Sonderabdruck aus Hoppe-Seyler's Ztschr. f. physiolog. Chem. 224. Bd. (1934), Uber den Mechanismus der Hauptatmung des Taubenbrustmuskels.”) Von B. G0zsy und A. Szent-Gytrgyi. (Aus dem Institut fiir Medizinische Chemie, Universitat Szeged, Ungarn.) (Der Schriftleitung zugegangen am 14. Januar 1934.) Versuche, die von einem von uns vor etwa 10 Jahren (1925) ausgefiihrt waren, zeigten, da an der aeroben Oxydation der Milchsiure ein Koferment beteiligt ist, dem die Rolle eines Wasserstofftransporteurs zwischen Dehydrierung und Sauerstoff- aktivierung zugeschrieben werden muf. Die sp%teren Versuche unseres Laboratoriums fiihrten dann zur teilweisen Isolierung und Identifizierung eines Koferments der Milchsiureoxydation. Dieses Koferment — ein Nucleotid (méglicherweise identisch mit v. Eulers Cozymase) — aktiviert jedoch die Dehydrase, und nicht den Wasserstofftransport. Waren also die obigen Beobachtungen richtig, so muBte auBer diesem Koferment, der Milchsdure- Kodehydrase, an der Milchsiureoxydation als Wasserstofftrans- porteur auch noch ein anderer kofermentartiger Stoff beteiligt sein. Die Aufklarung dieser Frage schien um so wichtiger, weil die ausgedehnten Arbeiten dieses Laboratoriums zeigten, daB die Hauptatmung des zerkleinerten Muskels grundsitzlich ebenso ver- lauft wie die Oxydation der Milchsaure. Methodisches. Die Atmungsversuche wurden am Taubenbrustmuskel durchgefiihrt. Der Muskel wurde dem soeben getiteten Tiere entnommen, einige Minuten auf Eis gekiihlt, sodann an der Latapie-Hackmaschine zerkleinert. Die Scheibe, die hinter der Siebplatte den zerschnittenen Muskel noch weiter zermahlt, wurde aus der Maschine herausgenommen, um einer zu weit- *) Diese Arbeit wurde durch die Josiah Macy jr.-Stiftung, New York, unterstiitzt. Hoppe-Seyler’s Zeitschrift £, physiol. Chemie. CCX XIV. 1 2 B. Gézsy und A, Szent-Gyoérgyi, gehenden Zerkleinerung vorzubeugen. Der Muskelbrei bestand also aus kleinen Stiickchen, die die Sieblécher von 1,5 mm passierten. Der zerkleinerte Muskel wurde in der 20fachen Menge eisgekiihlten Wassers suspendiert, 10 Minuten lang geriihrt, an einem Tuch filtriert, ausgepreBt, dann nochmals in gleicher Weise ,gewaschen“, ausgepreBt und im Kisschrank von 0°C aufbewahrt. Zum Versuch wurden von diesem Muskelbrei je 10g abgewogen und in 30 ccm 2,65/15 Mol. Phosphat von Py suspendiert. Fiir jeden Versuch wurde hiervon 1,5 ccm mit einer Pipette entnommen, dann mit Wasser oder sonstigen Zusitzen auf 4 ccm aufgefiillt, so da8 die Endkonzentration des Phosphats M/15 wurde. Der ,,ungewaschene Muskel“ wurde gleich nach dem Mahlen in Phosphat suspendiert und sogleich zum Respirationsversuch herangezogen. Die aeroben Verauche geschahen im modifizierten Bar croft- Apparat), der im Wasserbade von 37°C versenkt und geschiittelt wurde. Die Apparate wurden nach 10 Minuten Incubation geschlossen. Ablesungen wurden alle 10 Minuten vorgenommen. Die anaeroben Versuche mit Me- thylenblau wurden in der modifizierten Thunbergréhre angestellt.") Wo nichts anderes hervorgehoben, wurde 1 ccm Methylenblau in der Verdiinnung von 1:5000 zum Versuch verwendet. Extrakte wurden aus Schweineherz hergestellt. Das Herz wurde mdglichst bald nach dem Tode entnommen, auf Eis gekihlt, gemahlen «und sogleich verarbeitet. Milehséiure wurde stets in Form von racem. Lithiumlactat in einer Endkonzentration von 0,1 Mol. verwendet. Nachpriifung alterer Versuche. Der gewaschene Muskel vermag weder Sauerstoff aufzunehmen, noch