STUDIEN. STUDIEN IN DER ANATOMIE
DES
NERVE NSYSTEMS
UND DES
BINDEGEWEBES
VON
AXEL KEY und GUSTAF RETZIUS.
, . I
LEHRER AM CAROLINSCHEN MEDICO-CHIRUROISCHEN INSTITUTE
IN STOCKHOLM.
ERSTE HÄLFTE.
MIT 39 TAFELN.
IN COMMISSION
STOCKHOLM
DRUCK
SAMSON & WALLIN.
BEI
1875.
P. A. NORSTEDT & SÖNER.
VON DEM HOCHGEBORNEN
HERRN CARL BALTZAR ERNST
GRAFEN VON PRAXEN
DURCH DESSEN GROSSARTIGE UNTERSTÜTZUNG ES MÖGLICH WURDE,
DIE ERGEBNISSE IHRER UNTERSUCHUNGEN NACH GEWÜNSCHTEM PLANE
ZU VERÖFFENTLICHEN,
WIDMEN DIESE ARBEIT
EHRERBIETIG UND DANKBAR
DIE VERFASSER. "V or’wort.
Die Untersuchungen, deren Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit veröffentlicht werden, begannen im Herbste
1801) und wurden mit nur geringen Unterbrechungen bis zur jetzigen Zeit fortgesetzt. Den Ausgangspunkt
dieser Untersuchungen bildete eine Reibe von Versuchen, welche den Zweck hatten, die Frage von dem Zu-
sammenhang der Subarachnoidalräume unter sich sowie der übrigen Saftbahnen des Gehirns und Rückenmarks
7AI erortern. Wir kamen indessen bald zu Resultaten, welche uns aufforderten, den Kreis unserer Forschungen
mehrfach zu erweitern. Es gelang uns durch Injectionen vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks aus nicht nur
sammtliche Subarachnoidalräume des Gehirns, sondern ausserdem die Hirnhöhlen und die inneren Saftbahnen der
TT* 7
'111J“ mid Rückenmarksubstanz zu füllen; ferner erhielten wir dabei einen Abfluss der serösen Flüssigkeit dieser
TV ; • °
■ vaume nach dem Blutgefässsystem hin durch die Arachnoidalzotten; wir fanden, dass die genannten Räume auch
mit dem übrigen Lymphbahnsystem des Körpers sowie mit den Safträumen der höheren Sinnesorgane in directer
ei bindüng stehen. Endlich erhielten wir aber auch bei diesen Injectionen Füllung der vorher nicht beachteten
aftbahnen des peripherischen Nervensystems. Den zwischen Dura mater und Arachnoidea befindlichen Raum
den Subduralraum fanden wir von den Subarachnoidalräumen und den inneren Saftbahnen der Centralorgane
ganz abgetrennt und erst peripherisch mit ihnen zusammenhängend, indem nämlich dieser Raum ebenso durch die
Arachnoidalzotten nach dem Blutgefässsystem hin Abfluss hat, und ausserdem mit dem peripherischen Lymphgefäss-
system und mit den Saftbahnen der höheren Sinnesorgane sowie mit denjenigen der peripherischen Nerven in Ver-
bindung steht. Durch die Injection der peripherischen Nerven gelang es uns nicht nur die erwähnten Saftbahnen
derselben zu finden, sondern wir wurden auch zu einer eingehenderen Erforschung des Baues des peripherischen
Nervensystems im Allgemeinen geführt. Da wir bei diesen Untersuchungen die Anordnung und den Bau der be-
tieffenden Theile zu erforschen suchten, wurden wir immer mehr auf die brennende Frage der Histologie, diejenige
vom Bau des Bindegewebes, geleitet; dieser Frage haben wir deswegen umfassende Studien gewidmet. In den Häuten
des Gehirns und Rückenmarks fanden wir Prototypen des lockeren, saftraumreichen ebenso wie des festen, fibrösen
Bindegewebes; in den peripherischen Nerven und den Pacinischen Körperchen erkannten wir eine Anordnung des
Bindegewebes, welche wir als das lamellöse oder umscheidende beschrieben haben; im Opticus und in den Central-
erganen untersuchten wir noch andere Typen dieses Gewebes. Um aber die gewonnenen Ergebnisse auch in weiterer
Ausdehnung eingehender zu prüfen, zogen wir noch andere Organe und Organtheile in den Kreis der Untersuchungen.
Besonders widmeten wir dem Bau der Sehnen genauere Studien. Ferner suchten wir die Anordnung des Binde-
gewebes und die Saftbahnen der äusseren Haut u. s. w. zu eruiren.
Bei einem solchen Umfange unseres Forschungsgebietes nahmen natürlicherweise die Untersuchungen eine
geraume Zeit in Anspruch, um so mehr als wir uns bemüht haben, jede der hauptsächlichen Fragen mit möglichster
Sorgfalt zu behandeln. Zwar hängt bei histologischen Studien sehr viel vom Auge des Forschers selbst ab; viel
beruht aber auch auf den von ihm angewandten Methoden. Durch die eine Methode kann man ja oft ein Resultat,
burch eine andere ein mehr oder weniger verschiedenes erhalten. Deswegen ist bei solchen Untersuchungen eine
( ontrollirende Prüfung mittels verschiedener Methoden oder eine Combination derselben von sehr hohem Werth, und
Wl 1 versuchten immer nach diesem Grundsatz zu arbeiten. Es dürften wohl, wenn dieser Grundsatz eine allgemeinere
Beachtung fände, in der Wissenschaft nicht gar so viele verschiedene Ansichten hervortreten.
Freilich können in keiner menschlichen Arbeit Fehler vermieden werden; Alles ist ja in gewissem Grade
subjectiv. Indessen hängen ohne Zweifel manche Fehler davon ab, dass der Forscher seine Untersuchungen oft
ZU Bcbnell abfertigt und die Resultate derselben veröffentlicht. Der Eifer, mit welchem die Forschungen in unserer
61 betrieben werden, bringt zwar viel Schönes zu Tage, aber auch viel Unreifes; diese unreifen Früchte zu
beseitigen kostet dann oft viel mehr Mühe, als die Arbeit, welche sie hervorrief, und weit mehr als sie verdienen. Vieles Schiefe in der Auffassungsweise hängt auch davon ab, dass der Forscher ein zu beschränktes Gebiet
bearbeitet. Durch Ueberschauung und mehr allseitige Durchmusterung der den Gegenstand berührenden Felder
gewinnt er eine unbefangenere und sicherere Auffassung. Wie oft kommt es nicht vor, dass er nach Beendigung einer
Untersuchung und dem Uebergang zu einem angrenzenden Gebiete erst dort findet, dass er eine schiefe Anschauung
erhalten hat und das erste Feld von einem neuen Gesichtspunkte aus bearbeiten muss.
Diese Auffassung war es, welche uns veranlasst hat, ein grösseres Gebiet zu überblicken und möglichst genau
zu durchforschen. Eben darin liegt, unserer Meinung nach, ein Hauptverdienst der vorliegenden Arbeit. Zwar ist
es ohne Zweifel viel angenehmer, auf einem Felde nur die zuerst und am leichtesten zu gewinnenden Früchte zu
pflücken. Nicht selten erhalten wir die besten eben am Anfang der Untersuchung, während die übrigen unsern
Bemühungen oft hartnäckig widerstehen. Jedenfalls erfordert eine solche eingehendere Ausführung viel Mühe und
Geduld, und eigentlich wird doch nie etwas in dieser Hinsicht beendigt; immer bleiben hie und da jene ärgerlichen
Zweifel und Fragezeichen zurück. Wie weit, lässt sich aber fragen, sollte nun der Forscher im bezüglichen Falle
seine Versuche fortsetzen? Nach unserer Ansicht, im Allgemeinen so weit als es möglich ist, mit den ihm zu Gebote
stehenden Hülfsmitteln Instrumenten und Methoden vorzudringen. Dann soll er ehrlich das wirklich Gefundene
und das Zweifelhafte genau trennen und das Letztere nie verhehlen. Die ihm ärgerlichen Fragezeichen sind ja eben
die Anreger kommender Forschungen.
Es sind somit einige der Prinzipien angedeutet worden, nach welchen wir versucht haben zu arbeiten; in
wie weit es uns gelungen ist, denselben immer treu zu bleiben, wollen wir nicht selbst beurtheilen.
Noch ein Umstand dürfte aber hier zu berücksichtigen sein. Wir meinen die Behandlung des geschichtlichen
Theils der betreffenden Fragen. Vielleicht scheint es dem Einen oder Anderen, dass wir in dieser Hinsicht eine zu
grosse Ausführlichkeit angewandt haben. Eingehende Studien der bezüglichen anatomischen Literatur haben uns
indessen gelehrt, dass schöne Beobachtungen aus der vergangenen Zeit oft von einer späteren wenig berücksichtigt
oder ganz vergessen worden sind. Meist hat dies wohl darin seinen Grund, dass die bezüglichen Untersuchungen
zur Zeit ihres Hervortretens zu geringe geschätzt oder wohl gar nicht verstanden wurden. Nicht selten sind ja
Entdeckungen gemacht, die ein verflossenes Zeitalter schon für sich in Anspruch nehmen darf. Es erschien uns
deswegen mehr und mehr als Pflicht die betreffende Literatur sorgfältig durchzugehen, die Entdeckungen und
Beobachtungen Anderer der Vergessenheit zu entziehen und im Allgemeinen das Verdienst eines Jeden so unparteiisch
als möglich anzuerkennen. Deswegen haben wir in der vorliegenden ersten Hälfte unserer Arbeit zuerst eine all-
gemeine Uebersicht der bisherigen Angaben betreffs der Häute und der serösen Räume der nervösen Centralorgane
sowie der damit zusammenhängenden Fragen der Zeitfolge nach geliefert und dann jeder einzelnen Abtheilung einen
kurzen historischen Rückblick voran geschickt, ln der zweiten Hälfte werden wir denselben Principien folgen.
Es ist in der Geschichte der Wissenschaft kein seltenes Vorkommniss, dass dieselbe Entdeckung gleichzeitig von
verschiedenen Forschern und doch unabhängig von einander gemacht wird. Es scheint ja oft, als ob die Entdeckungen,
wenn die nöthigen Vorarbeiten ausgeführt sind, gewissermassen von selbst hervortreten. Während so langwieriger und
brennende Fragen betreffender Arbeiten wie die unsrigen ist dies »gleichzeitige Hervortreten» natürlicherweise mehr-
mals eingetroffen. Wir werden bezüglich dieser Verhältnisse, unseren Prinzipien gemäss, uns nie auf Prioritäts-
streitigkeiten einlassen, durch welche die Wissenschaft nichts gewinnt, und haben uns deswegen darauf beschränkt,
in der geschichtlichen Einleitung über das von uns in einigen vorläufigen Abhandlungen ebenso wie über das von
Anderen Veröffentlichte der Zeitfolge nach einfach zu referiren. Wir haben uns consequent Controversen fern-
gehalten, indem wir soviel als möglich wörtlich die Ansichten eines jeden Verfassers anführten und dann in be-
sonderen Abschnitten unsere eigenen Untersuchungen und Anschauungen mittheilten.
Es schien uns vom Anfang unserer Arbeiten an, dass ein sehr wichiiges Erforderniss für den Aufschwung
der Histologie die Herstellung möglichst getreuer Abbildungen sei. Zwar hängt der Fortschritt dieser wie anderer
Wissenschaften grösstentheils von der Erfindung guter Forschungsmethoden ab. Die Befestigung der durch diese
Methoden zu gewinnenden Resultate beruht aber unserer Meinung nach in vorzüglichem Grade auf sorgfältig aus-
geführten und hinreichend zahlreichen Abbildungen. In dieser Hinsicht haben wir deswegen weder Mühe noch
Opfer gespart. Nur wer es versucht hat, eine grössere Reihe von getreuen histologischen Abbildungen zu liefern,
kennt indessen alle die Schwierigkeiten, welche sich einer solchen Arbeit entgegenstellen. Es reicht nicht hin,
durch umfassende Untersuchungen sich eine eigene Ueberzeugung zu verschaffen; man muss auch möglichst gute
und den in die betreffende Wissenschaft uneingeweihten Zeichnern deutliche Präparate vorlegen; dies kostet nicht
selten unverhältnissmässig viel Zeit. Dann aber muss man immerfort die Ausführung dirigiren und controlliren.
Wenn man endlich eine die Natur möglichst genau wiedergebende Zeichnung erhalten hat, muss sie für das Graviren
einem anderen Artisten, der nicht einmal die betreffenden Präparate gesehen hat, übergeben werden; wie viel hängt
dann nicht von seiner Auffassung und seinem Feingefühl ab, dass das Endresultat i rklich dem Bilde entspricht, welches das ursprüngliche Präparat ergab. Nach und nach kann sich in dieser Weise die Abbildung ziemlich weit
von der Natur entfernen. Im Bewusstsein dieser Umstände haben wir uns unter gefälliger Beihülfe ausgezeichneter
Artisten bemüht, jenen Gefahren möglichst zu entgehen.
Wir erfüllen hier eine angenehme Pflicht, den Herren Artisten, welche uns hierin mit ihrer Geschicklichkeit
ihrem Interesse für die Sache und ihrer Ausdauer zur Seite standen, unseren besten Dank abzustatten. Wir sind
so glücklich gewesen, einen so einsichtsvollen Zeichner wie den Herrn N. 0. Björkman zu unserem Beistand o-ehabt
zu haben, und wir danken ihm bestens für die Sorgfalt, welche er bei der Ausführung der so viel Geduld erfor-
dernden Zeichnungen bewiesen hat. In gleicher Weise sind wir dem Herrn Th. Lundberg, welcher während
mehrerer Jahre bereitwillig uns seine geschickte Pfand geliehen hat, verpflichtet. Betreffs des Gravirens und des
Druckes der Tafeln sind wir den Herren Schlachter und Seedorff in Stockholm (Centraltryckeriet) für die von ihnen
meisterhaft ausgeführten Tafeln sehr verbunden. Ebenso fühlen wir uns der Firma J. G. Bach in Leipzig für die
Bereitwilligkeit, mit welcher dieselbe uns ihre besten Kräfte zur Disposition gestellt hat, nicht weniger dem Herrn
W. Grohmann in Berlin für seine schönen Kupfertafeln, welche in der zweiten Hälfte des Werkes erscheinen werden
sowie auch den anderen geschickten Künstlern, welche uns bei der Ausführung der Tafeln Beistand geleistet haben
zu Danke verpflichtet.
Der Firma P. A. Norstedt & Söner in Stockholm, welche die typographische Ausstattung des Werkes besoroü
hat, sprechen wir für ihr wohlwollendes Entgegenkommen unsere Verbindlichkeit aus.
Eine so speciell wissenschaftliche Arbeit wie die vorliegende in unserer Muttersprache zu veröffentlichen
schien uns wegen des dadurch gar zu beschränkten Leserkreises nicht geeignet. Von den internationalen Sprachen
haben wir die deutsche gewählt, weil wir mit derselben am meisten vertraut sind. Die Fehler und nicht ganz zu-
treffenden Ausdrücke, welchen man bei dem Gebrauch einer fremden Sprache natürlicherweise nicht entgehen kann,
mögen dadurch entschuldigt werden, dass die Arbeit von uns selbst in deutscher Sprache geschrieben ist. Jedenfalls
dürften dadurch weniger sinnstörende Fehler begangen worden sein, als wenn ein mit der Sprache aber nicht mit
dem Inhalte Vertrauter die Uebertragung ins Deutsche ausgeführt hätte.
Stockholm im November 1875.
Axel Key.
Gustaf Retzius. Verzeichniss der verschiedenen Abtheilungen des Textes der ersten Hälfte.
Geschichtliches über die Kenntniss der Häute und der serösen Räume des Gehirns und Rückenmarks 1
Der Subduralraum des Gehirns und Rückenmarks 57
Die Subarachnoidalräume und die allgemeine Anordnung der weichen Haut des Hirns und Rückenmarks 75
Heber den offenen Zusammenhang der Hirnventrikel mit den Subarachnoidalräumen m
Der feinere Bau der Häute des Gehirns und Rückenmarks 123
Allgemeine Histologie der weichen Haut 123,
Specielle Histologie der weichen Haut I35
Die Histologie der Dura mater 155
Die Arachnoidalzotten oder die sogenannten Pacchionischen Granulationen jßg
Die Scheiden und die Scheidenräume des Opticus und der Zusammenhang derselben mit den Hüllen und
den serösen Räumen des Gehirns igg(
Der innere Bau und die Saftbahnen des Opticus 194
Der Stamm des Opticus 201.
Die Lamina cribrosa 205.
Die Papilla optici 207.
Die Lymphbahnen des Sehnerven 207.
Das suprachorioidale Gewebe 209.
Die Verbindungen der Scheidenräume des Acusticus und der serösen Räume des Gehörlabyrinthes mit den
serösen Räumen der nervösen Centralorgane 211.
Die Lymph- und Saftbahnen der Nasenschleimhaut in ihrer Verbindung mit den serösen Räumen der nervösen
Centralorgane 217.
Seite, Geschichtliches über die Kenntniss der Häute und der serösen Räume des Gehirns
und Rückenmarks.
Es kann hier nicht unsere Absicht sein, alle Angaben der Verfasser über die betreffenden Fragen, von den
ältesten Zeiten bis auf unsere Zeit, anzuführen und zu durchmustern. Uns gehört es nur, jeden bestimmten Fort-
schritt so wie auch jeden Rückschritt in der exacten Erforschung dieser Fragen hervorzuheben und die mehr be-
zeichnenden Ansichten jeder Zeit zu betonen. Deswegen werden wir hier im Allgemeinen nur solche Angaben
besprechen, welche auf einer mehr selbstständigen Untersuchung gestützt zu sein scheinen. Das übrige wird sum-
marisch angeführt.
Der übersichtlichen Darstellung wegen könnte es vielleicht wünschenswert!! erscheinen, die Geschichte der
weichen und der harten Haut in besonderen Capiteln abzuhandeln. Es hat sich aber bei einem Versuch in dieser
Richtung gezeigt, dass dies schwer auszuführen ist, weil die historischen Data dieser Bildungen oft so innig mit
einander verflochten sind, dass eine solche Trennung in mehrfacher Hinsicht eine künstliche wurde. Deswegen sind
sie hier unten, in zeitlicher Folge, zusammen besprochen worden. Auch die Lymphbahnen der Sinnesorgane mussten
wegen ihrer Verbindung mit den serösen Räumen der Centralorgane in Zusammenhang mit diesen behandelt werden
In Folge davon soll am Anfang der besonderen zu dieser Abtheilung gehörenden Capitel unserer eigenen Unter-
suchungen ein kurzer Rückblick auf die wichtigsten geschichtlichen Data gemacht werden. Die Geschichte der
sonst auch zu den Häuten des Gehirns gehörenden Pacchionischen Granulationen konnte indessen ohne Zwamr zu
• O
einer von der Geschichte der Häute abgetrennten Abtheilung geführt werden und ist deswegen als ein Anhang
unten beigefügt.
Hier werden also zunächst folgende Bildungen berücksichtigt:
Die weiche Haut (die Arachnoidea, das Subarachnoidalgewebe, die Pia propria), die harte Haut
(die Dura mater), die serösen Räume der nervösen Centralorgane und ihre Verbindungen mit den Lymphbahnen
der Sinnesorgane und dem peripherischen Lymphgefäss-system.
Nach Galenits x) wird das Gehirn von zwei Membranen umgeben. Die eine, welche gefässreicher ist, lieo-t
dem Gehirn an. Die andere t) (JxArjpij, meninx dura), welche sehniger (nervosior) ist, befindet sich nach aussen
von der ersteren, haftet mehr an einigen Theilen des Schädels an, dringt durch die Suturen hinaus und hängt mit
dem Pericranium zusammen. Er erwähnt, dass die innere dünne Haut (,urjnyis i) lSTzrrj, meninx tenuis) in die Ven-
trikel eindringt, will aber nicht, wie mehrere andere ältere Anatomen, diesen Theil besonders Plexus chorioides nennen
Ras Rückenmark ist ebenso wie das Gehirn von Membranen umgeben 2), nur mit dem Unterschied, dass an jenem
keiner Raum zwischen denselben vorhanden ist, was aber am Gehirn der Fall sein soll, und ferner dass am Rücken-
B Opera orania. T. 111. Ed. Kühn. p. 710. 2) 1. c. T. IV. p. 113.
Key und Eetzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems.
1 mark noch eine dritte mächtige sehnige Membran die übrigen nmgiebt. Galenus nimmt an, dass das Gehirn pulsirt,
das Rückenmark aber nicht, und dass deswegen an jenem der erwähnte Zwischenraum vorhanden sei, an diesem
nicht. Die dritte Membran schützt das Rückenmark bei den Bewegungen des Rückgraths und ist auch auswendig
von einer viscösen Flüssigkeit umgeben *). Betreffs der aus dem Gehirn stammenden Nervenwurzeln spricht sich
Galenus 2) entgegen der Auffassung von Erasistratus aus, welcher sie nicht vom Gehirn, sondern eben aus den
Membranen ihren Ursprung erhalten liess. Jeder Nerv ist nämlich nach Galenus mit drei Substanzen versehen.
Der mittlere und grössere Theil entsteht aus dem Gehirn selbst; er wird erstens von einem Fortsatz der dünnen,
zweitens von einem der dicken Membran rings umfasst; Erasistratus mag also nach Galenus nur diesen äusseren,
von der dicken Membran stammenden Theil der Nerven gesehen haben.
Die vorderen Ventrikel des Gehirns stehen, nach Galenus, durch eine Oeffnung mit dem Ventrikel des hinteren
Gehirns, oder des Cerebellum, in Verbindung. Der Spiritus animalis, der in dem vorderen Ventrikel bereitet werde,
könnte durch diese Oeffnung in den letzteren hineinkommen. Die Purgation der Ventrikel von den überflüssigen und
excrementiellen Theilen geschehe durch Oeffnungen der Hirnhäute und des Schädels nach der Nase und dem Gaumen
hin. Galenus sagt, dass die Ventrikel von dem Spiritus animalis gefüllt sind; Wasser scheint er aber in der That
nicht, soweit wir es finden können, in den Ventrikeln gesehen und erwähnt zu haben.
Vesalius 3) sagt bei der Beschreibung der Membrana dura cerebri, dass ihre »innere Fläche von einer wässrigen
Flüssigkeit viel mehr benetzt ist als die äussere und viel mehr weissglänzend». Er schildert die Cavität der Mem-
brana dura als ein wenig räumlicher als die Gehirnmasse selbst zusammen mit der Membrana tenuis; dies eben, um nicht
die Ausdehnung und Zusammenziehung der Gefässe der Membrana tenuis zu hindern. Mit den austretenden Nerven und
mit der Medulla dorsalis sendet auch nach Vesalius die Membrana dura Fortsätze wie Häute um dieselben hinaus.
An der inneren Schädelfläche findet sich kein besonderes Periost. Mit dem Pericranium steht diese Membran, wie
schon Galenus gesagt, durch die Suturen in Verbindung. Die Membrana tenuis bedeckt überall die Oberfläche des
grossen und kleinen Gehirns mit Ausnahme des Corpus callosum, und sie sendet Fortsätze in alle Furchen des
Cerebrum und Cerebellum, sowie auch in die Ventrikel des Cerebrum. Diese Membran wird an ihrer äusseren Ober-
fläche von einer wässrigen Flüssigkeit benetzt4). Betreffs der Ventrikel endet ihr absteigender Gang (ductus) nicht
in das Geruchsorgan oder in die Sehnerven, noch weniger perforirt er das Geruchsorgan in dessen Continuität,
sondern führt den Schleim (pituita) durch das Infundibulum in die Glandula pituitaria hinab, von wo dieselbe schon,
mittelst zwei Paar Ausführgänge, das vordere Paar durch dieselben Canäle des Schädels wie das das zweite Nervenpaar
durchlassende, das hintere durch die Foramina lacera (?), nach dem Gaumen und der Nasenhöhle geführt wird. Die
Ventrikel sind nicht, wie Galenus gesagt, der Sitz des Geruchsorgans. Der Schleim wird gar nicht, was ganz un-
richtig ist, durch den im Dach der Nasenhöhle befindlichen, wie ein Sieb oder ein Schwamm durchlöcherten Knochen,
durch die hohlen Geruchsorgane, wie durch einen Canal, herabgeleitet. Die ganze Ventrikeloberfläche ist schlüpfrig
und mit einer wässrigen Flüssigkeit überzogen, und bei Dissectionen erscheint sie (der Ventrikel?) zuweilen mit der-
selben gefüllt. Die Ventrikel des grossen Gehirns haben zwei Ausführgänge (meatus); der eine ist der schon erwähnte,
durch das Infundibulum gerade nach dem Cyathum führende, der andere ist der Gang, der nach den vierten Ven-
trikel führt; sie werden beide von ihm in ihren Beziehungen zu den umgebenden Theilen ziemlich genau beschrieben.
Der vierte Ventrikel hält nur wässrige Flüssigkeit, die übrigen drei aber noch dazu Plexus. Die Ventrikel des
grossen Gehirns sind nach ihm nicht, wie Galenus und seine Nachfolger es beschrieben haben, von einer Membrana
tenuis, wie das grosse Gehirn selbst, bekleidet.
Vesalius betrachtet sonst die Ventrikel nur als Cavitäten und Sinus, in welchen die durch die Inspiration
eingezogene Luft und der vom Herz nach ihm übergesandte Spiritus vitalis durch die besondere Materie und Be-
schaffenheit des Gehirns in den Spiritus animalis verwandelt wird, welcher dann in die verschiedenen Nerven aus-
strömt und ihnen ihre specifischen Functionen verleihet.
J) Diese viscöse Flüssigkeit Galen’s befand sich also nach aussen von der dritten, die Dura umgebende, Membran, und nicht
nach innen von der Dura, wie Jüdin (Magendie: Recherchcs physiol. et cliniques sur le liquide cephalorachidien 1842) es aufgefasst hat.
Sie hat also gar nichts mit der Cerebrospinalflüssigkeit zu thun 2) 1. c. T. V. p. 602. 3) Opera omnia anatomica et chirurgica.
Cura Boerhave & Albini. De corporis humani Fabrica Lib. VII p. 537 & sequ. 4) Bei Magendie wird, nach Dr d’Arembeeg, erwähnt,
dass Vesalius schon die Existenz der Arachnoidca durch die Flüssigkeit, welche sie secernirt, erkannt hatte. Dies ist aber nicht richtig.
Vesalius spricht nicht von einem besonderen Blatt der Membrana tenuis, sondern sagt nur, dass ihre Oberfläche von einer wässrigen
Flüssigkeit benetzt ist. 3
Betreffs des Sehnerven sagt Vesalius, dass derselbe von den Membran se tennis und dura des Gehirns begleitet
und umgehüllt wird (An seinen Abbildungen giebt er auch diese beiden Häute wieder). Am Auge geht die Membrana
dura in die Membrana dura des Auges, die Membr. Tennis in die Uvea des Auges über; innerhalb derselben breitet
sich der Sehnerv selbst als eine Membran (involucrum) aus.
Nach Willis x) ist die Ansicht der Aelteren, dass die Gehirnventrikel als Fabriken für die Bereitung der
Spiritus animales anzusehen sind, nicht richtig. Die der Neueren dagegen, dass sie Cloaken seien, wo sich ein
excrementitieller Stoff ansammelt, ist nach ihm sehr wahrscheinlich, und wird sogar dadurch bestätigt, dass man die
Ventrikel oft nach dem Tode mit Wasser gefüllt findet; in mehreren Zuständen, besonders bei Kopfkrankheiten, bei
soporösen Krankheiten, bei hydropischen Gehirnen, ist das der Fall; das Wasser sammelt sich dabei allmählig. Durch
das Infundibulum sowohl als durch das Os cribriforme scheinen die Ventrikel ihren Abfluss zu haben. Zwar kann
man bei der Untersuchung keine Oeffnungen finden; es ist aber anzunehmen, dass während des Lebens solche exi-
stiren. Durch das Infundibulum fliesst das Wasser in die Glandula pituitaria hinein, und von da wird es in die
Blutgefässe aufgenommen. Mehr zweifelhaft ist der andere Abflnssweg durch die Processus mamillares und das Os
cribriforme in die Nasen- und Gaumenhöhle hinein. Unter den Corpora quadrigemina findet sich eine Höhle oder
em langer und schmaler Canal, welcher nach dem unter dem Kleinhirn liegenden Ventrikel führt und in ihn sich öffnet*
dieser Canal leitet die Flüssigkeiten des genannten Ventrikels nach dem Infundibulum. Das hintere Ende ist von
einer feinen Membran bedeckt, die, den Umfang des Kleinhirns umgebend, den Abfluss der Flüssigkeiten nach hinten
hindert; zuweilen geschieht es doch, dass durch die Ueberfüllung die Membran berstet, und dann fällt die wässerige
k Bissigkeit an der Basis des verlängerten Markes herab, die Wurzeln der Nerven comprimirend und convulsive
Affectionen und starke Syncope verursachend; in Leichen soll Willis dies oft wahrgenommen haben.
Nach Aieussens2) ist die Pia meninx eine sehr feine, aus Fasern gebildete und durchsichtige Membran, welche
das ganze Gehirn und die davon abgehenden Nerven umhüllt, sich aber dann, in den Vertebral-Canal hinabsteigend,
m zwei Membranen spaltet, von denen die äussere das Rückenmark und dessen austretende Nerven umfasst, die
innere das Mark eng umschliest und auch die Nerven bekleidet.
In den Ventrikeln findet sich eine wässerige Flüssigkeit, welche aus den Arterien der Glandulae pituitaria
pmealis und chorioidege abgesondert wird. Diese Flüssigkeit kann nach Vieussens’ Versuchen nie nach unten von
dem Aquaeductus Sylvii aus den Ventrikeln des grossen Gehirns hinabsteigen. Die des vierten Ventrikels kann nicht
111 den dritten Ventrikel kommen. Was wird denn aus dieser wässrigen Flüssigkeit? Die Membrana pituitaria ist
entschieden nicht für ihren Abfluss bestimmt; Vieussens bekämpft diese Ansicht der Aelteren. Sie wird aber von der
Glandula pituitaria aufgesammelt und fällt in die beiden Receptacula, die an den Seiten der Sella turcica liegen; ein
anderer Theil fliesst durch die Venen in den vierten Sinus. Vieussens hatte viele Leichen geöffnet, bei welchen er
Wasser bald nur in den Ventrikeln des Gehirns, bald in diesen und unter der Dura mater zugleich gefunden. Wenn
es sich an der Oberfläche des Gehirns befindet, entsteht Hydrocephalus ohne Paralysie der unteren Theile des Kopfes-
findet es sich zwischen der Pia und der Dura mater, ensteht auch Hydrocephalus ohne Paralysie, wenn die Flüssigkeit
nur um das grosse Gehirn liegt; aber mit Paralysie, wenn sie um das kleine Gehirn ausgebreitet ist. Im letzteren
lalle werden nämlich die spinalen Nervenwurzeln comprimirt, weil dabei die Flüssigkeit durch ihre Schwere in den
Vertebralcanal hinabfällt. Der Bestätigung wegen räth Vieussens, Injectionen von Flüssigkeiten anzustellen; man
trage den hinteren Theil der Wirbel ab, mache eine Ligatur um das Rückenmark und eine Incision an seinen Hüllen
oberhalb der Ligatur; dann trage man die Parietalknochen ab, mache eine Incision an der Dura mater, führe an
dieser Stelle eine Flüssigkeit hinein, welche die Dura mater erhebt: Sie bleibt vollständig im Schädel zurück, kein
Propfen steigt in das Rückenmark hinab. Wenn man aber die Flüssigkeit unter der Dura des Kleinhirns einführt
fällt sie um das Rückenmark herunter. Nach Vieussens scheint die wässerige Flüssigkeit der Hirnventrikel kein
wirkliches Excrementum zu sein.
Pacchioni 3) hat eine ausserordentlich ausführliche Arbeit der »Dura meninx» gewidmet und hat ihr sogar
sehr merkwürdige Eigenschaften zugeschrieben, welche er durch Untersuchungen ihrer Structur und Beobachtuno-en
o
x) Cerebri anatome nervorumque descriptio et usus. Amstelodami 16(34. 2) Nevrographia universalis Francofurti 1690. (Vercd
douiN s Darstellung in Magendies Recherches physiologiques et cliniques sur le liquide cephalo-rachidien ou cerebro-spinal. Paris 1842)
) Antonio Pacchioni regiensis inedici et anatomici roraani Opera. Editio quarta. Romse 1741. Durse meningis detecta nuperrime fabrica
et usus etc. Epistola ad Fantonum 1712 und 1729. Bpistola ad Scbrokium 1705 etc. 4
am Krankenbett sowie durch Experimente am lebenden Thier zu stützen suchte. Er sah in der Dura »einen mein-
branösen Muskel eigenthümlicher Art, dreibäuchig und viersehnig». »Zwei dieser Muskelbäuche sind obere und enthalten
das Grosshirn, der dritte liegt unten und hinten und umkleidet das Kleinhirn». Dieser musculöse Apparat ist in
fast beständiger oder schnell und rhytmisch wiederholter Zusammenziehung begriffen, um das Gehirn und seine
Drüsen zu comprimiren. Die besonderen Fibergruppen der Dura wurden von Pacchioni, dieser Auffassung gemäss,
in eingehender Weise beschrieben. Im Sinus longitudinalis fand er und schilderte die nach ihm genannten Glandulae
Pacchioni, die er als lymphatische Drüsen ansah, und von welchen, nach ihm, fadenartige Ausführgänge zwischen
den Fasern der Dura verlaufend und der Pia anhaftend, in den Zwischenraum zwischen den beiden Häuten sich
öffnen (S. unten). An einigen Stellen spricht er von einer in der Pia befindlichen Lympha, welche die Räume zwischen
den Windungen des Gehirns erfüllt; sie findet sich auch im Vertebralcanal rings um das Rückenmark. In der Pia
verlaufen nämlich Lymphgefässe, welche die Blutgefässe begleiten; besonders die Furchen werden von ihnen mit
Feuchtigkeit versehen. Ueberall wo die Pia das Gehirn bekleidet, sowohl ihre Rindenwindungen, die Interstitien, und
die an der Sichel liegenden Wände bis zum Corpus callosum, wird sie von Lymphgefässen begleitet; ob aber diese die
Marksubstanz des Gehirns durchdringen, konnte Pacchioni, trotz vieler Anstrengung, nie darthun. In den Ventrikeln
des Gehirns sammelt sich in gewissen krankhaften Zuständen eine Flüssigkeit; es scheint nothwendig zu sein, eine
etwaige Verbindung zwischen ihr und der Lymphe der Pia zu finden. Wahrscheinlicher Weise geht diese Lymphe,
sowie die Dura selbst, in das innere Ohr hinein; durch dieses sowie durch die Nasenhöhle hat sie auch einen Abfluss.
Früher wurde am Gehirn die Arachnoidea nicht von der Pia mater geschieden, sondern mit ihr zusammen-
geführt. Varoli scheint der Erste gewesen, welcher sie, an der Basis des Gehirns, als eine besondere Membran
demonstrirt hat. Dann hat Casserio sie dort abgebildet. An der Convexität des Gehirns aber hat Rutsch zuerst
diese »mittlere Membran, welche zwischen der Dura und der Pia liegt», durch Aufblasen nachgewiesen1); er nannte
sie »Arachnoidea» 2).
Nach Winslow 3) besteht die Pia mater des Gehirns aus zwei sehr feinen Blättern, von welchen das innere
der Oberfläche in allen den Furchen folgt, das andere, die sog. Membrana arachnoides, welches die Furchen über-
brückt, durch zelluläres Gewebe mit dem inneren nicht sehr innig und an einigen Stellen der Basis des Gehirns
sogar nicht befestigt ist. In beiden Blättern sieht man »eine andere Art feiner Dupplicature, welche Gefässe enthalten»,
die durch Injection oder Inflammation hervortreten. Der dritte Ventrikel des Gehirns, der »natürliche Canal» von
Winslow, »öffnet sich nach vorn in das Infundibulum unterhalb des Foramen commune anterius, durch welches es
auch mit den lateralen Ventrikeln communicirt». Am Rückenmark ist die Arachnoides von dem inneren Blatt der
Pia sehr distinkt und kann durch Auf blasen als eine durchscheinende Haut ausgespannt werden; sie adhärirt mehr
an dem unteren als an dem oberen Theil. Zu jedem Nervenstamme giebt sie in derselben Weise wie die Dura Ver-
längerungen ab.
Die Hüllen des Centralnervensystems wurden allrnählig in ihren gröberen anatomischen Verhältnissen genauer
beschrieben. So z. B. von Lieutaud 4). Von der Pia des Gehirns sagt er, dass sie aus zwei Lamellen besteht,
welche durch eine zelluläre Substanz vereinigt sind. Die äussere hat nur die Ausdehnung, welche nothwendig ist,
um das ganze Gehirn zu bedecken. Die innere senkt sich der Oberfläche folgend in alle Furchen der Windungen
hinein. Die Venen verlaufen in den Furchen und zwischen den beiden Lamellen, An der Basis des Gehirns trennen
sich die beiden Lamellen leicht von einander, wenn man sie erhebt. Das äussere Blatt wurde von einigen »als eine
dritte Hirnhaut» (tunica arachnoidea) angesehen. »Das zelluläre Gewebe, welches zuweilen seine Lamellen zu verviel-
fältigen scheint, hat die Anleitung zu dieser unrichtigen Auffassung gegeben». Von der Pia des Rückenmarks
sagt er, dass sie »aus mehreren Blättern besteht». Er beschreibt die Ligamenta denticulata als Aufhängungsbänder
des Rückenmarks. Vor Allem muss aber bemerkt werden, dass er, wie Winslow u. A,, die Oeffnungen zwischen
den Seitenventrikeln beschreibt und noch dazu angiebt, dass diese Ventrikel dadurch auch mit dem dritten Ventrikel
in Verbindung stehen. Er giebt eine gute Darstellung der makroskopischen Verhältnisse der Dura des Gehirns;
wir glauben bei ihm sogar eine Angabe über die von uns selbst und Trolärd neulich entdeckten, von Pacchioni-
sehen Granulationen erfüllten Höhlen an den Seiten des Sinus longitudinalis gefunden zu haben (S. unten). Sonst
sagt er, wie auch viele andere, von der Dura, dass sie aus zwei Schichten besteht. Heber die Dura spinalis
l) Nach Haller: Bibliotheca anatomica. T. 1. 1774.
in historiam litterariam anatomes. Francofurti ad Yiadrum 1738.
1732. 4) Essais anatomiques. Paris 1742.
2) Nach einem Briefe an Goelicke 1697. S. Goelicke; Introductio
3) Exposition anatomique de la structure du corps humain. Paris 5
bemerkt er, dass ihre Scheide viel räumlicher ist als das Rückenmark, und dass zwischen ihr und dem Wirbelkanal
ein reichliches zelluläres und fettiges, viele Venen enthaltendes Gewebe vorhanden sei.
Haller1), der sich auf das gesammte Wissen seiner Zeit stützte, schildert die Arachnoidea spinalis als
eine sehr dünne, aber doch feste, zusammenhängende, von der Pia mater vollständig getrennte Membran, die vom
Rückenmark weit absteht, die zwar in der Halsregion mittelst Zellulosen Gewebes der Pia anhaftend gefunden wird
in der Lumbalregion aber freier ist. Hier findet sich nicht selten, am Foetus doch öfter, ein wenig Wasser, als dessen
Quellen Haller die kleinen Arterien der Dura spinalis ansieht. »Ich zweifle nicht» sagt er hier, »dass das angesam-
melte Wasser aus den Hirnventrikeln bis dahin hinabsteigen kann.» Nach oben geht die Ar. Spin, um den Pons in
die Arachnoidea cerebri über. Diese ist viel mehr mit der Pia verwachsen, geht aber nie in die Furchen hinein
sondern überbrückt dieselben und enthält nie Blutgefässe. Wenn man sie durch ein gemachtes Loch auf blässt
steigt sie von der Pia herauf und erhebt sich zwar in Blasen; sie ist aber durch feine zellulöse Fasern an die Pia
geheftet; grössere Höhlen entstehen nur an solchen Stellen, wo die Fasern sparsamer sind. Dergleichen Fasern
heften auch innerhalb der Arachnoidea in den Furchen die einander zugekehrten Flächen der Windungen zusammen
»In diese Höhlen wird nicht selten Wasser ergossen, wie ich selbst gesehen habe, und zuweilen, aber seltener, Fett».
Die Arachnoidea cerebri kann nicht als das äussere Blatt der Pia aufgefasst werden, noch entsteht aus ihr die Hülle,
welche die Gehirnventrikel bekleidet. Am Rückenmark bildet die Arachnoidea eine Scheide um die einzelnen Nerven.
Die Pia mater folgt aber der Fläche des Gehirns und dringt mit ihr in alle Furchen hinein. In den vorderen
Ventrikel (ventriculus anterior 2) geht sie überall vom hinteren Gehirnlappen hinein, und als Velum trianguläre aus-
gespannt, legt sie sich schön gefässreich, breit über Eminentim quadrigeminm, Conarium, Thalami optici, an den Seiten
m die Plexus chorioidei übergehend. Die Pia mater cerebri empfängt sehr zahlreiche Blutgefässe, sei es, dass sie
doppelschichtig ist, oder vielmehr, dass ein sehr feines Zellgewebe die Gefässe zusammenbindet. Längs dem Rücken-
mark wird die Pia mater durch das Ligamentum denticulatum an die Dura mater geheftet. Zwischen der Dura
und der Arachnoidea wird ein sehr sparsamer Thau (ros) ausgedünstet, welcher die betreffenden Flächen feucht
erhält. In den Ventrikeln findet sich nach Haller ein Dampf (vapor). »Dass nicht das Dach des Ventrikels mit
dem Boden verwachse, wird durch den Dampf erreicht, welcher überall von der bekleidenden Membran des Ventrikels
und von den sog. Plexus ausdünstet, und der mit einer mässigen Feuchtigkeit (mador) die ganze innere hohle Ober-
fläche benetzt. Weil aber diese Ausdünstung (halitus) mässig ist, sammelt sie sich nicht immer zu Wasser, und
sie mangelt zuweilen den frischesten und unbeschädigsten Leichen. Dies hat sie mit dem Wasser des Pericardium
und mit der Ausdünstung der Pleurahöhle und des Abdomens gemein». »Im lebenden Thier dünstet aber ein
deutlicher Dampf (fumus), sei es aus der Aussenfläche des Gehirns oder aus der Ventrikelhöhle, aus. Es ist
offenbar, dass dieses Wasser aus den Arterien ausdünstet, weil eine dünne Flüssigkeit, in die Arterien eingetrieben,
Von flGr ganzen Oberfläche der Ventrikel exsudirt, ein Experiment, welches ich oft wiederholt habe. Oft sah ich in den
Ventrikeln, wie ich erwähnt habe, gefärbte Leimabgüsse, wenn ich die Arterien injicirte. Ebenso klar ist es, dass
fliese Flüssigkeit (humor) von den Venen resorbirt wird. Denn, wenn ich ein reines oder gefärbtes Wasser oder in
Weingeist aufgelösten Leim in die grösseren venösen Stämme trieb, exsudirte ebenso deutlich von derselben ganzen
Oberfläche die durchdringende Flüssigkeit wie sie durch die Arterien ausdünstete.» »So oft aber die Venen in ihrem
Dienste erschlaffen wie in den chronischen Krankheiten der Fall zu sein pflegt häuft sich die gesammelte Flüssm-
-oit zu Wasser an und spannt sogar die Ventrikel des Gehirns mit einer bemerkenswerthen Masse aus. Bei Apoplecti-
-Beben, Soporösen, Phrenitischen, Convulsiven, Paralytischen, in epidemischen Fiebern findet sich reichliches Wasser
111 en Ventrikeln; noch mehr sogar bei Hydrocephalus. Bei einem hydropischen Gehirn finde ich, dass 113 Unzen,
und in den Ventrikeln gelegentlich ein, zwei, drei, vier, neun, dreizehn Pfunde (librm) gesehen sind. Es scheint diese
Ausdünstung, wie andere Feuchtigkeiten, eine kleine Zeit nach dem Tode aus den Arterien gebildet zu werden; deswegen
findet man einige Stunden nach dem Tode viel Wasser in den Ventrikeln. Wenn man sie an einem eben geöffneten
Thiei gehirn abwischt, wird sie neu producirt. Die alten, die sie oft gefunden, sahen sie als das pituitöse Excrementum
Ags Gehirns an. Ihr Wesen ist gelatinös, und durch Einwirkung von Mineralsäuren, Weingeist oder Feuer bildet sie Mein-
-1 unen». So finde sich z. B. im Zellgewebe der Arachnoidea eine albuminöse coagulable Flüssigkeit. Der dritte Ventrikel
c°ininunicirt nicht mit den Seitenventrikeln (v. anteriores), sobald nämlich Alles unbeschädigt ist, denn wenn diese
) Elementa physiologise corporis humani. T. IV. Lausanne 1762. 2) Mit dem Ventriculus anterior scheint Haller hier
°W°hl c^e Seitenventrikel (v. ant. laterales) als den dritten Ventrikel (ventriculus anterior medius s. v. tertius) zu meinen; sonst meint
rnit den V cntriculi anteriores gewöhnlich die Seitenventrikel.
0_
und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 6
mit Wasser gefüllt sind, findet man ihn leer, und er wird durch den sog. Plexus impositus begrenzt. Mehrere
ausgezeichnete Männer, wie Winslow, Vieussens, Marchett, Lieutaud, Varolius erkennen indessen eine solche Com-
munication. Durch das Infundibulum ist nach Haller im frischen Zustand auch kein Weg für die Flüssigkeit nach
aussen. An dem vierten Ventrikel scheint er dagegen einen Abfluss nach aussen zuzulassen; so sagt er, dass die Flüssig-
keit des vierten Ventrikels schwerlich ganz und gar in den dritten Ventrikel und das Infundibulum sich begeben möchte,
»weil sie dann nach oben gegen ihre Schwere hinaufsteigen müsse». Indessen scheint er eine Oeffnung des vierten
Ventrikels nach unten anzunehmen. Er sagt nämlich von dem Plexus chorioideus desselben, dass »an dem Ort,
wo er aus dem Ventrikel hervortritt, das Wasser leicht in den herumliegenden Raum des Rückenmarks sich begiebt».
Vom Plexus sagt er sonst, dass er an den Seiten des unteren Vermis hinabsteigt und an der Basis des Gehirns
unbedeckt erscheint, zwischen dem siebenten und achten Nervenpaar, hinter dem siebenten. Nach Haller ist die
Dura membrana am Rückenmark hinten und an den Seiten von einem öhligen, feuchten, in kleinen Partien ange-
sammelten Fett umgeben; vorn findet sich ein mehr mageres, wirkliches Zellgewebe; die Dura spinalis beginnt oben
wie ein Trichter erweitert; am obersten Theil des Halses ist sie weiter und platter, am mittleren mehr zusammen-
gezogen, am unteren wieder weiter zwischen dem fünften und achten Wirbel; von da ab zieht sie sich zusammen,
ist viel enger in der Dorsalregion, am untersten Theil des Rückens wieder weiter, am weitesten am ersten Lenden-
wirbel, dann verengt sie sich allmählig zu einem blinden konischen Ende. Die Dura des Gehirns kann, wenn auch
nicht ohne Bedenken, als aus zwei Schichten zusammengesetzt aufgefasst werden. Die äussere ist das Periost des
Schädels und hängt innig mit ihm zusammen. Haller giebt eine Beschreibung von der Anordnung der Fasern so-
wohl in der äusseren als in der inneren Schicht der Dura und bespricht die Cribrirung derselben an den Stellen,
wo die Pacchionischen Drüsen sitzen.
Cotugno1) wurde der eigentliche Entdecker der äusseren Cerebrospinalflüssigkeit. Mit ihm beginnt auch die
nähere Kenntniss der serösen Räume des Gehirns. Seine Darstellung ist summarisch folgende. Die Cavitas spinalis ist
viel räumlicher als das Rückenmark, d. h. es giebt um dasselbe ein Raum; dieser Raum wird nur zum Theil von der
Dura mater eingenommen. Zwei besondere Räume befinden sich, der eine ausserhalb, der andere innerhalb der Dura.
Der äussere, also zwischen der Dura und den Wirbeln befindliche, wird immer von einem Zellgewebe (farcimen cellulo-
sum) erfüllt, welches weich, flüssig und fetthaltig ist; bei Kachectischen ist es aber ein schleimiger Dampf (vapor mu-
cidus), bei Hydropischen ein wirklicher Schleim (mucus verus), bei Kindern, welche während einer schweren Entbin-
dung verstorben sind, ein blutiger Dampf (sanguineus vapor). »Der Raum aber, welcher zwischen der Scheide der
Dura mater und dem Rückenmark liegt, ist immer und ganz erfüllt: zwar nicht durch das Rückenmark selbst, welches
dann während des Lebens geschwellter sein sollte, auch nicht durch einen dampfigen Dunst (uubes vaporosa), was
in dieser noch dunklen Sache ausgezeichnete Männer glauben; sondern durch Wasser (aqua), ähnlich demjenigen,
welches das Pericardium um das Herz enthält, welches die Höhlen der Hirnventrikel erfüllt, welches das Gehörlaby-
rinth und endlich auch die übrigen, der freien Luft nie zugänglichen Körperhöhlen einnimmt».
Dieses Wasser findet sich indessen nicht nur um das Rückenmark vom Occiput bis zum Os sacrum, sondern
es füllt auch im Schädel selbst alle Zwischenräume zwischen dem Gehirn und der Dura mater. Einige solche Zwischen-
räume sind immer unter der Gehirnbasis vorhanden; es pflegt auch nicht selten zu sein, dass zwischen dem übrigen
Gehirnumriss und der Dura mater ein ausgeprägter, ganz deutlicher (insigne) Zwischenraum sich findet. Dies pflegt
bei Kachectischen und im Alter besonders zu geschehen; in diesen Zuständen zieht sich das Gehirn zurück, und der
Raum wird dann von einem wässerigen Dampf (aquosus vapor) erfüllt. Dass man diese grosse Wasseransammlung nicht
früher wahrgenommen hatte, beruht auf der Weise, in welcher man gewöhnlich das Gehirn untersuchte. Man pflegte
nämlich den Kopf vom Rumpfe abzutrennen; dabei fliesst die ganze Flüssigkeit (humor) von den Gehirnfurchen ab, und
dies eben durch den grossen Zwischenraum, welcher an der Schädelbasis zwischen der Pia und Arachnoidea vorhanden
ist, wo sie zum Rückenmark herabsteigen. Statt der am abgetrennten Kopf auf diesem offenen Weg abgeflossenen
Flüssigkeit dringt aber Luft hinein und erscheint dann bei der Untersuchung in Blasenhaufen unter der Arachnoidea.
Um aber die Flüssigkeitansammlung deutlich wahrzunehmen, muss man anders verfahren. Man errichte den Kopf der
Leiche, trenne die Integumente ab und schneide sehr vorsichtig das Schädelgewölbe horizontal hindurch. Dann nehme
man die Dura weg und entblösse so das Gehirn. Wenn man dann die vorderen Gehirnlappen hebt, sieht man das
Wasser hervorquellen; und wenn das übrige Gehirn erhoben wird, sieht man den Raum unter der Vereinigung der
') De ischiade nervosa commentarius. Viennse 1770. 7
Nervi optici und an den Seiten der Protnberantia ovalis mit Wasser erfüllt. Dieses Wasser füllt aber noch die Sehen
denhöhle (simis vaginalis) des fünften Nervenpaares und den ganzen Meatus acusticus. Rings um den Stiel der Me-
dulla oblongata sieht man den Zwischenraum vom Wasser erfüllt, und so auch überall um das Rückenmark. Wenn
man dann die Dura in der Lendengegend entblösst und einen Stich in die Cauda equina macht, flies st eine helle Flüs-
sigkeit (humor limpidus) heraus; in dieser Weise entleert sich nach und nach auch die Flüssigkeit, welche den oberen
Theil des Rückenmarks umgab. Wenn man statt dessen am unversehrtem Kopf die Lendenwirbel öffnet und den
Durasack einschneidet, ergiesst sich hinlänglich die Flüssigkeit; wenn aber so viel von derselben ausgeflossen hat, als von
selbst zu der eingeschnittenen Stelle hinabsteigt, und man dann den Kopf der Leiche erhebt und schüttelt, ergiesst sich
von Neuem eine reichliche Menge Wasser. Dies hatte Cotugno bei zwanzig erwachsenen Menschenleichen wieder-
holt; in dieser Weise pflegte er etwa vier bis fünf Unzen Wasser zu erhalten. Dieses Wasser war bei erwach-
senen Individuen oft sehr hell und klar (limpidissima), zuweilen leicht gelblich, bei Kindern, während schweren Ge-
burten gestorben, immer röthlich und undurchsichtig.
Nun könnte man in Zweifel sein, ob der von der Flüssigkeit nach dem Tode erfüllte Raum während des Le-
bens leer sei, oder von einem dampfigen Dunst (nubes vaporosa) oder einem geschwellten Rückenmark erfüllt sei.
Dass der Raum leer sei, ist nicht wahrscheinlich und mit den Naturgesetzen unvereinbar. Wenn während des Lebens
ein dampfiger Dunst den Raum erfüllte, sollte er so reichlich vorhanden sein, dass er condensirt nach dem Tode die-
selben Räume mit Wasser erfüllen konnte. Hierzu kommt noch, dass bei einigen Thieren, die von Cotugno lebendm-
o
untersucht wurden, die Existenz einer solchen Flüssigkeit, welche beim lebendigen Menschen zweifelhaft sein kann,
durch die Dissection bestätigt wurde. Bei lebendigen Fischen und Meerschildkröten fand Cotugno das Gehirn und
das Rückenmark von einer solchen reichlichen Flüssigkeit umgeben. Bei lebendigen Hunden und Vögeln konnte er
aber keine solche Flüssigkeit wahrnehmen, weil, wie er sagt, bei ihnen das Gehirn und das Rückenmark sowohl wäh-
rend des Lebens als nach dem Tode so gross gefunden werden, dass sie der Räumlichkeit ihrer Höhlen entsprechen.
M enn also diese Thiere sich zur Bestätigung der Existenz des gesammelten Dampfes (vapor) sich nicht eigneten,
gaben sie indessen einen guten Beweis dafür, dass das Gehirn und das Rückenmark nichts von ihrer Grösse nach
dem Tode verlieren. Die, welche es für möglich ansehen, dass beim Menschen das Rückenmark während des Lebens
geschwellter wäre und den fraglichen Raum erfüllte, mögen auch beachten, dass dadurch die aus dem Rücken-
uiark entspringenden Nerven wurzeln, welche in der Leiche eben durch diesen Raum frei herablaufen, beim
lebenden Menschen gefaltet und zusammengedrückt werden könnten. »Der Raum also, welcher um das Rücken-
mark sich findet, ist sowohl naturgemäss und mit Wasser (aqua) erfüllt, als auch bei der Leiche von dem beim
lebendigen Menschen vorhandenen fast nicht verschieden». Zu diesem Wasser des Rückenmarks mischt sich ohne
Glien Zweifel »das Wasser, welches der Ventrikel des Kleinhirns sowohl aus den grossen Ventrikeln des Gehirns
durch den Lacunar und den Aquaeductus Sylvii, als auch aus den eigenen ausdünstenden Arterien empfängt: die
i() ihr echte Lage des Kleinhirnventrikels, und der hinreichend offene Weg aus demselben zur Rückenmarkshöhle (via
ud spinte cavum satis patens) machen dieses Herabfliessen der Flüssigkeit zum Rückenmark offenbar». Die spinale
Flüssigkeit ist sogar auch in ihrer Beschaffenheit von derjenigen der Hirnventrikel nicht verschieden. Die Rücken-
marksflüssigkeit, aus den Enden der feinen Arterien exsudirt, wird durch feine inhalirende Venen wieder resorbirt
und in dieser Weise erneut. Durch Experimente hatte sich Cotugno überzeugt*), dass an der inneren Fläche der
Dm a inhalirende Mündungen der Duravenen vorhanden seien. Er hatte nämlich gesehen, dass Quecksilber innerhalb
membranösen Gavität des Aquaeductus vestibuli injicirt, und aus dieser in die feinen Venen der Dura mater
getrieben, an mehreren Stellen der inneren Oberfläche der Dura exsudirt wurde. Ausser der grossen Scheide des
Rückenmarks (sinus maximus vaginalis C.) werden auch für fast alle Gehirnnerven Scheiden (sinus nervorum vagi-
'Gdes C.) gebildet, von welchen aber drei besonders ausgezeichnet sind. Es sind dies der Sinus opticus, Sinus paris
quinti und Sinus acusticus. Am Opticus enthält der Sinus, der oben durch eine Verlängerung der Dura entsteht
welche durch Zellulose Fasern an den Sehnerven geheftet ist, die Feuchtigkeit der Schädelhöhle, und diese ist was
Foiugno oft gesehen hatte, an seinem Ende, in der Nähe des Auges, angesammelt. Der Sinus paris quinti wird
Wju der Dura mater gebildet, wo sie durch das grosse ovale Loch den Stamm dieses Nerven empfängt, und er lässt
'lui Rmerhalb seiner Gavität bis zum Anfang der drei Zweige frei verlaufen. Den Sinus acusticus endlich enthält
ei entsprechende gemeinsame Nervencanal. Alle die Sinus enthalten die Nerven wie innerhalb Scheiden, und diese
) De aquseductibus auris humanae internae. Viennae 1774. 8
sind von der Flüssigkeit der Schädelhöhle durchflossen. Damit ihre Menge nicht zu stark wachsen soll, wird sie
durch eigene aufsaugende Venen der Dura aufgenommen, deren Mündungen, wie oben gesagt, an der inneren Fläche
dieser Membran hie und da wahrgenommen werden.
Mascagni x) fand die Blutgefässe der harten Hirnhaut von lymphatischen Stämmen begleitet, welche zu-
sammen mit ihnen durch das Stachelloch aus der Schädelhöhle verlaufen. Einige Stämmchen sollen sich zwischen
den Blättern der Dura in der Nähe des Sinus longitudinalis in die Tiefe verlieren; er hatte sie entweder mit einer
Flüssigkeit erfüllt gefunden oder sie durch Injection der Blutgefässe mit farblosem Leime angefüllt.
Fr. Meckel 2) sah in der Dura ähnliche Gefässe wie die von Cotugno gefundenen, von welchen einige über
den Blutleiter laufen, andere in ihm endigen sollen; er nannte sie Vasa resorbentia lymphatica.
Monro 3) war der erste, welcher die Verbindungsöffnungen der Seitenventrikel des Gehirns unter einander
und mit dem dritten Ventrikel, die nach ihm sog. Foramina Monroi, näher beschrieb und abbildete. Am unteren
Ende des vierten Ventrikels will er aber keine Oeffnung zulassen. Dieser Ventrikel »hat keine solche Verbindung
mit der Rückenmarkshöhle, wie Dr Haller geglaubt hat, in dem er durch seinen Plexus chorioideus und die Pia
mater vollständig geschlossen ist». Als weiteren Beleg dafür führt er an, dass in einer Reihe von hydrocephalischen
Kindern, bei welchen die Hirnventrikel durch Flüssigkeit ausgespannt waren, bei Keinem Wasser in der Höhle des
Rückenmarks oder zwischen seiner Pia und Dura vorhanden war.
Nach Sömmering 4) hängt am Gehirn wie am Rückenmark die Arachnoidea nur durch schlaffes Zellgewebe mit
der Gefässhaut zusammen. Die abgehenden Arterien, Venen und Nerven werden von einer Falte umhüllt, wonach
die Arachnoidea zu der inneren Fläche der Dura übergeht in der Weise, dass man ihre Fortsetzung dort wahrnehmen
kann. Ob sie Lymphgefässe führt, ist nicht sicher entschieden. Sehr oft trifft man zwischen ihr und der Gefässhaut
schleimiges Wasser (mucosa aqua). In den Ventrikeln des Gehirns wird eine eigentümliche Flüssigkeit abgesondert,
welche Leim enthält. Bisweilen wird im krankhaften Zustand ihre Menge zu einigen Pfunden vermehrt, so dass alle
Ventrikel davon ausgespannt werden. »Wenn es erlässlich ist, ein eigenes Organ des gemeinsamen Sensoriums
anzunehmen, oder wenn sein eigentlicher Sitz im Gehirn ist, muss dieser mit Wahrscheinlichkeit in dieser Flüssigkeit
gesucht werden».
Bichat suchte, in seiner Arbeit über die Häute 5), der Arachnoidea nicht nur Selbstständigkeit, sondern auch
die Eigenschaften einer serösen Haut zu vindiciren. Während die Pia mater eher eine zellulöse Schicht als eine
deutlich organisirte Membran ist, eine Schicht, welche die zahllosen Verzweigungen des äusseren Systems der Hirn-
blutgefässe vereinigt und trägt, und in alle Vertiefungen der Hirnoberfläche eindringt und dieselben bekleidet, ist
die Arachnoidea eine feine, halb durchsichtige, blutgefässlose, mittelst ihrer aushauchenden und einsaugenden Gefässe
die auf der glatten freien Fläche befindliche schlüpfrige Flüssigkeit absetzende und wieder aufnehmende Plaut,
welche, ohne in jene Vertiefungen einzudringen, von Erhöhung zur Erhöhung übergeht und oft in grossen Zwischen-
räumen von der Pia getrennt ist, oder einfach ohne Verbindung an ihr liegt, wie dies die Basis des Gehirns und
das Rückenmark zeigen. Die Arachnoidea begleitet die Gefässe jede Vene, welche zum Sinus longitudinalis übergeht,
erhält von ihr eine Scheide und die Nerven bis zu deren Austritt aus dem Schädel und dem Wirbelkanal. Hier aber
schlägt sie sich um, und geht auf der Innenfläche der Dura mater über, welche sie in ihrer ganzen Ausdehung be-
kleidet, während die Pia mater sich bald auf den Nerven verliert und nie ein solches Umschlagen zeigt. Die Arach-
noidea ist also ein geschlossener Sack ohne Oeffnung. Die Nervi optici, und, wie er auch andeutet, die N. abducentes,
sind die einzigen Nerven, welche von ihr länger begleitet werden. Die Scheide jener setzt sich in ihrer fibrösen
Umhüllung fort und schlägt sich zuerst innerhalb der Orbita auf dieselbe um. Aber die Arachnoidea dringt, nach
Bichat, auch in die Hirnventrikel ein und bekleidet alle Wände dieser Höhlen. Dies geschieht, nach ihm, durch
einen Canal, welchen die Arachnoidea rings um die Venm Galeni bildet und der in den dritten Ventrikel endigt.
Die äussere Mündung dieses Canals ist oval und sehr leicht wahrzunehmen. Bisweilen scheint sie aber mit ihren
Rändern die Galen sehen Venen umzufassen, so dass man sie nicht finden kann, und dass man anfangs glauben
könnte, hier sei eine Continuität. Wenn man dann aber eine Sonde längs der Gefässe von hinten her schiebt, und
ein wenig damit durchdrungen hat, und sie rings um dieselbe geführt hat, wodurch die Adliserenzen gelöst werden,
so wird die Oeffnung ganz deutlich. Um sich zu überzeugen, dass diese Oeffnung bis in den dritten Ventrikel führt,
') Vas. lymphat. iconograph. 2) De labyrinth. auris cond. 1777. 3) Observations on the Structure and Functions of
the Nervous System. Edinburgh 1783. 4) De corporis humani fabrica. T. IV. 1798. 5) Traite des Membranes. Paris 1799.
S. auch Traite d’Anatomie descriptive. Paris 1802. 9
Muss man eine crenelirte Sonde unter den Galen sehen Venen einführen und sie sanft vorwärtsschieben; sie dringt
ohne Schwierigkeit hervor, zuweilen machen Venenzweige einen Widerstand. Wenn man aber Quecksilber durch die
äussere Oeffnung einfliessen lässt, und den Kopf passend dreht, gelangt es sogleich in den dritten Ventrikel. Blässt
man Luft hinein, kommt sie auch in diesen Ventrikel und von da nach den Seitenventrikeln hinein. Die innere Münduno-
des Canals, welche in der unteren Partie des Chorioidalgewebes verborgen liegt, lässt sich nur mit Schwierigkeit
wahrnehmen; auch wenn man eine Flüssigkeit in den dritten Ventrikel ergiesst, fliesst sie nicht aus, weil ohne Zweifel
die Ränder gegen einander zugedrückt werden und der Flüssigkeit einen Widerstand machen. Auch im vierten
A entrikel bekleidet die Arachnoidea die Wände, und sie sperrt da die Oeffnungen, durch welche die Pia mater ein-
dringt, um demselben Blutgefässe zuzuführen.
Boyer x) beschreibt die Arachnoidea cerebri als der inneren Fläche der Dura mater anliegend, er spricht
aber nicht von einem wirklichen Uebergang zu dieser Haut; ferner sagt er, dass sie mit der Pia mittelst eines sehr
feinen, aber dichten, durch Luft aufzublassenden Gewebes vereinigt ist; an der Gehirnbasis und dem verlängerten
Marke ist die Verbindung der beiden Häute viel geringer, an manchen Stellen sogar keine. Obwohl die grosse Dünnheit
der Arachnoidea nicht zulässt, ihre Organisation wahrzunehmen, schien es doch Boyer wahrscheinlich, dass sie aus klei-
nen, fest mit einander verbundenen Lamellen von Zellgewebe besteht. Auch am Rückenmark liegt die Arachnoidea
der Dura innig an. Von der Pia ist sie sehr gut getrennt, nur durch äusserst feine und freie Zellfasern mit ihr vereinigt.
Sie ist sonst sehr dünn und ohne wahrnehmbare Organisation. Das Ligamentum denticulatum, welches Boyer zur Arach-
noidea rechnet, ähnelt doch ein wenig den Sehnen. Die Pia mater cerebralis ist an der Hirnoberfläche durch ein sehr
feines Zellgewebe und durch eine grosse Menge von äusserst feinen Blutgefässen, durch welche sie abgelöst wie wollig
erscheint, ziemlich fest vereinigt. Sie ist übrigens sehr dünn, weich, weisslich und fast durchscheinend an der Stellen,
wo sie nicht von Blutgefässen erfüllt ist; sie wird von einem Zellgewebe gebildet, dessen Lamellen sehr dünn und
lest mit einander verbunden sind. »Man hat noch nicht», sagt Boyer, »in ihr Lymphgefässe oder Nerven gefunden».
Auch am Rückenmark bedeckt die Pia unmittelbar mit ihrer Innenfläche die Nervensubstanz und wird durch ein
Zellgewebe und durch Blutgefässe an ihr angeheftet. An der vorderen Seite des Rückenmarks zeigt sie einen Hän-
senden Streifen, welcher in die Längsfurche des Markes eintaucht, die darin eindringenden Blutgefässe begleitend
Keuffel2) schildert die weiche Haut des Rückenmarks als »zwar nicht so dick wie die harte, aber ihrer
1 extur nach eben so solide und compakt». In ihr überwiegen ebenfalls die Längenfibern, welche Fibern bisher von
Keinem erwähnt wurden; die von anderen Verfassern beschriebenen Querfasern sind nicht vorhanden. »Die äussere
Oberfläche ist glatt und durch nichts als durch einzelne kleine Gefässe oder Fasern mit der Arachnoidea verbunden
Mehrere Blutgefässe, die nur durch kurzes Zellgewebe an sie angeheftet sind, kriechen auf ihr, besonders an ihrer
hintern Fläche, theilen sich in sehr feine Aestchen, durchdringen sie dann und gehen in das Mark selbst ein». Von
der inneren Oberfläche der Pia mater entspringen unter einem rechten Winkel eine zahllose Menge kleiner Fäserchen,
die in das Mark und zwar bis in seinen Mittelpunkt eindringen und die der Pia mater, wenn sie vom Mark losge-
trennt wird, auf der inneren Seite ein rauhes und flockiges Ansehn geben, indem sie dann alle abgerissen werden.
Kiese feine Fibrillen gehen wie Radien eines Zirkels gegen den Mittelpunkt, indem sie auf die mannigfaltigste Weise
unter sich anastomosiren und sich durch zahllose Seitenäste unter einander verbinden. Das Volumen der einzelnen
Fibrillen ist sehr verschieden. »Auf diese Art wird auch der Fortsatz der weichen Haut, der aus der Mitte ihrer vor-
dem Seite und zwar von ihrer ganzen Länge entspringt . . . am besten ins Licht gestellt». Zu beiden Seiten so-
wie vorn, bildet die weiche Haut Verdoppelungen. Die seitlichen sind unter dem Nahmen des gezähnten Bandes
bekannt; der vordere bildet längs des Rückenmarks eine Scheide, in welcher die grösste Arterie dieses Theils verborgen
hegt. Aus Allem, sagt Keuffel betreffs der weichen Haut des Rückenmarks, geht also hervor, »dass die sogenannte
Gefässhaut des Rückenmarks eigentlich gar nicht dazu dient, die Blutgefässe zu führen, die in das Mark gehen sollen
denn diese sind nur an ihre äussere Oberfläche angeheftet, sondern dass sie vorzüglich zur Bildung und Erhaltum»-
der Struktur des Rückenmarks bestimmt sey». lieber die Arachnoidea hatte Keuffel nichts hinzuzusetzen
Merkwürdig und unerklärt schien ihm der Umstand, dass die harte Haut »einen weit grossem Durchmesser hat als
das Rückenmark und ihr Contentum wie ein weiter Sack umgiebt». Die Cerebrospinalflüssigkeit mag ihm also
nicht bekannt gewesen sein.
B Tratte coraplet d’Anatomie. T. 4. Troisieme Edition. Paris 1810.
herausg. von Reil und Autenrieth. 10 Bd. 1811.
2) Ueber das Rückenmark. Archiv f. d. Physiologie,
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 10
Nach Barba x) erschien bei seiner mikroskopischen Untersuchung der arachnoisehen Membran »ein wunder-
volles Gewebe von lymphatischen Gelassen; sonst sah man nichts daran». Bei noch stärkerer Vergrösserung erschien
»die bewunderungswürdige Verflechtung der lyfnphatischen Gelasse noch deutlicher». I)ie Pia mater »zeigte sich
voll verschieden modifizirter Blutgelässe, und ohne dies voll von lymphatischen Gelassen, die durchsichtig und
netzförmig waren».
Nach Burdach2) besteht die Ge las sh aut des Rückenmarks vorzüglich aus Längen fasern; sie ist von den
abgehenden Nerven durchbohrt. An ihrer äusseren Fläche liegt die Spinnwebenhaut an, aber nur lose, bloss hin
und wieder durch Fasern und Gelasse mit ihr verbunden. Die Spinnwebenhaut enthält »bloss Serum führende Haar-
gefässe und wahrscheinlich auch Saugadern». Sie »schlägt sich, nachdem sie das Rückenmark und zunächst dessen
Gefässhaut überzogen hat, in einzelne Cylinder um, welche theils leer (als sogenanntes gezähntes Band), theils
als Ueberzüge der Nerven bis zur Faserhaut gehen und die innere Fläche derselben überziehn. Sie hat demnach
eine innre (an die äussere Fläche der Gefässhaut sich anschliessende) und eine äussere (an der inneren Fläche der
Faserhaut sitzende) Hälfte. Die einander zugewendeten Flächen beyder Hälften bilden vermöge ihrer serösen Ab-
sonderung den Dunstkreis des Rückenmarks, der zugleich die Trennung der Gefässhaut und Faserhaut aufrecht hält,
und, wenn die Ausdünstung über die Rücksaugung überwiegend wird, in Wasseranhäufung ausartet». Am Gehirn
folgt die Gefässhaut der äusseren Fläche genau, in alle Furchen sich einsenkend, und in den Höhlen bildet sie einen
zarten Ueberzug der centralen Oberfläche, macht sich davon los, und ragt in Falten als Grundlage der Gefässgeflechte
herein. »Wo die Centralhöhle sich in eine offne Spalte verwandelt (am unteren Theile der Rautengrube und an der
dritten Holde) wird diese geschlossen durch eine an den Seitenwänden befestigte, über die Spalte sich frey herüber-
ziehende und so die obre oder hintre Wandung der Centralhöhle bildende Fortsetzung der Gefässhaut, welche sehr
gefässreich ist, mit den Gefässgeflechten in Verbindung steht und Gefässplatte (Lamina chorioidea) genannt wird.
An der Grundfläche des Gehirns ist die Gefässhaut dichter. An den Nerven bildet sie eine Scheide, welche schon
in geringer Entfernung vom Gehirne verschwindet, wo das Neurilema hervortritt, so dass beyde Gewebe, gleich in
ihrer Bedeutung, auch in einander über zu gehen scheinen». Die Spinnwebenhaut des Gehirns schliesst sich der
Gefässhaut dichter an, doch weniger dicht an den untern und hintern Theilen; sie geht aber nicht in die Furchen
ein, sondern überbrückt dieselben. In der Mittellinie des Querschlitzes des grossen Hirns hat es zwar »das Aussehen,
als ob sie in die Höhlen selbst eindringe, um deren innere Bekleidung zu bilden: aber die Zartheit des Epitheliums
lässt keine doppelte Schicht desselben (Gefässhaut und Spinnwebenhaut) unterscheiden, und was man für die Fort-
setzung der Spinnwebenhaut zu den Höhlen ansehen kann, scheint bloss eine von derselben gebildete Gefässscheide
zu seyn. Überall nämlich werden Gefässe und Nerven auf ihrem Wege von der festen Hirnhaut zur Gefässhaut
von Scheiden überzogen, welche die Spinnwebenhaut bildet». Ihr äusseres Blatt bekleidet die feste Hirnhaut und ist
mit ihr verwachsen. »Seröse Haargefässe und Saugadern müssen wir, da eine seröse Absonderung hier offenbar statt
findet, in der Spinnwebenhaut voraussetzen, so lange man sie nicht allgemeiner und bestimmter anatomisch darzu-
legen vermag». Die Dura sendet mit den Nerven und Gelassen bei ihrem Durchgang durch die Schädelöffnungen
scheidenartige Fortzetzungen nach aussen.
Durch Magendie 3) wurde die Cerebrospinalflüssigkeit von Neuem entdeckt und die Kenntniss sowohl von ihr
als von den serösen Räumen der nervösen Centralorgane in hohem Grade befördert. Seine Darstellung ist etwa
folgende. Obgleich die seröse Membran des Gehirns und des Rückenmarks gleich den meisten serösen Häuten ein
Sack ohne Oeffnung ist, so besitzt sie doch eine ihr eigenthümliche Beschaffenheit, indem ihre innere, dem Gehirn
und dem Rückenmark an gehörige Lamelle (arachnoidea visceralis Aut.) nicht unmittelbar denselben anliegt und
adhgerirt. Sie ist im Gegentheil von ihnen sowohl im Leben als nach dem Tode durch einen Zwischenraum von ver-
schiedener Grösse getrennt. In diesem Zwischenraum liegt stets eine Flüssigkeit, die Cerebrospinalflüssigkeit. Oeffnet
man, sagt Magendie, bei einem lebendigen Thiere das Rückenmark an einem beliebigen Punkte, und macht man
dann einen Einstich in die gespannte Dura, so fliesst sogleich eine klare Flüssigkeit aus, die zuweilen bis zu einer
gewissen Höhe spritzt. Die Gestalt und die Grösse dieses Raumes ist an den verschiedenen Punkten des
Hirns und des Rückenmarks sehr verschieden. Um diese Verhältnisse schön darzulegen, entblösste Magendie in
l) Observation! raicroscopiche sul cervello e sue parti adjacenti di Antonio Barba. Seconda Edizione. Napoli 1819. (S. die
deutsche Uebersetzung. Mikroskopische Beobachtungen über das Gehirn und die damit zusammenhängenden Theile. Übers, v. A. von
Schoenberg. Wlirzburg 1819.) -) Vom Baue und Leben des Gehirns. Bd I, 11. Leipzig 1819—22. 3) Seine Arbeiten darüber datiren
sich von 1825 an. Er sammelte dieselben in seinen Becherches physiologiques et cliniques sur le liquide cephalo-rachidien ou cerebro-
spinal. Paris 1842. 11
frischen Leichen zuerst hinten die Dura in ater spinalis und cerebralis durch Entfernen aller Wirbelbogen und des
grössten Theils der flachen Schädelknochen; dann machte er an der Cauda equina einen kleinen Einschnitt, der bis
111 den Raum unter der Arachnoidea drang und liess die Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit ausfliessen; statt ihrer
bliess er durch eine Rohre so viel Luft ein, als der Canal fassen konnte, legte dann Ligatur an die Einschnitts-
öffnung und preparirte die Dura vorsichtig ab. In dieser Weise erhielt er den Raum unter der Arachnoidea in grosser
Ausdehnung blossgelegt. Längs der hinteren Mittellinie dieses Raumes giebt es am Rückenmark von der Cervikal-
gogend bis zum unteren Theile des Rückens eine Art Raphe, ein Mediastinum posterius; es besteht aus dünnen und
durchsichtigen Lamellen, die durch kleine Zwischenräume von sehr verschiedener Form und Grösse unregelmässig
getrennt sind. An den anderen Punkten ist die Arachnoidea an der Pia durch viele Blutgefässe befestigt die mit
unregelmässig liegenden, aber am Halse in grösserer Anzahl als an der Dorsal- und Lumbargegend vorhandenen
welligen Filamenten vermischt sind (das subarachnoidale Gefässzellgewebe). Die Vertheilung der Flüssigkeit um das
Rückenmark ist nach vorn, nach hinten und seitlich bei den verschiedenen Bewegungen und Lagen der Wirbelsäule
verschieden. Hinten vom ersten Halswirbel bis zur Cauda equina beträgt sie mehrere Linien, von diesem Punkt an
nimmt sie ab und verschwindet am Sacrum fast ganz. Nach vorn ist dagegen die flüssige Schicht vom Foramen
magnum bis zum zweiten Lendenwirbel sehr dünn, nimmt aber nach dem Sacrum zu und beträgt daselbst 5 6 Linien
Die Nerven wurzeln sind bis zu ihrem Austritt aus dem Vertebralkanal von der Flüssigkeit umgeben.
Auf der Oberfläche des Gehirns findet sich die Flüssigkeit überall. Am Foramen magnum, wo sie mit der in der
irbelsäule sich vereinigt, bildet sie nach hinten unter dem kleinen Gehirn eine bedeutende Schicht, welche den Eintritt
iu den vierten Ventrikel umgiebt, in den sie auch eindringt. Beim Erwachsenen beträgt ihre Dicke an dieser Stelle ß 7
Linien, ihre Längenausdehnung kann bis zu einem Zoll betragen. Hier und da gehen Blutgefässe durch sie. Davon
kann man sie über die ganze hintere und obere Fläche des Kleinhirns verfolgen. Sie füllt da überall das zelligvascu-
lüre Gewebe zwischen der Pia mater und der Arachnoidea aus; in dem Zwischenraum welcher zwischen den Corpora
quadrigemina nach unten, dem kleinen Gehirn nach hinten, der Glandula pinealis und dem Corpus callosum nach vorn
und den Pedunculi cerebri nach unten und auf den Seiten sich findet, bildet die Flüssigkeit eine einzige Masse Von
diesem Centralpunkte aus verbreitet sie sich nach mehreren Richtungen. Nach vorn und unten erstreckt sie sich sonar
• 1
ln (las Gewebe des Plexus choroideus und kann so in das Innere der Ventrikel gelangen; dies geschieht durch wahre
Imbibition durch die Pia mater der Ventrikel, und nicht durch einen Canal oder durch eigenthümliche Canäle Die
Flüssigkeit ist über die ganze Oberfläche der Grosshirnlappen verbreitet, sowohl über die Windungen als in den Furchen
An der Basis cranii erstreckt sie sich über die ganze Gehirnfläche, hier geht sie aber kaum über die Windungen
selbst, nur in die Vertiefungen oder die Zwischenräume der Windungen. Sie geht mit dem Infundibulum zur
Glandula pituitaria, deren Gewebe sie durchdringt. Alle Gehirnnerven werden bis zu ihrem Austritt durch die Dura
mater von der Flüssigkeit umspühlt. Das fünfte Paar wird aber noch eine Strecke von ihr begleitet; die Flüssigkeit
Lüdet nämlich eine besondere Ansammlung in der Höhle der Dura, wo sein Ganglion liegt, sie trennt seine Fasern
von einander und imbibirt sein Gewebe, so wie den Ursprung der drei von ihm ausgehenden Nervenäste. Ferner
begleitet sie den Nervus acusticus und facialis bis auf den Boden des Meatus auditorius internus; sie steht in keiner
directen und freien Verbindung mit der Flüssigkeit im Labyrinthe, allein die Vermischung muss leicht durch Imbi-
bition durch die Membran erfolgen, welche das Vestibulum auf dieser Seite schliesst. Durch denselben physikalischen
Mechanismus kann auch die Flüssigkeit in den Canalis spiralis des N. facialis gelangen, wohin sie auch noch durch
(len Canalis Fallopii gelangen kann. Das Eindringen der Hirn- und Rückenmarksflüssigkeit in die Höhlen des Laby-
rinths kann auch durch den Aquaeductus vestibuli erfolgen, dessen ausgeschweifte Mündung beständig mit ihr angc-
bdlt ist. Die Sehnerven verlässt sie bei deren Eintritt in die Orbita; sie benetzt die Nervi olfactorii, bis diese
111 (be Lamina cribrosa dringen.
An gewissen Punkten der Oberfläche des Gehirns ist die Flüssigkeit in grösserer Menge angesammelt Es
rind diess die Zusammenflüsse (Confluents):
Der erste oder hintere Zusammenfluss ist der bedeutendste und liegt unter und hinter dem kleinen Gehirn
Der zweite oder untere liegt vor dem Pons Varoli und zwischen den Pedunculi cerebri. Die Arteria basilaris
befindet sich in ihm.
Der dritte oder obere liegt hinter und über und zu beiden Seiten der Glandula pinealis
Der vierte oder vordere befindet sich vor dem Chiasma nervorum opticorum und unter der grauen Substanz
welche den dritten Ventrikel vorn und unten verschliesst. 12
Zu diesen Zusammenflüssen konnte man noch die kleinen flüssigen Massen rechnen, welche das Ganglion des
fünften Paares rechts und links umgeben. Diess wären dann die seitlichen Zusammenflüsse.
Aber auch die Gehirnhöhlen enthalten immer Flüssigkeit, und diese steht in offener Verbindung mit der an
der Oberfläche des Gehirns und Rückenmarks. Magendie, der die Existenz des Bichat’schen Canales ganz bestreitet,
fand dagegen eine, wie er sagt, wahre, constante und normale Oeffnung, durch welche die Hirn- und Rückenmarks-
flüssigkeit stets geht, um sowohl in als aus dem Ventrikel zu fliessen, und diese befindet sich am unteren Ende des
vierten Ventrikels an dem Punkte, welchen die älteren Anatomen den Calamus scriptorius nannten. Um sich von
der Existenz dieser Oeffnung zu überzeugen, braucht man nur die Lappen des Processus vermiformis inferior des
kleinen Gehirns etwas in die Höhe zu heben und aus einander zu ziehen. Ohne eine der Gefässverwaehsungen
dieser Kleinhirnpartie mit der Pia mater spinalis zu zerreissen, bemerkt man dann den winkligen Ausschnitt, in den
der vierte Ventrikel endigt. Seine Oberfläche ist glatt, eben und verlängert sich bis in den Ventrikel des kleinen
Gehirns. Diess ist der vordere Theil der Oeffnung; die seitlichen und obern Theile werden vom Plexus choroideus
und einer Marklamelle (von Magendie unrichtig Valvula Tarini benannt) gebildet, deren Ausbreitung mehr oder
minder bedeutend ist, und die mit der seitlichen und hervorragenden Peripherie des vierten Ventrikels verwachsen ist.
Die Gestalt und die Grösse der Oeffnung ist bei den einzelnen Individuen und je nach der Quantität der Hirn- und
Rückenmarksflüssigkeit verschieden; zuweilen so gross, dass sie die Fingerspitze aufnehmen kann, wenn sehr viel von
dieser Flüssigkeit vorhanden ist. Meist und bei normaler Quantität der Flüssigkeit hält die Oeffnung nur 2—B Linien
nach jeder Richtung hin im Durchmesser und wird auch häufig durch Gefässe, die von der Medulla oblongata zum
kleinen Gehirn gehen, in mehre Abtheilungen getheilt. Zuweilen ist sie durch eine oder beide Arterim cerebelli
posteriores verengert, die vor ihr hergehen. Magendie nannte diese Oeffnung die (gemeinsame) »Mündung der
Gehirnhöhlen» (Orifice des cavites encöphaliques). Injectionen von Wasser oder andern Flüssigkeiten, die man
durch die Wirbelsäule in den Raum unter der Arachnoidea treibt, dringen stets bis in die Seitenventrikel, nämlich
vom vierten Ventrikel durch den Aquaeductus Sylvii in den dritten Ventrikel und von da weiter durch die Foramina
Monroi, welche Magendie »Mündungen der grossen Gehirnhöhlen» (Orifices des grandes cavites ceröbrales) zu be-
nennen vorschlug, in die beiden Seiten Ventrikel.
In sehr seltenen Fällen wurde die Oeffnung von einer Membran geschlossen gefunden. Magendie fand
bei seinen zahlreichen Sectionen ein solches Verhalten nur zwei Mal, und dies bei älteren Individuen. Er hält das
verschliessende Häutchen für eine krankhafte Neubildung. In beiden Fällen fand sich eine abnorme Menge von
Flüssigkeit in den Ventrikeln, und beide Individuen waren während des Lebens geisteskrank gewesen. Noch einen
Fall erzählt Magendie nach Martin Saint-Ange; dieser betraf ein achtjähriges Kind, welches während des Lebens
schwere Cerebralsymptome gezeigt hatte; bei der Section fand sich die Oeffnung durch eine ziemlich resistente
undurchsichtige und flockige Membran verschlossen, und die Ventrikel waren von vieler Flüssigkeit erfüllt. Ob in
diesen Fällen die vermehrte Flüssigkeitansammlung von der Verschliessung der betreffenden Oeffnung verursacht
wäre, lässt Magendie unentschieden. Zuweilen, in gewissen krankhaften Fällen, wo die Flüssigkeit sehr vermehrt
ist, kann die Oeffnung drei bis viermal grösser sein als im Normalzustand. Betreffs der Secretion der Flüssigkeit
hält Magendie es für wahrscheinlich, dass sie aus den Blutgefässen der Pia ausgeschwitzt wird. Nach Entleerung
ersetzt sie sich schnell. Sie hat einen positiven Druck (grösser während der Exspiration); sie bewegt sich während
der Respiration (wird während der Inspiration aspirirt, während der Exspiration zurückgestossen).
Um diese Bewegungen der Cerebrospinalflüssigkeit experimentel darzulegen, befestigte Magendie bei einem
lebenden Thier (Hund oder Ziege?) in der Subarachnoidalhöhle hinter dem Hinterhaupt eine 3—4 Decimeter hohe
und einige Millimeter im Durchmesser haltende Glasröhre, die etwas gefärbtes Wasser enthielt. Bei jeder In- und
Exspirationsbewegung stieg und fiel das Wasser. Um sich zu überzeugen, dass sich diese Ebbe und Fluth weithin
in die Subarächnoidalhöhle erstrecken, wendete er statt der Glasröhre einen mit dunkelgefärbter Flüssigkeit erfüllten
Trichter an. Die Flüssigkeit stieg und fiel, sank aber nach und nach in die Höhle hinein. Wenn er nach dem Tode
des Thieres die Subarachnoidalhöhle untersuchte, fand er die gefärbte Flüssigkeit auf der einen Seite bis zum Sacrum,
auf der anderen Seite auf die Oberfläche des Gehirns bis in die Stirngegend gelangt. Sie war noch dazu in die
viei- Ventrikel gedrungen, indem sie sich in das Zell- und Gefässgewebe irnbibirt hatte, welches bei den Thieren den
Eintritt in diese Höhlen vollkommen verschliesst. An einer anderen Stelle sagt er, dass bei Injectionen (am Menschen)
die Flüssigkeit in den Ventrikel des kleinen Gehirns zuerst eindringt, ihn dann vollständig erfüllt, seine Wände
aus einander schiebt, die Valvula Vieussenii in die Höhe hebt, dann durch den Aquaeductus Sylvii geht u. s. w. 13
Fie Flüssigkeit auf der Oberfläche des Gehirns kann ihre Lage nicht so leicht wechseln, als die in der Wirbelsäule
oder den Hirnventrikeln; sie liegt im Zellgewebe unter der Arachnoidea und wird von demselben zurückgehalten
Versuche, bei lebendigen Hunden gefärbte Flüssigkeit an einem Punkt der blossgelegten Hirnoberfläche einzuführen
zeigten, dass die Flüssigkeit nicht über den blossgelegten Lohns hinausging; es schien ihm, als ob die Falx cerebri
und Tentorium cerebelli Grenzen wären, die sie nur schwer übersteige.
Ferner schildert er ihre normale chemische Zusammensetzung und abnorme Veränderungen. Ei- erzählt
auch eine Reihe von Fällen von Hydrocephalus, welche er mit einer Verschliessung der hinteren Oeffnung des vierten
Ventrikels in Zusammenhang bringt, so wie auch solche Fälle, wo Blut mit der Flüssigkeit vermengt und mit ihr
herumgeführt worden war.
