbeitet im Auftrage des Kgl. preuß. Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. (Abdr. aus dem „Klin. Jahrb.", Bd. XIII. 1904.) Preis: 3 Mark. Anleitung zur flugenuntersucbung bei flllgemeinerkrankungen. Von Prof. Dr. Heine, Breslau. Mit 19 Abbildungen und einer Beilage im Text. 1906. Preis: 2 Mark 50 Pf., geb. 3 Mark. Zentralbl. für Nervenheilkunde und Psychiatrie Nr. 204 vom 1. Januar 1906: Der Überblick über ein ungewöhnlich großes Material, das praktische Zu- sammenarbeiten mit allen klinischen Spezialdisziplinen hat den Verf. befähigt, in der Schilde- rung der Einzelsymptome das allgemein klinisch Interessierende hervorzuheben und das lediglich für den Augenspezialisten Wichtige in den Hintergrund treten zu lassen. Medizinische Klinik vom 25. Februar 1906: Ich kann mit gutem Gewissen das Buch allen Ärzten empfehlen, welche im Inter- esse einer exakten Diagnostik von Allgemeinerkrankungen die Untersuchung der Augen mit und ohne Augenspiegel schätzen gelernt haben; speziell bei Untersuchung Nerven- kranker wird es wertvollste Dienste leisten. Über das Tarbenseben, besonders der Kunstmaler, von Prof. Heine -------------------------—---------------------_------------ und Dr. Lenz. (Aus der Königl. Universität*-Augenklinik zu Breslau.) Mit 1 lithographischen Tafel, 2 Figuren und 11 Kurven im Text. 1907. Preis: 80 Pf. Beiträge zur operatiuen Huaenbeilkunde. y0n Dr. Hermann Kuhnt, Prof. -----------------■--------------—-------------- der Augenheilkunde m Jena, jetzt Geh. .Med.-Rat, Prof. an der Universität Bonn. .Ml 12 Holzschnitten. 1883. Preis: 3 Mark. über die Cberapie der Conjunctiuitis granulosa. Kuhn?" Prof'"TJ Augenheilkunde in Jena, jetzt (ieh. Med.-ftat, Prof. an der Universität Bonn. (Abdr. aus dem „Klin. Jahrb. 1897", Bd. VI, 4.) Preis: 4 Mark. lflitteilungen aus der Augenklinik des Caroliniscben ITledico- CbirUrgiSCben JnStitUtS ZU StOCkbolm. Herausgegeben von Dr. J. Wid- -------2---i--------------------------'.----- mark, Prof. der Augenheil- kunde am Carolinischen Medico-Chirurgischen Institut zu Stockholm. 9. Heft. Mit. 1 Tafel und 12 Abbildungen im Text. 1908. Preis: 5 Mark. NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICIN NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MED _ ■ VARY OP MFmri : Aavaan tvnouvn snüioiw dO Aavaan tvnouvn 3nidio. / c • oil (im1 i~ BRARY OF M EDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDIC lONAl LIBRARY 0^ o Aavaan tvnouvn 3nidi03w jo Aavaan tvnouvn 3Niota3w jo Aavaan tvnouvn 3nidio3w jo Aavaai IBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF do Aavaan tvnouvn 3N.Dia3w jo Aavaan tvnouvn 3N.o.a3w do Aavaan tvnouvn 3ND.C3W JO Aovaai ,BRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF in i> dOAavaan tvnouvn 3no.q3w jo Aavaan tvnouvn 3nid.03w jo Aavaan ivnoiivn snoichw jo Aavaai L,BRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY O jo Aavaan tvnouvn snidiqsyv do Aavaan tvnouvn snoiqsw jo Aavaan tvnouvn aNioiaaw jo Aavas LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE NATIONAL LIBRARY C v jo Aavaan tvnouvn 3NOIQ3W jo Aavaan tvnouvn jnoiq k. io Aavaan tvnouvn 3noiQ3w do Aava( WW 140 A969L 52030860R NLM 0527E57M b NATIONAL LIBRARY OF MEDICINE . -"... . >. v£.' 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