Methylenblau zu entfirben. Nach Zugabe von Milchsiure bleiben beide Versuche negativ, oder es wird nur sehr wenig Sauerstoff aufgenommen und Methylenblau duBerst langsam ent- farbt. Nach Zugabe von 0,5 mg Kodehydrase (die an und fiir sich dem Muskel zugesetzt weder die Entfarbung, noch die Sauerstoffaufnahme wesentlich beférdert) zeigt der Muskel in Gegenwart von Milchséure eine energische Dehydrierung. Der Farbstoff wird in 3—5 Minuten entfarbt. Nach dieser kurzen Entfarbungszeit geurteilt erwartet man, daB der Muskel im aeroben Versuch eine ansehnliche Sauerstoffaufnahme zeige. Die Sauerstoffaufnahme jedoch bleibt Null oder erreicht nur ganz niedrige Werte. Nur ausnahmsweise erhalt man eine mi&Bige Sauerstoffaufnahme, die auf ein ungentigendes Waschen des Muskels hindeutet. Da der gewaschene Muskel Bernsteinsiure wie auch p-Phe- nylendiamin energisch oxydiert, sein Sauerstoffaktivierungsferment (,Atmungsferment“) also nicht gestért ist, kann geschlossen werden, Uber den Mechanismus der Hauptatmung des Taubenbrustmuskels. 3 daB zu dieser Oxydation noch weitere Stoffe nétig sind, die beim Waschen entfernt wurden. Diese SchluBfolgerung muBte natiirlich auch durch den direkten Beweis bekraftigt werden*). Es zeigte sich nun, daB durch verschiedene Extrakte die Sauerstoffaufnahme, d. h. die aerobe Oxydation der Milchsiure, wieder in Gang gesetzt werden kann. Derartige rohe Extrakte enthalten stets auch Kodehydrase, so daB dieser Stoff nicht zugefiigt werden mu8. Hierdurch ist also die obige SchluBfolgerung auch direkt bewiesen, und sind die Alteren Ergebnisse bestitigt. Als Beispiel seien folgende Versuche angefihrt. Versuch 1. Zum gemahlenen Herzmuskel wird Aceton zugesetzt. Auf je 1 g Muskel 1 cem Aceton. Es wird durchgemengt, dann ausgepreBt, der Saft filtriert, das Aceton in Vacuo entfernt. Gewaschener Tauben- brustmuskel wird im Respirometer mit 1 ccm Extrakt bzw. 1 cem Extrakt plus Milehsiure versetzt. Sauerstoffaufnahme in 80 Minuten ohne Milch- siure 44emm, mit Milchsiure 284 cmm. Versuch 2. Der Herzmuskelbrei wird mit 0,5 °/, Trichloressigsiure- lésung versetzt (1 ccm pro Gramm Muskel) und auf 65°C erwidrmt, abge- kihlt, filtriert, neutralisiert. Weiter wie oben. Sauerstoffaufnahme ohne Milchsiure 86, mit Milchsiure 208 emm. Versuch 3. Wie 2. Muskel mit Trichloressigsdure nur auf 55° er- wirmt. Sauerstoffaufnahme 132 bzw. 424 emm. Versuch 4. Ein wie in Versuch 1 mit Aceton behandelter Muskel wird mit Wasser extrahiert. 1 cem Wasser pro Gramm Muskel. Sauerstoff- aufnahme 12 bzw. 232 cmm. Allgemeines itiber das Koferment und Succinat. Es konnte also angenommen werden, daB an der Milchs§ure- oxydation bzw. an der Hauptatmung aufer der Kodehydrase auch noch ein anderes Koferment beteiligt sei. Die ndchste Frage war nun die nach der chemischen Natur dieser Substanz. Bei einer solchen Analyse stehen zwei Wege offen. Man kann die Koferment enthaltenden Extrakte fraktionieren, die aktive Komponente isolieren und identifizieren. Man kann aber auch *) Logischerweise hatte das System durch Methylenblau reaktiviert werden miissen. Man hitte erwartet, Methylenblau wiirde durch die De- hydrase reduziert, wiirde sich in Gegenwart von O, spontan reoxydieren und somit die Verbindung mit dem Sauerstoff herstellen. Es konnte jedoch gezeigt werden, da® das Methylenblau in Gegenwart von Milchsiure und O, die Dehydrase inaktiviert. Ohne O, oder Milchsdure ist der Farbstoff fir das Ferment unschiidlich. 