Er beschreibt auch die Art und Weise, in welcher die Dura mater des Rückenmarks an den Wänden des
V ertebralcanals befestigt ist. Er zeigte, dass diese Einrichtung sowohl vorn, hinten und an den Seiten als auch nach
den verschiedenen Regionen etwas verschieden und immer so beschaffen ist, dass sie der Dura eine bestimmte Lage
sichert, aber gleichzeitig ihr erlaubt, den verschiedenen Bewegungen der Wirbelsäule nachzugeben. Die Dura
spinalis umspinnend findet sich im Rückenmarkscanal ein reichliches Venennetz, welches den Zweck hat, bei Ver-
änderungen in der Menge der Cerebrospinalflüssigkeit (z. B. durch Respiration, Anstrengungen, Husten) je nach
Bedürfniss anzuschwellen oder einzusinken, um damit den übriggebliebenen Raum stets auszufüllen.
Der Raum zwischen Dura und Arachnoidea ist ein Sack ohne Oeffnung, aber die Arachnoidea berührt die Dura
überall. Die innere Fläche der Dura wird von einer Lamelle der Arachnoidea überzogen (Magendie hegt doch
Zweifel betreffs der Existenz des äusseren Blattes), und es inseriren sich in sie eine gewisse Zahl kleiner Brücken
von Zellgewebe oder Gefässen, welche die beiden Lamellen der Arachnoidea mit einander in Berührung erhalten
Diese Brücken sind eigentlich kleine cylindrische Canäle, welche aus demselben Gewebe, wie die Arachnoidea bestehen-
Sle lassen gewöhnlich eine kleine Vene durchgehen und stehen in offener Verbindung mit dem Raum unter der
Arachnoidea. Die Berührung der Arachnoidea mit der Dura wird überdies in der Cervical- und Dorsalgegend durch
das Lig. denticulatum unterhalten.
Nach Cloquet x) geht die Pia, sowie die Arachnoidea, in die Ventrikel des Gehirns hinein. »Sie geht aber nicht
aTJf das Rückenmark über». Sie ist sogar »keine wirkliche Membran». An die Gehirnoberfläche wird sie nur durch
Gefässchen gebunden; an den Windungen hängt sie mit der Arachnoidea innig zusammen, in den Furchen trennt
STe sich von ihr ab. Die Arachnoidea ist ein eingestülpter Sack ohne Oeffnung, dessen äusseres Blatt die Dura
bekleidet. Alle ausgehenden Venen und Nerven werden von ihr umhüllt, aber nur bis zu ihrem Ausgang Den
Sehnerven folgt sie indessen länger durch den Canalis opticus hindurch und schlägt sich auf seine fibröse Scheide
ei‘st innerhalb der Orbita über. An dem Canalis Bichati geht sie in die Ventrikel ein und bekleidet diese
Renault 2) hat bei Pferden einen völligen Verschluss durch ein Häutchen am unteren Ende des vierten Hirn-
ventrikels gefunden. Das verschliessende Häutchen soll er (nach der Angabe von Luschka) für eine sich nach Aussen
hin erstreckende Fortsetzung der den vierten Ventrikel auskleidenden Membran gehalten haben.
E. H. Weber 3) beschreibt die Arachnoidea nach der Bichat’schen Auffassung als einen doppelten Schlauch
dessen äusseres Blatt die Dura bekleidet und an den Nerven und Gefässen mit dem inneren zusammenhäno-t Nach
Magendie erwähnt er das unter der Arachnoidea spinalis befindliche Wasser. »Krankhafter Weise kann sich auch im
Schädel eine grössere Menge dieses Wassers und zwar theils zwischen der äusseren und inneren Platte der Spinn-
webenhaut, theils in dem Zellgewebe der weichen Hirnhaut unter der Spinnwebenhaut anhäufen». Auf der Oberfläche
der Windungen des grossen und kleinen Gehirns liegt die Arachnoidea unzertrennlich der weichen Hirnhaut an •
an den Vertiefungen geht sie aber brückenartig vorüber. Auf der Grundfläche des Gehirns liegt sie lockerer
Ob es ein Bichat’schor Canal, durch welchen die Arachnoidea in die Hirnventrikel eindringe, (wie von Savary Wenzei
J- F. Meckel d. j., van den Brocke bestätigt, von Guyot, Martin Saint-Ange und vor Allem Magendie bestritten
wurde) wirklich vorhanden sei, lässt Weber unentschieden. Die Angabe Magendie’s von einer Communication zwischen
der subarachnoidalen Flüssigkeit und derjenigen der Ventrikel führt er nur im Vorbeigehen an »Die Spinnweben
haut ist sehr dünn und durchsichtig, und scheint unorganisch, ohne Gefässe und Nerven, nur eine dünne Lao-o Vo]
Faserstoff zu sein, welche aus Serum entsteht, das aus aushauchenden Gefässchen der weichen Hirnhaut ab besetzt wird»
/q T X) Tr alte d! Anatomie descriptive. Quatrieme edition. T. 2. Paris 1828. 2) Recueil de medecine Tvi • -,oan
Braumchwot mi Ade,'Seflcchte deS ">«"«* lichen <*•“"»> *) Hildebeändts Handbuch der Anatomie des Manschet] ld
Rey und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 14
Du Pia mater cerebralis ist an ihrer auswendigen Fläche ziemlich glatt. Blutgefässe mit dem sie verbindenden
Gewebe machen die Haut aus. Sie hat auch Saugadern, Nerven aber nicht. Die Pia spinalis ist dicker als die des
Gehirns; das Ligamentum denticulatum ist eine Falte derselben. Sie sendet einen dickeren, vorderen und einen
dünneren hinteren Fortsatz in die vordere und hintere Rückenmarksspalte hinein; sie hängt sonst auch durch Gefässe
und durch kleine häutige, an vielen Stellen eindringende Verlängerungen an dem Rückenmark sehr fest.
Lauth x) folgt bei seiner Beschreibung der Arachnoidea ganz den Bichat’schen Anschaunugen. Von der
Pia mater giebt er an, dass sie Verlängerungen abschickt, welche die vom Gehirne ausgehenden Nerven scheiden-
förmig umgeben und dieselben in ihrer ganzen Vertheilung begleiten, indem sie sich mit der Nervenhülle (neurilema)
fortsetzen.
Nach Fohmann 2) sind die Lymphgefässe an der Oberfläche des kleinen und grossen Hirns durch Auf blasen
leicht darzustellen. Sie liegen zwischen der Gefässhaut und der Arachnoidea, werden durch Canäle von grösserm
Umfang als in andern Geweben des menschlichen Körpers gebildet, besitzen sehr schwache Wände, so dass sie in
dem Augenblicke zerreissen, in dem man das Quecksilber (die von ihm angewandte Injectionsflüssigkeit) einlaufen
lässt. Aus ihnen entspringen Gefässe, welche die Fortsätze der Pia mater begleiten und zuletzt die Hirnmasse
durchbohren oder auch aus dieser Lymphgefässe aufnehmen. Die kleinen Stämmchen, welche daraus hervorkommen,
begleiten die Arterien und Venen und gelangen bis zu den Löchern für die Gefässstärame. Uebrigens konnte er
den Austritt aus der Schädelhöhle durch diese Löcher nie nachweisen, indem er immer durch das Quecksilber die
Stämmchen zerrissen fand. Er glaubt daher, dass die Lymphgefässe des Hirns vielleicht keine Verbindung mit dem
übrigen Lymgefäss-system eingehen, sondern nur mit den Venen. Für diese Meinung findet er eine Bestätigung
darin, dass er nicht selten die Hirnvenen durch die Netze der Lymphgefässe auf blies. In den Gefässgefiechten des
Gehirns von Menschen sah Fohmann die Saugadern weniger dick als an dem Aeussern des Hirns. Beim Pferd be-
sitzen sie die charakteristische Form der Lymphgefässe; das Netz, welches sie im Verein mit den Blutgefässen bilden,
ist von Bläschen oder Erweiterungen besät und bildet Anhäufungen. Er ist geneigt, solche für Rudimente von
Lymphdrüsen anzusehen.
Fr. Arnold 3) schliesst sich betreffs der Arachnoidea Bichat grösstentheils an. Er will sie aber als aus zwei
Säcken bestehend ansehen, von welchen am Rückenmark der eine vor, der andere hinter demselben liegt, am Gehirn
der eine an der Basis, der andere um die Wölbung sich befindet, und beide untereinander in allen Zwischenräumen
zwischen den austretenden Nerven Zusammenhängen. Auf Grund seiner Untersuchungen bei Menschen und Thieren
sagte er sich, die Existenz des Bichat’schen Canales bestätigen zu können, dass also die Arachnoidea sich da herum-
schlage und in das Ventrikelepithel übergehe. Bei Erwachsenen sieht man indessen sehr oft nicht das Foramen,
weil die Arachnoidea mit der Vene verwächst, was nicht merkwürdig erscheinen mag, da die Pia mater gar nicht
selten krankhaft afhcirt ist. Bei Hunden, Schafen, Schweinen, Kälbern sei das Foramen Bichati immer offen und
von rundlicher Form; hier sei es gewiss nicht artificiell entstanden. Sonst sagt sich Arnold mit Bichat nicht
behaupten zu dürfen, dass die Bekleidung der Hirnventrikel eine seröse Membran sei, sondern mehr nur ein Epi-
thelium zu sein, das mit der Arachnoidea zusammenhängt. Mit Keuffel fand Arnold, dass die Pia spinalis nur
eine vordere gefässhaltige Verlängerung, aber keine hintere und seitliche in das Rückenmark einsendet. Nur am
obersten Theil des Markes, wo die vordere Verlängerung unvollständig ist, findet sich eine solche hintere, eine
ähnliche ist aber auch sehr oft an der Lendenanschwellung vorhanden.
Betreffs der Lymphgefässe der Hirnhäute machte Arnold 4), der durch die FoiiMANN’schen Angaben
von ihrer Existenz nicht überzeugt wurde, eine Reihe von eigenen Einspritzungen mit Quecksilber. Die Gefässhaut,
welche das Aeussere des grossen und kleinen Gehirns umgiebt, fand er an Saugadern ausserordentlich reich. Gleich
wie die Blutgefässe, finden sich auch weitere und engere Saugaderstämme und verschieden feine Saugadernetze in
derselben vor. Letztere sind von dreifach verschiedener Beschaffenheit, wenn man die Lage, die Weite und die Grösse
der Zwischenräume, die jene lassen, indem sie sich netzförmig vereinigen, berücksichtigt. Darnach kann man 1) ein ober-
flächliches, sehr feines, 2) ein tieferes, gröberes und 3) ein noch tieferes und gröberes Netz unterscheiden. (Letzteres war,
nach Arnold, das einzige, welches Fohmann mit Luft füllte). Das oberflächlichste Netz liegt dicht unter dem eigentlich
x) Neues Handbuch der practischen Anatomie. I Bd. 1835. 2) Mem. sur les vaisseaux lymphatiques. Nach Arnold’s
»Bemerkungen über den Bau des Hirns und Rückenmarks» angeführt. 3) Annotationes anatomicse de velamentis cerebri et medullse
spinalis. Turici 1838. 4) Bemerkungen über den Bau des Hirns und Rückenmarks. Zürich 1838. 15
serösen Theil der Arachnoidea in dem Zellgewebe, welches diesen mit der Gefässhaut verbindet. Die Canälchen
dieses Netzes haben im Durchschnitt einen Durchmesser von 1/6 Paris. Linie. Die Räume, welche zwischen den
netzförmig sich verbindenden Canälen übrig bleiben, sind so eng, dass sie kaum die Spitze der feimsten Nadel durch-
lassen. Ein wenig tiefer, aber noch in dem subserösen Zellgewebe der Arachnoidea, findet sich die zweite, etwas
gröbere Netzform, welche aus Canälchen von 1/i Paris. Lin. im Durchmesser besteht, die theils mit den Canälchen
des tiefen Netzes, theils unmittelbar mit grossem Saugaderstämmen Zusammenhängen. Dieses Zwischennetz anzu-
füllen, gelang Arnold mehrere Male sehr gut und eben so auch die Canälchen, welche von demselben direkt in
grössere Saugaderstämme einmünden. Der Character dieser, so wie der kleinsten Netze (die fein gegliederten Ca-
nälchen, die Insertion u. s. w.), lässt keine Zweifel über das Vorhandensein dieser beiden Arten von Saugadernetzen
111 dem subserösen Zellgewebe der Arachnoidea übrig. Die dritte Form von Netzen findet sich in der Pia mater
selbst. Sie wird durch Canälchen von x/2 Paris. Lin, im Durchmesser gebildet und erfüllt die Räume zwischen den
Saugaderstämmchen so vollkommen, dass bei gelungener Injection die Oberfläche des darunter liegenden Hirntheils
ganz bedeckt wird. Mit Luft oder mit Quecksilber kann man sie leicht einspritzen; einige Mal sah er solche Netze
aut Lymphe gefüllt. Von diesen Netzen aus füllen sich sehr leicht ziemlich ansehnliche Geflechte, welche in den
Fortsätzen der Gefässhaut sich zwischen den Windungen in die Tiefe der Furchen erstrecken. Es bestehen dieselben
aus weiten Canälen, die sich wieder in grössere Stämme zur Oberfläche fortsetzen. Er vermuthet, dass diese
Saugadernetze in den Fortsätzen der Pia mater, ähnlich wie die Blutgefässe derselben, aus der Hirnsubstanz Adern
empfangen. Die Saugaderstämme, welche alle diese Netze aufnehmen, haben an- der Oberfläche des grossen und
kleinen Hirns im Allgemeinen die Richtung und den Verlauf der Venen. Sie haben ihren Zug sowohl gegen die
innere als gegen die äussere Seite einer Hemisphäre. An letzterer laufen sie gegen die Basis, indem sich die Saug-
adern vom vordem, obern und untern Lappen in einen grossem Stamm, der in der Sylvischen Grube liegt, sammeln
jene vom hintern Lappen aber zur untern Fläche dieses begeben. Die Saugadern an der Hirnbasis ziehen von
dem vordem Lappen theils über dem Riechnerven gegen den vordem Theil der Längsspalte einwärts, theils nach
hinten und aussen zu dem ansehnlichen Stamm in der Fossa Sylvii. Derselbe empfängt von hinten her mehrere
Stämmchen von dem untern Lappen, aus dem noch andere ihre Richtung nach hinten zwischen das kleine und grosse
Hirn nehmen. An dem kleinen Hirn haben die Saugaderstämme genau die Richtung der Venenstämme und dies
sowohl an der obern wie an der untern Fläche. Sie laufen grösstentheils vom Wurm aus nach aussen und hinten
zum Umfang der Hemisphären. Ausser diesen finden sich noch quere Stämmchen vor, welche erstem mit einander
vereinigen, in der Regel zwischen den Blättern laufen und die Netze aufnehmen, welche die Oberfläche dieser decken
Die verschiedenen Hauptstämme, zu denen sich die Saugadern des kleinen und grossen Hirns sammeln treten durch
dieselben Löcher aus der Schädelhöhle heraus, durch welche die Arterien und Venen des Hirns ein- und austreten
ln den Gefässgeflechten der Hirnkammern finden sich sowohl Netze als auch grössere und kleinere Stämme
lymphatischer Gefässe vor. Erstem lassen sich in dem Theil der Geflechte, welcher über die Sehhügel ausgespannt
ISQ am leichtesten einspritzen. Sie kommen rücksichtlich der Form und der Weite der sie bildenden Canäle mit
jenen Netzen an der Oberfläche überein, welche in der Pia mater sich finden. In der Mitte münden sie in grössere
Stämme ein, welche von dem vorderen Horn der seitlichen Hirnkammern herkommen; nach hinten dagegen inseriren
Sle Slch in Saugadernstämme, welche aus dem mittlern Horn dieser Ventrikel heraustreten. Diese lymphatischen
Stämme liegen auf entsprechenden Venenstämmen und sammeln sich, wie diese, zu einem ziemlich ansehnlichen
Stamm, der auf der Vena magna Galeni unter dem Balkenwulst in der grossen Hirnspalte zum Vorschein kommf
Hie Saugadernetze der Hirnkammern scheinen durch Gefässe gebildet zu werden, welche aus der Hirnmasse heraus-
Ueten; denn bei der Injection jener füllten sich immer auch Saugadern von ihnen aus an, welche sich bis zur Wandung
der Ventrikel erstreckten, hier aber wegen der ungemeinen Zartheit ihrer Wände zerrissen. Arnold glaubt daher
mit Hrund annehmen zu können, dass auch die Substanz des Gehirns von Saugadern durchzogen wird, und vermuthet
dass diese in Begleitung der Gefässstämme verlaufen, weil jene Stämmchen gerade an solchen Stellen aus der
Hirnmasse hervorzutreten scheinen, an denen Venen herauskommen, die sich alsdann in die Gefässgeflechte einsenken
Dass auch das Rückenmark seine Saugadern besitzt, bezweifelt Arnold nicht. Trotz vieler Versuche gelano-
es lm aber nicht, Canäle zu füllen, die er mit Bestimmtheit für Lymphgefässe erklären möchte.
Betreffs der von Cotugno und Meckel gesehenen Gefässe in der Dura mater überzeugte sich Arnold durch
Injection derselben, sowohl in der Gegend des Sinus transversus als auch an anderen Stellen der harten Haut stets
auf das Bestimmteste, dass sie keine Saugadern, sondern Zweige und Stämmchen der Venen sind, die meistens 16
blutleer in Leichen getroffen werden; über die von Mascagni beschriebenen Gefässe sagt er, dass man mit Grund
bezweifeln kann, ob es wirklich Lymphgefässe seien.
Valentin *) fasst die Arachnoidea in der BiCHAT-ARNOLifschen Weise wie ein in sich eingestülpter Doppel-
sack auf; er nimmt auch den Canalis Bichati an. Sie ist an ihrer freien Oberfläche von Epithelialzellen bekleidet
und zeigt in ihrer Grundsubstanz feine cylindrische Fäden, welche bündelweise vereinigt sind und ungefähr eben
so fein wie die der harten Haut sind. In ihr erscheinen noch breite, verästelte, faserige Gebilde, welche vielleicht
aber nur entleerte Gefässe sind. Innerhalb des Sackes der Spinnwebenhaut verlegt Valentin die Cerebrospinal-
flüssigkeit; sie findet sich dort im Normalzustände in nicht zu grosser Menge. Dass sie dem gesunden Zustande
angehöre, lehren, nach ihm, die Haussäugethiere (Hunde, Kaninchen) bei welchen sie, wenn man die Rückenmarks-
haut blosslegt und ansticht, in Tropfen oder selbst in einem Strahle hervordringt. Die Pia mater bekleidet gemein-
schaftlich mit der Spinnwebenhaut alle freien Theile der Hirnhöhlen als das sog. Ependyma ventriculorum. Das
unter sich zusammenhängende Ventrikel System endigt, abgesehen von den seitlichen und den hinteren Ausmündungen,
wo es durch Gefässhaut verschlossen wird, vorn und hinten blind.
In seiner Darstellung von der Structur des Bindegewebes hebt Henle2) mehrmals die Arachnoidea als Beispiel
hervor. Die letzten Elemente des Bindegewebes, sagt er, sind lange und sehr feine, weiche und wasserhelle Fäden
oder Cylinder oder Fibrillen von überall ziemlich gleicher Stärke. Ihre Contouren sind glatt, scharf, aber hell;
gepresst oder gedehnt sind sie gerade, sonst laufen sie vermöge ihrer Elasticität in sanften, oft sehr regelmässigen
Wellenbiegungen. Die Fibrillen liegen selten einzeln, meist zu Bündeln vereinigt nebeneinander, und die Bündel
sind durch einen festen, aber formlosen Keimstoff verbunden. An einem dünnen Plättchen der Arachnoidea (man
nehme ein Stückchen dieser Haut an der Gehirnbasis, wo sie brückenartig ausgespannt ist, nachdem man zuvor das
Epithelium entfernt hat) erscheint zwischen den Maschen der Biudegewebebündel eine sehr matte und fein granulirte,
natürlich auch in diesem Falle membranartig ausgebreitete Substanz, welche die Lücken ausfüllt und besonders
deutlich wird, wenn man den Rand des abgeschnittenen Plättchens betrachtet. Auf diesem macht sie zwischen je
zwei Bündeln den Rand aus, mit einer deutlichen und scharfen Grenze. Die Fibrillenbündel des Bindegewebes
treten zu stärkeren Bündeln oder zu Membranen zusammen, indem sie sich bald parallel aneinander legen, bald sich
in den verschiedensten Richtungen durchkreuzen. Die meisten primären Bündel sind ohne besondere Hülle; an vielen
Stellen aber werden sie umwickelt und zusammengehalten durch Fäden, welche mit den Fasern des elastischen
Gewebes Übereinkommen. Um dieselben zu erkennen muss man das Bindegewebe mit Essigsäure behandeln. Die
Bindegewebebündel werden dadurch durchsichtig, quellen auf, und ihre Faserung verschwindet; die umwickelnden
Fäden aber bleiben unverändert. So geschiht es, dass ein Bündel, welches nur aus den gewöhnlichen Fibrillen des
Bindegewebes zu bestehen scheint, nach Behandlung mit Essigsäure sich wie ein heller, in einzelnen und oft sehr
regelmässigen Abschnitten eingeschnürter Cylinder verhält, und man bemerkt bald, dass die Einschnürungen von
einem Faden veranlasst werden, welcher spiralförmig um das Bündel läuft oder auch von einzelnen, in grösserer
oder geringerer Entfernung von einander um das Bündel gelegten, discreten Ringen. Nur selten wollte es Henle
nicht gelingen, die Windungen auf einem einzigen Faden zu reduciren, er liess es dennoch zweifelhaft, ob nicht
zuweilen mehrere Spiralfäden an einem Bündel Vorkommen. Am schönsten zeigt sich diese Bildung eben an dem
feinen und festen Bindegewebe, welches an der Basis des Gehirns, nach unten von der Arachnoidea, zwischen den
Gefässstämmen und Nerven liegt und sich in einzelnen Fäden anspannt, wenn man z. B. irgend einen Theil des
Circulus Willisii vom Gehirne abzieht. Am Gehirn, wo die Arachnoidea brückenartig über die Furchen Weggehen
soll, wird die Furche selbst von lockerem Bindegewebe ausgefüllt, dessen obere Schicht sich nebst Epithelium leicht,
obgleich immer nur künstlich, trennen lässt, während die untere als Pia mater sitzen bleibt; an den Erhabenheiten
der Windungen dagegen ist die Bindegewebeschicht eben so fest in sich, wie mit dem Gehirn und mit der Oberhaut
verbunden. Auf dieselbe Weise bildet sich das sogenannte äussere Blatt der Arachnoidea des Rückenmarks. Am
Gehirn und Rückenmark ist die seröse Haut, soweit sie den Organen selber fest adhärirt, nicht darstellbar und wird
nur der Analogie nach supponirt. Freie Falten der serösen Haut kommen, wie an anderen Stellen, auch in der
Hirn- und Rückenmarkshöhle vor, wenn zufällig einige Gefäss- oder Nerveiistämme durch Bindegewebe Zusammen-
hängen und demnach das Epithelium nicht die einzelnen Stämme ringsum überzieht, sondern sich von einem zum
anderen über das dazwischen ausgespannte Bindegewebe wegschlägt. Solche Brücken der Arachnoidea über einzelne
1) Hirn- und Nervenlehre in Sömmerings »vom Baue des menschlichen Körpers». 4 Bd. Leipzig 1841. 2) Allgemeine Anatomie.
Leipzig 1841. 17
Nerven hatte Henle häufig gesehen, namentlich bei jungen Thieren und zwischen den letzten Hirn- und den Rücken-
marksnerven, auch einmal über die beiden Geruchsnerven ausgespannt. -Diese Brücken waren indessen keineswegs
constant. Das Ligamentum denticulatum des Rückenmarkes darf man als die stehen gebliebenen fibrösen Verstärkuno-s-
-fasern einer Bindegewebsschicht betrachten, welche, die Gefässe und Nervenwurzeln umgebend, zwischen denselben
ausgespannt gedacht werden kann, vielleicht in früheren Lebensperioden wirklich ausgespannt war. Die dünnsten
Partien der Bindegewebsschicht in freien Theilen der Arachnoidea des Gehirnes bestehen aus ziemlich parallelen
häufig anastomosirenden Bündeln, welche daher ein Netzwerk mit länglich rhomboidalen Maschen darstellen und sich
übrigens verhalten wie formloses Bindegewebe. Wo die Arachnoidea fester ist, liegen die Fasern dicht nebeneinander
m mehreren Schichten, und die Fasern einer Schicht kreuzen sich oft im rechten Winkel mit denen der folgenden
Lie Bia mater ist aus einzelnen Bündeln locker gewebt und nähert sich dem formlosen Bindegewebe; sie hängt durcli
Gefässe unzertrennlich mit dem Gehirn zusammen. Bei derselben Gelegenheit äussert Henle, dass das sogenannte
äussere Blatt der Arachnoidea des Rückenmarks eine Lage von dichtem Bindegewebe sei, durch sehr feines und
lockeres Bindegewebe mit der inneren Fläche der Dura mater verbunden und daher sehr leicht von derselben trenn'
>ar, innen, an der dem Rückenmarke oder vielmehr dem inneren Blatte der Arachnoidea zugewandten Fläche mit
Epithelium bedeckt.
C. Krause *) fasst auch die Arachnoidea als ein eingestülpter Sack auf, dessen äusseres Blatt mit der
inneren Fläche der Dura mater innigst verwachsen ist, dessen eingestülpter Theil dagegen die Hirn- und Rückenmarks-
Gefässe und die Nerven wurzeln einwickelt und sodann das ganze Centrum encephalo-spinale ziemlich locker über-
Zl°ht, auch mit den Tehe chorioidese in die Höhlen eindringt, die Plexus chorioidei mit einer sehr dünnen Hülle
Bekleidet, höchst wahrscheinlich mit der Pia mater auch Antheil an der Zusammensetzung des Ependyma nimmt und
das oberflächliche Blatt desselben bildet. Ihre freie Fläche ist von Plattenepithelium (in den Hirnhöhlen aber von
Flimmerepithelium) bekleidet. In der Höhle zwischen ihrem äusseren und ihrem eingestülpten Sacke enthält sie in
geringer Menge das Serum s. Fluidum cerebro-spinale. Um die Vena cerebralis magna bildet sie einen kurzen Canal
wanahs Bichati. Die Pia mater verschliesst von hinten her den Ventriculus quartus, indem sie über die
Eissura transversa cerebelli brückenförmig ausgespannt ist.
Ecker, welcher in seiner Schrift über die Cerebrospinalflüssigkeit2) auf die Magendie’schen Ansichten
und Versuche, durch eigene Beobachtungen gestützt, die Aufmerksamkeit der deutschen Forscher lenkte, hat in einer
späteren Arbeit3) die zahlreichen Punkte der Blut- und Athembewegungen, welche bei Beantwortung der Frage nach
der Ursache der Bewegungen des Gehirns und Rückenmarks in Betracht kommen, erörtert. Durch kritische
Beleuchtung der Angaben Anderer, vorzüglich aber durch zahlreiche eigene Beobachtungen und Versuche, gelärmte
er zu folgenden Resultaten. Das Gehirn zeigt eine doppelte Bewegung, eine synchronisch mit den Athembe-
wegungen, eine zweite pulsirende synchronisch mit den Herzbewegungen. Die erstere, die bei Weitem deutlichere
und stärkere, entsteht durch das Einströmen der Cerebrospinalflüssigkeit in die Ventrikel des Gehirns und den
Subarachnoidalraum an der Basis cerebri während der Exspiration, und diese wird durch die Anfüllung der Sinus
spinales bei der Exspiration begründet, welche, sowie die Anfüllung der Venen des Gehirns, auch unmittelbar eine
Anschwellung der Gehirnsubstanz bedingen mag. Die zweite pulsirende Bewegung hat ihren Grund in der Pulsation
der Arterien an der Basis cranii und der in der Substanz des Gehirns verbreiteten Arterien. Diese Beweguimen
scheinen beständig (nicht nur bei geöffnetem Schädel) vorhanden zu sein. Auch das Rückenmark zeigt die mit der
Respiration synchronischen Bewegungen; von den pulsirenden aber kaum eine Spur. In dem eigentlichen Sacke
der Arachnoidea findet sich während des Lebens durchaus keine Flüssigkeit.
Cruveilhier 4) schliesst sich in Bezug auf die Cerebrospinalflüssigkeit der subarachnoidalen Räume und
ihren Zusammenhang mit dem vierten Ventrikel vollständig der Magendie’schen Darstellung an. Die Lymphgefässe
der Pia mater nimmt er nach Fohmann an, betrachtet sie aber als zur Arachnoidea gehörend. Nerven kommen nach ihm
m der Pia nicht vor. Betreffs der Arachnoidea nimmt er ein viscerales und ein parietales Blatt an; am Rückenmarke
haften diese durch viele Adhärenzen an einander. Der Canalis Bichati existirt nicht. Die Pia mater geht wie
h Handbuch d. menschl. Anatomie. Bd I. Zweite Auflage. Hannover 1843. 2) Archiv f. physiol. Heilkunde. Zweiter Jahro- 1843
) Physiologische Untersuchungen über die Bewegung des Gehirns und Rückenmarks. Stuttgart 1843. Bekanntlich haben sich viele
altere Verfasser über diese Bewegung geäussert; betreffs ihrer Ansichten verweisen wir auf die Arbeit Eckers. *) Traite d’Anatomie
descriptive. 2;mc Edition. T. IV. Paris 1845. Die ältere Auflage war uns nicht zugänglich.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 18
die Dura auf jeden Nerven bei seinem Austritt aus dem Schädel wie aus dem Rückenmarkscanal über; sie ändert sich
aber dabei von einer vasculären Membran zu einer fibrösen, schützenden. Er erklärt die Ansicht, dass die Pia mater
sich auf den Nervus opticus fortsetzt und in dieser Weise Membrana chorioidea bildet, für ganz irrig.
Von Todd x) wird die Existenz einer Oeffnung an dem hinteren Ende des vierten Ventrikels sehr bezweifelt.
»Meine eigene Meinung», sagt er, »ist, dass diese Oeffnung nicht natürlich vorkommt, dass sie aber durch die Gewalt
entsteht, welcher das Gehirn ausgesetzt ist, entweder bei dem Herausnehmen desselben oder bei den für ihre
Demonstrirung nothwendigen Manipulationen. Es scheint mir, dass der vierte Ventrikel in derselben Weise ge-
schlossen ist wie das untere Horn der Seitenventrikel, nämlich durch Reflexion seiner eigenen Membran von seinem
Boden zu der anliegenden Pia mater. Diese Membran ist aber so ausserordentlich fein, dass der geringste Zug an
dieselbe hinreicht, um ihre Verbindungen zu zerstören. Das Vorhandensein derselben mag am Besten erwiesen
werden durch die Resistenz, welche eine Sonde erfährt, wenn man sie in den vierten Ventrikel von oben her ein-
führt, eine Resistenz, welche indessen eiue kleine Gewalt überwinden kann». Wenn der vierte Ventrikel von der
Seite geöffnet wird, an einem Gehirn, das sehr vorsichtig ausgenommen ist, wird man eben finden, »dass der Ventrikel
durch die Reflexion seiner eigenen Membran auf die Pia mater unten geschlossen ist». Diese Membran könne aber
durch eine heftig entweder vom Ventrikel oder vom Subarachnoidalraum her andringende Flüssigkeit leicht zerreissen.
Während des Lebens könne, nach Todd, die natürliche Flüssigkeit mittelst der Endosmose und Exosmose durch
die Pia aus dem einen Raum in den anderen treten; so geschehe es aber nicht nur durch die Pia am hinteren Ende
des vierten Ventrikels, sondern auch eben so leicht an den unteren Hörnern der Seiten Ventrikel und vielleicht auch
am dritten Ventrikel, durch das Velum interpositum. Deswegen findet man auch bei Apoplexieen das Blut von den
Ventrikeln aus nicht nur hinter dem Kleinhirn sondern wenigstens ebenso häufig an den unteren Hörnern der Seiten-
ventrikel. Dass eine Berstung dünner Membranen dabei leicht geschehen kann, wird dadurch erwiesen, dass das
Blutextravasat auch durch die Arachnoidea in den Arachnoidalraum ausdringen kann. Sonst hält Todd die Arach-
noidea, im Sinne Bichats, als aus einem visceralen und einem parietalen Blatt gebildet. Die grösseren sub-
arachnoidalen Räume der Gehirnbasis hat er in Uebereinstimmung mit Magendie und Cruveilhier beschrieben.
Brücke2) spricht sich gegen die Trennung der Arachnoidea von der Pia cerebralis aus. Das Gehirn ist
nach ihm nur in eine Hülle von Bindegewebe gekleidet, dessen oberste Schicht, welche Brücken von einem Gehirntheil
zum anderen bildet, Arachnoidea genannt wird, während die tieferen gefässreichen Schichten als Pia mater bezeichnet
werden. Die Dura mater ist auch nichts weiter als compactes Bindegewebe, dessen oberflächlichste Schicht
»willkürlich und nur zur Erleichterung und Abrundung unserer Vorstellungen» als die auf die Dura mater zurück-
geschlagene Arachnoidea angesehen wird. Es ist auch »noch nicht gelungen», die einzelnen Bindegewebsbündel aus
der Schädelhöhle bis in den Augapfel zu verfolgen.
Nach Kölliker3) besteht die Arachnoidea spinalis »nicht aus einer äusseren, mit der Dura vereinten und einer
innern freien Lamelle, sondern aus einer einzigen, dem innern Blatte der Autoren entsprechenden Schicht», deren
äussere Fläche »an der hintern Mittellinie des Halstheiles höher oben durch ziemlich derbe Streifen, weiter unten durch
zartere Fäserchen mit der Dura in Verbindung» steht, sonst aber mit »einem dem der Dura ganz gleichen Epitelium»
bekleidet ist, wogegen die innere Fläche ohne Epithel ist; sie sendet durch den Unterarachnoidalraum »zahlreiche
Streifen an die Pia mater und die Nervenwurzeln, welche ausser im Begleit der Gefässe und Nerven besonders an
der hintern Mittellinie in einer Reihe hintereinander sich finden, und hie und da besonders am Halse eine durch-
löcherte oder vollständige Scheidewand bilden». Die Pia spinalis umschliesst das Rückenmark ganz eng, tritt in der
vorderen und hinteren Spalte in Gestalt dünner Fortsätze in das Rückenmark hinein und giebt andererseits auch den
Nervenwurzeln zarte Scheiden ab. Am Gehirn besteht die Arachnoidea ebenso nur aus einer einzigen Lamelle (das
viscerale Blatt der Autoren), sie ist aber hier an sehr vielen Orten, nämlich an allen Gyris und an den vorspringenden
Theilen der Gehirnbasis, mit der Pia »verklebt und selbst verwachsen, und ausserdem, wo diess nicht der Fall ist,
durch viele Fortsätze mit ihr vereint». »Aus diesem Grunde findet sich auch am Gehirn kein zusammenhängender
ünterarachnoidealraum, sondern viele grössere und kleinere, nur zum Theil communicirende Räume. Die grossen
derselben zwischen dem Cerebellum und der Medulla oblongata und unter dem Pons, den Hirnstielen, der Fossa
Sylvii u. s. w., gehen direct in den ünterarachnoidealraum am Rückenmarke über, während die kleineren, entsprechend
den Sulcis, über die die Spinnwebenhaut brückenartig herübergeht, zum Theil wohl unter einander, aber, wenigstens
L The Cyclopgedia of Anatomy and Physiology. Vol. 111. 1847. 2) Anatomische Beschreibung des menschlichen Augapfels. 1847.
3) Mikroskopische Anatomie. Bd 2. 1850. 19
(^e meisten, nicht mit den erwähnten grösseren Räumen Zusammenhängen)) x). Mit der Auskleidung der Hirnhöhlen ver-
bindet sich die Arachnoidea nirgends. Die Pia mater cerebri ist blutgefässreicher aber zarter als die des Markes
und bekleidet alle Erhebungen und Vertiefungen der Oberfläche des Gehirns. Was sonst den feineren Bau betrifft
enthält die Arachnoidea Bindegewebe mit Kernfasern in etwas eigentümlicher Anordnung. Ersteres bildet die
Hauptmasse und besteht aus netzförmig anastomosirenden Bündeln, welche zu mehreren, deutlich nachweisbaren
Lamellen, äusseren mit schwächeren, inneren mit stärkeren Bündeln und zugleich weiteren Maschen verbunden sind
Die Kernfasern liegen seltener in den Bündeln, sondern laufen als sogenannte umspinnende in zierlichen engeren
oder weiteren Spiraltouren um die Bindegewebsbündel herum, so dass diese, wenn durch Essigsäure angequollen
eine rosenkranzförmige Gestalt annehmen. An vielen Bündeln sind dieselben sehr fein und scheinen manchmal
selbst ganz zu fehlen. Die Pia spinalis enthält meist gewöhnliches Bindegewebe mit gerade verlaufenden, nicht
anastomosirenden Bündeln; letztere sowie umspinnende Kernfasern fand Kölliker ausser an den Stellen, wo Arach-
noidealfortsätze an die Pia gehen, in der letztem nicht, wohl aber ziemlich viele Kerne, oft von linienförmiger Gestalt
and spärliche Kernfasern. Die Gefässfortsätze im Mark enthalten fast nichts als Gefässe. Hie und da finden sich
in der Pia Pigmentzellen. Das Ligamentum denticulatum hat kein Epithel. Die Arachnoidea cerebralis besteht
abgesehen von dem äusseren Epithel, vorzüglich aus netzförmig vereinten Bindegewebsbündeln mit umspinnenden
Kernfasern in mehrfachen Schichten. Ausser dieser Form des Bindegewebes zeigen sich auch noch erstens mehr in
den äusseren Schichten parallel verlaufende Fibrillen ohne deutliche Bündelbildung mit runden, länglichen, selbst
spindelförmigen Kernen und einzelnen geraden Kernfasern, welche letztere auch in den anastomosirenden Bündeln
nicht selten sich finden, und zweitens mehr homogene Bindesubstanz zwischen den netzförmigen Bündeln und dann auch
bie und da als Hülle der Bündel selbst. Die Pia cerebri enthält so viele Gefässe, dass stellenweise das Bindegewebe
mehr in den Hintergrund tritt. Dasselbe ist selten wie am Rückenmark deutlich faserig, meist mehr homogen mit
spärlichen Kernen und ohne Kernfasern. Plie und da enthält die Pia doch auch netzförmiges Bindegewebe mit oder
ohne Kernfasern, wie um die Vena Galeni, die Zirbel, die grösseren Gefässe herum und auch am Cerebellum
Spindelförmige Pigmentzellen finden sich auch in dieser Membran, namentlich an der Medulla und am Pons. Die
bolag chorioidem und Plexus chorioidei weichen in ihrem Bau von der übrigen Pia nicht ab, ausgenommen dass sie
namentlich die Plexus, fast nur aus Gefässen bestehen und an ihren mit den Wänden der Hirnhöhlen nicht ver-
wachsenen Stellen ein Epithelium besitzen. Lymphgefässe konnte Kölliker weder in den Adergeflechten noch in
cKr Pia finden. Nerven fand er in der Pia; so wie auch in den Balken, die zwischen ihr und der Arachnoidea
laufen, besonders an der Hirnbasis, nie aber in der Arachnoidea selbst.
Nach Kölliker besteht die Dura mater spinalis fast zu gleichen Theilen aus Bindegewebe und aus elastischem
Gewebe. Ersteres zeigt parallel verlaufende Bündel in vielen übereinander liegenden und fest verbundenen Lamellen,
letzteres Netze feinerer und stärkerer Kernfasern. Die äussere Fläche der Dura ist vorn mit der Fascia lonoit
• & *
Posterior vereint, hinten und seitlich frei und durch ein lockeres Bindegewebe mit vielen Gefässen und Fettzellen
von den Wirbelbogen geschieden. Die Innenfläche der Dura soll nach der allgemeinen Angabe von einem äusseren
Blatte der Arachnoidea überzogen sein, allein hier findet sich nichts als ein Epithelium von polygonalen, platten
kernhaltigen Zellen auf der innersten Lage der harten Haut und von einem besonderen Substrate derselben keine
Spur. Das Ligamentum denticulatum hat ganz denselben Bau wie die Dura mater, nur mangelt demselben das
Epithel, da seine Zacken gleich nach ihrem Abgang in den Subarachnoidalraum treten. Die Dura mater cerebralis
besteht aus der eigentlichen harten Haut und dem Periost der Innenfläche der Schädelknochen. Die Periostlamelle
18t mfl' der inneren eigentlichen harten Haut in früherer Zeit nur locker verbunden und lässt sich beim Erwachsenen
oicht selten noch theilweise trennen. Die innere Lamelle ist gefässarmer. In Betreff des feineren Baues findet
smh in beiden Lamellen Bindegewebe von derselben Form wie in Sehnen und Bändern mit meist undeutlichen
Landein und parallelem Verlauf der Fibrillen. An den meisten Stellen finden sich zwischen dem Bindegewebe auch
Kern fasern gewöhnlich als dem Bindegewebe parallel verlaufende, geschlängelte feine Fäserchen, dagegen nirgends
Gastische Fasern. Die Innenfläche der Dura besitzt eine einfache Lage von pflasterförmigen Epithelzellen, dagco-cn
kvine Spur einer anderweitigen Bekleidung, die als parietales Blatt der Arachnoidea zu deuten wäre. An der den
Knochen zugewandten Seite ist bei Erwachsenen die Dura rauh und verbindet sich durch Fäserchen und Gefässe
direct mit dem Knochen.
) Von uns kursivirt. 20
Betreffs der von Kölliker stammenden Angaben über die Adventitialscbeiden der Hirnblutgefässe sowie.. betreffs
der von Yirchow gegebenen Darstellung derselben verweisen wir auf die specielle Historik dieser Frage (S. u. S. 148).
Obwohl die Magendie’sche Lehre von dem offenen Zusammenhang der cerebrospinalen Subarachnoidalräume
und der Hirnventrikel von Ecker bestätigt war, konnte sie sich doch einer allgemeinen Annahme nicht erfreuen.
Ausser Todd und Kölliker (theilweise) trat u. A. auch Yirchow als ihr Gegner auf. Die anatomische Einrichtung
der Theile, sagt Yirchow x), gestattet keinen so einfachen Transport der Flüssigkeit. »Die arachnoidealen und sub-
arachnoidealen Räume, in denen die Cerebrospinalflüssigkeit enthalten ist, stehen in keiner ganz offenen Verbindung
weder unter sich, noch mit den Hirnhöhlen, und die in ihnen enthaltene Flüssigkeit kann daher nicht einfach in ihnen
auf- und absteigen». Als Stütze hierfür führt er einen Versuch an, den er mit Kölliker an einer menschlichen
Leiche gemacht hatte; es zeigte sich nämlich bei diesem Versuch, »dass der allerdings continuirliche Sack der Arach-
noidea spinalis sich bis an die hintere Fläche des kleinen Gehirns, bis an den Pons und seitlich bis zum Trigeminus
erstreckte, dass aber nicht einmal die grossen Räume’an der Basis des grossen Gehirns und noch weniger die sub-
arachnoidealen Räume der Convexität damit in Verbindung standen». In Uebereinstimmung mit seiner Auffassung
von der Abgeschlossenheit der Hirnventrikel hält Yirchow irgend eine erhebliche Flüssigkeitsmenge in denselben
für »exsudativ»; und diese Ansicht wird noch dadurch gestützt, dass bei Hydrocephalus internus acutus die Flüssigkeit
von anderer Zusammensetzung (eine relative Häufigkeit der Kali- und Phosphatsalze nach Schmidt) als das peri-
pherische Oedem der Pia mater sei; es »müssen in den Ventrikeln ganz eigenthümliche Verhältnisse vorliegen».
Bruns 2) beschreibt das Cavum subarachnoideale als »an einzelnen Stellen weit und geräumig, an anderen sein-
eng, ja es ist sogar möglich, dass es nicht einmal einen einfachen, überall frei zusammenhängenden Hohlraum bildet,
indem die an der convexen Oberfläche des Grosshirns in der Tiefe zwischen den Hirnwindungen befindlichen kleinen
Zwischenräume in Folge der vielfachen Verbindungen zwischen der Pia mater und der Arachnoidea nicht sämmtlich
unter einander und mit dem grösseren Raume an der Hirnbasis zu communiciren scheinen». Die weitesten Stellen
des Subarachnoidalraumes, die Sinus subarachnoidales Bruns, »befinden sich theils unter dem Gehirne an dem
raittlern Theile seiner Grundfläche», »theils über der Medulla oblongata am unteren Ende der vierten Hirnhöhle da,
wo die Arachnoidea frei von dem kleinen Gehirne zum verlängerten Mark hinübergespannt ist». »Diese Sinus stehen
in freier, weiter Communication unter einander und mit dem ünterarachnoidealraume an dem Rückenmarke».
Luschka 3) machte dann sowohl , die Adergeflechte als die Hirnhöhlen und die Subarachnoidalräume zum Gegen-
stand eingehender Untersuchungen. Er bestätigte die Existenz des Loches zwischen dem vierten Ventrikel und den
Subarachnoidalräumen und nannte es nach seinem Entdecker das Magendie’sche Loch. Beim Menschen ist dieses
Loch eine ganz normale Bildung, nicht aber bei allen Thieren. »Nach Untersuchungen, welche ich beim Pferde
anstellte», sagt Luschka, »finde ich hier in Uebereinstimmung mit Renault am untern Ende des vierten Ventrikels
einen völligen Verschluss. Dieser ist bewerkstelligt durch eine äusserst dünne, durchscheinende, höchst zerreissliche,
zwischen dem hintern, bei jenem Thiere zapfenähnlichen Ende des kleinen Gehirnes und dem beiderseitigen Rande
des Calamus scriptorius bis zu dessen Spitze herab ausgebreitete Membran». Das verschliessende Häutchen besteht
aus netzförmig verbundenen dünnem und dickem Zellstoffsträngen und enthält Spuren von Blutgefässen. Es »liegt
unter der sehr locker zwischen dem verlängerten Marke und kleinem Gehirne ausgebreiteten Arachnoidea und
erstreckt sich von deren innerer Fläche, eine directe Continuität ihrer Gewebselemente darstellend, bis zu dem ge-
nannten Rande der untern Hälfte der Rautengrube, um sich dort in der Gefässhaut zu verlieren». Ausser demselben
erkannte aber Luschka noch zwei andere Löcher, welche vom vierten Ventrikel in die Subarachnoidalräume führten.
Seine Beschreibung lautet so: Beiderseits verläuft der äussere Winkel des Ventrikels »als eine Rinne nach aussen,
durch welche der seitliche Theil des Adergeflechtes der vierten Hirnhöhle heraustritt, während die Arachnoidea über
diese Stelle frei hinweggespannt ist. Der äussere Winkel setzt daher den vierten Ventrikel mit dem Subarachnoideal-
raum in einen offenen Verband. Die Lücke, an welcher die Pia mater in das Ependyma übergeht, ist inzwischen
durch den seitlichen Theil des vierten Adergeflechtes so verlegt, dass nur eine enge Spalte übrig bleibt, welche aber
völlig genügt, um Flüssigkeit, welche von unten her bei noch bestehender Tela chorioidea inferior mit dem Tubulus
eingetrieben wird, an jener Stelle unter der Arachnoidea zum Vorscheine kommen zu lassen. Es ist diese anato-
mische Nachweisung um so wichtiger, als man bei manchen Thieren, wie beim Pferde, das untere Ende des vierten
Ventrikels völlig verschlossen findet, wo es dann nur die äussern Winkel jener Höhle sind, welche einen Zusammen-
B Allgemeine Störungen der Ernährung und des Blutes. Handb. d. spec. Pathologie und Therapie. Erster Band. 1854. Die Kursivirung
gehört uns. 2) Handbuch d. pract. Chirurgie. 1 Abtheil. Tübingen 1854. ;{) Die Adcrgcflcchtc des menschlichen Gehirns. Berlin 1855. 21
hang zwischen Hirnventrikel und Snbarachnoidealranm vermitteln können». »Nur ausnahmsweise, und wie es scheint
als krankhaftes Vorkommniss ist über den seitlichen Theil des Adergeflechtes und über die dem äussern Winkel
entsprechende Oefihung ein Häutchen hinweggespannt, welches jenen abkapselt und diese verschliesst. Ich erkannte
has Häutchen als eine dicke, gelbliche, zähe, aus Zellstoff gebildete Lamelle, welche mir als erkrankte faltenartige
Verlängerung der die Oberfläche der Flocke überziehenden Gefässhaut erschien» x).
Durch sieben Versuche bemühte er sich den Zusammenhang aller Subarachnoidalräume sowohl des Rücken-
Marks als des Gehirns mit einander und unter sich sowie den Zusammenhang aller dieser Räume mit den Hirn-
ventrikeln experimentel] darzulegen. Bei dem ersten Versuch hängte er eine Leiche an den Füssen auf und entfernte
dann das Schädeldach; er fand da sowohl in den Furchen als über den Windungen des Gehirns eine Meime von
Flüssigkeit, welche beim Anstechen der Spinnwebenhaut ausfloss. Beim zweiten Versuch hängte er die Leiche am
Kopfe auf, entfernte dann das Schädeldach und schnitt die Dura raater auf. Keine Flüssigkeit wurde in den Sub-
arachnoidalräumen gefunden. Dann hängte er die Leiche nach Zurechtlegung der Dura und des Schädeldaches einige
Stunden an den Füssen auf. Nach dieser Zeit wurden die Subarachnoidalräume mit Flüssigkeit erfüllt gefunden
Wurde die Leiche noch ein Mal in aufrechter Position erhalten, verschwand wieder die Flüssigkeit. Beim dritten
Versuch trieb er unter der Arachnoidea an einer Furche der Hemisphären des grossen Gehirns mit Wasser reichlich
verdünnte schwarze Tinte durch einen feinen Tubulus mittelst einer Spritze unter sehr schwachem Drucke ein Die
Flüssigkeit verbreitete sich alsbald im grössten Theile des Subarachnoidalraumes der entsprechenden Hemisphäre
und wurde nach der Herausnahme des Gehirnes aus der Schädelhöhle auch am Unterlappen und in den grossen
Räumen der Grundfläche vorgefunden. Sie hatte auch das subseröse Gewebe der Hirnwindungen durchsetzt
Beim vierten Versuch wurde der Kopf in der Höhe des fünften Halswirbels abgeschnitten. Am Halse entfernte
man die Wirbelbögen bis zum Atlas und befestigte nun einen langen, unter die Arachnoidea geschobenen Tubulus
Mit schwarzer Tinte gefärbtes Wasser wurde nun ganz behutsam so eingespritzt, dass es »mehr durch seine eigene
Schwere als durch den Druck der Spritze» in die Subarachnoidalräume und in die Gehirnhöhlen gelangen konnte
Dann wurden Schädeldach und Dura mater entfernt. Man fand die Flüssigkeit über den grössten Theil der Hemisphären
des grossen und kleinen Gehirns ausgebreitet, sowie in den grossen Subarachnoidalräumen der Basis angesammelt
»Ein kleiner Theil der Flüssigkeit war in die vierte Hirnhöhle und durch den deutlich geschwärzten Aquseductus
Sylvii bis in den dritten Ventrikel gelangt». Beim fünften Versuch wurde die Eröffnung des Schädels an seiner
Grundfläche vorgenommen. In der Mitte des grossen über die Hirnschenkel hinweggespannten Theiles der Arachnoidea
wurde nun durch eine kleine Oeffnung die Flüssigkeit mit einer Spritze ausgezogen. Nahezu zwei Unzen eines hellen
Fluidum (Cerebrospinalflüssigkeit) wurde in dieser Weise ausgepumpt. Bei der nachherigen Einspritzung gefärbter
Flüssigkeit liess sich dieselbe in dem grössten Theile des Subarachnoidalraumes und namentlich bis über die Hemi-
sphären des grossen Gehirnes hintreiben. Beim sechsten Versuch wurde durch einen besonderen »Knochentroicart»
durch die Nase einer Leiche der Körper des Keilbeins durchgebohrt, dies insbesondere in Rücksicht auf die Lehre
V(m den Brüchen der Schädelgrundfläche. Alsbald floss eine klare Flüssigkeit ab. Man führte dann das Instrument
111 die Paukenhöhle ein und durchbohrte das Labyrinth; die Cerebrospinalflüssigkeit floss auch in dieser Weise ab
Beim siebenten Versuch wurde Luft in die Subarachnoidalräume von einer sehr beschränkten Stelle (z. B. von einer
Hirnfurche) eingeblasen. Hierdurch konnte man sehr expedit den Zusammenhang der verschiedenen Abschnitte
Subarachnoidalraumes darlegen. Luschka bemerkt noch, dass er bei Enthaupteten das Eindringen der Luft in
sainmtliche Subarachnoidalräume des Gehirns und zwar vom Cavum subarachnoidale des Rückenmarks aus in sehr
ausgesprägter Weise wiederholt wahrgenommen habe. Die Flüssigkeit fliesst durch den weit offenen Subarachnoidal-
iaum des Rückenmarks ab, und die Luft dringt ein.
l) In einer etwas späteren Abhandlung »Heber die Communication der vierten Hirnhöble mit dem Subarachnoidalraume» (Zeitscbr
f rat. Med. 3. R. B. 111. 1859) bat Luschka das normale Besteben und die Beschaffenheit des »Hiatus Magendii» hervorgehoben Er fügt
noch einen Beweis für die Existenz desselben an; »Lässt man,» sagt er, »nach Entfernung des grossen Gehirnes das kleine, vom Gezelte
bedeckte Hirn unversehrt in seiner Lage, und durch den Aquseductus Sylvii ein gefärbtes Fluidum mit Hilfe eines Tubulus5 durchfliessen6
dann wird man den Liquor cerebrospinalis im Subarachnoidealraume des Rückenmarkes entsprechend gefärbt finden». Dass die
mcht durch Zerreisen entsteht, wird auch dadurch bewiesen, dass beim Pferde das verschliessende Häutchen, welches sehr dünn und
überaus zerreisslich ist, ohne Schwierigkeit trotz der Manipulationen beim Herausnehmen des Gehirns in voller Integrität erhalten wird
»Das Gesetz der Communication des vierten Ventrikels mit dem Subarachnoidealraume erleidet übrigens auch beim Fehlen eines Hiatus
Magendii, bei den Säugethieren, wie es scheint, keine Ausnahme, da jedenfalls eine offene Verbindung durch die lateralen Ventrikel
U Gerten Hirnhöhle vermittelt wird».
Fey und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. g 22
Der Subarachnoidalraum des Rückenmarks ist am Hals- und Lendentheil ungleich umfänglicher als am Rücken-
theile. Die Arachnoidea spinalis besteht aus einem visceralen und einem parietalen Blatt. Zwischen dem
visceralen Blatt der Arachnoidea einerseits und der Pia andrerseits begegnet man sehr vielen Verbindungsmitteln.
Die am meisten auffallende Verbindung ist die entlang der ganzen hinteren Mittelfurche des Rückenmarkes verlau-
fende dünne Lamelle, welche als eine Art von Mediastinum erscheint; selten ist sie völlig continuirlich, sondern ge-
wöhnlich mehrfach durchlöchert oder ganz durchbrochen, und durch linear hinter einander stehende, kleinere Blättchen
vertreten. Die verbreitetsten Verbindungsmittel aber, welche an der ganzen übrigen innern Fläche gesehen werden,
sind sehr feine, bald ganz einfache, bald mannigfach unter einander verbundene Fädchen. Jene Fäden sind reich-
licher und auch vielfacher unter einander verbunden am Halstheile des Rückenmarks, einfacher und länger am
Rücken- und zumal am Lendentheile, an welchem sie mit den Wurzelfäden der Cauda equina in Verbindung stehen.
Das Visceralblatt der Arachnoidea spinalis bildet um die Wurzeln der Rückenmarksnerven scheidenartige Fortsätze,
welche innerhalb der entsprechenden Dura-mater-scheiden nach auswärts sich verfolgen lassen und erst jenseits
der Ganglien, in der Neurilembildung untergehen.
Die Arachnoidea cerebralis besteht auch aus einem visceralen und einem parietalen Blatt. Das viscerale
Blatt liegt, als Fortsetzung desjenigen des Rückenmarks, über das verlängerte Mark, die Varolsbrücke, das Thal des
kleinen Gehirns nur locker auf der Pia mater; ebenso an der Oberfläche des Oberwurms und der Hemisphären des
kleinen Gehirns. Aber auch bei der Umkleidung des grossen Gehirns lässt sich die Arachnoidea mit der ganzen Eigen-
tümlichkeit ihres feinen Baues als gefässarme Membran von der Pia mater ablösen und in ihrer Continuität mit den
über die Gehirnfurchen weggespannten Partien hersteilen. Die beiden Membranen (Arachnoidea und Pia) sind auf den
Hirnwindungen durch einen zu einem verhältnissmässig engmaschigen Netzwerk verbundenen Zellstoff, ein subseröses
Bindegewebe, vereinigt. Wie nun aller gefaserte Bindestoff untereinander communicirende Räume enthält, ganz so
ist die Einrichtung auch dort, so dass die dünne Cerebrospinalflüssigkeit durch jenes Gewebe durchfliessen kann.
Über die Hirnfurchen erscheint die Arachnoidea nur als brückenartig hinweggespannte Fortsetzung des über den
Windungen befindlichen Theiles derselben. Dieses Verhältniss zu den in die Tiefe der Furchen ziehenden Gefäss-
hautfortsätzen bedingt ebenso viele Flüssigkeit enthaltende Räume, als Furchen vorhanden sind, welche alle unter-
einander in offener Verbindung stehen. Die Weite der den Furchen entsprechenden Subarachnoidalräume wechselt
sehr nach der Dicke der Gehirnswindungen und nach der Menge der gerade angesammelten Flüssigkeit. Auch
zwischen der über die Hirnfurchen weggespannten Arachnoidea und der in diese eintretenden Gefässhaut finden
sich zahlreiche Bindegewebsfäden, welche sehr fein sind und weit von einander abstehen, übrigens im Grobem das
darstellen, was man im Feinem zwischen den entsprechenden Häuten der Windungen findet. Die an der Grund-
fläche des Gehirnes befindlichen, sehr umfänglichen Subarachnoidalräume, welche Luschka (nach Bruns) Sinus sub-
arachnoideales nennt, lassen sich nach ihm in drei unpaarige in der Mittellinie gelegene und drei paarige seitlich
gelegene unterscheiden. Von den unpaarigen liegt der umfänglichste zwischen dem hintern Umfang der Medulla
oblongata und dem Thal des kleinen Gehirns. In ihrer Tiefe findet eben die Communication des vierten Ventrikels
mit dem Subarachnoidalcavum statt. Der zweite unpaare Sinus entspricht dem dreiseitigen, von den beiden Hirn-
schenkeln, dem Rande der Varolsbrücke und der Sehnervenkreuzung begrenzten Raum. Ueber das sog. Trigonum
intercrurale ist ein dünnes Blatt der Arachnoidea brückenähnlich hinweggespannt. Seiner Lage zum Hirnschädel
nach entspricht der Raum dem Körper des Keilbeines von der Declivitas Blumenbachii an bis zum Sattelknopfe hin.
Wenn Brüche jenes Knochenabschnittes eingetreten sind, mit welchen eine Zerreissung der harten Haut und der
Arachnoidea verbunden ist, tritt die Cerebrospinalflüssigkeit leicht aus und kann durch die Nase abfliessen, was eben
in praxi geschieht. Der dritte unpaare Sinus ist sehr unbedeutend und erstreckt sich von der vorderen Seite der
Sehnervenkreuzung an, über die graue Endplatte hinweg, bis gegen den Schenkel des Balkenknies hin. Von den
paarigen Subarachnoidalsinus sind jene die grössten und practisch wichtigsten, welche an der unteren Fläche des
kleinen Gehirnes zwischen ihm und dem seitlichen Umfang der Medulla oblongata sich bis gegen den vordem Rand
der Varolsbrücke hin erstrecken. In ihnen liegen die Wurzeln der meisten Hirnnerven, sowie der seitliche vom
Nerv, glossopharyngeus und vagus etwas bedeckte Theil des vierten Adergeflechtes. Es entspricht dieser Raum,
seiner Lage zu den Knochen nach, der Verbindung zwischen Felsenbein und dem Rande des Körpers vom Hinter-
hauptsbeine und bildet besondere divertikelartige Fortsätze in den innern Gehörgang und in die Nische, welche
zur Aufnahme der Wurzel und des Ganglion des Trigeminus durch die harte Hirnhaut über der Spitze des Felsen-
beines gebildet wird; diese Sinus sind für die Lehre von den Brüchen des Felsenbeines vom grössten Belange, da 23
ans ihnen zunächst, wenn die Weichtheile mit zerrissen sind, Cerebrospinalflüssigkeit durch das Ohr nach aussen
hin fliesst. Die zwei übrigen Paare der Sinus entsprechen den seitlichen Theilen der Fissura cerebri transversa
und den Sylvischen Gruben und sind durch Länge und Schmalheit, sowie durch eine nur geringe Tiefe ausgezeichnet
Jene Sinus sind von zahlreichen dünneren und dickeren Zellstofffäden durchzogen.
Die Arachnoidea cerebralis sendet mit jedem anstretenden Gehirnnerven eine scheidenartige Umhüllung, welche
zusammen mit den entsprechenden Scheiden der Dura und Pia mater den Anfang zur Bildung seines Neun]eins
bildet. Es wäre ganz irrthümlich, wenn man glauben wollte, die Arachnoidea schlage sich da, wo die Nerven-
wurzeln die Dura mater verlassen, einfach und in Totalität auf deren inneren Fläche um; im Gegentheile lässt sich
nach sorgfältiger Spaltung der Dura-mater-Scheide die ihrer innern Oberfläche genau anliegende und nach aussen hin
allmählig verschwindende Arachnoidalscheide auf das Deutlichste sehen und dabei erkennen, dass sie aus den tieferen
Lagen des Gewebes der Arachnoidea gebildet wird, während die oberste Schicht zur Erzeugung der parietalen
Spinnwebenhaut auf die innere Fläche der Dura mater übergeht.
Von den Gefässscheiden der Arachnoidea ist besonders jene bemerkenswert!!, welche als Canalis Bichati
den Stamm der Vena magna Galeni umgiebt und zwischen Balken willst und Vierhügel ins Innere des Gehirns tritt
In den meisten Fällen ist man hier im Stande eine Sonde leicht zwischen Vene und Arachnoidea in die Tiefe zu
führen. Untersucht man jene scheidenartige Umhüllung etwas genauer, wird man eine Anzahl kleinerer, mit ihr in
offener Communication stehender Scheiden finden, nämlich für diejenigen Venenzweige, welche sich in den Stamm
der V. Galeni einsenken. Wenn man in das sog. Foramen Bichati mit einem Tubulus Luft einbläst, erhebt sich
die Arachnoidea stellenweise zumal an der oberen Fläche des kleinen Gehirns; zugleich aber erhebt sich gewöhnlich
auch die über dem dritten Ventrikel ausgespannte Tela chorioidea. Eine weiter gehende Untersuchung zeigt indessen
dass die um die Vena magna Galeni scheidenartig ins Innere getretene Arachnoidea sich allmählig in der Adventitia
der innern Gehirnvenen verliert. Bei selbst nur schwachen Insufflationen tritt sehr leicht stellenweise Zerreissung
dieser äussert zarten Umhüllung ein, wobei Luft dann freilich in den dritten Ventrikel kommt und die Tela erhebt-
eine Sonde tritt auf dieselbe Weise, wie durch kein Hinderniss aufgehalten, frei in die dritte Hirnhöhle hinein.
Von dem feineren Bau der Rückenmarks- und Hirnhäute giebt Luschka auch in dieser Arbeit über
die Adergeflechte eine Darstellung. Die zwischen der Arachnoidea und Pia verlaufenden Fäden bestehen aus
einer grösseren oder geringem Anzahl von Bindegewebsbündeln, welche meist isolirt, an manchen Stellen aber auch
unter einander mehrfach verschmolzen sind. Die meisten dieser Bündel sind von feinen elastischen Fasern spiralig
umwickelt, wie man besonders deutlich nach Behandlung des Objectes mit Essigsäure findet. In manchen jener
Faden liegen, von den spiraligen Fibrillen umschlossen, der Länge nach verlaufende, mannigfach gewundene, elastische
Fasern. Ebenso sieht man mitunter ein feines Blutgefäss oder einzelne Nervenröhrchen durch sie von der Gefäss-
Faut aus in das Gewebe der Arachnoidea gelangen und sich daselbst vertheilen. Das Visceralblatt der Arachnoidea
spiualis hat zu seiner wesentlichen Grundlage netzförmig untereinander verbundene, dünnere und dickere Binde-
gewebsbündc], welche vielfach von feinen elastischen Fasern in Spiraltouren umwickelt sind. Ausserdem sieht man
reichliche isolirte, feinere und gröbere Bindegewebsfibrillen. Sehr bemerkenswert!! ist die auf beiden Flächen der
Haut bestehende Epithelialbekleidung, welche sich von der inneren Fläche noch überdiess auf die Gefässhaut des
ganzen Rückenmarks erstreckt. Blutgefässe und Nerven fand Luschka nach ausführlichen Untersuchungen in dei
Arachnoidea, aber in ausserordentlich geringer Menge. An den in den Sinus subarachnoidales des Gehirns verkom-
menden zahlreichen dünneren und dickeren Zellstofffäden ist die spiralige Umwickelung mit elastischen Fibrillen
gewöhnlich frappant deutlich; sie sind ausserdem häufig blutgefäss- und nervenhaltig; zahlreiche feinere Blutgefässe
durchsetzen auch jene Räume. Die Arachnoidea cerebralis besteht aus theils homogenen, theils längsgestreiften,
meist aus wirklich getrennten Fibrillen bestehenden dünneren und dickeren Zellstoffsträngen, welche unter einander
211 emem, sehr unregelmässige Maschenräume enthaltenden Netzwerke verbunden sind. Isolirte Bindegewebsfibrillen
Sloht man überall zwischen den Bündeln und begegnet ihnen als einer fast gleichförmigen sehr dünnen Lage be-
sonders an der Oberfläche des Faserstroma, hart unter dem Epithelium. Sehr zahlreiche feine elastische Fasern sind
den Zellstoff bündeln beigegeben. Diese Fasern laufen sowohl der Längsachse der Bündel entlang, in deren Inneres
emgeschlossen, als auch in manningfacher Weise um sie herumgewickelt. Als Fortsetzungen dieser Bündel erscheinen
Fm Zellstofffäden, welche zur Pia überspringen und als sog. subarachnoidales Bindegewebe das Cavum subarachnoi-
dale durchziehen. Sie verlieren sich in der Bindegewebsgrundlage der Pia. Ein Epithelium bekleidet beide Flächen
Foi' Arachnoidea. Dies Epithel besteht scheinbar aus länglich runden, melonenkernähnlichen, platten, feingranulirten Körperchen. Diese Formelemente erscheinen in eine höchst feine Molecularmasse wie eingestrent. Näher untersucht
erweisen sich jene Körper als Kerne von Zellen. »Es hängt diess auch ganz mit dem Bildungsvorgang zusammen,
indem erst Kerne aus dem Blastem hervorgehen, um welche sich dann eine feinkörnige Masse niederschlägt, welche
dann schliesslich, zur Vollendung der Zelle, von einer structurlosen Membran begrenzt wird.» Ein Stehenbleiben
auf der frühem Stufe sieht man nicht selten, und erkennt »zum Zeugniss der nicht eingetretenen Differenzirung nur
eine feinkörnige Membran mit bald mehr, bald weniger eingelagerten Kernen».
In seiner früheren Arbeit über die serösen Häute *) beschreibt Luschka noch eingehender den feineren Bau
der Arachnoidea. Das Epithel der äusseren Fläche fand er aus zwei Schichten bestehend, von denen die obere von
der Jüngern untern verschieden ist; die erstere wird durch eine nicht continuirliche Lage polygonaler, meist kern-
loser Plättchen gebildet, während die zweite Schichte aus meist ovalen granulirten Körpern besteht, die durch eine
feinkörnige Molecularmasse zusammengehalten werden. Diese Form sah Luschka besonders deutlich an der Arach-
noidea spinalis, nicht bloss an der äussern, sondern auch an der Innern Fläche; an den brückenartig ausgespannten
Partien der Arachnoidea cerebri gelang es ihm nur einigemal auf ihrer innern Fläche Epithelialplättchen zu finden.
Die Zellstoffbündel des faserigen Stratum der Arachnoidea beschrieb Luschka in derselben Arbeit als bald homogen,
bald zusammengesetzt aus sehr zahlreichen, nahe aneinander liegenden Fibrillen, die meist regelmässig geschlängelt
sind. Oft sah er auch ganz homogene, isolirte platte Fasern von lebhaft bläulichem Schimmer. Durch alle diese
Fasergebilde wird ein unregelmässig und grossmaschiges Netz gebildet. Die Netzräume sind von homogenem oder
feingekörntem Bindestoff erfüllt, oder durch sie ziehen isolirte Zellstofffäden gemischt mit serösen Fasern.
Das parietale, der inneren Oberfläche der Dura mater anliegende Blatt der Arachnoidea spinalis ist von
dem visceralen auffallend verschieden 2). Es ist »ein ausserordentlich zartes, leicht zerstörbares Häutchen», welches
sich meist nur in kleineren Partien abstreifen lässt. Es besteht aus einer Faserlage und einem Epithelium. Die meisten
Formelemente der faserigen Grundlage sind feine isolirte Bindegewebsfibrillen, welche vielfach die Form und Ver-
laufsweise der serösen Fasern darbieten, so wie einzelne von Spiralfasern umwickelte Bindegewebsbündel. Der Ueber-
gang der beiden Arachnoidalblätter findet an den Stellen statt, wo die Arachnoidea scheidenartige Fortsätze für die
Nerven nach aussen hin sendet, da wo diese den Sack der Dura verlassen, in der Weise, dass nur ein geringer
Antheil, vorwiegend die oberste Schicht, sich auf die Dura mater fortsetzt. Corpora amylacea kommen sehr gewöhn-
lich im parietalen wie im visceralen Blatt vor. Das parietale Blatt der Arachnoidea cerebralis unterscheidet sich von
dem des Rückenmarks dadurch, dass es nur isolirte Bindegewebsfasern, keine durch elastische Bestandteile umwickelte
Zellstoff bündel enthält, so wie dadurch, dass »es sich stellenweise zur Bildung eigenthümlicher Fortsätze erhebt»,
die von Luschka angenommenen »parietalen» Arachnoidalzotten (S. unten bei den Pacchionischen Granulationen).
Lenhossek 3) beschrieb ausführlicher den schon von Purkinje entdeckten Plexus nervosus pise matris und fand
sogar zerstreute Ganglienzellen an demselben. Die Pia mater selbst lässt nach ihm »durch die ganze Höhe der
Medulla spinalis hindurch nirgends eine Epithelialschicht als Attribut eines serösen Visceralblattes, wie es zweifels-
ohne an anderen Stellen, z. B. an der Schädelbasis, H. Luschka gesehen haben mag, erkennen, sondern sie besteht
lediglich aus vollkommen ausgebildeten und nicht formlosen Bindegewebsfasern, deren bekannte Wellenverlaufsweise
eine Längsrichtung zeigt, nie aber, wie Köllikee angiebt, gestreckt verlaufen. Das, was man Visceralblatt der Arach-
noidea nennt, ist nur, wie es Prof. E. Brücke bewiesen hat, die obere, und das, was man Pia mater nennt, eigentlich
nur die tiefere gefässreichere Bindegewebsschicht, so wie überhaupt die Arachnoidea sich im Wesentlichen durch
o-ar nichts von dieser unterscheidet und eben so ihre von V. A. Bochdalek beschriebenen Nerven mit den von G.
O
N. Czermak beobachteten Ganglienzellen besitzt. Sowohl an der äusseren wie auch inneren Fläche der Pia mater
kommen elastische Fasern vor». »Sie bilden an der äusseren Oberfläche der Pia mater ein ziemlich regelmässiges
Netz mit mehr weniger rhomboidalen grossen Maschen».
Am Sehnerven findet man nach Donders 4) »sowohl bei Quer- als bei Längsschnitten zwei feste faserige
Scheiden; eine äussere dickere und eine innere dünnere, beide ziemlich reich an vielfach zusammenhängenden ela-
stischen Elementen». »Zwischen den beiden Scheiden befindet sich eine Lage lockeren Bindegewebes, durch welches
der Nerv mit seiner inneren Scheide in der äusseren verschiebbar ist. Dieses Bindegewebe besteht aus scharf be-
grenzten ViB0—Vso? gewöhnlich V 125 Mm. breiten, netzweise verbundenen Bündeln, die, zumal in der Nähe der inneren
x) Die Structur der serösen Häute. Tübingen 1851. 2) Die Adergeflechte des menschlichen Gehirns. 1855. 3) Neue
Untersuchungen über den feineren Bau des centralen Nervensystems des Menschen. Denkschriften d. K. Akademie d. Wissensch.
Wien 1855. - Ebenso in der zweiten vermehrten Auflage. Wien 1858. 4) Archiv f. Ophthalmologie. Bd I. Abtheil. 11. 1855. 25
‘Scheide, regelmässig mit dünnen spiralförmig gewundenen elastischen Fasern versehen sind. Weder die äussere
teste Scheide, noch die Bindegewebslage zwischen den beiden Scheiden, in der man Blutgefässe, und in seltenen
fällen auch einige Fettzellen wahrnimmt, stehen mit den Nervenbündeln in irgend welcher Beziehung. Diese letzteren
werden nur durch ziemlich feste, faserige Fortsetzungen der inneren Scheide von einander getrennt, so dass sich
auch zwischen den secundären und tertiären Bündeln kein lockeres Bindegewebe vorfindet; die elastischen Elemente
sind hier aber weniger entwickelt, und scheinbar nichts anderes, als durch dünne Fortsätze mit einander zusammen-
hängende kleine längliche Kerne. Die äussere Scheide verliert sich, wie man bei einem Längsdurchschnitte sieht in
die zwei äusseren Drittheile der Sclerotica, in welche mit dieser Scheide zugleich Blutgefässe und Nerven eintreten
Die innere Scheide dagegen umhüllt den Stamm bis ganz in die Nähe der Chorioidea, mit der einige ihrer Fasern
unzweifelhaft Zusammenhängen, während sich die anderen unmittelbar unter der Chorioidea nach aussen zur Sclero-
tica Umschlagen».
Nach Bidder x) sieht man unter dem Mikroskop am Querschnitt der Rückenmarks eine grosse Menge zarter
fäserchen, die von der Pia mater zum Rückenmark selbst übergehen. Die Bindesubstanz seiner weissen Substanz
steht in ununterbrochenem Zusammenhang mit dieser Haut.
Bergmann 2) fand am Kleinhirn des neugeborenen Kätzchen zwischen der Rinde und der Pia mater eine helle
von zahllosen, zarten Fäserchen senkrecht durchzogene Schicht. Diese Fäserchen sind nach ihm die letzten Enden
von etwas derberen, scharf gezeichneten Fasern, welche die äusserste Schicht der grauen Substanz durchsetzen und
an denen sich im isolirten Zustande kurze, unter spitzen Winkeln oft in der Richtung gegen das Innere abgehende
Aestchen wahrnehmen Hessen. Diese Fäserchen mit ihren Aestchen sollen dort ein Netz bilden. Er vera-leicht sie mit
den Radialfasern der Retina; es soll sogar eine der Membrana limitans gleichende zarte, structurlose Lamelle hier
vorhanden sein, an welche sich die Fasern inseriren und welche von der Pia mater abgelöst gesehen wurde Die
äussere helle Saumschicht wurde nur bei diesem neugeborenen Kätzchen gefunden, nicht beim erwachsenen Thiere
oder beim Menschen; deshalb glaubte Bergmann sie als eine Bildungserscheinung ansehen zu müssen.
Hess 3) erwähnt die von Bergmann zuerst gefundenen, zarten, die äusserste Zone der grauen Schicht durch-
setzenden Fäserchen; sie entspringen indessen nach Hess von der Pia mater selbst, und dringen ohne feine Seiten-
aste ziemlich parallel in die graue Schicht hinein. Sie stehen auch nach ihm in keiner Beziehung zum Nervensystem
gehören eher zum Bindematerial.
Die umspinnenden Fasern der Arachnoidea, von welchen Kölliker 4) die ringförmigen Bildungen ausscheiden
will und womit er nur »die schmalen spiralig verlaufenden faserartigen Züge» meint, beschreibt er folgender Weise-
)} Man untersuche die Arachnoidea eines reifen Fötus oder eines Kindes aus dem ersten Jahre und man wird sich bei
mireinigermaaasenssen sorgfältigerem Eingehen bald überzeugen, dass an vielen Orten die schon gut ausgeprägten Spiral-
lasern mit kernhaltigen Anschwellungen versehen sind. Solche Fasern, die man ohne Weiteres Bindegewebskörperchen
oder Saftzellen heissen kann, treten besonders in dreierlei etwas verschiedenen Formen auf. In den meisten Fällen
«teilen dieselben wie beim Erwachsenen etwas weiter von einander ab, setzen sich jedoch nicht selten durch feine
Ausläufer unter einander in Verbindung, so dass die Bindegewebsbündel meist reichlicher umsponnen sind, als man
e« den spätem Bildern zufolge erwartet. Ausserdem findet man aber hie und da Bündel, die stellenweise eine
last voll st ändige Scheide von sehr deutlichen queren Saftzellen haben, so dass oft Bilder entstehen die in ge-
wissem Sinne an die Muskelhaut einer Arterie erinnern. Drittens endlich findet man, und diese Objecte sind die
schönsten, allerdings nicht häufig, ganze Gruppen von Saftzellen aussen an den Bündeln anliegen, und von diesen
gehen dann fascikelweise nach einer Seite dunkle elastische Fasern ab, die auf längere Strecken ein Bündel mit
schönen Spiraltouren umgeben. Neben diesen lehrreichen Formen fehlen nun allerdings ausgebildete Spiralfasern
dine Kerne auch nicht». »Beim Erwachsenen nun sah ich bisher von solchen Saftzellen nichts mehr. Die Scheide der
Bündel zeigt hier an vielen Orten, besonders nach Natronzusatz, ein dichtes Netzwerk feiner blasser Fäserchen mit
stellenweise stärkeren Zügen; die letzteren sind nichts anderes als die Spiralfasern, wogegen von den andern noch
Zll ermitteln ist, ob sie alle zu diesen oder zu der bindegewebigen Grundlage der Scheide gehören. Die letztere
scheint aus Zellen mit blassen grösseren Kernen sich zu entwickeln, von denen man noch beim Neugebornen Heber-
*) Bidder und Kupffer: Untersuchungen über die Textur des Rückenmarks. Leipzig 1857. 2) Zeitschr. für ration Medizin
Kd VIII. 3) De cerebelli gyrorum textura disquisitiones microscopicse. Dorpat 1858. *) Zeitschr f Wisseusch
Zoologie. Bd 9. 1858.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 26
Reste sieht». Die Existenz der Spiralfasern ist also nach Kölliker sicher gestellt. Die Ringfasern können aber durch
partielle Ausdehnungen der Scheide oder ein partielles Nachgeben derselben gegen den Druck des durch Essigsäure
aufquellenden Bündels entstehen, indem hierdurch reihenweise hinter einander liegende Anschwellungen und Ein-
schnürungen zwischen denselben gebildet werden, an welchen dann die nicht ausgedehnte Scheide den Anschein
ringförmiger Fasern und Bänder erzeugt.
Henle *) betont, dass es zur Darstellung der Ring- und Spira l faser n des Bindegewebes der Essigsäure nicht
bedarf, indem dazu eine 2—3 tägige Maceration in Wasser genügt. Dabei kamen ihm die von Kölliker beschriebenen
Formen vor, welche eine continuirliche Scheide haben; aber je augenfälliger diese wirklichen Scheiden, um so schärfer
charakterisiren sich die Bündel, denen sie fehlen oder nur in Rudimenten angehören. In demselben Präparat können
sowohl dicke als dünne, spärlich und reichlich mit umspinnenden Fasern versehene Bündel Vorkommen; dasselbe
Bündel ist an einer Stelle seines Verlaufs dicht umwickelt und dann wieder auf langen Strecken nur hie und da
von einer reifenförmigen Faser umfasst oder von zwei Bündeln, welche aus einem Stämmchen durch Theilung her-
vorgehn, ist das eine nackt, das andere mit engen Spiraltouren umwunden. Die Scheiden der Bündel sind ebenso
unbeständig und regellos, wie die Spiralfasern; sie sind im Allgemeinen seltener, doch wird man nicht leicht eine
Arachnoidea, von welchem Alter sie sei, vergeh lieb darnach durchsuchen. Bald umschliessen sie die Bündel ganz
genau, bald haben sie aber den doppelten und dreifachen Duchmesser des Bindegewebsbündels. Verliert sich die
Scheide im Laufe eines Bündels, so geschieht dies durch allrnählige Verdünnung und Zuschärfung. Die Substanz der
Scheide ist structurlos oder feinkörnig oder feinquerfasrig; zuweilen sehen die Körnchen am Rande wie scheinbare
Querschnitte der feinen Querfasern aus; sie ist fest und starr und verhindert das Aufquellen der Bündel, so weit
sie dieselben einschliesst; dabei bleibt der äussere Contour der Scheide vollkommen eben; niemals sah Henle sie
einreissen oder sich ungleichmässig ausdehnen und die Bündel einschnüren; häufig aber sind innerhalb der conti-
nuirlichen Scheide die Bindegewebsbündel von Ring- und Spiralfasern umgeben. Nicht selten finden sich auch beim
Erwachsenen Anschwellungen im Verlaufe der umspinnenden Fasern, die Henle früher für die Reste der in Fasern
auswachsenen Kerne gehalten hatte. Es kann sein, sagt er, dass sie eher die Bedeutung von Zellen haben, der
Kölliker’sche Name »Saftzellen» schien ihm aber nicht wohl angewandt.
Robin 2) gab eine Beschreibung Structur der Capillaren des Centralnervensystems. Der leich-
teren Darstellung wegen theilte er sie in drei Kategorien. Die erste (von, 0,007—0,03 Mm. Breite) hat nur eine ein-
zige Schicht, von einer homogenen Substanz, ohne Fasern und Streifen, sowie ohne Löcher oder Spalten, aber mit
eiförmigen, längsgestellten Kernen versehen. Die zweite Art (von 0.03—0.07 Mm, Breite) hat eine doppelte Wand;
die innerste Schicht ist eine Fortsetzung derjenigen der eben beschriebenen Capillaren; die äussere besteht aber
durch und durch aus Faserzellen (fibres-cellules), welche ebenso wie ihre Kerne quer um das Gefäss angeordnet
sind und mittelst verdünnter Salpetersäure isolirt werden können. Die dritte Kategorie der Capillaren (von 0.06—0.15
Mm. Breite) haben ausser den eben beschriebenen zwei Schichten, welche der Tunica intima und T. Media entsprechen,
noch eine Haut, eine Tunica adventitia von längsgehenden, parallelen, wellenförmigen Fibrillen (fibrilles de tissu
laminaire). Die Faserzellen der T. Media der Capillaren des centralen Nervensystems sind besonders zahlreich.
An einer gewissen Anzahl der Capillaren des Gehirns, des Rückenmarks, des Ependyms der Pia mater fand
Robin aber noch eine eigenthümliche, homogene oder kaum gestreifte Hülle, welche, »unter der Form einer Tunica
adventitia oder externa», mit ebenen Rändern, aber dann von den Capillaren an, welche eine Breite von 0.01—0.02 Mm.
haben, undulirt ist, und nach aussen von der Tunica adventitia (tunique de tissu lamineux) der letzteren liegt.
Ein Raum von 0.01—0.03 Mm. zwischen der eigentlichen Gefässwand und jener Hülle ist entweder mit einer farb-
losen Flüssigkeit erfüllt, in welcher Moleküle suspendirt sind oder mit kegligen Körperchen vom Ansehen der
Lymphkörperchen. Diese sind bald spärlich, bald so zahlreich und dicht zusammengedrückt, dass sie die längsovalen
Kerne der Gefässwand verdecken. Sie sind innerhalb der Scheide beweglich. Die Scheide sammt den Körperchen
erinnert an die die Arterien der Reptilien einschliessenden Lymphgefässe. In demselben Raum finden sich bei jeder
Person, welcher das 40—45 Jahr passirt hat, Fettbläschen und ebenso bald isolirte, bald gehäufte Körner von amorphem
Blutfarbstoff. Diese eigenthümliche Hülle begleitet die Capillaren in allen ihren Theilungen von den feinsten an bis
zu den mit blossem Auge sichtbaren. Wie sie aber an den grossen Gefässen auf hört, blieb unentschieden, ebenso
auch wie gross die Gefässe sind, wo sie verschwindet.
0 Bericht über die Fortschritte der Anatomie im Jahre 1857. Herausg. 1858. 2) Journal de la Physiologie. T. 11. Paris 1859. 27
Reichert *) erkennt sowohl auf Grund der Entwickelungsgeschichte als der Structurverhältnisse keine Sonderung
zwischen Arachnoidea und Pia mater, weder am Gehirn noch am Rückenmark, sondern betrachtet beide als ein
untrennbares, einheitliches Ganze, eine Haut, deren äussere Grenzschicht (die Arachnoidea) durch ein bindegewebiges
Stroma mit der inneren Grenzschicht (die Pia), vereinigt ist. Das bindegewebige Stroma dieser Hülle enthält am
Gehirn Capillaren und Nervenfädchen und wird ausserdem von den das Blut zum Gehirn zu- und von demselben
abführenden Gelassen durchsetzt. An breiteren Vertiefungen, namentlich auch an der Basis der dritten Hirnkammer
ist die äussere Hülle des Gehirns, die Tiefe gleichsam ausfüllend etwas dicker als an anderen Stellen. Man darf
hier aber die Dicke nicht nach der Entfernung ihrer äusseren Grenzschicht von dem Boden der dritten Hirnkammer
an den herausgenommen Gehirnen bemessen. Unter normalen Verhältnissen fügt sie sich einigermassen den
Formverhältnissen an der Basis des Gehirns in jener Gegend. Die grössere Dicke entsteht dadurch, dass zahlreiche
Gefässe und der Nervus oculomotorius das lockere bindegewebige Stroma durchziehen. Die beiden Grenzschichten
werden durch zahlreiche Bindegewebsstränge, oft in der bekannten netzförmigen Configuration in innigster, conti-
nuirlicher Verbindung erhalten. »Wahrscheinlich kommen in diesem bindegewebigen Stroma auch kleine von Blut-
Transsudat erfüllte Räume (Sinus subarachnoidales Bruns) vor, wie es in dem Pons Varobi, an der Medulla oblongata
und am Rückenmark der Fall ist (Magendie). Jedenfalls ist aber die lockere Beschaffenheit des Stroma zwischen
den Grenzschichten auch durch die zahlreichen darin eingelagerten Gefässe und an dem bezeichneten Orte der Basis
des Gehirns durch den N. oculomotorius bedingt».
Ein Canalis Bichati existirt nicht. Zu keiner Zeit, lässt sich bei vorsichtiger Präparation eine offene Com-
munication der in dem bindegewebigen Stroma der Umgebung der Venen Galen’s etwa vorhandenen Lücken, weder
einerseits mit der dritten und seitlichen Hirnkammer, noch anderseits mit dem Hohlraum der Schädelkapsel und der
Spinalröhre (Höhle des serösen Sacks) entdecken. Das Bichat’sche Loch muss aber auf natürlichem Wege durch
Einriss der Arachnoidea entstehen, wenn man das Gehirn aus dem Schädel herausnimmt und, wie gewöhnlich, die
Vena magna Galeni an der Einmündungsstelle in den Sinus perpendiculares des Tentorium abreisst. Geschieht
dieses nicht, und nähert man sich jener Stelle, indem man die Hinterlappen des Grosshirns ohne Zerrung allmählig
abträgt, so ist auch nicht die Spur einer Oeffnung vorhanden. Aus der Bildungsgeschichte lässt sich nichts zu
Gunsten des angeblichen Canals anführen.
Reichert bestreitet aber auch jede andere Communication der Hirnhöhlen mit den Subarachnoidal-
räumen. »Es giebt», sagt er, »noch zwei Stellen des Gehirns, an welchen die inneren Höhlen desselben scheinbai
nicht geschlossen auftreten können. Die eine befindet sich an dem kolbenförmigen blinden Ende des von mir soen-
cj o
nannten Recessus lateralis ventriculi quarti. An herausgenommenen Gehirnen sieht man sehr häufig gleich hinter der
Flocke, an den Wurzeln des N. glossopharyngeus und N. Vagus, die Plexus choroidei der vierten Hirnkammer frei
liegen; ja es scheint sogar, als ob die Wandung des Recessus lateralis mit einem sickeiförmigen Rande auf höre und
ddn Plexus choroideus wie aus einem Hiatus falciformis hervortreten lasse. An behutsam herauspräparirten Gehirnen
zeigt sich gleichwohl der Recessus lateralis durch eine feine Haut vollständig geschlossen. Der eine Theil seiner
Van düng ist daselbst mit dem Flocculus verwachsen und sehr dünn, der andere dagegen wird verdickt durch das
Neurilemma der Nervenwurzeln obiger Nerven, die gerade an dieser Stelle die äussere Hülle des Gehirns verlassen
End zum Foramen jugulare hinziehen. Hieraus wird erklärlich, dass bei Herausnahme des Gehirns der zarte Theil
der Wandung des Recessus lateralis so leicht einreisst und nunmehr die künstliche Bildung einer Oeffnung, begrenzt
von dem dickem Abschnitte der Wandung, veranlasst».
