Sonderabdruck aus Hoppe-Seyler's Ztschr. f. physiolog. Chem. 244. Bd. (1936). Uber die Bedeutung der Fumarsiure fiir die tierische Gewebsatmung. IIL. Mitteilung}. Yon E. Annau, I. Banga, A. Blazsé, V. Bruckner, K. Laki, F. B. Straub und A. Szent-Gyorgyi. Mit 5+2+2+1= 10 Figuren im Text. (Aus dem Institut fiir medizinische Chemie, Universitat Szeged.) (Der Schriftleitung zugegangen am 11. August 1936.) Einleitung, Ubersicht, Methoden. Von A. Szent-Gytrgyi. BRS. = Brenztraubensiure. FS. = Fumarsiure. OES. = Oxalessigsiure. AS. = Apfelsdure. FAS. = Fumar- plus Apfelsiure’). In den beiden ersten Mitteilungen dieser Reihe* 4) wurden Beobachtungen mitgeteilt, die zeigten, daB die FS. an der Gewebs- atmung als Katalysator beteiligt ist. Ihre Funktion ist die eines intermediiren Wasserstoffacceptors, der zwischen das System der Nahrstoffdehydrierung und das System der Sauerstoffaktivierung eingeschaltet ist. Zu dieser Funktion wird die FS. durch eine 1) Diese Arbeit wurde durch die Unterstiitzung der Josiah-Macy-Jr.- Stiftung, New York, erméglicht. ») Die FS. oder AS wird im Gewebe durch die Fumarase stets in kiirzester Zeit zum Gleichgewichtsgemisch beider Substanzen umgesetzt, so da8 man stets nur letzteres vorfindet. Die Gesamtmenge von FS. plus AS. (FAS) kann aus dem Resultat der FS.-Bestimmung durch Multiplikation mit 4, aus der AS. durch Multiplikation mit 4/8 berechnet werden. 8) B. Gézsy u. A. Szent-Gydérgyi, Diese Z. 224, 1 (1984). 4) Annau, Banga, Gézsy, Huszdk, Laki, Straub u. Szent- Gyoérgyi, Ebenda, 236, 1 (19385). Hoppe-Seyler’s Zeitschrift f. physiol. Chemie. COXLIV. 8 106 A. Szent-Gyérgyi, entsprechende Dehydrase aktiviert. Die aktivierte FS. wird durch das System der Sauerstoffaktivierung (O,, Atmungsferment, Cytochrom) zu OHS. oxydiert. Die OES. dient dann als Wasserstoffacceptor der Nahrstoffdehydrierung. Durch die Aufnahme von 2 H-Atomen wird die OES. wieder zu FS. reduziert. Die Funktion der FS. ist also die, den Wasserstoff der Nahrstoffe dem Sauerstoffakti- vierungssystem zur Oxydation zuzufiihren. Die Versuche wurden z. T. durch Boyland und Boyland?) sowie G. D. Greville? bestatigt. Es ist der Zweck vorliegender Arbeit diese Theorie der FS.-Katalyse weiter zu vertiefen. Es war der Mangel unserer vorgehenden Mitteilung, daf sie sich zum Teil auf qualitative Methoden des OES.-Nachweises stiitzte. Unsere zunehmende Erfahrung lehrte uns, daB in diesem Gebiete des intermediiren Stoffwechsels qualitative Methoden irre- fiihrend seien. Selbst quantitative Methoden erlauben die Beant- wortung gewisser Fragen nur dann, wenn sie es gestatten, die chemischen Veranderungen in kleinen Gewebsmengen binnen kurzer Zeitabschnitte (2—10 Minuten) bilanzmaBig zu ver- folgen. Das Ausarbeiten derartiger spezifischer Mikromethoden war um so mehr ndtig, da sich zeigte, daB die BRS. nicht nur im fermentativen, sondern auch im oxydativen Kohlenhydrat-Abbau eine zentrale Rolle spielt. Dank der nahen chemischen Verwandt- schaft der BRS. und der OES. werden alle bekannten Reaktionen der BRS. auch durch die OES. gegeben, ist doch die OES. nichts als eine Carboxy-BRS., die mit groBer Leichtigkeit, auch spontan, in BRS. tibergeht. Aus diesem Grunde bendtigten wir zundchst Mikromethoden, die es gestatteten, diese beiden Substanzen neben- einander in spezifischer Weise zu bestimmen. In unserer friiheren Arbeit beniitzten wir zum OES.