1* 4 B. Gizsy und A. Szent-Gyérgyi, versuchen, die bekannten Bestandteile der Extrakte auf ihre Aktivitét und mégliche Kofermentnatur zu priifen. In vorliegen- der ‘Arbeit wird iiber solche Versuche mit Bernsteinsiure be- richtet. Die Anwesenheit von Succinat, Fumarat und Apfelsiure in Geweben wurde bereits von Hinbeck und spiter von Moyle nachgewiesen. Sollte die Bernsteinsiure nur einen Brennstoff darstellen, so ist ihre Anwesenheit im Muskel in der gefundenen Menge schwer zu begreifen. Wie wir némlich seit Thunbergs, Batteli und Sterns Untersuchungen wissen, enthalt der Mus- kel, sowie auch alle anderen Gewebe ein diuBerst aktives Ferment, Succinoxydon genannt, das Bernsteinsiure mit einer ungeheuren Geschwindigkeit (wie Einbeck zeigte, zu Fumarsiure) zu oxy- dieren vermag. In vivo miissen also Bernsteinsiure und das Succinoxydon nebeneinander bestehen, ohne aufeinander einzu- wirken, oder aber miissen jederzeit gewaltige Mengen Bernstein- siure verbrannt werden, was sehr unwahrscheinlich ist. Die Existenz dieses Bernsteinsiureoxydons war bis jetzt un- begreiflich. Wahrend alle oder sicherlich die meisten Brennstoffe der Hauptatmung an einem Dehydrierungssystem verbrannt wer- den, das recht labil ist und eines Dehydrierungskofermentes be- darf, ist zur Oxydation der Bernsteinsiiure allein ein ganz be- sonderes System da, das kein Koferment nétig hat und sich durch seine hohe Resistenz verschiedenen physikalischen una chemischen Eingriffen gegeniiber auszeichnet. Es ist kaum denk- bar, da dieses System nur zufallsweise Bernsteinsiiure oxydiert. Schon die Kinetik der Bernsteinséureoxydation spricht dagegen, da die Geschwindigkeit der Oxydation der Bernsteinsiure von der Konzentration des Substrates unabhingig ist, und die Oxy- dation schon bei minimaler Siuremenge mit maximaler Sauer- stoffaufnahme verliuft. Dies deutet darauf hin, daB das Enzym spezifisch zur Oxydation der Bernsteinsaéure gebaut ist. Es mag befremdend wirken, einer so einfachen Substanz wie der Bernsteinsiiure eine katalytische Tatigkeit zuzuschreiben. Es mag aber darauf hingewiesen werden, da8 einerseits F. Knoop bei dhnlich einfach gebauten Substanzen ahnliche katalytische Funktionen gefunden hat, da® aber andererseits trotz der einfachen Struktur Bernsteinsiure aus atomphysikalischen bzw. chemischen Griinden — wie dies eingehend von Quastel erértert wurde — eine ganz einzig dastehende Substanz darstellt. Sie allein hat 2 benachbarte C-Atome, die beide zugleich e«- und £-C-Atome Uber den Mechanismus der Hauptatmung des Taubenbrustmuskels. 5 sind. Dieser Umstand verleiht dem Molekiil Eigenschaften, die es fiir eine derartige katalytische Aktivitét in einzig dastehender Weise geeignet macht. Der Gegenstand vorliegender Arbeit ist also die Frage, ob dem Succinat die Bedeutung eines Katalysators zukommt. Seine Rolle ware die eines Wasserstofftransporteurs, eingeschaltet zwischen Dehydrasen, baw. Nahrstoffe einerseits und Sauerstoff andererseits. Durch die Succinoxydase wiirde das Succinat oxy- diert, dann durch den Wasserstoff der dehydrierten Nahrungsstoffe reduziert. Das Succinoxydon selber wiirde in diesem Falle die positive Halfte des Systems der Hauptatmung darstellen. Atmungshemmung durch Malonat. Nach den ausgedehnten Arbeiten Quastels und seiner Mit- arbeiter iiber Succinoxydation besitzen wir in der Malonsiure ein spezifisches Mittel zur Hemmung der Bernsteinsiureoxydation. Fir die Adsorption der Bernsteinsiure an ihrer Dehydrase ist