»Die zweite Stelle soll sich am hinteren Eingänge zum vierten Hirnhöhle, in der Fissura transversa cerebelli
befinden; es ist das von Luschka sogenannte Foramen Magendii. Eine 2 3" weite, dreieckige Oeffnung zwischen
den Plexus choroidei ventriculi quarti soll hier dem t luidum in den Gehirnhöhlen und in dem Cavum subarachnoi-
deum freie Communication gestatten. Hiernach würde an dieser Stelle, in der Gegend des Calamus scriptorius oder
ei der k ossa triansailaris zwischen den Tseniaß mit 1 lexus choioidei, die vielte Himkammer bis auf das Arachnoidea!-
blatt der äusseren Hülle durchbrochen und geöffnet sein müssen. Diese Beschreibung entspricht genau dem ana-
tomischen Verhalten der Gehirne die in herkömmlicher Weise aus dem Schädel herausgenommen werden. Beim
Abtrennen der Medulla oblongata mit den Nervenwurzeln und Gefässen, so wie beim schliesslichen Herausheben des
Gehirns wird nämlich das kleine Gehirn fast unvermeidlich von der Medulla oblongata abgezogen, und dieser Zug
l) Der Bau des menschlichen Gehirns. Zweite Abtheil. Leipzig 1861. 28
genügt gewöhnlich, nm das Loch einzureisen, von dem hier die Rede ist. Denn der untere Wurm berührt in natür-
licher Lage unmittelbar die Decke der vierten Hirnkammer in der Gegend der Fossa triangularis; die äusseren Hüllen
beider Theile sind hier, in der sogenannten Fissura transversa cerebelli, zu einer dünnen Platte (Tela choroidea in-
ferior) verwachsen, welche mit der gegen die Höhle gewendeten Fläche die hier gleichfalls äusserst dünne Decke
der vierten Kammer überzieht und durch zahlreiche feine Gefässe mit ihr in innigster Verbindung steht. Wird nun
das Cerebellum von der Medulla oblongata auch nur etwas unvorsichtig abgezogen, so ist das Abreissen der bezeich-
neten Platte mit dem Deckstück der vierten Hirnkammer jener Gegend eine ganz natürliche Folge. Zeigt sich daher
die in Rede stehende Oeffnung an der Decke der vierten Hirnkammer, so findet man auch regelmässig das abge-
rissene Stück als Ueberzug des Wurms. Ist das Gehirn oder auch nur die hintere Abtheilung des Hirnstocks vor-
sichtig aus dem Schädel entfernt und wird dann unterhalb des Pons Varolii ein Querschnitt durch die vierte Hirn-
kammer gemacht, so sieht man die letztere in dem, der Fossa triangularis entsprechenden Abschnitte, was schon
Bochdalek beobachtete, vollkommen verschlossen und darin die betreffenden Plexus choroidei liegen». Auch während
der Entwickelung des Gehirns ist zu keiner Zeit an dieser Stelle eine Oeffnung vorhanden. Die Plexus choroidei
sind Wucherungen des Ependyma ventriculorum, und communiciren mit der Pia mater nur durch Gefässe.
Die äussere Hülle (Arachnoidea, Pia mater und das ihr verbindende Stroma) des Gehirns dringt also nicht,
weder mit ihrer Pia mater noch mit ihrem Arachnoidalblatt, in die Hohlräume dieses Organes ein.
Zum Fluidum encephalo-spinale sind drei verschiedene, völlig von einander abgesonderte Flüssigkeiten zu
rechnen: a) die Flüssigkeit der Höhlen des Gehirns, wahrscheinlich von nur geringer Menge unter normalen Verhält-
nissen; b) das Fluidum in den Höhlen und Maschen (dass die Höhlenfläche dieser Räume von Platten-Epithelium
ausgekleidet seien, wie Luschka angiebt, hat Reichert beim Menschen nicht sehen können) der äusseren Hülle, wohl
an Quantität die umfangreichste; c) das seröse Fluidum der Spinalröhre oder des Cavum arachnoideum.
Dass eine mechanische Trennung der Pars parietalis oder des äusseren Sackes (der Arachnoidea) von der
Dura mater unausführbar ist, stellt Reichert als ausgemachte Thatsache hin; erstere ist nur eine von Epithelium
bekleidete Grenzschicht der letzteren.
v. Recklinghausen l) zog, bei seinen Forschungen nach der Beziehung der Lymphgefässe zum Bindegewebe,
auch die Dura mater in den Bereich seiner Untersuchungen ein. An der äusseren Fläche dieser Hirnhaut beim
Kaninchen fand er durch die Silberimprägnation Figuren, welche mit seinen Saftankanälchen an der Oberfläche
der Sehnen vollständig übereinstimmten. An der Innenfläche derselben Haut erkannte er unmittelbar unter einem
kleinzelligen Epithel auch ein Saftkanalsystem mit sehr unregelmässigen Figuren. Im Innern der Dura zwischen den
sehnigen Zügen war die Anordnung regelmässiger, mit grossentheils den Bindegewebsbündeln parallel verlaufenden
Kanälchen. Die harte Hirnhaut des Hundes und des Menschen bot ihm in den mittleren Schichten ganz dieselben
Verhältnisse wie die des Kaninchen; die innerste Schicht hatte eine regelmässige Anordnung der wenig engeren
Dilatationen. Dagegen sah er auf der inneren Fläche, namentlich an der Dura des Hundes einen äusserst zierlichen
Plexus von kleinen Venen, in deren relativ engen Maschen die Saftkanälchen ein ziemlich regelmässiges System
bilden. »Beim Kaninchen und Meerschweinchen habe ich», sagt er, »trotz vieler Untersuchungen niemals etwas wahr-
genommen, was an Lymphgefässe erinnern konnte. In den innern Schichten der Dura des Menschen, auch des Hundes,
sah ich Gefässe, deren lymphatische Natur ich für wahrscheinlich halten muss».
Die Auffassung Virchows von dem Verhalten der Arachnoidea geht aus seiner Beschreibung des Hydro-
cephalus 2) hervor. »Ein geschlossener Sack der Arachnoides cerebralis, wie man ihn gewöhnlich annimmt, indem man
ein parietales und ein viscerales Blatt voraussetzt, existirt überhaupt nicht. Arachnoides oder Pia mater ist die Haut,
welche auf dem Gehirn, Dura mater diejenige, welche auf dem Knochen liegt. Dazwischen ist zwar ein Raum,
aber dieser ist nicht von einer Haut ausgekleidet, welche einen Sack bildete». »Der Raum verhält sich eben nicht
wie ein seröser Sack und Transsudationen in ihn geschehen in de]' Regel nicht». Er erwähnt dann den freien
Hydrocephalus externus »wo die Flüssigkeit zwischen Dura und Pia in dem sogenannten Sack der Arachnoides sich
befindet». »Anders verhält sich die Sache am Rückenmark. Hier existirt überhaupt kein offener Sack, sondern die
Arachnoides bildet ein lockeres, maschiges Gewebe, welches sich unmittelbar an die Dura mater und das Rücken-
mark anlegt. Es ist daher überhaupt keine einfache Höhle vorhanden, sondern es giebt nur die grossmaschigen
Räume der Arachnoides zwischen Dura und Rückenmark. Das was wir am Gehirn Oedem der Pia mater (Arachnoides)
l) Die Lymphgefässe und ihre Beziehung zum Bindegewebe 1862. -) Die krankhaften Geschwülste. 1 Bd. Berlin 1863. 29
nennen, ist genau dasselbe, was wir am Rückenmark als Hydrorrhachis externa bezeichnen, aber es stellt sich am
Rückenmark allerdings so dar, dass die Flüssigkeit in dem maschigen Gewebe gleichsam frei enthalten ist und bis
unmittelbar an die Dura mater reicht. In sofern liegen die Verhältnisse also wesentlich verschieden, je nachdem
wir das Gehirn oder das Rückenmark ins Auge fassen)). Als er dann von mehr localen Ansammlungen von Flüssig-
keit in dem Arachnoidalsacke spricht, äussert er noch »bei dem Rückenmark Hesse sich das allenfalls beo-reifen
weil hier die Flüssigkeit in dem maschigen Gewebe der Arachnoides liegt».
F. E. Schulze1) hat die Fasern unter der Pia des Kleinhirns, welche er »Randfasern» nennt, ausführlicher
beschrieben. Die von Bergmann geschilderte helle Randschicht fand er bei Säugethieren, Vögeln in d Amphibien
alten wie jungen Thieren; ebenso gelang es ihm bei den genannten Thieren eine von der Pia mater getrennte
Membrana limitans externa und ihren Zusammenhang mit den besprochenen Fasern zu constatiren. Beim erwach-
senen Menschen, sind diese Fasern, welche er durch verschiedene Methoden isoliren konnte, blass, zuweilen etwas
rauh, ja selbst leicht zackig, doch im Allgemeinen gerade. Eigentliche Seitenäste hat er nicht beobachtet Er hat
sie häufig bis zur Hälfte der grauen Schicht in die Tiefe verfolgen können. Gegen das äussere Ende verbreiten
sie sich meist trompetenartig, oder theilen sich in mehrere feine Aestchen, ähnlich den Müllerschen Radialfasern
der Retina. Der nach innen zu gerichtete Theil wird allmählig immer feiner. Die Membrana limitans die er am
besten bei der Katze und beim Frosch studiren konnte, wird nur aus der Verbreiterung der Randfasern zusammen-
gesetzt, ist also nicht eine selbständige Membran, an der sich die Fasern nur fortsetzen. Die helle Flüssigkeits-
schicht zwischen der äusseren Grenze der grauen Grundsubstanz und der Limitans hielt er anfänglich durch die Art
fe Präparation bedingt, indessen schien ihm ihr gleichmässiges und constantes Vorkommen doch für das Vorhanden-
sein im Leben zu sprechen. Der ganze Apparat, die Limitans mit den Randfasern, habe nur die Bedeutung eines
bindegewebigen Gerüstes.
Hyrtl 2) schliesst sich der Ansicht an, dass die Arachnoidea sich nicht auf die innere Fläche der harten Hirn-
haut umschlägt; es lässt sich, nach ihm, »durch das Scalpell nachweisen, dass jene scheiden artigen Fortsätze der-
selben, welche die Gehirnnerven begleiten, an den betreffenden Austrittslöchern dieser Nerven blind endigen». Mit
der Auskleidung der Gehirnkammern hat die Arachnoidea keinen nachweisbaren Zusammenhang; es giebt nicht einen
Canalis Bichati. Die weite Arachnoidea spinalis »erzeugt für jeden Rückenmarksnerv eine anfangs weite, dann
sich verschmächtigende, und im betreffenden Foramen intervertebrale als spitzer Blindsack endigende Scheide». Die
dem Cavum subarachnoideale zugekehrte Oberfläche der Arachnoidea besitzt kein Epithel. Die Pia mater spinalis
bildet zu beiden Seiten des Rückenmarks eine niedrige, longitudinale Falte, welche die Basen der dreieckigen Zacken
des Ligamentum denticulatum aufnimmt. Di? vierte Hirnkammer »wird nach hinten und unten nicht durch Mark-
Wand, sondern durch die Auskleidungshaut der vierten Kammer geschlossen, welche sich von der Medulla oblongata
nach rechts und nach links zu den Kleinhirn-Hemisphären hinüberschlägt. In dieser häutigen Verschlusswand soll
nach Magendie eine Oeffnung existiren (Hiatus Magendii, Luschka), durch welche der vierte Ventrikel mit dem über
dun befindlichen Subarachnoidealraum verkehrt».
Unabhängig von F. E. Schulze beschrieb Deiters 3) die Fäserchen in der Rindenschicht des kleinen Gehirns
Sie sind nach ihm drehrund, ausserordentlich fein, erzeugen schon an frischen Präparaten eine sehr feine radiäre
Streifung an der Rinde. Sie sitzen mit einer kurzen, eckigen Anschwellung auf der Pia mater fest, in die sie sich
verlieren, scheinen hier auch oftmals mit den Bindesubstanzelementen in Verbindung zu stehen; auch ihm war die
Sehnlichkeit dieser Fäserchen mit den Müllerschen Fasern der Retina auffallend. Sonst scheint er auch an anderen
Stellen einen histologischen Zusammenhang der Pia mater mit der Intercellularsubstanz der Centralorgane anzunehmen.
»Zunächst ist wohl zuzugeben, dass an der Stelle, wo die Pia mater direct in die Centralmassen hineinreicht, die-
selbe anfangs noch fibrilläre Anordnungen erkennen lässt, welche nicht auf die Zellenausläufer zu beziehen sind»
11 • s. w. »Es ist ja auch a priori zu erwarten, dass der üebergang der gewöhnlichen Bindesubstanz der Pia mater
m die schwammige des eigentlichen Centralgewebes nicht ganz plötzlich sich machen werde. In den meisten Fällen
aber sind die faserigen Bildungen ganz sicher nichts weiter wie ausserordentlich lang sich hinziehende, sich mannig-
fach verflechtende Züge von Zellenausläufern».
*) Ueber den feineren Bau der Rinde des kleinen Gehirnes. Rostock 1863. -) Lehrbuch der Anatomie des Menschen
Achte Auflage. Wien 1863. 3) Untersuchungen über Gehirn und Rückenmark des Menschen und der Säugethiere. Braunschweig 1865
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. g 30
Die Untersuchungen von His x) waren darauf gerichtet, die Lymphräume der nervösen Centralorgane zu
finden. An Schnitten vom Rückenmark und Gehirn sah er die Blutgefässe in ihrem ganzen Verlauf von canalartigen
Räumen umgeben, mit deren ebenen scharf abgegrenzten Wänden die Gefässadventitia in durchaus keiner Verbindung
steht. Ein Epithel mit Hülfe der Silberbehandlung in ihnen nachzuweisen, ist nach His allerdings schwierig. Indess hat
er »die characteristische Epithelzeichnung an verschiedenen Rückenmarkspräparaten mit voller Sicherheit constatiren
können, wenn auch bis jetzt nur in grösseren Canälen, in welchen die einzelnen Platten schmale Spindelform besitzen».
Durch Einstichinjection gelang es ihm diese Räume (die perivasculären Räume His) zu füllen. Von ihnen breitete
sich die Flüssigkeit in einem grossen breiten Raum zwischen der Gehirnoberfläche und der Pia mater cerebralis
(dem epicerebralen Raum His), sowie zwischen der Oberfläche des Rückenmarks und seiner Pia mater aus. Am
Gehirn füllen sich aber von hier aus die Lymphcanäle der Pia, welche als weite Mantelrohre mit stellenweise buch-
tigen Ausweitungen ihre Blutgefässe einhüllen. Diese Lymphgefässe der Pia stehen indessen in keiner Verbindung
mit den subarachnoidalen Räumen; nur durch Bersten beim stärkeren Injectionsdruck geschieht ein Erguss in diese
Räume. Mit den Räumen, welche den Liquor cerebrospinalis enthalten, communicirt also dies System von Räumen
nicht. An senkrechten Schnitten solcher injicirten Gehirne sieht man also nach His die Pia, als dünne Gewebsschicht
sich markirend, völlig von der Gehirnoberfläche getrennt und nur durch feine Fäden, die Blutgefässe, mit dieser
verbunden. »In dem unter ihr befindlichen epicerebralen Raume münden die Canäle ein, welche die Blutgefässe der
Hirnsubstanz bis zur Oberfläche begleiten, zum Theil ist selbst ihre Ausmündung schwach trichterförmig erweitert.
Die dünne Schicht der Pia aber spaltet sich an vielen Stellen und zeigt grosse glattwandig begrenzte Lücken, in welchen
die Blutgefässe liegen, so indess, dass jene von diesen, selbst im injicirten Zustand, nur zum kleinen Theil ausgefüllt
werden. Diese Lücken sind die früher geschilderten Lymphcanäle der Pia, ihre Communication mit den epicerebralen
Lacunenräumen findet an den Stellen statt, wo Blutgefässstämmchen aus ihnen austreten, um zum Gehirn zu gehen.
Nach aussen hängt die Pia durch zahlreiche Bindegewebsbälkchen mit der Arachnoidea zusammen, welch letztere
wieder als verdichtete Lage sich darstellt. Zwischen den subarachnoidealen Räumen und den Lymphcanälen der Pia
findet aber kein Zusammenhang statt». Für das Gehirn glaubt His also festhalten zu dürfen, dass die perivasculären
Räume Lymphräume sind. Der epicerebrale Raum schien ihm dem tief liegenden Lymphnetz Arnolds zu entsprechen.
Am Rückenmark verhält sich aber die Sache etwas anders. Die Injectionsmasse dringt hier niemals in die Pia selbst
ein, sondern bleibt stets zwischen dieser und dem Mark. Selbst das Mikroskop zeigt keine mantelförmigen Räume
um die Gefässe der Pia medullaris. Direct abführende Lymphgefässe scheinen also hier zu fehlen. Die Flüssigkeit
mag deswegen indirect theils unter der derben Pia, theils in den weiten Räumen um die Centralgefässe zum Gehirn
aufsteigen oder beim höheren Druck durch die geschlossene Pia hindurchfiltriren. Am Rückenmark findet sich, beider-
seits vom Septum, in der vorderen und hinteren Längsspalte, auch ein Raum, der mit den übrigen in Verbindung
steht. An Rückenmarkschnitten! erscheinen auch die grösseren Ganglienzellen von einem ringförmigen Plofe
umgeben; an gut injicirten Markschnitten lässt sich kein unmittelbarer Zusammenhang dieser pericellulären Räume
mit dem System der perivasculären Canäle beobachten.
Auch in der Retina seien nach His perivasculäre Canäle vorhanden.
In Quains Anatomy 2) wird die Arachnoidea nach der Auffassung Bichat’s dargestellt. Das viscerale Blatt
der Arachnoidea taucht in der Fissura longitudinalis cerebri nicht bis zum Boden, sondern geht unmittelbar unter
dem Rand des Falx quer über. Wenn die cerebralen und spinalen Nerven zu ihren Austrittsöffnungen innerhalb der
Dura mater treten, werden sie lose von tubulären Scheiden der Arachnoidea umgeben, welche längs jedes Nerven
vom visceralen zum parietalen Blatt sich erstrecken. Die Pia mater geht dagegen an den Nervenwurzeln, sowohl am
Rückenmark als am Gehirn, in das Neurilemrna über. Am unteren Ende des vierten Ventrikels findet sich, wie es
Magendie erwies, eine Oefihung in der Membran, durch welche die Höhle mit dem Subarachnoidalraum communicirt.
Frommann 3) gab eine ausführlichere Darstellung von dem Verhalten der Arachnoidea und der Pia mater
zum Rückenmark. Er beschreibt die entlang der hinteren Mittellinie des Rückenmarks ziehende Verbindung zwischen
Arachnoidea und Pia als dadurch gebildet, dass entweder von der inneren Oberfläche der ersteren über den Hinter-
strängen ein mehr oder weniger dichtes Geflecht von sich kreuzenden Fasern und Faserzügen auf die gegenüber-
liegende Pia übergeht und auf ihr als ein lockeres maschiges Gewebe sich ausbreitet, oder es schickt die Arachnoidea
ein membranartiges Septum zur Pia, das genau in der Mittellinie und der hinteren Längsfurche entsprechend auf
x) Zeitschr. f. wissensch. Zool. 15 Bd. 1865. 2) Quains Anatomy. Seventh Edition. Edited by Shaepey, Thomson and
Cleland. P. 11. London 1866. 3) Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie des Rückenmarks. Jena 1864. 31
sie übergeht. Spannt man diese Scheidewand ein, so bemerkt man deutlich, dass sie da, wo sie auf die Pia über-
810dt, sich in zwei Lamellen spaltet, welche die äussere, longitudinale Schicht der Pia über den Hintersträngen be-
kleiden, sich von ihr abheben lassen und auch mit den hinteren Wurzeln in innigem Zusammenhänge stehen Häufm-
bemerkt man Uebergänge zwischen den beiden Verbindungsformen, indem eine an einer Stelle membranöse Scheide-
Wand an einer anderen zu durchbrochenen, gefensterten Platten und weiter zu mehr Maschenräume enthaltendem
lockeren Gewebe übergeht.
An den Vorder- und Seitensträngen finden sich Faserzüge, welche der longitudinalen Schicht der Pia locker
aufliegen. Die Arachnoidea erscheint bei mikroskopischer Untersuchung als aus einem Netzwerk von sich nach
den verschiedensten Richtungen hin durchkreuzenden Bindege websbündeln und Fasern. Ziemlich häufm fan(j From-
mann die Hauptmasse ihres Gewebes aus elastischen Balken, Platten und Fasern zusammengesetzt, zwischen denen
noch ein feines, streifiges Bindegewebe zu Tage tritt. Die zwischen den Fasern eingestreuten Bindegewebskörper
bestehen aus Spindel- und sternförmigen Elementen, neben denen noch einzelne rundliche oder ovale Zellen Vorkommen
kh’e lockere der Pia aufliegende Schicht zeigt dieselbe Zusammensetzung. Die Pia mater besteht aus zwei deutlich
getrennten Schichten, eine äussere aus längsgehenden, eine innere aus quergehenden Fasern. Die Fasern der äus-
seren longitudinalen Schicht erscheinen meist zu einer Reihe dicht nebeneinander gelagerter, hie und da schmale
Interstitien zwischen sich lassender Bündel angeordnet und zeichnen sich, wenn sie, wie oft, vorwiegend aus elastischem
Gewebe bestehen, durch ihren sehnigen Glanz aus. Sie laufen parallel mit rein longitudinaler Richtung seltener
cfAvas schräg. Am Schwächsten ist diese Schicht im Bereich der Vorderstränge entwickelt, am gleichmässigsten an
den Seiten strängen. Bei mikroskopischer Untersuchung findet man sie aus fibrillärem Bindegewebe bestehend, dessen
Fasern geschwungen und wellenförmig verlaufen und sich vielfach durchkreuzen. In der äussersten und innersten
Lage dieser Schicht finden sich häufig elastische Fasern von wechselnder Stärke. Die innere Schicht, welche einen
fiberall sehr knapp anliegenden Ueberzug bildet, besteht aus quer, d. h. rings um das Rückenmark, verlaufenden
feineren oder gröberen, schmale Interstitien zwischen sich lassenden, durch ihren starken Glanz sich auszeichnenden
f ascikeln, welche aus elastischem Gewebe und zwar meist aus breiten, mächtigen Balken und Platten bestehen
die auf Querschnitten wie ein glänzender Reif oder ein Band das Rückenmark umschliessen; die Mehrzahl derselben
halt eine rein quere Richtung ein; viele haben doch etwas schrägeren Verlauf, kreuzen sich unter sehr spitzen
Winkeln und bilden dadurch ein Netzwerk mit engen Maschen, in denen häufig ein fibrilläres Bindegewebe zu Tage
Litt. Nicht selten kommt es indessen vor, dass die Continuität dieser Gürtelschicht dadurch unterbrochen wird, dass
einzelne ihrer Faserzüge sich von den übrigen abheben und Bündel der longitudinalen Schicht durchtreten lassen,
°der es wechseln Lagen mit longitudinaler und querer Richtung. Die einzelnen Stämmchen der Nervenwurzeln
werden durch die queren Fasern bei ihrem Austritt aus dem Mark von einander getrennt, eng von ihnen umschlossen
und von ihnen, wie von den Längsfasern, mit einer Bindegewebshülle und zwischen die einzelnen Nervenfasern ein-
strahlenden Fortsätzen versehen.
Ferner beschreibt Frommann in eingehender Weise die Fortsetzung der Pia mater in die Fissuren des Rücken-
marks. Die vielfach bestrittene Frage, ob eine hintere Fissur und ein Piafortsatz in derselben sich findet oder nicht,
erledigt er dahin, dass eine solche Fissur wirklich vorhanden ist, aber nicht durch die ganze Länge des Rücken-
marks und nicht bis zur Coramissur reichend; sie besteht überall, wo hier membranöse Septa aus der Pia eindringen,
also seltener und nur auf geringe Tiefen im Rückentheil, häufiger, aber durchaus nicht constant, im Lenden- und
aistheil; das zarte Septum reisst indessen leicht bei der Präparation ein. Die Piafortsätze beider Fissuren werden
Von der inneren Schicht der Pia gebildet, indem diese sich in zwei Lamellen einsenkt; sie bestehen aus elastischen
F °
asern, Balken und Platten, die in der Regel ungleich vertheilt sind, bald zu stärkeren Bündeln zusammengedrängt,
)(dd spärlicher, mit weiteren Interstitien auf treten. Letztere sind durch feinere elastische 1 asern oder fibrilläres
Bindegewebe ausgefüllt. In der Nähe der Commissur geht nicht selten das elastische Gewebe in ein rein fibrilläres
über und tritt als solches in Begleitung der Gefässe in die Commissur ein. Die Fasern der Piafortsätze sind meist
jnoi von Aussen nach Innen gerichtet, laufen theils paiallel, theils kieuzen sic sich spitzwinklig. Das vordere
Septum ist indessen viel stärker als das hintere. Abgesehen von den Fissurenfortsätzen schickt die Pia entlang der
ganzen Oberfläche des Rückenmarks eine grosse Anzahl Fortsätze in die weisse Substanz, die mit ihren Verzweigungen
di gioberes Gerüst bilden; sie stehen bald ungeordnet, bald in legebnässige Längsieihon gestellt oder mit einander
membranartigen Lagen verschmolzen. »Wo sie Vorkommen, sind sie nichts als Läger für Blutgefässe und
erscheinen nur da in besonderen, continuirlichen Lagen, wo die Gefässe stärker und dichter gestellt sind». »An dem 32
Fasernetz, das die einzelnen Nervenfasern umspinnt, und die eigentliche Bindesubstanz der weissen wie der grauen
Substanz ausmacht, betheiligen sich die Piafasern in keiner Weise)).
Später r) hat aber Frommann, auf Grund erneuter Untersuchungen und besonders pathologischer Beobachtungen,
diese zuletzt angeführte Ansicht aufgegeben und geändert. »Bei Wiederaufnahme der darauf gerichteten Unter-
suchungen», sagt er, »habe ich mich von dem Bestehen von Verbindungen zwischen Pia und Rindenschicht auf das
bestimmteste überzeugt». Von den an die Pia angrenzenden Fasern der Rinden schiebt, welche den Piafasern parallel
verlaufen, gehen in wechselnden Abständen zarte Fäserchen ab, die in dieselbe übertretend, in ihr bald verschwinden,
aber bei ihrer Kürze leicht übersehen werden. An anderen Stellen tritt dagegen die erwähnte Faserrichtung in den
äusseren Lagen der Rindenschicht nicht hervor, man sieht dann deutlicher und in grösserer Zahl die Fäserchen der
Rindenschicht in die Pia übertreten; und kann sie in derselben, wenn ihre Grenzschicht aus zarten, hautartigen Bil-
dungen besteht, noch weiter verfolgen. Mitunter sieht man auch die Pia mit einzelnen, zackigen Fortsätzen in das
Gewebe der Rindenschicht eingreifen und beide sind bei einer nicht seltenen Umwandlung der letzteren stellenweise
continuirlich mit einander verwachsen. Ein gleiches Verhalten wie an der Oberfläche des Rückenmarks zeigen Pia
und Rindenschicht auch innerhalb der Gefässspalten.
Betreffs der von His nach Einstichsinjectionen beschriebenen Lymphräumen des Rückenmarks schien From-
mann auf Grund seiner Untersuchungen keine andere Deutung zulässlich, als dass die eingespritzte Masse längs der
Gefässe einen geringeren Wiederstand gefunden als zwischen den innig verkitteten Nervenfasern und unter Lösung
der Verbindungen zwischen Pia und Rindenschichtfortsätzen entlang der grösseren Gefässe und Capillaren vorgedrungen
sei. So bei den Capillaren und Gefässfortsätzen. So auch an der Oberfläche des Rückenmarks; am letzteren Ort
wie entlang der vorderen und hinteren Fissur war das Verhalten der Injectionsmasse indessen ein wechselndes; selten
war die Abtrennung eine über grössere Strecken gleichmässige. In die Rückenmarksubstanz drang mitunter die Masse
zwischen die Nervenfaserbündel hinein, bildete sogar um diese bald nur einzelne, verästelt auslaufende Figuren, oder
diese verbanden sich zu einem Maschennetz, welches Gruppen von Fasern umfasste. Mitunter wurden indessen auch
die einzelnen Nervenfasern von der Masse getrennt und umschlossen, wobei die Knotenpunkte beim Zusammen-
fliessen der Aeste sehr derb waren. Betreffs der von His angegebenen charachteristischen Epithelzeichnung an den
perivasculären Canälen nach Silberbehandlung gelang es Frommann dadurch nichts anderes als Fasernetze mit ein-
geschalteten Zellen nachzuweisen. Er glaubt indessen, dass andere Verhältnisse am Gehirn obwalten; hier dringt die
Masse nämlich von den Gefässfortsätzen nicht nur zwischen Pia und Hirnoberfläche vor, sondern füllt auch die Lymph-
gefässe der Pia mater. Frommann sagt sich indessen die Verhältnisse am Gehirn nicht untersucht zu haben.
Luschka giebt später2) ungefähr dieselbe Darstellung der Hirnhäute und der serösen Räume, wie er früher
geliefert. Einige Punkte mögen doch hier hervorgehoben werden.
Ein Epithelium, demjenigen der äusseren Fläche ähnlich beschaffen, stellenweise aber auch bloss eine Mole-
cularmasse mit regellos eingestreuten Kernen ist auch an der inneren Fläche der Arachnoidea da angebracht, wo
diese in Folge einer nur durch wenige Zellstofffäden vermittelten Verwachsung mit ihrer Unterlage grösstentheils
frei ist. Alle drei Hirnhäute, Dura, Pia und Arachnoidea, stellen den Anfang zur Bildung des Neurilemms der aus-
tretenden Nerven dar. »Es wäre daher ganz irrthümlich, wenn man annehmen möchte, die Arachnoidea schlage
sich da, wo die Nervenwurzeln beginnen die Dura mater zu durchsetzen, in Totalität auf diese um». »Man kann
sich durch Spaltung der Austrittstelle leicht davon überzeugen, dass nur die tiefere netzförmige Schichte des Gewebes
der Arachnoidea in das Neurilemm übergeht, während die oberflächliche feinfaserige Lage sich auf der Innenfläche
der Dura mater verliert und hier zur nächsten Trägerin des Epitheliums wird». Betreffs der Saugadern der Pia mater
adoptirt Luschka ganz ,die Darstellung von His. Zwischen der Pia und der Gehirnoberfläche liegt ein weites, dem
lymphatischen Apparate angehöriges Lacunensystem, welches einerseits mit den Lymphgefässen innerhalb des Gewebes
der Pia mater, andererseits mit den perivasculären Canälen der Hirnsubstanz communicirt. Die stellenweise mit buch-
tigen Erweiterungen versehenen Lymphcanäle folgen nicht bloss den Blutgefässen in ihren Verzweigungen, sondern
hüllen diese als weite Mantelröhren förmlich ein und stehen mit den perivasculären Canälen in Continuität, welche
die Blutgefässchen der Hirnsubstanz scheidenartig umgeben.
Betreffs der Oeffnungen des vierten Ventrikels hält Luschka seine früheren Angaben aufrecht. Das Foramen
M agendii ist eine rhomboidale 4—7 Mm. breite Oeffnung im unteren Gefässvorhang. Die seitlichen Oeffnungen
1) Untersuchungen über die normale und pathologische Anatomie des Kückenmarks. 2 Theil. Jena 1867. 2) Die Anatomie
des Menschen. 3 Bd. Tübingen 1867. 33
Ventrikels werden indessen nur im Vorbeigehen erwähnt. Durch die lateralen Winkel »kommen die seitlichen Stränge
des Plexus chorioideus cerebelli zum Vorscheine, und werden durch die Spinnwebenhaut frei überbrückt, so dass
hier ein .weiter, mit dem Ventrikel in offener Verbindung stehender Sinus subarachnoidealis herworgebracht wird»
Kölliker *) hegt in seinen späteren Beschreibungen der Hirnhäute ungefähr dieselben Ansichten, die er früher
dargestellt hat. In einigen Fragen äussert er sich indessen ausführlicher. Betreffs der Subarachnoidalräume an
der Basis des Gehirns sagt er also: »Die grösseren derselben zwischen dem Cerebellum und der Medulla oblono*ata
und unter dem Pons, den Hirnstielen, der Fossa Sylvii u. s. w., gehen, wenigstens die ersteren, wie Virchow und
ich finden, unmittelbar in den Arachnoidealraum 2) am Rückenmarke über, während die kleineren, entsprechend den
Sulci, über die die Spinnwebenhaut brückenartig herübersetzt, zum Theil wohl unter einander, aber, wenigstens die
meisten, nicht mit den erwähnten grösseren Räumen Zusammenhängen, wie dies von Luschka behauptet wird»
Ferner bestreitet er die Existenz einer Communication zwischen den Ventrikeln des Gehirns und den Subarachnoidal-
räumen : »Die Oeffnung, durch welche Luschka, wie Magendie, den vierten Ventrikel mit dem Subarachnoidealraume
Zusammenhängen lässt, halte ich nicht für natürlich».
Betreffs der Lymphgefässe des Gehirns und Rückenmarks schliesst er sich in allen Beziehungen der Dar-
stellung von His an; so mit Hinsicht auf den epicerebralen Raum und den entsprechenden am Rückenmark die pcri-
vasculären Räume, die Lymphgefässe der Pia mater cerebralis u. s. w. Von der Wandung der perivascnlären Räume
hat er doch eine abweichende Ansicht, und, wie wir später sehen werden, also auch von den perivascnlären Räumen
selbst. Er fügt nämlich hinzu: »Ich kenne diese »perivascnlären Räume» durch die Präparate von His und aus emcner
Anschauung. Am Gehirn sind dieselben nach aussen begrenzt von einer schon seit Langem von mir (Mikr Anat
L St. 500, 2. St. 513) an allen Arterien und den gröberen Capillaren der Hirnsubstanz beschriebenen structurlosen
Haut, zwischen welcher und dem übrigen Gefässe sich auch die von mir aufgefundenen Blutergüsse der Aneurysmata
spuna der kleinen Hirnarterien und auch farblose Zellen oft in Menge finden». »Mir scheint die Auffassuno- c]
perivascnlären Räume als Lymphräume im Sinne von His vollkommen begründet zu sein».
Henle und Merkel3) haben Untersuchungen über das nähere Verhalten der Pia mater zur Ober fläch
des Rückenmarks und Gehirns mitgetheilt. Die innerste Schichte der Pia spinalis, welche mit den äusseren aus
Bündeln paralleler, wellenförmiger Fibrillen gewebten Lagen nur locker zusammenhängt und deshalb beim Abziehen
der Pia mater häufig am Rückenmark haften bleibt, ist aus einem Filz von Fasern zusammengesetzt, welche vorwiegend
fiuer, doch auch schräg und selbst vertical gerichtet sind, sich verästeln und kreuzen, ohne jedoch regelmässm zu
anastomosiren. Die am Rande hervorragenden sind starr, weder wellenförmig noch geschwungen und könnten
dieser Eigenschaften und wegen der erwähnten Theilungen für elastische Fasern gehalten werden, wenn sie nicht
durch ihre chemischen Eigenschaften und ihre Entwickelung ihre Verwandschaft mit dem Bindegewebe bekundete
diese Fasern entstehen nämlich aus Zellen, die vorzugsweise nach zwei entgegengesetzten (tiefer unten nach mehre-
ren) Richtungen auswachsen. Von dieser Schichte aus dringt eine Menge von Fasern in die Rinde des Rückenmarks
Ihnein, seine feinkörnige Substanz in ihre Lücken aufnehmend; je tiefer in der Rinde, um so mehr isoliren sich die
Fasern. Wenn aber nun das Bindegewebe der Pia mater innerhalb der Rindenschichte sich verliert, so werden die
Fasern spärlicher, aber nicht kürzer, ihre Anastomosen nicht häufiger; nichts deutet darauf hin, dass es in ein eno-
netzförmiges Bindegewebe übergehe. Die Neigung zur Bindegewebsinvasion scheint sonst je nach den Gattun o-en
verschieden: sie ist am auffallendsten bei den Wiederkäuern und der Katze, gering beim Menschen. Am Kleinhirn
dringen von der Oberfläche Blutgefässe und zwischen denselben in ebenfalls ziemlich gleichen Abständen (von 0 003
0.01 Mm.) zahlreiche feine, steife (erst von Bergmann beschriebene) Fäden ein, die ihren Ursprung von einer Art
Basal- oder Grenzmembran nehmen, welche die Decke der Randwülste bildet, die lockigen Bindegewebsbündel der
Pia mater trägt und die Gehirnsubstanz gegen dieselben abschliesst. In dieser Grenzmembran erkennt man äusserst
feine, vielfältig gekreuzte Fasern. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Bergmännischen, kegelförmig zugespitzten Fäden
welche die Pia in die Rinde des Kleinhirns sendet, aus der Vereinigung jener feinen Fasern entstehen. Das Ver-
halten der Membran gegen Essigsäure lehrt, dass die Fasern, aus welchen sie sich zusammensetzt, zum Bindegewebe
gehören. In die Zwischenräume der Lappen und in die breiteren Furchen senken sich Bindegewebsbündel hinein
Hie Scheidewand zwischen den einander zugekehrten Flächen der dicht aneinander liegenden Randwülste bildet aber
*) Handbuch der Gewebelehre des Menschen. s:te Aufl. Leipzig 18G7. 2) Soll wahrscheinlich Subarachnoidealraum sein
3) Zeitschr. f. ration. Med. 3:tte Leihe. Bd XXXIV. 1868.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. die Grenzmembran für sich allein. Von der Kante gesehen sieht ein Querschnitt derselben zwar wie ein lockiges
Faserbündel aus, welches an beiden Seiten wie mit starren Franzen besetzt ist. Von der Fläche betrachtet ist sie
aber ein durchsichtiges, straffes, hier und da kernhaltiges und, wie gesagt, aus verfilzten Fasern gewebtes Häutchen,
aus welchem, wie Nägel aus einem Brett, die spitzen Fortsätze auf- und abwärts ragen. In beiden Lagen erkennt
man die Blutgefässe, welche innerhalb der Membran verlaufen und sie in zwei Lamellen spalten. Die Membran be-
gleitet mit ihren stiftförmigen Fortsätzen die stärkeren Gefässe in die Rinde des Kleinhirns, und die aus der Sub-
stanz desselben hervorgezogenen Gefässe sind ringsum wie mit Stacheln besetzt. Der von Bergmann und Schulze
erwähnte helle Saum zwischen der Grenzmembran und der Oberfläche des Kleinhirns ist nach Henle und Merkel ein
Lymphraum, in welchem sie auch Lymphkörperchen fanden. In ihn münden direct die perivasculären Räume, welche
die in die Gehirnsubstanz ein dringenden Blutgefässe umgeben. Die Fäden, welche im Innern des Kleinhirns die
perivasculären Räume und an dessen Oberfläche den gemeinsamen Lymphraum durchziehen, mögen dazu dienen,
die Grenzmembran je nach der Füllung des Lymphraums niederzuhalten und eine Ueberfüllung desselben zu ver-
hüten. Henle und Merkel versuchten bei Kaninchen einen Contrast in der Weite des Lymphraums zu erzielen; das
eine wurde durch Verblutung, dass andere, nachdem es eine Viertelstunde an den Hinterbeinen aufgehängt war,
durch Strangulation getödtet. Das Resultat entsprach der Erwartung; der helle, von den Fäden durchzogene Saum
war bei dem letzteren überall ungleich breiter, als bei dem ersteren, wo mitunter die Grenzmembran unmittelbar
über der moleculären Substanz lag. In der Retina findet sich auch nach Henle und Merkel ein entsprechender,
Lymphkörperchen bisweilen enthaltender Lymphraum nächst bei der Limitans hyaloidea (L. interna), welcher Raum
nach ihnen in ähnlicher Weise von den Enden der Stützfasern durchzogen ist.
Das Grosshirn steht, was die Structur seiner Pia mater betrifft, dem Rückenmark näher, als dem Kleinhirn.
In den schmälsten Spalten zwischen den Randwülsten giebt es zwar nur eine einfache, der Grenzmembran des Klein-
hirns ähnliche Haut, aber nirgends gehen von ihr Fäden ab, die den stiftförmigen Fortsätzen der Grenzmembran
des Kleinhirns vergleichbar wären, und an den freien Oberflächen der Randwülste sind die verfilzten Fäden und
multipolaren Bindegewebszellen in einer ebenso unregelmässigen, nur minder mächtigen Lage, wie an der Oberfläche
des Rückenmarks verbreitet. Die in der moleculären Rindenschicht ■ des Grosshirns verlaufenden feinen Nervenfasern
sammeln sich indessen zu einem dichten Netz unterhalb der Pia mater, »wo also Bindegewebs- und Nervenfasern
unmittelbar in einander greifen».
Mit Rücksicht auf die Existenz des Foramen Magendii sagt Clason sich an die Ansicht von Luschka und
Stelling anschliessen zu müssen *).
Leber2) beschreibt am Opticus zwei Scheiden. Die äussere ist derb und fest und besteht aus »einem der
Sclera ganz ähnlichen Gewebe, aus Lagen dicht verflochtener und in den verschiedensten Richtungen sich durch-
kreuzender, meist ziemlich schmaler, etwas platter Bindegewebsbündel von stark welligem Verlauf; zwischen denselben
befinden sich reichliche Netze ziemlich feiner elastischer Fasern. Kerne oder Zellen kommen nur in geringer Menge
vor». Gefässe sind in ziemlicher Anzahl vorhanden, sowie die von Sappey gefundenen Nervenplexus, die meistens
die Gefässe begleiten. Die innere Sehnervenscheide hängt mit der äusseren durch ein lockeres Netz von Binde-
gewebsbalken zusammen. Diese Balken sind die Träger der zur inneren Scheide und zum Sehnerven gehenden
Blutgefässe. »Das von ihnen gebildete Netzwerk geht über in das Gewebe der inneren Scheide, indem durch
zunehmende Theilung die Balken dünner und die Netze immer reichlicher und dichter werden; die innere Scheide
besteht aus einem flach ausgebreiteten, sehr dichten Maschennetz von dünnen Bindegewebsbündeln». Ein Theil dieser
Balken besitzt umspinnende elastische Fasern. »Die meisten aber sind, wie man leicht an in Müller’scher Flüssigkeit
gehärteten Präparaten constatirt, überzogen von dünnen, homogen und glashell aussehenden Scheiden, welche ziemlich
grosse, ovale, fein granulirte Kerne einschliessen. Diese Scheiden lassen sich beim Zerzupfen leicht im Zusammen-
hänge isoliren, so dass man Präparate erhält, wo die Scheide eine Strecke weit von den Balken abgelöst ist, weiterhin
aber in der gewöhnlichen Weise denselben überzieht. Es macht zuweilen den Eindruck, als ob dieselben nicht an
allen Stellen gleichmässig die Balken umgeben, sondern stellenweise unvollständig wären, wodurch gewissermassen
Uebergänge zu den umspinnenden elastischen Fasern gebildet würden. Die Vermuthung liegt nahe, es möchte sich
bei diesen Scheiden um verschmolzene Zellen handeln, deren Kerne deutlich wahrzunehmen sind». Es gelang aber
Leber nicht »durch Behandlung mit Silbersalpeter Zellenconturen an den betreffenden Membranen oder an der Ober-
*) Upsala Läkareförenings förhandlingar. 111 Bd. Upsala 1868. ‘2) Archiv f. Ophthalmologie. Bd. 14. Abtheil 11. 1868, 35
fläche der Balken nachzuweisen)). Die Scheiden folgen den Balken in ihren Verästelungen; Leber konnte aber nicht
entscheiden, ob sie auf die zarten Balkennetze der inneren Scheide übergehen. ))Dies scheint)), sagt er, »übrigens nicht
der Fall zu sein, es treten nämlich in den Lücken der netzförmig verbundenen feineren Bälkchen eine grosse Anzahl
meist länglicher Zellen auf», mit ovalen Kernen und zartem, körnigem Protoplasma, »welche entweder den Bindegewebs-
bündeln anliegen oder mehr frei in den Maschen des Gewebs liegen». Ob die »erwähnten Scheiden der Binde-
gewebsbalken etwas mit dem Lymphgefässsystem zu thun haben, so dass etwa die Zwischenräume derselben als
Lymphräume zu betrachten wären», war Leber nicht im Stande anzugeben.
Wiensky *) fand durch Silberbehandlung ein sog. falsches Epithel an der äusseren Fläche der Dura mater
wo sie locker an dem Knochen anliegt.
An den Gefässen der Hirnsubstanz beschrieb Roth2) eine Art an ihrer Aussenseite ihnen angehefteter
feinster Fäserchen. Sie sind an Gefässen, die aus der Substanz eines mit schwacher Chromkali-Lösung behandelten
Kalbhirns ausgezogen wurden, über die ganze Oberfläche der Gefässe zerstreut und entspringen mit trichterförmmer
Verdickung von der Gefässwand, sind äusserst blass, feinkörnig, verlaufen leicht eingeknickt und können bis 0 03 Mm
und darüber messen. Meist bleiben sie einzeln und einfach, zuweilen theilen sie sich nach aussen, selten vereinigen
sich mehrere derselben zu einer feingranulirten kernhaltigen Sternzelle, deren Längsaxe senkrecht zum Gefäss steht
Diese Fäserchen durchziehen die perivasculären Räume von His. An Querschnitten mittelgrosser Arterien in derart!
mit Osmium (üeberosmiumsäure von 0.2—0.5 %) behandelten Objecten (Grosshirnrinde des erwachsenen Menschen)
erscheint der sie umgebende Lymphraum durchzogen von s—lo5—10 und noch mehr äusserst zarten radiären Fädchen
die, von verschiedenen Stellen der Peripherie entspringend, an die Wandung des Blutgefässes sich anheften. Sie sind
geradlinig oder leicht eingeknickt, bleiben einfach oder gehen sparsame Verbindungen mit einander ein, oder theilen
sich in der Nähe des Blutgefässes gablig. Beide Ansätze sind in der Regel leicht trichterförmig verbreitert Die
radiären Fasern des Lyrnphraums kommen in allen Schichten der Grosshirnrinde und an Querschnitten sämmtlicher
Gefässarten vor, selbst an den feinsten Capillaren. Nie sah Roth im menschlichen Gehirn die Radiärfasern innerhalb
des Lyrnphraums mit Kernen oder Zellen in Verbindung. An der äusseren Grenze desselben verschwinden sie in
dem feinen Netzwerke der Spongiosa spurlos. Sie gehen von der Aussenseite der Gefässadventitia aus. Roth hält
sie für ein Lymphreticulum, freilich der allerfeinsten Art, in welchem die Blutgefässe aufgehängt sind.
Die epicerebralen Lymphräume verhalten sich nach Roth in derselben Weise. Auch diese sind, wie senk-
rechte Schnitte an Osmiumpräparaten zeigen, neben den durchtretenden Blutgefässen von zahlreichen verticalen
Fasern von beispielsweise 0.006—0.008 Mm. Länge durchsetzt. Diese Fasern sind sehr fein, glatt, kernlos, o-ehen
von der untersten, parallelfaserigen Piaschicht aus und treten in das oberflächliche Maschenwerk der Hirnrinde ein
Da wo Gefässe in das Gehirn eindringen, wurden diese Piafortsätze abgelöst durch ähnliche Fortsätze der Adventitia
die innerhalb des Lyrnphraums mehr oder weniger schräg, nach dem Eintritt des Gefässes ins Gehirn horizontal in
die SjDongiosa übergehen. Die Piafortsätze sind im Wesentlichen identisch mit den oben geschilderten Radiärfasern
und gehen, den Gefässen folgend, continuirlich in jene über. Mit den von Bergmann u. A. am Kleinhirn beschrie-
benen Piafortsätzen haben nach Roth diese Bildungen zunächst nichts zu thun.
Das Kalbshirn, mit Osmium untersucht, liefert im Ganzen gleiche Resultate. Die Radiärfasern erscheinen
durchweg derber und hier und da durch sternförmige, kernhaltige Zellen ersetzt. Die Kerne dieser sternförmigen
Elemente sind plattgedrückt rund, in der seitlichen Ansicht elliptisch. Die Piafortsätze sind auch etwas derber als
beim Menschen.
Schwalbe 3) war es Vorbehalten, den Zusammenhang des Arachnoidalraums (Subduralraums) mit dem
Lymphgefässsystem zu entdecken. Durch directe Injectionen unter der Dura mater an durch Verblutung getödteten
Filieren erhielt er nämlich als constantes Resultat eine schöne Füllung dei Lymphgefässe und Lymphdrüsen des Halses
Die Verbindung dieser Gefässe mit dem Arachnoidah aum findet nach ihm an der Basis cranii durch das Foramen
jugulare statt. Es begeben sich die austretenden Lymphstämmchen zunächst auf die untere Fläche der Pars basilaris
ossis occipitis und der oberen Halswirbel, wo sie einen 1 loxus bilden, aus welchem sich Lymphgefässe entwickeln
die nach den Seitentheilen des Plalses verlaufen, um hiei in die Gl an du hu ceivicales profundm überzugehen. Bei
diesen Injectionen füllt sich auch der Arachnoidahaum des Rückenmaiks in seiner ganzen Länge; in einem Falle
0 Hirsch—Virchows Jahresbericht f. 1808. (IH Jahrg.). -) Aichiv 1. pathol, Anatomie etc. Hcrausg. v. Virchow. 40 P>d. 18G9
,{) Centralblatt f. d, Mediz. Wissensch. 1809. N:o 30. 36
waren auch hier die Glandulae lymphaticae injicirt; Schwalbe glaubte, dass dieser Befund keine andere Deutung zuliess,
als dass der Arachnoidalraum des Rückenmarks auch direct mit dem Lymphgefässsystem im Zusammenhang steht.
In Betreff der Verbindung des Arachnoidalraums (Subduralraums, oder des Raums zwischen Dura und Arachnoidea)
mit den Lymphräumen der weichen Haut und des Gehirns äussert Schwalbe: »Mit den von His beschriebenen
perivasculären Canälen des Hirns und Rückenmarks, sowie mit den Lymphgefässen der Pia steht der Arachnoidal-
raum in keiner directen Verbindung». Er fügt aber hinzu; »Die Injectionsmasse dringt leicht in die subarachnoidalen
Räume, bleibt aber stets durch die Pia mater von dem Lymphsystem des Gehirns getrennt. Eine Communication findet
wahrscheinlich erst zwischen den abführenden Lymphwegen bei oder nach ihrem Austritt aus der Schädelhöhle statt».
Ein Uebergang der Injectionsmasse in die Hirnventrikel konnte nicht beobachtet werden.
Es gelang aber Schwalbe, durch diese Injectionen auch vom Arachnoidalraum aus ein Lymphgefässnetz
in der Geruchschleimhaut und ferner auch durch den Pbrus acusticus internus den perilymphatischen Raum
des Hörlabyrinthes zu füllen. Endlich erhielt er auch auf diese Weise Injection des Perichorioidalraums. Die
Flüssigkeit trat nämlich durch den Canalis opticus in die Orbita und füllte zunächst den Raum zwischen innerer und
äusserer Opticusscheide; gleichzeitig drang sie in einen Raum, der sich zwischen Retractor bulbi und dem Seh-
nerven befindet, von wo sie dann direct in die Tenon’sche Kapsel überging, um von da durch die früher (1868) von
Schwalbe beschriebenen Communicationsöffnungen rings um die Vense vorticosse in den Perichorioidalraum zu gelangen.
Letzterer wurde hierdurch oft sehr vollständig injicirt.
Schmidt *) bestätigte zum Theil die Beobachtungen von Schwalbe. Bei Injectionen am Kaninchen, Hunde
und Kalbe vom Arachnoidalraum (Subduralraum) des Gehirns aus drang die Flüssigkeit in den Raum der Seh-
nervenscheide; die äussere Scheide blieb aber vollständig frei von der Färbung; dagegen färbte sich ganz intensiv
das lockere Binde- und Balkengewebe zwischen ihr und der inneren Scheide. Nie drang jedoch die Flüssigkeit in
die Bindegewebszüge des Sehnerven selbst ein. An der Uebergangssteile des Nerven in den Bulbus findet man
nach Schmidt eine Stauung der Injectionsflüssigkeit. Ein Weiterweichen der Färbung in die Sclera war nicht zu
constatiren; nur ein Mal fand sich ein Uebertreten in das dicht angrenzende, der Bulbuskapsel aufliegende Binde-
gewebe, nie aber eine ausgedehntere Füllung der Tenon’schen Kapsel oder des Perichorioidalraums. Schmidt erhielt
indessen eine vollständige Füllung der Lamina cribrosa. Quer durch den Sehnerven füllte sich nämlich ein äusserst
zierliches communicirendes Netzwerk. In die Papilla optica hinein reichte die Färbung nicht, hingegen zuweilen
centripetal kleinere Strecken zwischen den einzelnen Nervenbündeln. Das Canalsystem der Lamina cribrosa stehe
also mit dem Arachnoidalraum in directer Verbindung.
Um die Angaben Schwalbes über den Zusammenhang des Arachnoidalraums (Subduralraums) mit dem
perilymphatischen Raum des Hörlabyrinthes zu prüfen, machte Fr. E. Weber 2) eine Reihe von Injectionen am
Menschen und an Thieren von jenem Raum aus. Dabei fand er, dass die Injectionsflüssigkeit in den Arachnoidalraum
des Gehirns und Rückenmarks sich ausbreitete, sich aber nicht in die Hirnventrikel erstreckte. Am Gehörorgan ergab
sich Folgendes. Durchgehends an allen Präparaten, sowohl denen von Thieren wie vom Menschen, war die Flüssig-
keit in die Schnecke gedrungen, durchschnittlich bis in die zweite Windung; im Vorhof und in den halbzirkelförmigen
Canälen fand sich nie blaue Färbung. Durch den Porus acusticus war die Flüssigkeit nicht ins Labyrinth gelangt;
sie begleitete zwar den Nerven bis in die Lamina cribrosa, ging aber nicht durch diese. Dagegen war der Aquae-
ductus cochlese in seiner ganzen Länge blau gefärbt, und konnte man darin einen intensiv tingirten centralen Canal
erkennen. Das Blau folgte hier im lockeren Bindegewebe Bahnen, welche ihrer Zeichnung gemäss mit denen sonst
als Lymphräume bezeichneten übereinkamen. Der Aquseductus cochleee bildet also die Verbindung des perilympha-
tischen Raumes mit dem Arachnoidalraum.
Die oben citirten Angaben von Recklinghausen scheinen zu den Untersuchungen von Boehm 3) Anlass gegeben
haben. Er suchte durch Resorption von Flüssigkeiten von der Innenfläche der Dura die Lymphbahnen dieser Haut
zu finden. Deswegen studirte er zuerst das Verhalten der Blutgefässe und die Epithelbekleidung dieser Hirnhaut.
An der Aussenfläche fand er die beiden, die Arterien begleitenden, Venenstämme, besonders beim Hunde und Menschen,
aber auch, nur in viel schwächerer Entwickelung, bei Katzen und Kaninchen, ein schönes Netz mit grossen sinusartigen
Räumen bildend; obwohl dieses Netz Lymphgefässen sehr ähnlich war, überzeugte er sich durch Injectionen mit Bestimmt-
heit von der venösen Natur desselben. An der Innenfläche der Dura der Kaninchen gelang es ihm mehrmals durch
i) Archiv f. Ophthalmologie. 15 Jahrg. Abth. TI. 1869. 2) Monatschrift für Ohrenheilkunde. Jahrg. 111. 1869.
3) Yirch. Arch. Bd 47. 1869. 37
Silberbehandlung eine einfache Lage platter Zellen, ein Epithel, darzulegen; an der menschlichen und der Hunde-
Lura aber nie. An der Dura des Kaninchen und der Katze fand er unter diesem Epithel die evidentesten Saftcanal-
Zeichnungen von bedeutenden Dimensionen. Er fand solche Saftcanäle zu grossen, mit einem unzweideutigen Epithel
von polygonalen Platten versehenen Räumen zusammenfliessen und sah in diesem Epithel in der deutlichsten Weise
kreisrunde Stomata. Wirkliche Lymphgefässe in der Dura konnte er aber nicht finden. Bei den Resorptionsversuchen
fand er bei Hunden und Kaninchen die dazu angewandte Milch in die Venensinus der Aussenfläche übero-eheu
Durch Stichinjection gelang" es ihm an der Innenfläche der Menschendura Capillarnetze darzustellen, welche das
Aussehen von Lymphgefässen hatten, aber mit den Venen der Aussenfläche constant in Verbindung standen In ein-
zelnen Fällen von sehr blutreichen Hirnhäuten in Zusammenhang mit pathologischen Gefässneubildungen an der
Innenfläche der Dura fand er sogar diese Netze deutlich mit Blut gefüllt. Aber auch mit der Cavitas serosa cranii
stand dieses Capillarnetz in offener Communication; bei Stichinjectionen trat nämlich die Masse durch feine regel-
mässig angeordnete Oeffnungen an der Innenfläche heraus. Aus Allem schloss Böhm, dass wahrscheinlich »das
fragliche System einen Appendix des Capillarsystems, eine Art accessorisches Capillarsystem de]- Dura darstellt
das sich nach der freien Innenfläche hin mit den intrafibrillären Gewebsspalten der Dura in Verbindung’ setzt»
Dieses Netz wäre nur bei abnormen Blutstauungen innerhalb des Schädels mit Blut gefüllt, sonst aber sein- wahr-
scheinlich durch seine offene Communication mit der Cavitas serosa cranii (Subduralraum) zur Resorption von ihren
Flüssigkeiten, auch der krankhaften, bestimmt. Die bei den Resorptionsversuchen in die Duravenen eingeflossene
Milch wäre also auch auf diesen Wegen eingedrungen.
In seiner ausführlicheren Arbeit über die Lymphbahnen des Auges und ihre Begrenzungen beschrieb Schwai bf j)
auch eingehender die Opticusscheiden und den Perichorioidalraum. Dies letztere Höhlensystem zwischen Chorio-
idea und Sclera erschien ihm in ihrem feineren Bau wirklich den serösen Häuten ähnlich. Die grösste Uebereinstim-
mung zeigen sie aber mit dem der Lymphsäcke. Sie sind von einem Endothel continuirlich überzogen. Die Chorioidea
z. B. eines weissen Kaninchens, zeigt nach Silberbehandlung eine schöne Endothelzeichnung. Eine solche erhält man
auch auf dieselbe Weise an der Innenfläche der Sclera. In den Silbernetzen der Chorioidea findet man kleine Lücken
die Schwalbe für Rissstellen feiner Verbindungsbälkchen zwischen Sclera und Chorioidea hält. Innerhalb de]- Zellen-
Ihnen sieht man die Kerne, beim Kaninchen randständig, bei der Katze mehr central. Beim Schwein fand er die
bekleidende Endothelhäutchen wieder, so auch beim Hund und bei der Katze; ferner auch bei Vögeln. Beim Menschen
gelang es aber Schwalbe nicht die Endothelzeichnung zu erhalten. Die Suprachorioidea besteht aus einer Anzahl
dünner, elastischer Lamellen. Eine jede derselben wird an ihren freien Flächen von einem Endothelhäutchen begrenzt
und diese schliessen zwischen ihren Flächen das elastische Fasernetz und die Pigmentzellen ein, welche letztere
Elemente innerhalb einer hyalinen Grundsubstanz liegen. In vielen Fällen finden sich bei erwachsenen Individuen
noch Reste von Protoplasma um die Zellenkerne der Endothelhäutchen herum als feinkörnige Trübung der Membran
vor. Durch Stichinjection zwischen Sclera und Chorioidea füllt sich ein von mehreren parallel verlaufenden Blättern
entsprechend den Pigment führenden Lamellen der Suprachorioidea, durchzogenes, complicirtes und zusammenhängendes
Cavernensystem. Die Abflusswege dieses Höhlensystems sind perivasculäre Räume rings um die Verne vorticosa*
Keine directe Verbindung findet sich zwischen demselben und dem Raume innerhalb der äusseren Opticusscheide
Hnrch die genannten perivasculären Räume tritt die Injectionsflüssigkeit in den Tenon’schen Raum, zwischen Sclera
und der Tenon’schen Fascie hinaus, welcher auch mit Endothel bekleidet ist. Sie geht ferner ausserhalb der äusseren
Opticusscheide, in dem »supravaginalen Raum» Schwalbes, nach dem Foramen opticum zu. Mit dem Arachnoidalraum
(Subduralraum) stehl, wie die Injectionen von diesem aus erweisen, der Tenonsche Raum in Verbindung. Durch Injection
vom Arachnoidalraum aus füllt sich der Raum zwischen äusserer und innerer Opticusscheide, der »subvaginale Raum»
Schwalbes, bis zum Bulbus. Im Foramen opticum ist die äussere Scheide, die Fortsetzung der Dura, mit dem Sehnerven
verwachsen, nur auf der unteren Seite mehr locker verbunden. Die Wände des subvaginalen, von Balken durchzogenen
Raumes sind überall mit einem zusammenhängenden Endothel bekleidet. Auch die Balken sind von glashellen, kern-
haltigen Endothelscheiden umgeben. Um die Balken finden sich umspinnende Fasern; diese gehen nicht in die Endothel-
häutchen über 2). Heber die Natur dieser Fasern hatte Schwalbe keine Untersuchungen angestellt. Als Ursprungs-
B Archiv f. mikroskop. Anat. Bd 6. 1870. 2) Hier hat Schwalbe auch folgende Äusserung: »Ueberdies habe ich durch
Maceration in Müllerscher Flüssigkeit von den Bindege websbündeln der Subarachnoidalräume ebenfalls Endothelhäutchen abheben können
was uns bei dem von mir gelieferten Nachweise des Zusammenhangs derselben mit den Lymphgefässen nicht wundern kann». Diese
Aeusserung basirt sich augenscheinlich darauf, dass Schwalbe, welcher übrigens keine subarachnoidale Injectionen erwähnt, einen Zu-
sammenhang des Subduralraums mit den Subarachnoidalräumen annahm.
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 38
und Ansatzpunkt des Balkennetzes dient je eine feste, straff gewirkte, faserige Platte, die sich oft leicht vom anderen
Gewebe der Scheide abheben lassen. Diese Platten sind durch ein lockeres Bindegewebe auf der inneren Oberfläche
der äusseren, resp. der äusseren Oberfläche der inneren Scheide befestigt. Auf den dem Lymphraum zugekehrten
Oberflächen der Platten zwischen den Ursprungsstellen der Balken befindet sich nun ebenfalls ein Endothel, das
continuirlich in das der Balken übergeht. Es zerfällt aber leichter in den Zellenplättchen; seine Kerne sind ferner
dichter gelagert; das Endothel der Seitenwände ist auch nicht so homogen, glashell, wie das der Balken; es zeigt
um die meisten Kerne herum eine ziemlich bedeutende Menge körniger Substanz, ein Rest des embryonalen Proto-
plasma, während die Ränder der Zellen in die glashelle elastische Masse verwandelt sind. Auch durch die Silber-
behandlung gelingt es leicht, wenigstens auf den einander zugekehrten Oberflächen der beiden Scheiden eine Endo-
thelzeichnung nachzuweisen. An den Balken scheint dies nicht so leicht zu gelingen.
Am Anfang des Herbstes 1869 begannen wir, wie oben angegeben wurde, eine Reihe von Untersuchungen,
welche ursprünglich den Zweck hatten, erstens die verwickelten, aber so wichtigen Fragen von dem Zusammenhang
der subarachnoidalen Räume des Rückenmarks und des Gehirns sowohl unter einander als mit den übrigen serösen
Räumen dieser Organe, wenn möglich, zu erhellen, zweitens auch die oben referirten Angaben von Böhm über die
Resorption vom Subduralraum aus in eigenthümliche Bahnen der Dura mater cerebralis zu prüfen.
Wir *) fanden durch Injectionen mit gefärbten Flüssigkeiten, welche wir meistentheils unter sehr geringem
Druck vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks hineinfliessen Hessen, sowohl an lebenden als an eben getöd-
teten Thieren (Hunden, Kaninchen, Schafen), als auch an einer grossen Anzahl menschlicher Leichen, dass ein con-
stanter, offener und unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesem Raum und allen den subarachnoidalen Räumen
des Gehirns, auch den über die grossen Hemisphären befindlichen, vorhanden ist; dass bei solchen Injectionen die
Flüssigkeit zuerst die die Blutgefässe der weichen Hirnhaut umgebenden sog. Lymphcanäle erfüllt; dass sie ferner von
diesen Canälen sich in den epicerebralen Raum ausbreitet, und somit diesen Raum, die subarachnoidalen Räume und
die Lymphcanäle erfüllt; dass endlich ein Zustand eintrifft, der einem gewöhnlichen Oedem entspricht. Ferner sahen
wir, dass die Flüssigkeit sich ins Velum interpositum und mehr oder weniger in die Plexus chorioidei ausbreitet; dass
die Seitenventrikel fast immer freie Flüssigkeit aufnehmen, welche durch den Aquaeductus Sylvii bis in den vierten
Ventrikel und nicht selten in den Centralcanal des Rückenmarks verfolgt werden kann. Weiter fanden wir, dass
die Flüssigkeit vom Subarachnoidalraum in die Pia des Rückenmarks eindringt und sowohl durch die Septa in den
Fissuren als durch die feineren Ausläufer der Pia ins Rückenmark fortgeht, und dies gewöhnlich, ohne in den sog.
Epispinahaum (zwischen Pia und Rückenmark) auszutreten. Bei solchen Versuchen, und eben am vollständigsten
wenn sie an lebendigen Kaninchen ausgeführt wurden, erhielten wir auch Injection in den Perivascularräumen, weit ins
Gehirn hinein, sowohl in den grossen Hemisphären als in den Thalami optici, Corpora striata u. s. w. Auch bei der
vollständigsten Subarachnoidalinjection drang die Flüssigkeit nie in den »Subduralraum)) aus, welchen Namen wir,
um Missverständnissen zu entgehen, dem Raum zwischen der Dura und der Arachnoidea (dem Arachnoidealraum
and. Verf.) gaben. Bei diesen subarachnoidalen Injectionen, auch bei den weniger vollständigen, sahen wir die
Flüssigkeit in die Sinus der harten Hirnhaut und zu den Venenverzweigungen in der Nähe der Sinus, sowie auch
durch die Venen des Schädels in die Gefässe der Kopfhaut austreten. Beim Uebergang der Flüssigkeit in die Blut-
leiter fanden wir die Pacchionischen Granulationen eine sehr wichtige Rolle , spielen; sie wurden nämlich dabei stark
injicirt, und die Flüssigkeit drang aus ihrem Innern auf ihre Oberfläche hinaus; sie gelangte eben auf diesem Weg
in die Sinus. Wir schlossen daraus, dass die Cerebrospinalflüssigkeit während des Lebens auf demselben Weg mit
ziemlicher Leichtigkeit in die venösen Sinus Ausfluss finden könne. Wir fanden, dass die Pacchionischen Granula-
tionen nicht nur bei erwachsenen Menschen sondern auch bei Kindern, sowie bei Schafen und Hunden, dieselbe
Function haben (S. hierüber ferner unten). Ferner sahen wir bei subarachnoidalen Injectionen die Flüssigkeit die
Zweigen des Nervus olfactorius in der Nasenschleimhaut begleiten, dieselben scheidenförmig umgebend und zwischen
demselben ein Lymphgefäss-ähnliches, von den Blutgefässen verschiedenes Netz füllend. Mit dem Nervus acusticus
sahen wir die Flüssigkeit von den subarachnoidalen Räumen ins Gehörlabyrinth eindringen. Mit dem Nervus opticus
fanden wir die subarachnoidale Injectionsflüssigkeit aus dem Schädelraum ausdringen und dabei einen inneren
Scheidenraum füllen, welcher nach aussen durch eine dünne Haut, eine Fortsetzung der Arachnoidea (die von uns
sog. »Arachnoidalscheide» des Opticus), von einem äusseren, vom Subduralraum aus injicirbaren Raum getrennt war.
B Axel Key och Gustaf Retzius. Nordiskt Medicinskt Arkiv. Bd 11. N;o 6, IV. 1870. 39
Durch Injectionen unter gelindem constanten Druck in den von uns sog. Sub dural raum (den Raum zwischen
Dura und Arachnoidea), welche Injectionen in derselben Weise wie bei den eben beschriebenen subarachnoidalen und
sowohl bei einer Anzahl von Menscbenleichen als bei lebenden oder eben getödteten Hunden, Kaninchen und Schafen
ausgeführt wurden, erhielten wir stets eine Füllung dieses ganzen Raumes sowohl am Gehirn als am Rückenmark,
ohne dass die Flüssigkeit bei unbeschädigter Arachnoidea weder in die Subarachnoidalräume, noch in die Ventrikel
je eindrang. Durch die Pacchionischen Granulationen trat sie mit Leichtigkeit in die venösen Sinus aus (S. hierüber
ferner unten). Vom Subduralraum aus erhielten wir auch, in Uebereinstimmung mit Schwalbe, eine Injection der
Lymphgefässe und Lymphdrüsen des Halses, sowohl der oberflächlicheren als der tieferen; daneben sahen wir oft
Injection eines Lymphstammes, welcher von der Orbitalgegend vor dem Masseter gegen den Unterkiefer hinab geht,
sowie auch einer dicht an diesem Lymphstamme befindlichen Lymphdrüse. Ausser dem von Schwalbe gefundenen
Zusammenhang dieser Lymphgefässe mit dem Subduralraum folgten wir demselben auch durch den Canalis caroticus
zu den Halslymphdrüsen hinaus. Ferner erhielten wir vom Subduralraum aus eine scheidenförmige Injection ringsum
mehrerer abgehender Nerven, also um den Oculomotorius weit in die Orbita hinaus, um den Hypoglossus bis zur
Nähe seines Eintritts in die Zunge, um den Trigeminus dem Ganglion Gasseri vorbei in seine Zweige hinaus, z. B.
um den Ramus alveolaris inferior bis seinem Austritt aus dem Foramen mentale vorbei u. s. w. Die Nerven schienen
uns im Allgemeinen mit den serösen Räumen des centralen Nervensystems zusammenhängende Lymphscheiden zu
besitzen; auch an den vom Rückenmark abgehenden Nerven erhielten wir Injection derartiger Scheiden. In der Nasen-
schleimhaut erhielten wir, auch vom Subduralraum aus, eine scheidenförmige Injection an den Zweigen des Nervus
olfactorius und daneben zwischen diesen Zweigen und davon unabhängig ein früher auch von Schwalbe injicirtes
Gefässnetz, das auch uns ganz mit Lymphgefässen übereinstimmend erschien und welches bei gleichzeitiger Injection
der Blutgefässe von Carotis aus von diesen getrennt sich zeigte. Mit dem Nervus acusticus sahen wir, wie Schwalbe
vom Subduralraum aus die Injectionsmasse ins Gehörlabyrinth eindringen, und wir folgten der Injection am Anfang
der Ausbreitung dieses Nerven. Constant erhielten auch wir, wie Schwalbe, vom Subduralraum aus am Opticus
Injection eines Raumes zwischen der äusseren und inneren Scheide dieses Nerven; wir fanden aber, dass dieser Raum
bei der Injection durch eine dünne Haut, die sich als eine directe Fortsetzung der Arachnoidea cerebri herausstellte,
von einem inneren, von den Subarachnoidalräumen des Gehirns und Rückenmarks aus injicirbaren Raum abgetrennt
ist. Auch in den Tenonschen Raum und in den Perichorioidalraum erhielten wir, wenn auch weniger constant, In-
jection vom Subduralraum aus. Ob nicht zwischen jenen Räumen und den Räumen der Opticusscheiden ein von
Schwalbe verneinter Zusammenhang existirt, wollten wir dann bis auf Weiteres offen lassen, »weil wir am wenigsten
Andeutung zu einem solchen gesehen».
Bald danach beschrieben wir *) die von Trolard und uns gleichzeitig gefundenen, an den Seiten des Sinus
longitudinalis befindlichen venösen Höhlen, welche von Pacchionischen Granulationen erfüllt sind und durch deren
Vermittlung, von diesen Granulationen aus, eben die Venenverzweigungen in der Nähe des Sinus von den Sub-
arachnoidalräumen sowie vom Subduralraum injicirt wurden. Diese Höhlen fanden wir immer sowohl bei erwachsenen
nnd neugeborenen Menschen als bei den untersuchten Säugethieren. Wir erwähnten ferner, dass wir von denselben
Räumen aus sämmtliche Augennerven injicirt hatten, sowie auch die Rückenmarksnerven durch die Spinalganglien
hindurch und weit auswärts von ihnen. Ferner hatten wir den Ablauf des die Blutgefässmaschen umspinnenden
Lymphgefässnetzes der Nasenschleimhaut in die Lymphgefässe und Lymphdrüsen des Halses verfolgt.
Wir fanden ferner bei Injectionen in den Subduralraum sowie auch in die Subarachnoidalräume, dass die
Flüssigkeit zwar in Venen der Dura, sowohl in die Sinus als in die eigentlichen Vasa meningea, sehr leicht übergeht,
aber nicht durch unmittelbare Resorption vom Subduralraum aus in die von Böhm beschriebenen Gefässe, sondern
durch Vermittelung der Pacchionischen Zotten, theils direct in die bekannten Sinus, theils in die eben genannten,
mit solchen Zotten erfüllten Höhlen in der Dura, die an den Seiten des Sinus longitudinalis von uns gefunden wurden.
Die von Böhm beschriebenen Gefässe sind nach unseren Forschungen nur die hier eigenthümlich geformten Blutcapillaren
und Venenwurzeln; diese Gefässe hängen nämlich nicht nui mit den Venen sondern auch überall mit den Arterien
zusammen. Wir fanden in Uebereinstimmung damit dies Gefässnetz immer blutfühlend. Bei verschiedenen Thieren
hatte das Netz ein ganz verschiedenes Aussehen, bei einigen (z. B. Schaf, Rind), wai es sogar kaum von gewöhn-
lichen Blutgefässen zu unterscheiden, (üeber das von uns nähei beschlichene Veihalten der Dura zu den Pacchio-
J) Axel Key och Gustaf Retzius. Nord. Med. Arkiv. Bd 11. N:o 13, in. 1870. 40
Nischen Zotten s. unten in der besond, Abtheilung über die Geschichte dieser Gebilde). Betreffs der Füllung der Lymph-
gefässe des Halses fanden wir dieselbe besonders von den Lymphgefässen der Nasenschleimhaut aus zu geschehen.
Etwa zu derselben Zeit wie wir und ganz unabhängig fand Trolard *) bei seiner Revision der duralen Sinus
die von Pacchionischen Zotten erfüllten Höhlen an den beiden Seiten des Sinus longitudinalis.
Noch im selben Jahr lieferten wir2) einen Bericht über unsere unterdessen fortgesetzten Untersuchungen, wobei
wir besonders den Bau der weichen Hirnhaut und der Arachnoidalzotten (s. unten) beschrieben. Nach dieser unseren
Darstellung wird die weiche Hirnhaut als aus einer äusseren und einer inneren dünnen Verdichtungsschicht, der
Arachnoidea und der Pia mater, bestehend betrachtet. Diese beide sind von einem in Form und Menge vielfach
wechselnden Gewebe, dem Subarachnoidalgewebe, vereinigt. Von dem letzteren »werden theils mehr oder weniger
vollständige, sehr dünne, in verschiedenen Richtungen feingestreifte, kernführende, membranöse Häutchenausbreitungen
gebildet, welche als Wände von der Arachnoidea zur Pia verlaufen, den Raum zwischen ihnen in kleinere Abtheilungen,
Gänge oder Räumchen vertheilend»; alle diese Räume nannten wir Subarachnoidalräume. »Theils besteht aber
das Subarachnoidalgewebe aus einem reichmaschigen, lockeren und schwammigen Netzwerk einander kreuzender und
unter sich anastomosirender, gezweigter, kernführender Bindegewebsbalken. Endlich findet es sich auch Uebergangs-
bildungen zwischen den eigentlichen Subarachnoidalräumen und dem Balkennetze, in dem dieses, besonders an der
Grenze gegen die Räume, sich hier und da zu kleinen unvollständigen Räumen anordnet und zuletzt in die Wände
der eigentlichen Räume übergeht. Die eigentlichen Subarachnoidalräume können mit Fug in grössere, an der Basis
des Gehirns liegende und kleinere, an der übrigen Gehirnfläche befindliche getheilt werden». Betreffs der letzteren
»kann man schon mit blossem Auge, bei Injection einer gefärbten Flüssigkeit vom Subarachnoidalraum des Rücken-
marks aus, ziemlich vollständig die Ausbreitung der Räume und ihr Verhalten zu einander und zu den Blutgefässen
beobachten. Die Flüssigkeit rinnt nämlich vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks durch die an der Hirnbasis
befindlichen grossen Räume und von da im Allgemeinen zuerst in den Furchen des Gehirns, dabei gewöhnlich in
deren tieferen Theilen hervorschiessend und dann allmählig das Gewebe um die am häufigsten mehr oberflächlich
gelegenen grösseren Blutgefässe füllend; seitlich nach den Windungen zu und über ihre Wölbungen gehen mehr oder
weniger verzweigte Ausläufer ab, welche man im Allgemeinen die Zweige der Blutgefässe begleiten sieht, theils an
einer Seite derselben, theils, aber von einander unabhängig, an deren beiden Seiten, theils auch das Gefäss um-
schliessend; theils gehen sie indessen auch von den Blutgefässen unabhängig, bald sich solchen nähernd, bald sich
wieder von ihnen entfernend, WVnn die Injection fortgeht, füllen sich gewöhnlich die Zwischenräume der schon
injicirten Gänge mehr und mehr, und endlich entsteht ein Zustand, den wir früher mit einem gefärbten Oedem ver-
glichen haben; die ganze Oberfläche des Gehirns ist dann mehr oder weniger vollständig von der Injectionsflüssig-
keit umschlossen und die Arachnoidea über die Wölbungen der Gyri wie erhoben. Nur an den Rändern der Injection
kann man dann noch die einzelnen Gänge unterscheiden. Bisweilen können diese eine weite Strecke hervorschiessen,
ohne nach den Seiten Zweige abzugeben, bisweilen sind aber die Zweige zahlreich; bisweilen sieht man, besonders
in den Furchen, zwei von verschiedenen Seiten kommende Gänge einander kreuzen, ohne sich zu vereinen. Die
Gänge sind zuweilen ziemlich gerade, gewöhnlich aber schlingernd, von etwa 0.5 bis 2 Mm. Breite und oft scharf
begrenzt, mit etwas buchtigen Rändern; zuweilen sind die Ränder durch Fortsätze der Injectionsmasse nach den
Seiten hin wie gezackt».
»WTenn man mit dem Mikroskop Verticalschnitte derartig injicirter weicher Plirnhäute, die in chromsaurem
Kali und dann in Alkohol erhärtet sind, untersucht, so findet man, dass das Subarachnoidalgewebe sich an verschie-
denen Stellen verschieden verhält. Heber den Windungen, welche die sichtbare Gehirnoberfläche erreichen, ist das
Verhalten gewöhnlich am einfachsten; da findet sich mehrentheils eine einfache Reihe kleiner, in der Grösse unter
einander etwas wechselnder, gerade oder schief quergeschnittener Subarachnoidalräume oder Gänge, welche durch
die obengenannten dünnen Wände getrennt sind. Bisweilen liegen indessen die Räume auch über den Wendungen
in mehr als einer Lage. Bisweilen, aber nur ausnahmsweise, findet sich ein kleines Balkennetz zwischen die Wände
eingeschoben. Bisweilen hat, und dies besonders in der Nähe der Fissura longitudinalis, wo die Pacchionischen Zotten
am reichlichsten Vorkommen, das Balkennetz mehr oder weniger die Räume ersetzt; gewöhnlich findet sich doch,
dicht an der Pia mater, auch an solchen Stellen eine Reihe von Räumen. In den Hirnfurchen sind die Räume oder
Gänge in der Nähe der Pia gewöhnlich recht zahlreich und liegen oft in mehrschichtiger Anordnung über einander.
*) Archives generales 1870. 2) Axel Key och Gustaf Retziüs. Nord. Med. Arkiv. Bd 11. N:r 26, u. 1870, 41
lieber denselben aber, nach der Araclinoidea zu, findet sich gewöhnlich ein reichliches, schwammiges Balkennetz von
oben angedenteter Beschaffenheit; die Balken gehen in die, die Räume abgrenzenden Häutchenwände über; zwischen
dem Balkennetz aber und den Räumen finden sich gewöhnlich die ebenso oben erwähnten Uebergangsbildungen in
Form kleiner unvollständig abgegrenzter Räume, welche in offener Verbindung mit den eigentlichen Räumen und
mit den Maschen des Balkennetzes stehen. In allen Maschen des Balkenuetzes breitet sich die Injectionsflüssigkeit
mit Leichtigkeit aus, und die Maschen hängen also mit den Subarachnoidalräumen zusammen».
»In Betreff des Verhaltens der Blutgefässe zu dem Subarachnoidalgewebe und den Begrenzungshäuten haben
wir gefunden, dass die gröberen Gefässe, welche, wie bekannt, in den Furchen und gewöhnlich dicht unter der
Arachnoidea verlaufen, im Allgemeinen von dem oben geschilderten, engmaschigen Balkengewebe umgeben sind, welches
da gewöhnlich in die Gefässwände übergeht und an ihnen sich befestigt; oft sieht man doch das Balkennetz kleine
mehr oder weniger unvollständig begrenzte Räume dicht an der Gefässwand bilden; bisweilen wird dieselbe von
einem sie halb oder mehr umfassenden, halbmondförmigen Raum umgeben. Die von diesen grösseren Gefässen
abgehenden Zweige, welche theils zum Boden der Furchen herabtauchen, theils nach den Seiten in die seichten
Furchen und über die Windungen abgehen, liegen dagegen im Allgemeinen in längeren oder kürzeren Strecken an
den, die Subarachnoidalräume abgrenzenden, dünnen, häutchenähnlichen Wänden und an der Pia mater, mehr oder
weniger ins Lumen der Räume einschiessend; die von den vorigen Verfassern geschilderten, die Blutgefässe »mantel-
förmig» umgebenden, und nach ihrer Ansicht von den Subarachnoidalräumen getrennten »Lymphcanäle» sind also
nichts Anderes als wirkliche Subarachnoidalräume, welche an ihren W änden angeheftete Blutgefässe haben, welche aber
in offener Verbindung mit den übrigen, Blutgefässe nicht führenden Subarachnoidalräumen stehen; es giebt auch keine
histologische Verschiedenheit zwischen ihnen. Die in der Pia verlaufenden und sich verzweigenden Blutgefässe geben,
wie bekannt, eine Menge mehr oder weniger feiner Zweige in die Gehirnsubstanz ab, dies geschieht aber nicht,
wie His angegeben hat und wie man bisher allgemein geglaubt hat, durch Löcher in der Haut durch welche
Löcher die sog. Lymphcanäle mit dem von His beschriebenen Epicerebralraum (zwischen der Pia und der Hirnober-
fläche) und mittelst dieses mit den ebenso von His geschilderten perivasculären Räumen um die Blutgefässe des
Gehirns Zusammenhängen sollten sondern mit den Gefässen folgt constant eine dünne, trichterförmige, fein-
streifige und kernführende Verlängerung der Pia, welche auch constant in die gefässführende, die Blutgefässe des
Gehirns lose umgebende Adventitialscheide, welche die Blutgefässe in ihren Verzweigungen im Innern des Gehirns
begleitet, übergeht, oder, richtiger gesagt, in dieselbe sich fortsetzt. Die von den Subarachnoidalräumen kommende
Injectionsflüssigkeit fliesst durch diese trichterförmigen Bildungen mehr oder weniger in diese Adventitialscheide
hinein, ohne irgend wo in die Epicerebral oder Perivascularräume auszutreten, sofern nicht durch einen zu starken
Druck bei der Injection oder durch andere unvorsichtige Behandlung Berstungen entstanden sind», »Als wir bei
unseren ersten Subarachnoidal-injectionen fanden, dass die Masse auch in den sog, Epicerebralraum und in Zusam-
menhang damit auch in die His’schen Perivascularräume ausgedrungen war, so wurden wir dadurch verleitet zu
glauben, dass die His’sche Schilderung dieser Räume insofern richtig wäre, dass sie in der That vorhanden waren
und durch Oeffnungen in der Pia rings um die Gefässe in offener Verbindung mit den subarachnoidalen Räumen
standen; wir haben aber später auf das Bestimmteste uns überzeugt, dass dies unrichtig war. Wenn die genannten
Räume während des Lebens sich vorfinden, welches wir als im höchsten Grade unwahrscheinlich ansehen müssen, so
ist es doch gewiss, dass sie in keinem Zusammenhang mit den Subarachnoidalräumen stehen, weder mit denjenigen,
welche die Gefässe nächst umgeben, noch mit den übrigen. Eine Flüssigkeit, welche im Innern des Gehirns in den
His’schen Perivascularräumen zwischen der Lymphscheide (der Adventitialscheide) der Gefässe und der Hirnsubstanz
sich befände, würde also zwar bei einer vermehrten Bluterfüllung der Gefässe in den Epicerebralraum ausgepresst
werden können, wenn dieser vorhanden wäre, könnte aber nie ohne Berstungen in die serösen Räume der weichen
Haut gelangen; auch haben wir einen anderen Ablauf des sog. Epicerebralraumes nicht finden können. Dieser Um-
stand allein spricht stark dagegen, dass eine Flüssigkeit während des Lebens sich hier vorfände. Sie würde hier auf
der nackten, jedes Epithel und jedes schützende Gewebe entbehrenden Hirnoberfläche eingeschlossen liegen und
über dieselbe strömen, was sich vorzustellen höchst unbefriedigend sein würde. Vie vorher angegeben wurde, haben
wir durch Subarachnoidalinjection einen Zustand hervorgebracht, welcher vollständig dem stärksten Oedem entspricht,
ohne dass ein Tropfen der Injectionsflüssigkeit unter der Pia oder nach aussen von den Lymphscheiden der Hirn-
gefässe vorgefunden wurde. Es ist wahr, dass man bei Stichinjectionen ins Gehirn die Injectionsflüssigkeit leicht
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 42
genug um die Lymphscheiden der Gefässe zwischen ihnen und der Hirnsubstanz hervordringen und an der
Oberfläche sich zwischen Pia und Gehirn ausbreiten sieht, wonach sie an den Gefässen in die Subarachnoidal-
räume eindringt; dies ihr Vordringen lässt aber durch den losen Zusammenhang zwischen diesen Häuten und dem
Gehirn sich leicht erklären; der Eintritt der Masse aus dem Epicerebralraum in die Subarachnoidalräume beruht
aber lediglich darauf, dass, da die Pia durch die andringende Masse vorn Gehirn erhoben wird, mehr oder
weniger Trichter und Scheiden, welche von der Pia aus die Gefässe begleiten, gestreckt und zersprengt werden,
und auf diese Weise gewinnt die Masse einen künstlichen Zutritt zu den serösen Räumen der weichen Hirnhaut».
»Einmal gelang es uns bei einer Stichinjection die Injectionsflüssigkeit vom Gehirn aus die Gefässe begleiten und
in den Subarachnoidalräumen, ohne zwischen der Pia und dem Gehirn auszutreten, sich ausbreiten zu sehen. Es war
deutlich, dass die Injectionscanüle dann durch einen Zufafl mit der Spitze in eine der Lymphscheiden der Hirn-
gefässe eingedrungen und dass die Masse durch diese unmittelbar in die Subarachnoidalräume hinaus geflossen war.
Dass von den Lymphscheiden im Gehirn eine Strömung von Flüssigkeit nach den Subarachnoidalräumen und
umgekehrt, je nach wechselnden Druckverhältnissen, während des Lebens stattfindet, scheint uns ausser allem
Zweifel zu sein. Ein wichtiger Umstand für die Beurtheilung dieser im höchsten Grade interessanten Fragen ist der,
dass man bei Gehirninflammationen sehr oft die Lymphscheiden der Gefässe ganz von lyraphoiden Zellen (gewiss
ausgewanderte weisse Blutkörperchen) vollgestopft findet, nie aber haben wir solche Zellen in His’schen Perivascular-
räumen gesehen. Dagegen findet man sie oft mehr oder weniger reichlich in der zunächst umgebenden Hirnmasse.