-Nachweis die Simon-Piauxsche Probe*, die zum halbquantitativen Nachweis der BRS. schon vielseitig verwendet wurde. Ebenso wie die BRS. gibt auch die OES. in Gegenwart von Ammonsulfat und NH,OH mit Nitroprussidnatron eine tiefblaue Farbe. In reinen Lisungen reagieren BRS. und OES. verschieden und lassen sich auch mit dieser Probe unterscheiden. Wéihrend indessen die OES. bereits in 2 Minuten eine maximale Farbe gibt, beginnt die Farbe in Gegenwart von BRS. erst nach laingerer Zeit (5 Minuten) zu erscheinen, um nach 15—20 Minuten maximal zu werden. Wird die OES.-Lésung durch Koehen oder durch Anilin zu BRS. decarboxyliert, so verschwindet die 1) Biochemic. J. 30, 224 (1938). 2) Biochemic. J. 30, 877 (1986). 3) Bull. Soc. Chim. biol. 6, 477 (1924). Uber die Bedeutung der Fumarsiure fiir die tierische Gewebsatmung. 107 rasche OES.-Reaktion, um der entsprechenden Jangsamen Reaktion der BRS. Platz zu machen. Trotzdem aber laBt sich die Reaktion nicht zum gleichzeitigen Nach- weis beider Substanzen gebrauchen, weil anwesende BRS. die Reaktion der OES. (Pérbung nach 2 Minuten) sehr verstirkt, obwohl sie selber in so kurzer Zeit noch keine Reaktion geben wiirde. Ebenso wird auch die Reaktion der BRS. durch Spuren von OES., die selber noch keine stirkere Farbe geben, sehr vertieft. Bei Mischungen von OES. und BRS. ver- schwindet also jede Proportionalitit zwischen Farbe und Menge der zu bestimmenden Substanzen. Dementsprechend fanden wir auch, daB das, was wir in unserer II. Mitteilung als OES. angesprochen haben, oft nur die durch Spuren von OES. verstirkte Reaktion der BRS. war. Durch diese Feststellung wurde auch die Existenz der in unserer Il. Mitteilung postulierten ,,Zwischensubstanz als Vermittler der Oxydation hinfallig. Diese Substanz scheint nicht mit der Oxydation, sondern mit der fermentativen BRS.-Bildung verbunden zu sein. Unsere miihevolle Arbeit fihrte nun zu Methoden, die die genaue quantitative Bestimmung der OES. und BRS. nebenein- ander gestatten. Die BRS. konnte neben OES. durch Kondensation mit Salicyl- aldehyd bestimmt werden. BRS. kondensiert mit Salicylaldehyd bei stark alkalischer Reaktion zur tief gefarbten o-Oxybenzal- brenztraubensaure (Perkinsche Synthese). Hine analoge Reaktion wurde bereits durch Csonka‘) zur Bestimmung des Acetons heran- gezogen. Unsere Methode der BRS.-Bestimmung lehnt sich an diese Methode Csonkas. Wie F. B. Straub fand, wird diese Reaktion durch OES. aus theoretisch nicht feststehenden Griinden (weitgehende Enolisierung ?) nicht gegeben. Wie Straub findet, ist bei der verwendeten stark alkalischen Reaktion die OES. stabil, so daB® eine spontane De- carboxylierung die BRS.-Bestimmung nicht stort. Die OES. kann, wie Straub fand, neben BRS. als 4-Nitroso- pyrazolon-3-carbonséure bestimmt werden. Mit Hydrazin bildet die OHS. ein Hydrazon, das sogleich einen RingschluB mit der f-Carboxylgruppe eingeht. Mit salpetriger Saiure behandelt, gibt dieses Pyrazolon am 4 C-Atom eine Nitrosoverbindung, die bei stark alkalischer Reaktion tautomerisierend ein Kalisalz bildet, das eine kolorimetrisch verwertbare intensive gelbe Farbe zeigt. Der Gang der Reaktion, der in einem nachstehenden Abschnitt durch V. Bruckner bewiesen wird, ist also der folgende: 1) J. of Biol. Chem. 27, 209 (1916). 8 108 A. Szent-Gyérgyi, COOH cooH GooH | | C=0 yy xa, C=N—NH, C==N | (HOD \ ~ i | CH, CH, CH, NH | "6 COOH COOH I I Tr COOH cook | | Ce=5N C== HONO 3 a _KoH | O==N—CH* NH KO—N== NH NSO NL 30 co Iv v Diese Reaktion wird nur durch f- oder y-Ketone gegeben, die den Ringschlu8 einzugehen vermigen. BRS., Acetaldehyd oder Aceton geben die Reaktion nicht. Unter den physiologisch in Betracht kommenden Substanzen ist es nur die Acetessigsiure, die die Reaktion zu geben vermag. Der Extinktionskoeffizient des entstandenen Produktes ist aber 100mal geringer, als der E. der ORS., so da8 die Acetessigsiure die OES.