nach Quastel und Wooldridge die Gruppierung —C.CH,-COOH- maBgebend. Die Malonsiiure, die der Bernsteinsiure am niich- sten verwandte Dicarbonsiure, enthilt diese maBgebende Atom- Gruppierung auf das theoretisch kleinste Molektil doppelt. In Bestatigung von Quastels Versuchen fanden wir, da8 die Malon- _ sduré’ die Oxydation der Bernsteinsiure durch den gewaschenen Muskel sebr weitgehend spezifisch zu hemmen vermag. Diese Hemmung beruht auf der Hemmung der Dehydrase. Auf die Sauerstoffaktivierung, wie durch p-Phenylendiaminoxydation ge- zeigt werden kann, hat die Malonsiure keinen HinfluB. Auch kénnen wir bestiitigen, daB die Hemmung der Bernsteinsaure- oxydation durch Malonsiure durchaus spezifisch ist. Die De- hydrierung (Methylenblauentfairbung) des ungewaschenen Muskels, oder die Dehydrierung von Milchsiure oder Fructosediphosphat wird durch Malonsdure*) nicht gehemmt. *) Unseres Erachtens kann aber die starke spezifische Hemmung der Bernsteinsiureoxydation durch Malonat nicht einfach auf die Anwesenheit der C-CH,-COOH Gruppierung zuriickgefiihrt werden. Sicher spielt bei der Hemmung auch die grofe Abhnlichkeit im Bau des gesamten Molekiils eine bedeutende Rolle, ist doch Malonsiure das nichste niedere Homologe der Bernsteinsiure. Wiirde die Anwesenheit der obigen Gruppierung allein maBgebend sein, so wiirde man auch durch die héheren Homologe eine ahnliche Hemmung erwarten. Bei Glutarsiiure ist jedoch die Hemmung bereits sehr schwach. Bei den hdheren Gliedern wie Adipinsiure, Pi- 6 A.Gézsy und A.Szent-Gyérgyi, Spielt also Bernsteinsiure im Oxydationsmechanismus als Wasserstofftransporteur eine bedeutende Rolle, so mu8 auch die Atmung durch Malonsiure stark gehemmt werden. Die Versuche zeigen, daB die Sauerstoffaufnahme des Mus- kels durch Malonsaiure sehr weitgehend gehemmt wird. Schon durch ganz geringe Konzentrationen, wie 1/,,, Mol. kann eine sehr weitgehende Atmungshemmung erreicht werden, so dab Malonsiure trotz ihrer einfachen Struktur den bekannten stirk- sten Atmungsgiften an die Seite gestellt werden kann, die es uns auch gestatten, die Atmung an einer neuen Stelle zu vergiften. Die Hemmung der Atmung des Muskels und der Bernstein- siureoxydation laufen, wie aus der Tabelle ersichtlich, durchaus parallel. Da, wie in unseren friheren Studien gezeigt (vgl. Banga et al), ein geringer Teil der Atmung im zerkleinerten Muskel stets durch Nebenreaktionen bedingt wird, wird man natiirlich erwarten, da8 die Hemmung der Normalatmung gegentiber Bern- steinsAureoxydation etwas zuriickbleibt. Mol. konzentrierter Malonsdure | 1/, 1, “Veo Meo 1 “200 | *e00 °/, Atmungshemmung, un- gewaschener Muskel 86 7 7 “ 66 i °/, Atmungshemmung, ge- waschener Muskel, Bernstein- 90 88 76 64 siure. 4/4, Die Hemmung der Atmung beruht auf einer spezifischen Adsorptionsverdringung. Werden die Prozente Hemmungen und die zugehérigen Konzentrationen der Malonsiure in ein Koordinaten- system eingetragen, so erhilt man eine fir Adsorptionsvorgange charakteristische logarithmische Kurve. Das Ausma8 der Hem- mung der Bernsteinsiureoxydation durch Malonsiiure hingt auch von der Konzentration der Bernsteinsiiure ab. So gab z. B. 1 mg Malonsiure in Gegenwart von 5 mg Succinat eine Hemmung von malinsiure, Korksiure und Azelainsdure ist eine schwache unspezifische Hemmung aller Dehydrierungsprozesse zu beobachten. Auch scheint es nicht ganz ausreichend, neben der Dehydrase vom Typus der Bernsteinsduredehydrase allgemein nur noch eine Dehydrase vom Typus der Milchsiure mit der Gruppe CO-COH* oder COH-COH*(H* bedeutet mobilen H) zu unterscheiden. In unseren Versuchen hemmt Tar- tronsiure die Methylenblauentfirbung am ungewaschenen Muskel in hohem MaBe, ohne jedoch die Milchsiiure- oder Fructose-Phosphat-De- hydrierung zu hemmen. Uber den Mechanismus der Hauptatmung des Taubenbrustmuskels. 