Dies spricht auch dafür, dass die Lymphscheiden der Hirnsubstanz dicht anliegen und dass die Körperchen aus
jenen in diese auswandern, ohne einen dazwischen befindlichen Raum zu passiren. Bei Meningitis kann man ebenso
die Subarachnoidalräume nebst den Piatrichtern und den Lymphscheiden der Gefässe weit ins Gehirn hinein von
lymphoiden Zellen vollgestopft finden, ohne dass etwaige solche zwischen der Pia und dem Gehirn vorhanden sind.
Alles scheint uns also zu beweisen, dass die von His beschriebenen Perivascularräume und der Epicerebralraum
während des Lebens in Wirklichkeit sich nicht vorfindet, sondern dass sie Kunstproducte sind, wogegen die Lymph-
scheiden der Hirngefässe mit den Subarachnoidalräumen in ununterbrochenem offenen Zusammenhang stehen».
Betreffs der Scheiden des N. opticus lieferten wir dort etwas ausführlichere Mittheilungen. »Innerhalb der
äusseren Opticusscheide, welche wir die Dural scheide des Opticus nannten, geht die von uns beschriebene
Arachnoidalscheide als eine vollständige und ununterbrochene Haut vorwärts bis zum Bulbus, wo sie sich am
Eintritt des Sehnervens befestigt. Sie ist eine unmittelbare Fortsetzung der Arachnoidea. Man hat also um den
Opticus zwei Scheidenräume, einen äusseren, zwischen der Duralscheide und der Arachnoidalscheide, welchen wir
den Subduralraum des Opticus nennen wollen, und einen inneren, zwischen der Arachnoidalscheide und dem
Nerven selbst, welchen wir den Subarachnoidalraum des Sehnervens zu benennen vorschlagen. Jener steht
mit dem Subduralraum des Gehirns, dieser mit den Subarachnoidalräumen der weichen Hirnhaut in unmittelbarem
Zusammenhang. Durch den ersteren Raum gehen nur vereinzelte und gröbere Balken von der Dural- zur Arachnoidal-
scheide, sie durchdringen diese letztere und verzweigen sich dann im Innern des Subarachnoidalraums zu einem
Balkennetz, welches den Nerven umspinnend in das Gewebe übergeht, das die Oberfläche desselben bildet und
nach Innen zwischen seinen Fasern sich fortsetzt. Das Balkennetz im Subarachnoidalraum des Opticus wird ohnedem
durch zahlreiche verzweigte Balken verstärkt, welche vom Opticus zur Arachnoidalscheide oder auch umgekehrt
verlaufen, ohne diese letztere zu durchdringen und in den Subduralraum auszutreten». Dieses Balkennetz des Sub-
arachnoidalraums des Opticus scheint dem von einigen Verf. früher geschilderten zu entsprechen.
Eberth x) beschreibt die Adventitia der Arterien und Venen des Hirns und Rückenmarks als von einer
scharfen, mitunter doppelten Contourlinie oder einem zarten Saum begrenzt, der selbst noch eine Strecke weit auf
die feineren Capillaren sich verfolgen lässt. Dieser Saum löst sich nach kurzer Behandlung mit Wasser oder Kochsalz-
lösung an vielen Stellen des Gefässes von der unterliegenden Adventitia in kleinen Blasen ab, die allmählig confluiren
und endlich als eine äusserst zarte Scheide das Gefäss umgeben; bald zerreisst diese Membran und zerfällt endlich in
dünne, unregelmässige, kernhaltige Plättchen. Nach Silberbehandlung nimmt man an dieser Adventitia der Gefässe
eine Zeichnung von bald deutlich polygonaler, bald mehr unregelmässig zackiger und sternförmiger, fast immer
Kerne enthaltender Felder. Die Hirn- und Rückenmarksgefässe sind also mit Ausnahme der feinsten Capillaren
von einem äusseren Epithel überzogen, welches Eberth »Perithel» nannte. Wie weit dasselbe auf die grösseren
B Virchows Archiv. Bd 49. 1870. 43
Gefässe sich fortsetzt, konnte Eberth nicht mit voller Sicherheit angeben; an den mittleren Aesten der Art. foss.
Sylvii findet es sich noch. Nach Behandlung mit doppelt chromsaurem Kali sieht man von der die perivasculären
Räume begrenzenden Verdichtungsschicht der Gliafasern kernlose Fasern an das Perithel der Gefässe treten und
daselbst leicht verbreitert sich inseriren; es sind dies die von Roth geschilderten Fasern. Die Adventitia bildet also
nicht die äussere Wand der perivasculären Canäle. Auch die epicerebralen Lacunen werden »von feinen aus der Pia
in die Hirnrinde tretenden kernlosen Fäserchen durchsetzt. Bei der Schildkröte fehlen am Rückenmark diese Räume
vollkommen. Die dicht stehenden feinen Gliafäserchen der Begrenzungsschicht sind innig mit einer wenig fasrigen,
fast homogenen Membran verbunden, die unmittelbar in die Pia übergeht. Die circumvasculären (perivasculären) Räume
des Gehirns communiciren mit den Subarachnoidealräumen, die gleichfalls einer epithelialen Auskleidung entbehren.
Die Lymphgefässe der Pia, welche bald die Blutgefässe begleiten, bald ganz umschliessen und auch mit den sub-
arachnoidealen Lacunen in Verbindung stehen, wiederholen den Bau dieser. Sie stellen nämlich ein cavernöses
Gewebe dar, welches durch eine etwas dichtere Bindegewebslage einen unvollkommenen Abschluss gegen jene
Lacunen erhält. Daher kann man auf kleine Strecken die Lymphräume der Pia füllen, ohne gleichzeitig auch jene
zu injiciren». Lymphräume mit Epithelauskleidung konnte Eberth weder in der Pia noch in der Arachnoidea sehen;
ebenso wenig gelang es ihm die abführenden Lymphwege der Hirn- und Rückenmarkhäute aufzufinden.
Obersteiner *) bestätigte die Angaben von His über die perivasculären Lymphräume des Gehirns, die noch um
die feinsten Capillarverzweigungen herum erkennbar sein sollen, sowie auch dessen epicerebralen Raum und den
Zusammenhang desselben mit Lymphräumen im Gewebe der Pia. Er fügte aber noch hinzu, dass um die einzelnen
Zellen der Grosshirnrinde Räume bestehen von wechselnder Weite, die sehr häufig freie runde Körner einschliessen,
welche Lymphkörperchen vollkommen gleichen, dass ferner diese Räume mit den perivasculären Lymphräumen
communiciren und von diesen aus injicirbar sind. Er hielt den Schluss für gerechtfertigt, dass diese Räume dem
Lymphsysteme angehören, wahrscheinlich die Anfänge der Lymphbahnen darstellen und dass die in ihnen enthaltenen
Körner wirklich Lymphkörperchen seien.
Manz 2) fand, bei seinen experimentellen Untersuchungen über Erkrankungen des Sehnerven in Folge von
intracraniellen Krankheiten, nach In jectionen unter der Dura lebender Thiere (Kaninchen), dass die Flüssigkeit wohl
im Scheidenraum des Opticus bis zum Bulbus sich erstreckte; er sah sie aber bei seinen Versuchen nie in den
Opticusstamm eindringen und das von Schmidt beschriebene Canalnetz erfüllen. Die eben erwähnten Versuche seien
aber »gewissermaassen nur Vorstufen einer vollständigeren Injection». Ein Eintreten in den Opticus selbst lässt sich
daher mit Wahrscheinlichkeit erwarten.
Stilling spricht sich in seiner Arbeit über den Bau des kleinen Gehirns 3) mit voller Entschiedenheit für das
normale Vorhandensein des Hiatus Magendii aus. »Diese Oeffnung ist im Normalzustände, und in normaler Lao^e
' O
der verschiedenen Theile, nur eine Spalte, von V*—I—V/21—V/2 Mm. Länge und Breite, nichts weniger als -regelmässig,
noch weniger ein offenes rundes Loch oder Viereck, sondern zeigt, wenn man die Medulla oblongata in die Höhe
hebt und auseinanderzerrt, eine bald runde, bald rhomboidale, bald längliche Form». »Im Normalzustände liegen
die diese Lücke begrenzenden Wandungen eng aneinander, und gestatten nur die Communication der Cerebrospinal-
flüssigkeit der vierten Hirnhöhle mit dem Subarachnoideal-Raum und vice versa, wie durch eine Oeffnung, die mit-
telst eines, aus weichem, filzartigem Gewebe bestehenden, oder aus solchem Stoffe gebildeten Pfropfes lose geschlossen
ist, der das Durchsickern einer Flüssigkeit gestattet». »Dass der Hiatus Magendii wirklich eine Oeffnung sei, von
der Natur gebildet, und nicht ein Kunstproduct der anatomischen Zerlegung, sieht man leicht bei aufmerksamer
Untersuchung frischer Gehirne, die in loco im Schädel, oder nach vorsichtiger Entfernung aus demselben geprüft
werden. Man findet eine grosse Menge feiner, mehr oder weniger derber Filamente, die von der Medulla oblongata
zum kleinen Gehirn gehen, die Pia mater beider Theile mit einander verbinden, längs der seitlichen Ränder des
unteren Theils der Rautengrube, nicht aber an dem Mittelpunkte (dem unteren Ende) derselben. Von diesem Punkte
an nach beiden Seiten und oben und aussen hin bleibt eine Stelle von 2—4 Mm. durchaus glatt, ohne alle Filamente,
die von der Medulla oblongata zum Cerebellum gingen; diese Stelle dient eben den unteren Zipfeln der Plexus
chorioidei zum Austritt, und ist eine von der Natur präformirte Lücke, mittelst welcher die vierte Hirnhöhle mit dem
Subarachnoideal-Hohlraum communicirt».
l) Sitzungsber. der kaisorl. Akad. d. Wisscnsch. Band 61. Wien 1870. 2) Archiv f. Ophthalmologie. Bd 16. Abtheil. I. 1870.
3) Untersuchungen über den Bau des kleinen Gehirns des Menschen. Cassel 1870. In der Erklärung der Abbildungen. (Tafel 5, 6u. 8). 44
Henle1) bezeichnet das subarachnoidale Gewebe als ein physiologisch wassersüchtiges Bindegewebe von
allerdings ungewöhnlich lockerer Beschaffenheit, Es grenzt sich nach aussen durch eine zusammenhängende, zarte,
aber doch, besonders am Rückenmark, resistente Haut, die Arachnoidea, ab. Sie berührt in der Regel unmittelbar
die innere Fläche der fibrösen Haut, wenn auch nicht bestritten werden kann, dass da und dort einmal, durch eine
Lücke der Arachnoidea, ein Theil der subarachnoidalen Flüssigkeit in den Raum zwischen Arachnoidea und fibröser
Haut gerathen mag. Die Gedrängtheit der Bindegewebsbälkchen und die Ausdehnung der areolären Räume des
subarachnoidalen Gewebes steht im umgekehrten Yerhältniss zur Tiefe der Thäler, über welche die Arachnoidea
sich hinspannt, und so können stellenweise, z. B. an der hinteren Querspalte und zwischen Brücke und Hypophyse,
die Verbindungen der Arachnoidea mit den darunter gelegenen Gebilden völlig fehlen. Anderseits verdichtet sich
das areoläre Gewebe hier und da zu einer festen undurchbrochenen Scheidewand, welche den subarachnoidalen Raum
in gesonderte Kammern abtheilt. Eine solche Scheidewand zieht sich öfters in frontaler Stellung von den Corp.
candicantia zur Arachnoidea herab. Das hydropische Gewebe verdichtet sich auch nach innen, an der Grenze gegen
die Nervensub stanz zu einer Membran, die sich von der äusseren dadurch unterscheidet, dass sie die dichten Ver-
zweigungen der Arterien und Venen enthält. Diese Schicht ist die Gefässhaut, Pia mater. Zu den derberen Lamellen
des hydropischen Bindegewebes gehört auch das Lig. denticulatum; die Zahl seiner Zacken wechselt zwischen 20
und 23; die oberste befindet sich am Hinterhauptsloch, die unterste zwischen dem letzten Brust- und dem ersten
Bauchwirbel. Die Subai achnoidalräume, wegen des nachgewiesenen Zusammenhanges mit Lymphgefässen, mit Lymph-
räumen zusammenzustellen, hält Henle für missbräuchlich, da der fast rein wässerige Inhalt derselben keine Aehn-
lichkeit mit Lymphe hat. An der hinteren Spitze des Sinus rhomboideus schliesst sich die Gefässhaut mit einer
scharfen Querfalte ab und erhebt sich von beiden Seitenrändern desselben, um sich als Decke frei über ihm aus-
zuspannen. Die hintere Querfalte hüllt den Obex ein; in die Decke, die Tela chorioidea cerebelli, dringt von beiden
Seiten mehr oder minder weit der Ponticulus vor. Oefters schliesst sich unmittelbar an die Obexfalte noch eine
schmale Brücke der Gefässhaut, in welche ebenfalls einige Nervenfasern einstrahlen. Zwischen dem Obex oder dieser
Brücke, wenn sie vorhanden ist, bleibt eine querspaltförmige Lücke, der eigentliche Eingang des vierten Ventrikels
(Foramen Magendii Luschka), durch welchen dem subarachnoidalen Serum der Zutritt zum vierten Ventrikel
offen steht. An manchen Gehirnen wird diese Lücke etwas verengt durch einen niederen gefässreichen Saum,
der sich längs dem hinteren Rand der Ala cinerea von der Obexfalte zur Tela chorioidea erstreckt. Das Foramen
Monroi wird wahrscheinlich durch den lateralen Plexus chorioideus, wenn er im bluterfüllten Zustande sich
befindet, ausgefüllt.
Betreffs der Textur der weichen Hirnhaut sagt Henle, dass in der äusseren und inneren derberen Schicht
die Bündel meist parallel nebeneinander geordnet liegen; in den schmalen Spalten zwischen denselben kommen nur
sehr feine elastische Fasern, dagegen häufig, namentlich in älteren Leichen, Pigmentzellen vor. Die Bündel, welche
frei den subarachnoidalen Raum durchsetzen, sind von zweierlei Art. Die Einen, es sind vorwiegend die feineren,
sind von ring- und spiralförmigen elastischen Fasern umwickelt und erhalten, wenn man sie quellen macht, durch
die von diesen Fasern bewirkten Einschnürungen, ein bauchiges Ansehen. Die Anderen haben eine Scheide, welche,
wie die Behandlung mit Silberlösung lehrt, aus glatten Epithelzellen besteht, eine Scheide, die sie überhaupt am
Aufqueilen hindert und nur dadurch, dass sie stellenweise einreisst, unregelmässige hernienartige Ausbuchtungen zu
Stande kommen lässt. Henle bemerkt, dass er früher Bündel abgebildet habe, die die umspinnenden Fasern innerhalb
der Epithelscheiden zeigen mögen, und will desshalb die Meinung nicht theilen, welche Leber in Betreff der gleichen,
die beiden Opticusscheiden verbindenden Bündel ausspricht, dass nämlich die Epithelscheiden, indem sie sich durch-
löchern, allmählig in umspinnende Fasern übergehen. Ebenso wenig konnte er, nach erneuten Untersuchungen, die
von Schwalbe behauptete Beständigkeit dieser Scheiden zugeben. Die Zellen der subarachnoidalen Bündel gehen auf
die Bälkchen über von der inneren Fläche der Arachnoidea, die sie ebenso wie die äussere überziehen. Von den
Bälkchen setzen sie sich auf die freien Strecken der Gefässhaut fort, und so lässt sich behaupten, dass ein Epithelium,
dem der serösen Häute ähnlich, der Regel nach ebenso den leeren Raum zwischen fibröser Haut und Arachnoidea,
wie die Serum erfüllten Lücken des Subarachnoidalraums auskleidet und nur den feineren Bälkchen fehlt, an welchen
es durch Spiralfasern ersetzt wird. Die innerste Schichte der Gefässhaut beschreibt Henle nach seiner früheren,
zusammen mit Merkel gegebenen Darstellung (s. o.). Ebenso hält er an ihrem, an der Kleinhirnoberfläche geschilderten
B Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen. Bd 111. 1871. 45
Lymphraum fest, der zwischen der Grenzmembran und dem Gehirn liegen und mit den perivasculären Räumen
Zusammenhängen soll und ferner, dass die Grenzmembran mit dem Kleinhirn durch stiftförmige Fortsätze, welche
an die Radialfasern der Retina erinnern, in Verbindung stehe (s. o.).
Bezüglich der Textur zeichnet sich nach Henle die fibröse Haut des Gehirns und Rückenmarks durch
nichts vor den übrigen Gebilden dieser Kategorie aus. Sie besteht aus dicht verwebten Bindegewebsbündeln und
feinen elastischen Fasernetzen. An den Stellen, wo die Bekleidung des Schädels in die Fortsätze, Falx und Tento-
rium, umbiegt, wird die Membran mächtiger und der verflochtene Bau dem unbewaffneten Auge sichtbar; dagegen
verdünnen sich die Fortsätze, namentlich die Falx cerebri, in der Nähe des freien Randes bis zu stellenweiser Durch-
löcherung und Umwandlung in ein netzförmiges Gewebe. Gegen das Hinterhaupts loch ordnen sich die Bündel mehr
parallel und longitudinal und so erhalten sie sich in der fibrösen Hülle des Rückenmarks. Die fibröse Hirnhaut ist
an ihrer inneren Oberfläche, die fibröse Haut des Rückenmarks an beiden Oberflächen mit einem einfachen, sehr
platten Pflasterepithelium versehen, dessen Kerne durch Essigsäure, dessen Zellengrenzen durch salpetersaure Silber-
lösung zur Anschauung gebracht werden.
In seinen »Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Gewebe)) x) giebt 801 l folgende Darstel-
lung der Structur der Arachnoidea und der subarachnoidalen Balken. Arachnoidea (z. B. des Hammels) stellt
keineswegs ein regelloses Gewirre von stärkeren und schwächeren, zu einem Filz verwebten Bindegewebsbündeln
dar, sondern es ist an ihr eine typische und regelmässige Anordnung der Bindegewebsbündel auf das deutlichste zu
erkennen. Es finden sich in der Fläche der Membran bestimmte Centra, von denen aus nach allen Richtungen
die dicht an einander gelagerten Bindegewebsbündel ausstrahlen, wie die Radien eines Kreises. Nur an den Stellen,
wo die Peripherien dieser verschiedenen, um die einzelnen Centra angeordneten Faserbezirke sich berühren, findet
ein mehr regelloses Gewirre und eine Verfilzung der einzelnen Bindegewebsbündel statt. Die Dicke der so gebildeten
Membran ist je nach Thierart und Region verschieden. Beim Kaninchen besteht sie aus nur einer Bündelhmo
* O *
Beim Schaf findet sich über den grossen Hemisphären gleichfalls meist nur eine Lage, an der Gehirnbasis sind aber
häufig zwei und mehr Schichten mit verschiedenartigem Faserverlauf. Die innere Grenze der Membran ist absolut
nicht mit Sicherheit festzustellen. Allenthalben, an einigen Stellen zahlreicher, an anderen sparsamer lösen sich
stärkere und schwächere Bindegewebsbündel los von der Membran; sie durchziehen die einzelnen Abtheilungen des
sog. Cavum subarachnoidale und treten herüber zu der dünnen Schicht fibrillären Bindegewebes, der Pia mater,
welche die Oberfläche des Gehirns und Rückenmarks unmittelbar überzieht. Untersucht man ein grösseres derartiges
Bündel im frischen Zustande in irgend einer indifferenten Flüssigkeit, so sieht man einen derben Strang fibrillären,
lockigen Bindegewebes von nahezu constanten Breitendimensionen. Durch Carminfärbung, namentlich wenn der
Essigsäuregehalt der Carminlösung kein allzu grosser war, gelingt es leicht, an fast allen gröberen Bindegewebs-
bündeln die Existenz einer von der centralen Masse des Bündels gesonderten Scheide zu demonstriren, die allerdings
in der Mehrzahl der Fälle dem Bündel unmittelbar anliegt, an vielen Stellen jedoch sich abhebt und so einen
Zwischenraum zwischen ihrem Contour und dem des Bündels herstellt. Diese Scheide ist nur an wenigen Stellen
structurlos. Sie zeigt nämlich fast allenthalben Streifen und Fasersysteme, die meist auf der Längsrichtung der
Bündel senkrecht stehen, an einigen Stellen sehr energisch ausgesprochen sind, an anderen aber äusserst zart. Nicht
selten entdeckt man an den Scheiden Kerne, welche die Knotenpunkte bilden, von denen aus die beschriebenen
Fasersysteme strahlenförmig nach verschiedenen Richtungen divergiren. Die Scheide ist aus kernhaltigen, stern-
förmigen Zellen zusammengesetzt. Die sich mit einander verbindenden Fortsätze derselben stellen verdickte Streifen
und Rippen in einer continuirlichen Membran dar. Eine scharfe Grenze zwischen diesen Rippen, diesen verdickten
Streifen und der Grundsubstanz ist nicht zu ziehen: beide bilden eine wirkliche histologische Einheit. Die Scheide
ist also ein Gewebe von ungleicher Stärke und Resistenzfähigkeit, und es erklären sich daraus auf das einfachste
die durch Essigsäurebehandlung entstehenden Veränderungen. Die Einschnürungen werden nicht bedingt dadurch,
dass eine structurlose, homogene Scheide einreisst und in der ganzen Circumferenz Continuitätstrennungen erleidet,
sondern vielmehr dadurch, dass eine »differenzirte, structurirte, verschieden derb gewebte Scheide nach Maasgabe
ihrer Resistenzfähigkeit an verschiedenen Stellen ihrem quellenden Inhalte auch einen verschiedenen Wiederstand
entgegensetzt)).
x) Archiv f. mikroskop. Anat. Bd 7. 1871.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 46
801 l will es doch »keineswegs für unmöglich halten, dass an einzelnen Strecken und Stellen der Bindegewebs-
bündel, wo die Substanz der Scheide an Zellen ärmer ist und nur feinstreifig, ja fast structurlos erscheint», die Ein-
schnürungen gemäss der Luschka—Reichert’schen Auffassungsweise durch Einreissen einer Scheide und Zusammen-
schnurren ihrer Bruchstücke zu einzelnen Reifen entstehen können. Es kommen nämlich ausserordentlich grosse
Schwankungen in Bezug auf die Derbheit und auf den Zellenreichthum vor. An den Bündeln der Basis cranii, be-
sonders an denen feineren Calibers, finden sich »grosse Stellen und ganze längere Strecken, wo der Scheide ausser
der Andeutung einer leichten Streifung kaum irgendwelche Structur abzugewinnen ist und wo die sternförmigen
Zellen, aus deren Verschmelzung an andern Stellen die ganze Substanz der Scheide zusammengesetzt erscheint,
sehr selten oder fast gar nicht wahrzunehmen sind».
801 l kann aber ebenso wenig »der Ansicht von Rollett direkt widersprechen, welche ein ganz entgegen-
gesetztes Princip zur Erklärung dieser Erscheinungen heranzieht», dass nämlich eine structurlose Scheide an den
Bündeln nicht existire, dass dagegen die Einschnürungen durch ein umspinnendes Netzwerk glatter Balken entstehen.
Bilder sind, nach 8011, nicht selten, die für ein wenigstens theilweise Durchbrochensein und Fehlen der Scheide zu
sprechen scheinen. Ferner kommen Bilder, wenn auch verhältnissmässig recht selten vor, welche dafür zu sprechen
scheinen, dass die Zellen der Scheide Fortsätze auch in das Innere des Bündels hinein schicken. Einzelne in der
Längsachse der Bündel verlaufende elastische Fasern sind ein fast regelmässiges Yorkommniss. »Nicht selten zeigen
diese Fasern eine feine kernhaltige Anschwellung. Sonst sieht man in dem Inneren speciell der feineren Bündel keine
Spur einer Zelle oder eines Zellenrestes». Es finden sich auch Bilder, wo eine ziemlich regelmässige, mehr oder
minder vollständige Lage von abgeplatteten Zellen die Bindegewebsbündel bekleidet, sowie Uebergänge, die dieses
Structurverhältniss mit dem oben geschilderten verknüpfen. Unter Hinweisung auf seine Figuren äussert Boll:
»Man überzeugt sich, dass die ‘abgeplatteten polygonalen Zellen, die das Bündel unvollständig bekleiden, nicht etwa
als heterogene Elemente auf der structurlosen Scheide aufsitzen, sondern dass sie wirklich integrirende Bestandtheile
derselben darstellen und also ganz den sternförmigen Zellen vergleichbar sind. Manche dieser polygonalen Zellen
erscheinen an ihren Ecken sogar in deutliche Streifen ausgezogen, die in die Substanz der Haut übergehen». Be-
treffs solcher Bündel, die eine sehr reichliche Bekleidung von diesen abgeplatteten Zellen zeigen, äussert 8011, dass
es sich im einzelnen Falle nie sicher entscheiden lasse, ob die Zellen das Bündel vollständig oder nur unvollständig
umhüllen, ob also die fibrilläre Substanz an einzelnen Stellen auch bloss zu Tage liegt. »Doch ist es mir», sagt er,
»im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die aus diesen abgeplatteten Zellen zusammengesetzte Hülle nicht immer
eine vollständige ist».
Parallel mit der Form der Zellen an den Bindegewebsbündeln schwankt auch der Protoplasmagehalt. Während
die rundlichen Zellformen ein deutliches körniges Protoplasma zeigen, ist dasselbe bei den mehr abgeplatteten Formen
fast völlig verschwunden und an die Stelle desselben eine klare elastische Platte getreten. Körniges Protoplasma
befindet sich indessen noch in ziemlicher Menge an den abgeplatteten Zellen der Bündel der Basis cerebri. Gänzlich
oder fast gänzlich ist es verschwunden in den elastischen Platten der Mehrzahl der Bündel am eben angeführten Ort.
An der Pia hat er nicht selten Bündel gefunden, an welchen kleine rundliche grobkörnige protoplasmatische
Zellen anhaften, ebenso wie Uebergänge von diesen zu den »abgeplatteten polygonalen Zellen» Vorkommen, weswegen
es schwierig ist zu entscheiden, welche Wanderzellen, welche fixe Endothelzellen sind. Versuche auf dem heizbaren
Objecttisch Hessen indessen niemals amöboide Bewegungen an den fraglichen Zellen constatiren, so dass diese Frage
»noch eine offene» blieb.
Golgi *) fand nach Erhärtung von Gehirnstücken in Ueberosmiumsäure (von 1/2—l %\ dass in der That keine
perivasculäre Räume im Sinne von His und keine pericelluläre Räume vorhanden sind. In der grauen Hirnrinde sah
er eine grosse Anzahl rundlicher, ovaler oder auch sternförmiger selten, anastomosirender Zellen durch das Gewebe
zerstreut liegend, von denen nach verschiedenen Richtungen zahlreiche sehr lange, sehr feine und niemals verästelte
Fortsätze ausgehen. Die Mehrzahl dieser Fortsätze geht zu den Gefässen (Capillaren oder noch mehr Gefässen
mittlerer Dimensionen) und inserirt entweder direct an der Gefässwand (bei den Capillaren) oder an der Lymphscheide
(bei den grösseren Gefässen). Am grössten ist der Reichthum an diesen Zellen an der Oberfläche der Gehirnrinde
unmittelbar an der Pia mater selbst, wo sie ein eigenes Faserstratum bilden. Dass die Perivascularräume künstlich
entstanden seien, wird auch durch die Injection bewiesen. Injicirt man durch den Subarachnoidalraum die Lymph-
l) Rivista clinica. Novembre 1871. Hier ist meistentheils das Referat im Centralblatt f. d. mcd. W. 1872, 25 Maj, N:o 21,
benutzt. 47
Gefässe der Pia, so dringt von diesem aus die Flüssigkeit nicht in epicerebrale Lacunen, nicht in die sog. perivasculären
Canäle, sondern pflanzt sich in die Gefässscheiden rings um die Gefässe fort. Die epicerebralen Lacunen communi-
ciren also nicht mit den Lymphgefässen der Pia. Die auf der Oberfläche der Hirnwindungen verlaufenden Blutgefässe
besitzen eine sehr weite Lymphscheide, zwischen welcher und den Gefässwänden sich sehr häufig weite Lacunen be-
finden. Von diesen Scheiden aus werden auch die in die Gehirnsubstanz eintretenden Gefässe mit Scheiden bekleidet.
An den Abgangsstellen bilden diese Lymphscheiden nicht selten trichterförmige Räume. Ausser durch die Gefässe steht
die Substanz der Pia mater mit der Oberfläche der Hirnrinde auch noch durch zahlreiche feine Fäden in Verbinduno•
Ol
von denen es schwer zu unterscheiden ist, ob sie zu der oberflächlichen Schicht der Hirnrinde oder zur Pia mater
gehören. Auch am Kleinhirn wird der Abschluss gegen die Pia von einem einfachen Lager abgeplatteter, leicht
isolirbarer Bindegewebszellen mit zahlreichen feinen Fortsätzen gebildet, die in die Substanz der Windungen eindringen.
Auf Durchschnitten durch die Kleinhirnrinde bedingt eben der Durchschnitt der aus den horizontalen Fasern ver-
webten Schicht eine glänzende Linie, die von Flenle und Merkel als der optische Ausdruck einer besonderen Mem-
bran aufgefasst worden ist. Die vertical in die Hirnsubstanz eindringenden zahlreichen Fasern sind die früher
beschriebenen sog. Stütz- oder Radialfasern. Die von Henle und Merkel zwischen ihrer Grenzmembran und Hirn-
rinde beschriebenen Lymphräume sind nur ein Product der durch Erhärtung entstandenen Retraction des Gehirn-
gewebes, wie auch die Injectionen bestätigen. Seine Ansichten stimmten also sehr mit den unsrigen überein.
Paschkewicz *) konnte in der Dura drei Schichten, zwei äussere ziemlich dicke, eine innere dünne wieder-
finden. Durch Silberbehandlung erhielt er an ihrer Innenfläche ein polygonales (vielleicht doppelschichtiges) Epithel
mit Stomata. Betreffs der Blutgefässe fand er zwei Capillarnetze, ein mehr oberflächliches und ein tiefes, unmittel-
bar unter dem Epithel im inneren Blatte liegendes; beide Netze communicirten mit einander und mit den Venen
der Aussenfläche. Das innere Netz stand nicht in offener Verbindung mit dem Subduralraum. Als Lymphgefässe
fasste er durch Silberbehandlung erhaltene Canäle und die Blutgefässe begleitende und sie umflechtende Räume auf;
das ganze System soll auf der Innenfläche durch Spalten in den Subduralraum münden, andererseits höchst wahr-
scheinlich mit Venensinus in Verbindung stehen. Grössere Lymphgefässe gelang es ihm nicht zu finden.
In unseren »Studien zur Anatomie des Nervensystems» 2) beschrieben wir im Allgemeinen die gröbere Anordnung
der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes des Rückenmarks, ihr Verhalten zu den Nervenwurzeln,
das Septum posticum, das Ligamentum denticulatum u. s. w. Da aber diese Darstellung unten im Texte in derselben
Weise, nur noch ausführlicher gegeben wird, glauben wir uns nicht, sie hier referiren zu müssen, sondern verweisen
auf die unten gelieferte Schilderung. In Betreff aber des feineren Baues der Rückenmarkshäute möchten wir indessen
einige Punkte aus unserer Beschreibung hier hervorheben. Die freien Subarachnoidalbalken, welche je für sich aus
einem Bündel feiner Fibrillen bestehen, sind sowohl die gröberen als die feineren alle von einer vollständigen, dünnen
Scheide umgeben, welche entweder mehr dicht oder mehr lose das Bündel umschliesst. Diese Scheide ist ziemlich
homogen, gewöhnlich aber eingestreute Körnchen zeigend. In gewissen Abständen liegen in der Scheide selbst ovale
Kerne. Diese Kerne sind von Körnchen in grösserer Menge, aber in äusserst dünner Schicht umgeben. Die Körnchen-
zone wird durch Anilin stärker gefärbt und hat in Allem ein mehr protoplasmatisches Aussehen als die übrige Scheide.
Ein Theil der Körnchen sowohl hier als auch sonst an der Scheide sind etwas grösser und glänzender. Diese
Scheide ist sehr vergänglich; oft sieht man zersprengte, nur schwer erkenntliche Reste derselben den Bündeln an-
haften. Wenn die Bündel schwellen, können ringförmige oder anders gestaltete Partien der Scheide Einschnürungen
derselben verursachen. Die fragliche Scheide um die Balken ist eine wirkliche Zellenscheide von äusserst dünnen
Zellen, den von uns sog. »Häutchenzellen», gebildet. Mit Silberfärbung kann man die Contouren der Zellen darstellen.
Im Umkreise der gröberen Balken findet sich immer mehr als eine Zelle; es giebt aber auch feine Balken, deren
Scheide in weiten Strecken nur von einer einzigen Zelle gebildet, aber doch immer vollständig ist.
Die Balken gehen mit einander zahlreiche verschiedenartige Verbindungen, von einzelnen zerstreuten Ver-
einigungsbälkchen bis zu vollständigen, mehr oder weniger dichten Balkennetzen, ein. Dabei entsteht an den Knoten-
punkten der Balken in den Netzen theils eine Flechtung, theils geschieht ein wirklicher Austausch ihrer Fibrillen,
und die Zellenscheiden breiten sich zu äusserst dünnen, hautähnlichen Gebilden in den Winkeln zwischen den
Balken, sowie über die Lücken zwischen ihnen aus. Ein solches Balkennetz mit hautartigen Bildungen geht hie
und da in eine mehr weniger durchbrochene oder sogar vollständige Membran über, dadurch dass äusserst dünne
l) Petersburg, med. Zeitschr. 1871. 2) Axel Key och Gustaf Retzius. Nord. Med. Arkiv. Bd IV. N:r 21 och 25. 1872.
Ins Deutsche übersetzt in »Archiv f. mikrosk. Anatomie.» Bd IX. 1873. 48
Zellen in vollem Zusammenhang mit den Balkenscheiden sich über sämmtliche Lücken ausspannen. Man erhält
also das Häutchen aus zwei Lagen ausserordentlich dünner Zellen gebildet, zwischen welchen Lagen Fibrillenbündel
in netzförmiger Anordnung verlaufen. Mit Silberfärbung bekommt man die Zellengrenzen scharf markirt. In diesen
Verhältnissen liegt eigentlich der Schlüssel für die Lösung vieler der am meisten verwickelten Punkte der Binde-
gewebsfrage, ja man hat hier den Prototypus der Balken- und Häutchenbildung des Bindegewebes, und diese letztere
ist viel allgemeiner als man angenommen hat.
Nach demselben Plan ist auch die äussere Begrenzungshaut, die eigentliche Arachnoidea, gebaut. Sie be-
steht aus Balkennetzen, gewöhnlich in mehreren Schichten, welche sich reichlich, mit netzförmiger Anordnung der
Balken, verbinden. Die Lücken werden von Häutchenzellen mehr oder weniger ausgefüllt. Die innersten Schichten
sind nach Art eines durchbrochenen einfachen Häutchens gebildet. Im Boden ihrer Lücken findet man eine tiefere
Schicht mit ihren Häutchenzellen. An der äusseren Fläche ist die Arachnoidea von einer zusammenhängenden Lage
solcher Zellen überzogen. Bisweilen ist die ganze Membran nur von einem Paar Balkenschichten mit ihren doppelten
Zellenhäutchen gebildet. Die Subarachnoidalbalken gehen direct in die Arachnoidea über und breiten sich darin
aus, diese Membran dadurch stellenweise verstärkend, während ihre Scheiden in die Zellenhäutchen selbst übergehen.
In den Subarachnoidalräumen sind Nerven und Gefässe aufgehängt oder an der Innenseite der Arachnoidea und der
Oberfläche der Pia durch mehr oder weniger durchbrochene, bisweilen wirklichen Spinnennetzen ähnelnde Häutchen
angeheftet. Oft sieht man in den Balken elastische Fasern in der Scheide verlaufen. Blutgefässe gehen in langer
Strecke in den Balken eingeschlossen, gewöhnlich dicht umschlossen von einem fibrillären Bindegewebshäutchen,
und dies ist auswendig von einem, mit dem Silberreagenz eine schöne Zellenzeichnung gebenden Zellenhäutchen
umgeben; hie und da setzen sich an diese frei im serösen Raume laufenden Blutgefässe Bindegewebsbalken an,
welche das Gefäss an den umgebenden Theilen befestigen. Hie und da findet man auch Nervenfasern in kürzerer
oder längerer Strecke ihren Weg durch die Subarachnoidalbalken nehmen. Rings um die Pia spinalis finden sich
ausser den frei in den Subarachnoidalräumen verlaufenden und an ihr sich ansetzenden Häutchen und Balken noch
andere umspinnende Membranen und Balkennetze, in welchen die gröberen Gefässe angeheftet liegen. Von allen
diesen Bildungen laufen dann zahlreiche Balken in die Pia hinein, und die Grenze ist oft schwer zu bestimmen.
Doch markiren sich, als die Pia selbst ausmachend, mehr oder weniger deutlich zwei Lagen, von welchen die innere
bei verschiedenen Thieren sich ziemlich gleich bleibt, während die äussere sehr an Mächtigkeit wechselt. Die äussere
wird von longitudinal und ziemlich parallel verlaufenden, mehr oder weniger groben, fibrillären Bindegewebsbündeln
und dünnen fibrillären Häutchen gebildet. Sie ist von einem äusserst dünnen, schwach körnigen durch Silberbe-
handlung eine schöne Endothelzeichnung zeigenden, kernführenden Zellenhäutchen überzogen, welches den aus der
Arachnoidea und dem Subarachnoidalgewebe geschilderten ähnlich ist. In inniger Verbindung mit dem Zellen-
häutchen, an ihrer unteren Fläche, findet man hier ein sehr interessantes elastisches Fasernetz. Ausser den genannten
Balken und Häutchen geht in die äussere Pialage auch das Ligamentum denticulatum über. Dies ist durch und
durch cribrirt und aus gröberen und feineren, in mehreren Schichten liegenden Bindegewebsbalken gebildet, welche
von Zellenscheiden umgeben sind, die sich hie und da zu Membranen in den Lücken zwischen den Bündeln aus-
spannen. Einerseits gehen die Bündel am Rückenmark in die äussere longitudinale Pialage, sich darin ausbreitend,
über, andererseits sammeln sie sich am freien Rande zu dem gröberen Randstrang, von welchem die von Balken
gebauten Zacken auslaufen, eine räumliche trichterförmige Hülle von der Arachnoidea erhaltend und direct in die
Bindegewebsbündel und Lamellen der Dura übergehend.
Die innere Lage der Pia, die von uns sog. Intimapise, ist eine sehr dünne, feste und gut begrenzte Haut,
die sich vom Rückenmark sehr leicht ablöst und aus drei Schichten zusammengesetzt ist. Die äusserste derselben
ist ein Zellenhäutchen mit einem mehr elastischen, im Allgemeinen longitudinalen, äusserst feinen Fasernetze; nach
Wegfallen der Zellen bleibt hier ein äusserst dünnes, fast homogenes Häutchen mit einem elastischen Netz zurück.
Unter diesem Häutchen findet sich eine Mittelschicht mit steifen, stark glänzenden, hauptsächlich circulären, in der
Regel einander rautenförmig kreuzenden Fasern. An ihrer Innenseite werden wieder diese Fasern von einem äusserst
dünnen, nach 'dem Rückenmark hin abschliessenden Zellenhäutchen bekleidet, welches ebenfalls mit einem feinen
elastischen Netz, nach der circulären Schicht zu, versehen ist.
Diese Intima piee ist mit dem Rückenmark durch eine dünne Flächenschicht von Neuroglia lose vereinigt,
aber doch so innig, dass kein freier Zwischenraum (His, Epispinalraum) hier vorhanden ist. Die Neuroglia befestigt
sich, ohne Modification ihres Gewebes zu erleiden, an der gegen sie übrigens scharf und gut als Haut begrenzten 49
Intima pias, und die steifen Fasern ihrer Mittelschicht treten keineswegs in die Neuroglia hinein. Mit den ins Rücken-
mark eintretenden Gefässen senken sich wie am Gehirn trichterförmige, oft steife Fasern ans der Mittelschicht ent-
haltende Fortsetzungen der Intima pias hinein und gehen in die die Gefässe mehr oder weniger lose umgebende
Adventitialscheide über. In die Fissuren des Rückenmarks senkt sich nicht nur die Intima piee, sondern auch
Balken und Häutchen vom äusseren longitudinalen Piastratum, welche also hier den mittleren Theil bilden und
die Blutgefässe zwischen sich enthalten.
Bei Injectionen in die Subarachnoidalräume des Rückenmarks füllen sich zuerst diese, sowie die des Gehirns,
dann dringt die Masse auch in die äussere, longitudinale Pialage, zwischen ihre von Häutchenzellen überzogenen
Balken und Häutchen. Die Intimapise bildet allein überall eine Barriere zwischen der Masse und dem Rückenmark,
in die Fissuren geht die Masse auch auf ganz dieselbe Weise in die eindringenden Piaverlängerungen ein, aber die
Intima trennt sie auch hier an den Seiten von dem Rückenmark ab. Durch die geschilderten Piatrichter rinnt die
Flüssigkeit in die Gefässscheiden und läuft mit ihnen in das Rückenmark fort. Nie geht die Masse bei diesen In-
jectionen zwischen die Intimapise und das Rückenmark oder zwischen den Gefässscheiden und dem Rückenmark
hinaus. Ein Epispinalraum im Sinne von His ist nicht vorhanden; ebensowenig andere perivasculäre Räume als
die von der Adventitia gebildeten, lieber das nähere Verhalten der Arachnoidea zu den austretenden Nerven wird
bei der Beschreibung des peripherischen Nervensystems berichtet. Hier soll nur hervorgehoben werden, dass wir
dieselbe sowie auch ein den subarachnoidalen Häutchen und Balken ganz ähnliches Gewebe bis in die spinalen
Ganglien verfolgt haben, ungefähr wie am Opticus. Hiermit stimmen auch die Injectionen überein.
Quincke *) injicirte bei lebenden Hunden eine Zinnoberemulsion in geringer Quantität (etwa 1 C.c.) in die Sub-
arachnoidal- und Arachnoidalräume des Rückenmarks und Gehirns. Nach dem Tode des Thieres, der zwischen
einem oder einigen Tagen bis Wochen oder Monate eintraf, suchte er durch die da vorhandene Verbreitung des Zin-
nobers die Communication, die Abflusswege und die Richtung des normalen Flüssigkeitsstromes kennen zu lernen.
Am Gehirn wird die Arachnoidea durch eine capillare Flüssigkeitsschicht von der Dura getrennt; am Rückenmark liegt
sie derselben so dicht an, dass die Injection eigentlich nur in den Subarachnoidalraum gelingt. Von diesem Raum
aus war in den meisten Fällen der Zinnober bis zur Schädelhöhle vorgedrungen und hatte sich vorzugsweise an der
Basis des Gehirns angehäuft. Ausserdem wurde er an sämmtlichen Hirn- und Rückenmarksnerven, soweit dieselben
in der Cerebrospinalhöhle verliefen, gefunden. In einer Anzahl von Fällen drang der Zinnober aber noch über den
Bereich der Cerebrospinalhöhle hinaus. So erschien er in etwa der Hälfte der Versuche an den Intercostalnerven
bis zum Abgang der Rami communicantes zum Sympathicus oder selbst noch einige Millimeter darüber hinaus.
An den Lumbarnerven war er in mehreren Fällen bis in den Bereich des Plexus lumbalis zwischen den Ursprüngen
des Psoas, sowie bis zum Plexus ischiadicus jenseits seines Eintritts in die Beckenhöhle zu verfolgen. Von den
Hirnnerven war der Olfactorius nicht über die Siebplatte hinaus von Zinnober begleitet; anders verhielt sich der
Opticus, welcher constant in seiner Scheide Zinnober führte, und wo derselbe dicht vor seinem Eintritt in den Bulbus
angehäuft war. Das Ganglion des Trigeminus befand sich auch meist zinnobergefärbt. Bis über die Knochencanäle
hinaus konnte an den Hirnnerven (mit Ausnahme des Opticus) niemals Zinnober nachgewiesen werden. Im Labyrinth
fand er sich einmal (unter fünf untersuchten), und zwar in der Scala tympani der Schnecke. In der Mehrzahl der
Fälle wurde der Farbstoff in der Arachnoidalscheide der Carotis an ihrer Austrittstelle aus dem Sinus cavernosus
gefunden, sowie in der Rindensubstanz des hinteren oberen Theils der grossen cervicalen, einigemal auch in den sub-
maxillaren Lymphdrüsen. Die Dura mater war an ihrer Innenfläche stets frei von Zinnober; nie fand er sich in dem
von Böhm beschriebenen Gefässnetz, wohl aber an bestimmten Stellen längs der venösen Sinus in den Pacchionischen
Granulationen; aus ihnen war er nie in die Venen ausgedrungen. Die Plexus chorioidei waren in der Mehrzahl
der Fälle frei von Farbstoff; in zwei Fällen enthielten die Epithelien aller vier Plexus den Farbstoff. In einem
Falle lag in der Höhle des vierten Ventrikels ein aus zinnoberhaltigen Lymphkörperchen bestehendes Gerinnsel.
Der Zinnober befand sich theils frei, theils in Lymphkörperchen aufgenomraen. In der zweiten Reihe von Versuchen
wurde die Zinnoberemulsion in die Schädelhöhle gespritzt, und zwar sowohl in den Subarachnoidal- wie in den
Arachnoidalraum. Nach wenigen Tagen verschwindet der Zinnober aus dem letzteren »grösstentheils, findet sich aber
in den Subarachnoidalräumen und der Pia des Gehirns, gerade wie nach directer Einspritzung in diesen Raum»,
ln der ‘Mehrzahl der Fälle dringt er in die Rückgratshöhle herab.
B Archiv f. Anatomie, Physiologie u. wissensch. Medicin. Jahrg. 1872.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 50
Aus diesen Versuchen schliesst Quincke I. Ein Zusammenhang existirt zwischen den Subarachnoidalräumen
des Hirns und Rückenmarks. 2. In der Subarachnoidalflüssigkeit findet während des Lebens eine Strömung sowohl
von hinten nach vorn, wie in umgekehrter Richtung statt. Der aufsteigende Strom vom Rückenmark zum Gehirn
scheint im Allgemeinen stärker zu sein als der absteigende. 3. Zwischen dem Arachnoidalraum und den Sub-
arachnoidalräumen müssen in der Arachnoidea Communications-Oeffnungen vorhanden sein. Der Flüssigkeitsstrom
ist im Leben vorwiegend von dem ersteren nach den letzteren gerichtet. 4, Die Abflusswege der Cerebrospinal-
flüssigkeit sind die abgehenden Nervenscheiden und die cervicalen Lyrnphdrüsen. Die Pacchionischen Granu-
lationen können als Filtrationsapparate dienen, welche Flüssigkeit wohl durchlassen mögen, feste Theilchen aber
zurückhalten.
Die beständige Bewegung der Flüssigkeit muss die Ausbreitung pathologischer Producte, z. B. bei eitriger
Meningitis, begünstigen. Quincke erhielt am Opticus nie Bilder, welche unserer Beschreibung eines Subdural- und eines
Subarachnoidalraums entsprachen, so dass er unentschieden lässt, ob der Arachnoidalraum (Subduralraum) des Gehirns
eine Fortsetzung nach dem Opticus hin entsendet oder dessen Communication dahin nur durch die Subarachnoidal-
räume vermittelt wird. In der Substanz der äusseren Sehnervenscheide fand er oft Zellen mit Zinnoberkörnchen.
In die Ventrikel hinein kann der Flüssigkeitsstrom dem negativen Befunde der Injectionen zufolge nicht
stattfinden, ebensowenig ein abwechselndes Aus- und Einströmen, Wenn aber Zinnoberemulsion direct in die Seiten-
ventrikel lebender Hunde gebracht wurde, gelangte sie in die Subarachnoidalräume hinaus. Offenbar müssen des-
wegen offene Abflusswege hier existiren. Beim Hunde konnte Quincke eine preeexistirende, gut begrenzte Oeffhung
in der Tela chorioidea posterior nicht finden; die Verbindungswege dürften aber in den Zwischenräumen der Binde-
gewebszüge der Pia zu suchen sein. Daraus dass die Anordnung der Bindegewebsbttndel bei verschiedenen Speeles
und Individuen variirt, dürfte sich die Verschiedenheit in den Angaben der Autoren erklären lassen. Es scheint
ein natürlicher Flüssigkeitsstrom von den Seitenventrikeln aus durch den dritten Ventrikel und den Aquaeductus Sylvii
in den vierten Ventrikel und weiter in das Subarachnoidalgewebe stattzufinden, nicht aber in entgegengesetzter Richtung.
Das Magendie’sche Loch ist auch nichts anderes als eine variable, manchmal nicht darstellbare Bindegewebslücke.
Auch in der Umgebung der V. magna Galeni, wo das Subarachnoidalgewebe lockrer ist, scheint der Ventrikel mit den
Subarachnoidalräumen zu communiciren (nicht zu verwechseln mit dem artificiell entstandenen sog. Bichat’schen Loch).
Wolfring1) fand bei Injectionen vom Arachnoidalraum (Subduralraum) des Gehirns von Kinderleichen aus wohl
ein Eindringen der Masse »zwischen beiden Sehnervenscheiden», nicht aber bis in die innere Scheide und zwischen
die Bündel des Sehnerven. Bei directer Injection zwischen die beiden Scheiden füllte sich der Zwischenraum schnell an.
Wolfring umwickelte den Sehnerven mit dichten Faserwindungen, um die grosse Anschwellung der äusseren Scheide
zu verhindern. Bei nachheriger Injection drang die Masse in die Substanz der Sclera selbst ein und füllte in der-
selben eine Art von Gefässring um die Siebplatte herum, von dem aus kleine Stämrnchen stellenweise gegen den
Nerven sich zu wenden schienen. Bei Ein stichin jection in die Nervensubstanz wurden nur negative Resultate erhalten.
Dagegen gelang es Wolfring bei Einstich unmittelbar unter der Oberfläche der inneren Nervenscheide, ein deutliches
Netz bestimmt begrenzter Canäle um die Nervenbündel herum und noch ein anderes damit anastomosirendes, nur
mehr dichtes Netz in der Siebplatte zu injiciren. Ihre Verbreitung im Nerven entspricht ganz der des Bindegewebes
und somit auch der der Blutgefässe. Ein gleiches, ziemlich regelmässiges Netz existirt auch an der inneren Fläche
der inneren Sehnervenscheide. Dies communicirt einerseits mit den obigen Netzen, andererseits sammelt es sich in
grössere, nach aussen von der Scheide sich öffnende Stämme. In der Siebplatte existiren nur solche Theile des
Bindegewebes, welche dem Perineurium des Sehnerven und den darin sich verzweigenden Blutgefässen angehören.
Nach Michel 2) steht, wie seine Injectionsversuche erweisen, am Opticus der »subvaginale» Raum (Schwalbes)
mit dem »supravaginalen» Raume durch spaltförmige Lücken in der äusseren Opticusscheide in Communication, durch
die gleichen Lücken in der Sclera mit dem Perichorioidalraum. Letzterer steht durch die perivasculären Räume um
die Vense vorticosee mit dem Tenonschen Raume in Verbindung. Die Spalten der äusseren Opticusscheide und Sclera
sind mit Endothelplatten ausgekleidet und mögen als Bahnen zu betrachten sein, welche der Bewegung der Lymphe
zu Gebote stehen. Beim Menschen wurden die Injectionen so gemacht, dass die Canüle in den Raum zwischen
äusserer und innerer Opticusscheide eingeführt wurde. Der Perichorioidalraum wurde dabei nicht in toto, sondern
nur stellenweise injicirt. Die Färbung der Injectionsflüssigkeit schien nur von einer, sei es der äusseren, inneren,
1) Archiv f. Ophthalm. Jahrg. 18. Abth. 11. 1872. 2) Archiv f. Ophthalm. Jahrg. 18. Abth. I. 1872. 51
oberen oder unteren Seite des Opticus auszugehen, nach der Peripherie des Auges sich allmählig verbreiternd und
an Intensität abnehmend. Die Abstufungen in der Weite und Ausdehnung des subvaginalen Raumes sind sehr
mannigfaltig. Bald ist er auf der einen Seite des Auges mehr verbreitert als auf der anderen. Bald biegt die äussere
Opticusscheide schon um, ehe sie zur Höhe der Ebene der Sclera gelangt ist, bald geht sie bis ungefähr zur Mitte
der Ebene desselben und verbindet sich erst dann mit der Sclera. Bei Thieren bildet das obere Ende des sub-
vaginalen Raumes eine ganz schmale Längsspalte, die nach oben vor der Mitte der Dicke der Sclera aufhört. Hier
und da tritt eine Injection der Lamina cribrosa, aber immer secundär und nur selten ein. Die äussere Opticus-
scheide ist aus fest verwebten Bindegewebsfibrillenbündeln zusammengesetzt, welche zwei verschiedene Lagen bilden-
die innere besteht aus concentrisch, die äussere aus gerade von hinten nach vorn verlaufenden Bündeln. Die con-
centrische Lage hört allmählig nach dem Bulbus zu auf, und dann lässt sich die äussere in zwei, drei und endlich
vier Blätter spalten. Die Bindegewebsbündel sind platt, von wechselnder Breite und mit platten Zellen besetzt
Ob eine solche Zellenplatte die Fibrillenbündel allseitig umgiebt, konnte Michel nicht entscheiden. Es sind diese
Zellen, welche die Lücken der Scheide auskleiden, aber immer nur auf einer Seite. Die Sclera besteht aus wahrem
Bindegewebe, dessen Bündel gerade gestreckt, innig verbunden und zu grösseren platten Bändern vereinigt sind
welche der Länge und Quere nach verlaufen. Platte Zellen von derselben Beschaffenheit wie in der äusseren Opticus
scheide haften ihnen an, und begrenzen injicirbare Spalten und Lücken, die aber in der Sclera weiter erscheinen
Bei Einstichinjection schiessen längliche, nach allen Richtungen divergirende Figuren aus.
Bei den Injectionen vom Subduralraum des Gehirns aus erhielt auch Michel Füllung der Lymphgefässe und
tiefen Lymphdrüsen des Halses, der Lymphgefässe der Geruchschleimhaut, des Labyrinthes. Es schien ihm sogar
ein Wechselverhältniss zu bestehen, in der Weise dass eine sehr pralle Füllung der einen Wege die andern nicht
injicirt erwarten lässt. So findet man nach Michel beispielsweise die Lymphgefässe der Geruchschleimhaut in be-
vorzugter Weise prall gefüllt, die tiefen Cervicaldrüsen vollständig von jeglicher Färbung frei, und umgekehrt
Michel1) beschreibt ferner die Blutbahnen der Dura, besonders beim Hunde. Die Arterien verlaufen an der
Aussenfläche, dichotomisch sich theilend und von je zwei reichlich verästelten und sinusartige Ausbuchtungen zeigenden
Venenstämmen begleitet. Die ziemlich spärliche Capillarendvertheilung findet sich grösstentheils auf der Aussenfläche
weit geringer im Gewebe der Dura selbst. Aber auch an der Innenfläche der Dura findet sich ein äusserst unres-el-
<ü!)
raässiges Capillarnetz, bald mit lymphgefässähnlichen, knotigen Anschwellungen, bald mit zierlich geschlängelten
vielfach communicirenden Verzweigungen versehen. Dies letztere Netz stellt mit den Venen der Aussenfläche in
Verbindung. Auch bei der prallsten Injection desselben findet sich nie eine Spur der Injectionsmasse im Subdural-
raum. Bei den Versuchen, die Böhin sehen Befunde zu controlliren, erhielt Michel bei unverletzter Dura nie eine
Spur von Milch oder Berlinerblau in den Venen der Dura noch an ihrer Aussenfläche. Der Subduralraum commu-
nicirt also nicht mit Gelassen der Dura, speciell nicht mit dem Blutgefässnetz an der Innenfläche. Ein durch die
ganze Dicke der Dura aus mit einander communicirenden Spalten bestehendes System steht dagegen mit benannten
Raume in Verbindung, sowie mit einer Anzahl grösserer und kleinerer Räume zwischen Dura und Knochen (die »epi-
duralen» Räume, Michel). Sowohl an der Aussen- als an der Innenfläche der Dura existirt ein Endothelhäutchen
das im ersten Falle die innere Begrenzung der epiduralen Räume, im zweiten als einfache Lage die äussere des
Subduralraumes bildet; die Spalten selbst sind mit Endothel ausgekleidet. Das Spalten System dient wahrscheinlich
zum Durchtritt der Lymphe, die seine Strömung besonders von Aussen nach Innen hat. Bei Injection zwischen Dura
und Knochen füllt sich dieses Spaltensystem, und die Flüssigkeit tritt auf der Innenfläche der Dura durch längliche
spaltähnliche Oeffnungen aus. Das Duragewebe besteht aus zwei etwa gleich dicken, sich kreuzenden Lagen von
vielfach durchflochtenen Bindegewebsfibrillenbündeln (die äussere Lage hat auf jeder Seite der Convexität eine
Richtung von vorn aussen nach hinten innen, die innere dagegen eine entgegengesetzte). Michel konnte nicht eine
Injection der Duralgefässe mittelst der Pacchionischen Granulationen vom Subduralraum aus erhalten, hat aber dies
nicht beim Menschen untersuchen können.
Die Existenz der His’schen perivasculären und epicerebralen Räume wird, wie von uns, später auch von Boll2N|
bestritten. Die adventitieilen Lymphscheiden der Hirngefässe und ihren trichterförmigen Ursprung aus der Pia beschreibt
er etwa in derselben Weise wie wir (s. o. S. 41, 42, 1870). Er weicht aber von uns darin ab, dass er die Aussenseite
der Adventitia der Gefässe als durch die von ihm sog. Deiters’schen Zellen verschiedener Form stets bedeckt und
l) Arbeiten aus der physiol. Anstalt zu Leipzig. 7:ter Jahrg. (1872). Leipzig 1873. 2) Archiv f. Psychiatrie und Xerven-
krankheiten. Bd IV. Berlin 1873. 52
mehr oder minder vollständig überzogen beschreibt, »durch deren Fortsätze das characteristisch rauhe Aussehen der wie
mit Zotten bedeckten Oberfläche der Gefässe einzig und allein bedingt wird». Unter den verschiedenen Formen dieser
Zellen findet sich sehr häufig die von 801 l als »Pinselzellen» bezeichneten. Der Gefässwand ansitzend »ist der 'Pinsel7
flächenförmig ausgebreitet (ganz analog, wie M. Schultze die Verbreiterung der Müllersehen Fasern der Retina an
der Membrana limitans interna schildert) und bedeckt mit seiner so verbreiterten Basis die Aussenwand des Ge-
lasses; der ’StieF der Pinselzelle ragt frei nach aussen und erscheint so als zottenartige Hervorragung. Neben
dieser als der häufigsten Form kommen jedoch noch zahllose andere Verhältnisse und Formen vor, die stets das
i v
Gemeinsame haben, dass irgend welche Fortsätze irgend einer dem Formenkreise der Deiters7schen Zellen angehörigen
und aussen dem Gefässstämmchen gleichsam angeklebten Zelle als derartige Rauhigkeiten und zottenartige Hervor-
ragungen imponiren». Bei der durch Erhärtung eintretenden Schrumpfung und Retraction der Gehirnsubstanz werden
die so entstandenen perivasculären Räume von dabei aus der moleculären Masse des Gehirnparenchyms heraus-
gezogenen, am Gefäss befestigten Deiters’schen Zellen wie von einzelnen Querbalken durchzogen. Am Kleinhirn,
wo kein »epicerebellarer» Raum vorhanden ist, Avird die sog. Grenzmembran der Pia gegen die Hirnrinde ebenso einzig
und allein aus Deiters7schen Zellen, und zwar Pinselzellen, zusammengesetzt; dies geschieht in der Weise, »dass die
Tinsef flachgedrückt alle in einer Ebene liegen und ein feinstes Fasergewirr darstellen, derart, dass stets von
einem Centrum die feinen Fibrillen einer Deiters7schen Zelle allseitig ausstrahlen und sich allseitig mit den von den
benachbarten Zellen ausgehenden Fibrillen verwirren und verfilzen. Da diese ganze so verwickelte anatomische
Anordnung in einer Ebene stattfindet, so wird auf Durchschnitten diese Membran nur als eine einfache doppelt-
contourirte, glänzende und feinstreifige dünne Schicht erscheinen». »Die Pia mater liegt in den meisten Fällen un-
mittelbar dem Contour der Grenzmembran an, ohne dass sich jedoch eine Continuität beider nachweisen liess».
Von der Grenzmembran dringen mit dreieckiger Anschwellung und in regelmässiger Weise die als Fasern erscheinenden
Stiele der ’Pinselzellen genau senkrecht in die Substanz der Cerebellumrinde hinein. Die dreieckige Anschwellung,
mit der diese Fasern sich zu inseriren scheinen, entspricht dem Körper oder dem Centrum der Deiters7schen Zelle.
Dieser Structurprincip gilt aber zum grossen Theil auch für Cerebrum und Rückenmark. Die äusserste, die
Oberfläche der Centralorgane unmittelbar begrenzende Schicht erscheint überall einzig und allein aus Deiters’schen
Zellen zusammengesetzt. »Der Abschluss der Rinden gegen die Pia kommt nun im Allgemeinen dadurch zu Stande,
dass die Zellen mit ihren Körpern sich dicht Zusammenlegen und so ein continuirliches Stratum auf der Oberfläche
der Rinden bilden. Dasselbe scheint gegen die Pia mater in den meisten Fällen ganz glatt abgeschlossen, indem
die Deiters7schen Zellen mit einer gewissen Regelmässigkeit keinen einzigen Fortsatz nach aussen hin, sondern alle
nach der Richtung der Hirnrinde schicken. Es bilden mithin die Körper der Deiters'schen Zellen eine äusserst dünne
epithelartig angeordnete Lage auf der freien Fläche der Centralorgane». Ferner äussert 801 l mit Hinsicht der regel-
mässigen Anordnung der in die Kleinhirnrinde eindringenden Fasern d. h. Stiele der Pinselzellen »dass mitunter an
einzelnen Abschnitten der Grosshirnrinde oder des Rückenmarks ein annäherndes oder ziemlich genau übereinstim-
mendes Verhältniss sich herstellt, »vie im Cerebellum, d. h. Dass sich hier nicht selten eine ganz analoge regelmässige
Anordnung pinselförmiger Zellen findet».
Betreffs der »Lymphgefässe der Pia» sagt Boll: »Ich muss mit Schwalbe behaupten, dass von den sub-
arachnoidalen Räumen aus eine Füllung der Lymphgefässe der Pia niemals gelingt, und dass daher der von Golgi
für die Injectionsmasse supponirte Umweg durch die subarachnoidalen Räume als eine normale Communication nicht
anzusehen ist».
Die Auffassung Leydens1) von der Arachnoidea spinalis geht in dieselbe Richtung »vie die Virchow'sche,
sie ist aber noch mehr precisirt. »Im strengsten Sinne lässt sich», sagt er, »eine besondere Haut zwischen Dura und Pia
Avohl nicht isoliren. Indessen wird von Kölliker und auch von Henle in gewissem Sinne eine Arachnoidea zugelassen.
Ihr äusseres (periostales2) Blatt besteht freilich nur aus einer Epithellage, welche der Innenfläche der Dura unmittelbar
anliegt, gelegentlich wohl an kleinen Strecken sich als gesondertes dünnes Häutchen abheben lässt. Das Innenblatt
der Arachnoidea liegt der Pia genau an und geht in dieselbe über. Zwischen den beiden Blättern sind eine grosse
Anzahl feiner, lockerer Bindegewebszüge ausgespannt, welche die Spinalflüssigkeit durchsetzen, besonders zur Scheide
der Neiwenwurzeln beitragen, so dass Henle die Arachnoidea als ein wassersüchtiges Gewebe bezeichnet, welches
sich nach aussen und innen zu verdichtet und somit unmittelbar an Dura und Pia anlegt».
*) Klinik der Rückenmarkskrankheiteu. Bd I. Berlin 1874. 2) Soll wohl »parietales» heissen. 53
»In dem eben beschriebenen, locker-maschigen Bindegewebe zwischen Dura und Pia, dem subarachnoidalen
Bindegewebe der älteren Autoren, befindet sich eine Flüssigkeit (Liquor (cerebro-) spinalis), welche mit einer eben
solchen im Arachnoidal- und Subarachnoidalgewebe des Gehirns befindlichen communicirt und mit ihr zusammen als
Cerebrospinalflüssigkeit oder Cotugno’sche Flüssigkeit bekannt ist». »Sie befindet sich in dem lockeren zwischen
Dura und Pia gelegenen Bindegewebe (Henle), welches man bisher als subarachnoidales Gewebe bezeichnet. Hin-
sichtlich ihrer Communication mit den Hirnventrikeln, so wird dieselbe gegenwärtig ziemlich allgemein als wirklich
bestehend angenommen».
Frey *) schildert die Subarachnoidalräume des Gehirns und Rückenmarks als »mehr oder weniger in Commu-
nication» stehend. »Die beiden Zugänge zum Höhlensysteme des Gehirns, die hintere und vordere Querspalte, werden
durch die vorgespannte Pia mater geschlossen (Telae chorioideae)». Die Pia mater besitzt reichlich entwickelte lym-
phatische Canäle. Unter der Pia mater, sowohl derjenigen des Rückenmarks wie Gehirns, existirt kein Hohlraum.
»Die von His behaupteten ’epispinalen’ und ’epizerebralen Räume sind Kunstproducte. Wir stehen nach eigenen
Erfahrungen nicht im mindesten an, diesen Ausspruch von Key und Retzius für vollkommen richtig zu erklären».
Nach Frey steht auch das perivasculäre Gefässsystem von His »auf schwachen Füssen»; nach eigenen neueren
Beobachtungen war er schon 1870 sehr geneigt sich der Ansicht anzuschliessen, dass es nur ein Artefact sei.
Ebensowenig, äussert er nun, giebt es einen »perivasculären Gefässraum, d. h. eine Lücke zwischen der Adventitial-
haut und der angrenzenden Neuroglia». Die Dura mater ist an Lymphbahnen sehr reich. »Sie laufen theils über
die Blutgefässe weg, theils scheiden sie die letzteren ein. Eine Ausmündung in den Raum zwischen Dura und
Arachnoidea ist sehr wahrscheinlich».
In Betreff der Frage vom Zusammenhang der Hirnventrikel mit den Subarachnoidalräumen
haben wir2) Mittheilungen über unsere Untersuchungen in dieser Richtung gemacht. Das hintere, hinter dem Lig.
denticulatum befindliche Subarachnoidalspatium des Rückenmarks, geht unmittelbar unter schneller Erweiterung in
eine grosse Cisterne an der Basis des Gehirns über. Die Arachnoidea liegt also frei über die Vallecula und, seit-
wärts von derselben, über einen grossen Theil der unteren Fläche der Kleinhirnhemisphären. Spärliche, lange Sub-
arachnoidalbalken laufen zwischen ihr und der Pia der betreff. Gehirntheile. In dieser Ausdehnung befindet sich
hier die grosse Cisterne, die von uns sogenannte Cisterna magna cerebello-medullaris. Nach vorn setzt sie sich bis
zum vorderen Rande des Kleinhirns fort, mit der Grenze dicht nach aussen vom Flocculus. Sie geht weite]’ über
den Flocculus hinweg und breitet sich um die Medulla und den Pons aus. Die Tonsillen befinden sich in ihr, zwischen
ihnen nimmt sie die ganze Vallecula ein, ihr Inhalt bespült den Vermis inferior, die hintere Fläche der Medulla und
die untere Wand des vierten Ventrikels. Der Raum zwischen den Tonsillen, der Medulla und der unteren Wand des
vierten Ventrikels ist von ziemlich zahlreichen feinen, leicht zerspringenden Subarachnoidalbälkchen durchzogen. Es
gelingt doch ohne besondere Schwierigkeit das Gehirn so herauszunehmen, dass dieses Balkenwerk vollständig bei-
behalten wird. Hebt man dann die Medulla vom kleinen Gehirn ein wenig, so kann man ohne weitere Zerreissung
dieses Balkenwerks und ohne etwaige Verletzung der Ventrikelwand einen Blick auf die von Magendie beschriebene
Oeffnung an der Spitze des Calamus Scriptorius und durch dieselbe in den vierten Ventrikel hinein erhalten.
Diese Oeffnung ist im Allgemeinen rundlich, rundlich-oval oder rautenförmig mit abgerundeten Ecken. Sie ist von
wechselnder Grösse, misst im gespannten Zustand gewöhnlich etwa 5 Mm. in der Breite und etwas mehr in der Höhe,
ist aber nicht selten 6 Mm. breit und bis 8 Mm. hoch oder noch mehr. Die beiden seitlichen Ränder derselben bildet
die Tela chorioidea inferior, welche die untere Wand des vierten Ventrikels ausmacht, hier aber am Calamus die
fragliche Oeffnung frei lässt. Von diesen Seitenrändern läuft entweder ein feines Gebräme über den Rand der Calamus-
spitze (zum Obex) hinab, oder auch geht die Tela chorioidea von der Medulla erst in einiger Entfernung vom Obex aus,
wobei die Begrenzung der Oeffnung eine kleine Strecke von den Rändern der Fasciculi graciles gebildet wird. Den
oberen Rand der Oeffnung bildet auch die Tela chorioidea, aber in eigentümlicher Weise. Von ihr biegt sich nämlich
ein triangulärer, spitzig ausgezogener Zipfel, oder wie man auch sagen kann eine zungenförmige Verlängerung,
welche anfangs gewöhnlich etwas concav, d. h. rinnenförmig ist, später immer mehr sich abflacht, indem sie in der
Breite sich verschmälert und an der unteren Fläche des Vermis inferior am Boden der Vallecula sich anlegt. Diese
zungenförmige Verlängerung befestigt sich hauptsächlich an der Uvula, geht aber nicht selten mehr oder weniger
*) Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. 2 Hälfte. Leipzig 1874. ') Axel Key och Gustaf Retzius:
Nord. Med. Arkiv. Bd VI. N:r 5. 1874.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems, 54
weit an der Pyramis inferior fort. Sie ist mit der Pia des Vermis innig verwachsen, recht oft aber bilden ihre Ränder
freie Gebräme, welche durch feine, nach die Tonsillen verlaufende Bälkchen nach den Seiten hin ausgespannt sind.
Bisweilen breitet sich diese Bildung seitlich mehr aus, so dass das Häutchen sogar etwas auf die inneren Flächen
der Tonsillen steigen kann. Auf dieser zungenförmigen Verlängerung der Tela chorioidea beginnen die Plexus
chorioidei ventriculi quarti, ein auf jeder Seite und 1 oder ein Paar Mm. von einander entfernt. Sie nehmen allmählig
an Breite zu und gehen durch das Foramen Magendii am oberen hinteren Rand desselben in den vierten Ventrikel
hinein. Sie schiessen also ein wenig in das Lumen der Oeffnung aus. Sonst sind die Seitenränder derselben ge-
wöhnlich scharf und eben. Von der nächsten Umgebung der Oeffnung gehen oft Balken nach den Tonsillen zu aus;
sie tragen dazu bei, dieselbe offen zu halten. Der Rand selbst ist auch oft durch Balkenzüge verstärkt. Oft liegen
die Arteriee cerebelli posteriores an den Rändern der Oeffnung, mehr oder weniger über diese hinausschiessend.
Sie sind dann duich ein Balkenwerk an den Rändern befestigt.
Den directen Beweis für die Existenz des Foramen Magendii bildeten für uns indessen die Injectionen. Diese
wurden mit erstarrenden Flüssigkeiten (Leim, Paraffin) sowohl von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks als
von den Ventrikeln aus gemacht. Die Injectionsmasse wurde in ununterbrochenem Zusammenhang von der Cisterna
magna aus durch das Foramen Magendii in den vierten Ventrikel sich fortsetzend gefunden, und dies in allen Stufen
des Eindringens; bisweilen schieb sie sich nur als ein langer Propfen durch das Foramen in den Ventrikel hinein.
In derselben Weise geschah es bei Injection von den lateralen Ventrikeln aus.- Dabei füllte sich schnell das Sub-
arachnoidalgewebe der grossen Hemisphären. Bei der Untersuchung befand sich, dass auch auf diesem Weg die er-
starrte Masse durch den Aqumductus Sylvii, den vierten Ventrikel und durch das Foramen Magendii in die Sub-
arachnoidalräume ausgetreten war. Auch bei solchen Injectionen war keine Flüssigkeit in den Subduralraum aus-
gedrungen. Nur ein Mal fanden wir das Foramen Magendii durch eine dünne Haut geschlossen; diese Haut schien
eine unmittelbare Fortsetzung der Tela chorioidea zu sein.
Ausser dem Foramen Magendii giebt es aber constant zwei seitliche Oeffnungen am vierten Ventrikel.
Diese, bisher nur von Luschka erwähnt, von Reichert aber verneint, gehen von den lateralen Recessen des Ventrikels
aus und münden jederseits hinter den Wurzeln des Nervus glossopharyngeus und vagus, durch welche sie scheinbar
bedeckt sind. Um zu verstehen, wie diese Oeffnungen gebildet werden, haben wir die feineren anatomischen Ver-
hältnisse, besonders der hinteren und seitlichen Begrenzung des Ventrikels, näher untersucht. Hier mag indessen
nur erwähnt sein, dass nach vorn die seitlichen Recesse nicht vollständig abgeschlossen werden, sondern dass die
Wand jederseits mit einem etwas verschieden gestalteten, gewöhnlich aber halbmond- oder sensenförmigen Rande
aufhört, der nach innen vom Flocculus ein wenig am Acusticus hinauf steigt und von hier ab bogenförmig und frei
nach dem hinteren und äusseren Rande des Flocculus hinüber verläuft; zwischen dem Flocculus und diesem Rande
ensteht also jederseits eine halbmondförmige Oeffnung, durch welche der laterale Recess in die Subarachnoidalräume
ausmündet. Die Oeffnung wird nach aussen etwas durch den Plexus chorioideus verdrängt, welcher aus dem Inneren
des Recesses in den Subarachnoidalraum hinaus tritt. Der bogenförmige Rand der unteren Wand kann auf den
Plexus am Flocculus ziemlich dicht anliegen, nie aber sahen wir ihn mit dem Plexus verwachsen, nie fanden wir
eine Membran, die vom Rande der Wand sich über das Ende des Plexus ausspannte und an der Umgebung sich
befestigte. Von den beiden hinübertretenden Nerven gehen Subarachnoidalbalken zum Velum medulläre und den
übrigen Umgebungen hinaus; sie bilden aber keine, die Oeffnung schliessende Wandung, Dass die Oeffnungen unter
normalen Verhältnissen vorhanden sind, erweisen in entscheidender Weise die Injectionen mit erstarrenden Flüssig-
keiten, mögen sie nun von den Subarachnoidalräumen oder von den Ventrikeln aus gemacht werden.
Waldeyer *), welcher hauptsächlich die Angaben von Schwalbe sowie auch die von Micher über die Lymph-
bahnen des Auges und des Söhnerven bestätigt, hat indessen die Arachnoidea optici nicht gesehen und scheint
unsere beiden Scheidenräume nicht richtig aufgefasst zu haben. Er sagt: »Die neuesten Untersuchungen von Axel
Key und G. Retzhjs, ferner von H. Schmidt, Michel und Wolfring haben uns noch einen dritten Lymphraum innerhalb
der Opticusscheide, neben dem supra- und subvaginalen Raume kennen gelehrt, den ich als perineuralen Lymph-
raum bezeichnen will. Derselbe liegt zwischen dem inneren Blatte der Vagina nervi optici und dem Nervus opticus
selbst. Nach den Angaben von Axel Key und Retzhjs communicirt er nicht mit dem subduralen, sondern mit
dem subarachnoidalen Raume der Schädelhöhle». An einer anderen Stelle äussert er; »An der Scheide des Opticus
J) Handbuch der gesummten Augenheilkunde redigirt von Alfred Griffe und Bremisch. Bd 1. Th. 1. Leipzig. 1874. 55
kann man von aussen nach innen zählend drei, bez. vier Lagen unterscheiden: 1. die äussere derbe Scheide,
2. den intervaginalen Lymphraum mit seinem eigentümlichen Balkennetze (subvaginaler Raum Schwalbe), 3. die
innere Opticusscheide, welche aber wieder in 2 verschiedene Schichten sich zerlegen lässt». Betreffs der Endothel-
scheiden der Balken im »intervaginalen Lymphraum» sagt er, dass sie keineswegs überall ganz continuirlich sind.
Die Sclera anlangend, hat Waldeyer vom Perichorioidalraum aus »bei lange fortgesetzten Injectionen unter hohem
Druck» die Saftcanälchen dieser Haut gefüllt. »Hat der Druck bei der Einstichinjection eine gewisse Höhe erreicht,
so sieht man vielfach kleine gefärbte Pünctchen auf der äusseren Oberfläche der Sclera erscheinen». Die Saftlücken
öffnen sich »in beide grossen Lymphbehälter, in den Perichorioidalraum und in den Tenon’schen Raum».
In seiner letzten Arbeit über den Bau des Sehnerven nimmt Schwalbe1) die Namen Dural- und Arachnoidal-
scheide des Opticus auf; er nennt ferner die innerste, den Nerven bekleidende Haut, als Fortsetzung der Pia, die
Pialscheide des Opticus. Die Räume zwischen ihnen erkennt er auch als Subdural- und Subarachnoidalraum dieses
Nerven. In der Nähe des Bulbus findet sich constant eine festere Verlöthung der Subdural- und Subarachnoidalscheide,
so dass hier stets nur ein den Subarachnoidalräumen entsprechendes Lückensystem existirt. Es bestehen indessen nach
ihm Verschiedenheiten bei verschiedenen Thierspecies. Beim Mensch und Schwein ist unter normalen Verhältnissen
der Subduralraum nur ein capillarer Spaltraum, während der Subarachnoidalraum weit ist. Beim Schaf und Ochsen
findet sich dagegen ein stark ausgebildeter subduraler und ein sehr schmaler subarachnoidaler Raum. Es gelang
Schwalbe nicht, die beiden Räume getrennt injicirt zu erhalten; stets erfüllte die Masse beide Räume. In Betreff
des Baues der Subduralscheide und der Sclera, sowohl als des Zusammenhanges der Scheidenräume des Opticus
mit dem supravaginalen und Tenonschen und auch dem Perichorioidalraum stimmen Schwalbe’s Angaben mit seinen
vorigen und mit denjenigen von Michel überein. Die Arachnoidalscheide beschreibt Schwalbe als im Bau mit der
Arachnoidea des Gehirns und Rückenmarks sehr verwandt. Sie stellt ein sehr dünnes Häutchen dar, dessen Gerüst
aus zahlreichen feinen Bündeln fibrillären Bindegewebes besteht, die zu einem höchst zierlichen Netz verflochten sind;
dieses Netzwerk schliesst kreisrunde oder ovale Maschenräume ein, welche durch nichts weiter wie durch ein zartes
in der Ebene dieser Scheide liegendes Endothelhäutchen ausgefüllt werden, das sich innerhalb der Maschen ausspannt
und auf der äusseren Oberfläche auch über die Bälkchen hinweg fortsetzt. Das Endothel zeigt keine deutliche
Sonderung in Zellen, sondern zahlreiche ovale Kerne in den Maschenräumen zerstreut. Wahrscheinlich ist es nach
Schwalbe an einzelnen Stellen defect, so dass durch feine Löcher eine Commumcation beider Räume hergestellt
wird. Die äussere Seite steht durch mehr oder weniger zahlreiche feine unverästelte Bälkchen mit der Duralscheide
in Verbindung; sie sind stets feiner als die auf der inneren Seite der Arachnoidalscheide entspringenden, sich netz-
förmig verbindenden Balken. Ihre Verbindung mit der Arachnoidalscheide geschieht in der Weise, dass sie unter
pinselförmigem Zerfall in die Bälkchen derselben übergehen. Etwas verwickelter ist die Verbindung der subarachnoi-
dalen Balken mit der Arachnoidalscheide. Sie verschmelzen zuerst zu einzelnen etwas stärkeren Fibrillenbündeln,
welche zu 3—B sich an einander legen und dadurch einen breiten platten complicirt zusammengesetzten Balken auf der
Innenseite dieser Scheide bilden, der nicht selten mit mehreren (2—3) Wurzeln von der Arachnoidalscheide entspringt.
Aus ihnen entwickeln sich die subvaginalen Balken, die durch ihre zahlreiche Verästelungen und netzförmigen Ver-
bindungen characterisirt sind. Sie sind jetzt von einem dicken Fibrillenbündel gebildet. Sie nehmen von aussen
nach innen an Dicke ab, am mächtigsten eben nach ihrem Ursprünge aus der Arachnoidalscheide. Sie sind sämmtlich
von einer continuirlichen Endothelscheide überzogen, die sich jedoch schwer in einzelne Plättchen zerlegen lässt;
sie stellt vielmehr eine elastische kernhaltige Hülle dar; die Kerne prominiren über die Ebene dieser Membran.
Nach Behandlung mit Essigsäure zeigen die Balken ringförmige Einschnürungen, welche auch nach Entfernung des
Endothels entstehen : die sog. umspinnenden Fasern, »für die aber immer noch keine genügende Erklärung vorliegt».
Die Pialscheide des Opticus lässt sich in zwei Schichten zerlegen, eine äussere dickere und derbere, meist aus
Ringfasern zusammengesetzt und eine innere, aus zarten, lockeren der Längsachse parallel verlaufenden Bindegewmbs-
fibrillen bestehend. Die äusseren sind zu einer festen fibrösen, an elastischen Elementen reichen von Endothel be-
kleideten Platte verwebt, in welche die subarachnoidalen Balken sich hineinsenken, indem ihre Fibrillen in die
Fibrillen der Platte übergehen. Aus der inneren längsfaserigen Schicht der Pialscheide nimmt das von Schwalbe
näher beschriebene Bindegewebsgerüst des Sehnervenstromas seinen Ursprung. Bei Stichinjection im Sehnerven
gelang es Schwalbe ein zierliches Netz, wo eine jede Nervenfaser mit blauen Ringen umgeben ist, zu füllen.
') Handbuch der gesammten Augenheilkunde. Redig. v. Alfred Griefe und Saümisch. ßd I. Theil 1. Leipzig 1874. 56
Bei Stichinjection unter der Pialscheide injicirte er in den den Sehnerven durchsetzenden Bindegewebszügen zahl-
reiche spaltförmige Räume, andererseits aber die Masse auch frei in capillaren, die Nervenfaserbündel umhüllenden
Spalträumen. Ein grösserer Spaltraum lässt sich unter der Pialscheide nachweisen, und soll er dem epicerebralen
Raume von His entsprechen. In der Lamina cribrosa füllt sich hierbei auch ein reichliches Netz. Die Injections-
masse tritt an manchen Stellen durch die Pialscheide in den Subarachnoidalraum hinaus, so dass das ganze System
zusammenhängend ist. Ferner gelang es auch Schwalbe beim Einstich unter der Pialscheide Bahnen in der Retina
zu injiciren; es füllten sich nämlich dabei die schon von His gefundenen perivasculären Räume um die Capillaren
und Venen, sowie auch von der Papilla nervi optici aus in radiärer Richtung die Zwischenräume zwischen den Bündeln
der Nervenfasern; endlich wurde dabei auch ein schalenförmiger capillärer Raum zwischen Membrana limitans
interna und Hyaloidea injicirt; die Masse dringt auch häufig zwischen Pigmentschicht und Stäbchenschicht ein.
Von dem Netzwerk von Fasern, die oft in verschiedener Richtung und Anzahl die Fibrillenbündel der Sub-
arachnoidalbalken umspinnen, gaben wir1) eine Beschreibung, mit besonderer Rücksicht auf das Verhalten der-
selben zu der diese Balken einhüllenden Zellenscheide. Wenn man frische Balken untersucht, kann man oft nicht
die geringste Querstreifung an ihnen wahrnehmen; in anderen Fällen erscheint unmittelbar unter der Balkenscheide
eine schwache solche, in anderen aber ist dieselbe so deutlich hervortretend, dass man in ihr wirkliche, mehr oder
weniger feine, in verschiedener Anzahl circulär, bisweilen aber auch etwas schief um das Bündel verlaufende Fasern
unterscheiden kann. Bei Zusatz von Essigsäure schwellen die Balken schnell an; die schon vorher beobachteten
Cirkulärfasern treten schärfer hervor, mehr oder weniger deutliche Einschnürungen an den Balken verursachend.
Die umspinnenden Fasern bilden bald Ringe, bald Spirale, bald anastomosirende Netze um die Balken. Sie schwellen
nicht merkbar in Essigsäure, stimmen daher mit elastischen Fasern überein. Wenn die Balken Netzwerke und
mehr oder weniger durchbrochene Häutchen bilden, können sie auch von derartigen Fasern umsponnen sein. Man
findet aber nicht eben selten Balken, die derselben, wenigstens streckenweise, entbehren. In anderen Fällen treten
sie durch Essigsäure hervor, obgleich sie vorher nicht wahrnehmbar waren. Nach Erhärtung der frischen Balken
in, Ueberosmiumsäure werden die umspinnenden Fasern oft etwas deutlicher. Bisweilen sind sie recht grob und
zeigen hier und da Ausbreitungen, Die einzelnen von umspinnenden Fasern und Zellenscheiden umgebenen Balken
können ausserdem auch, zu dickeren Bündeln vereinigt, von einer gemeinsamen Fibrillenlage und einer derselben
äusserlich bekleidenden Zellenscheide umschlossen sein; bisweilen findet man sie von einem verzweigten umsponnenen
Balkennetz umgeben.
Ausser diesen von elastischen Fasern umsponnenen Balken kommt aber auch in dem Subarachnoidalgewebe
der Basis des grossen und kleinen Gehirns, an der Varolsbrücke und am verlängerten Mark eine andere Art von
Balken vor. An diesen Balken sind nämlich die Bündel rings um von einer dicken, hellen und homogenen Masse
umgeben, in welcher man körnchenförmige optische Querschnitte feiner, die Bündel in mehr oder weniger zahlreichen
Schichten umgebenden Fibrillen wahrnimmt. Wenn man die Oberfläche der Balken betrachtet, sieht man diese
Fibrillen als eine dichte Querstreifung, Man kann diese Masse als eine eigenthümliche »Fibrillenscheide)) der Balken
auffassen. Ihre scharf begrenzte Oberfläche ist mit einer Schicht von Häutchenzellen bekleidet, welche mit einer
Protoplasraazone umgebene Kerne haben. Dieses Häutchen löst sich wie gewöhnlich sehr leicht ab. Die Fibrillen-
scheide ist von sehr wechselnder Dicke, sowohl an verschiedenen Balken als auch an verschiedenen Stellen desselben
Balkens. Die Fibrillen gehen gewöhnlich circulär, zuweilen aber spiralig um die Balken, zuweilen sind sie längsgehend.
Wenn die eigentlichen elastischen Fasern an demselben Balken Vorkommen, liegt die Fibrillenscheide ihnen auswendig
an. Bei Essigsäurezusatz hindert die Fibrillenscheide die Anschwellung des Balkens; ihre eigenen Fibrillen schwellen
auch nicht, werden aber gewöhnlich ein wenig blasser und undeutlicher. Balken mit Fibrillenscheide bilden theils
ganze zusammenhängende Netze, theils finden sie sich auch unter den anderen Bindegewebsbalken, Netze mit
ihnen bildend.
In der jüngsten Zeit hat Hitzig 2) durch Untersuchungen an Hunden sich überzeugt, dass während des Lebens
eine nicht geringe Menge von Flüssigkeit im Duralsacke (Subduralraume) vorhanden ist, welche Flüssigkeit indessen
nach dem Tode aus diesem Raume verschwindet, indem eine Imbibition in das Gehirn vor sich geht, welche
»wesentlich durch den von demselben auf das Wasser ausgeübten Druck bedingt wird».
J) Axel Key och Gustaf Retzius : Nord. Med. Arkiv. Bd VI. N;r 7, v, 1874. 2) Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche
Medicin. Jahrg. 1874. Heft. 3. Erst während des Druckes unserer Arbeit erschienen. Der Subduralraum des Gehirns und Rückenmarks.
(Der Arachnoidalraum früherer Autoren).
Historischer Rückblick.
Aeltere Verfasser, wie Galenits, Vesalius u. A., stellten sich, wie wir gesehen haben, vor, dass die Cavität
der Membrana dura ein wenig räumlicher wäre als die Gehirnmasse selbst und die Membrana tenuis zusammen-
genommen, so dass hier also ein Zwischenraum sich befände, und dies eben, um nicht die Pulsation des Gehirns
sowie die Ausdehnung und Zusammenziehung der Gefässe der Membrana tenuis zu hindern; am Rückenmark, das
nicht pulsirte, wäre dagegen kein solcher Zwischenraum vorhanden. Einen besonderen Inhalt in diesem Raum er-
wähnen zwar jene Verfasser nicht. Vesalius sah indessen die Membrana tenuis an ihrer äusseren Oberfläche von
einer wässrigen Flüssigkeit benetzt. Vieussens hatte bei vielen Leichenöffnungen Wasser bald nur in den Ventrikeln
des Gehirns, bald in diesen und unter der Dura mater zugleich gefunden; eben hierdurch entsteht nach ihm der Hydro-
cephalus. Cotugno, der eigentliche Entdecker der normalen Cerebrospinalflüssigkeit, scheint dieselbe sowohl zu dem
Zwischenraum zwischen Arachnoidea und Pia als zu demjenigen zwischen Dura und Arachnoidea zu verlegen. Im
Rückenmarkscanal sei ein grosser Zwischenraum zwischen der Dura-materscheide und dem Rückenmark vorhanden*
diesen Raum fand Cotugno immer und ganz von Wasser erfüllt; im Schädel selbst waren alle Zwischenräume
zwischen dem Gehirn und der Dura mater von Wasser eingenommen. Er nahm an, dass das Wasser durch die
Enden der feinen Arterien exsudirt und durch feine inhalirende Venen wieder resorbirt wurde. Durch Experimente
hatte er sich überzeugt, dass solche Venenmündungen gerade an der inneren Fläche der Dura vorhanden seien.