-Bestimmung nicht zu stéren vermag (E. der OES. als Nitrosopyrazoloncarbonsiure = 2166, K. der Acetessigsiure als Methylnitrosopyrazolon = 21). Der weitere groBe Vorteil dieser Bestimmungsmethode der OES. ist der, daB die Blankversuche ganz farblos sind. Weiterhin beschiftigt sich Straub in der nachstehenden Arbeit mit der Bestimmung der AS. und der CO,. Messung der CO, gestattet die decarboxylative Bestimmung der OES. und des RQ. der Atmungsversuche. Methoden zur Bestimmung der FS, und der Bernsteinsiure wurden bereits in unserer II. Mitteilung (S. 42 und 54) angegeben. Mit Hilfe dieser Methoden unterzogen wir nochmals die ein- zelnen Phasen der FS.-Katalyse — Oxydation der FS. und Re- duktion der OES. — einer eingehenden Untersuchung. Nachdem der bisherige Nachweis der oxydativen Bildung der OES. aus FS. sich auf die unzulingliche Simon-Piauxsche Probe griindete, versuchte zunichst I. Banga neue Beweise der FS.-Oxydation zu erbringen. Wie bereits in unserer friitheren Mitteilung gezeigt, ist von beiden Vorgiingen, Oxydation der FS. und Reduktion der OKS., letzterer der weit intensivere Vorgang, so da8 selbst bei intensiver OES.-Bildung nicht erwartet werden kann, mehr als Spuren dieser Uber die Bedeutung der Fumarsiure ftir die tierische Gewebsatmung. 109 Substanz vorzufinden. Dieses Verhiltnis der Oxydation zur Reduktion kann durch Zugabe von Arsenit zugunsten der ersteren ver- schoben werden. Durch Zugabe von Arsenit werden deutlich meb- bare Mengen von OES. nachweisbar, die aber immer noch zu gering sind, um als Stiitze unserer Theorie zu dienen. Die Menge der nachweisbaren OES. konnte durch Banga durch Heranziehen eines Abfangmittels noch weiter erhéht werden. Zu diesem Zwecke wurde Hydrazin verwendet. Obwohl Hydrazin bei weitem kein ideales Abfangmittel darstellt, konnte doch durch seine Hilfe unter giinstigen Bedingungen 1/,—1/, jener OHKS.-Menge abgefangen werden, die sich bilden muBte, falls die gesamte Atmung durch Fumarat vermittelt wird. Hierdurch ist nicht nur die oxy- dative Bildung der OES. aus FS. bewiesen, gleichzeitig zeigen diese Versuche, daB die Dimension dieses Vorganges den durch unsere Theorie gestellten Forderungen entspricht. Ebenso entspricht der Theorie, wie Banga findet, die Di- mension der Reduktion der OES. durch das Gewebe. Der Muskel vermag in 5 Minuten 2—4 mg OES. zum Schwunde zu bringen. Dies ist 2—4mal mehr als nétig, um annehmen zu kénnen, dab die gesamte Sauerstoffaufnahme iiber FS. verliuft. Gleichzeitig wird gezeigt, daf binnen der durch die Methode gesetzten Grenzen die verschwundene OES. als FAS. vorgefunden werden kann, ein Beweis dafiir, daB der Schwund der OES. tatsiichlich durch ihre Reduktion bedingt war und daf im untersuchten Gewebe der Schwund der OES. als ein MaB ihrer Reduktion angesehen werden kanu. Anlehnend an diese Resultate wurde von Banga ein weiterer wichtiger Versuch ausgefiihrt, der gestattet, unsere Theorie von einem neuen Blickpunkte aus zu kontrollieren. Unserer Theorie entsprechend ist es die Funktion des Systems Cytochrom, Atmungs- ferment und O,, die Fumarsiure zu OES. zu oxydieren. Setzt man also ORS. zu, so muB man hierdurch, falls die Theorie richtig, das genannte System der Sauerstoffaktivierung bei der Atmung ersetzen kénnen. Die zugesetzte OES. muB mit dem Sauerstoff um den Wasserstoff der Nahrstoffe in Konkurrenz treten. Bei Zugabe von OES. muB also die Sauerstoffaufnahme des Gewebes aufhéren. Nur wenn OES. den physiologischen Wasserstoflacceptor darstellt, darf erwartet werden, da® sie mit dem natiirlichen Acceptor O, erfolgreich konkurrieren kann. A priori hatte sich dies nicht erwarten lassen, da doch OES. in vitro keine Elektro- aktivitit besitzt und kein Oxydationsmittel darstellt. 