7 76°/,, in Gegenwart von 45 mg Succinat eine Hemmung von 39°/, (gewaschener Muskel, Sauerstoffaufnahme). Natiirlich kénnte eingewendet werden, da’ die Hemmung der Atmung durch Malonsiiure nicht notwendigerweise auf der Hemmung einer katalytischen Funktion beruhe, sondern daB Malonsaure einfach die Dehydrierung der Brennstoffe — sei es Bernsteinsiure oder andere Stoffe desselben Typus — verhindere. DaB dies aber nicht zutrifft, kann in einfacher Weise gezeigt werden, wenn ungewaschener Muskel auf scine Dehyrierung, d. h. Methylenblauentfirbung untersucht wird. Malonsiure vermag nicht die Methylenblauentfarbung zu verzdgern, so daf geschlossen werden kann, daB Stoffe, die durch Malonat gehemmt werden, als Brennstoffe bzw. Wasserstoffdonatoren keine wesentliche Rolle spielen kénnen. Alle anderen, der Malonsiure Abnlich einfach gebauten Atmungsgifte, wie Oxalat, Glyoxalat, Tartronat, Mes- oxalat, die die Sauerstoffaufnahme des zerkleinerten Muskels stark verzigern, hemmen auch die Methylenblauentfarbung in gleichem Mabe. Atmunegssteigerung durch Succinat und Fumarat. Der in Phosphorlisung suspendierte, zerkleinerte Muskel stellt ein Atmungssystem dar, in dem alle Glieder noch anwesend, in dem aber leicht diffusible Stoffe, wie die Bernsteinsiure, weit- gehend verdiinnt sind. Werden diese durch ihre Verdiinnung zum limitierenden Faktor der Atmung, so muB durch ihre Zu- gabe die Atmung gesteigert werden. Wird nun 1 ccm 0,1 Mol. Bernsteinsiure dem System zu- gesetzt, so zeigt sich gleich zu Beginn des Versuches eine erhéhte Sauerstofiaufnahme, die man der Oxydation der Bernsteinsdure zu Fumarsiure zuschreiben kénnte. In 20—30 Minuten ist be- reits um so viel mehr Sauerstoff aufgenommen, als es der Oxy- dation der zugesetzten Bernsteinsiure zu Fumarsiure entspricht. Der Mehrverbrauch macht hier aber keinen Halt. Wihrend sich aber die Kurve des Sauerstoffverbrauches beim Muskel ohne Succinat bald abzuflachen beginnt, geht die erhéhte Atmung des Muskels mit Bernsteinséure ungehindert weiter, so da8 dieser Muskel bald um 100—600°/, mehr Sauerstoff verbraucht als die Kontrolle. In gleicher Weise verhalt sich der Muskel, wenn an Stelle der Bernsteinsiure Fumarsiiure zugesetzt wird. 8 B.Gézsy und A. Szent-Gyéirgyi, Obwohl der gewaschene Muskel Bernsteinsiure nur zu Fumar- siure zu oxydieren vermag, kénnte doch daran gedacht werden, da® der ungewaschene Muskel befihigt ist, die Sdure volistindig abzubauen, und der erhéhte Sauerstoffverbrauch nach Zufiigung dieser Substanz nicht durch ihre katalytische Wirkung, sondern einfach durch ihre vollstandige Oxydation bedingt sei. Zur Oxydation der Bernsteinsiure zu Fumarsiure sind blo8 zwei, zur Oxydation zu CO, und H,O 16 Aquivalente ndtig. Um diese Frage zu entscheiden, wurde in einer Versuchs- reihe der Muskelsuspension (diesmal in +/,, Mol. Phosphat) je Lcom Mol. 4/.5, Yoo: ‘gos U/go Fumarsiiure zugesetzt. Als Kon- trolie diente Muskel mit 1 ccm Wasser. Nach Schlu8 der Respirometer wurde die Sauerstoffaufnahme 90 Minuten lang verfolgt. Die spontane Sauerstoffaufnahme wurde durch die Fumarsiure auf das 3-, 2,6-, 