Schon bei Soemmeeing finden wir merkwürdiger Weise die Angabe, dass die Arachnoidea die abgehenden
Arterien, Venen und Nerven umhüllt, wonach sie zu der inneren Fläche der Dura übergeht, in der Weise, dass man
ihre Fortsetzung dort wahrnehmen kann. Bichat beschrieb, in Uebereinstimmung mit seiner Theorie über die
serösen Höhlen im Allgemeinen, den Raum zwischen Dura und Arachnoidea als einen serösen Sack ohne Oeffnung
den übrigen serösen Säcken des Körpers analog. Die Arachnoidea ist nach ihm eine seröse Haut, die an ihrer Ober-
fläche eine schlüpfrige Flüssigkeit absondert und die in Aehnlichkeit mit anderen serösen Häuten aus zwei Blättern
besteht, von denen das eine das eingeschlossene Organ (hier Gehirn und Rückenmark) umhüllt, das andere aber
die Aussenwände (hier die Innenfläche der Dura) überzieht. Alle Gefässe und Nerven, welche den Raum durch-
laufen, sind von Scheiden der Arachnoidea umgeben; in dieser Weise ist der seröse Sack vollständig geschlossen
Durch einen Canal, welcher rings um die Vena magna Galeni in der Tela chorioidea verläuft, hängt er doch mit dem
dritten Ventrikel zusammen. Die Arachnoidea geht durch diesen Canal fort und breitet sich ferner von dessen
innerer Mündung in den Ventrikeln als eine seröse Bekleidung derselben aus.
Diese Bichat’sche Auffassung vom Subduralraum oder, wie er gewöhnlich genannt wurde, dem »Arachnoidal-
sacke», als eine seröse Höhle blieb für lange Zeit die allgemein geltende. Fr. Arnold suchte nur eine Modification
in Betreff der Ansichten von der eigentlichen Zusammensetzung des Sackes einzuführen. Er wollte sie nämlich als
aus zwei Säcken bestehend ansehen, von welchen am Rückenmark der eine vor, der andere hinter demselben liege,
am Gehirn aber der eine an der Basis, der andere um die Wölbung sich befinde und beide untereinander in allen
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 58
Zwischenräumen zwischen den austretenden Nerven Zusammenhängen. Dagegen wurde die Frage von dem Vorhanden-
sein des nach Bichat sog, Canalis Bichati oder des Verbindungscanals mit dem dritten Ventrikel ein Gegenstand sein-
streitiger Ansichten. Bichat selbst hatte die innere Mündung seines Canals weder direct wahrnehmen, noch
genau die Stelle, wo sie vorhanden sei, angeben können, und dies wollte seinen Nachfolgern auch nicht recht
gelingen. Doch wurde die Existenz des Canals von einer Reihe von Verfassern bestätigt (Savary, Wenzel, J, F.
Meckel d. j., van den Bröcke, Cloquet, Fr. Arnold, C. Krause u. A.), und Arnold bildete denselben in seinem
ganzen Verlauf an einem Schafhirn ab, während sie von Anderen (Guyot, Martin, Satnte-Ange, Magendie, Cruveil-
hier, Kölliker, Luschka, Reichert, Hyrtl u. A.) geleugnet wurde, während noch Andere diese so wichtige Frage un-
entschieden Hessen oder sie mit Stillschweigen übergingen. Verhältnissmässig Wenige scheinen ihre Auffassung auf
eigene genaue Untersuchungen gegründet zu haben. Am Eingehendsten hat Luschka die Verhältnisse zu schildern
gesucht, welche zur Annahme des fraglichen Canals Anlass gegeben haben.
Da man der Bichat’schen Lehre gemäss den Raum zwischen Dura und Arachnoidea als einen serösen Sack, den
Arachnoidalsack, auffasste, war es ja natürlich, dass man auch annehmen sollte, dass dieser Sack, wie andere seröse Säcke,
eine Flüssigkeit enthalte, welche unter normalen Verhältnissen zwar in äusserst geringer Menge die Oberflächen benetzend
vorhanden sei, die aber unter krankhaften Umständen in hohem Grade vermehrt werden könne Hydrocephalus externus
(Boyer, Burdäch, Cloquet u. A.). Die Entdeckung Cotugnos der eigentlichen, normalmässig reichlich vorkommenden
Cerebrospinalflüssigkeit war in Vergessenheit gerathen. Magendie, der Wiederentdecker dieser Flüssigkeit, verlegte sie
zwar zu den Subarachnoidalräumen. Ecker, welcher die Ansichten Magendies vertheidigte, leugnete ebenso, dass eine
Flüssigkeit während des Lehens in dem eigentlichen Sacke der Arachnoidea vorhanden sei. Dies hinderte indessen nicht
Andere (wie Valentin und C. Krause) der angeführten Theorie gemäss anzuhnemen, dass die Cerebrospinalflüssigkeit
eben in diesem Sack zwischen dem supponirten parietalen und dem visceralen Blatt der Arachnoidea liege. Andere
dagegen nahmen an, dass die Cerebrospinalflüssigkeit der äusseren Oberfläche theils im Arachnoidalsacke, theils unter
der Arachnoidea sich befinde; man unterschied demgemäss einen Liquor arachnoidalis und einen subarachnoidalis.
Indessen begannen allmählig mehr und mehr Einwände gegen die Bichat’sche Auffassung des Subduralraums als
eine seröse Höhle mit einem parietalen und einem visceralen Blatt sich zu erheben. Schon Magendie äusserte
Zweifel über das Vorhandensein des äusseren, parietalen, die Innenfläche der Dura bekleidenden Blattes der Arach-
noidea, obgleich er in seiner Beschreibung nicht mit der doctrinären Auffassung in dieser Beziehung brach. Henle
hat, nach der Angabe von Kölliker, schon gezeigt, dass die Arachnoidea keinen serösen Sack, wie die Pleura und
das Pericardium, bildet; es geht aber ganz deutlich aus der Darstellung Henles in seiner »Allgemeine Anatomie»
hervor, dass er damals die eigentliche Arachnoidea des Rückenmarks als ihr äusseres Blatt aufgefasst hat und dass
Alles,, was er dort über den Zwischenraum zwischen den beiden Blättern der Arachnoidea äussert, also den Sub-
arachnoidalraum und nicht den Arachnoidalsack im Sinne Bichats, unserem Subduralraum gilt. Diese Verwechselung
der Verhältnisse findet man dann, wie auch Kölliker bemerkt, nicht eben selten bei den Verfassern, und sie hat
zu mehrfacher Verwirrung Anlass gegeben. Brücke erklärte, dass »willkürlich und nur zur Erleichterung und Ab-
rundung unserer Vorstellungen» die oberflächlichste Schicht der Dura als die auf die Dura zurückgeschlagene Arach-
noidea angesehen wird. Kölliker leugnete ganz und gar das Vorhandensein der parietalen Lamelle der Arachnoidea ;
die Innenfläche der Dura ist nach ihm nur von einem Epithelium überzogen; auch hob er hervor, dass besondere
Erkrankungen der Arachnoidea nicht anzunehmen sind. Ebenso wurde die Existenz einer äusseren (parietalen) Lamelle
von Virchow, Hyrtl u. A. verneint, während unter späteren Verfassern besonders Luschka die entgegengesetzte
Ansicht vertheidigte. Am meisten wurde doch die Auffassung des Arachnoidalsackes als eine seröse, den übrigen serösen
Höhlen analoge Cavität durch Virchow erschüttert (a. a. 0. und in Verhandl. d. phys. med. Gesellsch. in Würzburg 1857.
Bd. VII. S. 134) Er sagt: »So schwierig es ist, diese Lehre physiologisch zu begründen, so wenig Grund haben wir,
sie pathologisch zu berücksichtigen». »Pathologisch können wir die Arachnoides durchaus nicht den serösen Häuten
zurechnen, da jene Neigung zu freien Exsudationen, die wir an allen serösen Häuten so ausgesprochen finden, gerade
an ihrem visceralen Blatte fehlt, ja sogar frei von dem Visceralblatte ausgehende Exsudate in den Raum zwischen
der harten und weichen Hirnhaut nur ausnahmsweise Vorkommen». »Wenn ein transsudativer Zustand an der Arach-
noides besteht, so bildet sich ein Oedem in ihr, aber nicht eine freie, über die Oberfläche hinausgehende Exsudation».
Er zweifelte im Allgemeinen an dem Vorhandensein einer freien Flüssigkeit in dem genannten Sacke der Arachnoidea,
sogar bei den meisten, in der Literatur erwähnten Fällen von Hydrocephalus externus. Ein freier Hydrocephalus
externus, wo die Flüssigkeit im Arachnoidalsacke lag, wäre nach ihm immer congenital, bei ursprünglicher Mangel- 59
haftigkeit, Aplasie des Gehirns verkommend; er selbst hatte einen solchen nur ein einziges Mal gesehen. Im Spinal-
canale nahm indessen Virchow an, dass ganz andere Verhältnisse wie in der Schädelhöhle stattfinden, indem hier
überhaupt kein offener Sack existirt, sondern die Arachnoides ein lockeres, maschiges Gewebe bildet, welches sich
unmittelbar an die Dura mater und das Rückenmark anlegt. »Es ist daher überhaupt keine einfache Höhle vorhanden,
sondern es giebt nur die grossmaschigen Räume der Arachnoides zwischen Dura und Rückenmark. Das, was wir
am Gehirn Oedem der Pia mater (Arachnoides) nennen, ist genau dasselbe, was wir am Rückenmark als Hydrorhachis
externa bezeichnen, aber es stellt sich am Rückenmark allerdings so dar, dass die Flüssigkeit in dem maschigen
Gewebe gleichsam frei enthalten ist und bis unmittelbar an die Dura mater reicht». Wie oben angeführt, verfolgt
die Schilderung Leydens in seiner vor kurzem erschienenen »Klinik der Rückenmarkskrankheiten» in Bezug auf
letztes Verhältniss dieselbe Richtung. Ein eigentlicher Subduralraum in dem Sinne, in welchem wir diese Bildung
auffassen, würde nach ihm im Rückenmarkscanal nicht Vorkommen. Das äussere Blatt der Arachnoidea wäre nur eine
Epithelschicht, welche der Innenfläche der Dura unmittelbar anlag und gelegentlich an kleinen Strecken sich als
gesondertes dünnes Häutchen abheben Hesse. Das Innenblatt der Arachnoidea sollte der Pia genau anliegen und
in dieselbe übergehen. Zwischen den beiden Blättern wären eine grosse Menge lockerer Bindegewebszüge ausgespannt,
und in diesem lockermaschigen Bindegewebe zwischen Dura und Pia, dem subarachnoidalen Gewebe älterer Auctoren,
befände sich eine Flüssigkeit, welche mit einer ebensolchen im Arachnoidal- und Subarachnoidalgewebe des Gehirns
befindlichen communicirt und mit ihr zusammen als Cerebrospinalflüssigkeit oder Cotugnos Flüssigkeit bekannt ist.
Es scheint aus dieser Schilderung hervorzugehen, dass Leyden sich die Sache so vorstellte, dass der Subduralraum
und die Subarachnoidalräume des Gehirns gegen das Rückenmark hin in einen einzigen gemeinsamen Raum zwischen
Dura und Pia übergingen. Wie er sich aber das Verhalten der Arachnoidea am Uebergang vom Gehirn zum Rücken-
mark gedacht hat, ist sehr schwer zu verstehen.
Luschka, welcher, wie erwähnt, den Subduralraum als einen serösen Sack aufrechtzuhalten und zu beweisen
sucht nur mit der Modification der älteren Auffassung, dass er nicht das ganze Visceralblatt sondern bloss seine
oberflächlichste Schicht, das Epithel mit einem dünnen Substrat von serösen Fasern, an dem Austritt der Nerven aus
der Dura auf diese Haut als das parietale Blatt übergehen lässt hält den Subduralraum für einen von den Sub-
arachnoidalräumen ganz abgeschlossenen Raum. Es besteht nach ihm zwischen diesen beiden Räumen keine Com-
munication, und die Cerebrospinalflüssigkeit erstreckt sich auch nicht in den Subduralraum hin, »wie man früher so
allgemein glaubte und Manche es auch jetzt noch in unbegreiflichem Festhalten an diesem Irrthum behaupten».
Betreffs des normalen Vorkommens von Flüssigkeit im Subduralraum äussert Luschka : »In den Leichen, welche kurze
Zeit, z. B. 12 Stunden, nach dem Tode obducirt werden, findet sich eine nur äusserst geringe Menge von Fluidum
zwischen jenen Membranen, wenn nicht, wie dies so gewöhnlich geschieht, durch Eröffnung des Subarachnoideal-
raumes aus diesem Flüssigkeit ausgetreten ist. Bedenkt man nun, dass die in der Leiche im Sacke der Arachnoidea
vorfindliche, normalmässig höchst geringe Quantität Flüssigkeit nicht einmal die ursprüngliche sein kann, sondern
jedenfalls durch Transsudation von Liquor cerebrospinalis durch die Spinnwebenhaut vermehrt sein muss, dann wird
man wohl einsehen, dass die während des Lebens in gesunden Verhältnissen vorhandene Flüssigkeit eben nur hin-
reichen kann, die mit einander in Berührung kommenden Flächen feucht zu erhalten, und dass in der That nicht
von einem Flüssigkeit haltigen Raume die Rede sein kann». (Die Adergeflechte des Menschlichen Gehirns. 1855).
Reichert äussert betreffs des »Fluidum encephalo-spinale», dass dahin »drei verschiedene, völlig von einander
abgesonderte Flüssigkeiten» zu rechnen sind, nämlich die Flüssigkeit der Ventrikel, die der Subarachnoidalräume und
»das seröse Fluidum der Spinalröhre oder des Cavum arachnoideum».
Nach Schwalbe, der sich auf Injectionen in den Subduralraum des Gehirns stützt, steht dieser Raum in Ver-
bindung mit den subarachnoidalen Räumen, in welche die Injectionsmasse von jenem aus leicht eindringen soll; er
hängt aber nicht direct mit den von His beschriebenen perivasculären Canälen des Hirns und Rückenmarks und
nicht mit den Lymphgefässen der Pia zusammen. Henle nimmt auch eine directe Verbindung des Subduralraums
mit den Subarachnoidalräumen an, indem er äussert: Die Arachnoidea »berührt in der Regel unmittelbar die innere
Fläche der fibrösen Haut, wenn auch nicht bestritten werden kann, dass da und dort einmal, durch eine Lücke
der Arachnoidea, ein Theil der subarachnoidealen Flüssigkeit in den Raum zwischen Arachnoidea und fibröser Haut
gerathen mag».
Wir haben, theils weil wir ebenso wenig wie Andere nie etwaige natürliche Oeffnungen in der Arachnoidea
gefunden haben, theils auch besonders auf Grund unserer Injectionsresultate, das Dasein derselben geleugnet, 60
und also behauptet, dass der Subduralraum sowohl am Gehirn als am Rückenmark von den Subarachnoidal-
räumen durch die Arachnoidea vollständig abgetrennt ist. Indessen findet man, dass auch Quincke eine offene
Communication zwischen Subdural- und Subarachnoidalräumen annimmt, welche Annahme er darauf stützt, dass er
nach Einspritzung von Zinnoberemnlsion in den Subduralraum des Gehirns bei lebenden Hunden sah, dass der Zinnober
nach wenigen Tagen ans diesem Raum verschwand, sich aber dann »in den Subarachnoidalräumen und der Pia des
Gehirns, gerade wie nach directer Einspritzung in diesen Raum» wiederfand. »Der Flüssigkeitsstrom ist im Leben
vorwiegend von dem ersteren nach den letzteren gerichtet». Betreffs der speciellen Frage, ob während des Lebens
eine Flüssigkeit im Subduralranm vorhanden sei, nimmt Quincke an, dass am Gehirn die Arachnoidea durch eine
capillare Flüssigkeitsschicht von der Dura getrennt ist, während sie am Rückenmark derselben so dicht anliegt,
dass hier die Injection eigentlich nur in dem Subarachnoidalraum gelingt.
In der letzten Zeit hat Hitzig durch Vivisectionen und besondere, auf die Lösung dieser Frage gerichtete
Versuche sich davon überzeugt, dass in der That bei lebenden Flunden eine nicht geringe Menge von Flüssigkeit
im Sacke der Dura sich befinde. Diese Flüssigkeit verschwand indessen bald nach dem Tode, was darauf beruhen
soll, dass sie durch Imbibition vom Gehirn aufgenommen werde.
Es ist natürlich, dass man, sobald eine Flüssigkeit unter normalen Umständen in den peripherischen Räumen
angesammelt gefunden war, nach einem Ablauf für diese Flüssigkeit oder nach den Bahnen, mittelst welcher die
Resorption derselben stattfände, suchen würde. Wir sahen ja auch, dass schon Cotugno auf Grund der Queck-
silberinjectionen annahm, dass an der inneren Fläche der Dura mater inhalirende Mündungen der Duravenen vor-
handen seien, ebenso wie, dass Fr. Meckel auch ähnliche Gefässe sah, welche er Vasa resorbentia lymphatica nannte.
Mascagni fand die Blutgefässe der harten Hirnhaut von lymphatischen Stämmen begleitet. Fr. Arnold widerlegte
doch diese Angaben; er selbst wie auch seine Nachfolger konnten keine wirklichen Lymphgefässe in der Dura
darstellen.
v. Recklinghausen sah nach Silberbehandlung in den innersten Schichten der Dura des Menschen, auch des
Hundes, Gefässe, deren lymphatische Natur er für wahrscheinlich hielt. Boehm fand keine wirkliche Lymphgefässe,
er nahm aber, auf Silberbilder, Resorptionsversuche und Einstichinjectionen sowie auf Gefässinjectionen gestützt
ein Capillarnetz an der Innenfläche der Dura an, welches einerseits mit den Venen in Zusammenhang stände, anderer-
seits mit den intrafibrillären Gewebsspalten der Dura und durch feine Oeffnungen mit der Cavitas serosa cranii in
Verbindung wäre; es sollte ein »accessorisches» Capillarsystem sein, welches bei abnormen Stauungen innerhalb des
Schädels mit Blut gefüllt war, sonst aber sehr wahrscheinlich zur Resorption der Flüssigkeiten, auch der krank-
haften, bestimmt war. Man findet also hier wieder eine Auffassung, welche der von Cotugno und Fr. Meckel
gehegten etwas ähnlich ist. Wir zeigten indessen, dass die Darstellung von Boehm nicht richtig war und dass das
fragliche Gefässnetz nur eigenthümlich geformte Capillaren darstellte, welche immer Blut führen und überall nicht
nur mit den Venen sondern auch mit den Arterien in Zusammenhang stehen. Auch Paschkewicz fand, dass das innere
unmittelbar unter dem Epithel der Dura liegende Capillarnetz nicht in offener Verbindung mit dem Subduralraum
steht. Dagegen meinte er, dass der Subduralranm mittelst Spalten zwischen den Epithelzellen an der Innenfläche
der Dura mit einem wirklichen Lymphgefässsyslem in dieser Haut zusammenhängt; durch Silberbehandlung erhaltene
Saftcanälchenbilder und die Blutgefässe begleitende und umflechtende kleine Räume fasste er nämlich als Lymph-
gefässe auf, welche ihren Ablauf in die Venensinus wahrscheinlich haben sollten. Grössere Lymphgefässe fand er
indessen nicht. Michel spricht sich auch gegen Boehm aus, sowohl betreffs des Zusammenhangs des inneren Capillar-
netzes mit dem Subduralraume als auch der Resorptionsresultate von diesem Raum aus. Aber auch er nimmt ein
durch die ganze Dicke der Dura, aus mit einander communicirenden Spalten bestehendes System an, welches sowohl
mit dem genannten Raume als auch mit einer Anzahl grösserer und kleinerer Räume zwischen Dura und Knochen
in Verbindung steht. Dieses Spaltensystem dient nach ihm wahrscheinlich zum Durchtritt einer Lymphe, die seine
Strömung von aussen nach innen hat.
Schwalbe gelang es darzulegen, dass der Subduralranm wirklich in Verbindung mit abgehenden Lymph-
gefässen steht. Also erhielt er nach Subduralinjection Füllung der Lymphgefässe und der tieferen Lymphdrüsen des
Halses durch Vermittlung von Lymphgefässstämmen, welche durch das Foramen jugulare austraten; ebenso erhielt
er Füllung eines Lymphgefässnetzes in der Nasenschleimhaut; und ferner sagt er, dass er in einem Falle Injection
von Lymphdrüsen vom Subduralraum des Rückenmarks aus erhalten hat. Mit Ausnahme der letzteren bestätigten 61
wir diese Angaben Schwalbes; wir fanden daneben, dass auch die oberflächlicheren Lymphdrüsen des Halses injicirt
werden konnten, ferner dass Lymphgefässe auch durch den Canalis caroticus ausgingen; auch erhielten wir oft
Füllung eines Lymphstammes im Gesicht, welcher von der Orbitalgegend vor dem Masseter herablief. Von dem
Lymphgefässnetz in der Nasenschleimhaut, dessen Natur wir durch Doppelinjection in den Blutgefässen ausser allen
Zweifel setzten, erhielten wir das Lymphgefässnetz des Gaumens reichlich injicirt in Zusammenhang mit den ober-
flächlichen Halslymphdrüsen. Quincke fand bei Zinnoberinjection an lebenden Thieren (von dem Subduralraum und
von den Subarachnoidalräumen aus) den Farbstoff in der Arachnoidalscheide der Carotis an ihrer Austrittstelle aus
dem Sinus cavernosus wieder, ferner in der Rindensubstanz des hinteren Theils der grossen cervicalen, einigemal
auch in den submaxillaren Lymphdrüsen. Auch Michel bekam, bei seinen Injectionen vom Subduralraum des Gehirns
aus, Füllung der Lymphgefässe und tiefen Lymphdrüsen des Halses sowie der Lymphgefässe der Geruchschleimhaut.
Betreffs des Verhaltens des Subduralraums zu den abgehenden Nerven findet man zwar, dass die älteren Ver-
fasser angeben, dass die Dura mit den Nerven scheidenförmige Verlängerungen sendet; dass aber der Raum selbst
zwischen Dura und Arachnoidea mit diesen S.cheiden sich fortsetzt, scheinen sie nicht angenommen zu haben. Erst
bei Cotucno findet man mit Hinsicht auf den intracraniellen Verlauf der Gehirnnerven eine sehr richtige Auffassung.
o o
Er sagt, dass die Dura für fast alle Gehirnnerven Scheiden (Sinus nervorum vaginales) bildet, welche von der Flüssig-
keit der Schädelhöhle durchflossen sind und von welchen besonders der Sinus opticus, Sinus paris quinti und Sinus
acusticus ausgezeichnet sind. Im Sinus opticus sah er sogar die Flüssigkeit der Schädelhöhle an seinem Ende in
der Nähe des Auges angesammelt. Sinus paris quinti erstreckt sich bis zum Anfang der drei Zweige des Nerven.
Diese Angaben Cotugnos geriethen in Vergessenheit, ebenso wie manches Andere, was dieser ausgezeichnete Forscher
gesehen hatte. Durch die Auffassung Biciiats vom Subduralraum als einen serösen Sack wurde dieser Raum am Durch-
tritt der Nerven und Gefässe durch die Dura überall vollständig als geschlossen angesehen. Die scheidenförmigen
Verlängerungen, welche sie vom visceralen Blatte der Arachnoidea begleiteten, sollten sich von ihnen bald trennen,
um in die an der Dura befindliche parietale Lamelle überzugehen. Die Nervi optici und, wie er auch andeutet,
die Nervi abducentes sind nach Bichat die einzigen Nerven, welche von ihr länger begleitet werden. Die Scheide
jener setzt sich nach ihm in ihrer fibrösen Umhüllung fort und schlägt sich erst innerhalb der Orbita auf dieselbe um.
Diese Bichat’sche Anschauung von der Arachnoidea und damit auch von dem Verhalten des Subduralraums
zu den austretenden Nerven blieb, wie eben bemerkt wurde, die allgemein geltende. Die schematische Figur, welche
Fr. Arnold in Uebereinstimmung damit lieferte, wurde auch in späteren Handbüchern reproducirt. Auch die Ver-
fasser, welche kein parietales Blatt der Arachnoidea annehmen und die also nicht zugeben, dass die Arachnoidea durch
Reflection auf die Dura am Austritt der Nerven die Oeffnungen verschliesst, haben doch nichts darüber zu melden,
dass der Subduralraum um die Nerven sich fortsetzt. Sie scheinen im Allgemeinen sich vorgestellt zu haben, dass
die Nerven die Dura durchbohren und dass die Austrittsöffnungen dadurch zugeschlossen werden, dass die Dura, auch
wenn sie Scheiden abgiebt, ebenso wie die Arachnoidea, am Neurilem verwächst und mit ihm sich fortsetzt. In diesem
kannte man auch keine, für eine seröse FRissigkeit oder Lymphe offene Bahnen. Zwar hatte schon Bogros vor
fast fünfzig Jahren, auf Quecksilberinjectionen gestützt, eine andere Auffassung (s. unten beim peripherischen Nerven-
system), und Cruveilhier schloss sich ihm an; es gelang ihnen aber nicht irgend wie Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Die Hüllen des Nervus opticus sind auch von mehreren späteren Verfassern beschrieben und abgebildet worden,
ohne dass sie, wie es scheint, daran gedacht haben, dass der Raum zwischen der sogenannten äusseren und inneren
Scheide eine Fortsetzung der serösen Räume des Gehirns sein könnte. Dass er, wie schon Cotugno kannte, mit
dem Subduralraum des Gehirns in Zusammenhang steht, wurde von Neuem von Schwalbe durch directe Injectionen
von diesem aus erwiesen, wobei er den fraglichen Raum bis zum Bulbus ebenso wie den Tenonschen Raum und den
Suprachorioidalraum gefüllt erhielt. Im Ohrlabyrinth bekam er Injection des perilymphatischen Raumes und dies
durch den Roms acusticus. Diese Resultate wurden, was das Auge betrifft, theilweise von Schmidt bestätigt, und
Fr. E. Weber erhielt vom Subduralraum aus Injection dos Aquaeductus cochleae und der Schnecke, nicht aber im
Vorhof und in den halbzirkelförmigen Canälen; die Injection mit dem Acusticus geht nach ihm nicht durch die Lamina
cribrosa ins Labyrinth hinein.
Durch Injectionen sowie durch andere Untersuchungsmethoden gelang es uns zu zeigen, dass der Subdural-
raum in seröse Bahnen im ganzen peripherischen Nervensystem sowohl im cerebro-spinalen als im sympathischen
bis in dessen feinste Verzweigungen sich fortsetzt. Wir zeigten, dass die Dura raater an alle austretenden
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 62
Nei •yen Scheiden abgiebt, innerhalb welcher die Arachnoidea mit ihrem Subarachnoidalgewebe innere Scheiden darstellt;
ferner dass zwischen diesen beiden Scheiden der Subduralraum sich fortsetzt; dass endlich früher oder später die-
selben in einander übergehen und Scheiden, die Perineuralscheiden, um die Bündel der peripherischen Nerven bilden.
Was besonders die Sinnesorgane betrifft, zeigten wir, dass der Scheidenraum des Opticus in zwei Räume
getheilt ist, von denen eben der äussere, der Subduralraum des Opticus, welcher eine directe Fortsetzung des Sub-
duralraums des Gehirns ist, von dem inneren, dem Subarachnoidalraum des Opticus, bis zum Bulbus von einer Fort-
setzung der Arachnoidea getrennt wird. Betreffs des Tenonschen und des Suprachorioidalraums konnten wir die
Angaben Schwalbes bestätigen. Wie Schwalbe und Weber sahen wir die Injectionsmasse ins Ohrlabyrinth eindringen;
wir verfolgten die Injection am Nervus acusticus jenseits der Lamina cribrosa. In der Nasenschleimhaut fanden
wir ausser dem Lymphgefässnetz eine scheidenförmige Injection um die Zweige des Olfactorius. Später wurde die
Frage vom Zusammenhang der serösen Räume mit Bahnen im peripherischen Nervensystem von Quincke berührt.
Bei seinen Injectionen in die serösen Räume der Centralorgane lebender Thiere fand er den Zinnober im Anfang
der peripherischen Nerven ausserhalb der Ganglien wieder, nie aber in den Hirnnerven ausserhalb der Knochencanäle.
Indessen mag bemerkt werden, dass seine Injectionen im Allgemeinen subarachnoidale gewesen zu sein scheinen; die
vom Rückenmark aus waren nach seiner Aeusserung immer so. Das Verhalten des Subduralraums zum Nervus opticus
ist in den allerletzten Jahren Gegenstand mehrerer Untersuchungen geworden; betreffs derselben verweisen wir auf
das besondere dem Sehnerven gewidmete Capitel.
Bei unseren Injectionen in den Subduralraum fanden wir ferner, dass die Masse sehr leicht in die venösen
Sinus der Dura, in die übrigen Duravenen und bis in die äusseren häutigen Bedeckungen des Schädels übergeht;
wir fanden, dass dabei die Pacchionischen Granulationen oder Arachnoidalzotten diesen Uebergang vermittelten.
Wir schilderten den bezüglichen Bau dieser Zotten und erwiesen ihr constantes Vorkommen, sowie ihre physiologische
Bedeutung für die Resorption vom Subduralraum aus. Quincke sah bei seinen Injectionen diese Zotten zwar Zin-
noberkörner enthalten, nahm aber an, dass keine solche in die Venen übergegangen waren, weil er sie nicht in den
Lymphkörperchen der Milz wiederfand; nach ihm soll also Flüssigkeit, aber keine festen Theile durch die Zotten
in die Venen übergehen. Michel konnte nicht eine Injection der Duralgefässe mittelst der Pacchionischen Granula-
tionen vom Subduralraum aus erhalten, hat aber dies nicht beim Menschen untersuchen können.
Beschreibung des Subduralraums.
Zwischen der Innenfläche der Dura mater und der Aussenflächc der Arachnoidea breitet sich der Subdural-
raum in einer vollständig gleichförmigen Weise sowohl über das Gehirn als über das Rückenmark aus. Die einzigen
Unterbrechungen, welche in der Ausdehnung des Raumes Vorkommen, bilden theils die Blutgefässe und Nerven,
welche auf ihrem Weg von oder zu den eingeschlossenen Organen durch diesen Raum ziehen, theils die an ge-
wissen Stellen vorhandenen Bindegewebsstränge, welche zwischen der Arachnoidea und der Dura überspringen, und
endlich die Aussprünge der Arachnoidea, welche um die grösseren venösen Sinus am Gehirn in die Dura eindringen,
nämlich die sog. Pacchionischen Granulationen oder, wie wir sie mit Luschka nennen wollen, die Arachnoidalzotten.
Unter normalen Verhältnissen findet man diesen Raum am Querschnitt immer spaltenförmig, weil die Oberfläche
der Arachnoidea sich der Dura überall anschmiegt. In dieser letzten Beziehung ähnelt also der Subduralraum ohne
Zweifel solchen serösen Räumen, welche andere Organe umgeben, wie z. B. die Pleurahöhle, wo ebenso während
des gesunden Zustandes die die Lunge überziehende seröse Haut der äusseren Höhlenwand dicht anliegt. Uebrigens
würde es eine ziemlich fruchtlose Mühe sein, eine Reihe von Vergleichungen zwischen dem Subduralraum und den
serösen Höhlen im Allgemeinen anzustellen. Ein besonders auffallender Unterschied mag doch hier hervorgehoben
werden, derjenige nämlich, dass, während ein eingeschlossenes Organ in solchen serösen Höhlen, wie der Pleurasack,
die Bauchhöhle u. s. w. an einer Stelle ihrer Oberfläche durch eine mehr oder weniger ausgebreitete, starke An-
heftung mit der Wand vereinigt ist, und alle Gefässe, Nerven und abführende Gänge zu oder von den Organen
durch diese Anheftung verlaufen, an welcher die seröse Bekleidung von der äusseren Wand der Höhle sich auf die 63
sonst freien Organe reflectirt, sich dagegen beim Gehirn und Rückenmark keine solche ausgebreitete und starke
Anheftung findet; der Subduralraum umgiebt dieselben überall, nur mit Ausnahme der den Raum an gewissen Stellen
unterbrechenden Gefässe und Nerven, sowie der verschiedenen kleinen bindegewebigen Adhärenzen.
Was zuerst diese letzteren anbetrifft, so findet man, dass der Subduralraum des Gehirns im Allgemeinen von
allen anderen zwischen der Dura und der Arachnoidea verlaufenden, von Gefässen und Nerven unabhängigen Binde-
gewebsverbindungen sowie von denjenigen, die durch die meistens in der Nähe der grossen venösen Sinus befindlichen
Arachnoidalzotten gebildet werden, vollständig frei ist. Diese Zotten, ihr Bau und ihre Verbreitung, werden unten
in einer besonderen Abtheilung ausführlich beschrieben; wir beschränken uns deswegen darauf hier nur anzuführen,
dass dieselben keine Auswüchse oder pathologische Adhärenzen, sondern ganz normale Bildungen sind, welche als
Ausstülpungen der Arachnoidea und des subarachnoidalen Gewebes in Spalten der Dura hinein betrachtet werden können;
ferner heben wir hervor, dass um die Stiele der Zotten herum der Subduralraum nicht verschlossen ist, sondern mit diesen
Stielen in das Innere der Dura um die kolbenförmigen Enden der in die venösen Sinus einschiessenden Arachnoidal-
zotten herum sich fortsetzt; übrigens verweisen wir auf die unten folgende nähere Beschreibung derselben. Wenn man beim
Menschen vorsichtig die vorderen Hirnlappen erhebt, wird man gewöhnlich über den Alae minores ossis sphasnoidese
mehr oder wenig zahlreiche Adhärenzen zwischen Dura und Arachnoidea wahrnehmen; sie bersten ausserordentlich
leicht und sind deswegen bisher übersehen worden; diese Adhärenzen gehören indessen auch zur Kategorie der
Arachnoidalzotten und werden in Zusammenhang mit diesen näher erörtert. Uebrigens findet man die Arachnoidea
oft in grosser Ausdehnung am unteren freien Rand der Falx angewachsen, und sie hängt dann continuirlich mit dem
bekleidenden Häutchen der Dura zusammen. Ganz anders als am Gehirn sind die Verhältnisse am Rückenmark,
oder eigentlich am oberen Theil desselben. Zwischen Dura und Arachnoidea verlaufen hier an verschiedenen Stellen
verschieden zahlreiche, fadenähnliche Balken, welche diese Haut an der inneren Oberfläche jener befestigt erhalten.
Sie treten unmittelbar unterhalb des Foramen magnum auf und sind im oberen Halstheil sehr zahlreich, besonders
an der hinteren Seite (Taf. 1. Fig. 1), dies nicht nur in der hinteren Mittellinie, wo sie auch von anderen Verfassern
bemerkt wurden, sondern auch über die ganze übrige Hinterfläche. Am reichlichsten kommen sie hier indessen in
der Mitte vor, etwas weniger zahlreich in der Umbegung dieser; sie sind aber wieder reichlicher an den Seitenflächen
zwischen den austretenden Nervenwurzeln. Sie sind hier ganz kurz, von etwa 1 Mm. Länge oder noch viel kürzer,
und hierdurch tapeziren und befestigen sie die Arachnoidea an der Dura. Beim Aufschneiden der Häute werden
sie leicht gedehnt oder aus den Häuten ausgerissen, so dass sie länger erscheinen als sie in der That sind. Obwohl
sie im Verhältniss zu ihrer Feinheit recht stark sind, werden sie leicht in grösserer oder geringerer Zahl zerrissen,
wenn nicht die nöthige Vorsicht angewandt wird, und sie erscheinen dann weit spärlicher als sie eigentlich sind.
Im unteren Halstheil nehmen sie allmählig an Menge ab, sitzen auch hier am dichtesten in der Mitte und in den
Seitenflächen. Sie erscheinen hier gewöhnlich etwas länger als im oberen Halstheil. Nach dem Dorsaltheil hin
nehmen sie allmählig an Menge ab, kommen aber doch im Allgemeinen bisweilen dichter, bisweilen mehr zerstreut
im ganzen oberen Drittel oder sogar in der ganzen oberen Hälfte des Rückentheils vor, sowohl in der Mitte als auch
besonders an den Seiten zwischen den Nervenwurzeln und den Befestigungszacken des Ligamentum denticulatum,
weniger aber an den zwischenliegenden Flächen; sie sind in dieser Region länger als im Halstheil. Unterhalb des
oberen Drittels oder der oberen Hälfte des Dorsaltheils werden sie oft plötzlich sehr sparsam und kommen haupt-
sächlich nur in sehr geringer Zahl in der Mittellinie oder an den Seitenflächen vor; einen oder anderen findet man
doch hie und da an der übrigen Oberfläche zerstreut. An der Cauda ecjuina werden sie zuweilen wieder etwas
zahlreicher, besonders in der Mittellinie, gewöhnlich sind sie aber auch hier äusserst sparsam vorhanden. An der
Vorderseite des Rückenmarks sind sie überall weit spärlicher als an der Hinterseite. Auch am Halstheil sind sie
hier wenigl zahlreich, sitzen indessen doch ziemlich dicht in der Mittellinie, ebenso wie an den Seitenflächen zwischen
O 7
den Nervenwurzeln und den Zacken des Lig. denticulatum. Unterhalb des Halstheils kommen sie an der Vorderseite
nur in äusserst geringer Zahl hier und da zerstreut vor. Ueberall, wo sie an der hinteren oder vorderen Fläche
vorhanden sind, findet man sie grossentheils in kleinen Gruppen sitzen, und besonders oft divergiren sie je zu zweien
von einer Stelle der Arachnoidea, um sich an der Innenfläche der Dura in einiger Entfernung von einander zu be-
festigen. Die Arachnoidea ist hier an Fasern, welche von der Dura entspringen und wieder nach Bildung eines
kurzen Bogens in dieselbe Haut einlaufen, wie aufgehängt, und es scheint, als ob diese bogenförmigen (s. weiter unten)
Fäden durch die Arachnoidea gezogen wären. Die mikroskopische Untersuchung, auf welche wir bei der histologischen
Beschreibung der Häute zurückkommen, zeigt, dass es sich so gewissermassen veihält; aber die Arachnoidea ist nicht 64
von diesen Bogenfäden durchbohrt, sondern bildet um dieselben umhüllende Scheiden, welche zur Innenfläche der Dura
sie begleiten, um hier in das bekleidende Endothelhäutchen dieser Haut überzugehen, während die Balken selbst in
die Bindegewcbsbündel der Dura sich fortsetzen. Wenn man die hinüberspringenden Balken spannt, sieht man oft
sehr deutlich, wie das bekleidende Häutchen der Dura, welches unten in Zusammenhang mit der Dura selbst be-
schrieben wird, am Ansatz der Balken sich trichterförmig ausbaucht. In der Regel führen die Bälkchen in ihrem
Inneren ein Blutgefässchen.
Aus der Anordnung der Balken, welche am reichlichsten im Halstheil und am stärksten und strammsten in
dessen oberen Theil sind, geht hervor, dass die Arachnoidea hier immer dicht an der Dura gehalten wird; sie kann
hier nicht in einem wesentlichen Grade einer möglicherweise im Subduralraum befindlichen Flüssigkeit ausweichen.
In der That ist ja schon die Gegenwart dieser Balken, ihre Form und Beschaffenheit ganz entscheidend für die Frage,
ob die eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit oder wenigstens der hauptsächliche Theil derselben im Subduralraum oder
in den Räumen unterhalb der Arachnoidea liegt. Diese letzteren Räume müssen nämlich unter allen Verhältnissen
eben durch die subduralen Balken am Halstheil des Rückenmarks den grossen Subarachnoidalräumen der Hirnbasis
zunächst ausgespannt gehalten werden, während der Subduralraum hier immer eine geringe Capacität haben muss
Verhältnisse, welche für die beständige Ebbe und Fluth, die hier in der zwischen den serösen Räumen der Gehirns
und Rückenmarks fluctuirenden Cerebrospinalflüssigkeit von grosser Wichtigkeit sein müssen.
Weiter unten am Rückenmark, besonders an der unteren Partie des Dorsaltheils und am Lumbaltheil, scheint
dagegen die Beschaffenheit und grosse Spärlichkeit der Balken eine grössere Ausdehnung des Subduralraums zuzu-
lassen; eine Flüssigkeit könnte hier ohne Zweifel in bedeutenderer Menge angesammelt sein. Die Balken kommen doch
hier, wie gesagt, obwohl sehr zerstreut, in der Mittellinie vorn und hinten vor, woneben sie etwas zahlreicher, immer
aber nur spärlich, an den Seitenflächen sich finden; in den letzteren wird indessen die Arachnoidea an der Dura
ausgespannt erhalten, nicht nur durch die Balken, sondern noch mehr, und dies gilt für die ganze Länge des Rücken-
marks, durch die austretenden Nervenwurzeln und ausserdem im Hals- und Dorsaltheil durch die Zacken des
Lig. denticulatum, welche sich ungefähr in der Mitte zwischen den Austrittstellen der Nerven befestigen; auch das
Lig. denticulatum selbst zwischen den Zacken trägt durch seine Beschaffenheit bei, die Arachnoidea vom Rückenmark
entfernt zu halten. Wir werden unten diese den Subduralraum durchlaufenden Zacken, ebenso wie ihr Verhalten
zu den Häuten, näher beschreiben und wollen hier nur erwähnen, dass die Arachnoidea um dieselben Scheiden bildet,
welche an der Innenfläche der Dura in ihr bekleidendes Häutchen übergehen, wodurch der Subduralraum hier voll-
ständig abgeschlossen wird.
Wie verhält sich nun der Subduralraum zu den ihn durchziehenden Blutgefässen und Nerven? Betreffs der
Gefässe studirt man das Verhalten am leichtesten an den Venen in der Nähe des Sinus longitudinalis. Man findet
dort, dass beim Uebergang einer Vene von der Arachnoidea zur Dura jene Haut der Dura dicht anliegt und
dass sie für die Vene rings um den Eintritt derselben in die Dura eine Hülle bildet, welche eben dort, wo die
Vene sich in die Dura einsenkt, sich dann auf die Innenfläche der Dura umbiegt und mit continuirlichem Endothel
in das bekleidende Häutchen dieser Haut übergeht, ganz in derselben Weise, wie es an den Balken und den Zacken
des Lig. denticulatum geschieht. Der Subduralraum wird also auch hier überall, ungefähr in der Weise wie ältere
Verfasser in Uebereinstimmung mit der Bichat’schen Anschauung sich vorgestellt haben, verschlossen; indessen
wollen wir keineswegs mit ihnen von einer parietalen Lamelle der Arachnoidea reden eine Anschauung und
Benennung von dem mit der Arachnoidea zusammenhängenden, der Dura aber angehörigen und sie bekleidenden
Häutchen, welche gar nicht beiträgt, die Vorstellungen zu klären. Die nähere Beschreibung dieses Häutchen geben
wir in Zusammenhang mit der Beschreibung der Dura selbst.
Beim Austritt der Nerven findet ein ganz anderes Verhältniss statt, als Bichat und seine Nachfolger es sich
vorgestellt haben, und ebenso ein ganz anderes, als die Verfasser, welche die Bichat’sche Lehre nicht anerkannten,
im Allgemeinen angenommen haben. Die abgehenden Nerven, sowohl die des Gehirns als des Rückenmarks, durchbohren
weder die Dura, noch dringen sie in ihre Substanz hinein, sondern diese Haut sendet, wie schon einige, besonders ältere,
Verfasser es aufgefasst haben, mit ihnen Scheiden ab, welche wir im Allgemeinen die ))Duralscheiden der Nerven)) nennen
wollen; innerhalb dieser sendet aber auch die Arachnoidea Scheiden um die Nerven ab, welche wir »die Arachnoidal-
scheiden der Nerven» benennen. Zwischen dieser Dural- und Arachnoidalscheide setzt sich nun überall der Subdural-
raum fort. Am leichtesten und schönsten studirt man diese Verhältnisse am Opticus des Menschen, wo die beiden Scheiden
sehr distinct bis zum Bulbus sich fortsetzen. Ebenso ist es leicht zu sehen, wie die Dura mit dem Nervus trigeminus 65
eine Scheide abgiebt, welche von der verengerten Mündung aus sich erweitert, um einen grösseren Raum oder eine
Höhle zu bilden, worin das Ganglion Gasseri sehr räumlich placirt liegt, ebenso wie die Arachnoidea mit ihrem
Subarachnoidalgewebe mitfolgt und diese Höhle auskleidet. Ein ähnliches Verhältniss findet sich am Acusticus, wo
die Duralscheide den verhältnissmässig weiten Meatus acust. internus bekleidet und der Subduralraum mit ihr sich fort-
setzt. An der Taf. 1. Fig. 10 haben wir die Verhältnisse beim Austritt eines Spinalnerven dargestellt. Diese Figur stellt
den Durchschnitt der motorischen Wurzel eines solchen Nerven dar. An der eigentlichen Stelle, wo der Nerv austritt
und wo also seine Dural- und Arachnoidalscheide auch abgehen, ist die Arachnoidea gewöhnlich durch mehr oder
weniger zahlreiche Balken an der Dura befestigt, und derartige Balken kommen auch später mehr oder weniger
reichlich während des Verlaufs des Nerven vor. Die Hüllen gehen dann früher oder später und unter verschiedenen
Variationen in das Neurilem der Ganglien und Nerven über, während der Subdural- und Subarachnoidalraum in die
serösen Räume des peripherischen Nervensystems sich fortsetzt, wie wir es gezeigt haben und im Folgenden näher
beschreiben werden. Beim Austritt der Nerven ist also der Subduralraum keineswegs geschlossen.
Nachdem wir jetzt den Subduralraum betreffs seiner allgemeinen Verhältnisse geschildert haben, wollen wir
einige Fragen zu näherer Besprechung aufnehmen, welche nur durch Injectionen endgültig gelöst werden können,
nämlich mit Hinsicht auf die Verbindungen dieses Raums mit den Subarachnoidalräumen, den Ventrikeln, den Blut-
gefässen, dem serösen Spaltensystem der Dura, dem Lymphgefässsystem, den serösen Bahnen des peripherischen
Nervensystems u. s. w. Da wir aber unten an den betreff. Stellen auf die meisten dieser Fragen zurückkommen werden,
können wir uns hier lediglich -darauf beschränken, dieselben nur ganz im Allgemeinen zu berühren. Zuerst mag
es indessen am besten sein, über die von uns sowohl bei den Injectionen des Subduralraums als bei
denen des Subarachnoidalraums angewandte Methode zu berichten.
Die von uns am meisten gebrauchte Injectionsflüssigkeit ist das Richardson sehe Blau ohne Leim, aber theils
mit, theils ohne Zusatz von Glycerin und Alkohol. Bei Doppelinjectionen haben wir gewöhnlich, nebst der genannten
Flüssigkeit für das eine System der serösen Räume, für das andere eine durch aufgeschwämmten Zinnober oder
durch einen neubereiteten Niederschlag von brauner Kupfereisencyanur gefärbte, sehr schwache Leimlösung ange-
wandt. Wenn wir erstarrende Injectionen wünschten, um die Räume fortwährend ausgespannt zu erhalten oder um
Abgüsse derselben zu bekommen, gebrauchten wir theils starke gefärbte Leimlösungen, theils Mischungen von Fett-
arten (Paraffin, Cacaobutter und Baumöl). Wenn diese Massen angewandt wurden, haben wir natürlich die zu in-
jicirenden Gegenstände erwärmt; beim Menschen wurde dies durch eine anhaltende warme Douche über Kopf und
Rücken erreicht; durch einen warmen Wasserstrom um den Injectionsapparat wurde die Flüssigkeit während der
Injection warm erhalten.
Das eigentliche technische Verfahren ist sehr einfach gewesen. Der ganze Apparat bestand aus einem gläsernen
Trichter, welcher mittelst eines Kautschukrohres mit einer aus einem schmalen Glasrohr gebildeten Injectionscanüle
vereinigt war. Die Canüle war am freien Ende zu einer Spitze conisch ausgezogen, welche durch Schmelzung ab-
gerundet war, um Zerreissungen bei ihrem Einführen zu entgehen. In der Nähe der Canüle war das Kautschukrohr
mittelst einer eingeschobenen Glasröhre unterbrochen, theils um die strömende Flüssigkeit auf Luftblasen u. d.
zu controlliren, theils um als eine Befestigungsstelle der den Strom regulirenden Klammer zu dienen. Der Trichter
wurde so aufgehängt, dass er leicht gehoben und gesenkt werden konnte, je nachdem man den Druck zu erhöhen oder
zu erniedrigen wünschte. Beim Ausführen der Injectionen wurde die Flüssigkeit in den Trichter gegossen; wir liessen sie
dann das Leitungsrohr durchströmen, bis die Luft ausgetrieben war; dann wurde die Strömung durch die Klammer
unterbrochen, wonach die Injectionscanüle zwischen Dura und Arachnoidea, wenn der Subduralraum, und durch Dura und
Arachnoidea, wenn die Subarachnoidalräume injicirt werden sollten, eingeführt wurde; dann wurde der Strom geöffnet
und die Flüssigkeit durch ihre eigene Schwere eingelassen. Anfangs wurde ein sehr geringer Druck angewandt;
während des Verlaufs der Injection wurde er allmählig gesteigert; wir haben indessen nur selten einen Druck von
mehr als 60 Mm. Quecksilber angewandt. Nachdem die Injection begonnen war, wurde sie während mehrerer, zuweilen
sogar vier und zwanzig Stunden fortgesetzt. Während des Verlaufs der Injection bedarf es keiner anderen Aufsicht
als Regulirung des Druckes und Anfüllung des Trichters. Man bedarf keines besonderen Verfahrens um die Canüle
zu befestigen, wenn man nur die Oeffnung in der Dura so fein macht, dass ihr Rand durch die conische Canüle
selbst erweitert wird, welche dadurch von der Dura dicht umschlossen und fest gehalten wird. Um reine In-
jectionen des Subduralraums oder der Subarachnoidalräume zu bekommen, ist es natürlicher Weise nothwendig,
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 66
die grösste Vorsicht beim Einführen der Canüle zu beobachten. Nicht selten, wenn man bei Subduralinjection
die Arachnoidea nicht beschädigt zu haben glaubt, ist dies doch geschehen, und man erhält dann eine gemischte
Injection, wodurch man, sofern sie nicht controllirt wird, einen natürlichen offenen Zusammenhang zwischen den
Subdural- und Subarachnoidalräumen annehmen könnte; andererseits geschieht es auch leicht bei Subarachnoidal-
injectionen, dass die Oeffhung in der Arachnoidea zu gross wird, um die eingeführte Canüle dicht zu umschliessen,
und man erhält auch dann eine gemischte Injection. Zuweilen ist es schwierig, besonders bei kleinen Thieren und
bei Injection vom Rückgrat aus, durch die feine Oeffhung in der Dura zu sehen, ob die darunter liegende Arach-
noidea beschädigt ist oder nicht. Als Merkmal in dieser Beziehung können wir anführen, dass wenn die Arachnoidea
unbeschädigt ist, sie im Allgemeinen durch die feine Duraöffnung als ein helles Häutchen sich blasenartig hervor-
bau cht, besonders wenn man den entgegengesetzten Körpertheil des zu injicirenden Individs etwas erhebt; wenn
man an Menschen oder Thieren, bei welchen schon ein Paar Stunden nach dem Tode verflossen sind, operirt, fliesst
auch dabei keine Flüssigkeit heraus. Bei Subduralinjectionen hat man dann die Canüle vorsichtig zwischen den
beiden Häuten nach oben oder nach unten einzuführen. Bei Subarachnoidalinjectionen dagegen fasst man mit einer
scharf greifenden Pinzette die in der Oeffhung der Dura befindliche Arachnoidea und macht einen nur sehr kleinen
Schnitt in die so gefasste Falte; die Subarachnoidalflüssigkeit fliesst dann sogleich durch die Oeffhung heraus; man
führt durch diese den einen Griff einer sehr feinen Pinzette, der andere Grift' wird ausserhalb der Dura gehalten;
in dieser Weise fixirt man den Rand der Arachnoidalöfihung am Rande der Duraöffnung. Es ist gut, auch den
anderen Rand der Arachnoidalöffhung in derselben Weise zu fixiren, während ein Gehülfe die Injectionscanüle
hineinführt und sie in die Duraöffnung befestigt. Wenn die Oeffhung in der Arachnoidea zu gross wird
oder wenn die Canüle zurückweicht, strömt die Flüssigkeit auch in den Subduralraum hinaus, und die Injection
wird gemischt.
Wir sind in der Beschreibung dieser eigentlich so äusserst einfachen Manipulationen etwas umständlich ge-
wesen; dies geschah aber hauptsächlich, um eben die Wichtigkeit hervorzuheben, sich gegen unrichtige Resultate
der Injectionen mit aller möglichen Vorsicht zu schützen. Bei den Injectionen Quinckes an lebenden Thieren gelang
es ihm nicht vom Rückenmark aus den Subduralraum allein zu injiciren, sondern er erhielt dabei immer Injection
der Subarachnoidalräume. Dies beruhte darauf, dass er Einstichinjection mit spitziger Canüle machte, wobei man
eben schwerlich vermeiden kann, die Arachnoidea zu beschädigen. Wir haben auch schon seit Anfang dieser Unter-
suchungen bei lebenden Thieren (Hunden, Kaninchen) nach Wegnehmen eines Verteberbogens in oben beschriebener
Weise reine Subduralinjectionen ausführen können, wenn auch zuweilen bei ihnen wie auch bei todten eine Läsion
trotz aller möglichen Vorsicht eintreffen kann. Aus der oben gegebenen Schilderung der Verbindungen zwischen
Arachnoidea und Dura geht hervor, dass die Subduralinjection am besten am Rückgrat unterhalb des Cervicaltheils
ausgeführt wird, weil die am letztgenannten Theil vorkommenden zahlreichen Balken Zerreissungen der Arachnoidea
beim Einführen der Canüle leicht verursachen. Die Arachnoidea kann aber auch schon durch ein zu heftiges Ein-
strömen der Flüssigkeit in den Subduralraum oder durch einen während des Verlaufs der Injection angewandten zu
starken Druck entstehen, wodurch eben die Arachnoidea an den Anheftungsstellen der Balken und Gefässe an der
Innenseite der Dura zu gewaltsam gespannt wird und zerreist. Sonst ist es für ein glückliches Resultat der Sub-
duralinjection ganz gleich, ob sie vom Kopf oder vom Rückenmarkscanal ausgeführt wird. Die Subarachnoidal-
injectionen werden dagegen, besonders wenn man sie mehr umfassend wünscht, am besten und sichersten vom
Rückenmarkscanal aus gemacht, weil das räumliche Subarachnoidalspatium dort ein bequemes Einführen der Canüle
ohne Verletzung der Pia und ohne Zerreissungen der Blutgefässe gestattet. Solche können aber sehr leicht entstehen,
wenn man Subarachnoidalinjectionen vom Gehirn aus unter constantem Druck ausführt, weil man dabei die Canüle
durch die kleine Oeffnung in der Dura und Arachnoidea einschiessen muss, ohne zu wissen, wie man sie in dem
hier kleinräumigen und gefässreichen Subarachnoidalgewebe vorwärts schiebt. Mehr partielle Subarachnoidalinjectionen
gelingen aber sehr leicht durch Einstich unter der Arachnoidea eines entblössten Gehirns, besonders über den Furchen,
sei es, dass dies Organ in situ liegt oder herausgenommen ist.
Bei Injectionen zwischen Dura und Arachnoidea, in der angegebenen Weise ausgeführt, findet man, wie die
Flüssigkeit unbehindert in dem ganzen Subduralraum über Gehirn und Rückenmark sich verbreitet, sei es, dass die
Injection von diesem oder jenem aus gemacht wurde. Der Subduralraum wird hierdurch erweitert, die Arachnoidea
wird mehr oder weniger von der Dura entfernt, um das Rückenmark wird allmählig das Durarohr ausgespannt, und
das Blut wird aus den betreff. Venen gepresst, um der Ausdehnung des Raumes Platz zu geben. Hierdurch wird 67
also erstens die obige Schilderung des Subduralraums als eines ganzen, zusammenhängenden und in allem Wesentlichen
über Gehirn und Rückenmark gleichen Raumes bestätigt. Die nächste wichtige Frage ist nun diejenige: Steht dieser
Raum in offenem Zusammenhang mit den Subarachnoidalräumen, wie in letzterer Zeit von mehreren Ver-
fassern (Schwalbe, Quincke, Henle) angenommen wird, was wir dagegen, wie auch vorher Luschka, verneint haben.
Betreffs dieser Frage mögen ja die Injectionen entscheidend sein. Sie scheinen auch deutlich darzulegen, dass keine solche
Oeffnungen vorhanden sind. Wenn nicht die Arachnoidea auf die eine oder andere Weise beschädigt ist, haben wir,
sogar bei starkem Druck, sowohl bei Menschen als bei Hunden, Katzen und Kaninchen, die vollständigste Füllung
des ganzen Subduralraums, ebenso wie Injectionen von demselben aus in die abführenden Bahnen erhalten, ohne
dass ein einziger Tropfen der Injectionsflüssigkeit in die Subarachnoidalräume eingedrungen ist. In Uebereinstimmung
damit erhält man andererseits die vollständigsten Subarachnoidalinjectionen mit Ausspannung der Subarachnoidalräume
ohne dass ein Tropfen durch die Arachnoidea in den Subduralraum hinausdringt. Bei Stichinjectionen in die Sub-
arachnoidalräume des Gehirns sieht man auch wie die Flüssigkeit fortläuft, ohne bei unbeschädigter Arachnoidea
auf die Oberfläche auszutreten. Bei Injectionen von den Ventrikeln des Gehirns aus, wovon unten die Rede sein
wird, sieht man ebenso sehr gut, wie die Flüssigkeit sich über die Oberfläche des Gehirns ausbreitet, ohne irgend-
wo durch die Arachnoidea zu dringen, bis sie den gemachten Schnittrand erreicht. Die oben angeführte Aeusserung
Schwalbes, dass die Injectionsmasse vom Arachnoidalraum leicht in die subarachnoidalen Räume eindringt, sowie die
Angabe Quinckes, dass, wenn Zinnoberemulsion in den Arachnoidalraum eingespritzt wird, der Zinnober nach wenigen
Tagen aus diesem Raum grösstentheils verschwindet, sich aber in den Subarachnoidalräumen und der Pia des Gehirns
findet, gerade wie nach directer Einspritzung in diesen Raum, sind, soweit wir gefunden haben, die einzigen, auf
Erfahrung und Experimente gegründeten Stützen für die Ansicht, dass der Subduralraum in offener Verbindung
mit den Räumen unter der Arachnoidea stehen soll. Da, wie erwähnt wurde, die Resultate unserer Injectionen ganz
anders ausfielen, schienen uns diese Angaben der geehrten Forscher darauf zu beruhen, dass sie auf die eine oder
andere Weise die Arachnoidea verletzt haben, wie es ja so leicht geschehen kann, auch wenn nicht die Canüle selbst
durch diese Haut geführt wird. Schwalbe hat nicht näher angegeben, wie er seine Injectionen ausgeführt hat.
Quincke machte aber Einstich mit spitzer Canüle durch die Dura in den Subduralraum; dass dabei eine Verletzung
der Arachnoidea schwer zu vermeiden ist, ist leicht begreiflich; nachher kann es eine schwierige Aufgabe werden,
die Läsionsstelle zu finden. Auch ist es natürlich, dass Quincke an den Thieren, bei welchen er angenommen hat,
dass die Masse zuerst im Subduralraum gelegen und dann durch die Arachnoidea von sich selbst in die Subarach
noidalräume eingedrungen sei, nicht durch directe Beobachtung controlliren konnte, dass sie wirklich zuerst in
jenem Raum sich befand. Quincke giebt auch nicht an, in wie vielen Fällen er zu dieser Annahme Veranlassung
zu finden geglaubt hat. Da wir schon bei unseren ersten Untersuchungen in dieser Richtung eine Reihe von Sub-
duralinjectionen an lebenden Thieren ausführten, erhielten wir, bei unbeschädigter Arachnoidea, nie einen Uebergang
der Flüssigkeit in die Subarachnoidalräume. Als die Arbeit Quinckes erschien, machten wir von Neuem solche In-
jectionen mit Zinnoberemulsion vom Subduralraum des Gehirns aus. Die Thiere (Hunde und Kaninchen) wurden nach
2 bis 3 Tagen getödtet. Die Injection war rein subdural. Die Resultate stimmten vollständig mit unseren vorigen
sowohl an lebenden wie an todten Thieren und an Menschenleichen ausgeführten überein. Die Injectionsmasse befand
sich noch im Subduralraum; grösstentheils war sie über dem Gehirn selbst geblieben; nicht das Geringste davon war in
die Subarachnoidalräume eingedrungen. Noch einige Gründe können hier angeführt werden, welche gegen das Vor-
handensein von Öeffmmgen in der Arachnoidea sprechen. Wenn man den Schädel einer Menschenleiche vorsichtig
geöffnet, die Dura an den Seiten mit einer Scheere aufgeschnitten und von der Hirnoberfläche zurückgeschlagen hat,
so findet man ja eben in solchen Fällen, wo ein starkes, natürliches sog. Oedema meningum (d. h. wenn die Sub-
arachnoidalräume durch Cerebrospinalflüssigkeit stark ausgespannt sind) vorhanden ist, dass diese Flüssigkeit nie über
die Oberfläche der Arachnoidea heraustritt; ja man kann sie sogar unter der Arachnoidea verschieben, ohne dass
sie hindurchdringt. Wenn in der That derartige natürliche Oeffnungen vorhanden wären, welche eine Injections-
flüssigkeit vom Subduralraum in die Subarachnoidalräume und umgekehrt leicht einzudringen Hessen, so wäre das eben
erwähnte Verhalten wohl nicht möglich. Einen anderen Beweis erhält man, wenn man bei lebenden Thieren an einer
kleinen Fläche die Dura öffnet, ohne die Arachnoidea zu verletzen. Diese wird dann durch die Subarachnoidalflüssigkeit
in die Oeffnung der Dura blasig hervorgepresst und bleibt dort ausgespannt, ohne ihren Inhalt zu durchlassen. Zuletzt
mag noch bemerkt werden, dass wir, ebensowenig wie andere Forscher, nie etwaige natürlich vorhandene Oeffnungen
in der Arachnoidea des Gehirns und Rückenmarks direct wahrgenommen haben, obwohl wir bei Menschen wie bei 68
Thieren diese Haut, besonders die des Rückenmarks, in grossen Strecken durchmustert haben, bei Kaninchen,
Katzen und Hunden fast in ihrer ganzen Ausdehnung.
Auf Grund alles Angeführten müssen wir also annehmen, dass der Sub dural raum selbst, um Gehirn
sowohl als um Rückenmark an keiner Stelle in unmittelbarem, offenem Zusammenhang mit den Sub-
arachnoidalräumen steht, sondern dass die Arachnoidea hier überall ein geschlossenes Grenzhäutchen zwischen
beiden bildet. Anders verhält es sich, wie unten näher gezeigt werden soll, in den peripherischen Bahnen, durch
welche nämlich die beiden Raumsysteme sich verbinden.
Wenden wir uns jetzt zu der Frage, ob der Subduralraum mit den Ventrikeln zusammenhängt,
und wie es sich in der That mit dem Canalis Bichati verhält, dessen Vorhandensein so viele Verfasser bestätigen
zu können glaubten. Die Hauptfrage selbst wird sehr leicht durch directe Injectionen entschieden. Nie dringt
bei reinen Subduralinjectionen Flüssigkeit in die Ventrikel des Gehirns hinein, nie tritt bei Injectionen von den
Ventrikeln aus Flüssigkeit in den Subduralraum hinaus. Ein offener Zusammenhang kann also nicht vorhanden sein.
Welcher Art sind denn die Verhältnisse, die Bichat und andere Forscher verleitet haben, einen so bedeutenden Canal,
wie der Canalis Bichati sein sollte, anzunehmen? An sich sind diese Verhältnisse zwar ziemlich einfach, aber
doch so beschaffen, dass sie leicht zu Missverständnisse Veranlassung geben können; sie scheinen uns auch bisher
noch nicht vollständig erläutert zu sein.
Beim Herausnehmen des Gehirns, bei dem Zerren, welche das Abtragen des Schädeldachs von der Dura verur-
sacht, oder beim Zurückschlagen der Dura von der Oberfläche des Gehirns, oder überhaupt bei jeder Dehnung der
Stelle, wo eine Vene von der Arachnoidea zur Dura übergeht, berstet äusserst leicht jene Haut rings um das Gefäss,
da, wo sie sich von der Venenwand zur Dura hinüb er schlägt; durch diese Berstung entsteht rings um das Gefäss ein
Loch in der Arachnoidea, welches oft so äusserst ebene Ränder hat, dass man nur durch Kenntniss vom Entstehen
solcher Berstungen und durch eine sehr genaue Untersuchung sich überzeugen kann, dass hier ein Kunstproduct
vorliegt. Dies Loch leitet in das Subarachnoidalgewebe hinein. Da nun die gröberen Venen dieses Gewebes, wie
unten näher gezeigt werden soll, theils frei in röhrenförmigen, ziemlich weiten Subarachnoidalräumen, theils mehr
oder weniger an deren Wänden befestigt verlaufen, so scheint, nach einer solchen Berstung der Arachnoidea um
die Vene, der Subduralraum in weite, die Gefässe umgebende und begleitende Canäle, in das Subarachnoidalgewebe
hinein sich fortzusetzen. Eben auf diese Weise sind die Beschreibungen und die Annahme eines Canalis Bichati
entstanden, welcher Canal die Vena Galeni umgeben und einen offenen Zusammenhang zwischen dem Subduralraum
(resp. Arachnoidalsack) und dem dritten Ventrikel darstellen sollte. In der That sind die Bilder, welche man in
der Fissura transversa beim Eintritt der genannten Vene vom unteren Rand des Tentorium cerebelli in das Gehirn
erhalten kann, äusserst verleitend, in Folge davon, dass Berstungen oben beschriebener Art hier nur mit der aller-
grössten Vorsicht vermieden werden können. Die leichteste Dehnung oder Verschiebung des Gehirns nach vorn,
nach hinten oder nach den Seiten gegen das am Schädel fixirte Tentorium reicht hin, um Berstungen hervorzurufen.
Wenn man in der üblichen Weise das Gehirn in Zusammenhang mit dem Kleinhirn, unter Zurücklassen des Tentorium
und Durchschneiden der Vena Galeni an ihrem Austritt aus dem Tentorium, herausnimmt, erhält man ein Bild, welches
mehr oder weniger dem in der Tafel 3. Fig. 9 dargestellten ähnelt. Die Vene ist an der Durchschnittstelle in drei
Zweige getheilt (Vv. cerebri int. dextra et sinistra, V. cerebelli sup. Media), und in ihrer Umgebung finden sich ver-
schiedene Zerreissungen und Berstungen. Wendet man aber grössere Vorsicht an, schneidet man überall das Ten-
torium bei seiner Anheftung los und lässt es bei der Herausnahme des Gehirns mitfolgen, so erhält man bei gelindem
Abheben des kleinen Gehirns vom grossen gewöhnlich ein solches Bild wie das in der Taf. 3. Fig. 10 dargestellte.
Die Vena Galeni scheint hier in einem nach dem Subduralraum offenen Canal oder trichterförmigen Raum, welcher
die Vene begleitet, zu verlaufen. Es sind eben solche Bilder, welche die Annahme eines Canalis Bichati veranlasst
haben; die zum Canal leitende Oeffnung wurde Foramen Bichati genannt. Auch Luschka hat dadurch sich verleiten
lassen, anzunehmen, dass die Arachnoidea selbst sich einsenkt, um die Vene scheidenförmig zu umgeben und Scheiden
um ihre Zweige mitzusenden, obwohl er verneint, dass die Canäle sich in den dritten Ventrikel öffnen. Er Hess
die Arachnoidea sich allmählig in der Adventitia der inneren Gehirnvenen verlieren. In der That ist nun die Oeff-
nung ein Kunstproduct, auf die oben angegebene Weise durch Berstung der Arachnoidea an ihrer Befestigung an
der Dura rings um den Eintritt der Vene entstanden; der Canal oder Trichter, welchen man sieht, ist ein in dieser Weise
geöffneter, perivasculärer Subarachnoidalraum, welcher hier immer sehr stark entwickelt und mit mehr als gewöhnlich
starken und dichten Wänden versehen ist. Keine Injectionsmasse dringt bei Subduralinjectionen in denselben hinein. 69
Auf der Tafel 3 findet man in der Fig. 3 bei x eine ganz ähnliche nur etwas kleinere Oeffnung um den Eintritt der
Vena ophthalmo-meningea Hyrtl herum in der Fossa Sylvin Auch diese Oeffnung, welche hier leicht zur Ansicht zu
bekommen sein pflegt, konnte zur Annahme der Existenz einer entsprechenden canalförmigen Verlängerung des Sub-
duralraums wie der des Canalis Bichati Anlass geben. Zuweilen gelingt es, wenn man in beschriebener Weise das
Tentorium und das Gehirn ausnimmt, Berstungen um die Vena Galeni zu vermeiden; man findet dann die Arachnoidea
unzerrissen, am Tentorium um die Vene herum sich befestigend und das falsche Foramen Bichati verschliessend.
Am sichersten lässt sich die Befestigung der Arachnoidea an der Dura um die Vena magna darstellen, wenn man
mit dem Gehirn in situ nach Abtragen des Schädeldachs successive die hinteren Theile der grossen Hemisphären,
am besten beiderseits bis zum Tentorium hinab wegschneidet und auf diese Weise, ohne etwaige Zerreissungen zu
verursachen, die fragliche Stelle entblösst. Auch bei einem derartigen Verfahren kann oft den Berstungen nicht
entgangen werden; deswegen darf man nicht jedes Mal erwarten, einen zuverlässigen Einblick in die Verhältnisse zu
erhalten. Auf der Taf. 3. Fig. 8 ist ein Durchschnitt des Canals in situ nebst dem Eintritt der Vene in das Sub-
arachnoidalgewebe zwischen dem Splenium corporis callosi, dem kleinen Gehirn und den Corpora cjuadrigemina dar-
gestellt. In der Fig. 7 sieht man zwar nicht den eigentlichen Eintritt der Vene, hingegen ihre Lage in dem ver-
hältnissmässig weiten Raum im Subarachnoidalgewebe, wie auch ähnliche Räume hier um die kleineren Venen herum
deutlich wahrzunehmen sind. Arnold, welcher annimmt, dass der Canal wirklich so vorhanden sei, als es Biciiat
angegeben hat, also in offener Verbindung mit dem Subduralraum und dem dritten Ventrikel steht, hat eine Ab-
bildung derselben beim Schafe geliefert. Um zu zeigen, wie es sich dort wie auch bei einigen anderen Thieren in
der That verhält, geben wir in der Taf. 4. Fig. 1 dies Verhältniss wieder. Man erhält aus dieser Figur leicht eine
Erklärung der Arnold’schen Auffassung, welche sich dadurch auch als unrichtig erweist. Wir werden hierauf bei
der Beschreibung der Subarachnoidalräume und des Velum interpositum zurückkommen.
Nachdem wir also darzulegen versucht haben, dass der Subduralraum weder mit den Subarachnoidalräumen
noch mit den Ventrikeln in Zusammenhang steht, werden wir jetzt zu der Frage übergehen, ob er mit den
Blutgefässen der Dura, wie Boehm angenommen hat, in offener Verbindung steht oder durch Spalten an der
Innenfläche der Dura mit Lymphbahnen in dieser Haut zusammenhängt, wie in letzterer Zeit einige Verfasser
(Paschkewicz, Michel, Frey) angenommen haben. Bei der Beschreibung der Dura werden wir indessen näher auf
diese Verhältnisse eingehen und beschränken uns hier darauf, dieselben nur in gedrängter Kürze zu berühren. Betreffs
des »accessorischen Capillarsystems» von Boehm soll hier nur angeführt werden, was schon oben in der Historik aus
einer unserer vorigen Arbeiten hauptsächlich dargestellt wurde, nämlich dass dieses Netz immer blutführend ist,
sowohl mit Venen als mit Arterien zusammenhängt und von beiden Systemen aus in vollständiger Weise injicirt
werden kann, ohne dass ein Tropfen der Injectionsflüssigkeit in den Subduralraum hinaustritt, welche Verhältnisse
wir immer als einen entscheidenden Beweis dafür ansehen, dass das fragliche Capillarnetz trotz seiner Eigenthüm-
lichkeiten ganz und gar dem Blutgefässsystem angehört und keineswegs in offener Verbindung mit dem Subdural-
raum steht. Diese Resultate wurden auch durch die späteren Untersuchungen von Paschkewicz und Michel bestätigt.
Nach subduralen Injectionen an lebenden Thieren sahen wir, ebenso wie Quincke, dies Gefässsystem nie direct die körnige
Masse aufnehmen. Es verdient hier bemerkt zu werden, dass Boehm selbst nach seinen Resorptionsversuchen und
subduralen Injectionen mit Milch bei todten Thieren, wobei er die Milch in den eigentlichen Duralvenen wiederfand,
dieselbe in dem fraglichen Gefässnetz nie aufweisen konnte, obwohl er dies Netz als Vermittler des Ueberganges
annahm. Bei Stichinjectionen in die Dura findet man das Netz oft zusammen mit den Venen gefüllt, aber auch dabei
dringt die Flüssigkeit nicht in den Subduralraum hinaus, insofern keine Berstungen entstehen. Die Frage vom
Zusammenhang dieses Gefässnetzes mit dem Subduralraum mag also als entschieden angesehen werden. Betreffs
der Spalten hingegen an der Innenseite der Dura, durch welche der Subduralraum mit den Lymphbahnen im Innern
der Dura Zusammenhängen soll, haben wir, so natürlich auch ihre Existenz in Anbetracht des Baues der Dura wäre,
doch keine Beweise für ihr Vorkommen gefunden, wohl aber eine Menge von Umständen, welche dagegen sprechen.
Wirkliche Spalten sind in der Dura gewiss vorhanden, aber, soweit wir finden konnten, nur in Zusammenhang mit
den Arachnoidalzotten. An diesen dringt auch die Injectionsmasse, wie wir gezeigt haben, ins Innere der Dura hinein,
aber nicht anderwärts; es sind indessen keineswegs diese an bestimmten Regionen vorkommenden Bildungen, welche
die genannten Verfasser gemeint haben, sondern nach deren Ansicht sollten die Spalten über die freie Fläche
der Dura im Allgemeinen zerstreut liegen. Wenn sie wirklich vorhanden wären, so würde gewiss eine so leicht
Key und Retzitjs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 70
fliessende Masse wie Richardsons Blau bei lange und unter liebem Druck ausgeführten Subduralinjectionen in sie ein-
dringen und von ihnen ins Innere der Dura fortlaufen; das ist aber keineswegs der Fall. Aber nicht nur bei todten
Thieren sondern auch bei lebenden erhielten wir bei unseren Subduralinjectionen stets solche negative Resultate.
Die sehr feinkörnige Masse dringt auch bei diesen Injectionen nicht durch Spalten an der Innenfläche der Dura in
diese Haut hinein. Michel, welcher die Existenz solcher Spalten annimmt, konnte auch nicht finden, dass bei seinen
Subduralinjectionen die Flüssigkeit in die supponirten Spalten eindrang; er stützt seine Annahme von ihrem Vorhanden-
sein darauf, dass bei Stichinjectionen zwischen Dura und Schädel das Spaltensystem der Dura mater sich füllt und
die Flüssigkeit auf der Innenfläche der Dura durch längliche, spaltähnliche Oeffnungen ausdringt. Er nimmt deswegen
an, dass der Flüssigkeitstrom während des Lebens nicht vom Subduralraum in die Dura geht, sondern umgekehrt
von aussen nach innen, also vom Gewebe der Dura in den Subduralraum hinein. Wenn aber Oeffnungen der ange-
gebenen Art wirklich vorhanden wären, so müsste die Injectionsmasse auch vom Subduralraum aus durch dieselben
eingepresst werden können. Nach Allem, was wir finden konnten, sind indessen die geschilderten Spalten Kunst-
producte, sowie das Hervordringen der Flüssigkeit auf der Innenfläche der Dura von ihrem Innern die Folge von
Zerreissungen ihres dünnen bekleidenden Häutchens ist. Wenn man genau beobachtet, was im Allgemeinen sich ereignet,
ehe die Masse frei hervortritt, so glauben wir, dass man schwerlich zu einem anderen Resultate gelangen kann.
Führt man die Stichinjection an einer herausgenommenen Dura des Menschen aus, so sieht man, wie die Flüssigkeit sich
ausbreitet, gewöhnlich früh in die Venen hinübertretend und dicht an der Innenfläche der Haut an längeren oder
kürzeren, oft aber sehr langen Strecken in der Gestalt von Streifen zwischen den Bündeln der Dura verlaufend,
ohne dass etwas von der Injectionsflüssigkeit frei heraustritt; bei fortgesetzter Injection, z. B. von dem äusserst fein-
körnigen Richardson’schen Blau, findet man, wie das innere bekleidende Häutchen der Dura sich bauchig über die
erwähnten Streifen ausspannt, welche offenbar Spalten zwischen den oberflächlichen Bündeln der Dura bezeichnen,
ebenso wie das Capillarnetz sich hier oft mehr oder weniger vollständig in Zusammenhang mit den Venen anfüllt,
ohne dass ein einziges blaues Körnchen auf die Oberfläche hinaustritt; dagegen siekert die klare Flüssigkeit,
in welcher die Körnchen aufgeschwemmt sind, hindurch; hierbei geschieht also unter dem hohen Druck eine wirkliche
Abfiltrirung der äusserst feinen Körnchen, und dies beweist offenbar, dass keine wirkliche Oeffnungen vorhanden sind.
Setzt man nun die Injection fort, so sieht man gewöhnlich, wie an einer oder anderen Stelle, bisweilen an mehreren,
plötzlich eine Beratung entsteht und wie die gefärbte Flüssigkeit mit ihren Körnchen auf die Oberfläche hinausströmt.
Wenn man die noch am Schädeldach befestigte Dura durch Einstich injicirt, wobei sowohl diese Haut im Ganzen als
ihr bekleidendes Häutchen ausgespannt ist und dem Druck weniger leicht nachgeben kann, so scheinen selbst-
verständlich die Beratungen an der Innenfläche viel leichter zu entstehen, aber auch in diesem Fall sieht man mehr
oder weniger die oben genannten Erscheinungen und wie die Masse oft in grosser Ausdehnung in die Venen über-
geht, ehe die Berstungen an der Innenfläche entstehen.
Wenn wir also finden, dass der Subduralraum nicht durch etwaige Spalten an der freien Innenfläche der Dura
mit den serösen Bahnen im Innern dieser Haut zusammenhängt, so sehen wir doch, dass auf einigen anderen
Wegen dieser Raum einen Ablauf erhält. Erstens findet sich, wie schon angedeutet wurde, eine solche
Verbindung durch die eigenthümlichen Arachnoidalzotten, welche von der Arachnoidea her durch wirkliche
Spalten zwischen den Bündeln der Dura sich einsenken, um dann in der Regel mit ihren kolbenförmigen Enden in
die Venen oder venösen Sinus einzuschiessen. Auch bei sehr niedrigem Druck dringt die Flüssigkeit vom Subdural-
raum aus rings um diese Zotten in die venösen Sinus ebenso wie in deren Umgebung in die Spalten zwischen den
Durabündeln hinein, üeber die näheren Verhältnisse beim Uebergang der Flüssigkeit vom Subduralraum durch die
in dieser Beziehung so wichtigen Arachnoidalzotten in das Venensystem wird unten in eingehenderer Weise berichtet,
und verweisen wir deswegen hier auf das betreffende Capitel.
Betreffs der zweiten Art des Zusammenhangs des Subduralraums, nämlich mit dem eigentlichen, peripherischen
LymphgefässSystem des Körpers, haben wir bei unseren späteren Untersuchungen hauptsächlich nur das bestätigen
können, was wir hierüber vorher mitgetheilt und in der Historik angeführt haben. Beim Menschen ist es uns bisher
nicht gelungen, ableitende Lymphgefässe injicirt zu erhalten, obwohl die Injectionsflüssigkeit hier sehr leicht durch
Vermittlung der Arachnoidalzotten in die Venen übergeht. Es scheint deswegen, als ob beim Menschen die ablei-
tenden Lymphgefässe bei der Flüssigkeitsresorption von dem Subduralraum aus im Verhältniss zu den bei ihm so
reichlich vorhandenen Arachnoidalzotten eine sehr untergeordnete Rolle spielen. Bei Thieren, wo diese Zotten weniger
entwickelt sind, oder bei solchen, wo sie aller Wahrscheinlichkeit nach ganz fehlen (so haben wir sie z. B. noch 71
nicht beim Kaninchen gefunden), erhält man dagegen ziemlich leicht Injection der abführenden Lymphgefässe; bei
Thieren scheinen also die letzteren mehr entwickelt zu sein. Wir haben diese abführenden Lymphgefässe vorzugs-
weise bei Hunden und Kaninchen studirt. Durch dieselben erhält man oft Injection der Lymphstämme des Halses,
sowohl der tieferen als der oberflächlicheren. Die zu ihnen leitenden Lymphstämme verfolgten wir nicht nur durch
das Foramen jugulare hinaus sondern auch mit der Carotis durch den Canalis caroticus, und scheinen sie mithin
die grösseren Gefässe bei ihrem Austritt aus der Schädelhöhle zu begleiten. Ausserdem haben wir oft bei Kaninchen
O
im Gesicht Injection eines grösseren Lymphstammes erhalten; dieser läuft dann von der Orbitalgegend vor dem
Masseter den Unterkiefer hinab, und dadurch hat sich eine kleine Lymphdrüse am Mundwinkel gefüllt; seinen Verlauf
bis zu dem Subduralraum gelang uns doch nicht ganz sicher darzulegen. Besonders reichlich füllt sich vom Sub-
duralraum ein prachtvolles Lymphgefässnetz in der Nasenschleimhaut, welches Netz den grössten Theil der Maschen
zwischen den Blutcapillaren aufnimmt. Unten werden wir eine nähere Beschreibung von diesem Netz und seinem
Verhältniss zu den Blutgefässen und zu der Injection der Nerven, welche gleichzeitig erhalten wird, geben. In Zu-
sammenhang mit diesem Lymphgefässnetz der Nasenschleimhaut ist es uns einige Mal gelungen, eine sehr vollständige
Injection des Lymphgefässnetzes des Gaumens sowie Injection von Stämmen, die von diesen zu den Lymphdrüsen
des Halses führen, zu erhalten. Unten geben wir eine Abbildung davon. Der eben erwähnte Ablauf nach den Lymph-
gefässen der Nasenschleimhaut scheint uns bei Thieren einer der wichtigsten für den Subduralraum zu sein, insoweit
von dem directen Ablauf durch Lymphgefässe die Frage ist. Es versteht sich, dass derselbe gar nichts mit den An-
nahmen der Alten über die Pituita und ihren Ablauf nach der Nase und dem Schlund, welchen sie sich in einer
ganz anderen Weise vorstellten, zu thun hat. Von dem Subduralraum des Rückenmarks konnten wir nie ableitende
Lymphgefässe finden. Schwalbe giebt an, dass in einem seiner Fälle die Glandulm lymphaticm auch hier injicirt
waren, und er glaubt, dass dieser Befund keine andere Deutung zulässt, als dass der Arachnoidalraum des Rücken-
marks auch direct mit dem Lymphgefässsystem in Zusammenhang steht; er hat sich aber in sehr unbestimmter Weise
geäussert und nicht einmal besonders angegeben, welche Lymphdrüsen injicirt wurden, sowie durch welche Lymph-
gefässe dies geschah. Es mag deswegen sehr schwer sein, aus dieser allein stehenden Wahrnehmung bestimmte
Schlüsse zu ziehen. Auf Grund der in dieser Hinsicht stets negativen Resultate unserer Injectionen müssen
wir es als höchst problematisch anseheu, ob in der That einige Lymphgefässe von diesem Theil des Subduralraums
abgehen. Es scheint sogar etwas schwer einzusehen, wo sie abgehen würden, da man an die Beschaffenheit
der Stellen denkt, wo die Lymphgefässe vom Subduralraum des Gehirns abgehen und hiermit die Verhältnisse am
Rückenmark, welche davon ganz verschieden sind, vergleicht. Am Gehirn gehen diese Gefässe ja nur mit den grös-
seren Blutgefässen und mit den Zweigen des Nervus olfactorius; mit den übrigen Nerven treten sie aber nicht hin-
aus, und am Rückenmark finden sich keine ein- oder abgehenden grösseren Blutgefässe. Aus Allem geht hervor,
dass nach unserer Ansicht, obwohl wir die Möglichkeit ihres Vorhandenseins nicht leugnen wollen, besonders die
negativen Resultate unserer zahlreichen Injectionen in hohem Grade dagegen sprechen.
Die dritte Art, in welcher der Subduralraum des Gehirns und Rückenmarks sich nach aussen verbindet, ist,
wie wir gezeigt haben, sein wichtiger Zusammenhang mit den serösen Bahnen des peripherischen Nerven-
systems bis in die letzten Verzweigungen desselben hinaus. Schon oben haben wir gezeigt, dass der Subduralraum
an dem Austritt der Nervenwurzeln nicht geschlossen ist, sondern dass er innerhalb der Scheide, welche die Dura mater
mit den Nerven sendet, sich fortsetzt. Durch Injectionen von dem centralen Subduralraum aus erhält man zuerst
diese Subduralräume der abgehenden Nerven gefüllt. Wie diese Räume sich in den Ganglien und den peripherischen
Nerven im Allgemeinen zu den mit den Nerven sich auch fortsetzenden Subarachnoidalräumen verhalten, werden wir
unten in einer besonderen Abtheilung schildern. Hier mag nur aus der obigen Historik das Wichtigste von dem
erinnert werden, welches wir schon in früheren Arbeiten mitgetheilt haben. Von dem centralen Subduralraum aus
erhielten wir durch die Ganglien und Nerven eine fortlaufende Injection, so dass dadurch eine in verschiedenen
Fällen mehr oder weniger ausgebreitete Füllung sämmtlicher abgehender Nerven entstand; so z. B. mit allen Augen-
nerven und mit den Zweigen des Olfactorius, mit dem Acusticus und Facialis, mit dem Hypoglossus bis zu seinem
Eintritt in die Zunge, mit dem Trigeminus, dem Ganglion Gasseri vorbei, in seine Zweige hinaus u. s. w. So auch an
den Rückenmarksnerven weit nach aussen von den Ganglien, z. B. mit den Intercostal-, Lumbal- und Sacralnerven,
und dies zuweilen in sehr vollständiger Weise. Für die eingehendere Beschreibung dieser Verhältnisse weisen wir
aber auf das betreff, Capitel hin. 72
Nachdem wir also den Snbdnralraum und seine Verbindungen übersichtlich geschildert haben, werden wir
jetzt zu der so vielfach debattirten Frage übergehen, ob dieser Raum unter normalen Verhältnissen eine Flüssigkeit
enthält oder nicht.
Dass die eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit nicht in diesem Raum, sondern, wie Magendie, Ecker, Luschka,
Virchow, Henle u. A. es behauptet haben, in den Räumen unterhalb der Arachnoidea und in den Hirnhöhlen sich
befindet, ist eine so sichere Thatsache, dass kein Zweifel hieran mehr entstehen kann. Beweisend ist in dieser Hin-
sicht, wie wir oben hervorgehoben haben, schon der Umstand, dass an der Hinterfläche des Rückenmarks die Arach-
noidea in Folge ihrer Verwachsungen an die Dura, nur sehr wenig von dieser Haut entfernt werden kann, während
dagegen der Subarachnoidalraum hier rings um das Rückenmark immer ausgespannt und gefüllt gehalten werden muss.