110 A. Szent-Gyoérgyi, Die in dieser Richtung ausgefiihrten Versuche zeigten, daB auf Zugabe der OES. die ganze Sauerstoffaufnahme zum Stillstande kommt, und sogleich mit ihrer gewohnten Aktivitat wieder einsetzt, sobald die zugesetzte OES. reduziert wurde. Dies zeigt also, daB die OES. dem ganzen System der Sauerstoffaktivierung Aquivalent ist. Zugleich erbringt dieser Versuch den wichtigen Beweis, daf die zugesetzte OES. durch denselben Wasserstoff reduziert wird, der bei der Atmung letzten Endes durch den Sauerstoff verbrannt wird, Es ist also kein kimstlicher, unphysiologischer Prozef, der zur Reduktion der OES. fiihrt. Zugleich zeigt der Versuch, daB, so wie dies auch bei anderen Dehydrasen der Fall, die Oxydation der FS. durch ihr Oxydationsprodukt, die OES. gehemmt wird. Diese Feststellung ist auch aus methodischen Griinden wichtig, da sie es unnétig macht, die Reduktion der OES. unter Sauerstoff- abschluB zu messen. Dementsprechend wurde auch gefunden, daB aerob und anaerob ausgefiihrte kurze Reduktionsversuche mit OES. das gleiche Resultat ergeben. Der aerobe Versuch, dessen Charakter physiologischer ist, scheint sogar noch gimstiger zu sein. Sodann beschiftigt sich Banga mit dem RQ. des Muskel- gewebes. Sie zeigt, daB der RQ., der beim zerkleinerten, in Phos- phat suspendierten Muskel um 0,85 liegt, durch Zugabe von FS. auf die Kinheit oder etwas tiber 1 steigt. Dies ist ein nicht un- wichtiger Beweis dafiir, daB die FS. die Oxydation der Kohlen- hydrate vermittelt. Zum Schlusse berichtet Banga iiber einige vergleichende Versuche mit verschiedenen Geweben. Sie findet, da8 auch Ratten- muskel die OES. energisch reduziert. Etwas schwacher, aber noch stets wohl ausgesprochen, ist der Schwund der OES. im Leber- gewebe. Sehr iiberraschend sind die mit den drei verschiedenen bésartigen Geschwiilsten ausgefiihrten Versuche. Diese Gewebe greifen die OES. iiberhaupt nicht, oder nur spurenweise an, ob- wohl sie im Respirometer deutlich Sauerstoff verbrauchen. Hier scheint also in bezug auf die OKS.-Reduktion zwischen normalem und bésartigem Geschwulstgewebe ein wesentlicher Unterschied zu bestehen, Besonders merkwiirdig erscheint dieser Unterschied im Lichte der nachfolgenden Untersuchung A. Blazsé6s, der findet, daB sich das embryonale Rattengewebe in bezug auf OES. ahbnlich verhilt, wie das Geschwulstgewebe. Dasselbe ist auch noch bei der Geburt der Fall. Der Umschwung zum normalen Verhalten, d.h. zur Fumarkatalyse, erfolgt in den beiden ersten Wochen des ex- Uber die Bedeutung der Fumarsiure fiir die tierische Gewebsatmung. 111 trauterinen Lebens. Die Bernsteinsiure wird durch embryonale Gewebe stark oxydiert, so daB keine engen Beziehungen zwischen der Bernsteinsjureoxydase und dem Fumaratsystem bestehen kénnen. Das Verhalten des embryonalen Gewebes sowie der Geschwiilste zeigt, dab die FS. sicherlich nicht den einzigen Weg der Atmung darstellt. Banga und Blazsés Arbeiten enthalten noch einige weitere Beobachtungen iiber den Werdegang des Hexosediphosphats in verschiedenen Geweben und enthalten Hinweise darauf, daB die Hexose bzw. die aus dieser entstehende Triose durch dasselbe Ferment zur Oxydation (Reduktion der OES.) und Fermentation, (Reduktion der BRS.) aktiviert wird. In einem weiteren Abschnitte beschiftigt sich F. B. Straub mit der Decarboxylierung der OES. im Gewebe. Dies geschieht mit