2,5- und 1,8-fache gesteigert. Sollte die Zunahme des Sauerstoffverbrauches durch die irreversible volistandige Oxydation der Fumarsiure erklirt werden, so muBte im ersten Ansatz 1/,, im zweiten 1/,, im dritten und vierten die gesamte Fumarsaure zu CO, und H,O oxydiert sein, DaB dies jedoch nicht der Fall war, zeigte die chemische Ana- lyse. Nach EnteiweiBung der Flissigkeiten mit Trichloressig- siure wurde die gesamte zugesetzte Fumarsiure wiedergefunden, und zwar zu %/, als Apfelsiure, zu 1/, als Fumarsiure, da bekannilich Fumarsiure durch den Muskel zu */, zu Apfelsiure hydriert wird. Die Apfelsiure wurde polarimetrisch in Gegenwart von Uranylacetat bestimmt. Die Fumarsdure wurde durch Titration mit KMnO, ermittelt. Die Titration gibt nur Naherungswerte. 1 Mol. Fumarsiiure verbraucht 4 Aquivalente; der weitere Verbrauch verliuft langsam. Diese beginnende Verlangsamung kann als Endpunkt genommen werden. Natiirlich wurde die Korrektur fir den Verbrauch des Kontrollversuches ohne Fumarsdure beriicksichtigt. Diese Befunde stehen in guter Ubereinstimmung mit den Ergebnissen Clutterbucks, der auch kein Verschwinden der Fumarsiure findet und darauf seine auch von uns benutzte Be- stimmungsmethode griindet. Hiermit ist also gezeigt, daB die Zunahme des Sauerstoff- verbrauches bei Zusatz von Fumarsiure rein katalytischer Natur ist, wobei die Bernstein- bzw. Fumarsiure die Rolle des Kata- lysators spielt, Uber den Mechanismus der Hauptatmung des Taubenbrustmuskels. 9 Atmungshemmung durch Maleinsiure. Kinen weiteren Beweis fiir die Bedeutung des Succinats, und zugleich ein weiteres schénes Beispiel spezifischer Atmungs- hemmung durch Adsorptionsverdrangung bildet die, durch Thun- berg entdeckte hemmende Wirkung der Maleinsiure. Ebenso wie die Malonsiure vermag auch die Maleinsiure die Atmung schon in sehr geringer Konzentration sehr weitgehend zu hemmen. Beide Siuren hemmen die Atmung in gleichem Mae. Bei beiden Stoffen scheint diese hohe Aktivitét mit dem einfachen chemischen Bau in Widerspruch zu stehen, Thunberg selbst stand ganz erstaunt dieser Aktivitit gegentiber, die ihm um so unversténdlicher schien, da doch Maleinsiure auch selber als Wasserstoffdonator wirkte. Die Analyse am ungewaschenen Muskel gibt tiber den Me- chanismus der Hemmung keinen Aufschlu8. Die Dehydrierungs- prozesse (d. h. Entfarbung von Methylenblau) werden durch Ma- leinat nicht gehemmt. Auch hat Maleimat keimen HinfluB auf die Sauerstoflaktivierung. Der gewaschene Muskel gibt auch keine Erklirung. Weder die Dehydrierung (Methylenblauentfarbung) von Lactat noch die von Hexosediphosphat oder Succinat wird durch Maleinat gehemmt. Die katalytische Funktion des Systems Bernsteinsiure (Fu- marsiure) gibt ebenso wie fiir Malonat auch fiir Maleinat eine befriedigende Erklairung. Wihrend Malonat der Bernsteinsiure am ndchsten verwandt ist, steht Maleinat der Fumarsiure am nichsten. Es kann also erwartet werden, da& an der Ferment- oberflache Maleinat mit Fumarat in Konkurrenz treten und die Atmung entsprechend hemmen wird, wenn Fumarat bei dieser eine bedeutende Rolle spielt. Dementsprechend wird auch die atmungs- steigernde Wirkung von Fumarat (1 ccm 0,1 Mol) durch die gleiche Menge Maleinat ginzlich ausgeschaltet”*). Zusammenfassung. An dem Atmungsproze8 des zerkleinerten Taubenbrustmus- kels ist auBer der Kodehydrase auch ein anderer koferment- artiger Stoff beteiligt. *) Malonsdure vermag die Atmungssteigerung durch Fumarat nicht zu hemmen.