Dass man bei Leichenöffnungen keine Flüssigkeit im Subduralraum angesammelt findet, sogar unter solchen Verhältnissen,
wo die Subarachnoidalräume über die Oberfläche des Gehirns durch eine solche Flüssigkeit stark ausgespannt sind,
ist gewiss auch eine Thatsache, welche ein Jeder, der eine grössere Anzahl von Sectionen ausgeführt hat, bestätigen
kann. Gewiss wird auch ein Jeder, der diese Erfahrung hat, in die von Virchow so stark betonte Aeusserung
einstimmen, dass bei exsudativen und irritativen Zuständen in der weichen Haut des Gehirns der Erguss in der Regel
nicht, wie bei Erregungszuständen in anderen serösen Häuten, auf der Oberfläche dieser Haut (d. h. in den Subdural-
raum), sondern in die Maschenräume unterhalb der Arachnoidea (d. h. in die Subarachnoidalräume) erfolgt. Man
findet also in der Regel bei jeder Section, obwohl der Schädel mit grösster Vorsicht und ohne Verletzung der Dura
geöffnet wurde, was bei einiger Hebung leicht ausgeführt werden kann, wie über den ganzen convexen Theil
des Gehirns die Arachnoidea sich der Dura dicht anschmiegt, ohne einer Flüssigkeit Platz zu lassen. Eine solche
fliesst auch nicht heraus, wenn man die Dura öffnet. Nachdem aber in der üblichen Weise das Gehirn ausgenom-
men ist, findet man ebenso regelmässig in grösserer oder geringerer Menge eine Flüssigkeit an der Schädelbasis,
besonders in den Fossse cerebelli angesammelt; diese Flüssigkeit liegt dann frei auf der Dura. Dieser Umstand hat
Manche missleitet, und in älterer Zeit scheint man sogar im Allgemeinen ohne Weiteres angenommen zu haben,
dass sie wirklich von dem Arachnoidalsack selbst oder dem Subduralraum herrührte. Die geringste genauere Beach-
tung der Verhältnisse zeigt indessen, dass eine solche Annahme jeder Berechtigung ermangelt. Ueber der Basis
des Gehirns, besonders über dem Pons Varolii und in der Umgebung der Medulla finden sich nämlich, wie es
seit Magendie bekannt ist, grosse Subarachnoidalräume, welche in der That viel umfangsreicher sind, als man
gewöhnlich annimmt. In der üblichen Weise ist es nicht möglich das Gehirn auszunehmen, ohne dass diese Räume
geöffnet werden, wodurch dieselben mehr oder weniger vollständig entleert werden. Schon bei der Durchschneidung
der beiden Optici werden diese Räume eröffnet, und wenn auch die über die Räume befindliche Arachnoidea
sonst geschont werden könnte, würden doch eben so viele Abflusscanäle offen gelegt wie Nerven durchschnitten
werden, da diese alle von Arachnoidalscheiden umgeben sind. Diese bei der Herausnahme des Gehirns austretende
Flüssigkeit stammt aber nicht nur aus den genannten weiten Subarachnoidalräumen, sondern auch aus den mit diesen
in offener Verbindung stehenden Hirnventrikeln, wie wir unten zeigen werden. Obwohl, diese Verhältnisse nunmehr
gar nicht zu bezweifeln sein sollten, so findet man doch, dass solche Zweifel von Neuem entstanden sind, und in der
betreff, neulich erschienenen Abhandlung von Hitzig liest man folgende Bemerkung: »Wenn die Erklärung, dass
die bei Sectionen menschlicher Leichen an der Schädelbasis gefundene Flüssigkeit lediglich aus dem durch die Säge
zerrissenen Gewebe der Pia ausgeflossen sei, richtig wäre, so würde man ja dieses Ausfliessen aus der erst nach
vollkommener Freilegung verletzten Gefässhaut des todten Hundes sehen müssen». Dieser Einwand ist indessen
von keiner Bedeutung. Die fragliche Flüssigkeit rührt unter gewöhnlichen Verhältnissen nur zu einem sehr geringen
Theil von den Verletzungen her, welche bei der Aufsägung des Schädels der »Pia» der Convexität des Gehirns zugefügt
wurden, grösstentheils stammt sie dagegen aus den grossen basalen Subarachnoidalräumen, welche bei dem Heraus-
nehmen, ja sogar schon bei Erheben des Gehirns zerrissen werden; man braucht in der That nur ein einziges Mal
genau nachzusehen, wie es beim Ausnehmen eines Gehirns vor sich geht, um sich von der Richtigkeit dieser That-
sache zu überzeugen und um zu sehen, wie die grossen Subarachnoidalräume geöffnet und entleert werden. Oben
wurde angegeben, dass auch beim Eröffnen der Dura des Rückenmarks keine Flüssigkeit hervortritt, dass dagegen
die Arachnoidea sich im Loch ausspannt und gewöhnlich durch die unter ihr befindliche Cerebrospinalflüssigkeit etwas
blasig hervorgewölbt wird. Erst nach Aufschneiden der Arachnoidea fliesst die Flüssigkeit heraus. Durch dies Alles
wird nun, was sonst nicht mehr darzulegen nöthig sein sollte, bewiesen, dass die eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit
nicht im Subduralraum sondern in den Subarachnoidalräumen sich befindet. 73
Obwohl man also bei Sectionen menschlicher Leichen und bei todten Thieren keine Flüssigkeit im Subdural-
raum an gesammelt findet, soll damit aber keineswegs verneint sein, dass eine Flüssigkeit in geringer Menge als
die Flächen befeuchtend dort vorhanden ist. Kein Verfasser hat wohl eigentlich dies leugnen wollen; die meisten
geben sogar ausdrücklich an, dass sich das wirklich so verhält. Der spiegelnde, feuchte Glanz, den die gegen ein-
ander gerichteten Oberflächen der Arachnoidea und Dura haben, zeigt auch mit Gewissheit, dass eine äusserst dünne
Feuchtigkeitschicht dieselben auch nach dem Tode überzieht. Bemerkenswerth ist ferner, dass, wenn das Gehirn oder
die Subarachnoidalräume aus dem einen oder anderen Grund so ausgespannt sind, dass die Arachnoidea der.Dura
stärker angedrückt liegt, der Glanz an den Oberflächen der Häute vermindert wird, ohne dass sonst eine besondere
Veränderung an denselben wahrgenommen werden kann. Wahrscheinlich beruht dies auf einem verminderten Flüssig-
keitsgehalt im Subduralraum. Sobald eine Flüssigkeit, wie gering sie auch sei, normalmässig in einer Höhle des Körpers
vorhanden ist, ist es selbstverständlich, dass sie während des Lebens einer Erneuung unterworfen ist und dass eine
beständige Secretion und Resorption dort stattfindet; das eben ist hier der Fall. Während des Lebens scheint nun in
der That im Allgemeinen eine etwas grössere Menge von Flüssigkeit im Subduralraum vorhanden zu sein, als man nach
dem Tode dort findet. Hitzig welcher durch eine nach Hunderten zählende Reihe von Vivisectionen an Hunden
so sicher als möglich von dem Vorhandensein einer nicht geringen Menge von Flüssigkeit im Sacke der Dura sich
überzeugt hatte und welcher ebenso bei Hunden fand, dass 24 Stunden nach dem Tode im Sacke der Dura wenigstens
an der Convexität auch nicht ein einziger Tropfen Flüssigkeit vorhanden war, während dabei auch »in den Maschen-
räumen der Pia» keine Flüssigkeit gefunden wurde und dies gleichzeitig dann, wo die Ventrikel des Gehirns stets
von Flüssigkeit erfüllt waren sieht in diesen Umständen einen Beweis für die Herkunft der Cerebrospinalflüssigkeit
aus dem Sacke der Dura selbst, und er scheint sogar die Cerebrospinalflüssigkeit während des Lebens, wenn nicht
hauptsächlich, so doch zum grossen Theil, zu dem Subduralraum selbst verlegen zu wollen. Nach dem Tode ver-
schwand sie aus diesem Raum schon nach einigen Stunden, was durch Imbibition in die Hirnsubstanz selbst
stattfinden sollte, wodurch die letztere voluminöser und weicher würde. Zwar können wir uns nicht auf so sehr
viele Vivisectionen stützen, aber doch auf eine hinreichend grosse Anzahl Untersuchungen an lebenden Thieren,
sowohl Hunden als Kaninchen, welche theils der Subdural- und Subarachnoidalinjectionen wegen, theils mit besonderer
Rücksicht auf die vorliegende Frage ausgeführt sind. Wenn man über den convexen Theil des Gehirns an einem
lebenden Hund oder Kaninchen oder eben nach dem Tode des Thieres auf die oben angegebene Weise, ohne
also die Arachnoidea zu verletzen, eine kleine Oeffnung in der Dura macht, so sieht man in der That eine ccrhme
' Ö O
Menge von Flüssigkeit unmittelbar durch diese Oeffnung ausfliessen, und man kann dann, wie Hitzig angiebt, fort-
während eine Flüssigkeit von den Seiten her hervorquellen sehen; wir finden aber dieselbe, besonders im Verhältniss
zu der Subarachnoidalflüssigkeit, nicht in erheblicher sondern in sehr geringer Menge hervortreten. Sie bildet augen-
scheinlich nur eine sehr dünne Schicht zwischen Dura und Arachnoidea. Es versteht sich, dass, wenn man die Dura
entblösst, sie sich an der entblössten Stelle hervorwölben und die Flüssigkeit sich dort in etwas bedeutenderer
Menge ansammeln kann. Wenn ein etwas grösseres Blutgefäss in dem darunter befindlichen weichen Haut verläuft,
kann man daher ziemlich leicht sehen, dass die Dura an der entblössten Stelle, ehe sie eröffnet wird, etwas über
der Arachnoidea erhoben liegt; man muss aber immer bedenken, dass diese Erhebung, wie eben angegeben, grösser
als sonst ist; wenn überall eben so viel Flüssigkeit angesammelt wäre, so würde unwillkührlich eine grössere Menge
ausfliessen, als in der That geschieht. Ist es aber nun die eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit, welche in so geringer
Menge hervorquillt? Keineswegs. Den Beweis dafür findet man leicht. Nachdem eine Oeffnung in der Dura
gemacht ist, sieht man, wie die Arachnoidea, wenn unbeschädigt, durch eine angesammelte Flüssigkeit in den Sub-
arachnoidalräumen selbst sich bauchig in die Oeffnung der Dura emporwölbt. Durch die Arachnoidea sickert dabei
keine Flüssigkeit heraus, ihre Oberfläche wird aber immer von den Rändern der Oeffnung hinaus durch die sub-
durale Flüssigkeit feucht erhalten. In welcher verhältnissmässig geringen Menge die Flüssigkeit auch während
des Lebens im Subduralraum in der That vorhanden ist, davon überzeugt man sich ausserdem leicht am Rückenmark.
Wenn man nach Wegnehmen eines Verteberbogens bei einem lebenden Thier eine kleine Oeffnung durch die Dura
in den Subduralraum hinein macht, ist es oft schwierig zu finden, dass eine Flüssigkeit dort hervorquillt, während
dagegen die Arachnoidea in Folge der Spannung des gefüllten, hier so weiten Subarachnoidalraumes sich in die
Oeffnung bauchig emporwölbt. Wird nun die Arachnoidea selbst geöffnet, strömt sogleich die Flüssigkeit heraus.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 74
Aus dem Obigen erhellt also, dass wir in Uebereinstimmung mit Hitzig gefunden haben, dass während des
Lebens mehr Flüssigkeit im Subduralraum vorhanden ist als nach dem Tode, da sie gewöhnlich nur durch den
feuchten Glanz, welche sie den Flächen der Häute verleiht, bemerkt wird; diese Flüssigkeit ist aber nach unseren
Untersuchungen in nur sehr geringer Menge als eine dünne Schicht zwischen Dura und Arachnoidea vorhanden,
und obwohl der Subduralraum überall zusammenhängt, ’ scheint sie um das Gehirn etwas reichlicher als um das
Rückenmark zu sein, was auch Quincke angenommen hat. Ferner müssen wir daran als einer bewiesenen Thatsache
festhalten, dass die Flüssigkeit, welche bei dem Herausnehmen des Gehirns an der Basis cranii angetroffen wird,
nie auf eine vorher im Subduralraum vorhandene Flüssigkeit schliessen lässt, weil die grossen basalen Subarach-
noidalräume dabei immer geöffnet werden und ihren Inhalt mehr oder weniger vollständig entleeren x).
Wenden wir uns jetzt zu der Frage von der Verminderung oder dem Verschwinden der immer unter normalen
Verhältnissen in unbedeutender Menge vorhandenen Subduralflüssigkeit, welche bei Thieren bald nach dem Tode
stattfindet. Wie wir sahen, nimmt Hitzig an, dass dies dadurch geschieht, dass die Flüssigkeit in die Hirnsubstanz
imbibirt wird; er nimmt ferner an, dass sich das Gehirn während des Lebens dauernd in einem Zustand physiologischer
Compression befindet und dass dadurch bereits unter normalen Verhältnissen ein Secretionsdruck existirt, »welcher einen
höheren Werth besitzt, als derjenige ist, mit dem die eigene Elasticität und der Blutdruck das Gehirn gegen die Schädel-
wände treiben». Der Werth des normalen Hirndruckes giebt er nach Leyden und Jolly auf 100—110 Mm. Wasser
im Mittel an. »Hört nun der Gegendruck des Blutes auf, so wird der Gesammtdruck zwar absinken, jedoch nicht
ganz verschwinden, es wird gerade noch die Kraft übrig bleiben, mit der das comprimirte Gehirn seine Elasticitäts-
grenzen wieder einzunehmen sucht, und in dieser Kraft ist wohl das Moment zu suchen, durch welches das Wasser
aus dem Sacke der Dura in die Hirnsubslanz verdrängt wird». Dies Eindringen der Flüssigkeit in die Gehirnsubstanz
ist indessen nur eine Hypothese. Man findet leicht, dass wenn das Gehirn nach dem Tode einen Druck auf die Sub-
duralflüssigkeit ausübt, diese unverhältnissmässig viel leichter nach vielen anderen Seiten verdrängt werden kann
als in die Hirnsubstanz selbst, wo schwere Hindernisse ihr entgegentreten. In erster Hand müsste sie, um dahin zu
1) Hier ist nicht der Ort auf pathologische Verhältnisse einzugehen. Einige Bemerkungen, welche mit der obigen Schilderung
Zusammenhängen, möchten wir uns indessen erlauben. Da während des Lebens eine Flüssigkeit, obwohl in sehr geringer Menge, im Sub-
duralraume vorhanden ist, und da also hier wie anderswo eine beständige Secretion und Resorption stattfindet, so würde wohl öfter, als
in späterer Zeit angenommen ist, unter pathologischen Verhältnissen diese Flüssigkeit vermehrt sein, sei es durch Steigerung der Secretion
oder Hinderniss in dem normalen Verlauf der Resorption. A priori konnte es so erscheinen, und doch mögen, wie oben hervorgehoben
wurde, alle erfahrene Pathologen in die angeführte betreffende Aeusserung Virchows im Allgemeinen einstimmen. Einer der Verfasser
hat als Vorstand der pathologisch-anatomischen Anstalt in Stockholm während mehr als dreizehn Jahren Gelegenheit gehabt, eine grosse
Menge von Fällen krankhafter Veränderungen in den Häuten des Gehirns ebenso wie von Hydrocephalus zu sehen. Die Fälle, wo er
glaubte, Gründe dafür zu haben, eine Vermehrung der Flüssigkeit im Subduralraum anzunehmen, beschränken sich auf einige äusserst
wenige. Fs muss doch zugestanden werden, dass eine geringe Vermehrung der Flüssigkeit in diesem Raum sehr leicht übersehen
werden kann. Gewöhnlich werden die Häute bei der Aufsägung des Schädels an einer oder anderen Stelle verletzt, und wenn eine
kleine Menge Flüssigkeit dabei ausfliesst, ist es im Allgemeinen unmöglich zu entscheiden, woher sie stammt. Wenn die Flüssigkeit
sehr schnell hervorquillt, mag dies ein Zeichen für eine subdurale Herkunft sein, weil bei einer Verletzung der Arachnoidea an der Con-
vexität die Subarachnoidalräume sich weniger schnell entleeren, besonders wenn die Verletzung unbedeutend ist. Neulich kam indessen
hier ein Fall vor, wo eine Ansammlung von Flüssigkeit im Subduralraum im höchsten Grade wahrscheinlich erschien. Es betraf einen
älteren Säufer mit chronischer Verdickung sowohl der Dura als der Arachnoidea und des oberflächlichen Subarachnoidalgewebes. Die Dura
war hei der Aufsägung des Schädels an einer kleineren Stelle durchgesägt und eine ganz unbedeutende Oeffnung auch in der Arachnoidea
gemacht worden. Wie die austretende Flüssigkeit sich verhielt, wurde nicht beobachtet; als aber das Schädeldach unmittelbar danach abge-
nommen wurde, sank die verdickte Dura in Falten über die Hirnfläche nieder, theilweise auf die Oberfläche der Arachnoidea herabfallend,
grösstentheils aber ein oder mehrere Mm. davon entfernt. An diesen Stellen war Luft (nach dem Abfliessen der Flüssigkeit?) zwischen
die beiden Häute eingetreten. Die Dura erschien also nicht unbedeutend räumlicher als der Umfang des Gehirns zusammen mit seiner
weichen Haut. Nach dem Aufschneiden und Erheben der Dura wurde die verdickte Arachnoidea vollständig gespannt, eben und gleich-
mässig über die Gyri und Sulci verlaufend gefunden, und eine ziemlich reichliche Menge von Flüssigkeit war in den Sulcis vorhanden;
aus der kleinen verletzten Stelle der Arachnoidea siekerte die Subarachnoidalflüssigkeit nur sehr unbedeutend hervor; der relativ geringere
Umfang des Gehirns im Verhältniss zur Räumlichkeit der Dura schien also nicht durch das Abfliessen der Subarachnoidalflüssigkeit und
das Einsinken der Arachnoidea erklärt zu werden, um so weniger als man ja äusserst oft Gelegenheit hat wahrzunehmen, dass die
Arachnoidea bei einem Subarachnoidalödem lange ausgespannt bleibt, obwohl eine kleine Verletzung entstanden ist. Das Missverhältniss
zwischen der Weite der Dura und dem Umfang des Gehirns schien deswegen darauf zu beruhen, dass eine im Suhduralraum angesam-
melte Flüssigkeit während der Aufsägung sich entleert hatte. Der Fall ist indessen in Folge der kleinen Verletzung der Arachnoidea
nicht vollkommen rein und beweisend. Darum ist er hier nicht als ein bestimmter Beweis für eine abnorme Ansammlung von Subdural-
flüssigkeit angeführt worden; er bietet doch solche Verhältnisse dar, welche zu finden sein müssen, wenn eine im Suhduralraum ange-
sammelte Flüssigkeit während der Aufsägung des Schädels, d. h. bei nicht unbeschädigten Häuten, ausfliesst. 75
gelangen die Arachnoidea durchdringen, um dann mit der Subarachnoidalflüssigkeit vermischt zusammen mit dieser
in die Hirnsubstanz einzutreten. Bei Injectionen findet man indessen, dass eine Flüssigkeit, welche in dem Sub-
duralraum einem Druck ausgesetzt wird, nicht diesen Weg sondern durch Vermittelung der Pacchionischen
Granulationen, besonders beim Menschen, sehr leicht in die Venen übergeht, oder auch mittelst der Duralscheiden
der Nerven in diese hinaus oder durch die Lymphgefässe in das Lymphsystem hinübertritt. Auf diesen Wegen, so
dürfen wir wohl annehmen, entweiche auch wahrscheinlich die Subduralflüssigkeit nach dem Tode in Folge ver-
änderter Druckverhältnisse, welche übrigens sehr schwer sind vollständig zu erörtern.
Die Subarachnoidalräume
und die allgemeine Anordnung der weichen Haut des Hirns und Rückenmarks.
Historischer Rückblick.
i] ÄSTirrj, meninx tenuis, pia meninx, pia mater *) waren die von den alten Anatomen gebrauchten
Benennungen der innerhalb der harten Haut das Gehirn und das Rückenmark zunächst umgebenden, membranösen
Hülle. Sie betrachteten diese Hülle als eine einzige Membran und unterschieden also nicht an ihr verschiedene
Lamellen, Der grosse Zwischenraum, welcher im Vertebralcanal zwischen dem Rückenmark selbst und dessen von
der Dura und der Arachnoidea gebildeten Hülle, und der eben von Subarachnoidalräumen ausgemacht wird, wurde
von den Alten vorbeigesehen. Andererseits findet man doch bei ihnen höchst beachtenswerthe Angaben, betreffs
welcher man zuweilen in Unsicherheit geräth, in wie weit sie auf wirkliche Beobachtungen, in wie weit nur auf
Vermuthung gestützt sind. So giebt* z. B. Galenits an, dass alle abgehenden Nerven zunächst von einer Scheide
der dünnen Membran innerhalb einer entsprechenden Umfassung der harten Haut umgeben sind, und Vesalius liefert
eine Beschreibung und Abbildung einer solchen Scheide am Sehnerven, den sie zum Auge begleitet, um in die
Uvea überzugehen. Dass die dünne Haut in die Hirnventrikel eindringt und dort die Plexus chorioideus bildet, war
schon den älteren Anatomen wohl bekannt, sowie dass sie in die Furchen an der Oberfläche des Gross- und Klein-
hirns Fortsätze emsendet.
Dass schon Vesalius, wie es bei Magendie—Jodin angegeben wird, die Arachnoidea als eine besondere Haut
erkannt habe, ist, wie oben bemerkt wurde, nicht richtig. Betreffs des Rückenmarks findet man zuerst bei Vieussens
eine bestimmte Unterscheidung’ zweier Lamellen, indem ei angiebt, dass die Pia meninx, welche er in UÜbereinstim-
mung mit älteren Verfassern am Gehirn als einfach annimmt, in den Vertebralcanal hinabsteigend sich in zwei Mem-
branen spaltet, von denen die äussere das Rückenmark und dessen austretende Nerven umfasst, die innere das Mark
eng umschliesst und auch die Nerven bekleidet.
Von einer Flüssigkeit in der weichen Haut ist bei den älteren Verfassern keine Rede. Wenn sie bei Leichen-
öffnungen eine derartige Flüssigkeit an der Oberfläche des Gehirns fanden, nahmen sie an, dass dieselbe unter der
Dura (Vieussens) und somit im Subduralraum lag. Erst bei Pacchioni findet man unzweideutige Angaben über eine
Flüssigkeit in der weichen Haut selbst, als er sowohl von einer in der Pia befindlichen Lympha, welche die Räume
zwischen den Windungen des Gehirns erfüllt und auch im Vertebralcanal rings um das Rückenmark sich be-
findet als auch von Lymphgefässen, welche überall in der Pia die Blutgefässe begleiten, spucht. Indessen fasste
i) Verum cerebri involucrum hse sola tenuis meninx est, quam matrera arabicae linguae analogia tamquam membranarum principem
ex barbaro vocis sensu piam anatomici nuperiores dixerunt. Haller: Elementa pbysiologiae. T. IV. Lib. X. 76
auch er die weiche Haut als eine einzige auf. Nach und nach lernte man- doch die äussere Schicht derselben
(die Arachnoidea) als eine besondere Lamelle oder Membran zu unterscheiden. Wie wir in der obigen Historik her-
vorgehoben haben, scheint Vaeoli der erste zu sein, der sie als solche an der Basis des Gehirns demonstrirte,
Casserio bildete sie von dort ab; Rutsch gab ihr den Namen Arachnoidea, seitdem er durch Auf blasen ihre
Existenz als eine mittlere Membran, welche zwischen Dura und Pia liegt, auch an der Convexität des Gehirns nach-
gewiesen hatte. Von nun ab bezeichneten also bis in die letzte Zeit die Benennungen Arachnoidea und Pia im Allge-
meinen ganz verschiedene Bildungen, sowie beide das, was man vorher nur Membrana tenuis oder Pia mater genannt
hatte, zusammenfassten, wenn auch fortwährend häufig. die Benennung Pia in derselben ausgedehnten Bedeutung wie
vorher angewendet wurde. Durch Winslow, Lieutaud, Haller u. A. wurden nun die beiden Lamellen sowie ihr Ver-
halten zum Ligamentum denticulatum näher beschrieben; es wurde also geschildert, wie die innere Lamelle, die Pia,
der Oberfläche des Gehirns mit allen ihren Einbuchtungen folgte, während die äussere, die Arachnoidea, gespannt über
die Furchen, dieselben überbrückend, verlief, ebenso wie die beiden Lamellen durch zelluläres Gewebe vereinigt sind
und die Venen in den Furchen zwischen die Lamellen gingen. Gegen die Auffassung von der Arachnoidea als
einer besonderen Haut trat Lieutaud auf. Haller schilderte, wie vollständig die Arachnoidea am Rückenmark von
der Pia getrennt und wie sie vom Rückenmark selbst weit entfernt ist, während am Gehirn die Arachnoidea,
ohne in die Furchen einzutreten, doch mit der Pia viel mehr verwachsen ist. Durch Einblassen von Luft sah er,
wie sie sich von der Pia erhob; grössere Höhlen entstanden am Gehirn nur dort, wo die Zellulosen Verbindungsfasern
sparsamer waren u. s. w. Zu der ziemlich vollständigen Kenntniss, welche Haller von der allgemeinen Anordnung
der Pia und der Arachnoidea sowie vom Subarachnoidalgewebe besass, kommt noch hinzu, dass er oft in den Höhlen
zwischen Pia und Arachnoidea des Gehirns Wasser wahrgenommen hat, ebenso wie am Lumbaltheil des Rückenmarks,
wohin nach ihm dasselbe von den Hirnventrikeln hinabsteigen konnte; er nahm nämlich an, dass der vierte Ventrikel
eine Oeffnung nach aussen habe, wovon unten die Rede sein wird. Er glaubte, dass im lebenden Thier ein deut-
licher Dampf (Fumus), sei es aus der Aussenfläche des Gehirns oder aus der Ventrikelhöhle, ausdünstet. Er nahm
vorzugsweise die Ausdünstung aus den Ventrikeln in Betracht, welche sich nicht immer zu Wasser sammelt und
zuweilen den frischesten und unbeschädigsten Leichen mangelt. Diese Ausdünstung geschehe mittelst der Arterien,
sowie die Resorption mittelst der Venen. Er scheint im Allgemeinen angenommen zu haben, dass eine Ansammlung von
Wasser auf eine Erschlaffung der Venen in ihrem Dienste beruhe. Die Flüssigkeit ist nach ihm albuminös und coagulabel.
Obwohl also Haller der Entdeckung der Cerebrospinalflüssigkeit nahe stand und obwohl schon vor ihm Pacchioni
in dieser Hinsicht sehr beachtenswerthe Wahrnehmungen gemacht, sowie mehrere andere Forscher die Flüssigkeit als
eine pathologische Bildung gesehen hatten, kann es doch nicht bestritten werden, dass Cotugno die Ehre gebührt,
die eigentliche Entdeckung der genannten Flüssigkeit als einer constant und unter ganz normalen Verhältnissen
während des Lebens vorkommenden Bildung gemacht zu haben. Er zeigte zuerst, dass sie den grossen Zwischen-
raum zwischen Dura und Rückenmark vom Occiput bis zum Sacrum, ebenso wie alle Zwischenräume zwischen Gehirn
und Dura erfüllt, und er fand, dass solche Zwischenräume immer an der Gehirnbasis vorhanden sind, nicht selten
aber und unter besonderen Verhältnissen bei alten Leuten und bei Kachektischen auch zwischen dem übrigen Gehirn-
umriss und der Dura mater vorkommt.
Betreffs der Experimente und der Beweisführung Cotugnos, welche darauf gerichtet waren, darzulegen, dass
die nach dem Tode gefundene Flüssigkeit als solche und nicht als ein dampfiger Dunst (Nubes vaporosa) während
des Lebens vorhanden war, weisen wir auf die allgemeine Historik hin, aus welcher hervorgeht, dass er nicht, wie
es bei Magendie—Jodin angegeben wird, daran zweifelte, dass das Wasser auch beim Menschen während des Lebens
vorhanden war, obwohl er dies nicht direct darlegen konnte. Eine nähere Beschreibung der Subarachnoidalräume
gab Cotugno nicht. Dass er die Flüssigkeit sich innerhalb der Duralscheiden der Hirnnerven während ihres intra-
craniellen Verlaufes fortsetzen sah, wurde eben in der speciellen Historik des Subduralraums hervorgehoben. Die
Vergessenheit, in welche die Entdeckung Cotugnos gerieth, ist ein eigenthümlicher Beweis daran, wie schwer es
auch einer gut dargelegten und äusserst wichtigen Wahrheit sein kann, Gehör und Eintritt auch in die wissenschaft-
liche Welt sich zu verschaffen. Sömmering kannte zwanzig Jahre später nicht mehr von der Cerebrospinalflüssigkeit,
als was in seiner Aeusserung liegt, dass man oft zwischen der Arachnoidea und der Gefässhaut schleimiges Wasser
antrifft. Durch die Lehre Bichats, dass die Arachnoidea ein geschlossener seröser Sack, den übrigen serösen Häuten
des Körpers analog, sei, wurde die Aufmerksamkeit von den Subarachnoidalräumen und ihrem Inhalt gezogen und
vorzugsweise auf den sog. Arachnoidalsack gerichtet; zu diesem wollte man nun die normale sowie die krankhafte 77
Secretion der Arachnoidea verlegen. Boyer schildert die weiche Haut in hauptsächlicher Uebereinstimmung mit
älteren Verfassern. Wie vollständig die Entdeckung Cotugnos vorbeigesehen war, beweist die Aeusserung Keuffels,
dass der Umstand ihm merkwürdig und unerklärt schien, dass die harte Haut »einen weit grossem Durchmesser
hat als das Rückenmark und ihr Contentum wie ein weiter Sack umgiebt». Uebrigens findet man bei Keuffel
die beraerkenswerthe Beobachtung, »dass die sogenannte Gefässhaut des Rückenmarks eigentlich gar nicht dazu dient,
die Blulgefässe zu führen, die in das Mark gehen sollen, denn diese sind nur an ihre äussere Oberfläche angeheftet».
Als ein Beispiel der Auffassung der fraglichen Verhältnisse während dieser Zeit mag auf die Schilderung
Burdachs hingewiesen werden. Er unterschied am Rückenmark in Uebereinstimmung mit Bichat eine innere (an
die äussere Fläche der Gehirnhaut sich anschliessende) und eine äussere (an der inneren Fläche der Faserhaut
sitzende) Hälfte der Arachnoidea, und er nimmt der herrschenden Theorie gemäss an, dass die einander zugekehrten
Flächen der beiden Hälften vermöge ihrer serösen Absonderung den Dunstkreis des Rückenmarks bilden, der zugleich
»die Trennung der Gefässhaut und Faserhaut aufrecht hält, und, wenn die Ausdünstung über die Rücksaugung über-
wiegend wird, in Wasseranhäufung ausartet». Hier findet man also wieder Dunst anstatt Wassers, und dies letztere,
wenn es vorhanden ist, als eine pathologische Bildung betrachtet und noch dazu an einen unrichtigen Platz verlegt.
Mehrere Umstände bei der Burdach’schen Schilderung machen es doch wahrscheinlich, dass man hier schon eine
Verwechselung zwischen Subarachnoidalraum und Subduralraum am Rückenmark vor sich hat, so dass jener als der
Arachnoidalsack selbst angesehen wurde eine Verwechselung, welche, wie schon oben angegeben ist, bei den
Verfassern nicht selten vorkommt.
Die Cerebrospinalflüssigkeit als eine normalmässig und constant während des Lebens vorhandene Bildung
musste von Neuem entdeckt werden, und dies geschah durch Magendie. Er zeigte ausserdem, dass diese Flüssigkeit
an der Oberfläche des Gehirns und Rückenmarks unter der Arachnoidea in den Subarachnoidalräumen liegt, und
bewies durch Versuche, dass sie unter positivem Druck steht, sowie dass eine beständige Bewegung in ihr vor
sich geht und diese Bewegung in Zusammenhang mit der Respiration steht. Den Subarachnoidalräumen selbst
widmete er genauere Studien als Jemand vor ihm und sogar die Meisten nach ihm. Betreffs der übrigen Darstellung
Magendies mag auf die obige allgemeine Historik hingewiesen werden; hier soll nur Folgendes hervorgehoben werden.
Um das Gehirn erfüllt die Flüssigkeit das zellig-vasculäre Gewebe zwischen Pia und Arachnoidea visceralis nicht
nur in den Furchen, sondern auch über die Windungen. An der Basis cranii erstreckt sie sich über die ganze
Gehirnfläche; hier geht sie aber kaum über die Windungen selbst. Alle Gehirnnerven werden bis zu ihrem Austritt
durch die Dura mater davon umspült u. s. w. An gewissen Puncten der Oberfläche des Gehirns ist die Flüssigkeit
in Grösserer Meno-e angesammelt; diese Stellen nannte Magendie »Zusammenflüsse» (Confluents). Er nahm vier solche
& k & &
an; der erste oder hintere Zusammenfluss ist der bedeutendste und liegt unter und hinter dem kleinen Gehirn.
Der zweite oder untere liegt vor dem Pons Varolii und zwischen den Pedunculi cerebri; die Arteria basilaris be-
findet sich in ihm. Der dritte oder obere liegt hinter, über und zu beiden Seiten der Glandula pinealis. Der
vierte oder vordere befindet sich vor dem Chiasma nervorum opticorum. Zu diesen Zusammenflüssen konnte man
nach ihm noch die kleinen flüssigen Massen rechnen, welche das Ganglion des fünften Paares rechts und links
umgeben; dies wäre dann die seitlichen Zusammenflüsse. Im Subarachnoidalraum des Rückenmarks fand er und
beschrieb das Septum posticum als eine Art Raphe oder Mediastinum posterius, welches aus dünnen durchsichtigen
Lamellen bestehe, die durch kleine Zwischenräume von sehr verschiedener Gestalt und Grösse unregelmässig getrennt
seien. Die Flüssigkeit auf der Oberfläche des Gehirns könne ihre Lage nicht so leicht wechseln als die der Wirbel-
säule und Hirnventrikel, da sie in dem Zellgewebe der Arachnoidea liegend von demselben zurückgehalten werde;
es schien ihm als ob der Falx cerebri und das Tentorium cerebelli Grenzen seien, die sie nur schwer übersteige.
Doch nahm er offenbar einen ununterbrochenen Zusammenhang zwischen den Räumen an, welches übrigens seine
Injectionen bewiesen.
Es möchte den Anschein haben, als ob die Lehren Magendies, von seiner Meisterhand dargelegt und auf genaue
Untersuchungen und beweisende Versuche gestützt, einen schnellen Eintritt in die Wissenschaft gewinnen sollte;
allein so geschah es doch keineswegs. In Frankreich schloss sich Cruveilhier vollständig ihm an. In Deutsch-
land war es vor Allem Ecker, welcher sie bekantzumachen strebte, woneben er durch eigene Untersuchungen die
Gesetze der Bewegungen des Gehirns und Rückenmarks sowie der Strömung der Cerebrospinalflüssigkeit zu erforschen
suchte. Er leugnete, wie oben angeführt ist, ihr Vorhandensein im Subduralraum und verlegte sie, wie Magendie
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 78
zu den Subarachnoidalräumen und Ventrikeln, während andere Verfasser noch lange Zeit nach den Mittheilungen
Magendies in den von der Bichat’schen Lehre stammenden Ansichten mehr oder weniger befangen waren (Krause,
Valentin u. A.). Durch Ecker, Kölliker, Virchow, Bruns, Luschka u. A. wurde doch endlich die Lehre von der Lage
der äusseren Cerebrospinalflüssigkeit in den Subarachnoidalräumen vollkommen festgestellt. Ja, man kam sogar zu
der Ansicht, dass während des Lebens keine oder eine nur minimale Flüssigkeit im Subduralraume vorhanden sei,
oder auch unterschied man ausser der Ventrikelflüssigkeit einen Liquor arachnoidalis und einen subarachnoidalis;
die Ansichten wechselten sehr darüber, ob diese Flüssigkeiten vollständig getrennt seien oder ob sie unter einander
in offener Verbindung ständen. Betreffs der näheren Verhältnisse in dieser Hinsicht weisen wir zu der allgemeinen
Historik und zu der speciellen Historik des Subduralraums, sowie zu der folg, speciellen Historik über die Frage
von dem offenen Zusammenhang der Ventrikel mit den Subarachnoidalräumen,
Allein nicht nur in Betreff der eben erwähnten Verbindung entstanden verschiedene Ansichten. Man hat auch
bezweifelt oder geleugnet, dass die Subarachnoidalräume selbst in ununterbrochenem Zusammenhang unter einander
stehen, sowie dass sie überall vorhanden sind; ebenso sind verschiedene Meinungen darüber entstanden, ob etwaige
von den Subarachnoidalräumen getrennte Lymphbahnen vorhanden sind oder nicht.
E. H. Weber nahm an, dass die Arachnoidea auf der Oberfläche der Windungen des grossen und kleinen
Gehirns unzertrennlich der weichen Haut anliege, und Kölliker sagt, dass sie hier mit der Pia »verklebt und selbst
verwachsen» ist, und da sie ausserdem, wo dies nicht der Fall war, durch viele Fortsätze mit ihr vereinigt sei, »so
findet sich auch am Gehirn kein zusammenhängender Unterarachnoidalraum, sondern viele grössere und kleinere,
nur zum Theil communicirende Räume». Die grossen Räume an der Basis des Gehirns gehen nach ihm direct in
den Subarachnoidalraum des Rückenmarks über, während die kleineren, entsprechend den Sulcis, »zum Theil wohl
unter einander, aber, wenigstens die meisten, nicht mit den erwähnten grösseren Räumen Zusammenhängen». Diese
Ansichten dürfen bei weitem die bis zu der letzten Zeit vorherrschenden gewesen sein. Eine wichtige Stütze
erhielten sie dadurch, dass Virchow fast in derselben Richtung sich aussprach und als Grund hierfür einen von ihm
zusammen mit Kölliker gemachten Versuch anführte. Betreffs der Auffassung Virchows von den serösen Räumen
um das Rückenmark mag auf die specielle Historik des Subduralraums hingewiesen werden. Auch Bruns, welcher
den weitesten Stellen des Subarachnoidalraums am Gehirn den Namen Sinus subarachnoidales gab, äusserte Zweifel
über den überall offenen Zusammenhang der Räume. Den Zusammenhang zwischen den Subarachnoidalräumen des
Rückenmarks und des Gehirns, nicht nur denjenigen an der Basis des letzteren sondern auch den über der Convexität
befindlichen, also die offene Verbindung der Subarachnoidalräume im Allgemeinen, suchte Luschka durch Injectionen
und andere Versuche darzulegen; wie überzeugend auch seine Versuche erschienen, haben sie doch nicht die verdiente
Anerkennung erhalten. Luschka widmete übrigens auch den Subarachnoidalräumen ein umsichtiges Studium. Er sucht
die Selbstständigkeit der Arachnoidea um das ganze Gehirn aufrechtzuhalten, und äussert, dass diese Haut auch
über den Windungen durch einen »zu einem verhältnissmässig engmaschigen Netzwerk verbundenen Zellstoff, ein
subseröses Bindegewebe, mit Pia vereinigt» wird, so dass die dünne Cerebrospinalflüssigkeit durch jenes Gewebe
fliessen kann. Die an der Grundfläche des Gehirns befindlichen, sehr umfänglichen Subarachnoidalräume, Magendie’s
Zusammenflüsse, nennt er mit Bruns »Sinus subarachnoidales» und unterscheidet unter ihnen drei unpaarige, in
der Mittellinie gelegene und drei paarige, seitlich gelegene. Betreffs seiner Schilderung von der Lage und Aus-
breitung derselben mag hier auf die allgemeine Historik hingewiesen werden.
Reichert erkennt keine Sonderung zwischen Arachnoidea und Pia mater, weder am Gehirn noch am Rücken-
mark, sondern betrachtet beide als ein untrennbares, einheitliches Ganze, eine Haut, deren äussere Grenzschicht
(die Arachnoidea) durch ein bindegewebiges Stroma mit der inneren Grenzschicht (die Pia) vereinigt ist. Seine Auf-
fassung von den Subarachnoidalräumen war nicht geeignet, die Verhältnisse zu erhellen (s. o.).
Nach Luschkas Arbeiten erschienen keine wichtigere Beiträge zur Kenntniss dieser Räume, bis zu den
Untersuchungen von Plis. Bevor wir zu diesen übergehen, müssen wir doch einen Rückblick auf die älteren Ansichten
betreffs besonderer Lymphbahnen in der weichen Haut werfen. Schon Pacchioni sagt, dass Lymphgefässe die Blut-
gefässe dieser Haut begleiten; /lann findet man, dass verschiedene Verfasser entweder solche wahrgenommen zu
haben glaubten oder auf theoretische Gründe hin ihr Vorhandensein theils in der Pia, theils in der Arachnoidea,
theils in dem diese vereinigenden Zellgewebe, theils endlich an mehreren dieser Bildungen auf einmal annahmen;
manche Verfasser haben indessen von solchen Lymphgefässen nichts zu melden. Soemmering lässt ihre Existenz
unentschieden; Boyer erklärt, dass hier noch keine Lymphgefässe gefunden sind; Barba sah in der Arachnoidea 79
»ein wundervolles Gewebe von lymphatischen Gelassen» und nach ihm war auch die Pia mater voll von lymphatischen
Gefässen; Burdach meint, dass man ihr Vorhandensein voraussetzen muss, wogegen E. H. Weber angiebt, dass
die Pia Saugadern besitzt u. s. w. Erst durch Fohmann und Fr. Arnold gewann indessen die Lehre von wirklichen
Lymphbahnen in der Pia einen festeren Boden. Nach Fohmann sind sie leicht an der Oberfläche des kleinen und
grossen Gehirns durch Auf blasen darzustellen; sie haben nach ihm schwache Wände und zerreissen leicht bei
Quecksilberinjection; sie liegen zwischen der Gefässhaut und der Arachnoidea und sind von grösserem Umfang als
in anderen Geweben des Körpers. Er nahm an, dass sie mit Lymphgefässen des Gehirns in Verbindung stehen.
Ihre Stämme begleiten die Blutgefässe bis zu den Austrittslöchern derselben, aber ihren Austritt durch diese Löcher
konnte er nie wahrnehmen, und er glaubte, dass die Lymphgefässe des Gehirns vielleicht keine Verbindung mit dem
übrigen Lymphgefässsystem eingehen, sondern nur mit den Venen.
Noch eingehender beschrieb, wie wir oben gesehen haben, Fr. Arnold diese Lymphgefässe nach Quecksilber-
injection; er unterschied drei verschieden gelegene und beschaffene Netze: 1. ein oberflächliches sehr feines, direct
unter dem serösen Theil der Arachnoidea befindliches; 2. ein gröberes etwas tiefer gelegenes, und 3. ein noch tieferes
und gröberes in der Pia mater selbst. Lieber die Beschaffenheit dieser verschiedenen Netze s. o. Arnold glaubte
mit Grund annehmen zu können, dass, auch die Substanz des Gehirns von Saugadern durchzogen wird und vermuthet,
dass diese in Begleitung der Gefässstämme verlaufen, weil jene Stämmchen gerade an solchen Stellen aus der Hirn-
masse hervorzutreten scheinen, an denen Venen herauskommen, die sich alsdann in die Gefässgeflechte einsenken.
Die Stämme folgten sowohl in den Gefässgeflechten als auf der Hirnoberfläche der Richtung und dem Verlauf der
Venen; Arnold nahm deswegen an, dass die Hauptstämme durch dieselben Löcher heraustreten, durch welche die
Arterien und Venen des Hirns ein und austreten; er konnte diese Thatsache doch nicht direct demonstriren.
In Inneren des Gehirns schilderten Kölliker, Virchow und Robin eigenthümliehe Scheiden um die Gefässe,
welche nach Robin den die Arterien der Reptilien umscheidenden Lymphgefässen ähnelten.
His beschrieb nun im Gehirn und Rückenmark seine bekannten perivasculären Räume, welche doch nichts mit
den eben genannten adventitiellen Scheiden gemein hatten, sondern ausserhalb dieser zwischen ihnen und der
umgebenden Hirnsubstanz lagen. Durch Einstichinjectionen injicirte er diese perivasculären Canäle und fand sie an
der Oberfläche des Gehirns in einen Raum, den epicerebralen Raum, ausmünden, welcher innerhalb der Pia mater
über das ganze Gehirn zwischen dieser Haut und der Gehirnoberfläche sich ausbreiten soll; durch Löcher der Pia
rings um die Blutgefässe, wo diese von der Pia ins Gehirn eintreten, hängt nach ihm der epicerebrale Raum mit
Lymphcanälen in der Pia zusammen, welche die Blutgefässe begleiten und sie als Mantelrohre einhüllen. Die die
eigentliche Cerebrospinalflüssigkeit enthaltenden Subarachnoidalräume stehen aber nach His in keiner Verbindung mit
diesen Mantelrohren ebenso wenig wie mit den epicerebralen Raum. Die Mantelrohre hielt er für die vorher geschil-
derten Lymphcanäle der Pia, und der epicerebrale Raum schien ihm dem am tiefsten liegenden Lymphnetz Arnolds
zu entsprechen. Eine Verbindung mit dem allgemeinen Lymphsystem fand His ebensowenig wie Fohmann und Fr.
Arnold. Rings um das Rückenmark befindet sich nach ihm ein dem des Gehirns entsprechender Raum zwischen der
Pia und der Oberfläche des Marks, in welchen die perivasculären Räume ausmünden, aber dieser Raum hängt, wie er
meint, nicht mit etwaigen mantelförmigen Räumen in der Pia medullaris zusammen; His fand in der That keinen Ablauf
für diesen grossen epimedullaren Raum. Frommann, welcher übrigens eine in mehrfacher Hinsicht gute Schilderung
von dem Verhalten der Arachnoidea zur Pia am Rückenmark gab, opponirte zwar, was das Rückenmark betrifft,
gegen die His’sche Beschreibung von den perivasculären Räumen, indem er sie als Kunstproducte betrachtete;
sonst wurde diese aber im Allgemeinen als richtig angenommen. Vollständig wurde sie von Luschka adoptirt, ebenso
von Kölliker, welcher doch betreffs der perivasculären Räume des Gehirns äussert, dass sie nach aussen begrenzt
sind durch die von ihm vorher an allen Arterien und gröberen Capillaren beschriebene structurlose Haut. In haupt-
sächlicher Uebereinstimmung mit His wurden übrigens die perivasculären Räume und der epicerebrale Raum, was
das Kleinhirn betrifft, von Henle und Merkel beschrieben; ebenso wie im Ganzen auch von Roth und von Eberth;
die Schilderungen der letzteren Verfasser betreffen indessen besondere Structurverhältnisse, welche mit den genannten
Räumen in Zusammenhang stehen; wir werden unten näher darauf eingehen. Aus den Aeusserungen Schwalbes
geht hervor, dass er die Subarachnoidalräume als von dem durch His beschriebenen Lymphsystem abgetrennt ansah,
Obersteiner bestätigte im Allgemeinen die Angaben von Plis. Zu der Zeit, wo auch wir unsere ersten Mittheilungen
veröffentlichten, sollten also nach den herrschenden Ansichten die serösen Räume um das Gehirn und Rückenmark,
vom Subduralraum ganz abgesehen, in mehrere Abtheilungen getrennt sein, welche nicht mit einander in offener 80
Verbindung ständen; die Cerebrospinalflüssigkeit könnte also nur durch Diffusion aus der einen derselben in die
anderen hinein gelangen. Die Subarachnoidalräume selbst ständen nur theilweise unter einander in Verbindung,
sogar an der Basis des Gehirns, und vom convexen Theil desselben könnte keine Strömung nach den Subarachnoidal-
räumen des Rückenmarks stattfinden. Ferner hatte man in den Perivascularräumen des Gehirns, dem Epicerebral-
raum und den mantelförmigen Röhren um die Blutgefässe der »Pia», ein ganz abgetrenntes System, welches nicht
mit den Subarachnoidalräumen in Zusammenhang stehen sollte und welches zu dem allgemeinen Lymphsystem ge-
rechnet wurde, obwohl keine wirkliche Verbindung mit demselben dargelegt war; endlich hatte man am Rückenmark
ein ähnliches System von Perivascular- und Epimedullarräumen, welches sogar keinen Abfluss mit den Blutgefässen
der Pia besass. Hierzu gehört noch, dass nach einer damals allgemein herrschenden Vorstellung auch die Ventrikel
gegen die Subarachnoidalräume (s. u.) abgeschlossen waren.
Das in so mancherlei Hinsicht Unbefriedigende bei dieser Auffassung gab die Anleitung zu unseren Unter-
suchungen. Wir zeigten nun, dass durch Injectionen unter gelindem, constantem Druck sowohl bei lebenden als bei
todten Thieren und bei Menschen, alle Subarachnoidalräume sowohl am Gehirn als am Rückenmark in offener Ver-
bindung mit einander stehen, dazu aber noch mit den sog. Lymphcanälen um die Blutgefässe der weichen Haut herum
Zusammenhängen, welche letztere nichts Anderes, als die längs den Blutgefässen verlaufenden, betreffs ihrer Form
etwas modificirten Subarachnoidalräume sind. Wir glaubten anfangs den His’schen Epicerebralraum bestätigen zu
können, fanden aber bald, dass, wenn die Injectionsflüssigkeit sich zwischen Pia und Hirn- oder Rückenmarksober-
fläche ausbreitet, dies auf Berstungen beruht; dagegen fanden wir, dass die Pia mit den ins Gehirn und Rücken-
mark ein- und austretenden Blutgefässen trichterförmige Verlängerungen oder Hüllen einsendet, welche im Inneren
dieser Organe als Scheiden um die Blutgefässe sich fortsetzen und nichts Anderes sind als die hier vorher von
Kölliker, Virchow und Robin beschriebenen Adventitialscheiden. Die Injectionsflüssigkeit ging von den Subarach-
noidalräumon durch die Piatrichter auch bei lebenden Thieren in die Scheiden hinein, ohne irgendwo in die His’schen
Epicerebral-, resp. Epimedullar-, und Perivascularräume auszutreten, und dies sogar bei sehr starker Füllung der
Subarachnoidalräume. Wir betonten auch, dass bei inflammatorischen Zuständen man die Subarachnoidalräume, die
Piatrichter und die Adventitialscheiden mit lymphoiden Zellen vollgepfropft finden kann, ohne dass solche zwischen
Pia und Gehirn zu finden sind. Wir verneinten deswegen als natürliche Bildungen die His’schen Perivascularräume,
den Epicerebral- und Epimedullarraum und zeigten, wie leicht diese durch Stichinjectionen künstlich dargestellt
werden konnten.
Henle suchte indessen, was das Kleinhirn betrifft, in seiner Anatomie die von ihm und Merkel vorher gege-
bene Auffassung von den genannten Perivascularräumen, sowie von dem Epicerebral- und Epimedullarraum aufrecht-
zuhalten. Seine Beschreibung vom Verhalten der Pia zu der Oberfläche des Grosshirns und des Rückenmarks ge-
stattet doch, was diese letzteren Organe betrifft, schwerlich das Vorhandensein des lymphatischen Zwischenraums
unter der Pia. Das Subarachnoidalgewebe selbst wird übrigens von Plenle im Ganzen genommen als ein physio-
logisch wassersüchtiges Bindegewebe von allerdings ungewöhnlich lockerer Beschaffenheit bezeichnet, und er nimmt
an, dass die areoläre Beschaffenheit des Gewebes der Flüssigkeit eine fast so rasche Ortsbewegung erlaubt als wenn
sie frei das Centralorgan umspülte. Indessen trat auch Golgi gegen die normale Existenz der Perivascularräume
im Gehirn sowie gegen die des Epicerebralraums auf; bei Injectionen durch den Subarachnoidalraum fand er in
Uebereinstimmung mit uns, dass die Masse in die Lymphgefässe der Pia ein drang und von diesen in die Gefäss-
scheiden im Gehirn verlief, ohne in den Epicerebral- oder die Perivascularräume auszutreten. Die auf der Oberfläche
der Hirnwindungen verlaufenden Blutgefässe besitzen nach ihm sehr weite Lymphscheiden, und von diesen werden
die in die Gehirnsubstanz eintretenden Gefässe mit ihren Scheiden bekleidet. Quincke nahm auf Grund seiner Ver-
suche bei lebenden Thieren an, dass ein Zusammenhang zwischen den Subarachnoidalräumen des Gehirns und Rücken-
marks vorhanden sei. 801 l gab an, dass von den subarachnoidalen Räumen eine Füllung der Lymphgefässe der Pia
(der His’schen Mantelrohre um die Blutgefässe) niemals gelingt; dagegen-wurde aber die Existenz der Epicerebral-
und Perivascularräume auch von ihm bestritten, und er beschrieb den trichterförmigen Ursprung der adventitiellen
Lymphscheiden der Hirnblutgefässe aus der Pia etwa in derselben Weise wie wir. Frey schloss sich nach eigenen
Erfahrungen betreffs der künstlichen Enstehung der Epicerebral- und Perivascularräume uns vollständig an; er leugnet
auch nicht das Vorhandensein von Perivascularräumen zwischen der Adventitialhaut der Gefässe und der angrenzenden
Neuroglia. Dagegen nimmt Frey an, dass die Pia rnater reichlich entwickelte lymphatische Canäle enthält; eine 81
offene Verbindung zwischen sämmtlichen Subarachnoidalräumen scheint er nicht zu erkennen, als er sagt, dass sie
»mehr oder weniger mit einander in Communication» stehen. Spätere Untersuchungen liegen hier nicht vor.
Betreffs der übrigen Verbindungen der Subarachnoidalräume werden wir im folgenden Capitel die Frage von
ihrem Zusammenhang mit den Ventrikeln besprechen; dort wird auch ein historischer Rückblick auf die bezüglichen
wechselnden Ansichten geliefert. Betreffs des Zusammenhangs derselben mit wirklichen Lymphgefässen haben wir
angegeben, dass wir von den Subarachnoidalräumen (bei Kaninchen) eine Injection der Lymphnetze der Nasenschleim-
haut erhalten haben, ganz wie vom Subduralraum hinaus. Natürlicherweise darf man keine Schlüsse in dieser Hinsicht
aus solchen Injectionen ziehen, welche gleichzeitig im Subduralraum und in den Subarachnoidalräumen verliefen.
Die Injectionen Schwalbes, welche immer von dem ersteren Raum aus gemacht wurden, können deswegen keinen
Schluss betreffs des directen Zusammenhangs der Lymphgefässe mit den Subarachnoidalräumen gestatten.
Wenden wir uns jetzt zur Frage über das Verhalten dieser Räume zu den abgehenden Nerven, so finden wir,
dass ältere Verfasser, wie Galenits, Vesalius, Winslow u. A. zwar angeben, dass die weiche Haut mit den Nerven
Scheiden innerhalb der Duralscheiden absendet; so lange man aber gar keine Subarachnoidalräume kannte, war es ja
nicht möglich, dass eine Frage von ihrer Fortsetzung mit den Nerven entstände. Cotugno lässt wohl die Gehirnnerven
während ihres intracraniellen Verlaufs und den Opticus bis zum Bulbus von Duralscheiden sowie von Cerebrospinal-
flüssigkeit begleitet sein, er giebt aber keine Darstellung von dem betreff. Verhalten der Arachnoidea und den unter
ihr befindlichen Räumen. Die Verfasser, welche die Arachnoidea in Uebereinstimmung mit Bichat auffassten,
scheinen, wie auch natürlich war, angenommen zu haben, dass die Subarachnoidalräume an der Umschlagstelle der
Arachnoidea endigen. Magendie sah indessen, dass die Cerebrospinalflüssigkeit und nach seiner Auffassung damit
auch die Subarachnoidalräume sich mit dem fünften Nervenpaar um das Ganglion Gasseri und mit dem Acusticus und
Facialis bis zum Boden des Meatus auditorius internus fortsetzten, ohne in directer Verbindung am letztgenannten Ort
mit der Flüssigkeit des Labyrinthes zu stehen; den Sehnerven sollte sie aber beim Eintritt in die Orbita verlassen.
Bei Luschka finden wir aber die bemerkenswerthe Angabe, dass das Visceralblatt der Arachnoidea spinalis um die
Wurzeln der Rückenmarksnerven scheidenartige Fortsätze bildet, welche innerhalb der entsprechenden Dura-mater-
scheiden nach auswärts sich verfolgen lassen und erst jenseits der Ganglien in der Neurilembildung aufgehen;
von der Arachnoidea cerebralis nahm er, wie wir gesehen haben, an, dass sie mit jedem austretenden Gehirnnerv
eine scheidenartige Umhüllung sendet, welche zusammen mit den entsprechenden Scheiden der Dura und Pia mater
den Anfang zur Bildung seines Neurilems abgiebt; diese Scheide wurde aus den tieferen Lagen des Gewebes der
Arachnoidea gebildet, während die oberste Schicht zur Erzeugung der parietalen Spinnwebenhaut auf die innere
Oberfläche der Dura übergeht. Dass die Subarachnoidalräume die Nerven begleiten, giebt er aber nicht an. Andere
Verfasser, welche der Bichat’schen Auffassungsweise nicht huldigten, scheinen, wie z. B. Hyrtl, angenommen zu haben,
dass die Scheiden, welche die Arachnoidea mit den Nerven sendet, blind endigten, oder liessen sie in das Neurilem
und die Dura mater übergehen oder mit diesen verwachsen, wobei keine Fortsetzung der Subarachnoidalräume den
geltenden Ansichten gemäss vorhanden sein konnte. Wir zeigten dann, dass die Arachnoidea mit den Nerven
innerhalb der sie begleitenden Duralscheiden besondere Scheiden absendet, sowie dass die Subarachnoidalräume
innerhalb dieser Scheiden sich fortsetzen und wie der Subduralraum in eigenthümliche Lymphbahnen im ganzen
peripherischen Nervensystem übergehen; Quincke bestätigte dies, besonders dass während des Lebens eine Strömung
stattfinde, da er nach Einspritzungen von Zinnober in die Subarachnoidalräume bei lebenden Thieren die Zinnober-
körner in spinalen Nerven ausserhalb der Ganglien wiederfand.
Wie beim Subduralraum so fanden wir auch bei den Subarachnoidalräumen, dass die Pacchionischen Granula*
tionen für den Uebergang der Flüssigkeiten in das Venensystem von grosser Bedeutung sind (s. das betreff. Capitel).
!) In Zusammenhang mit diesem historischen Rückblick möchten wir auf die Verwirrung aufmerksam machen, welche betreffs der
Terminologie der weichen Haut und der ihr angehörigen Schichten bei den verschiedenen Verfassern entstanden ist. Man wusste nicht,
was zur Arachnoidea und was zur Pia gerechnet werden sollte. Zwar beruht dies theilweise auf einer ungenügenden Kenntniss des fei-
neren Baues der weichen Haut; besonders nahm aber die Verwirrung zu, je mehr man die alte Bichat’sche Auffassung aufgab und die
Arachnoidea zusammen mit dem Subarachnoidalgewebe und der Pia als eine einzige Hülle um Gehirn und Rückenmark anzusehen begann.
Für diese Hülle im Ganzen findet man also bei den Verfassern die Benennungen »die weichen Häute», »die weiche Haut», »die Pia mater»
angewandt. Die Namen Arachnoidea und Pia mater werden bald in weiter, bald in beschränkter Beziehung gebraucht. Sowohl in ana-
tomischer als in pathologisch-anatomischer Hinsicht ist diese Lnsicherheit sehr unbefriedigend und sogar irreleitend. Einige Verfasser
haben dies auch ausgesprochen; so z. B. in der letzten Zeit Hitzig: »ich werde», sagt er, »im Folgenden, wenn ich von meinen eigenen
Key und Ketzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 82
Beschreibung der Subarachnoidalräume.
Bei der Beschreibung der Subarachnoidalräume erscheint es uns am besten, von den Verhältnissen im Rücken-
markscanal auszugehen, weil eben diese die einfachsten sind. Zwischen der der Innenseite der Dura sich anschlies-
senden Arachnoidea und der das Rückenmark eng umfassenden Pia befindet sich, die gange Länge des Spinalcanales
hindurch, der grosse Subarachnoidalraum des Rückenmarks, mit seinem Inhalt dieses Organ sowie die Cauda equina
und die austretenden Nervenwurzeln umspülend. Dieser grosse Zwischenraum, welchen wir das Spatium subarach-
noidale meclulloe spinalis nennen wollen, ist zwar überall zusammenhängend, wird aber doch nicht nur durch die
Ligamenta denticulata, sondern auch durch Subarachnoidalhäutchen verschiedener Art in gewisse Abtheilungen ge-
sondert. Anfangs werden wir dies aber nicht berücksichtigen, sondern statt dessen den Raum im Ganzen in Be-
tracht nehmen, dabei hauptsächlich auf die Querschnitte gestützt, welche wir in der Tafel II wiedergegeben haben.
Diese Querschnitte siüd in der Weise dargestellt, dass wir zuerst an einer menschlichen Leiche eine Injection einer
mit löslichem Berlinerblau gefärbten, ziemlich dünnen Leimlösung unter Erwärmen der zu injicirenden Theile in den
Subarachnoidalraum bis zu mässiger Ausspannung desselben einfliessen Hessen. Dann wurde die Leiche in hori-
zontaler Stellung zum Frieren gelassen, wonach der Rückgrat im gefrorenen Zustand durch alle Wirbel ihrer
ganzen Länge hinab nach und nach durchgesägt wurde. Die Abbildungen ebenso wie alle Masse sind an diesen
Querschnitten, während sie noch gefroren waren, ausgeführt; dann wurden die Präparate in Müller scher Flüssigkeit
und Weingeist erhärtet und die Abbildungen sowie die Masse noch einmal an denselben controllirt. Die Figuren
I—l 61—16 stammen alle von derselben Leiche her; sie mögen also geeignet sein, die relative Räumlichkeit u. s. w. des
Subarachnoidalspatium an verschiedenen Stellen und in mässiger Ausspannung wiederzugeben. Die Figuren 17—19,
welche die Querschnitte einer anderen in derselben Weise behandelten Leiche, wo aber die Ausspannung grösser war,
darstellen, sind zum Vergleich beigefügt. An solchen Querschnitten tritt im Allgemeinen nicht die äusserst dünne
Arachnoidea zwischen der blauen Leimmasse und der Dura hervor, weswegen sie, ebenso wie die feinen Sub-
arachnoidalhäutchen und Balken, in den Abbildungen 'nicht wahrzunehmen ist.
Erfahrungen spreche, nur die Benennungen ’Dura’ und ’Pia’ anwenden, denn heut zu Tage versteht fast Jeder etwas Anderes, wenn er
von Vier Arachnoidea’ spricht, ohne dass doch die Berechtigung dieser verschiedenen Anschauungsweisen hier erörtert werden könnte».
Da aber Hitzig die ganze Haut Pia nennt, so kann dies nicht eben eine gute Wahl heissen; wenn er z. B. von einer Läsion der Pia
spricht, weiss man nicht, ob nur die Subarachnoidalräume geöffnet sind oder die Läsion die ganze Haut bis zur Hirnoberfläche betrifft.
Ans Allem geht hervor, dass man nothwendig eine bestimmte, gut präcisirende Terminologie feststellen muss.
Um zu einer solchen beizutragen, gaben wir in einer unseren älteren Mittheilungen (Nord. Med. Arkiv 1870) an, dass wir den
Namen »Arachnoidea» nur auf die äussere Verdichtungsschicht beschränkten, den Namen »Pia» der inneren Verdichtungsschicht gaben
und dass wir »Subarachuoidalgewebe» alles zwischen den beiden erwähnten Schichten befindliche Gewebe nannten. Diese Be-
zeichnungen scheinen uns immer die nöthige Präcisirung darzubieten.
Indessen wäre es jedenfalls wünschenswcrth, eine alle Schichten zusammenfassende Benennung der innerhalb der Dura mater be
findlichen Hülle zu haben. »Pia mater» wäre jedenfalls die geeignetste, aber dann müsste man der inneren Verdichtungsschicht einen
neuen Namen geben, und dies würde vielleicht neue Verwirrunnen veranlassen. Deswegen scheint uns am besten eine andere Ueber-
setzung des alten Namens (.irjviy£ rj lernt] als eine die ganze Hülle umfassende Benennung anzuwenden. In dieser Hinsicht bietet sich
die in der älteren Literatur vorkommende »Mcninx tenuis» oder im Deutschen »die weiche Haut» an. Diese Bezeichnung würde also
immer die ganze weiche Hülle, also die Arachnoidea, das Subarachnoidalgcwebc und die Pia mater umfassen Eine Benennung, welche
sich sonst gut eignete, wäre »die eigene Haut» des Gehirns und Rückenmarks oder Membrana propria cerebri et medullm
spinalis. Da jeder neue Name, wenn nicht allgemein angenommen, nur beschwerlich ist, wollen wir nicht auf die Einführung dieser
Bezeichnung bestehen; wir schlagen sie indessen den Verfassern vor und werden dieselbe vielleicht das eine oder andere Mal anwenden.
In Zusammenhang hiermit gestatten wir uns eine .andere Bemerkung, nämlich betreffs der Bezeichnung »Arachnoidalraum».
Derselbe stammt eigentlich aus der Zeit her, wo man die Arachnoidea als einen serösen Sack ansah, und er soll wie bekannt den Raum
zwischen Dura und Arachnoidea bezeichnen. Indessen findet man nicht selten bei den Verfassern, dass darunter auch Räume unter
der Arachnoidea, also Subarachnoidalräume, bezeichnet wurden. Dies muss nothwendig zu mancherlei Missverständnissen Anlass geben,
und das ist in der That mehrmals geschehen; Beispiele davon wären leicht anzuführen. Oft weiss man nicht sicher, was der eine oder
andere Verfasser mit dem Namen Arachnoidalraum meint. Um in dieser Hinsicht jeder Möglichkeit einer Verwechselung zu entgehen,
haben wir (Nord. Med. Ark. 1870) vorgeschlagen, diesen Namen vollständig zu verwerfen, und statt desselben den Raum unter der Dura,
zwischen ihr und der Arachnoidea, »den Subduralraum», sowie, wie gewöhnlich,-die Räume unter Arachnoidea, zwischen ihr und der Pia,
mit »Subarachnoidalräume» zu bezeichnen. 83
Betreffs der allgemeinen Gestalt des Subarachnoidalspatium im Querschnitt, so muss sie, da die Dura die
Arachnoidea dicht umschliesst, nach der Gestalt des Durarohres sich richten. Die letztere aber muss überall, wo
nicht ein besonders reichliches Periduralgewebe wie im Sacralcanale (Fig. 15 u. 16) vorhanden ist, sich wesentlich
nach dem Lumen des Spinalcanales selbst richten. Ein Blick auf die ganze Folge der Durchschnitte zeigt, dass
das Subarachnoidalspatium im Cervicaltheil eine von vorn nach hinten etwas abgeplattete, ovale Gestalt hat; im
Dorsaltheil ist dagegen seine Form mehr regelmässig rundlich und im Lumbaltheil wird sie mehr oder weniger
prismatisch mit abgerundeten Ecken dies Alles in üebereinstimmung mit der Gestalt des Lumens der Wirbel im
Querschnitt. Wenn die Schnitte die Austrittstellen der Nerven getroffen haben, wird das Subarachnoidalspatium
nach den Seiten etwas ausgezogen. Die Fehler, welche dadurch in den Massen entstehen können, haben wir zu
eliminiren versucht. Die Betrachtung der Figuren zeigt auch, dass das Durarohr und damit auch das Subarachnoidal-
spatium im oberen Cervicaltheil verhältnissmässig sehr räumlich ist, dass es dann im Dorsaltheil sich verengert, um
wieder im Lumbaltheil erweitert zu werden, wonach es ziemlich schnell sich verschmälert. In der folg. Tabelle
haben wir die Masse des Subarachnoidalspatium in Mm. an den verschiedenen 'Querschnitten zusammengestellt.
Masse an dem Subarachnoidalspatium des Rückenmarks.
Fig.
Wo die Durchschnitte
gemacht worden sind.
Das ganze
Rohr
der Häute
Das Subarachnoidalspatium
Rückenmark
i
Frontal-
Masse.
2
Sagittal-
Masse.
3
rechts u. links
a. d. Figur.
4 ,
an beiden
Seiten zu-
sammen.
5
nach
vorn.
6
nach
hinten.
7
vorn und
hinten zu-
sammen.
8
frontal.
9
sagittal.
1
l:ste
Halswirbel
24
15.5
6-
-6
12
1.5
3.5
5
12
10.5
2
3:te
»
24
15
6-
-6
12
1.5
3
4.5
12
10.5
3
5;te
»
23
14
5-
-5
10
1
3
4
13
10
•»
6:te
»
23
15
5-
-5
10
2
3
5
13.1
10
4
7:te
»
23
16
5.5 -
-5.5
11
4
3
7
12
9
5
l:ste
Dorsalwirbel...
22
15
5.5 -
- 6.5
12
4
2
6
10
9
2:te
))
18
15
5-
-4
9
2
4
6
9
9
6
3:te
»
16.5
15
3.5-
-4
7.5
2
4
6
9
9
7
6:te
»
14
13
2.5-
-2.5
5
1
3
4
9
9
7:te
»
14
13
3-
-3
6
1
4
5
8
8
9:te
» '
16
13.5
4-
-4
8
1
4.5
5.5
8
8
8
10:te
»
16
14
4-
-4
8
2
4
6
8
8
9
12;te
»
19
15
5-
-5
10
3
3
6
9
9
10
l:ste
Lumbalwirbel.
23(?)
17
7-
-7(?)
14
3.5
4.5
8
9
9
11
2:te
»
23
18
8-
-9
17
5.5
6.5
12
6
6
12
3:te
))
24
17
13
4:te
))
22
14
14
5:te
»
19
14
15
l:ste
Sacral wirbel....
12
11
17
9:te
Dorsal wirbel
19
15
5 -
-4.5
9.5
1
5
6
9.5
9
18
ll:te
»
24.5
19
8-
-7 '
15
1.5
8.5
10
9.5
9
19
2:te
Lumbalwirbel...
24
18
8.5-
-9
17.5
3
8
10
6.5
7
Natürlicherweise können die Masse dieser Tabelle keine absolute, nur eine relative Gültigkeit haben und
diese letztere sogar mit einiger Beschränkung, indem die Flüssigkeit vor dem vollständigen Erstarren sich etwas
ungleichmässig vertheilt haben kann; um solche Unregelmässigkeiten zu vermeiden, wurde aber, wie oben erwähnt ist,
der Rückgrat während des Erfrierens so viel als möglich in horizontaler Lage gehalten. Die anzuwendende Leim-
lösung muss dünnflüssig sein, um picht zu schnell zu erstarren. Durch Anwendung mehr dickflüssiger oder schneller
erstarrender Injectionsmassen (wie Paraffin mit Oel u. s. w.) kann man zwar gute Abgüsse einzelner Theile erhalten,
die Injection wird aber gewöhnlich mehr oder weniger unregelmässig vertheilt und dringt oft nur mehr einseitig
O 84
am Rückenmark hervor, wobei sie dieses Organ nach der anderen Seite verschiebt. Aus der obigen Tabelle findet
man, dass allenfalls solche, obwohl kleinere, Verschiebungen hie und da entstanden sind, so dass das Rückenmark
der einen oder der anderen Seite etwas genähert oder sogar stellenweise mehr nach hinten verschoben liegt, als im
Vergleich mit angrenzenden Stellen natürlich erscheint. Die Ligamenta denticulata tragen zwar dazu bei, ihn in
centraler Lage zu erhalten; sie gestatten indessen eine nicht unbedeutende Verschiebung, besonders in der Richtung
von hinten nach vorn. Die Lage der Leiche auf dem Rücken oder auf dem Bauch während oder unmittelbar nach
der Injection hat auch einen Einfluss auf die Lage des Rückenmarks im Verhältniss zur vorderen und hinteren Wand
des Subarachnoidalspatium. Durch alle diese Umstände ergiebt sich, dass man nicht von dem Masse bloss an der
einen Seite des Rückenmarks auf die Weite des Subarachnoidalspatium in einer gewissen Richtung schliessen darf,
sondern dass dieses Mass aus der Summe der beiderseitigen betreffenden Masse hervorgeht. Deswegen giebt die
4:te Columne der obigen Tabelle eigentlich den sichersten Aufschluss über die Weite dieses Spatium nach den Seiten
hin; wenn man nämlich diese Masse halbirt, erhält man ungefähr die richtige jederseitige Weite desselben bei normaler
Lage des Rückenmarks. Ein anderes Verhältniss findet vielleicht zum Theil bezüglich der Masse in der sagittalen
Richtung statt. Bei der Durchmusterung der Tabelle sowohl als noch auffallender bei Betrachtung der Abbildungen
der Tafel II findet man, dass das Rückenmark im Allgemeinen viel näher der vorderen als der hinteren Wand des
Subarachnoidalspatium anhegt; kann aber dies das normale Verhalten sein? An einigen Durchschnitten (Fig. 4 u. 5)
sieht man das Mark in entgegengesetzter Weise, d. h. der hinteren Wand näher liegend, während es an anderen
(Fig. 9, 10, 11) mehr central sich befindet. Nach aller Wahrscheinlichkeit ist auch die letzt erwähnte Lage die der
normalen am meisten entsprechende. Bei der Bauchlage der Leiche sinkt das Mark nach vorn und umgekehrt bei
der Lage auf dem Rücken. Wahrscheinlicherweise findet auch während des Lebens ein derartiges Verhältniss statt.
Dies wurde sogar schon von Magendie hervorgehoben. Ob indessen das Rückenmark nicht etwas näher der vorderen
Wand seines arachnoidalen Rohres anliege, ist sehr schwer zu entscheiden; es ist aber ganz gewiss, dass es durch
die Injectionsflüssigkeit nach der hinteren mehr oder weniger dicht verschoben werden kann.
Wenn man nach diesen allgemeinen Bemerkungen die Tabelle etwas näher betrachtet, findet man, dass die
grösste Wechselung in der Weite des Subarachnoidalspatium in den verschiedenen Abtheilungen des Rückenmarks
in der transversalen Richtung vorhanden ist. Im obersten Cervicaltheil bleiben das Rohr und seine Seitenweiten
ziemlich dieselben. Im unteren Cervicaltheil vermindert sich allmählig der Querdurchmesser des Rohres im Ganzen;
die seitliche Weite beruht doch nicht vollständig darauf, sondern wird auch von der Breite des Rückenmarks an und
unter der Cervicalanschwellung abhängig (Vergl, die Columnen 1, 4, 8 unter einander). Im oberen Dorsaltheil sinkt
die seitliche Weite ziemlich schnell und erreicht ihr Minimum ungefähr in der Mitte dieser Region, in der Gegend
der 6:ten und 7;ten Dorsalwirbel. Sie ist hier, wenn man die beiden Seifen zusammenschlägt, von 24 Mm. (im oberen
Halstheil) bis auf 14 Mm. herabgesunken.
Ein anderes Verhältniss findet betreffs der Weite in sagittaler Richtung statt. Zwar sieht man, dass das
ganze Rohr in dieser Beziehung in der Gegend des s:ten Cervicalwirbels sich verengert, es wird aber dann in der
unteren CervicaL und in der oberen Dorsalregion wieder erweitert; dann wird es indessen noch einmal verengert,
so dass es auch in dieser Richtung in der Gegend des 6:ten und 7:ten Dorsalwirbels am engsten ist; die Verengerung
ist aber viel unbedeutender als die der transversalen und beschränkt sich auf 2 oder 3 Mm. Grossentheils in Folge
der verminderten Dicke des Rückenmarks nimmt die Weite des Subarachnoidalspätium selbst in der sagittalen
Richtung am untersten Cervical- und am obersten Dorsaltheil zu, wonach sie wieder mit der allgemeinen Verengerung
des Rohres vermindert wird.
Wenn man nun das Verhalten unterhalb der engsten Stelle des Rohres in der Mittelregion des Dorsaltheils
berücksichtigt, findet man, dass es in der transversalen Richtung wieder zunimmt, so dass es im oberen Lumbaltheil,
in der Gegend des 2:ten und 3:ten Lumbalwirbels dieselbe transversale Weite wie in dem oberen Cervicaltheil erhält,
ohne doch das Mass des letzteren zu überschreiten. In sagittaler Richtung erweitert sich das Rohr noch mehr im
untersten Dorsal- und obersten Lumbaltheil, wo es in dieser Hinsicht in der Mittellinie das entsprechende Mass des
oberen Cervicaltheils bedeutend übersteigt. Die Weite wird aber im Ganzen doch dadurch etwas beschränkt, dass
das Lumen nicht dieselbe ovale Gestalt hat wie am Cervicaltheil. Im unteren Lumbaltheil verengert sich das Rohr
schnell in der sagittalen sowohl als in der transversalen Richtung.
Aus diesen Verhältnissen geht also hervor, dass die weitesten Stellen des Subarachnoidalspatium in der obersten
Cervical- und in der oberen Lumbalregion vorhanden sind, die am wenigsten weite Stelle aber in der mittleren 85
Dorsallegion sich findet. Die Verminderung der Weite von oben nach unten bis zur engsten Stelle geschieht haupt-
sächlich auf Kosten der seitlichen Theile des Spatium. Die Erweiterung nach unten zu findet aber mehr gleich-
förmig in transversaler sowie in sagittaler Richtung statt; das ganze Lumen des Spatium entspricht aber nicht voll-
ständig dieser Erweiterung, weil es in dieser Region in seiner natürlichen Lage nicht eine so ovale oder rundliche
sondern eine etwas prismatische Gestalt hat.
Nach diesen Bemerkungen betreffs des ganzen Subarachnoidalspatium des Rückenmarks werden wir die Am
Ordnung des in demselben vorkommenden subarachnoidalen Gewebes sowie der durch dasselbe gebildeten Abtheilungen
des Raumes berücksichtigen. Vom Foramen magnum bis zur Nähe des Eilum terminale läuft an jeder Seite des
Rückenmarks zwischen den vorderen und hinteren Nervenwurzeln und längs den Seiten strängen das Ligamentum
denticulatum (Taf. I, Fig. 1), welches wie ein Diaphragma zwischen Pia und Arachnoidea ausgespannt ist. Hierdurch
wird der subarachnoidale Umfang des Rückenmarks in zwei Hälften oder grösseren Abtheilungen getrennt, eine
vordere, welche wir das Spatium subarachnoidale spinale anterius, und eine hintere, welche wir das Spatium
subarachnoidale spinale posterius nennen.
Das Ligamentum denticulatum besteht aus einer dünnen aber im Allgemeinen ziemlich starken fibrösen
Haut oder einem dünnen Band, welches mit seinem inneren Rande dicht am Rückenmark überall mit der Pia zusammen-
hängt, d. h. es setzt sich direct in diese Membran fort. Der äussere Rand dagegen liegt grösstentheils frei ausgespannt,
mehr oder weniger dicht an der Innenfläche der Arachnoidea. Die Ausspannung wird bewirkt durch kürzere oder
längere, mehr oder weniger starke Zacken, welche von dem freien Rand des Ligaments ungefähr mitten zwischen jedem
oberen oder unteren Paar von Nervenwurzeln entspringen und die Arachnoidea scheinbar durchdringen, um auswärts
von ihr sich an der Innenfläche der Dura zu befestigen. Bei näherer Untersuchung mit Loupe oder Mikroskop
findet man indessen, wie wir schon oben hervorgehoben haben, dass die Zacken keineswegs die Arachnoidea durch-
bohren, sondern dass diese Haut mit ihnen Dichter- oder scheidenförmige Umhüllungen sendet, welche sie zur
Innenfläche der Dura begleiten. (Tat. XVIII, Fig. 1. üeber ihr Verhalten dort s. übrigens weiter unten). Wenn
man das fragliche Ligament unter womöglichst normalen Verhältnissen, d. h. ohne das Rückenmark herauszunehmen,
untersucht, so findet man, dass es in der Regel so ausgespannt ist, dass sein freier Rand zwischen den Zacken
ziemlich dicht der Innenseite der Arachnoidea sich anschliesst, ja zwischen dem 5, 6, 7, 8 und 9 Dorsalnerven ist
der sonst freie Rand fast regelmässig hier und dort in grösserer oder kleinerer Entfernung von den Befestigungs-
zacken an der Arachnoidea verwachsen, was mit der kleineren Beweglichkeit dieses Theiles in Zusammenhang
stehen mag. Feine Häutchen oder Balken laufen ausserdem oft auch an anderen Stellen vom freien Rande zur
Innenseite der Arachnoidea über. Wenn man das Rückenmark herausnimmt, wobei die Spannung natürlicherweise
vermindert wird, sinkt die Ligamenthaut mehr oder weniger festonartig zwischen den Zacken zusammen, und wenn
man diese Zacken durchschneidet, sinkt sie plötzlich nach dem Rückenmark zusammen nieder; wenn man um-
gekehrt das Ligament von dessen Befestigung an der Pia ablöst, zieht es sich nach aussen zusammen. Längs
dem freien Rande des Ligaments geht eine Verdickung als ein runder oder auch mehr platter Randfaden. Von
diesen stammen eigentlich die Befestigungszacken her, im Allgemeinen so, dass der Randfaden mit seinen äusseren
Bündeln in die Zacken ausläuft, und diese Bündel, d. h. die ganzen Zacken, setzen sich unmittelbar in die
Bündel der Dura fort (hierüber mehr unten). Mit der die Zacken umhüllenden Arachnoidalscheide gehen immer
Blutgefässe, wie auch im Inneren der Zacken selbst. Das Ligament ist übrigens bei verschiedenen Individuen be
treffs seiner Dichtigkeit sehr verschieden entwickelt. Bei Einigen ist es dicker, fester, bei Anderen viel dünner;
gewöhnlich zeigt es sich schon bei makroskopischer Untersuchung an einer oder anderen Stelle von grösseren oder
kleineren Löchern durchbrochen, cribrirt, besonders in der Cervicalregion; zuweilen findet man es cribrirt in seiner
ganzen Länge; ja in einzelnen seltenen Fällen besteht es fast nur aus dem Randbalken und aus spärlichen, von
ihm nach der Pia verlaufenden und nur hie und da mit kleineren membranähnlichen Bildungen versehenen Fäden.
Alle diese Wechselungen werden leichter verständlich, wenn man den eigentlichen Bau des Ligaments kennt. So
fest und dicht diese Haut dem unbewaffneten Auge erscheinen mag, besteht sie doch innerhalb des Randbalkens
nicht aus einer zusammenhängenden, undurchbrochenen Membran, sondern aus mehr oder weniger freien, netzförmig
vereinigten Balken in Schichten verschiedener Anzahl, oft aber in rhombischer Anordnung der Maschen (Taf. XVIII,
Fig. 1, 2). Wenn die Maschen dieses Balkennetzes so gross werden, dass sie mit dem blossen Auge wahrnehmbar
sind, erscheint die Haut cribrirt; von diesem Zustand findet man alle Uebergänge zu einem solchen, wo die Haut
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 86
an kleineren Stellen oder in grösserer Ansdehnung nur aus einzelnen Balken besteht. Es ist begreiflich, dass diese
Zusammensetzung des Ligamentes für seine Ausspannung oder Zusammenziehung, je nach dem das Subarachnoidal-
spatium durch Flüssigkeit ausgespannt wird, in hohem Grade geeignet ist. Betreffs der histologischen Einzelheiten
mag auf die histologische Beschreibung des Subarachnoidalgewebes hingewiesen werden.
Bevor wir jetzt das Ligamentum denticulatum verlassen, haben wir seine Enden sowie einige nicht uninteres-
sante Verhältnisse betreffs der Anordnung seiner Befestigungszacken zu berücksichtigen. Das obere Ende des Liga-
ments befindet sich im Foramen magnum selbst, am Anfang des eigentlichen Spinalrohres. Der erste Zacken be-
festigt sich eben oberhalb der Eintrittstelle der Arteria vertebralis, wie die Figuren 1, 3 und 4 an der Tafel I dar-
stellen. Die Arterie verläuft nach ihrem Eintritt in den Subarachnoidalraum unmittelbar vor dem erwähnten Zacken
und dem oberen Ende des Ligaments, wie an den citirten Figuren, welche von hinten genommen sind, zu sehen ist,
ebenso wie noch deutlicher an der Fig. 2 derselben Tafel, wo der obere Theil des Ligaments mit seinen Umgebungen
von vorn abgebildet ist. Der oberste Zacken ist gewöhnlich stark ausgebildet und der oben beschriebene Randfaden
läuft in denselben aus, um auf diese Weise in die Dura überzugehen; oberhalb dieser Befestigung endigt das
Ligament als ein dünnes Häutchen mit feinem, gewöhnlich etwas gebogenem, oft durchbrochenem Rand, Es kann
ziemlich plötzlich enden oder mehr oder weniger als ein durchbrochenes Gebräme an den Seiten des Markes etwas
nach oben laufen, wie die angeführten Figuren näher zeigen. Hinter dem oberen Theil des Ligamentum denticulatum
liegt der Accessorius Willisii zwischen jenem und den hinteren Nervenwurzeln. Von der Hülle des genannten Nerven
gehen Balken aus, welche ihn theils an den hinteren Wurzeln, theils am Ligamentum denticulatum befestigen, so
dass er zwischen diesen beiden Bildungen aufgehängt wird; er legt sich indessen gewöhnlich den hinteren Wurzeln
näher, so dass er zuweilen dicht an der Vorderfläche derselben befestigt liegt. Die Figuren 2 und 3 stellen seine
Lage im Verhältniss zum Ligament dar. Die Fig. 1 ist sonst dazu geeignet, eine Vorstellung von der regelmässig
vorkommenden Anordnung der Zacken, den ganzen Rückenmarkscanal hindurch, zu geben. An dieser Figur findet
man, dass sie im Cervicaltheil einander viel näher sitzen als in den übrigen Theilen. Im oberen Cervicaltheil sind sie
im Allgemeinen kurz und stark und laufen fast gerade nach ihren Befestigungen zu, welche mitten zwischen den
Austrittstellen der Nerven oder etwas näher dem unteren Nerven sich befinden. Im unteren Cervicaltheil werden
sie im Allgemeinen etwas länger und feiner und haben einen etwas recurrenten Verlauf. Dieses Verhältniss wird
noch mehr ausgeprägt an den beiden Zacken, welche sich oberhalb der ersten und zweiten Dorsalnerven befestigen.
Hier findet sogar fast constant das eigentümliche Verhältniss statt, dass am ersten oder zweiten Dorsalnerven oder
an diesen beiden der Zacken erst unterhalb der Nervenwurzel entspringt, um dann nach oben, dieser vorbei, zurück-
zulaufen und sich in gewöhnlicher Entfernung oberhalb derselben zu befestigen. (Taf. I, Fig. 1 bei f). Diese langen
zurücklaufenden Zacken sind oft sehr fein und können leicht übersehen werden. Es kommt zuweilen vor, dass
zwischen den untersten Cervicalnerven ein oder zwei Zacken fehlen.
Diese Anordnung, gerade an dem besonders bei Beugungen vorwärts so beweglichen Theil der Columna spinalis,
ist für die Beurteilung der Function des Ligaments von Wichtigkeit. Erstens ist es klar, dass durch die er-
wähnte Beschaffenheit der Zacken das Ligament weniger stramm gespannt wird und dass es also mit seinem freien
Rande von der Innenseite der Arachnoidea sich mehr entfernen kann. Untersucht man es in situ, so findet man
auch, dass dieser Rand hier dem Rückenmark mehr angezogen liegt, während es oberhalb und unterhalb dieser Stelle
inniger an die Arachnoidea gespannt ist. Weil die Diaphragmabildung zwischen dem vorderen und hinteren
Subarachnoidalspatium hier unvollständiger als an anderen Stellen ist, so geht daraus als eine natürliche Folge hervor,
dass eine grössere Flüssigkeitsmenge schneller von dem einen zum anderen Spatium hinüberströmen kann, was
vielleicht bei plötzlicheren Biegungen des Rückgrats nicht ohne Bedeutung ist, als dabei ohne Zweifel die Lage des
Rückenmarks geändert wird. Daneben scheint der recurrente Verlauf der Zacken eine Verschiebung des Rücken-
marks innerhalb seines Duralrohres nach oben gestatten zu können, hingegen erlauben sie keine Senkung desselben
nach unten. Ob eine solche Verschiebung wirklich vorkommt, ist schwer zu bestimmen. Wenn man die Wirbel-
bögen entfernt, die Duralscheide aufschneidet und das Rückenmark beobachtet, während man starke Biegungen
des Halses ausführt, findet man, dass es eigentlich das ganze Duralrohr ist, welches darunter im Spinalcanale
verschoben wird, so dass es bei der Biegung des Halses wie nach oben erhoben wird; wenn man gleichzeitig durch
die hinreichend durchsichtige Arachnoidea die hier recurrenten Zacken des Ligamentum denticulatum beobachtet,
so findet man, dass sie bei den Vorwärtsbiegungen mehr oder weniger straff gespannt werden und dass sie das
Rückenmark zwingen, den Bewegungen der Dura nach oben zu folgen. Ihre recurrente Richtung wäre zwar im 87
Allgemeinen durch diese Function zu erklären, wenn sie nämlich den normalen Ursprung haben. Dagegen wird
aber dadurch nicht die hier so regelmässig verkommende abweichende Befestigung des einen oder anderen Zackens
erklärt; dies scheint auf einer ursprünglichen Anordnung zu beruhen. Bemerkenswerth ist, dass in der steifen Dorsal-
region die Zacken wieder kürzer und gerader nach aussen verlaufend werden, woneben hier, wie oben erwähnt,
der freie Rand des Ligamentes in grösseren oder kleineren Strecken der Innenseite der Arachnoidea ange-
wachsen ist. Dem beweglicheren Lumbaltheil näher hören dann die Anwachsungen wieder auf; die unteren Zacken
werden länger und verlaufen nicht gerade nach aussen zu ihren Befestigungsstellen, sondern mehr oder weniger
schief nach unten, also in einer derjenigen der recurrenten Zacken des unteren Cervicaltheils entgegengesetzter
Richtung. Der letzte Zacken, welcher gewöhnlich etwa 4 Cm. oberhalb des Anfangs des Filum terminale entspringt,
ist in der Regel besonders lang, stark nach unten gerichtet und befestigt sich an die Dura zwischen dem letzten
Dorsal- und dem ersten Lumbalnerven (Taf. Ir Fig. 1 f). Unterhalb des Ursprungs dieses Zackens verschmälert
sich das Ligament mit einem sensenförmigen Rand ziemlich schnell, verläuft aber doch in der Regel als eine niedrige
Firste oder dünne Kante an der Seite des Conus medullaris hinab bis zum Anfang des Filum terminale. Das untere
Ende des Ligaments ist zwar gewöhnlich an beiden Seiten symmetrisch gebildet; dann und wann findet man aber
doch hier kleine Unregelmässigkeiten; bisweilen fehlt der unterste Zacken der einen oder anderen Seite, bisweilen
scheint sogar ein überzähliger Zacken Vorkommen zu können.