Riicksicht auf die zahlreichen Theorien des intermediiren Stoffwechsels, die sich auf die noch nie bewiesene rasche kata- lytische Decarboxylierung der OES. griinden. Ware eine solche aktive Decarboxylierung bzw. eine entsprechend intensive §-Carb- oxylase im Gewebe tatsiichlich vorhanden, so kiénnte die OKS. unmoglich die von uns angenommene katalytische Funktion be- sitzen, sondern wiirde zu BRS. decarboxyliert werden. Unsere Ver- suche gaben keinen Anhaltspunkt fiir die Existenz einer solchen aktiven Decarboxylase, zeigten vielmehr, daf, falls ein solches Enzym in dem von uns untersuchten Gewebe iiberhaupt vorhanden ist, seine Aktivitét unter unseren Versuchsbedingungen, verglichen mit der Aktivitét anderer Vorginge der Hauptatmung, nur sehr gering sein und das Resultat unserer kurzen Bilanzversuche nicht wesentlich beeinflussen kann. In dem nachfolgenden Abschnitte wird von K. Laki die so grundlegende Frage der Donatoren der Atmung aufgeworfen. Die Frage war die nach der chemischen Natur der Substanz, die in unseren Atmungsversuchen dehydriert wird und durch ihren ab- gespaltenen Wasserstoff die OES. reduzierte und bei der Atmung letzten Endes den Sauerstoif verbraucht. Unsere langjiihrige Er- fahrung auf diesem Gebiete gab uns keinen Anhaltspunkt dafir, daB Milchséure hierbei eine wesentliche Rolle spielt). Die Atmung 1) Méglicherweise spielt die Milchsiure bei der Atmung des Frosch- muskels eine gréBere Rolle. Die meisten Untersuchungen in dieser Richtung beziehen sich auf dieses Material. Nach den geldufigen Schemen der Atmung wird fermentativ zunichst Milchsiure gebildet, diese dann durch Eingreifen 112 A. Szent-Gyérgyi, der Muskelsuspension wird durch Lactatzusatz nicht, oder nur unwesentlich beférdert. Wird die Bildung von Lactat durch Fluorid oder Jodacetat unterdriickt, so wird die Atmung meistens nicht wesentlich vermindert. Verringert sich die Atmung auf Zusatz dieser Substanzen, so kann die verminderte Atmung nicht durch Lactatzusatz wieder erhéht werden. Sorgt man durch Fumarat- zusatz fir eine ungestérte Respiration, so findet man sogar oft, daB der Zusatz von Fluorid oder Jodacetat die Atmung nicht nur nicht hemmt, sondern sogar erhdht als Zeichen dafir, daB durch Unterdriickung der Milchsdureg’rung das Substrat der Atmung geschiitzt wurde. Die zum gewaschenen oder ungewaschenen Muskelgewebe zugesetzte Milchsiure vermag auch nicht die Reduk- tion der OES. zu beférdern. DaS Milchséure als Donator bei der Atmung unseres Muskels keine wesentliche Rolle spielt, zeigt auch der Umstand, da die dehydrierende Aktivierung des Lactats durch 50 mg-°/, BRS. weitgehend unterdriickt wird, wahrenddessen dieselbe Konzentration dieser Substanz die Sauerstoffaufnahme nicht wesentlich hemmt, Die Reduktion der OES. am gewaschenen Muskel konnte durch Hexosediphosphat, Robisonester oder Glycerinaldehyd — besonders in Gegenwart von Co-Ferment — stark beschleunigt werden. Alle anderen Donatoren, Glucose, Glykogen, Milchsiure, Dioxyaceton, e-Glycerophosphat, Athylalkohol und Zitronensaure waren inaktiv. Laki findet nun, da8 bei der Reduktion der zugesetzten OES. stets nicht unwesentliche Mengen von BRS. entstehen. Diese BRS. konnte unmiglich durch Decarboxylierung der OES. gebildet werden. Die Menge der BRS. stieg in den ersten Minuten der Bebriitung, um dann spiter gleich zu bleiben oder abzufallen. Fir diesen Abfall muBte ein Schwund der BRS. verantwortlich gemacht werden. Um also in die quantitativen Verhiltnisse eine bessere Einsicht zu gewinnen, muBte die Umsetzung der BRS. hintangehalten werden. In Muskelextrakten sind die