Von Wichtigkeit ist es zu untersuchen, wie grosses Ausspannungsvermögen das Ligamentum denticulatum
an verschiedenen Regionen des Rückenmarks besitzt, d. h. wie weit die Befestigungsstellen der Zacken an der Dura
ohne zu starke Anspannung des Ligamentes von der Anheftung desselben an der Pia sich entfernen lassen.
Davon hängt wohl zum Theil ab, wie gross die seitliche Ausdehnung des Subarachnoidalspatium werden kann; be-
sonders hängt aber hiervon ab, wie viel das Rückenmark innerhalb des Scheidenrohres aus der centralen Lage nach
der einen oder anderen Seite verschoben werden kann. Die Masse dieses Ausspannungsvermögens wechseln zwar
etwas bei verschiedenen Exemplaren des Rückenmarks, behalten aber doch ein gewisses Verhältniss zu einander
an verschiedenen Stellen desselben Rückenmarks sowie zum Lumen des Scheidenrohres. Wir beschränken uns
darauf, die Massreihe eines mit stark ausgebildetem Ligament versehenen Rückenmarks als ein Beispiel anzuführen.
Die Zackenbefestigung zwischen l:stem und 2:tem Cervicalnerven 8 Mm,
»»2» 3 » 6 »
)) »3 »4 » 5.5 »
i) » 4 » 5 » ]
Knf 5 »
» »5 )) o » I
)) »7 »8 » 5.5 »
i) » B:tem Cervicalnerven und l:stem Dorsalnerven 6 »
5> )) 1 » »2 » 7 »
» )) 2 » »3 » '
» » 5 » »6 »
ß_ 5 »
» )) 6 » »7 »
» » 7 » »8 »
)> » 8 )) »9 » 5.5 »
»»9»» 10 » 6 »
» » 10 » » 11 » 7 »
» » 11 » » 12 » 11 »
Diese Masse scheinen zu beweisen, dass das Rückenmark im Cervicaltheil durch die Zacken des Ligamentum deute
culatum, wenigstens durch die oberen, ziemlich straff in der Mitte des transversalen Durchschnittes des dasselbe umge-
benden Rohres gehalten wird; im unteren Cervical- und im allerobersten Dorsaltheil kann aber das Verhältniss mehr, als
die obigeu Masse ergeben, je nach der wechselnden Beschaffenheit der dortigen Zacken, variiren. Im Dorsaltheil scheint
dann das Ligamentum denticulatum eine ziemlich starke Seitenverschiebung des Markes zu gestatten, was aus einem
Vergleich der obigen Masse von der einen Seite des Rückenmarks mit den schon vorher in der Tabelle S. 83 gelieferten,
die beiden Seiten des Subarachnoidalspatium betreffenden Massen. Die Nervenbündel der Cauda equina können natür-
licherweise nach der einen oder anderen Seite leicht verschoben werden. Es ist begreiflich, dass diese Frage von
der Verschiebbarkeit des Rückenmarks innerhalb des Subarachnoidalspatium auch ein rein practisches Interesse darbieten 88
kann, z. B, bei solchen Zuständen, wo durch Geschwülste oder andere Veränderungen eine Verdrängung des Lumen
des Subarachnoidalspatium an der einen oder anderen Seite stattfindet und bei welchen diese Verdrängung einen
gewissen Grad erreichen muss je nach der Weite des Subarachnoidalspatium und dem Vermögen des Rücken-
marks an der gegebenen Stelle zu entweichen bevor dasselbe einer wirklichen Compression ausgesetzt wird
(Vergl. einen in der Hygiea 1874, Förh. S. 100 mitgetheilten, im Nord. Med. Arkiv. Bd 6. N;o 32. S. 7 referirten Fall
von Sarkom im periduralen Fettgewebe).
Das Ligamentum denticulatum hat also mehrere Functionen: ausser derjenigen, dass es einen Anheftungs-und
Befestigungsapparat des Rückenmarks im Allgemeinen innerhalb des festen Rohres bildet, in welchem er von Wasser
umspült schwebt, zwingt es auch das Mark den Bewegungen und Verschiebungen, welche dieses Rohr bei den Bie-
gungen des Rückgrats ausführt, nach oben und unten zu folgen; es hält ferner das Mark, besonders im oberen Cer-
vicaltheil, von den Seiten gerechnet in centraler Lage innerhalb des Rohres, gestattet ihm aber, wie es scheint, in
den unteren Theilen in höherem Grade nach der einen oder anderen Seite verschoben zu werden. Daneben dient
es dazu, durch seinen freien, zwischen den Zackenbefestigungen ausgespannten Rand die Arachnoidea von den Seiten
des Markes zu entfernen; es bildet eine Art von Diaphragma, welches den subarachnoidalen Raum um das Mark in
ein vorderes und ein hinteres Spatium unvollständig abtheilt.
Wenn wir nun den vor dem Ligamentum denticulatum befindlichen Theil des Subarachnoidalraums des Rücken-
marks, das vordere Subarachnoidalspatium, berücksichtigen, so finden wir, dass dies längs dem ganzen
Rückenmark vollständig frei und offen ist. Nirgends wird es durch etwaige Häutchen in kleinere Abtheilungen
gesondert; es kommen sogar freie Subarachnoidalbalken nur äusserst spärlich in ihm vor. Man trifft solche eigentlich
bloss in der Mittellinie des Halstheils; sie sind verzweigt und stehen hier oft in einer Reihe unter einander angeordnet,
gleichsam die Andeutung einer Art Raphe bildend. Im unteren Cervical-, sowie im Dorsal- und Lumbaltheil kommen
sie in der Regel nur ganz vereinzelt vor. Die vorderen Nervenwurzeln der verschiedenen Nerven ziehen das Spatium
hindurch. Zwischen den einzelnen Bündeln jeder Nervenwurzel laufen Balken und feine, cribrirte Häutchen. Feine
Balken gehen auch von ihnen hie und da zum Ligamentum denticulatum oder zur Arachnoidea aus. Während ihres
Verlaufes nach aussen, hinten und unten ruhen diese Nervenwurzeln zum Theil auf dem Ligamentum denticulatum,
und sie sind auch in längerer oder kürzerer Entfernung von ihrem Austritt oft durch feine Subarachnoidalhäutchen
oder nur durch Balken an diesem oder an der Innenseite der Arachnoidea befestigt oder wie aufgehängt.
Das vordere Subarachnoidalspatium enthält wohl also im Allgemeinen keine Flindernisse für die freie Strömung
der Subarachnoidalflüssigkeit, im oberen Cervicaltheil haben wir indessen eine solche sehr eigentümlicher Art
gefunden. Ausser der erwähnten, hier oft vorkommenden Balkenreihe, welche ja der Strömung kein nennenswertes
Hinderniss bietet, findet sich hier eine Häutchenbildung, die constant zu sein scheint; in der Taf. I, Fig. 2 ist die-
selbe abgebildet. Man findet es hier in der Flöhe des zweiten Zackens des Ligamentum denticulatum und auf den-
selben wie ein kleines Segel hinauslaufend, das mit sensenförmigem Rand dem Rückenmark hinab geht und zu-
sammen mit dem ähnlich beschaffenen Segel der anderen Seite nach unten spitz ausläuft, um auf diese Weise ungefähr
in der Flöhe des vierten Cervicalnerven zu endigen. Der sensenförmige äussere Rand dieses Segels ist jederseits
frei; der obere Rand hingegen, welcher nach oben etwas convex ist, läuft an dem betreff, zweiten Zacken quer über
das Ligamentum denticulatum zum Rückenmark hin und ist in ihrer ganzen Ausdehnung an den unterliegenden
Theilen befestigt. In der Mitte ist das Häutchen bis auf die Spitze befestigt. Durch diese Anordnung entsteht
hier jederseits eine unten und von der Seite her offene, oben geschlossene Tasche, welche sogar an die Anordnung
der Aortaklaffen etwas erinnert. Wenn eine Strömung von Flüssigkeit hier im Subarachnoidalraum stattfindet, so
ist es leicht begreiflich, dass diese Häutchenbildung dem Rückenmark angedrückt wird, sobald der Strom vom Gehirn
das Rückenmark hinab verläuft; geht aber der Strom in entgegengesetzter Richtung vom Rückenmark nach dem
Gehirn hin, so müssen die Taschen jederseits ausgespannt werden und dem freien Vorwärtsströmen der Flüssigkeit
an den beiden Seiten des Markes unmittelbar vor dem Ligamentum denticulatum ein Hinderniss setzen. Ob indessen
die fragliche Häutchenbildung in dieser Weise die nach oben davon befindlichen Nervenwurzeln schützt oder nur
im Allgemeinen zur Hemmung eines zu heftigen Einströmens der Cerebrospinalflüssigkeit nach dem vorderen Theil
der Gehirnbasis dient oder was sie sonst für eine Bestimmung hat, mag schwer zu entscheiden sein. Dass sie eine
wirkliche Function ausübt, dafür spricht ihr, so weit wir gefunden haben, constantes Vorkommen. Die ganze Bildung
kann zwar in kleineren unwesentlicheren Umständen wechseln, in der hauptsächlichen Anordnung bleibt sie sich
doch gleich. Oberhalb derselben sieht man in der angeführten Figur um das obere Ende des Ligamentum denti- 89
culatum und zum Theil auch zwischen den Arterim vertebrales andere Häutchen. Diese sind von sehr wechselnder
Art und gehören übrigens mehr der Medulla oblongata an. Wir kommen auf sie zurück.
Im Gegensatz zu der freien und offenen Beschaffenheit des vorderen bietet das hinter dem Lig. denticulatum
gelegene hintere Subarachnoidalspatium des Rückenmarks ganz andere Verhältnisse dar. Relativ frei ist
hier der Cervicaltheil. Im oberen Theil davon (Taf. I, Fig. 1 und 4) laufen hier ziemlich zahlreiche verzweigte
Balken von der Innenseite der Arachnoidea zur Pia hinüber. Diese Balken kommen nicht nur in der Mittellinie
sondern auch in den seitlichen Theilen vor, sind aber am dichtesten im mittleren Theil gesammelt, reihenweise
unter einander, und erhalten hie und da kleinere membranöse Ausbreitungen, oder auch findet man schon hoch oben
im Cervicaltheil, wie Fig. 4 der Taf. I zeigt, eine grössere, vielfach in Balken sich auflösende, unvollständige Scheide-
wand in der Mitte. Dies ist der obere Theil oder der Anfang des Septum posticum, welches dann mit vielfach
wechselnder Beschaffenheit bis zum unteren Ende des Rückenmarks hinabläuft. Im unteren Cervicaltheil wird die
membranöse Ausbreitung in der Mittellinie immer vollständiger; die so entstandene Scheidewand, welche anfangs
stark durchlöchert, cribrirt ist, wird mehr und mehr zusammenhängend und geht als ein wirkliches Septum posticum
.weiter nach unten. Bevor wir es ferner verfolgen, werden wir indessen sein Verhalten zur Pia berücksichtigen.
Wenn man das Septum anspannt, sieht man, wie schon Frommann angab, dass mit demselben und seitlich von ihm
bis zu den Nervenwurzeln am Rückenmark ein dünnes Häutchen von der Pia sich abhebt. Mit diesem Stratum werden
auch die hier verlaufenden Gefässe von der Pia erhoben. Um dieses Verhältniss zu veranschaulichen, verweisen wir
auf die Fig. 7 und 8 der Taf. I. Die erste dieser Figuren stellt zwar ein Präparat aus der Gegend des ersten Dorsal-
nerven dar, dessen Wurzeln seitlich durchgeschnitten sind; die zweite Figur ist nach einem, von einer etwas weiter
unten gelegenen Stelle genommenen Präparate gezeichnet; sie lassen sich doch vollständig anwenden, um die
fraglichen Verhältnisse auch am Cervicaltheil selbst zu erläutern. Aus der Fig. 7 (bei Loupenvergrösserung gezeichnet)
sieht man, dass das Septum (c), welches makroskopisch einfach erscheint, in der That hier aus mehreren Lamellen
zusammengesetzt ist, welche netzförmig sich verbinden und kleine Räume umfassen. Es findet sich also hier kleine
Subarachnoidalräume im Septum selbst. Das Septum kann übrigens einfacher oder weit zusammengesetzter sein.
Ferner sieht man an der Fig. 7, dass die Lamellen oder Häutchen an ihrem Ansatz an der Arachnoidea nicht alle
direct in diese Haut übergehen, sondern sich ausbreiten und theils hier in einem triangulären Spatium mehrere kleine
Räume einschliessen, theils seitlich sich fortsetzen, die Innenfläche der Arachnoidea, die auf diese Weise mehrschichtig
wird, überziehend. Die Lamellen gehen indessen vielfache Verbindungen mit der Arachnoidea selbst ein. Wenn wir
an derselben Fig. dem Septum nach dem Rückenmark hin folgen, so finden wir, dass es bei e sich an den Seiten in
das Häutchen, welches wir bei Spannung sich von def Piafläche erheben sahen, ausbreitet, welches Häutchen beider-
seits bis an die Nerven wurzeln, /, sich fortsetzt, in deren Umhüllung es übergeht. Unter diesem Häutchen sieht man
mehrere kleine Subarachnoidalräume, welche also dicht an der Pia liegen, und in diesen Subarachnoidal räumen finden
sich die grösseren Blutgefässe in subarachnoidalen Häutchen und Balkennetzen aufgehängt. Diese Gefässe laufen also
nicht in der eigentlichen Pia, sondern in kleinen Subarachnoidalräumen, dicht ausserhalb derselben und schweben
also während des Lebens in der subarachnoidalen Cerebrospinalflüssigkeit.
In der Fig. 8 (derselben Tafel), welche nach einem anderen bei schwacher Vergrösserung gezeichneten Prä-
parate, das absichtlich von einer Stelle des Dorsaltheils, wo das Septum verhältnissmässig einfach war, gewählt
wurde, erkennt man leicht dieselbe, eben geschilderte, allgemeine Anordnung des subarachnoidalen Gewebes; man
sieht nämlich das Septum (c), welches mit seinen Lamellen sich theils an der Innenseite der Arachnoidea (h) ansetzt,
theils auf dieselbe sich ausbreitet (d, d), und innen am Rückenmark jederseits ein Häutchen (e) aussendet, das in
einiger Entfernung von der Pia (), zu den hinteren Nervenwurzeln verläuft; an der Figur, welche indessen nur
die Wurzel der einen Seite (/) enthält, sieht man, dass das Häutchen von der Hülle dieser Nervenwurzel wieder nach
aussen geht. Man sieht ferner hier, wie an der vorigen Figur, dass zwischen diesem Häutchen und der Pia ein aus
Häutchen und freien Balken bestehendes Flechtwerk sich bis zur Pia verbreitet und dort sich ansetzt, ebenso wie
in seinen Maschen die Blutgefässe (A, h) aufgehängt sind; man sieht aber zugleich aus dieser Figur, dass alle diese
subarachnoidalen Lamellen oder Häutchen nicht solide, sondern immer durchbrochene Membranen sind, grössten-
theils aus dichten, platten Netzwerken von Balken, oder auch aus mehr zusammenhängenden, membranösen Aus-
breitungen mit zahlreichen, gewöhnlich etwas ovalen oder mehr rundlichen Löchern (wie bei c, e) bestehend; einzelne
Balken springen von der einen Häutchenausbreitung zur anderen über. Betreffs des feineren Baues dieses Gewebes
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 90
weisen wir auf die unten folgende histologische Beschreibung hin; hier wollen wir nur im Vorbeigehen hervorheben,
dass das aussen an der Pia sich ausbreitende Häutchen (e, e) welches makroskopisch vollständig und undurchbrochen
erscheint, in der That einen sehr schönen Typus solcher Häutchen abgiebt, welche, mit ziemlich regelmässig zerstreuten
Oeffnungen Versehen, in der folgenden Beschreibung als »Fensterhäutchen)) bezeichnet werden sollen; es bildet mithin
ein treffliches und leicht zugängliches Untersuchungsmaterial für derartige Häutchen. Wenn es auch eine Art Abgren-
zung zwischen dem äusseren Subarachnoidalspatium und den kleinen, der Pia zunächst befindlichen Räumen bildet,
in welchen die Blutgefässe verlaufen, so findet man doch, dass diese Abgrenzung sehr unvollständig ist und wie ein Sieb
der Flüssigkeit einen ziemlich leichten Weg gestattet. Das Häutchen ist übrigens nicht überall so dicht, wie an der ab-
gebildeten Stelle; es kann dichter sein, man findet es aber auch stellenweise hauptsächlich nur aus einem dichten Flecht-
werk von Balken bestehend. Statt ein Fensterhäutchen zu sein, wird es an gewissen Orten ein »Balkenhäutchen)),
wie wir es nennen wollen; ebenso geht es im Septum in solche Balkenhäutchen über. Das sich zwischen ihm und der Pia
ausbreitende Gewebe besteht theils aus solchen Balkenhäutchen, theils aus fenestrirten Häutchen, theils aus frei über-
springenden Balken. Sie bilden zahlreiche, durch die Beschaffenheit des begrenzenden Gewebes frei communicirende,
unvollständige Räume, welche wir die »epipialen» Subarachnoidalräume nennen. Als Träger der hier befindlichen
grösseren Blutgefässe, welche man früher als in der Pia selbst befindlich ansah, obwohl schon Keuffel sie nur der Fläche
dieser Haut anliegend fand, hat das eben geschilderte epipiale Subarachnoidalgewebe ein besonderes Interesse. In
der Fig. 8 sieht man, dass dieses Gewebe an der hinteren Nervenwurzel (/) in das die Wurzel einhüllende Gewebe
übergeht und davon in ein lamellöses Häutchen zur Arachnoidea ausläuft. Aehnliche Häutchen werden unten als
zwischen den Nervenwurzeln und der Arachnoidea im Dorsaltheil constant vorkommend hingegen im Cervicaltheil
nicht oder nur schwach entwickelt beschrieben werden. Wo sie fehlen, sieht man das epipiale Gewebe die Nerven-
wurzeln selbst an ihrem Ursprung umspinnen und dann mit seinem dichteren Flächenhäutchen sich über die Pia an
den Seitentheilen des Rückenmarkes fortsetzen (wie bei k Fig. 8). Das Vorhandensein des epipialen Gewebes hängt
keineswegs von dem eines entwickelten Septum posticum ab; jenes findet sich auch an den Stellen des Hintertheils,
wo das Septum fehlt oder nur durch Balken angegeben ist; wenn man diese Balken anspannt, sieht man nämlich ein
solches Gewebe von der Pia in derselben Weise, wie bei Spannung des Septum, sich erheben; es ist aber hier weniger
reichlich und dicht. Ganz dasselbe Verhältniss findet an der vorderen Seite des Rückenmarks statt, so dass die Pia
auch hier von einem solchen Gewebe, in welchem die Blutgefässe verlaufen, wie von einem Schleier umgeben ist;
es findet sich aber hier weniger reichlich, nur eine dünnere Schicht bildend, sowie mehr aus Balken bestehend und
weniger entwickelte Räume darstellend vor. Ueberall gehen die Balken in die Pia selbst über.
Wenn wir jetzt das subarachnoidale Gewebe nach unten am Dorsaltheil des Markes in dem hinteren Spatium ver-
folgen, so finden wir, dass das Septum posticum, wie vorher erwähnt, in der Regel mit mehr oder weniger Modification
bis an den Lumbaltheil sich fortsetzt. Es hält sich aber nicht genau in der Mitte, sondern macht oft Abweichungen
nach der einen oder anderen Seite hin. Im oberen Rückentheil ist es einfacher, wird aber weiter unten mehr zu-
sammengesetzt, ja an mehreren Stellen findet man an Querschnitten den ganzen Zwischenraum zwischen den hinteren
Nervenwurzeln in mehrere oder wenigere, unregelmässige, unvollständig von einander getrennte kleine Räume getheilt.
Häufig sieht man an Querschnitten einzelne Membranen sich quer über den grossen Raum zwischen Septum in der
Mitte und den seitlicheren Befestigungsmembranen der Nervenwurzeln hinüb er spannen, oder sie ziehen durch den-
selben Raum in mehr radiärer Richtung hie und da seitlich vom Septum zwischen das epipiale Gewebe und die
Arachnoidea. Sie sind lamellös oder einfach, verlaufen ungetheilt oder gespaltet und in verschiedene Richtungen
divergirend u. s. w. Sie sind im Allgemeinen mehr membranös, gefenstert oder balkig mit feineren oder grösseren
Maschen. Wir hielten es nicht für nothwendig, alle diese Wechselungen durch Abbildungen darzustellen. Theilweise
hängen die an einem Querschnitt vorhandenen Wechselungen von dem Ort ab, wo die Nervenwurzeln durch-
geschnitten worden sind. Es findet sich nämlich hier am Dorsaltheil, ausser dem Septum selbst, eine ziemlich
constante Anordnung der Subarachnoidalhäutchen, welche nur bei makroskopischer Untersuchung aufgefasst werden
kann und den Querschnitten ein in der Regel sehr wechselndes Aussehen giebt. Wir werden jetzt zur Schilderung
dieser Anordnung übergehen.
Das epipiale Subarachnoidalgewebe bildet, wie erwähnt wurde, eine Umhüllung um die Nervenwurzeln am Rücken-
mark; diese Umhüllung folgt den Nervenbündeln während ihrer Verlaufes durch das Subarachnoidalspatium und bildet
zwischen den einzelnen Bündeln einer Nervenwurzel balkige und kleine membranöse Verbindungen u. s. w. Von der
Umhüllung der hinteren Nervenwurzeln gehen am Cervicaltheile zahlreiche Balken zur Innenfläche der Arachnoidea, 91
zum Ligamentum denticulatum und N. accessorius Willisii aus; in der Regel aber finden sich dort zwischen den
verschiedenen Nervenwurzeln unter einander und zwischen diesen und der inneren Fläche der Arachnoidea keine
zusammenhängende Membranen. Mit Ausnahme der balkigen Verbindungen ziehen die Nerven wurzeln im Cervicaltheil
frei durch den Subarachnoidalraum. Am Dorsaltheil ändert sich sogleich dieses Verhältniss, so dass gewöhnlich
schon an der ersten Dorsalnervenwurzel eine mehr oder weniger cribrirte Haut von der Seite des Septum posticum
entspringt und sich der Nervenwurzel entlang seitlich fortsetzt, der Wurzel bis zu ihrem Austritt folgend. Die Haut
verbindet sich während dieses Verlaufs einerseits mit der hinteren Fläche der Nervenwurzel, andererseits mit der
inneren Fläche der Arachnoidea und bildet also eine schief in der Quere, der Nervenwurzel entlang stehende Wand
im hinteren Subarachnoidalspatium. Vielleicht wird die Beschreibung richtiger und deutlicher, wenn man sagt,
dass von der Umhüllung der Nervenwurzel der ganzen Wurzel entlang eine Membran geht, welche nach hinten
zur Arachnoidea übergeht und nach innen bis zum Septum in der Mittellinie des Markes sich fortsetzt. Dies wieder-
holt sich nun an allen Rückenmarksnerven mehr oder weniger vollständig, uiid dadurch entstehen reihenweise nach
einander geordnete, mit allen Nervenwurzeln schräg nach aussen und unten verlaufende Wände. An der Taf. I, Fig. 1,
welche nach einem Präparat, wo die Dura und die Arachnoidea an der hinteren Seite rechts von der Mittellinie,
in der Nähe der Austrittstellen der Nerven, aufgeschnitten sind, treten diese Häutchen hervor; am deutlichsten in-
dessen an den mittleren sieben Dorsalnerven, wo sie im Allgemeinen am stärksten entwickelt sind. An den ober-
sten Dorsalnerven sind sie oft von grösseren Oeffnungen durchbrochen oder auch weniger ausgebildet, so dass
sie sogar stellenweise fehlen. Aus der obigen Beschreibung über den Verlauf dieser Häutchen geht hervor, dass,
wie die Fig. 1 zeigt, zwischen den schiefen Häutchen jederseits vom Septum posticum kleine Abtheilungen, d. h.
kleine, schief nach aussen und unten verlaufende Räume, entstehen, welche den Zwischenräumen zwischen den Nerven-
wurzeln entsprechen. An der Figur 6 haben wir bei c und d zwei solche Räume besonders abgebildet; die Arach-
noidea ist über ihnen aufgeschnitten, sonst aber ungeöffnet. Die Begrenzung dieser Räume wird, wie man am besten
an der Figur 6 c sieht, nach der Mitte zu vom Septum posticum (h) oder von einer seiner Lamellen, nach hinten
und aussen von der Arachnoidea (/>), nach oben und unten durch die von den Nervenwurzeln zur Arachnoidea ver-
laufenden Membranen (, /) und nach vorn durch das Ligamentum denticulatum (g) gebildet. Eine gute Methode diese
vorher nicht beachteten Räume unbeschädigt zur Ansicht zu bringen ist die folgende: man öffnet die Dura und
die Arachnoidea an der vorderen Seite des Rückenmarkes, schneidet die vorderen Nervenwurzeln und die Befcsti-
gungszacken des Ligamentum denticulatum an einer Seite ab, schlägt die Hüllen ein wenig zurück und betrachtet
nun das Rückenmark von der Seite her. Fig. 5 giebt ein solches Präparat wieder; man sieht die fraglichen Räume
am oberen Theil der Figur wie Blindsäcke nach hinten zwischen den Nerven gehend. An derselben Figur siebt
man gleichzeitig, dass die zwischen den Nerven befintlichen Oeffnungen der Räume nach unten immer kleiner
und zuletzt ganz verschlossen werden. Wie kommt nun dies Verhältniss zu Stande? Geht man zur Fig. 1 zurück,
so sieht man, dass schon am obersten Dorsalnerven im Winkel nach unten zwischen ihm und dem Mark eine kleine
Membran wie eine Schwimmhaut sich zur Seite des Rückenmarks ausspannt (Fig. 1 h; Fig. 5 c). Diese Membran
nimmt an den folgenden Nerven mehr und mehr zu, läuft zum oberen Rand des nächst darunter liegenden Nerven
hinüber {h! li) und bildet so ein zwischen den Nervenwurzeln ausgespanntes Diaphragma in den schiefen Seiten-
räumen, die hierdurch von dem Theil des hinteren Subarachnoidalspatium abgetrennt werden, welcher vor den
hinteren Nerven wurzeln, zwischen diesen und dem Ligamentum denticulatum, liegt. In der Fig. 6 haben wir bei c
einen solchen Seitenraum abgebildet, wo ein derartiges Häutchen nur in einem sehr unentwickelten Zustand vorhanden
ist; man sieht dort, wie das Ligamentum denticulatum (g) vor dem Raum unbedeckt liegt. Bei d sieht man dagegen
einen ähnlichen Raum, welcher vorn durch ein zwischen den Nervenwurzeln ausgespanntes Häutchen begrenzt wird;
wenn die Arachnoidea über dem Seitenraum aufgeschnitten wird (wie an der Fig. dargestellt ist), wird das Liga-
mentum denticulatum durch dasselbe dünne Häutchen von hinten her bedeckt und schimmert nur ganz schwach durch
dieses hervor. Die geschilderten Membranen sind gewöhnlich am vollständigsten ungefähr in der Mitte des Rücken-
marks, wo also auch die schiefen Seitenräume am besten begrenzt sind. Wenn man für diese Räume eine besondere
Benennung haben will, scheint uns mit Hinsicht auf ihre Gestalt der Name »Recessus laterales obliqui» der
geeignetste zu sein; im Deutschen scheint uns die Benennung ))die schiefen Seitenräume)) hinreichend bezeichnend.
Am untersten Theil des Rückenmarks, dem Lumbaltheil, ändern sich die Verhältnisse wesentlich. Das Septum
posticum, wenn wir fortwährend unter diesem Namen die hinteren mittleren Subarachnoidalhäutchen und Balken
zusammenfassen, setzt sich gewöhnlich sehr reichlich entwickelt und mit einer Menge grösserer und kleinerer Sub- 92
arachnoidalräume fort, zuweilen sich in ein dichtes Balkenwerk auflösend, welches einen grossen Theil, ja sogar fast
den ganzen Raum hinter dem Marke zwischen den Nervenwurzeln einnimmt. Bisweilen ist es einfacher, ja es
kann, wie im Cervicaltheil, als eine scheinbar einfache Membran fori gehen; an seiner Seite stehen verhältnissmässig
sparsame Balken; oft hört es als ein Septum einige Centimeter nach oben vom Filum terminale auf, aber man kann
es auch bis auf diesen Theil sich fortsetzen sehen. Was die schiefen Quermembranen betrifft, welche im Dorsal theil
seitlich an den hinteren Wurzeln ausliefen, so hören sie gewöhnlich mit dem letzten Dorsalnerven auf. An den
Lumbalnerven gehen zwar anfangs zwischen ihnen und der Arachnoidea oft unterbrochene, unvollständige Häutchen
von innen und schief nach aussen, bald aber findet man in der Regel hier nur Balken in mehr oder weniger reich-
licher Menge. Da ausserdem am Seitentheil das Ligamentum denticulatum seine letzte Befestigung nach unten vom
letzten Dorsalnerven hat und dann sich mehr oder weniger schnell zu einer allmählig verschwindenden Firste an
der Pia verschmälert, so ist es klar, dass wir vom Anfang des Lumbaltheils an mit Ausnahme der kleinen Räume
im Septum posticum eigentlich nur einen einzigen, grossen Subarachnoidalraum rings um das ganze Mark haben,
welcher Raum von Balken und unterbrochenen unvollständigen Häutchen durchzogen ist. In diesem Raum gehen
nun die Nervenbündel der Cauda equina fort, hie und da durch kleine Häutchenbildungen und Bälkchen mit
einander verbunden, wie auch einzelne, häufig ein kleines Gefäss führende,* feine Balken nach der Arachnoidea
hinübergehen. Aus den geschilderten Verhältnissen geht hervor, dass das hintere Subarachnoidalspatium, welches
rings um die Cauda equina und den Lumbaltheil von dem vorderen nicht abgetrennt ist, am Cervical- und Dorsal-
theil jederseits eine' zwischen dem Ligamentum denticulatum und den Vorderflächen der hinteren Nervenwurzeln
gelegene Partie hat (Taf. I Fig. 7 &), welche in der Richtung von unten nach oben längs des ganzen Rückenmarks
vollständig frei und offen ist. Einer strömenden Cerebrospinalflüssigkeit stellt sich also hier in den Seitentheilen vor
den Nerven kein Hinderniss entgegen. Ganz Anders verhält es sich, wie erwähnt wurde, an der hinteren Partie dieses
Spatium, welche seitlich durch die Hinterflächen der austretenden Nervenwurzeln begrenzt wird; hier findet man nämlich
theils in der Mittellinie das mehr oder weniger unregelmässige Septum posticum, theils am ganzen Dorsaltheil die mit
den Nervenwurzeln schief in der Quere verlaufenden Scheidewände und die zwischen ihnen befindlichen schiefen Seiten-
räume u. s. w. (Taf. I Fig. 71, Fig. 6e, Fig. 1). Natürlicherweise können alle diese Häutchenbildungen und Raum-
abtheilungen der Flüssigkeit keinen so freien Weg als die hinteren Seitenbahnen längs des Ligamentum denticulatum
ebenso wie das ganze vordere Subarachnoidalspatium gestatten. Die ganze Anordnung ist der Art, dass sie den
Gedanken erweckt, dass die hauptsächliche Strömung der Flüssigkeit im Dorsaltheil an den letzteren Stellen, weniger
dagegen hinten in der Mitte zwischen den hinteren Nervenwurzeln stattfindet. Andererseits darf man nicht vergessen,
dass alle diese Subarachnoidalhäutchen durchbrochen Fensterhäutchen oder Balkenhäutchen sind, dass eine Flüssig-
keit, sogar eine nicht eben feinkörnige, leicht durch dieselben hervordringt. Ihre Bedeutung als stützendes Gewebe
darf auch nicht übersehen werden. In dieser Hinsicht ist es indessen bemerkenswert!!, dass die langen Nervenbündel
der Cauda equina fast frei in der Flüssigkeit flottiren, sowie dass das Subarachnoidalgewebe auch im Cervicaltheil
im Verhältniss zu demjenigen des Dorsaltheils ziemlich reducirt ist. Die schiefen Querwände schwinden auch hier,
die im Dorsaltheil mehr oder weniger vollständig zwischen zwei angrenzenden Nervenwurzeln laufenden Membranen
sind hier auch nicht vorhanden; das Septum posticum wird theils einfacher, theils in dieser Gestalt unvollständiger
und mehr durchbrochen oder von Balkenreihen ersetzt. Es ist eben an dem unbeweglichsten Theil des Rückgrats,
wo das Subarachnoidalgewebe am reichlichsten ist und damit auch die Hindernisse für die ganz freie Flüssigkeits-
strömung am ausgesprochensten werden.
Da wir jetzt zur Beschreibung der Subarachnoidalräume des Gehirns übergehen und dabei zuerst die
grossen Räume an der Hirnbasis berücksichtigen, werden wir zuerst die Untersuchungsmethoden derselben mit einigen
Worten besprechen. Wenn man in der gewöhnlichen Weise das Gehirn herausnimmt, wird die Arachnoidea immer
über diesen Räumen mehr oder weniger zerrissen, der Inhalt der letzteren wird entleert, wonach sie zusammensinken;
ihre Scheidewände werden dabei auch mehr oder weniger zerrissen, und man erhält also im Ganzen von diesen
Räumen eine sehr unrichtige Vorstellung. Durch grosse Vorsicht bei der Herausnahme des Gehirns kann man zwar
schwerere Zerreissungen vermeiden, immer wird indessen der Inhalt mehr oder weniger vollständig entleert und das
♦
Zusammensinken der Räume kann nicht vermieden werden. Um dieselben in ihrer natürlichen Lage und Ausspan-
nung zu sehen, muss man Injectionen erstarrender Massen ausführen und dann mit einer scharfen Knochenzange
die Schädelbasis mit Schonung der Dura mater stückweise hinwegbrechen. Dann wird die Dura entfernt, während
man unter Vermeidung aller Zerreissungen vorsichtig die Nerven an ihren Austrittstellen abschneidet. Als Injections- 93
Masse haben wir mit bestem Erfolg durch lösliches Berlinerblau gefärbte Leimlösungen angewandt. Mittelst Paraffin-
Oel-Injectionen erhielten wir theilweise gute Präparate, nicht aber so vollständige Füllung wie bei Anwendung von
Leimlösungen. Die Fig. 1 der Taf. VI giebt die untere Fläche eines in der beschriebenen Weise herausgenommenen,
mit Leim injicirten Gehirns wieder. Man findet an derselben, wie viel diese Fläche von dem gewöhnlichen Aussehen
ab weicht; sie bildet in der That einen Abguss des Bodens der Schädelhöhle. Eine andere von uns mehrmals ange-
wandte Methode, welche für eine richtige Auffassung von der natürlichen Lage der Theile sich nothwendig zeigte, besteht
darin, das Haupt nach geschehener Injection einer erstarrenden Masse erfrieren zu lassen und es in solchem Zustand
nach beliebiger Richtung durchzusägen. Wenn es gelingt, wie an dem Präparat, nach welchem Fig. 1 der Taf. VII
genommen ist, die Sagittalebene selbst den ganzen Kopf hindurch zu treffen, erhält man sehr erläuternde Bilder.
Die Fm. 2 derselben Tafel ist auch nach einem gefrorenen Durchschnitt gezeichnet. Schöne Bilder bekommt man
indessen auch, wenn man nicht injicirte, aber gefrorene Köpfe durchschneidet und die Durchschnitte in gefrorenem
Zustande in eine erhärtende Flüssigkeit, z. B. Weingeist, einlegt; solche Präparate haben für gewisse Zwecke grossen
Werth. Natürlicherweise besitzen doch die Tnjectionspräparate den Vorzug eben für die Beurtheilung der Grösse,
Gestalt u. s. w. der Räume selbst sowie betreffs der gegenseitigen Lage der Theile bei gefülltem Zustand der Sub-
arachnoidalräume und der Ventrikel.
Ohne alle Inj ectionen sowie auch bei Herausnehmen des Gehirns in der gewöhnlichen Weise ist es leicht sich
davon zu überzeugen, dass die grossen Subarachnoidalräume an der Basis des Gehirns eine unmittelbare
Fortsetzung der Subarachnoidalräume des Rückenmarks sind. Wir werden bei ihrer Beschreibung zuerst den grossen
Raum berücksichtigen, welcher als eine directe Fortsetzung des hinteren Subarachnoidalspatium des Rückenmarks hinter
der Medulla oblongata liegt und in deren Umgebungen sich ausbreitet. Das hintere Subarachnoidalspatium des Rücken-
marks misst in der Höhe des ersten Halswirbels, wie oben angegeben wurde und wie man an der Taf. II Fig. 1 sowie
an der Taf. VH Fi g, 1 sehen kann, ungefähr 3 Mm. in sagittaler Richtung. Bei seinem Eintritt in den Schädel und
seinem Uebergang in die Subarachnoidalräume des Gehirns erweitert es sich plötzlich nach allen Richtungen (Taf. I
Fig. 1 u. 4; Taf. VI Fig. 1, 5, G; Taf. VII Fig. 1) und verläuft dann als ein offener und zusammenhängender Raum
längs den hinteren Theilen der Medulla oblongata und dem Boden des vierten Ventrikels (Tela chorioidea inferior),
zwischen diesen Partien und der vorderen unteren Fläche des Vermis am Kleinhirn, den grösseren Theil der Valle-
cula einnehmend, ebenso wie seitlich sich über die Tonsillen und mehr oder weniger bedeutend über die vordere
untere Fläche der Kleinhirnhemisphären ausbreitend (Taf. VI Fig. 1, 5, 6; Taf. 111 Fig. 12). In einer früheren Arbeit
über den offenen Zusammenhang der Hirnventrikel mit den Subarachnoidalräumen (Nord. Med. Arkiv 1874) haben
wir bei der Beschreibung dieses grössten und räumlichsten aller Subarachnoidalräume des Gehirns für denselben
den Namen C ist er na magna cerebello-medullaris vorgeschlagen; diesen Namen werden wir hier beibehalten.
Wenn man diese Cisterne etwas näher untersucht, findet man, dass sie, wie oben angegeben wurde, in der Mitte fast
die ganze Vallecula einnimmt, über welche die Arachnoidea von der einen zu der anderen Hemisphäre des Kleinhirns
sich hinüberspannt. Wenn man hier ihre Tiefe in der Richtung von vorn nach hinten (Taf. I Fig. 1, 4; Taf. VII
Fig, 1) in der Mittellinie, unmittelbar hinter dem Vermis am Rande der Incisura marginalis cerebelli posterior, misst,
so findet man, dass diese bis 20 Mm. beträgt. Die Cisterne wird hier nach vorn anfangs durch die Medulla oblon-
o-ata und höher oben durch diese in Verbindung mit der unteren Wand des vierten Ventrikels (Tela chorioidea in-
ol
ferior) begrenzt (Taf. 111 Fig. 12; Taf. VII Fig. 1). An den Seiten der Medulla und der Crura cerebelli geht sie
nach vorn fort und hängt oberhalb des oberen Endes des Ligamentum denticulatum (Taf. I Fig. 1) frei mit dem
Raume an der vorderen Fläche der Medulla zusammen. Sie läuft hierbei auch in dem Zwischenraum, welcher von
den Verfassern im Allgemeinen Nidus (externus) genannt ist und zwischen der Concavität der Tonsillen einerseits
und den convexen hinteren und seitlichen Partien der Medulla und der unteren Wand des vierten Ventrikels anderer-
seits liegt (Taf. VI Fig. 5; Taf. 111 Fig. 1, 2, 12). Hinter der Medulla wird die Cisterne nach hinten und oben
(Taf. VII Fig. 1) in der Vallecula durch Vermis inferior begrenzt; hinten und unten bildet der Falx cerebelli,
welcher in die Incisura marginalis sich einschiebt, eine kleine Einbuchtung der Cisterne. Von den Seiten her
schiessen die Tonsillen, und unterhalb derselben buchten die Hemisphären des Kleinhirns in sie hinein. Von dieser
Mittelpartie breitet sich nun die Cisterne (Taf. VI Fig. 1, 5, 6; Taf. 111 Fig. 12), wie oben angegeben wurde,
mehr oder weniger bedeutend jederseits von der Vallecula über die Hemisphären des Kleinhnns hinaus. Wie gross
übrigens die Wechselung in ihrer Ausbreitung in dieser Richtung sein kann, geht am besten aus den angeführten
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 94
Figuren hervor. Eine mehr als gewöhnlich grosse Ausdehnung hatte die Cisterne an dem in der Taf. VI Fig. 6
abgebildeten Kleinhirn, eine ungewöhnlich kleine solche findet man hingegen an der Fig. 5 derselben Tafel.
Ihre gewöhnlichste Ausbreitung wird am besten durch die Fig. 1 Taf. VI und Fig. 12 Taf. 111 wiedergegeben.
Bei Messen findet man, dass sie sich im Allgemeinen von der Mittellinie ungefähr 2.'. bis 3 Cm. nach jeder Seite hin
erstreckt, und von ihrer äusseren Grenze bis zum Rande des Kleinhirns bleiben dann 3—3.5 Cm. übrig. Bisweilen hat
sie an jeder Hälfte eine Ausdehnung von 3.5, und man erhält dann jederseits von ihr nur eine Strecke von 2.5 Cm.,
welche von ihr nicht eingenommen ist. Die Cisterne hat also in diesen Fällen im Ganzen eine Breite von 7 Cm. und
nimmt den grössten Theil der Unterfläche des Kleinhirns ein, während ihre gewöhnlichste Breite 5—G Cm. ist.
Wenn man ihren Rand, welcher an Injectionspräparaten besonders scharf hervortritt, verfolgt, findet man,
dass unter gewöhnlichen Verhältnissen die Cisterne hinten und in der Mitte des Kleinhirns am Boden der Incisura
marginalis posterior beginnt, in der Regel etwas hinter der Pyramide des Vermis inferior, indem die Arachnoidea
hier sich erhebt und von der Pia sich frei ablöst. Der äussere Rand der Cisterne geht von hier jederseits mehr oder
weniger quer nach aussen an der unteren Fläche der Hemisphären, biegt sich mit unregelmässigen Ausbuchtungen
nach vorn, verläuft mehr oder weniger weit ausserhalb der Tonsillen und erreicht an der äusseren Grenze des
Flocculus den Yorderrand des Kleinhirns. (Taf. VI Fig. 1, 5, 6; Taf. 111 Fig. 1, 2). Es geht aus den Figuren,
besonders der Fig. 1 und 6 Taf. VI, besser als aus jeder Beschreibung, hervor, wie sie auf diese Weise mit den
grossen Subarachnoidalräumen an der Vorderseite der Medulla und des Pons in Zusammenhang kommt, ebenso wie
sie sich immer vollständig jederseits über den Mandel und den Flocculus sowie über den grösseren, gewöhnlich den
grössten Theil des Lobulus biventer, die inneren Theile des Lobulus gracilis und wenn sie, wie die Fig. 6 Taf. VI
darstellt, besonders gross ist auch über die inneren Theile des Lohns semilunaris inferior erstreckt. Sie nimmt also
überhaupt das ganze mittlere Drittel der vorderen unteren Fläche des Kleinhirns bis zu deren vorderem Rand ein,
welchen sie am äusseren Theil des Flocculus erreicht (Taf. 111 Fig. 2).
Wenn man das Innere dieser Cisterne untersucht, findet man, dass in ihrer Ausbreitung über die Hemisphären
des Kleinhirns einzelne zwischen Arachnoidea und Pia hinüberlaufende Balken sie hie und da durchziehen; im All-
gemeinen ist doch ihr Lumen ziemlich frei. In der Vallecula und im Nidus wird sie von ziemlich zahlreichen ver-
O
zweigten Balken durchzogen (Taf. I Fig. 1, 4; Taf. 111 Fig. 12; Taf. VI Fig. 6). An der Fig. 4 Taf. I sieht man,
dass diese Balken zum Theil als eine Art Fortsetzung des Septum posticum angesehen werden können, welches als
Membran immer mit dem Ende des eigentlichen Rückenmarks aufhört. Die Balken laufen nicht nur von der
Arachnoidea zur Pia hinüber, sondern sie gehen, und dies ganz reichlich, zwischen der Medulla oblongata und der
unteren Wand des vierten Ventrikels (Tela chorioidea inferior) einerseits und dem Kleinhirn, vor Allem den Tonsillen,
andererseits (Taf. VI Fig. 6; Taf. 111 Fig. 12). Bisweilen findet man die Cisterne unvollständig in drei Abtheilungen
dadurch getrennt, dass ein feines, durchbrochenes, theilweise in Balken sich auflösendes Subarachnoidalhäutchen
jederseits von der Vallecula zu den inneren Theilen der Hemisphären hinausläuft und von der Incisura marginalis
hinten mehr oder weniger weit nach vorn, zuweilen bis zu den Flocculi sich erstreckt. Man erhält also eine mediane
und zwei laterale Abtheilungen der Cisterne, welche sich jederseits an den Hemisphären des Kleinhirns äusbreiten;
die Begrenzungsmembranen zwischen diesen Abtheilungen sind aber, wenn vorhanden, immer sehr unvollständig.
Von Interesse ist übrigens die scharfe Grenze, mit welcher die Cisterne nach den Seiten hin auf hört, dadurch dass
das Subarachnoidalgewebe zwischen Arachnoidea und Pia nach aussen davon eine zusammenhängende Barriere bildet,
welche die Cisterne ziemlich vollständig von den seitlich von ihr befindlichen, kleinen Subarachnoidalräumen absperrt.
Man erhält mithin oft bei Subarachnoidalinjectionen die Cisterne mehr oder weniger stark gefüllt, ohne dass die
Masse in die Umgebung hinausläuft, wie z. B. an der Taf. VI Fig. 6. In anderen Fällen aber, Avie an der Fig. 1
und 5 derselben Tafel dargestellt ist, sieht man, Avie die Masse in der Peripherie zackig in die angrenzenden kleinen
Räume übergeht, und dies oft weit reichlicher als in den abgebildeten Fällen vorhanden war. Am reichlichsten läuft
doch in der Regel die Masse seitlich zuerst am freien Rande des Kleinhirns ausserhalb des Flocculus hinaus, wo sie sich
in das Subarachnoidalgewebe im Sulcus horizontalis major und von da . weiter vorzugsweise in die Sulci intergyrales
cerebelli verbreitet (Taf. VI Fig. 1). Es ist leicht begreiflich, dass beim Herausnehmen des Gehirns und Abschneiden
des Rückenmarks in der gewöhnlichen Weise die ganze geschilderte grosse Cisterne fast vollständig ihren Inhalt
entleert. Sic giebt dabei ohne Zweifel den hauptsächlichsten Theil der Cerebrospinalflüssigkeit ab, welche man bei
Sectionen am Boden der Schädelhöhle in den Fossse cerebelli angesammelt findet. Beim Entleeren der Cisterne legt
sich natürlich die Arachnoidea der Oberfläche des Kleinhirns dicht an, und dies ist gewiss die Ursache dazu, dass 95
ihre grosse Ausdehnung übersehen wurde. Es ist indessen, nachdem die Aufmerksamkeit darauf gerichtet wird,
auch an einem in gewöhnlicher Weise aber mit nöthiger Vorsicht herausgenommenen Gehirn leicht die Richtigkeit
der oben gegebenen Schilderung zu controlliren. Eine Sonde lässt sich mit Leichtigkeit in der Cisterne herumführen;
sie wird nur durch die hinüberlaufenden Subarachnoidalbalken gehindert, und wenn die Arachnoidea geöffnet und
die Balken abgeschnitten werden, kann diese Haut von der Pia bis zu den angegebenen Grenzen der Cisterne gehoben
und entfaltet werden. Die Art und Weise, in welcher die Cisterne durch drei Oeffnungen in Zusammenhang mit
dem vierten Ventrikel steht, werden wir in einem besonderen Capitel beschreiben.
Wenn wir uns jetzt zu den übrigen grossen Subarachnoidalräumen an der Basis des Gehirns wenden und wir
dabei anfangs den vorderen Subarachnoidalraum des Rückenmarks nach oben verfolgen, so finden wir, dass dieser
oberhalb des vorher beschriebenen kleinen, klaffenförmigen Segels in der Höhe des 2:ten Zackens des Ligamentum
denticulatum über die Vorderfläche der Medulla oblongata ohne etwaige bestimmtere, ihn abtheilende Häutchen-
bildungen fortgeht. Oberhalb des oberen Endes des Ligamentum denticulatum hängt es im Allgemeinen, wie oben
angegeben wurde, an den Seiten der Medulla ziemlich frei mit dem hinteren Subarachnoidalspatium, d. h. hier mit
der Cisterna magna, und dies oben vorzugsweise mittelst des Nidus, zusammen. Nicht selten findet man doch, wie
an der Taf. I Fig. 2 dargestellt ist, ein mehr oder weniger balkiges Häutchen, welches nächst oberhalb des Liga-
mentum denticulatum und zum Theil als eine Fortsetzung desselben, sich mehr oder weniger hoch an den Seiten
der Medulla ausspannt. Mit seinen nach der Arachnoidea hin auslaufenden Balken geht es theils vor, theils hinter
den Arterias vertebrales, theils befestigt es sich an ihnen, wodurch es dieselben stützt. Von dem Winkel, welchen
die Arteriös vertebrales bei ihrer Vereinigung am unteren Rande des Pons bilden, spannt sich im Zwischenraum
zwischen den genannten Gefässen und den von ihnen abgehenden früher oder später zu einem einzigen Stamme
sich vereinigenden Arteriös spinales anteriores ein kleines durchbrochenes Häutchen aus, welches nach unten in die
Pia und in das dieselbe auch hier umspinnende epipiale Balken- und Häutchengewebe übergeht (Taf. 111 Fig. 1 /).
Dies kleine Häufchen steht oben als ein Segel zwischen den genannten Gefässen gespannt, ist aber längs der Mittel-
linie durch Balken wie durch eine Raphe an der Pia befestigt und giebt mithin den Blutgefässen eine nicht un-
wesentliche Stütze. Es geht aus der obigen Beschreibung von der Cisterna magna sowohl als aus den angeführten
Figuren (vielleicht am besten aus der Fig. 1 Taf. VI) hervor, dass das eben geschilderte Subarachnoidalspatium an
der Vorderseite des verlängerten Markes nicht nur um dieses sondern auch nach aussen seitlich über dem Kleinhirn
mit der genannten grossen Cisterne frei zusammenhängt; es kann sogar als ein Theil der letzteren betrachtet werden,
so dass mithin oben um das verlängerte Mark nur ein einziger grosser Subarachnoidalraum mit der oben angegebenen
seitlichen Ausdehnung auf dem Kleinhirn sich findet und dass dieser Raum, welcher das Rückenmark hinab als
dessen Subarachnoidalspatium fortläuft, dort durch das Ligamentum denticulatum unvollständig in ein vorderes und
ein hinteres Spatium abgetheilt wird, wozu später noch andere abtheilende Häutchenbildungen im hinteren Rücken-
markspatium hinzukommen. Nach den Seiten der Medulla oblongata hin wird der grosse Raum durch die von dieser
ausgehenden, frei hindurchlaufenden Nerven durchzogen (Taf. 111 Fig. 1).
Wenn man jetzt das Subarachnoidalspatium von der Medulla oblongata über die Vorderseite des Pons weiter
verfolgt, findet man, dass es vor dem Pons in drei Räume oder Cisternen abgetheilt ist, nämlich eine mediane und
zwei laterale, welche wir Cisternae pontis media und laterales nennen. An der Taf. 111 Fig. 1 kann man sehen,
wie diese Cisternen gebildet werden. Längs dem unteren Rande des Pons geht ein feines Häutchen (, g) vom
Boden der Furche zwischen Medulla und Pons (Sulcus coecus Krause), sich seitlich an den Glossopharyngeus und
Vaoais befestigend sowie in der Mitte zur Nähe der Arteria basilaris fortlaufend. Dies Häutchen, welches die untere
<üü) Ö
Grenze der Seitencisternen am Pons bildet, ist immer sehr durchbrochen, besonders in den äusseren Partien, und
besteht oft nur theilweise oder auch in grösserer Ausdehnung aus einem Balkenwerke. Sie setzt also der Strömung
der Flüssigkeit von der Medulla über die Seitenflächen des Pons hinauf nur ein geringes Hinderniss. Bei g der
angeführten Fi nur ist dieses Häutchen nach oben gegen Pons hinaufgeschlagen, bei g ist es als auf die Medulla
hinabneleoü ab gebildet. An der Mitte des unteren Randes am Pons lässt es, wie wir aus der citirten Figur sehen,
eine ziemlich weite Oeffnung für die Arteria basilaris; diese Oeffnung ist oft trichterförmig. Von hier ab geht nun
beiderseits von der Arteria basilaris und in einer Entfernung von einigen Mm. von diesem Gefäss ein stärkeres
Häutchen (A, Ji) aus, welches die mediane Cisterne von den Seitencisternen trennt. Jene Cisterne bildet also einen
weiten canalförmigen Raum, in welchem die Arteria basilaris an der Mitte des Pons verläuft. Das Gefäss schwebt
zwar ziemlich frei in diesem Raum, es hat aber doch durch einige Subarachnoidalbalken, welche von deren Wänden 96
nach den Seiten hin auslaufen, eine Stütze; am zahlreichsten sind diese Balken an der dem Pons zugekehrten Seite des
Gefässes, sowie dadurch, dass hier zahlreiche kleine Arterienzweige zum Pons hinüberlaufen. Wie sich die mediane
Cisterne zu den Räumen oberhalb des Pons verhält, werden wir bald beschreiben, nachdem wir einen Blick auf
die Seitencisternen geworfen haben. Die Fig. 1 der Taf. 111 stellt rechts dar, wie sich diese über die ganze Seiten-
partie des Pons ausbreitet, oben und zum Theil seitlich von einer durchbrochenen Membran (i) begrenzt, welche
von der Cisterna media bogenförmig nach der Seite hin längs dem oberen Rand des Pons zur Wurzel des Trige-
minus verläuft. Unten und seitlich sieht man,, wie diese Cisternen in der Gegend des Flocculus mit der Cisterna
magna in offener Verbindung stehen. Mit den Pedunculi cerebelli ad pontem laufen diese Cisternen in die räumlichen
Subarachnoidalräume des Sulcus horizontalis major cerebelli hinaus (Taf. 111 Figg. 1 u. 2; vergl. Taf. VI Fig. 1).
Recht oft, keineswegs aber constant, findet man, dass eine Seitencisterne in eine vordere und eine hintere Abtheilung
durch eine Häutchenbildung abgetrennt ist, welche vom Trigeminus quer über den Pons zur Cisterna media hin
verläuft (Taf. 111 Fig. 1 k). Die Seitencisternen werden von mehreren Nerven durchzogen, welche von der Arach-
noidalbekleidung derselben ihre Arachnoidalscheiden beim Austritt erhalten. Also findet man bei der unteren und
äusseren Grenze der Cisternen die Glossopharyngeus und Vagus, welche indessen ebenso wohl- der Cisterna magna
gehören; ferner dicht am unteren Rande des Pons die Facialis und Acusticus, welche von einer verhältnissmässig
weiten Arachnoidalscheide im Meatus auditorius begleitet werden; der Mitte näher wird die Cisterne von dem N.
abducens durchzogen, welcher während seines Verlaufs nach oben und aussen auf eine weite Strecke in ihr frei
schwebt (Fig. 1). Am äusseren Theil der Cisterne liegt der Trigeminus, welcher bei seinem Austritt eine räumliche,
die Duralscheide in dem grossen Raum, worin das Ganglion Gasseri wie in einem Divertikel liegt, bekleidende
Arachnoidalscheide mitnimmt.
Von Interesse ist es die Tiefe zu kennen, welche die geschilderten Cisternen vor dem Pons besitzen, welche
Tiefe natürlich der Entfernung entspricht, in welcher der Pons unter normalen Verhältnissen von der Dura am Clivus
liegt, wobei der Zwischenraum durch die Cerebrospinalflüssigkeit erfüllt wird. Dass dieser Abstand nicht unbedeutend
sein muss, geht schon daraus hervor, dass die mächtige Arteria basilaris hier Platz findet, ohne etwaigen Druck zu
erleiden. Die Fig. 1 der Taf. VII mag möglichst richtig diesen Abstand wiedergeben; man findet, dass er allmählig
gegen den oberen Rand des Pons vermehrt wird, so dass er hier bis 6 Mm. Misst, während er vor dem mittleren
Theil des Pons ungefähr 4 Mm. beträgt. Es ist leicht begreiflich, dass hierdurch kleinere, vor dem Pons befindliche
Neubildungen, erst nachdem sie die angeführten Masse überschritten haben, einen eigentlichen Druck auf den Pons
ausüben können; sie finden nämlich erst dadurch Raum, dass sie die Cerebrospinalflüssigkeit verdrängen. Auf
diese Weise wird es auch begreiflich, warum z. B. alle Druckerscheinungen bei den hier zuweilen vorkommenden
Ecchondrosen (Ecchondrosis spheno-occipitalis S. Hygiea 1874. Nord. Med. Arkiv. Bd VI N:r 32) sowie bei kleinen
Aneurysmen an der Arteria basilaris u. s. w. ausbleiben können.
Wenn wir uns jetzt zu den Subarachnoidalräumen vor dem Pons wenden, so finden wir, dass diese auch eine
hauptsächlich constante Anordnung haben, wie unregelmässig auch sie erscheinen mögen, wenn man ohne die nöthige
Umsicht das Gehirn herausnimmt und ihnen keine genauere Untersuchung widmet. Wenn man zuerst die Cisterna
media pontis nach oben verfolgt, sieht man an der Taf. 111 Fig. 1, dass sie sich schon auf dem Pons etwas gegen
den oberen Rand erweitert, um sich nach oben und vorn oberhalb des Pons als ein weiter Blindsack bis zur Nähe
des Infundibulum fortzusetzen. An ihren Seiten oder richtiger in ihren Seitenwänden verlaufen die N. oculomotorii,
und ihre vordere obere Grenze geht bogenförmig von den Austrittstellen dieser Nerven nach vorn zu dem Pedun-
culus der Glandula pituitaria; diese Grenze tritt schon bei äusserer Inspection der ungeöffneten Arachnoidea als ein
bogenförmiger, mehr weissgrauer Streifen hervor. Von diesem Bogen entspringt auf der inneren Fläche der Arach-
noidea ein Häutchen (Fig. 1 ?n), welche sich vor den Corpora candicantia zum unteren Rande des Pons und zur
Theilungsstelle der Arteria basilaris ausspannt; an diesen Stellen befestigt sie sich in der Mitte; nach den Seiten
hin läuft sie längs dem Rande des Pons hinaus, sich zwischen die Arteria cerebelli superior und der Arteria cerebelli
inferior oder auch vor oder hinter diesen beiden Gefässen befestigend und nach aussen in das Begrenzungshäutchen
der Cisterna lateralis pontis übergehend. Die Seitenhäutchen der Cisterna media pontis laufen auf die geschilderte
Membran hinüber, in dieselbe übergehend. Rings um die obengenannten Gefässe hängt die Cisterne, welche wir
die Cisterna intercruralis superficialis nennen wollen, mit den seitlich von ihr befindlichen Cisternen zusam-
men (Fig. 2 i). Uebrigens ist ihre vom Infundibulum bis zum Pons ausgespannte Begrenzungsmembran oft stark
cribrirt, besonders an der Anheftung der Arteria basilaris; bisweilen ist sie mehr oder weniger defect, so dass sogar 97
mehr als die Hälfte der Membran fehlt (Fig. 3); oft wird sie beim Herausnehmen des Gehirns zerrissen, und sie er-
scheint dann mehr defect als sie in der That ist; man erhält dann (Fig. 3), ebenso wie nach Wegschneiden der-
selben (Fig. 2), einen Einblick in eine ziemlich grosse, hinter und über ihr in der Tiefe gelegene Cisterne, welche
wir die Cisterna intercruralis profunda nennen und die, seitlich zwischen die Crura cerebri sowie nach vorn
zwischen die Tractus optici und das Chiasma sich ausbreitend, das Trigonum intercrurale mit dessen verschiedenen
Abtheilungen, nämlich Lamina perforata posterior, Corpora candicantia, Tuber cinereum und der Hinterfläche des
Infundibulum, einnimmt. Diese Theile bilden, wenn das Gehirn in natürlicher Lage sich findet, das Dach der Cisterne,
welche den tiefsten sowie den obersten Theil des grossen Raums einnimmt, der an der Taf. VII Fig. 1 oberhalb
des Pons, zwischen ihr und dem Infundibulum, mit Injectionsflüssigkeit gefüllt erscheint. Die Corpora candicantia
schiessen in diese Cisterne hinein, welche übrigens hinten am Pons von den Nervi oculomotorii frei durchzogen ist
(Fig. 2 Taf. 111 links). Ausserdem laufen die meisten grösseren Zweige der Arteria basilaris, vorzugsweise die Arterim
cerebri posteriores und die A. communicantes posteriores, anfangs durch diese Cisterne hindurch; viele kleinere Zweige
(rohen auch durch sie zu der umgebenden Hirnsubstanz. Nach den Seiten hin ist die Cisterne mittelst durchbrochener
cD *
Häutchen oder theilweise nur Balkenwerke von den umgebenden Cisternen getrennt; an den lateralwärts abgehenden
Gefässen finden sich hier, wie im Allgemeinen der Fall ist, grössere Oeffhungen in diesen Häutchen.
Vor dem Pedunculus gl an du he pituitarim, zum Theil um ihn und von dieser Stelle ausgehend, unter dem
Chiasma und zwischen dem jederseitigen Ursprung der divergirenden Nervi optici (Taf. 111 Fig. 2 k), bis zu den vor-
deren Hirnlappen hin, liegt eine oberflächliche, seichte Cisterne, die Cisterna chiasmatis, welche von Balken und
durchbrochenen Häutchen reichlich durchzogen ist, die in der Mittellinie, wie an der Fig. zu ersehen, so dicht
stehen, dass sie hier eine Scheidewand oder Raphe bilden, wodurch die kleine Cisterne in zwei seitliche Abtheilungen
getrennt wird. Nach den Seiten hin hängt diese Cisterne hauptsächlich hinter dem Opticus, zwischen diesem Nerven
und der Carotis, sowie hinter der letzteren mit den lateralwärts befindlichen, unten bald zu beschreibenden Cisternen
zusammen. Mit dem Pedunculus der Hypophyse folgt eine Scheide von der Arachnoidea und ihrem Subarachnoidal-
gewebe her. Unterhalb der Duralamelle, welche, die Sella turcica bedeckend, die Hypophyse überzieht, breitet sich
diese Scheide über die Oberfläche der Hypophyse hinaus. In dieser Weise wird hier von der Arachnoidea gleichsam
ein Divertikel gebildet, und die Hypophyse wird mithin von einem kleinen subarachnoidalen Raum oder einer Cisterne
hier umgeben. Bei Subarachnoidalinjection füllt sich dieser Raum, wie an der Taf. VII Fig. 1, 2 zu sehen ist.
Rings um die Hypophyse ist aber die Fortsetzung der Arachnoidea mit der dieses Organ umfassenden Scheide innig
verwachsen, welche die Dura wie ein Divertikel um dasselbe sendet und gleichzeitig damit die Wand der umgebenden
duralen Sinus bildet; ein subduraler Raum scheint hier nicht vorhanden zu sein, nur ein subarachnoidaler, welcher
am oberen Umfang der Hypophyse aus mehreren kleineren ziemlich weiten Räumen besteht, am unteren sehr
verengert oder sogar verdrängt wird 1).
Wir haben indessen noch eine mediane Cisterne zu berücksichtigen, welche an der Taf. 111 Fig. 4 abgebildet
ist. Sie liegt über der eben geschilderten kleinen Cisterna chiasmatis, von ihr durch ein vielschichtiges, kalkiges
Subarachnoidalgewebe getrennt, welches zusammen mit den Nervi optici und dem Chiasma an der Fig. zurückge-
schlagen erscheint; sie breitet sich nun nach oben vor dem Chiasma auf die Vorderflächen der Tractus optici, wo
diese frei sind, und weiter unmittelbar vor der ganzen Lamina cinerea terminalis bis zum Corpus callosum, zwischen
diese Theile und die vorderen Hirnlappen, hinaus, an welchen letzteren sie in die kleineren Subarachnoidalräume über-
geht Wir werden ihr den Namen Cisterna laminse cinereae terminalis geben. Nach den Seiten hin steht sie
in offener Verbindung mit den Cisterna?. fossa? Sylvii, und durch diese lateralen Oeffnungen gehen in sie die
l) Wie die Hypophyse in der angegebenen Weise an ihrer oberen Fläche einen subarachnoidalen, von Ccrcbrospinalfiüssigkcit
o-efüllten Raum besitzt, so hat sic auch an ihrer unteren Fläche einen breiten venösen Sinus, Sinus intcrcavernosus inferior (Henle),
welcher jederseits in den Sinus cavernosus übergeht; ausserdem wird er von dem Sinus circularis Ridleyi oder Sinus intcrcavernosus
anterior und posterior (IIenle) umkreist. Betreffs dieser Sinus sagt Henle, dass der vordere Sinus intcrcavernosus der stärkere ist, der
untere S intercav. inferior, am häufigsten fehlt, und in einer Note spricht er von der letzteren als einem Verbindungscanal. Unsere
Erfahrenüber diesen Sinus ist davon etwas abweichend. Wir haben ihn also bei den zahlreichen darauf untersuchten Individuen nie
vermisst- ferner fanden wir ihn gewöhnlich grösser als S. c. ant. sowie immer über den Boden der Hypophysengrubc verbreitet, wie wir
ihn an der Taf. VII Firn 1, 2 und Taf. XXVII Fig. 8 c wiedergegeben haben, die beiden jederseitigen Sinus cavernosi mit einander
verbindend. Zwar ist cs möglich, dass er mehr wechselnd ist, als wir gefunden haben; die liier angegebene Form mag aber doch
wenigstens die gewöhnliche sein. Diese Einbettung der Hypophyse zwischen einer serösen Cisterne und einem venösen Sinus ist ohne
Zweifel von Interesse und scheint uns sogar die Eigentümlichkeit dieses räthselhaften Organes zu vermehren.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 98
Arterie© communicantes anteriores hinein, welche in dieser Cisterne vor dem Chiasma und der Lamina cinerea ter-
minalis den grossen arteriellen Gefässring (Circulus arteriosus Willisii) abschliessen. Wir erwähnten, dass die Cisterne
vorn in die Subarachnoidalräume der vorderen Hirnlappen übergeht. Mit den Arterim cerebri anteriores, welche von
dem Gefässring längs des Corpus callosum sich fortsetzen, folgen besonders weite derartige Räume, und man könnte
sogar von einer von Balken und Häutchen reichlich durchzogenen Cisterna corporis ca 11 osi oder vielleicht besser
von einem Spatium subarachnoidale corporis callosi reden, welches von der Cisterna laminge cinereee längs
dem Corpus callosum zwischen der oberen Fläche desselben und dem unteren Rande des Falx cerebri die erwähnten
Arterien begleitet. Der Falx erreicht nämlich in den vorderen Theilen, wie bekannt, mit seinem freien unteren Rand
nicht das Corpus callosum, sondern endigt in der Regel einige Mm. oberhalb desselben; die Arachnoidea schlägt
sich dort von beiden Seiten her zum unteren Rand des Falx über und vereinigt sich mit ihm oder spannt sich dicht
unter ihm aus.
Die Fortsetzung der Incisura longitudinalis unterhalb dieser Stelle bis zum Corpus callosum wird nun zwischen
den beiden Hemisphären von Subarachnoidalgewebe mit mehr oder weniger weiten Räumen und Maschen eingenommen,
wie an der Fig. 4 Taf. XXIX nach einem erhärteten Injectionspräparat bei Loupenvergrösserung abgebildet ist;
die Hemisphären sind hier von einander etwas abgezogen, um das fragliche Spatium subarachnoidale corporis callosi
besser zu zeigen, in welchem die oberhalb des Corpus callosum befindlichen Arterien verlaufen. An dieser Figur
sieht man auch, wie dieses Spatium auf dem Corpus callosum sich nach jeder Seite hin in die Spalte zwischen der
oberen Fläche desselben und den diesen Theil bedeckenden Cyri fortsetzt.
Wenn wir nun zu den grossen Subarachnoidalräumen an der Cehirnbasis zurückkehren, haben wir noch die
vor dem Pons lateralwärts gelegenen Cisternen zu berücksichtigen. Am weitesten nach vorn finden sich hier die
beiden Cisternas fossae Sylvii, welche seitlich von den oben beschriebenen medianen Cisternen ausgehen, mit welchen
sämmtlichen sie auch Zusammenhängen. Sie laufen jederseits in der Fossa Sylvii fort und sind von nicht unbedeutender
Weite, sowie in ihrer Tiefe von der Arteria fossse Sylvii durchzogen, welche mit ihren Zweigen in dem Inhalt derselben
schweben. Ihre Ausdehnung geht ziemlich deutlich aus der Taf. 111 Fig. 2 hervor. Die Arachnoidea ist dort über
ihnen aufgeschnitten; links an der Figur sind die meisten Balken und kleinere membranöse Ausbreitungen, welche
in ihr Vorkommen, entfernt; rechts sind hingegen diese soviel als möglich geschont. An der Oberfläche, dicht unter
der Arachnoidea, sind nämlich diese Cisternen von solchen Balkenwerken und maschigen Häutchen reichlich durchzogen,
in der Tiefe aber rings um die Blutgefässe haben sie ein freieres Lumen. Welche Tiefe diese Cisternen besitzen,
sieht man an der Fig, 2, wenn man die Befestigungen der über der Cisterne aufgeschnittenen Arachnoidea an dem
mittleren Lappen bei 7 und am vorderen bei V betrachtet. Man muss indessen hierbei davon absehen, dass die
beiden Lappen etwas von einander abgezogen sind, um die Cisternen besser zu demonstriren. In der That haben
diese Cisternen in ihren inneren Partien eine Tiefe von 15 bis 17 Mm. von der über ihnen ausgespannten Arach-
noidea bis zu ihrem Boden. Nach aussen gehen die Cisternen allmählig in das Subarachnoidalgewebe der von den
Fossge Sylvii hinaustretenden Fissuren und Sulci intergyrales über; dabei ist es von Interesse zu finden, dass sie in
mehr oder weniger unregelmässige, canalförmige Fortsetzungen um die Arterienzweige hinauslaufen, wie an der
Taf. 111 Fig. 2 bei m zu sehen ist. Ein anderer bemerkenswerther Umstand ist der, dass die von den Seiten her in
die Cisternas fossge Sylvii einmündenden Sulci intergyrales, dort wo keine Blutgefässe in sie hineinlaufen, an der Ober-
fläche gegen die Cisternen hin eine membranöse Verdichtung des Subarachnoidalgewebes besitzen, wodurch sie
gewissermassen von den Cisternen abgesperrt werden; diese Absperrung ist aber doch nicht vollständig. Indessen
bewirken die geschilderten Verhältnisse wohl, dass die freieste Strömung der Flüssigkeit von den Cisternge fossge
Sylvii in die Sulci, sowie umgekehrt, immer längs den Verzweigungen der Blutgefässe stattfindet; dies stimmt in
der That mit den Injectionsversuchen überein und gillt im Allgemeinen auch für die übrigen Cisternen.
Jederseits von den Cisternge intercrurales und hinter den inneren Theilen der Cisternge fossge Sylvii läuft eine
weite Cisterne gius, welche dicht bei und nach hinten zu um die Crura cerebri fortgeht; ihre äussere seitliche Be-
grenzung wird von dem am Pedunculus befindlichen Rande des Crosshirns und die innere Begrenzung wird von
dem oberen Seitenrande des Pons mit der Cisterna lateralis pontis gebildet. Die fragliche Cisterne geht dann am
Boden der ganzen Fissura transversa fort und läuft von jeder Seite her hinter und über den Corpora quadrigemina
zusammen; nach aussen wird sie durch die Arachnoidea begrenzt, welche sich über ihr vom Grosshirn zum Pons
und Kleinhirn ausspannt. Die Cisterne bildet grlso um den ganzen »Hirnstamm» Reicherts eine Art Schlinge, welche
in Verbindung mit den oben beschriebenen vorderen medianen Cisternen zu einem vollständigen Cisterngürtel um diesen Stamm wird. In den vorderen Theilen ist das Lumen der Cisterne freier; hinten aber, über den Corpora
quadrigemina, ist sie reichlich von subarachnoidalem Gewebe durchzogen, so dass sie hier wie abgesperrt und in je
zwei seitliche getheilt erscheint; wir werden sie indessen bis auf Weheres als eine betrachten.
Der Anfang dieser Cisterne jederseits vorn an den Pedunculi ist an der Taf. 111 Fig. 2 dargestellt, wo man
bei n den Rand am mittleren Lappen sieht, von welchem die weggeschnittene Arachnoidea sich frei über die Cisterne
zur vorderen Fläche des Pons ausspannt; einen kleinen Theil vom inneren Rande des mittleren Lappens sieht
man in die Cisterne hineinschiessen. Die Fig. 4 der Taf. VI giebt eine deutliche Vorstellung darüber, wie die
Cisterne hinten dadurch gebildet wird, dass die Arachnoidea in der Tiefe der grossen Querfurche (Fissura trans-
versa) zwischen Klein- und Grosshirn sich längs dem Rande der Incisura semilunaris des ersteren zu der unteren
Fläche des letzteren ausspannt. Die Fig. 5 und 6 der Taf. 111, welche die ganze Cisterne durchgeschnitten darstellen,
zeigen näher, wie sie sich zu den umgebenden Gehirntheilen verhält. Die Fig. 5 stellt mithin einen am oberen Rande
des Pons gemachten Durchschnitt der Pedunculi cerebri und der Lamina corporum quadrigeminorum dar, wo diese
Theile in Zusammenhang mit der unteren Fläche des Grosshirns von unten gesehen sind. Rings um die genannten
Theile sieht man die Cisterne fortgehen, und nach aussen von ihr nimmt man an der unteren Fläche des Grosshirns
den Rand wahr, wo die Arachnoidea zum Pons und Kleinhirn sich ausspannt. Die Fig. 6 zeigt dagegen die ent-
gegengesetzte Schnittfläche (von einem anderen Gehirn genommen), wo Pons in Verbindung mit dem Kleinhirn ge-
blieben ist; man sieht hier das Verhalten der Cisternen am Rande des Kleinhirns und die Befestigung der Arach-
noidea an demselben längs dem Rande der Incisura semilunaris. Es geht aus der obigen Beschreibung sowie aus
den angeführten Figuren hervor, dass die Cisterne hinten und in den Seitentheilen am Boden der ganzen
Fissura transversa vor dem Tentorium cerebelli liegt, welches mit seinem halbmondförmigen Rande die über der
Cisterne ausgespannte Arachnoidea berührt. Für diese Cisterne werden wir den Namen Cisterna ambiens Vor-
schlägen *). Die Weite derselben ist nicht unbedeutend; so misst z. B. ihre Tiefe am weitesten nach vorn an den
Pedunculi etwa 4 Mm.; weiter nach den Seiten sowie nach hinten zu wird sie noch tiefer, am hinteren Theil
der Pedunculi 5—7 Mm. betragend. Die Breite ist wohl an der Oberfläche nicht besonders gross, in der Tiefe
erweitert sie sich an den Pedunculi cerebri, zwischen ihnen und dem überschiessenden Rande des Gyrus hippocampi;
ebenso geht sie andererseits in eine Bucht unter dem an der Incisura semilunaris die Crura cerebelli ad corpora
quadrigemina und das Velum medulläre auterius überschiessenden Rand des Cerebellum hinein (Taf. 111 Fig. 5, 6).
In der Cisterne verlaufen von vorn nach hinten vorzugsweise die Artena cerebri posterior und die Arteria cerebelli
superior mit ihren Zweigen. Zwischen diesen Gcfässen, in den vorderen Theilen der Cisterne, findet man hie und
da an kürzeren oder längeren Strecken kleine und feine Subarachnoidalhäutchen als unvollständige Scheidewände
verlaufend, so dass jedes Gefäss gleichsam seine Abtheilung in der Cisterne erhält; feinere Balken gehen hier von
den Gefässwänden über, und ebensolche kommen übrigens auch anderwärts vor; im Allgemeinen ist aber die Cisterne
in den vorderen Theilen von subarachnoidalem Gewebe verhältnissmässig frei. Ausser den erwähnten Gefässen wird
die Cisterne von dem Nervus trochlearis durchzogen, welcher von seinem Ursprung hinten an den Seiten des Velum
medulläre auterius sich in einem Bogen nach vorn um die Crura biegt, anfangs ganz frei in den Cisternen verlaufend,
dann aber in kürzerer oder längerer Strecke vor seinem Austritt an der Innenfläche der Arachnoidea befestigt.
Wenn man nun die mittlere hintere Partie der Cisterne berücksichtigt, findet man, dass sie hier den grossen Zwischen-
raum zwischen den Corpora quadrigemina, dem Vorderrand des Cerebellum und dem Splenium corporis callosi eim
nimmt, wie die Fig. 7 und 8 der Taf. 111 sowie die Fig. 1 und 3 der Taf. VII, die letzteren nach Injectionspräpa-
raten, darstellen. In diesem Theil ist sie, wie oben erwähnt wurde, von reichlichem Subarachnoidalgewebe mit kleinen
unter einander zusammenhängenden Maschenräumen durchzogen. Die Fig. 5 der Taf. 111 zeigt, wie dieses Gewebe
allmählig in der AVeise entsteht, dass die Cisterne jederseits nach hinten zu immer reichlicher von Balken und sub-
arachnoidalen Häutchen durchsetzt wird. Hier ist eben der Ort, wo die Vena magna Galeni ins Gehirn eintritt.
Wenn man diese wichtige Partie besonders bezeichnen will, mag die Benennung Spatium subarachnoidale
corporum quadrigeminorum dazu geeignet sein; es kann aber doch als ein Theil der Cisterna ambiens be-
trachtet werden. An dem in gefrorenem Zustand durchgeschnittenen Gehirn, welche die Taf. VII Fig. 1 wieder-
giebt, sieht man, wie das durchgeschnittene Tentorium mit seinem Sinus tentorii hier von hinten nach vorn über
i) Besser mag vielleicht die Benennung Cisterna fissura; transversal erscheinen; da cs aber zwei Fissurae transversae, eine
anterior und eine posterior, giebt (Vergl. Henle’s Handb. d. Syst. Anat. Bd. HI. S. 9(1) glaubten wir, dass dieser Name leichter
Verwechslungen veranlassen könnte. 100
der Cisterne hervorschiesst und wie die Vena magna Galeni sich hinter dem Splenium corporis callosi hineinsenkt
(Vergl. Taf. 111 Fig. 8). Die Arachnoidea spannt sich unterhalb des Tentorium und seines vorderen Randes vom Klein-
hirn zum Grosshirn hinter dem Splenium hinüber und bildet nach dieser Seite hin natürlicherweise die eigentliche
Begrenzung der Cisterne, wie aus der Taf. 111 Fig. 7 sowie der Taf. VII Fig. 3 hervorgeht, wo das Tentorium
weggenommen und der Schnitt etwas seitlich vom Eintritt der Vena Galeni gemacht ist. Die Cisterne hat hier eine
bedeutende Tiefe. Wenn man an der Fig. 1 der Taf. VII vom vorderen Ende des Tentorium oder der unmittelbar
darunter befindlichen Arachnoidea bis zu den Corpora quadrigemina misst, so findet man diese Tiefe 24 Mm. betragend.
Dieses Mass kann man für den Zustand, wo die Cisterne, wie hier, vollständig gefüllt ist, als zuverlässig betrachten,
denn es ist mit möglichster Genauigkeit am gefrorenen Präparat selbst genommen; nach Aufthauen und längerem
Auf bewahren in Weingeist mit nachfolgender Schrumpfung ging es an demselben Präparat auf 20 Mm. hinab.
Bei einem anderen, nicht injicirten, aber auch in gefrorenem Zustand durchgesägten und gemessenen Gehirn mass
die Cisterne am selben Ort 18 Mm. Bei Gehirnen, deren Subarachnoidalräume mit Leimlösung injicirt und welche
dann in gewöhnlicher Weise herausgenommen wurden, fanden wir nach Erhärtung in Weingeist die Tiefe ungefähr
17—18 Mm. Bei nicht injicirten, mit Weingeist behandelten Gehirnen betrug das Mass 15—17 Mm. Diese Masse
sind angeführt worden, eben um darzulegen, wie gross die Tiefe des Subarachnoidalspatium unter verschiedenen
Umständen hier in der That ist, wodurch es an diesem wichtigen Ort eine bedeutende Wechselung in der Ausdehnung
je nach vorhandener Subarachnoidalflüssigkeit und wechselndem Druck gestatten kann. Seitlich und vorn nimmt,
wie schon dargethan ist, die Tiefe der gürtelförmigen Cisterne schnell und stark ab.
Wenn man etwas eingehender die Ausdehnung der Cisterne am mittleren hinteren Spatium über den Corpora
quadrigemina untersucht, findet man erstens, dass sie, wie oben angegeben wurde, vollständig die Lamina corporum
quadrigeminorum bedeckt; sie geht dann von hier nach hinten über das Dach des vierten Ventrikels fort, zwischen
das Velum medulläre anterius und den darüber befindlichen Theil des Vermis cerebelli sich ausbreitend. Nach vorn
geht sie in der Bucht zwischen der Lamina corporum quadrigeminorum einerseits und dem Conarium (Glandula pinealis)
mit dem dünnen Markblatte andrerseits, welches vom vorderen Rand der eben genannten Lamina sich bis zum Conarium
zurückschlägt, um die hintere Begrenzung des dritten Ventrikels (Commissura posterior ventriculi tertii) zu bilden, wie an
der Taf. VII Fig. 1, wo der Schnitt gerade in der Mittellinie getroffen hat, sowie an der Taf. 111 Fig. 7 und 8 dargestellt ist.
Aus dem obigen geht hervor, dass die untere Fläche des Conarium ebenso wie die obere Fläche der Lamina
corporum quadrigeminorum und des Velum medulläre anterius von der Cerebrospinalflüssigkeit der Cisterna ambiens
bespült werden. Alle diese Theile besitzen ihre Piabekleidung, an welcher das Subarachnoidalgewebe der Cisterne
sich befestigt. Betreffs des Conarium findet nun das interessante Verhältniss statt, dass seine obere Fläche nicht
nach den Subarachnoidalräumen gerichtet ist, sondern dass eine kleine Ausbuchtung des dritten Ventrikels sich
zwischen das Conarium und das unter dem Corpus callosum eintretende Velum interpositum nach hinten erstreckt;
bisweilen endigt diese Ausbuchtung etwas vor der Spitze des Conarium, so dass die Spitze selbst etwas in die Ci-
sterna ambiens oder in das hiesige reichliche Subarachnoidalgewebe hinein schiesst; in vielen Fällen sahen wir aber
die erwähnte Ausbuchtung oder den Recess, wie an der Taf. 111 Fig. 8 (Vergl. Fig. 7 derselben Tafel) zu sehen ist,
auch beim Menschen nach hinten ziemlich weit der Spitze des Conarium vorbei sich fortsetzen. Dies eigenthüm-
liehe Verhalten, dass die obere Fläche des Conarium nach dem dritten Ventrikel gerichtet ist und dort von dessen
Inhalt bespült wird, während dagegen die untere Fläche nach dem Subarachnoidalraum sieht und von der äusseren
Cerebrospinalflüssigkeit bespült wird, weswegen es an seiner dünnen Befestigung gleichsam zwischen diesen beiden
Flüssigkeiten flottirt, ist nicht hinreichend beachtet worden, obwohl Reichert schon die oben erwähnte taschenförmige
hintere Ausbuchtung des dritten Ventrikels beschrieben und sie mit dem Namen »Recessus suprapinealis))
belegt hat. Der von hinten her sich einschiebende Zwischenraum, welchen Reichert (am a. 0. Taf. IX) zwischen
diesem Recess und dem Conarium von einem Kindergehirn abbildet, war nicht an den von uns untersuchten,
ausgebildeten Gehirnen vorhanden, sondern die nach hinten zurückgeschlagene Wand des Recesses war immer mit
der äusseren Fläche des Conarium verwachsen, so dass dieses Organ unmittelbar vom Inhalt des dritten Ventrikels
bespült wurde. Luschka erwähnt zwar in Uebereinstimmung mit Reichert das Vorhandensein des Recessus
suprapinöalis; er hat aber sein Verhalten zu der Oberfläche des Conarium nicht näher berücksichtigt. Henle giebt
in seinem Handbuch d. System. Anatomie an, dass das Conarium von »der Tela choroidea» umschlossen ist, und dies
scheint im Allgemeinen die Ansicht der Verfasser zu sein. Es würde dann, nach unserer oben gegebenen Auffassung
der hinter dem Conarium befindlichen Theile, in das Subarachnoidalgewebe der Cisterna ambiens einschiessend liegen, 101
welches Gewebe von Henle zur Tela chorioidea gerechnet wird; im ausgebildeten Gehirn verhält es sich aber nicht in
dieser Weise. Henle äussert (a. 0. S. 318): Die »Tela choroidea des Grosshirns fügt sich an der vorderen queren
Hirnspalte aus der Gefässhaut der unteren Fläche des Gross- und der oberen Fläche des Kleinhirns zusammen. Sie
hat an dieser Stelle, die man als ihren Ursprung bezeichnen kann, eine nicht geringe Mächtigkeit, indem sie den
Raum zwischen dem Wulst des Balkens und den Vierhügeln ausfüllt und die V. cerebri interna communis auf ihrem
Wege zum vorderen Rande des Tentorium und weiter vorn das Conarium umschliesst)) u. s. w. Wir werden unten
zu zeigen suchen, wie wenig geeignet es ist, den Namen »Tela chorioidea» in dieser Ausdehnung anzuwenden; ebenso
darf man nicht das hier besonders gemeinte Gewebe, in welches das Conarium einschiessen sollte, als von der Pia
gebildet betrachten; nach unserer obigen Darstellung ist es nichts Anderes als gewöhnliches Subarachnoidalgewebe,
welches den Zwischenraum zwischen dem Splenium, dem Kleinhirn und den Corpora quadrigemina erfüllt, und alle
diese Theile tragen ihre besondere, dünne Piabekleidung unmittelbar auf der Oberfläche.
Oben wurde schon in Zusammenhang mit der Beschreibung des Subduralraums und der Frage vom Canalis
Bichati hervorgehoben, dass die hier verlaufende Vena magna Galeni von einem weiten Canal umgeben ist, welcher
eben zur Annahme des Canalis Bichati und einer offenen Verbindung des Subduralraums mit dem dritten Ventrikel
Anlass gegeben, ebenso wie, dass Luschka sich dadurch hat verleiten lassen anzunehmen, dass die Arachnoidea selbst dort
sich einsenkt, um die Vene scheidenförmig zu umgeben und Scheiden auch um ihre Zweige mitzusenden, welche Scheiden
nicht in den Ventrikel sich öffnen, sondern sich allmählig in der Adventitia der inneren Gehirnvenen verlieren sollten.