Resynthesen, die z.T. an die »struktur“ gebunden sind, geringer als im Muskel. Dem- entsprechend findet Laki, daB im Extrakt mehr BRS. auf OES. der Oxydation wieder zum Schwunde gebracht. Diese Sequenz der Vorginge entspricht der Lebensweise des Frosches, der oft lange Zeit ohne Sauerstoff leben kann, wenn ihm spiter nur die Gelegenheit geboten wird, sich an der Luft zu regenerieren. Dasselbe scheint aber fiir den Warmbltiter nicht zu- zutreffen, der vielmehr unmittelbar vom Sauerstoff, d. h. von oxydativen Prozessen abhangig ist und keine lingere Zeit auf Rechnung fermentativer Prozesse leben kann, Uber die Bedeutung der Fumarsiure fiir die tierisehe Gewebsatmung. 113 Zusatz erhalten wird, als im zerkleinerten Muskel. Bei kurzer Versuchsdauer sind sogar die gebildeten Mengen der BRS. der gleichzeitig reduzierten OES. Aquivalent. Der Schwund der BRS. konnte noch weiter durch Zusatz von Arsenit unterdriickt werden [H. A. Krebs})]. Bei Arsenit- gusatz wird zwar auch die Reduktion der OES. vermindert, aber die Ubereinstimmung zwischen BRS.-Bildung und OES.-Schwund kann unter Verwendung dieser Substanz auch auf langere Perioden ausgedehnt werden. Es lige an der Hand, die gefundene Bildung 4quivalenter BRS. der Decarboxylierung der OES. zuzuschreiben. Gleichzeitig konnte aber auch die Bildung aquivalenter Menge FAS. nach- gewiesen werden, ein Beweis, dai die OES. nicht durch De- carboxylierung verschwunden ist, sondern durch das Gewebe redu- ziert wurde. Die BRS. konnte also nicht aus der zugesetzten ORS. entstanden sein, sondern muBte sich aus einer dritten Sub- stanz mit drei C-Atomen durch Oxydation mit je zwei Aqui- valenten pro Molekiil bilden. Diese dritte Substanz ist der Wasserstofidonator der OES.- Reduktion und somit auch das Substrat der durch FS. kataly- sierten Atmung unseres Gewebes. Aus dem Gesagten geht hervor, daB sie nur eine Triose sein konnte. Diese Versuche geben auch ein Beispiel dafiir, daB eine klare Antwort auf derartige Fragen des intermediiren Stoff- wechsels nur durch ganz kurze (3—-5 Minuten) bilanzmaBig aus- gefiihrte Versuche erhalten werden kann. Es fragte sich endlich, ob die F'S.-Katalyse sich nur auf den Muskel beschrinkt, oder aber auch in anderen Geweben nach- weisbar ist. Banga zeigte bereits, daf auch die Leber OES. zum Schwunde zu bringen vermag. In unpublizierten Versuchen zeigte sie auch, daB mit Hilfe des Hydrazin-Abfangverfahrens die Bildung von OES, aus FS., ebenso wie im Muskel, in der Leber nachzuweisen ist. Dies wies bereits darauf hin, da8 die FS. auch in den Atmungsvorgiingen der Leber eine bedeutende Rolle spielt. Immerhin aber schien es wiinschenswert, die Funk- tion der FS. in diesem Organ mit Hilfe eines bekannten H-Dona- tors zu untersuchen. Aus diesem Grunde unterzog Annau in der folgenden Mitteilung die Oxydation der BRS. im iiberlebenden Lebergewebe einer Untersuchung. 1) Diese Z. 217, 191 (1938). 114 A. Szent-Gyirgyi, Annau zeigt, daB die Oxydation der BRS. in der Leber tatsiichlich durch FS. vermittelt wird. In dieser Arbeit werden sehr merkwiirdige Befunde erhoben, die vielleicht auf den Mechanis- mus der Acetonogenese ein Licht werfen. Wie bereits Embden zeigte und wie Annau bereits frither bestitigen konnte}), vermag das Lebergewebe BRS. in Aceton umzusetzen. In vorliegender Arbeit wird gezeigt, daB, falls durch Zugabe von FS. fiir die un- gestérte Funktion des Fumaratsystems gesorgt ist, pro Mol. BRS. je ein Atom Sauerstoff aufgenommen wird. In diesem Falle kann bei gleichzeitiger Decarboxylierung die BRS. wieder in ein Kohlen- hydratisomeres tibergehen. Kann aber das Fumaratsystem wegen Mangel an FS. seine Funktion nicht ungestért ausiiben, so wird weniger als ein 0 pro Mol. BRS. aufgenommen und es entsteht Aceton. Zuletzt wird durch Laki, in Erginzung unserer II. Mittlg., der noch ausstehende Beweis erbracht, daS das primare Produkt der Oxydation der Bernsteinsiure an der Succinodehydrase die FS. ist. Am selben Ferment wird hydrierend auch nur FS., nicht hingegen AS, aktiviert. Die Lehmannschen Angaben tber fumarasefreie Succinodehydrase werden bestitigt?). Zum Schlusse sei es mir gestattet, einige Worte tiber das Verhiltnis der Oxydation und Girung hinzuzufiigen. Unsere Ver- suche zeigen, daB der H-Donator der OES.-Reduktion und somit der durch Fumarase katalysierten Atmung das Kohlenhydrat ist, Dies geht aus der Messung des RQ. durch Banga hervor. Die Versuche Lakis zeigen, daB unmittelbar eine Triose (oder Triose- phosphorsaure) oxydiert wird. 1) Diese Z, 224, 141 (1984). *) Es ist nicht gegliickt, ein fumarasefreies Praparat herzustellen, das OES. mit geniigender Intensitét reduzierte, und hiermit die Frage des priméren Produktes der OES,-Reduktion und somit auch die Frage der biologiachen Funktion der Fumarase definitiv zu lésen. Nachdem aber OES. durch chemische Mittel stets za AS, und nicht zu FS. reduziert wird, so ist dies aller Wahrscheinlichkeit nach auch im Muskel der Fall. In unserer U1. Mittlg. zeigte Laki bereits, daB im Muskel nur die FS., nicht hingegen AS. 21 OES. oxydiert wird. Dies 148t die Funktion der Fumarase doch mit groBer Wabrscheinlichkeit angeben. Die Funktion dieses Fermentes ist es anscheinend, die durch Reduktion der OES. ent- standene AS. in FS. zu iiberfiihren und somit zur erneuten Oxydation zu befihigen. Die Fumarkatalyse stellt also keinen einfachen Wechsel von FS.-OES., sondern einen Zyklus dar: Fumarat ——-~——_>_ Oxalacetat oe a Fu se marae vtalat Uber die Bedeutung der Fumarsiure fiir die tierische Gewebsatmung. 115 Meyerhofs Arbeit tber den Hauptweg der Milchsiuregirung des Muskels zeigt, daB die Gurung eigentlich eine Oxydation der Triose durch BRS. darstellt. Die Atmung ist nach unseren Unter- suchungen eine Oxydation der Triose durch OES. Hieraus geht hervor, daB Atmung und Géarung identische Vorginge sind mit dem Unterschied, dab bei der Girung als H-Acceptor BRS., bei der Atmung als H-Acceptor eine Carboxy-BRS., d.h. OES. dient. Die Natur scheint bei der Atmung das System der Garung bei- behalten zu haben, sie hat nur das als Acceptor dienende BRS.- Molekiil mit einer Carboxylgruppe beschwert, hierdurch der Re- synthese zu Kohlenhydrat entzogen und somit zu einer katalytischen Funktion befahigt }). Hierdurch wird auch ein neuer quantitativer Zusammenhang der Atmung und Giirung (Pasteursche Reaktion) deutlich. BRS. und OES. miissen fiir den aktivierten Wasserstoff in Konkurrenz treten. Bei SauerstoffabschluB wird keine OES. gebildet. Anaerob steht nur BRS. als Acceptor zur Verfiigung und das Kohlen- hydrat kann nur fermentativ abgebaut werden. Aerob hingegen wird OES. gebildet, die nun mit der BRS. in Konkurrenz tritt, so daB sich die Vorginge der Oxydation zu verschieben. Aus dem Blickpunkte dieser Versuche scheint es auch, daB das eigentliche System der Oxydation bzw. Sauerstoffaktivierung (Atmungsferment, Cytochrom) nicht direkt oxydativ in den Kohlen- hydratzyklus eingreift, sondern sich in seiner Funktion auf die Oxydation der beiden analogen Reduktionsprodukte, Apfelsdiure (iber Fumarat) und Milchsiure beschrinkt. In dem nachfolgenden experimentellen Teil werden die Be- stimmungsmethoden ausfihrlich beschrieben. Jedoch werden der Kirze halber von sonstigen Versuchen nur Beispiele gegeben. Die zitierten Versuche wurden aber so oft ausgefiihrt, bis wir uns von der Realitiit ihrer Krgebnisse iiberzeugten. Zuletzt méchte ich nun darauf hinweisen, da8 vorliegende Arbeit die einfache Messung einer neuen charakteristischen GréBe des respiratorischen Stottwechsels erméglicht. Nachdem die OES. vorwiegend durch Reduktion verschwindet, kann der Schwund dieser ) Durch den Eintritt der zweiten Carboxylgruppe erhalten auch die beiden mittleren C-Atome besondere Higenschaften, die méglicherweise fiir die katalytische Funktion von Bedeutung sind. Wie ich bereits friiher darauf hingewiesen habe, gibt es in der Natur nur eine Substanzgruppe, in der es in einem minimalen Volumen zwei benachbarte C-Atome gibt, die beide zugleich e- und 6-C-Atome sind: die 4 C-atomigen Dicarbonsiuren. 116 A. Szent-Gydrgyi, Substanz binnen gewisser Grenzen als MaB ihrer Reduktion be- trachtet werden. Der Schwund 148t sich mit den beschriebenen Methoden leicht in genauer Weise verfolgen. Die OES.-Reduk- tion gibt die Menge des in der Zeiteinheit labilisierten und tibertragbar gemachten Wasserstoffes. In der Thunbergschen Methode, bei der relativ geringe Mengen von Farbstoffen reduziert werden, wird mehr die Intensitit des Reduktionsvermigens der Gewebe gemessen. Diese wird aber auch nicht eindeutig zum Aus- drucke gebracht. Bei der Verwendung der OES. als Indicator hat man weiterhin den Vorteil, mit dem natiirlichen Acceptor der Gewebe zu arbeiten. Es ist mir ein Vergniigen, diese Besprechung mit dem Aus- drucke meines Dankes an Herrn Prof. St. Szegedy ftr sein Mit- arbeiten und seine wertvollen Ratschlage zu schlieBen. Methoden. Die allgemeine Methodik unserer Versuche glich anndhernd der unserer vorhergehenden Mitteilung. Als Material diente, wo nicht anders hervorgehoben, auch hier der Brustmuskel der Taube. Die Tiere wurden durch Decapitieren getétet, der Brustmuskel sogleich ausgeschnitten und das Gewebe in der auf 0° vor- gekiihlten Latapie-Miihle gemahlen. (Higenschaften und Dimensionen des Breies vgl. II. Mttlg. 8. 16.) Der Brei wurde sogleich im eisgekiihlten 2,65/15 M Sdrensen-Phosphat von pq 7 suspendiert. Auf je 1 ¢ Muskel wurden 3ml Phosphat gebraucht. Diese Suspension wurde dann mit einer graduierten Pipette zum Versuch verteilt. Vor dem Pipettieren wurde die Suspension mit einem elektrischen Riihrer einige Sekunden energisch dureh- gerthrt, wodurech die Muskelteilchen sich in der Liésung gleichmaBig ver- teilten und ein genaues Pipettieren (+6°/, gemittelter Fehler +8°/,) er- méglichten. Zam Versuch wurde stets 1,5 ml dieser Suspension verwendet und mit Wasser oder sonstigen Zusitzen auf 4 ml verdiinnt. Die Endkonzen- tration des Phosphates war also m/15. Die zu einem Versuch gebrauchte Menge des Muskels war 0,4 ¢. Die also zubereiteten Suspensionen wurden unverztiglich zum Versuch herangezogen. Die respirometrischen Versuche wurden, abgesehen von besonders hervorgehobenen Ausnahmen, im Warburgschen Respirometer ausgefiihrt. Die Hihne wurden nach den ersten 10 Minuten geschlossen, die zur Er- reichung des Temperaturgleichgewichtes nétig waren. ¢ = 87° C. Zum Zwecke sonstiger Versuche wurde die Suspension in kleine 50 ml-Erlenmeyerkélbchen eingetragen. Kélbchen und Respirometer wurden in gleicher Weise im Wasserbade von 87°C versenkt und geschiittelt. Zur Enteiwei8ung wurde auf je 4 ml der Suspension 0,5 ml 10%, ige 4,80, und 0,5 mi 10°/,iges Natriumwolframat zugesetzt, die Mischung durch- geschiittelt, zentrifugiert. Die klare Lésung wurde dann zu den weiteren Bestimmungen verwendet.