Nach Luschka würde man also den Subduralraum in Zusammenhang mit den die Venen tief hinein begleitenden Scheiden
erhalten. Hier oben wurde indessen dargethan, dass diese beiden Ansichten nicht richtig sind, indem nämlich der sub-
arachnoidale Canal um die Vena Galeni sowie um deren Zweige herum dadurch geschlossen wird, dass die Arachnoidea
hier wie anderswo beim Uebergang einer Vene nach der Dura hin, die Vene umscheidet und an die Dura, d. h.
hier an das Tentorium, sich befestigt, um in ihr bedeckendes Häutchen überzugehen, dass aber diese Verwachsung
leicht berstet, wodurch sehr missleitende Bilder entstehen. Diese Bilder werden um so mehr missleitend, als die aus
verdichtetem Subarachnoidalgewebe bestehende Wand, welche den Canal um die Vena Galeni bildet, oft eine Mächtigkeit
und eine Stärke hat, welche die auf die Venenwand sich umbiegende und die Oeffnung zuschliessende Arachnoidea
übertrifft. Beim Menschen hat der scheidenförmige Subarachnoidalraum um den Anfang der Vena Galeni herum
(Taf. 111 Fig. 7, 8, 10; Taf. VI Fig. 4) eine bedeutende aber etwas wechselnde Weite, und er konnte sehr leicht,
besonders mit Hinsicht auf die grosse Rolle, die er gespielt hat, seinen eigenen Namen statt der alten Benennung
»Canalis Bichati» verdienen; es scheint uns indessen, dass er am besten seiner Natur nach als der Subarach-
noidalcanal oder der scheidenförmige Subarachnoidalraum um die Vena Galeni bezeichnet wird. Oft hat dieser
Scheidenraum in seinem Anfang eine deutliche Trichterform; er ist dann beim Eintritt der Vene weiter, während
später die Wände sich der Vene dichter anschliessen und mit den Venenwänden durch zwischenlaufende Balken und
feine Häutchen isich mehr und mehr verbinden. Mit den Zweigen der Vene, vorzugsweise mit den zwei Hauptzweigen
und dem Stamme, zu welchem diese sich später wieder im Velum verschmelzen, setzen sich ähnliche, mehr oder
weniger distincte, gewöhnlich mit verhältnissmässig starken Wänden versehene Scheidenräume fort. An der Taf. Hl
Fig. 7 sieht man solche perivasculäre Canäle oder Scheidenräume rings um die Venen in der Umgebung der Vena
Galeni, denjenigen ähnelnd, welche man in den Sulci intergyrales (Vergl. Taf. IV Fig. 9) findet. An der Taf. IV
Fig. 1 haben wir einen medianen Durchschnitt eines Schafgehirns dargestellt und in der Fig. 2 derselben Tafel
haben wir bei Loupenvergrösserung ein von demselben Durchschnitt genommenes Bild der hier besonders fraglichen
Partie geliefert. Diese Bilder mögen dazu geeignet sein, die vorliegenden Verhältnisse, sowie ganz besonders
die Umstände zu erläutern, welche Fe. Arnold veranleitet haben, das Vorhandensein des Canalis Bichati anzunehmen
und aus einem ähnlichen Durchschnitt vom Gehirn derselben Thierart diesen Canal in seinem ganzen Verlauf vom
Subduralraum bis zum dritten Ventrikel hin und in diese beiden Räume mit offenen Mündungen auslaufend abzubilden.
%
Man sieht an unseren Figuren, dass das Subarachnoidalspatium über den Corpora quadrigemina mit seinem reichlichen
Subarachnoidalgewebe hauptsächlich in derselben Weise wie beim Menschen beschaffen ist. Im Vorbeigehen mag hier
bemerkt werden, dass man bei b besonders reichliche Arachnoidalzotten hinter dem Abgang der Vena Galeni in den
venösen Sinus der Dura hineinschiessend sieht. Die Vena Galeni findet man während ihres ganzen Verlaufs von
ihrem Subarachnoidalcanal umgeben, welcher oben beim Eintritt der Vene ins Subarachnoidalgewebe in der beschrie-
benen Weise durch die Arachnoidea geschlossen wird. Man sieht den Canal bis zur unmittelbaren Nähe des dritten
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 102
Ventrikels der Vene folgen. Dort findet man wieder ein Verhältniss, welches sehr leicht zur Annahme eines offenen
Zusammenhangs mit dem Ventrikel verleiten könnte. Recessus suprapinealis oder Recessus supra conarium,
wie er nunmehr, da der Name »Conarium)) den der »Glandula pinealis» zu verdrängen scheint, heissen kann findet
sich beim Schafe sehr stark ausgebildet; man sieht ihn an der Figur in einer nicht unbedeutenden Strecke hinter dem
Conarium ausschiessend, wobei er wie ein Blindsack in den unteren Theil des Subarachnoidalcanales der Vena Galeni
(Taf. IV Fig. 1 u. 2) hervordringt; bisweilen sieht man ihn zusammen mit der Vene in der ganzen unteren Hälfte
dieses Canales fortgehend. Er streckt sich im Allgemeinen nach hinten zu der Stelle, wo die Vene sich in ihre beiden
Zweige theilt, welche ihn umfassen und an deren Wänden, ebenso wie an der Spaltungsstelle der Vene, er mit seiner
Aussenfläche innig befestigt ist. Sehr leicht entstehen hier beim Schnittführen Berstungen in der Wand des Recesses,
und der Subarachnoidalcanal der Vene scheint sich dann direct in den dritten Ventrikel fortzusetzen, ja der eigent-
liche Recess dieses Ventrikels kann als die unmittelbare Fortsetzung des fraglichen Canales erscheinen. Innerhalb
des Recesses sieht man den Plexus chorioideus bis zu seinem oberen Ende hinaufsteigend. Woraus wird nun' die
dünne hintere Wand des Recesses, welche an ihrer Innenseite den Plexus chorioideus trägt, gebildet? Dies geschieht,
wenn man so sagen will, durch die Tela chorioidea, aber mit diesem Namen zu der Umfassung beschränkt, in welcher
sie nach unserer Ansicht immer genommen werden sollte. Eine Fortsetzung des Ependyms vom Ventrikel hinaus
überzieht die Wand an der Innenseite nicht nur mit Epithel sondern auch mit einer faserigen Schicht und von dieser
Schicht schiessen die Chorioidalzotten in das Innere des Recesses hinein. Auswendig wird diese innere, der Ventrikel-
wand selbst ursprünglich angehörenden Schicht durch die Pia verstärkt und mit ihr innig verwachsen. Reichert,
welcher den Recess als eine ursprüngliche Ausbuchtnng der eigentlichen dünnen Ventrikelwand schildert, äussert
betreffs dieser Wand bei älteren Individuen: »Der Recessus suprapinealis scheint beim ausgebildeten Gehirn nur von
häutiger Beschaffenheit zu sein, oder wenigstens nicht auffällig bemerkbare Nervensubstanz zu enthalten». Bei der
näheren Betrachtung der Fig. 2, findet man eine Andeutung dazu, dass die Wand, wie oben bemerkt wurde, an der
oberen Fläche des Conarium, innig mit ihr vereinigt, bis zum vorderen Rand des Conarium verläuft, von welchem
sie ursprünglich an der Taenia recessus suprapinealis (Reichert) zurückgebogen wurde. Alles was nach hinten oder
aussen von der Wand des Recesses oder der Tela chorioidea mit ihrer von der Pia gebildeten äusseren Fläche liegt,
gehört dem Subarachnoidalgewebe mit seinen Räumen und Venencanälen an; dies Gewebe sieht man nun an den
angef. Fig. mit offenen Räumen oberhalb des Recesses nach vorn zwischen seiner Tela chorioidea und dem Splenium
corporis callosi mit dessen Piabekleidung sich fortsetzend ’).
Wir haben jetzt das Velum trianguläre berührt und werden nunmehr auf dasselbe übergehen. Da es indessen
nicht zu dem Plane dieser Arbeit gehört, näher auf den Bau der Plexus chorioidei des Gehirns einzugehen, werden wir
uns hauptsächlich nur auf die Verhältnisse im Bau des Velum trianguläre mit seinen ansitzenden Plexus beschränken,
welche mit unserem Gegenstand in näherem Zusammenhang stehen. Bezüglich der speciellen Historik über die Gefäss-
vorhänge und Plexus mag es deswegen uns auch gestattet sein, im Allgemeinen auf die betreff. Arbeit von Luschka
(Die Adergeflechte des menschl. Gehirns) hinzuweisen. Der obere Gefässvorhang, Tela chorioidea superior, Velum
interpositum, Velum trianguläre auctorum, wird betreffs seiner allgemeinen Form und Ausbreitung von den Verfassern
in einer beinahe übereinstimmenden Weise geschildert; wir weisen deswegen auf die betreff. Beschreibungen der aus-
führlicheren Handbücher hin. Hier mag nur erinnert werden, dass das Velum durch die ganze Fissura transversa ein-
dringt, über dem unverhältnissmässig grössten Theil der Thalami optici ausgebreitet liegt, die Spalte zwischen ihnen
und der unteren Fläche des Corpus callosum mit Fornix und dessen Crura einnehmend (Taf. IV Fig. 4), sowie dass
es mit seinen Seitenrändern, an welchen die Plexus chorioidei laterales sitzen, dem Rande des Fornix folgt; in der
Mitte spannt es sich an der unteren Fläche des Corpus callosum und Fornix frei über dem dritten Ventrikel aus,
B An der Taf. IV Fig. 1 u. 2 sieht man bei a; einen an der unteren Fläche des Splenium und Psalterium befindlichen, am Durch-
schnitt bimförmigen Gyrus, welcher in dieser starken Entwickelung beim Schafe constant zu sein scheint. Man sieht auch, wie er nach
hinten ein allmählig sich verdünnendes Blatt aussendet, welches sich rings um das Splenium biegt und dann an der oberen Fläche des
Corpus callosum bis zu dessen Mitte oder noch weiter sich fortsetzt, dort, wie es scheint, mit den Gyri der Hemisphären sich vereinigend.
Nähere Untersuchungen über diesen eigenthümlichen Gyrus haben wir nicht angestellt, sondern nur davon uns überzeugt, dass er aus
grauer Hirnsubstanz besteht. Wir werden hier nur erinnern, dass Anders Retzius (Skandin. Naturforskaremötets förhandlingar 1856 und
in Dublin Medical Press Dec. 1859 eine nähere Aufmerksamkeit auf das Vorhandensein von Gyri an der unteren Fläche des Fornix und
Splenium bei Thieren gelenkt hat, sowie dabei auch hervorgehoben, dass schon Vicq dAzyr dieselben dargethan hatte. Retzius stellt
ferner dar, dass auch beim Menschen Andeutungen von diesen Gyri vorhanden sind. Vergl. auch Henle’s Handln d. System. Anat.
Bd. 3. 1871. Eine nähere Untersuchung dieser Verhältnisse wäre unzweifelhaft von Interesse. 103
das Dach desselben bildend und liier den medianen Plexus (P. ventriculi tertii) tragend (s. unten). Wie es sieb
zu den eigentlichen lateralen und medianen Plexus verhält, werden wir dann berücksichtigen, wenn wir den allgemeinen
Bau desselben etwas näher geschildert haben. Die Verfasser stimmen auch darin überein, dass das Velum aus zwei
Blättern besteht, welche eine Fortsetzung der Pia von den aussen davon liegenden Hirntheilen und mithin als eine
Verdoppelung der Pia anzusehen ist. Das obere Blatt ist eine unmittelbare Fortsetzung der Pia des Splenium corporis
callosi und der umgebenden Theile des Grosshirns. Das untere ist dagegen eine Fortsetzung der Pia der Lamina
corporum quadrigeminorum, der Crura cerebri und des hinteren Theils des Sehhügels. Von der oberen Fläche des
Kleinhirns kann die Pia nicht, wie oft angegeben wird, in das Velum direct übergehen. Die beiden Blätter ver-
halten sich nun in der That im Velum trianguläre zu den von ihnen bekleideten Hirntheilen ganz in derselben Weise
wie die Pia in einem Sulcus intergyralis an der Oberfläche des Gehirns. Mit den ins Gehirn eintretenden Blutge-
fässen geben sie jederseits die von uns am anderen Ort geschilderten trichterförmigen Verlängerungen ab, welche
in die perivasculären Adventitialscheiden sich fortsetzen. Wie verhalten sich aber diese Blätter zu einander, wie
ist das Gewebe zwischen ihnen beschaffen und wie verhält sich dieses zu dem eigentlichen Subarachnoidalgewebe?
Fohmann (a. a. 0.) nahm hier das Vorhandensein von Saugadern an; dies wurde dann von van Ghert geleugnet
(Disquisitio anatomico-pathologica de plexubus choroideis. Traj. ad Rhenum 1837. Nach Luschka angeführt). Fr.
Arnold erhielt Injection von Netzen sowohl als auch von grösseren und kleineren Stämmen lymphatischer Gefässe,
welche die Venen begleiteten und sich zu einem ziemlich ansehnlichen Stamm sammelten, der die Vena magna Galeni
begleitete (s. o.). Luschka (Die Adergeflechte) sagt: »die beiden Blätter sind normalmässig in fast ihrer ganzen
Ausbreitung innig mit einander verwachsen, ähnlich wie die Blätter des grossen Netzes, so dass man die Duplicität
der Bildung gewöhnlich nur an der Stelle ihres Eintrittes durch die grosse Querspalte deutlich zu erkennen vermag.
Doch ist es mir zu wiederholten Malen gelungen, in grösserer Strecke Luft zwischen die beiden Blätter zu treiben
und so das obere stellenweise blasenförmig zu erheben». Durch einen feinen Tubulus konnte er Quecksilber zwischen
die beiden Blätter einbringen, welches dann die kleinen Zwischenräume erfüllt oder sich auch wohl gewaltsam Wege
bahnt, die bisweilen einige Aehnlichkeit mit injicirten Lymphgefässen darbieten und daher bezüglich der Beurtheilung
der letzteren in diesem Theile zur grössten Vorsicht warnen. Zwischen den beiden Blättern der Pia fand er spiralig
umwickelte Zellstoffbündel, welche er von der Arachnoidalscheide der Vena magna Galeni herleitete. Reichert
(Der Bau des menschlichen Gehirns) fasst das Velum in der folgenden Weise auf; er äussert im Zusammenhang mit
seiner Opposition gegen das Vorhandensein des Canalis Bichati: »Decke und Seitenwände der dritten Hirnkammer
liegen anfangs frei und besitzen keine Oeffnung, wenn nicht etwa die äussere Hülle des Gehirns gewaltsam und
mit Zerstörung der dünnen Decke der Gehirnröhre abgetrennt wird. Später wachsen die ebenfalls vollkommen
geschlossenen Grosshirnbläschen über diese Gegend hinweg nach hinten bis auf das Cerebellum hinauf und
verbinden sich mittelst der Commissur des Fornix und durch den Balken. Ueberall, wo hierbei die verschiedenen
Bestandteile des Gehirns mit ihrer freien Oberfläche in unmittelbare Berührung geraten, verschmelzen die be-
treffenden äusseren Hüllen zu einer gemeinschaftlichen Platte, gerade so, wie zwischen den in der Fossa Sylvii sich
berührenden Scheitel- und Schläfenlappen oder zwischen Cerebellum und Medulla oblongata in der Fissura transversa
cerebelli. Diese Platte, welche nunmehr als ein Fortsatz der Pia mater im Bereiche der Fissura transversa cerebri
angesehen wird, ist in der Mitte, wo die stärkeren Gefässe (Venen Galen’s) verlaufen, durch ihre Dicke ausgezeichnet
und wird hier die Tela choroidea superior genannt; sie erstreckt sich ausserdem in einer dünneren Schicht seitlich
zwischen Sehhügel und Fornix weiter».
Henle schildert diese Verhältnisse, nachdem er den Ursprung der Tela chorioidea (s. o.) besprochen hat,
folgendermassen: »In der Richtung von hinten nach vorn, in welcher die beiden unter dem Balken nebeneinander
verlaufenden Vv. cerebri int., die sich zur V. int. communis vereinigen (Gefässl. S. 337), an Kaliber abnehmen, wird
auch die Tela choroidea dünner und ebenso verdünnt sie sich nach den Seiten hin. Da das die Venen zunächst
umgebende Gewebe locker ist und sich gegen die Oberflächen verdichtet, so kann man sich die Membran aus zwei
Blättern zusammengesetzt denken, die vor und seitwärts allmählig mit einander verschmelzen».
Bei unseren Subarachnoidalinjectionen vom Rückenmark her haben wir oft eine vollständige Füllung des ganzen
Velum trianguläre bis zu den am Rande desselben in den Seitenventrikeln verlaufenden lateralen Plexus chorioidei er-
halten, nie hat aber die Injection bis in die Chorioidalzotten selbst, weder hier noch in dem medianen Plexus des dritten
Ventrikels, gereicht. Uebrigens hat sie sich in derselben Weise wie die gleichzeitige Subarachnoidalinjection an der
Hirnoberfläche verhalten und dabei theils mehr die Blutgefässe, besonders die grösseren, begleitet, theils sich auch 104
vollständig zwischen ihnen verbreitet. Es ist klar, dass Fe. Arnold mit Quecksilber ähnliche Injectionen erhalten hat,
die er aber als auf dem Vorhandensein wirklicher Lymphgefässe beruhend ansah. Für uns, die eine andere Auf-
fassung vom Subarachnoidalgewebe und dessen oft mehr oder weniger canalförmigen, die Blutgefässe umfassenden
Räumen hatten, wurde es hingegen ein Beweis dafür, dass das eigentliche Subarachnoidalgewebe mit seinen unter-
einander offenen Räumen sich zwischen den Piablättern im ganzen Velum fortsetzen muss, und eine nähere Unter-
suchung hat gezeigt, dass es sich auch so verhält. Von der hinter der Wurzel oder Basis des Velum befindlichen
Cisterna ambiens folgt dies Gewebe den nach innen ins Velum sich fortsetzenden Piablättern in einer dem Verhalten
in den Sulci intergyrales entsprechenden Weise. Die Fig. 4 der Taf. IV zeigt einen Durchschnitt des Velum in der
Spalte zwischen Fornix und Thalamus opticus; man sieht dort, wie das kleinräumige Subarachnoidalgewebe mit feinen
Häutchen und Balken zwischen die beiden, die Begrenzungshäutchen des Velum bildenden Piablätter läuft. In
diesem Subarachnoidalgewebe verlaufen die Blutgefässe, unregelmässig in demselben aufgehängt oder von mehr oder
weniger deutlichen Subarachnoidalcanälen umgeben. Im mittleren Theil des Velum, welcher das Dach des dritten
Ventrikels bildet, ist das Subarachnoidalgewebe besonders reichlich, zum grossen Theil aus den Venencanälen be-
stehend, und bei Injection schwillt es hier bis zur Dicke von 3 Mm. oder noch mehr an. Aber auch in den Seiten-
theilen des Velum, in der Spalte zwischen dem Fornix und den Thalami optici sieht man es bei der Injection bis
zur Dicke von einigen Mm. anschwellen. Von den Subarachnoidalräumen des Velum geht die Injectionsflüssigkeit,
wie oben erwähnt wurde, in die die Blutgefässe in die Gehirnsubstanz begleitenden Piatrichter hinein. Der
eigentliche Bau des Velum ist mithin in der That sehr einfach; es besteht aus zwei Piablättern, welche sich zu
der umgebenden Gehirnsubstanz in ganz derselben Weise verhalten, wie die Pia zur Hirnoberfläche, und zwischen
diesen Blättern verlaufen Blutgefässe in einem Subarachnoidalgewebe, dessen maschige Zwischenräume mit den Sub-
arachnoidalräumen am Eintritt des Velum in die Fissura transversa, d. h. mit der Cisterna ambiens, in offener Ver-
bindung stehen. Das Velum selbst hat mithin in seinem Bau nichts Specifisches, was es von einer gewöhnlichen
Piaverdoppelung unterscheidet; das Eigenthümliche betrifft nur ihre Lage. Wie verhält sich aber nun das Velum zu
den eigentlichen Plexus chorioidei, und wovon hängt es ab, dass die Subarachnoidalräume nicht in die Zotten derselben
eindringen? Wir werden uns zuerst zu den lateralen Plexus der Seitenventrikel wenden. Im Allgemeinen scheint
man anzunehmen, dass diese Plexus in ausgebildetem Zustand eine directe Fortsetzung des Velum sind, von dessen
Rande an der Kante des Fornix ausgehen, sowie frei im Ventrikelinhalt flottiren. Die Schilderung Henles erlauben
wir uns hier als einen Ausdruck der herrschenden Auffassung anzuführen, um so vielmehr da er genauer als die
meisten Anderen die Verhältnisse darstellt (a. 0. S. 319); »Seitlich verliert sich die Tela choroidea am lateralen Rande der
Fimbria des Fornix in das Ependyma des Thalamus und auch nach vorn setzt sie sich an beiden Flächen des Septum
lucidum in das Ependyma dieses Hirntheils fort, während sie in der Mitte, wo sie auf die Säulen des Fornix trifft,
mit einem freien Rande abschliesst, in welchem die Plexus choroidei des Grosshirns sich vereinigen». Vom Plexus
selbst sagt er: »Der laterale Plexus verläuft am Seitenrande der Tela choroidea, und gelangt durch das Foramen
Monroi, das er im bluterfüllten Zustande wahrscheinlich ausfüllt, in den Seitenventrikel. Im vorderen Plorn
desselben liegt er frei zwischen Septum lucidum und Streifenhügel, dann begleitet er die Fimbria in das Unterhorn.
Er deckt sie, indem er sich mit dem freien, zottentragenden Rande rnedianwärts wendet, so dass der Rand der Fimbria
erst sichtbar wird, wenn man den Plexus nach aussen zurückgeschlagen hat (Fig. 223, linke Seite). Die Fimbria liegt
in einem Falz, dessen untere Wand von der eigentlichen Tela choroidea, dessen obere Wand von dem rnedianwärts
umgeschlagenen Rande der Tela choroidea, der die Zotten trägt, gebildet wird».
Die Anordnung der Plexus selbst ist indessen auch in dem ganz ausgebildeten Gehirn keineswegs so einfach
als man auf Grund der Beschreibungen und der bei Sectionen wahrzunehmenden Verhältnisse glauben könnte;
sie scheint, soweit wir gefunden haben, bisher der Aufmerksamkeit der Anatomen vollständig entgangen zu sein.
Es war eigentlich zuerst an Querschnitten gefrorener Gehirne, welche Schnitte noch gefroren in Müller’sche Flüssig-
keit und Alkohol eingelegt wurden, wo wir die jetzt zu beschreibenden Verhältnisse wahrgenommen haben. Später
gelang es uns an Gehirnen, welche in ihren inneren Partien mit Alkohol gut erhärtet waren, die gemachten Beob-
achtungen zu bestätigen; im Ganzen liefern solche Gehirne schönere Präparate als die gefrorenen, wenn man nur
alle Zerreissungen vermeiden kann. An den im gefrorenen Zustand erhärteten Schnitten ist nämlich die Hirnsubstanz
selbst in Folge des Verlaufes beim Erfrieren (Vergl. Axel Key und Güst. Retzius; Om frysningsmetodens använ-
dande vid histologisk teknik. Nord. Med. Arkiv. Bd. VI, N:r 7, iv) von dicht neben einander liegenden, sehr groben
Canälen durchzogen, wodurch die eigentlichen Grenzen oft verwischt werden. 105
An solchen Präparaten sieht man nun, dass der Plexus lateralis nicht einfach, mit nach allen Seiten aus-
schiessenden Zotten versehen ist, sowie dass er nicht vom Rande der Fimbria frei im Ventrikel schwebt, sondern dass
er aus zwei Blättern, einem oberen und einem unteren, besteht (Taf. IV Fig. 3 u. 4). Die beiden Blätter vereinigen
sich mit einander, entweder dicht bei oder in ganz kurzer Entfernung von der Fimbria, zu einem gemeinsamen, sehr
schmalen Blatte oder Bande, welches am eigentlichen Rand der Fimbria sich befestigt. Die beiden Blätter ähneln
in ihrer Anordnung den Wänden eines auf der Seite liegenden Bootes, dessen Kiel dann den gemeinsamen Be-
festigungsrand vorstellt. Noch besser wird vielleicht das Verhältniss in der AVeise beschrieben, dass von dem
dünnen, zugeschärften Rande der Fimbria gleichsam eine unmittelbare Fortsetzung derselben, ein dünnes schmales
Gebräme, das wir die AVurzel (oder den Kiel) des Plexus nennen wollen, ausläuft; dies spaltet sich bald, oft dicht
bei seinem Ursprung, in zwei dünne Blätter, welche sich bogenförmig aus einander biegen (Fig. 3 u. 4 Taf. IV).
Das obere Blatt schlägt sich nach oben zum Dach des Ventrikels und folgt demselben bis zur Nähe des Seitenrandes
des Ventrikels selbst; es endigt dort mit einem im Allgemeinen freien Rande. In dieser Lage wird es dadurch
festgehalten, dass Blutgefässe vom Ventrikeldach hie und da in dasselbe übergehen; diese Blutgefässe begleitet
das Ependym, welches übrigens auch das Dach selbst bekleidet. Dieses Blatt ist mithin verhältnissmässig frei.
Die beiden Flächen des Blattes sind vom Epithel überzogen, welches eine Fortsetzung des Ependymepithels ist, und
von denselben schiessen nach beiden Seiten Zotten hinaus; in dem Rande des Blattes befindet sich die schlingen-
O
förmig verlaufende A7ena chorioidea (Fig. 3 V.ch.) Mit dem Velum trianguläre steht es in keiner unmittelbaren Berührung.
In einem ganz anderen Verhältniss zum Velum trianguläre sowohl als zur Ventrikelwand steht das untere
Blatt. Wie die angeführten Figuren zeigen, spannt es sich von der gemeinsamen Wurzel am Rande der Fimbria
zum Boden des Ventrikels und geht hier in einiger Entfernung von dem zwischen das Corpus striatum und den
Thalamus opticus verlaufenden Grenzstrang, Stria terminalis, unmittelbar in das Ependyma des Thalamus opticus
über (Fig. 3 d). Oft sieht man hier, wie die Fig. 3 zeigt, eine kleine Verdickung des Ependyms an der Befestigung
dieses Blattes. Das Ependymepithel setzt sich natürlicherweise nur an der oberen Fläche dieses Blattes fort;
von dieser Fläche schiessen entweder direct oder auch mittelst eines mehr oder weniger membranösen Gerüstes
die in ihren verschiedenen, eigentümlichen (hier nicht näher zu beschreibenden) Gestalten, kleinen gefalteten Blättern
u. s. w. ähnelnden Chorioidalzotten hinaus. An der Befestigung des unteren Blattes am Thalamus gehen gewöhnlich
lange Zotten aus, welche sich nach aussen wenden, so dass sie mit ihren Enden den äusseren Theil des Thalamus
bedecken und den Rand des Corpus striatum erreichen. Der Thalamus wird also fast vollständig von Chorioidal-
zotten umhüllt. Das untere Blatt des Plexus geht nun mit ihrer unteren Fläche eine innige Verbindung mit dem Rande
des Velum trianguläre ein. Wie wir aus den beiden angeführten Figuren sehen, deckt dieses Blatt die zwischen
Fornix und Thalamus opticus befindliche Spalte, in welcher das Velum interpositum seine Lage hat, aber durch
den schiefen Verlauf des Chorioidalblattes wird die Spalte ausserhalb des Randes der Fimbria in der Art verlängert,
dass sie zwischen diesem Blatte und dem Thalamus opticus bis zu der Befestigung des ersteren an dem letzteren
sich fortsetzt (Fig. 3 und 4).
Das Velum trianguläre geht nun mit seinem Subarachnoidalgewebe und seinen Blutgefässen in dieser Spalte
bis zu der erwähnten Befestigungsstelle fort. Es sendet hierbei Gefässe zum Plexus und wird mit dem unteren
Blatte desselben so innig vereinigt, dass der Plexus, weil seine übrigen Verbindungen bei geringstem Zug äusserst
leicht bersten, immer mit dem Velum folgt. Bei Subarachnoidalinjectionen des Velum läuft die Flüssigkeit bis zur
Befestigungsstelle des unteren Chorioidalblattes am Thalamus, aber, wie erwähnt wurde, nie in die Zotten hinein;
die geschilderten Verhältnisse geben nun die Erklärung dieser Thatsache.
Aus dem Angeführten geht eben hervor, dass die Pia oder die Duplicatur dieser Haut, welche zusammen mit
den begleitenden Blutgefässen und dem Subarachnoidalgewebe das Velum trianguläre bildet, auch im vollständig
entwickelten Gehirn keineswegs in die Seiten Ventrikel eindringt, um dort die Plexus chorioidei zu bilden, sondern
dass das Velum jederseits vom Ventrikel mittelst des unteren Chorioidalblattes getrennt ist, mit dessen unteren,
Zotten und Epithel mangelnden Fläche es innig verwachsen ist. Das eigentliche Grundgewebe der Chorioidal-
plexus entspringt hauptsächlich aus der Fimbrie und befestigt sich mit seinem unteren Blatte auf dem Thalamus
an dessen Ependym in einiger Entfernung von der Stria terminalis. AVas die mikroskopischen Verhältnisse
betrifft, haben wir dieselben keiner eingehenderen Untersuchung unterworfen und werden sie deswegen nicht
näher in Betracht nehmen; wir erwähnen deswegen nur, dass die eigentliche Hirnsubstanz im Allgemeinen im
Key und Retziub. Studien in dev Anatomie des Nervensystems. 106
aiisgebildeten Gehirn ziemlich schnell mit dem Rande der Fimbria aufznhören und in der Wurzel des Plexus oder
in seinen beiden Blättern sich nicht fortzusetzen scheint. Die Grundmasse der letzteren besteht, wenn man von den
Zotten absieht, aus einem fibrillären Gewebe mit verhältnissmässig grossen, protoplasmatischen Zellen. Dies Gewebe
tritt in der Wurzel als eine unmittelbare Fortsetzung des Randes der Fimbria sowie des Epeimtyms ihrer oberen Fläche
hervor. Die beiden Blätter sind übrigens überall an ihren freien Oberflächen von einem Epithel überzogen, welches
eine Fortsetzung des Ependymepithels ist und auf die von den Blättern hinausschiessenden Zotten übergeht.
Die geschilderten Verhältnisse stimmen sehr gut mit der Entwickelungsgeschichte überein, welche, wie oben
hervorgehoben wurde, angiebt, dass die Plexus chorioidei sich in den Ventrikeln, von der Pia unabhängig, entwickeln.
Reichert (a. a. 0.) äussert unter Anderem hierüber: »Wohl allgemein verbreitet ist die Ansicht, dass die Plexus
choroidei als Wucherungen der Pia mater anzusehen seien. Gerade die erste Entstehung und Bildung der Plexus
choroidei hat gelehrt,, dass dieselben aus dem Ependyma hervorwuchern und mit der Pia mater nur durch Gefässe
communiciren». Man findet nun, dass auch die vollkommen ausgebildeten Plexus das Gepräge einer solchen Ent-
wickelung bei sich tragen.
Bevor wir die von uns bisher nur berücksichtigten Plexus laterales verlassen, möchten wir noch auf einige
Umstände bei ihrer allgemeinen Anordnung die Aufmerksamkeit lenken. Das untere oder Bodenblatt hat seine
stärkste Entwickelung und seine grösste Breite in den vorderen Theilen des Plexus. Es ist hier weit reicher an
Zotten als das obere oder Dachblatt. Der äussere, am Thalamus sich befestigende Rand ist vorn unmittelbar bei
und hinter dem Foramen Monroi etwas mehr von der Stria terminalis entfernt, nähert sich aber doch bald derselben
und läuft dann parallel und mehr oder weniger nahe an ihr, in einer solchen Weise, dass der Gedanke entstehen
muss, die eigentümliche Stria terminalis mit der unter ihr befindlichen Vene stehe in etwaigem Entwickelungsver-
hältniss zu diesem unteren Blatt des Plexus. Nach hinten, wo der Plexus mit der Fimbria in das Unterhorn hin-
abläuft und der Rand der Fimbria sich der Stria terminalis immer mehr nähert, wird die Breite des unteren Chorioidal-
blattes in einer entsprechenden Weise kleiner und wird allmählig zu einem schmalen, zottentragenden Rand reducirt,
welcher sich zwischen der Fimbria und dem Grenzstrang (Stria terminalis) ausspannt. Das obere Blatt ist hingegen
in seinen vorderen Partien weniger stark entwickelt; es beginnt etwas hinter dem Foramen Monroi, wie die Fig. 5
der Taf. IV bei a zeigt, als ein spitz auslaufendes Gebräme am Rande des Fornix. Wenn es wie gewöhnlich an nicht
gut erhärteten Gehirnen vom Dach abgelöst ist und auf dem unteren Blatte hinabgesunken liegt, sieht man es als
ein feiner Schleier mit einem stärkeren Rande das untere Blatt bedecken (Vergl. die angef. Fig.). Es wird bald
breiter und erreicht seitlich vom Thalamus im engeren Theil des Ventrikels eben den Seitenrand des Ventrikels
(Fig. 4). In den vorderen Partien ist es an Zotten arm; solche finden sich doch von ihm ausschiessend an seinen
beiden Flächen; am reichlichsten an dem vorderen, sich verschmälernden Rande sowie dicht bei der Befestigung am
Fornix und an den äusseren Partien des Blattes. Nach hinten wird dies Blatt immer mehr entwickelt, und der Theil,
welcher Glomus genannt wird, gehört ihm vollständig an. Im Unterhorn hat es eine verhältnissmässig bedeutende
Breite, spannt sich auch hier immer durch das Lumen der Cavität zum Dach oder der demselben entsprechenden
Fläche hinüber und biegt sich dort nach aussen; es besitzt indessen hier eine weniger bedeutende Ausbreitung nach
der Seite hin längs dem Dache, an welchem es mit einem wulstigen, sehr zottenreichen, nach aussen gebogenen
Rande endigt. Weil aber nun das untere Blatt an Breite sehr reducirt ist, das obere hingegen die erwähnte starke
Entwickelung und Gestalt erhalten hat, so ähnelt der Plexus im Unterhorn bis zu einem gewissen Grade und
besonders mit Rücksicht auf die Gestalt einer in der Länge gespalteten Eisenbahnschiene. Der halbirte Fuss wird
von dem unteren, zwischen der Fimbria und der Stria sich ausbreitenden, schmalen Blatte gebildet; der übrige Theil
der halbirten Schiene wird von dem oberen Blatte mit dessen Biegung nach aussen am Dach repräsentirt. Gewöhnlich
liegt das obere Blatt daneben etwas nach innen auf der Fimbria zurückgeschoben, so dass es, gewissermassen wie
Henle von dem Plexus dieser Stelle bemerkt, mehr oder weniger die obere Fläche der Fimbria bedeckt.
Ein Blick auf die Fig. 4 der Taf. IV zeigt, dass durch die beschriebene Beschaffenheit des Plexus lateralis
jeder Seitenventrikel von dem vorderen Theil des Thalamus opticus hinaus in zwei Partien getheilt wird, eine äussere,
welche nach aussen von der Fimbria des Fornix liegt und durch den rinnenförmigen Plexus, d. h. eigentlich durch
dessen oberes Blatt von der inneren Partie des Ventrikels, welche zwischen dem Körper des Fornix und den Balken
liegt, abgegrenzt wird. Wie weit auch diese letztere Abtheilung sein kann, erhellt am besten aus der Fig. 2 der Taf. VII,
welche nach einem gefrorenen Präparate mit gelinder, durch die Injection bewirkter Ausspannung des Ventrikels
gezeichnet wurde, sowie aus den Fig. 3 u. 4 der Taf. IV, welche Weingeistpräparate ohne jegliche Ausspannung 107
darstellen. Bei Gehirnen, welche in den inneren Theilen nicht besonders gut erhärtet sind, .kann man über
diese Verhältnisse wenig schliessen, besonders wenn sie einige Zeit auf bewahrt sind und das Dach der Ventrikel
gegen den Boden gedrückt liegt, wobei besonders der Fornix sehr unregelmässige Formveränderungen erleidet.
Die abnorme Lage des Fornix, welche die Fig. 2 der Taf. VII wiedergiebt, haben wir auch dann und wann an den
in Weingeist gut erhärteten Gehirnen gesehen.
Die beiden Abtheilungen jedes Seitenventrikels, welche das obere Blatt des Plexus verursacht, sind, wie
aus der obigen Schilderung hervorgeht, von einander bei weitem nicht vollständig getrennt. Erstens liegt das
obere Blatt dem Dach nur lose an; eine Flüssigkeit kann also von der einen Abtheilung zur anderen, und dies,
wie es scheint, viel leichter von der medianen zur lateralen als umgekehrt, passiren. Wenn man sich denkt,
dass die äussere Abtheilung stärker gefüllt ist als die innere oder dass eine stärkere Flüssigkeitsabsonderung hier
stattfindet, so scheint daraus zu erfolgen, dass das obere Blatt dem Dach inniger angedrückt wird und mithin einen
genauen Schluss hier bewirken mag; die Flüssigkeit muss dann nach vorn längs der Rinne des Plexus bis zur Nähe
des Foramen Monroi strömen, wo die Rinne aufhört und die beiden Abtheilungen frei unter einander Zusammen-
hängen, ebenso wie hier durch diese Löcher Ablauf zum dritten Ventrikel vorhanden ist. Dass in der That während
des Lebens eine stärkere Absonderung in der lateralen als in der medianen Abtheilung stattfindet, dafür spricht
die weit reichlichere Zottenbildung in jener; vorn sitzt sogar die ganze Hauptmasse der Zotten in der äusseren
Abtheilung. Der Umstand, dass das obere Blatt des Plexus hinten, wie erwähnt wurde, nach innen auf der Fimbria
gebogen liegt, spricht dafür, dass es auch hier von der äusseren Seite her mehr als von der inneren dem Druck
ausgesetzt ist, was aber auch durch eine stärkere Secretion der äusseren Abtheilung erklärt wird. Wenn eine grös-
sere Anströmung oder Vermehrung von Flüssigkeit in der inneren Abtheilung der Seitenventrikel stattfinde, scheint
diese Flüssigkeit leicht allerwärts in die äussere, zwischen das Dach und das obere Blatt des Plexus, ausweichen
zu können. Wie dem auch sei, verdienen die erwähnten Verhältnisse Aufmerksamkeit.
Das oben Angeführte erklärt den Umstand, dass bei Subarachnoidalinjectionen die Flüssigkeit durch das ganze
Velum verläuft, in die eigentlichen Plexus chorioidei laterales aber nicht eindringt. Ganz dasselbe Verhältniss
findet an dem medianen Plexus statt, welcher in den dritten Ventrikel von dem Theil des Velum eindringt,
das sich über diesen Ventrikel ausspannt und das Dach desselben bildet. Auch hier dringt die Injection nicht in
die Zotten hinein, obwohl sie in diesem medianen Theil des Velum gewöhnlich sehr stark wird. Wie bekannt sendet
das Velum jederseits an der abhängigen Fläche des Thalamus eine an der Trnnia thalami optici sich befestigende Falte
oder ein Gebräme (Taf. IV Fig. 4T) hinab. An der inneren Seite dieses Gebrämes sitzen jederseits die beiden Stränge
der medianen Plexus, vorn dichter an einander geschlossen, hinten mit einer zwischen ihnen befindlichen, offenen
Rinne. Hier ist es nicht das untere Piablatt des Velum, von welchem diese Zotten direct ausschiessen. Dieses Blatt
ist nämlich nach dem Ventrikel zu um den für diese Verhältnisse bezeichnenden Ausdruck Reicherts zu benutzen
von dem häutig gebliebenen Rest der ursprünglichen Ventrikelwand überzogen. Dies geht aber, wie das Chorioidal-
gewebe von der Fimbria des Fornix, auch im vollständig entwickelten Gehirn jederseits von der Taenia thalami
optici hinaus und bildet mehr oder weniger ein kleines Gewölbe über den dritten Ventrikel, von welchem die Zotten
ausschiessen. Das untere Piablatt des Velum ist mit dieser dünnen Wand innig vereinigt, und ausserhalb oder ober-
halb der Pia findet sich im Velum das Subarachnoidalgewebe mit seinen Blutgefässen, welche den Zotten ihre Zweige
abgeben. Das in dieser Weise gebildete Dach des dritten Ventrikels läuft nun mit seiner Befestigung jederseits
längs der Taenia fort. Auch Henle bemerkt über das Verhalten zwischen diesen, Taenia und Plexus, dass die Taenia
»sich in diesem Plexus öfters ebenso verliert wie der Ponticulus in die Taenia chorioidea des Kleinhirns)). Mit den
Taeniae setzt sich die Befestigung der Tela chorioidea auf die Pedunculi conarii fort, wonach sie am ausgebildeten
Gehirn, wie wir in der Regel gefunden haben, jederseits längs den Seitenrändern des Conarium verläuft, an der Spitze
oder an der oberen Fläche des Conarium etwas vor der Spitze zusammentreffend. Oben wurde schon der in dieser
Weise entstandene, den dritten Ventrikel abschliessende Recessus suprapinealis (R. supra conarium) geschildert, in
welchen, die beiden Stränge des Plexus jenes Ventrikels hinten zusammenlaufen.
Da nun nach der obigen Beschreibung Velum trianguläre in seiner ganzen Ausdehnung nur als eine Duplicatur
der Pia mit zwischenliegendem Subarachnoidalgewebe betrachtet werden kann und da es mithin keine eigenthümliehe
Beschaffenheit besitzt, sowie es nicht selbst in die Ventrikel eindringt, um die Plexus chorioidei zu bilden, so erweist
sich auch die Bezeichnung »Tela chorioidea» für dasselbe wenig geeignet. Es scheint uns, dass es der Nomenclatur
ein Gewinn sei, wenn man hiernach auf hörte, diesen Namen als Synonym des Velum trianguläre oder interpositum 108
anzuwenden und statt dessen die Bezeichung »Tela chorioidea)) für die Stellen beschränkte, wo das Velum
an seiner Oberfläche durch eine häutige und zottentragende Lamelle des Gehirns selbst oder sogar des Epen-
dyms beiträgt, eine Wand des resp. Ventrikels und ein wirkliches, zottentragendes Gewebe zu bilden. Der Name
»Tela chorioidea» würde dann immer eine und dieselbe Sache bezeichnen und nicht wie bisher Undeutlichkeit und
Schwierigkeiten bei der Beschreibung veranlassen. Dann würde man sagen, dass das Velum nur in der Mittelpartie
über dem dritten Ventrikel und an den Rändern bei den Seitenventrikeln zur Bildung einer Tela chorioidea beiträgt.
Aus der obigen Schilderung geht u. A. hervor, dass man nicht jedes krankhafte, im Velum zu findende Product,
wie z. B. Blut oder puriforme Zumischung, als an der Stelle, wo es angetroffen wird, gebildet, ansehen darf. Es kann
nämlich sehr leicht aus den Subarachnoidalräumen der Umgebung oder aus recht entfernten Orten dorthin eingeführt
worden sein.
Nachdem wir also die grossen Cisternen an der Basis des Gehirns, ferner das Velum interpositum und das
Verhältniss der Cisterna ambiens zu dem Subarachnoidalgewebe im letzteren, ebenso wie die Verhältnisse des Velum
zu den Plexus chorioidei und den Ventrikeln geschildert haben, werden wir jetzt zu dem übrigen, an den Hemi-
sphären des Gehirns befindlichen Subarachnoidalgewebe und zu dessen Räumen übergehen. Schon
oben wurde bemerkt, dass die Arterien der Hirnbasis, wenn sie von den hiesigen grossen Cisternen hinaus in die Sulci
intergyrales eindringen, von ziemlich weiten, canalförmigen, sie umscheidenden Räumen umgeben sind. Diese canal-
förmigen Scheidenräume begleiten dann die Arterien während ihrer ferneren Verzweigungen; dabei schweben die
Arterien theils frei in denselben, theils werden sie den Wänden angeheftet, so dass das Blutgefäss nur von der einen
Seite her in das Lumen des Subarachnoidalraums hineinschiesst. In derselben Weise sind die der Pia zunächst
befindlichen Gefässe an diese Haut geheftet. Aber nicht nur die Arterien werden von den Cisternen der Hirn-
basis her mit solchen Scheidenräumen umgeben; an mehreren Stellen wurde oben hervorgehoben, dass auch
die Venen, besonders die grösseren, in derselben Weise mehr oder weniger von derartigen Subarachnoidalcanälen
umgeben sind. Bei Anschneiden eines gut erhärteten, uninjicirten, mit seiner weichen Haut versehenen Gehirns
sieht man schon mit blossem Auge und noch besser mit Loupe diese canalförmigen Räume oder, wie wir dieselben
bezeichnen wollen, »perivasculären Subarachnoidalräume oder Canäle)) (Taf. IV Fig. 9). Es sind eben diese Räume,
welche Fohmann, Aenold, His und nach ihnen auch spätere Verfasser als wirkliche, die eigentliche Cerebrospinal-
flüssigkeit enthaltende, von den übrigen Subarachnoidalräumen abgetrennte Lymphgefässe aufgefasst haben;
nach His sollen sie ausserdem in offener Verbindung mit seinem Epicerebralraum unter der Pia stehen; für diese
Lymphgefässe, wie gross sie auch seien, hatte man indessen nie einen Ablauf gefunden. Wie wir gezeigt haben,
gehören sie ganz den Subarachnoidalräumen im Allgemeinen an. Dies geht schon aus ihrem soeben erwähnten, ganz
offenen Zusammenhang mit den grossen Basilarcisternen hervor; dadurch wird auch die unrichtige Annahme widerlegt,
dass diese letzteren mit den Subarachnoidalräumen an den oberen Partien des Gehirns nicht in offener Verbindung stehen.
Zwischen den die Blutgefässe umgebenden, canalförmigen Räumen besteht das ganze Subarachnoidalgewebe über-
all aus kleinen Räumen, welche durch feine, vollständige oder mehr weniger durchbrochene Häutchen begrenzt
werden (Taf. V Fig. 1, 2 und 3); die eingehendere histologische Beschreibung dieser Häutchen wird ganz dem dazu
gewidmeten, unten folgenden Capitel überlassen. Diese Räume sind in ihrem Lumen frei oder theilweise von ver-
zweigten feinen Balken, welche in ihre Wände übergehen, durchzogen, theils besteht der Zwischenraum zwischen an-
grenzenden Räumen oft grösstentheils aus einem solchen Balkenwerk. Theils lösen sich die Wände an gewissen Stellen
ganz und 'gar zu einem maschigen, lockeren, schwammigen Netzwerk einander kreuzender und unter sich anastomo-
sirender, verzweigter Balken auf, was besonders gegen die Oberfläche, d. h, nach der Arachnoidea hin sowie in
der Nähe der Arachnoidalzotten (Taf. XXVIII Fig. 1), der Fall ist. Uebergangsformen kommen auch zwischen
den eigentlichen Subarachnoidalräumen und den Balkennetzen vor, indem diese, wie wir schon oben in noch höherem
Grade beim Subarachnoidalspatium des Rückenmarks sahen, sich so anordnen, dass sie etwa kleine, unvollständige Räume
umgeben, um endlich in die die eigentlichen Räume begrenzenden Häutchen überzugehen. An den Querschnitten kann
man nicht die die Blutgefässe enthaltenden Räume oder diejenigen, aus denen die Gefässe herausgefallen sind, von
solchen unterscheiden, in welchen Blutgefässe nie vorhanden waren. Oft sieht man indessen die Blutgefässe nicht,
wie oben geschildert wurde, in wirklichen Räumen, mehr oder weniger frei oder auch seitlich angeheftet liegend, sondern
sie befinden sich (Taf. V Fig. 2 und 3) gleichsam in den Wänden eingewebt oder von einem Balkenwerk dicht
umsponnen; dies letztere findet besonders in der Nähe der venösen Sinus statt (Taf. VIII Fig. 1). Die angegebene
Beschaffenheit behält nun das zwischen Pia und Arachnoidea ausgespannte Subarachnoidalgewebe überall an den 109
Hemisphären bei, nur mit mehr oder weniger Wechselungen von Menge, Grösse der Räume u. s. w. Nirgends ist,
so weit wir finden können, die Arachnoidea direct mit der Pia verwachsen; überall findet man Subarachnoidal-
gewebe und Räume für die Cerebrospinalflüssigkeit zwischen ihnen, ebenso wie zwischen den beiden Piablättern,
welche in den Furchen die angrenzenden Gyri überkleiden. lieber der sichtbaren Oberfläche der Gyri ist das Ver-
hältniss im Allgemeinen am einfachsten (Taf. V Fig. 1). Dort findet sich oft an der Convexität nur eine einzige
Schicht kleiner, an Grösse unter einander etwas wechselnder Räume und perivasculärer Gänge. Oft liegen indessen
die Räume auch hier in mehr als einer, ja sogar in mehreren Schichten. Wie stark die weiche Haut ausgespannt werden
kann, hat man bei sog. Oedem nicht selten Gelegenheit wahrzunehmen. Die Arachnoidea kann dabei durch die Aus-
spannung der fraglichen Räume einige Mm. über der Wölbung der Oberfläche der Gyri, eben von der Pia, aufgehoben
gesehen werden. Bisweilen, aber nur ausnahmsweise, findet sich hier ein kleines Balkennetz zwischen die Räume
eingeschoben ; in der Regel ist doch in der Nähe der Pia, auch an solchen Stellen, unter dem Netzwerk eine Schicht
von Räumen vorhanden. An den Abhängen der Windungen gegen die Furchen hin nehmen die Schichten der Räume
und Gänge an Anzahl zu. In den Furchen sind sie zahlreich; die grösseren können fast den ganzen Zwischenraum
der beiden Piablätter einnehmen, übrigens liegen im Allgemeinen mehrere in der Breite neben einander und in viel-
facher Anordnung über einander. Ausserhalb der Furchen, dicht bei der über ihnen ausgespannten Arachnoidea, findet
man oft ein reichliches schwammiges Balkennetz von oben angegebener Beschaffenheit. Ueberall stehen die Räume
mittelst gröberer oder feinerer Oeffnungen in Verbindung .mit einander. Verhältnissmässig undurchlöchert sind die
Subarachnoidalwände, welche die perivasculären Gänge, besonders die der gröberen Blutgefässe, begrenzen, aber auch
diese verbinden sich mittelst Oeffnungen mit den umgebenden Räumen. Dagegen stehen sie nicht, ebensowenig
wie die übrigen Subarachnoidalräume, mit dem His’schen Epicerebralraum unter der Pia, zwischen ihr und dem
Gehirn, in Verbindung, wenn überhaupt ein solcher Raum (s. unten) vorhanden ist. Die Pia sendet nämlich trichter-
förmige Verlängerungen mit den in die Hirnsubstanz eindringenden Blutgefässen ab, und diese Trichter setzen sich
dann als Adventitialscheiden der Gefässe in das Innere des Gehirns fort (Taf. V Fig. 5 u. s. w.). Die erwähnten, Trichter
sind also nach den Subarachnoidalräumen hin offen, welche letzteren eben durch dieselben mit den erwähnten rings um
die Blutgefässe herum befindlichen Röhren im Inneren des Gehirns in offener Verbindung stehen. (Hierüber mehr unten).
Mit der eben gegebenen Schilderung stimmen nun die Injectionsresultate vollständig überein. Bei Stich-
injectionen sowie noch besser, wenn man bei einer allgemeinen Subarachnoidalinjection das Schädeldach vorsichtig
wegnimmt, die Dura an den Seiten ohne die Arachnoidea zu beschädigen aufschneidet und nach oben zurückschlägt,
hat man Gelegenheit das Vordringen der Flüssigkeit direct wahrzunehmen. Durch den Vergleich solcher Gehirne
in verschiedenem Grade von Injection sowie durch die directe Beobachtung der der Inspection während der In-
jection zugänglichen Partien findet man, dass die Flüssigkeit von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks her
durch die grossen Basalcisternen läuft und von diesen zuerst in der Tiefe der Furchen, sowie anfangs vorzugsweise
in der Umgebung der Blutgefässe, d. h. in den Subarachnoidalcanälen derselben hervordringt; sie läuft dann in den
letzteren mit den Gefässen gegen die Oberfläche hinauf, allmählig auch die Umgebung derselben füllend. Seitwärts
nach den Rücken der Windungen hin gehen mehr oder weniger verzweigte Ausläufer ab, welche man im Allgemeinen
auch anfangs die Verzweigungen der Blutgefässe begleitend sieht, dabei theils neben der einen Seite derselben, theils
mehr unabhängig von einander neben ihren beiden Seiten hervorschiessend, theils auch das ganze Gefäss umhüllend;
theils gehen sie aber auch von Blutgefässen ganz unabhängig, sich solchen bald nähernd, bald wieder etwas von ihnen
entfernend. Man kann in dieser Weise grössere oder kleinere Felder erhalten, wo hauptsächlich die perivasculären
Gänge gefüllt sind (Taf. IX Fig. 1). Oft sieht man ein Blutgefäss sich innerhalb eines Ganges theilen oder zwei bis
drei feinere Gefässe in demselben Gang verlaufen. Bisweilen erscheinen, wie eben erwähnt wurde, in einer Strecke
keine Gefässe in den Gängen, Bisweilen können diese eine weite Strecke hervorschiessen, ohne Zweige nach den
Seiten hin abzugeben; bisweilen sind solche zahlreich vorhanden; hie und da sieht man, besonders in den Furchen,
zwei von verschiedenen Seiten kommende Gänge, ohne zusammenzulaufen, einander kreuzen. Die Gänge sind zu-
weilen gerade, in der Regel aber doch schlingernd. Sie können von 0.5 bis zu 2 Mm. oder noch viel mehr an Breite
messen und sind oft theils durch ebene, theils durch buchtige Ränder ganz scharf begrenzt, oder auch sind die Ränder
gezackt oder mit zackenförmigen, durch seitliche Fortsätze der Injectionsmasse entstandene Ausbuchtungen versehen.
Wird nun die Injection fortgesetzt, so werden diese Aussprünge immer vermehrt; die Injectionsmasse fliesst in die zwischen
den Gefässgängen befindlichen Subarachnoidalräume hinein und füllt nach und nach dieselben überall aus; allmählig
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie de.s Nervensystem*. 110
entsteht um das ganze Gehirn oder in grösseren und kleineren Partien je nach dem Grade der Injection eine gleich-
förmige Füllung des ganzen Subarachnoidalgewebes, d. h. ein Zustand, welcher einem gewöhnlichen sog. Oedem
vollständig entspricht, wobei also die Injectionsflüssigkeit statt der Cerebrospinalflüssigkeit die Räume einnimmt.
Die ganze Hirnoberfläche ist dann von Injectionsflüssigkeit umgeben und die Arachnoidea liegt, wie bei einem starken
Oedem, auch auf dem Rücken der Windungen mehr oder weniger hoch über der Pia durch die zwischen diesen Häutchen
befindliche Flüssigkeit aufgehoben. Die verschiedenen Injectionsstufen haben wir in einer Reihe von Bildern (Taf.
VI, VIII, IX) wiederzugeben versucht, weswegen auf dieselben hingewiesen wird. Auch bei der vollständigen Füllung
des Subarachnoidalgewebes sammt seiner perivasculären Gänge findet man keinen Tropfen der Injectionsflüssigkeit
unter der Pia, zwischen ihr und der Hirnoberfläche selbst, im His’schen Epicerebralraum; es ist deswegen ganz
gewiss, dass kein directer Zusammenhang zwischen diesem Raum wenn überhaupt ein solcher existirt und den
Perivasculärcanälen (den Mantelrohren, His) der Blutgefässe des Subarachnoidalgewebes, wie es His angenommen hat,
vorhanden ist. Die Pia bildet überall eine Abgrenzung zwischen beiden. In die Piatrichter, welche wie oben er-
wähnt wurde, die ins Gehirn eintretenden Blutgefässe begleiten, um dann als ihre Adventitialscheiden sich fortzu-
setzen, fliesst hingegen die Masse mehr oder weniger hinein. Es ist indessen bemerkenswert!!, dass sie beim Menschen
gewöhnlich nur in die Trichter selbst, und in den Anfang der Scheiden einfliesst, in der Regel aber nicht weit
hervordringt, obwohl es auch ohne Injection leicht zu sehen ist, dass die Scheiden offene Röhre rings um die Blut-
gefässe bilden. Beim Kaninchen läuft die Masse gewöhnlich weiter, im Allgemeinen aber nicht besonders weit in
die Adventitialscheiden hinein; am schönsten und weitesten ins Gehirn hinein ging die Injection, wenn sie bei lebenden
Kaninchen ausgeführt wurde. Nie sahen wir sie hierbei nach aussen von den Scheiden in die zwischen den Adven-
titialscheiden und der umgebenden Hirnsubstanz angenommenen sog. His’schen Perivascularräume heraustreten.
(S. hierüber ferner unten).
Nachdem wir also im Obigen die allgemeine Anordnung des Subarachnoidalgewebes und der subarachnoidalen
Räume am Rückenmark sowohl als am Gehirn sowie ihre Verbindungen unter einander geschildert haben, werden
wir die übrigen Verbindungen dieser Räume und mithin die Frage berücksichtigen, auf welchen Wegen ein Zu-
oder Ablauf stattfinden kann. Dabei können wir uns fast darauf beschränken, diese Verbindungen nur ganz
kurz anzugeben, da wir im Folgenden auf sie sämmtlich zurückkommen. Die Subarachnoidalräume stehen mit
dem vierten Ventrikel und mithin durch seine Vermittelung auch mit den übrigen Hirnventrikeln in offenem Zu-
sammenhang (s. hierüber das nächst folgende Capitel). Ferner stehen sie, wie wir schon vorher dargethan haben,
mit den Lymphgefässen der Nasenschleimhaut in Verbindung; wir können jetzt hinzufügen, dass wir bei
reinen Subarachnoidalinjectionen vom Rückenmark aus nicht nur eine vollständige Füllung der erwähnten Lymph-
gefässe sondern auch eines mit diesen in offener Verbindung stehenden Saftcanal- oder Saftraumsystems sowie aus
diesem abgehender Gänge, welche die Epithelschicht durchbohren und frei an der Nasenschleimhaut ausmünden, er-
halten haben. Dass die Arachnoidea mit den Nerven der höheren Sinnesorgane sowie mit den peripherischen
Nerven überhaupt Scheiden sendet, innerhalb welcher die Subarachnoidalräume sich fortsetzen, um im peripherischen
Nervensystem in seröse, dasselbe in seiner ganzen Ausbreitung durchziehende Bahnen überzugehen, wurde oben
mehrmals hervorgehoben. Betreffs dieser Verhältnisse werden wir hier nur die Frage etwas näher berücksichtigen,
wie im Allgemeinen die Arachnoidea am Abgang der peripherischen Nerven sich verhält. Theils ist die die Nerven
umgebende Arachnoidalscheide gegen die Subarachnoidalräume offener, so dass man auch mit blossen Augen
oder mittelst einer Loupe deutlich sehen kann, dass sie in diese einmündet, theils aber erscheint es bei der makro-
skopischen Untersuchung, als ob die Mündung durch eine Membran geschlossen wäre, welche rings um den Nerven
bei seiner Austrittstelle zur Innenseite der Arachnoidea sich überbiegt. Bei mikroskopischer Untersuchung dieser
Membran findet man indessen, dass sie kein zusammenhängendes, vollständiges Häutchen bildet, sondern dass sic,
wie die Fig. 10 der Taf. I zeigt, ein durchbrochenes Subarachnoidalhäutchen ist, welches einem Flüssigkeitsstrom
zwischen den Subarachnoidalräumen der Centralorgane und denjenigen der peripherischen Nerven nur wenig
Hinderniss stellen kann. Die angeführte Figur stellt einen Längschnitt der motorischen Wurzel eines Rückenmarks-
nerven bei seinem Austritt dar; man sieht an derselben, wie das cribrirte Häutchen (d, d) von der subarachnoidalen
Plülle des Nerven sich zur Arachnoidea in der Umgebung der Austrittstelle hinaus biegt. Das Häutchen ist ein
Fensterhäutchen oder nur ein Balkenhäutchen.
Endlich haben wir die Pacchionischen Granulationen oder die Arachnoidalzotten zu erwähnen,
welche bei Vermittelung des Uebcrganges der Cerebrospinalflüssigkeit zu dem Venensystem, und dies von den Sub- araclmoidalräumen sowohl als von dem Subduralraum aus, eine so sehr wichtige Rolle zu spielen scheinen. Schon
bei sehr gelindem Druck fanden wir die Injectionsflüssigkeit auf diesem Weg in die venösen Sinus, in welche diese
Zotten einschiessen, hineinströmen. Auf diese Verhältnisse werden wir unten eingehender zurückkommen.
Lieber den offenen Zusammenhang der Hirnventrikel mit den Subarachnoidalräumen.
Historischer Rückblick.
Bei den älteren Verfassern, vor Haller, tritt nicht die Frage von einem offenen Zusammenhang zwischen den
Hirnventrikeln und den äusseren, das Gehirn umgebenden Räumen hervor. Eine Verbindung derselben mit den Sub-
arachnoidalräumen konnte natürlicherweise nicht vermuthet werden, da diese Räume noch unbekannt waren. In wieweit
die Ventrikel selbst unter sich Zusammenhängen, war sogar ein Gegenstand verschiedener Meinungen. Eine offene
Verbindung zwischen den vorderen Ventrikeln (den Ventrikeln des Grosshirns) und dem hinteren Ventrikel (dem
Ventrikel des Kleinhirns), wurde doch schon von Galenits angenommen, ebenso wie von Vesalius und Willis; der
Letzterwähnte giebt die Lage des Verbindungscanals ganz genau an. Vieussens nahm doch auf seine Versuche
gestützt an, dass die Ventrikularflüssigkeil nicht nach unten von dem Aquaeductus Sylvii aus den Ventrikeln des
grossen Gehirns hinabsteigen könnte. Die »grosse Valvel», welche noch den Namen Vieussens’ trägt, stellte nach
ihm ein Hinderniss für die freie Strömung zwischen dem dritten und dem vierten Ventrikel. Haller war der Meinung,
dass die Flüssigkeit des vierten Ventrikels schwerlich ganz und gar in den dritten Ventrikel und das Infundibulum
sich begeben möchte, »weil sie dann nach oben gegen ihre Schwere hinaufsteigen müsse». Betreffs des Zusammen-
hangs der Seitenventrikel unter sich sowie mit dem dritten Ventrikel, findet man, dass das sog. Foramen Monroi,
schon lange Zeit vor Monro bekannt war. So wird es z, B. von Winslow unter der Benennung »Foramen com-
mune anterius» besprochen; ebenso war es Lieutaud gut bekannt und Haller erwähnt sogar, dass auch Vieussens,
Marchett und Varoli diese Verbindung angenommen hatten. Haller leugnet indessen selbst, dass der dritte
Ventrikel mit den Seitenventrikeln zusammenhängt, indem seiner Meinung nach der Plexus impositus die Begrenzung
des ersteren bilde. Man hat bisweilen Swedenborg die Ehre der Entdeckung des Foramen Monroi vindiciren wollen;
zwar äussert er in seinem Regnura animale T. I (1744—45), dass die Ventrikel des Gehirns mit einander durch kleine
Löcher communiciren, er liefert aber keine nähere Beschreibung dieser Verhältnisse; man findet mithin, dass die
fraglichen Oeffnungen vor ihm viel besser angegeben waren. Sie wurden indessen zuerst durch Monro genauer
beschrieben und abgebildet, dessen Namen sie dann, obwohl nicht ganz richtig, erhalten haben.
Wie bekannt, war bei den Alten die Function und der Inhalt der Ventrikel ein Gegenstand vieler Vermuthungen.
Auf ihre Hypothesen über dieselben als den Sitz der Seele oder der Spiritus animales gehen wir hier nur dann ein,
wenn etwaige Ansichten über wirkliche anatomische Verhältnisse damit verbunden sind. Diejenigen Verfasser, welche in
den Ventrikeln das Vorhandensein einer Flüssigkeit, Schleim oder Pituita, annahmen, betrachteten dieselbe im Allgemeinen
nur als ein Vehikel der Spiritus animales oder als ein Residuum, ein Excrementum, welches abgeführt oder gereinigt
werden musste. Sie nahmen gewöhnlich an, dass diese Purgation etwaiger Weise durch die Nase oder den Gaumen durch
Vermittelung der Glandula pituitaria oder durch Oeffnungen der Hirnhäute und des Schädels stattfände; die Membrana 112
pituitaria spielte also hierbei eine mehr oder weniger wesentliche Rolle. Galenus, welcher das Vorhandensein von
Wasser in den Ventrikeln unter normalen Verhältnissen nicht angenommen zu haben scheint, glaubte, dass die Spiritus
animales, welche in den vorderen Ventrikeln bereitet wurden, durch die Oeffnung zum hinteren Ventrikel in diesen
hineinkommen könnten; die Purgation der vorderen Ventrikel von den überflüssigen und excrementiellen Theilen,
meinte er, geschähe durch Oefihungen der Hirnhäute und des Schädels. Das Vorhandensein einer wirklichen Flüssigkeit
oder des Wassers in den Ventrikeln wurde doch von mehreren Anatomen beobachtet; so z. B. von Massa (Anat.
Cap. XXXVIII, nach Magendie—Jodin), Vesalius, Vidus Vidius (Anatom. T. 111, nach Magendie—Jodin), Varoli
(Anatom., nach Magendie—Jodin), Willis, Vieussens, Pacchioni u. A. Diese Flüssigkeit betrachtete man im Allge-
meinen entweder als normalmässig vorhanden oder als eine krankhafte oder auch erst nach dem Tode entstandene
Vermehrung der unter normalen Verhältnissen nur in minimaler Menge abgesonderten Flüssigkeit, oder endlich als
ein Excrementum. Dass die Flüssigkeit bei gewissen krankhaften Zuständen vermehrt wäre, ebenso dass sie durch
eine Vermehrung derartige Zustände hervorrufen könnte, wurde ziemlich allgemein angenommen, Verduc (üsages
des parties, nach Magendie—Jodin) leugnete aber vollständig das normalmässige Vorhandensein einer Flüssigkeit in
den Ventrikeln, wobei er sich darauf stützte, dass man bei Hingerichteten in ihnen keinen Inhalt findet; wenn aber
eine Flüssigkeit dort vorhanden ist, so wird sie immer durch eine Krankheit oder durch die Todesart verursacht;
betreffs der Eigenschaft der Ventrikel, Behälter der Spiritus animales zu sein, bemerkt er, dass die neueren Verfasser
hervorgehoben hätten, die Flüssigkeit diene eher die Geister zu ertränken als sie zu transportiren. Vesalius leugnet,
dass der Inhalt der Ventrikel, Pituita, wie Galenus geglaubt hat, durch die Oefihungen im knöchernen Dach der Nasen
höhle geführt wird, sondern sie wird seiner Meinung nach durch das Infundibulum in die Glandula pituitaria hinabge-
führt und geht von da durch zwei Paar Ausführungsgänge nach dem Gaumen und der Nasenhöhle hin. Varoli soll
den Plexus chorioidei die Eigenschaft zugeschrieben haben, das in die Ventrikel ausgegossene Wasser aufzusaugen.
Willis liess die Venen eine sehr wesentliche Rolle bei der Resorbtion der Flüssigkeit spielen. Nach ihm hat wohl
die Glandula pituitaria dabei eine grosse Bedeutung, indem das Wasser durch das Infundibulum in diese Glandel
hineinfliesst, von da aber wird sie von den Blutgefässen aufgenommen. Zweifelhafter war der andere Ausflussweg
nach der Nasen- und Gaumenhöhle hin. Vieussens bekämpfte entschieden die Ansicht der Aelteren, dass die Mem-
brana pituitaria für den Abfluss der Ventrikularflüssigkeit bestimmt wäre, und erklärte es für einen Irrthum zu
glauben, dass bei einem Katarrh die Absonderung vom Gehirn stammte. Der überflüssige Theil derselben wird durch
die Glandula pituitaria aufgesammelt und fällt theils in die beiden Receptacula, die an den Seiten der Sella turcica
liegen, theils wird sie von den Venen in den vierten Sinus geführt. Pacchioni hielt es für nothwendig, eine Ver-
bindung zwischen der bei gewissen krankhaften Zuständen in den Ventrikeln angesammelten Flüssigkeit und der
Lymphe der Pia zu finden; er betrachtete es als wahrscheinlich, dass Lymphe in das innere Ohr hineingelangt und
von dort sowie auch durch die Nasenhöhle einen Abfluss habe. Mit Haller geschah ein bedeutender Fort-
schritt betreffs der Auffassung der fraglichen Verhältnisse, obwohl er annimmt, dass der Ventrikelinhalt während
des Lebens im Allgemeinen nicht als Flüssigkeit sondern als ein Dampf vorhanden ist, welcher mit einer mässigen
Feuchtigkeit (Mador) die ganze Oberfläche benetzt. Sie wird von den Arterien exsudirt und von den Venen wieder
resorbirt; weil aber die Ausdünstung mässig ist, sammelt sie sich nicht immer zu Wasser und sie fehlt zuweilen
in den frischesten und unbeschädigsten Leichen. So oft aber die Venen in ihrem Dienste erschlaffen, wie in den
chronischen Krankheiten der Fall zu sein pflegt, häuft sich die gesammelte Flüssigkeit zu AVasser an und spannt
die Ventrikel mit einer bemerkenswerthen Masse aus, verschiedene Krankheitzustände hervorbringend. Durch das
Infundibulum hat die Flüssigkeit keinen Ablauf nach aussen und die Spiritus animales werden von Haller ihrem
Schicksal überliefert. »Dass nicht», äussert er, »das Dach des Ventrikels mit dem Boden verwachse, wird durch den
Dampf erreicht» u. s. w. Cotugno nimmt an, dass der ganz normale Ventrikelinhalt eine Flüssigkeit von derselben
Beschaffenheit ist wie die von ihm entdeckte äussere Cerebrospinalflüssigkeit, mit der sie sich auch vermischt. Wir
berühren hiermit die Frage, wie eine solche Mischung zu Stande kommen könne, was eben der Gegenstand dieser
Abtheilung unserer Arbeit sein soll. Schon bei AVillis und Vieussens findet man Angaben über ein Austreten der
Flüssigkeit der Ventrikel auf die Oberfläche des Gehirns, wodurch wechselnde Krankheitzustände mit cerebralen
Symptomen hervorgerufen werden sollen. Da aber nun die angeführten Verfasser nicht das Vorhandensein der äusseren
Cerebrospinalflüssigkeit kannten, lässt sich wohl annehmen, dass sie in solchen Fällen, wo eine Flüssigkeit in der Um-
gebung des Gehirns angetroffeu wurde, angenommen haben, dass diese durch eine Berstung der Ventrikelwände ent-
standen war; am höchsten bemerkenswert!! ist indessen die bestimmte Angabe AVillis’, dass es eben die feine, den unter 113
dem Kleinhirn liegenden Ventrikel abgrenzende Membran ist, welche bei der Ueberfülhing der Ventrikel berstet, wobei
die wässrige Flüssigkeit an der Basis des verlängerten Marks herabfällt, die Wurzeln der Nerven comprimirend und
convulsive Affectionen sowie starke Syncope verursachend. Er giebt an, dass er in Leichen dies oft beobachtet hat.
Es ist sehr möglich und sogar wahrscheinlich, dass Willis, als er in solchen Fällen nachgeforscht hat, wo die
von ihm vermuthete Berstung stattgefunden, dabei in der Thal das offene Foramen Magendii wahrgenommen hat.
Vieussens giebt den Sitz der Berstungen weniger bestimmt an, indem er annahm, dass sie theils an den Seiten-
theilen des Infundibulum, theils in der Pia am Anfang des Rückenmarks geschehen. Haller scheint wirklich das
Vorhandensein des Foramen Magendii gekannt zu haben. Er nahm, wi eben hervorgehoben wurde, an, dass die
Flüssigkeit des vierten Ventrikels schwerlich in den dritten hinaufsteigen könnte, einen Ablauf aber nach aussen habe;
bei Besprechung des Plexus chorioideus äussert er, dass »an dem Ort, wo er aus dem Ventrikel hervortritt, das Wasser
leicht in den herumliegenden Raum des Rückenmarks sich begiebt». Dies passt ganz auf den Sitz des Foramen
Magendii. Haller nahm übrigens an, dass die Flüssigkeit der Ventrikel bis an die Lumbalregion, wo er häufig
Wasser angesammelt gefunden hatte, hinabsteigen könnte. Cotugno nahm auch offenbar das Vorhandensein einer
Oeffnung an der unteren Wand des vierten Ventrikels an, durch welche eben, wie angeführt ist, die Ventrikelflüssigkeit
sich mit der äusseren Cerebrospinalflüssigkeit mischen konnte. »Die lothrechte Lage des Kleinhirnventrikels», äussert
er, »und der hinreichend offene Weg aus demselben zur Rückenmarkhöhle machen dieses Flerabfliessen der Flüssigkeit
zum Rückenmark offenbar». Monro sprach sich aber in dieser Hinsicht gegen Haller aus und meinte, dass der
vierte Ventrikel keine solche Verbindung mit der Rückenmarkshöhle hat, wie Haller geglaubt hatte, indem er durch
seinen Plexus chorioideus und die Pia mater vollständig geschlossen ist. Wirkliche Beiträge zu dieser wichtigen
Frage findet man dann nicht vor Magendie. Sömmering sucht noch in der Ventrikularflüssigkeit, welche bei krank-
haften Zuständen sehr vermehrt wird, den eigentlichen Sitz des gemeinsamen Sensoriums. Die Annahme Bichats,
dass die Ventrikel in Verbindung mit dem Subduralraum stehen und die wechselnden Ansichten darüber sind schon
oben ausführlich besprochen worden.
Magendie, dessen grosse Verdienste betreffs der hierzu gehörenden Fragen wir oben an verschiedenen Stellen
hervorgehoben haben, wurde auch der eigentliche Entdecker eines offenen Zusammenhangs der Ventrikel mit den
Subarachnoidalräumen, obwohl, wie eben von uns dargethan ist, die von Magendie beschriebene Oeffnung in der
unteren Wand des vierten Ventrikels an der Stelle, wo der Plexus chorioideus heraustritt, nämlich am Ende des
Calamus scriptorius, schon Haller bekannt war. Magendie beschrieb ausführlich diese Oeffnung und nahm an, dass
durch dieselbe ein beständiges Ein- und Ausfliessen der Cerebrospinalflüssigkeit zu und aus den Ventrikeln stattfinde;
er nannte sic »die Mündung der Gehirnhöhlen» (Orifice des cavites encephaliques). Durch directe Experimente suchte
er auch ihre natürliche Existenz darzulegen.
Wenn die Lehre Magendies von der Cerebrospinalflüssigkeit und dem Platz derselben nur langsam zur Geltung
gelangen vermöchte, so war dies aber noch mehr der Fall betreffs seiner Schilderung von der fraglichen Oeffnung.
Zwar schlossen sich Ecker und Cruveilhier ihm vollständig an, und Luschka beschrieb ausführlich mit Abbildung
diese Oeffnung in hauptsächlicher Uebereinstimmung mit Magendie, zu dessen Ehre er sie »Foramen Magendii» nannte;
auch Stilling stellte sich ganz auf diese Seite. Diese Verfasser vermochten aber doch nicht ihre Ansichten zur
Geltung zu bringen, wenn man auch in dem einen oder anderen Handbuch Angaben über das wirkliche Vorhandensein
der betreff. Oeffnung findet. C. Krause nahm den vierten Ventrikel als hinten durch die Pia geschlossen an, und Reichert
behauptete auf das bestimmteste, dass die fragliche Oeffnung ganz und gar ein Kunstproduct sei, dessen Entstehung
durch Zerreissung beim Herausnehmen des Gehirns in der üblichen Weise er zu erklären suchte. Als nun aber auch
Kölliker behauptete, dass die Oeffnung nicht natürlich sei, trug er gewiss wesentlich dazu bei, diese Auffassung zu
verbreiten. In der letzten Zeit hat indessen Henle in seinem Handbuch der System. Anatomie die fragliche Oeffnung
in hauptsächlicher Uebereinstimmung mit Magendie, Luschka und Stilling kurz beschrieben und abgebildet; da er
sich aber nicht auf Injectionen stützt, so können gegen seine Darstellung dieselben Argumente hervorgehoben werden.
Dass das Foramen Magendii in der That kein durch Zerreissung und Berstung entstandenes Kunstproduct, wie Reichert
annahm, ist, legten wir dann durch Injectionen von den Subarachnoidalräumen sowohl als von den Ventrikeln aus dar,
und dies eben mit erstarrenden Flüssigkeiten, welche vollständige Abgüsse der Oeffnung und der umgebenden Räume
lieferten. Wir fanden aber zugleich, dass das Foramen Magendii nicht die einzige Oeffnung ist, durch welche der
vierte Ventrikel mit den Subarachnoidalräumen in offener Verbindung steht, sondern dass noch zwei laterale Oeffnungen,
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 114
nämlich je eine am vorderen Ende der beiden Recessus laterales, wo die Plexus chorioidei an der Innenseite des
Flocculns aus dem Ventrikel anstreten, vorhanden sind. Diese Oeffnungen waren zwar schon vorher von Luschka
aufgefunden und erwähnt; als aber Reichert auf das bestimmteste ihre Existenz geleugnet und sie für Kunstproducte
erklärt hatte, scheint es, als ob man der Darstellung Luschkas keine Aufmerksamkeit geschenkt, sondern im Gegentheil
allgemein angenommen habe, dass hier keine normale Comrnunication sei. Es ist in der That sehr merkwürdig,
dass so wichtige Verhältnisse so wenig beachtet worden sind. Vielleicht trägt Luschka selbst zum Theil die Schuld
daran. Zwar hebt er in seiner Arbeit über die Adergeflechte die grosse Bedeutung der betreff. Oeffnung hervor,
da man bei manchen Thieren, wie beim Pferde, das untere Ende des vierten Ventrikels völlig verschlossen findet,
übrigens schildert er aber dieselben mehr im Vorbeigehen, während er aber das Foramen Magendii sehr ausführlich
bespricht. In seiner Anatomie des Menschen beschreibt er dann an einer Stelle das Verhältniss in Uebereinstimmung
mit seiner früheren Schilderung, an einer anderen Stelle (S. 254) spricht er aber nur über das Foramen Magendii
als die Verbindung zwischen der Cerebrospinalflüssigkeit und dem Hirnhöhlenwasser vermittelnd. Dass das Foramen
Magendii beim Pferde geschlossen war, hatte schon Renault gezeigt.
Wie allgemein man sonst auch in der letzten Zeit angenommen hat, dass die Hirnventrikel von den Sub-
arachnoidalräumen vollständig abgesperrt seien, zeigen am besten die Handbücher der Pathologie und der pathologischen
Anatomie. Ueberall, wo man vom Hydrocephalus internus oder von jeder anderen Veränderung des Inhaltes der Hirn-
ventrikel liest, findet man, dass diese Veränderungen immer als durch einen krankhaften Zustand in der Umgebung
der Ventrikel selbst verursacht angesehen sind. Wenn die seröse Flüssigkeit vermehrt ist, lässt man dies immer
durch eine vermehrte Secretion, sei es von den eigentlichen Wänden oder von den Adergeflechten, hervorgerufen sein;
die Ursache kann dann eine Hyperämie sein oder ein entzündlicher, acuter oder chronischer, Reiz, ein gehemmter
Venenabfluss, besonders aus den Adergeflechten, oder endlich eine abnorme Beschaffenheit, eine Vermehrung der
Zotten dieser Adergeflechte. Wenn die Flüssigkeit getrübt ist, leitet man dies immer von einer Zumischung von den
Wänden aus her, sei es dass diese von abgestossenem Epithel, von Erweichung, Maceration oder Entzündung herrührt;
wenn die Flüssigkeit mit Blut vermischt ist oder Blutgerinnsel in den Ventrikeln sich finden, dann meint man, dass
diese nothwendig auf Blutungen in ihrer nächsten Umgebung beruhen. Immer geht man hierbei von der Voraussetzung
aus, dass die mit einander zusammenhängenden Ventrikel gegen diejenigen serösen Räume vollständig verschlossen
sind, welche an der Oberfläche des Hirns und Rückenmarks liegen, nämlich die Subarachnoidalräume, dass mithin
keine Flüssigkeit und keine abnorme Zumischungen aus diesen in die Ventrikel hineingelangen können. Man will
sogar durch chemische Analysen gefunden haben, dass eine wesentlich verschiedene Zusammensetzung der hydro-
cephalischen Ventrikelflüssigkeit und der Subarachnoidalflüssigkeit bei Oedema cerebri zukomme; darin hat man auch
eine weitere Stütze für die Ansicht gesucht, dass diese Flüssigkeiten in keiner Verbindung mit einander stehen. Es
ist leicht begreiflich, dass man bei einer solchen Auffassung von dem vollständigen Verschlossensein der Hirnventrikel
ihrem serösen Inhalt unter normalen Verhältnissen keine wesentliche Rolle betreffs einer schnelleren Regulirung des
Hirn drucks zuschreiben konnte, da er bei einer Vermehrung dieses Druckes aus den Ventrikeln nach die Sub-
arachnoidalräume des Rückenmarks hin nicht ausströmen und ebensowenig bei vermindertem Druck hineinströmen
konnte. Die Ventrikelflüssigkeit war und blieb mithin im Inneren dos Gehirns eingesperrt. Wie unrichtig diese Auf-
fassung ist, geht vollständig aus der folgenden Beschreibung hervor, welche hauptsächlich eine Uebersetzung
unserer vorigen betreff. Abhandlung darstellt. 115
Beschreibung der Oeffnungen, mittelst welcher der vierte Ventrikel mit den Subarachnoidal-
räumen zusammenhängt.
Das verlängerte Mark liegt mit seinen konvexen hinteren und seitlichen Flächen gleichsam in die Concavitäten
der Tonsillen eingesenkt. Der hier befindliche Raum zwischen den Tonsillen einerseits, dem Mark und der unteren
Wand des vierten Ventrikels andererseits, entspricht dem von den Yerf. so genannten Nidus (externus); oben wurde
erwähnt, dass derselbe dem Gebiet der Cisterna magna angehört, sowie dass er von ziemlich zahlreichen feinen Sub-
arachnoidalbalken durchzogen ist, welche theilweise mit einander netzförmig vereinigt sind und von einer zur anderen
Fläche überlaufen. Diese Balken zerreissen leicht, wenn man das Mark erhebt und mithin vom Kleinhirn entfernt.
Mit Vorsicht gelingt es indessen ohne besondere Schwierigkeit das Gehirn so auszunehmen, dass dieses Balkenwerk
vollständig erhalten wird; dadurch wird eben mit Bestimmtheit bewiesen, dass keine solche Zerreissungen beim
Herausnehmen stattgefunden haben, um eine Berstung der tiefer liegenden unteren Wand des vierten Ventrikels
veranleiten zu können. Wenn man nun ein in dieser Weise herausgenommenes Gehirn auf seine obere Fläche legt,
die Arachnoidea über die Mitte der Cisterna magna wegschneidet, so dass man einen freien Einblick unter das
Mark bekommt, und wenn man dann das letztere ein wenig und so vorsichtig erhebt, dass die erwähnten Balken
nicht bersten, wenigstens nur die äussersten derselben, so hat man gewiss noch keinen Eingriff gemacht, welcher
die Ventrikel wand zersprengen könnte, und doch liegt hier die von Magendie beschriebene Oeffnung an der Spitze
des Calamus scriptorius zur Beobachtung vor. Sie erscheint dann im Allgemeinen, wie die Fig. 12 der Taf. 111
darstellt. Hier wurde sie indessen der Deutlichkeit wegen mit viel stärkerer Erhebung des Markes gezeichnet, als
wie sie am Präparat zu sehen nothwendig ist. Durch diese Oeffnung blickt man in den unteren Theil des vierten
Ventrikels hinein. Sie ist in der Regel rundlicher oder rundlich-ovaler Gestalt oder auch rhombisch mit abgestumpften
Ecken. Sie wechselt nicht eben unbedeutend an Grösse; sie ist im gespannten Zustand gewöhnlich etwa 5 Mm.
breit und etwas höher, erreicht aber nicht selten eine Breite von G Mm. und im gespannten Zustand eine Höhe
von 8 Mm., oder sie kann, wie unten beschrieben werden soll, noch mehr betragen. Den Rand der Oeffnung
bildet an beiden Seiten die dünne untere Wand des vierten Ventrikels, die Tela chorioidea inferior. Vom Seiten-
rand läuft jederseits entweder ein feines Gebräme über die Spitze des Calamus (zum Obex) hinab, wodurch die
Oeffnung ihre nach vorn abgerundete Gestalt erhält, oder auch schiesst die Tela chorioidea vom Marke zuerst in
einiger Entfernung vom Obex oder von der Spitze des Calamus hinaus, und die Begrenzung der Oeffnung wird
dann eine kleine Strecke von den Rändern der Fascicnli graciles (Clavm) gebildet. Den oberen hinteren Rand der
Oeffnung bildet auch die Tela chorioidea; sie verhält sich aber hier in eigenthümlieber Weise. Von ihr biegt sich
nämlich ein triangulärer, spitz ausgezogener Zipfel oder, wenn man so sagen will, eine zungenförmige Verlängerung
aus, welche anfangs gewöhnlich etwas concav, d. h. rinnenförmig ist, dann aber mehr und mehr platt wird, während
er sich verschmälert und der unteren Fläche des Vermis inferior am Boden der Vallecula anlegt (Taf. 111 Fig. 12 e).
Dieser Zipfel befestigt sich wohl hauptsächlich an der Uvula, er geht aber nicht selten mehr oder weniger weit auf
der Pyramis inferior fort. Er ist grösstentheils mit der Pia des Vermis verwachsen; recht oft bilden doch seine
Ränder freie Gebräme, welche durch feine, zu den Tonsillen hinüberlaufende Subarachnoidalbalken nach den Seiten
hin ausgespannt sind. Bisweilen breitet sich diese Bildung mehr seitwärts aus, so dass sie sogar hautartig auf die
inneren Flächen der Tonsillen hinaufsteigen kann. Auf dieser zungenförmigen Verlängerung der Tela chorioidea
beginnen nun die beiden Plexus chorioidei ventriculi quarti, ein an jeder Seite, ein oder ein Paar Mm. von einander
entfernt. Sie beginnen am weitesten nach aussen ganz schmal, nehmen dann allmählig an Breite zu und gehen
durch das Foramen Magendii am oberen hinteren Rand desselben in den vierten Ventrikel hinein (Taf. 111 Fig. 12).
Diese soeben geschilderte Bildung, die zungenförmige Verlängerung der Tela chorioidea mit ihren Plexus auf dem
Vermis hin, will Reichert hauptsächlich, wie es scheint, auf die Verhältnisse des embryonalen Zustandes gestützt,
als durch Gewalt beim Herausnehmen des Gehirns von der unteren Wand des vierten Ventrikels, welcher der äusseren Hülle des Vermis inferior an dieser Stelle innig angewachsen sei, abgerissen betrachten. Wenn man sich bemüht,
die Verhältnisse am ausgebildeten Gehirn eingehender zu prüfen, wird man leicht die Unmöglichkeit dieser Entstehungs-
weise ersehen; wir hoffen, dass diese Unmöglichkeit auch aus obiger Beschreibung hervorgehen soll; unter Anderem
wird sie dadurch bewiesen, dass die fragliche Verlängerung gewöhnlich weit ausserhalb der Ventrikelwand ausläuft
und an ihren Rändern nicht die geringste Spur einer Zerreissung zeigt, hier aber oft Balken trägt, welche sie nach
den Seiten hin ausspannen. Da indessen diese Wand im Embryonalzustand geschlossen zu sein scheint, bleibt noch
eine Untersuchung über das Enstehen der Oeffnung während der Entwickelung des Gehirns zu wünschen.
Wenn wir zum eigentlichen Foramen Magendii zurückkehren, so geht es aus dem vorher über den Eintritt
der Plexus chorioidei Gesagten hervor, dass diese vom oberen hinteren Rande etwas in das Lumen der Oeffnung
hineinschiessen und dieselbe dadurch ein wenig verengern. Die Seitenränder der Oeffnung sind übrigens gewöhnlich
scharf und besonders in der Nähe des Markes eben. Bei mikroskopischer Untersuchung findet man oft am Rande
eine Verstärkung der Bindegewebsbalken des Häutchens; nicht selten sieht man, wie oben erwähnt wurde, makro-
skopisch mehr oder weniger feine Subarachnoidalbalken von der nächsten Umgebung sowie von den Rändern der
Oeffnung selbst ausgehen und sich jederseits an den Tonsillen befestigen. Diese Balken können vielleicht dazu
beitragen, die Oeffnung offen zu erhalten. Oft liegen die Arterim cerebelli posteriores an ihren Rändern mehr oder
weniger über dieselben hinansschiessend; diese Arterien sind dann durch ein Balkenwerk an den Rändern sowie im
Allgemeinen an den umgebenden Theilen befestigt.
Den unmittelbaren Beweis für das normalmässige Vorhandensein des Foramen Magendii liefern die zahlreichen
Injectionen, welche wir mit besonderer Rücksicht auf diese Frage, von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks
sowohl als von den Ventrikeln selbst ausgeführt haben, und es scheint uns als ob die dadurch erhaltenen Resultate
keinen Zweifel übrig lassen. Schon Magendie fand, wie in der Historik angeführt wurde, dass Wasser oder andere
Flüssigkeiten, welche man in den Subarachnoidalraum des Rückenmarks injicirt, bis in die Seitenventrikel hineindringt.
»Die Flüssigkeit», sagt er, »gelangt zuerst in den Ventrikel des kleinen Gehirns, erfüllt ihn vollständig, schiebt seine
Wände aus einander, hebt die Valvula Vieussenii in die Höhe, geht dann durch den Aquaeductus Sylvii» u. s. w.
Luschka, welcher auch von den Subarachnoidalräumen her einen in der obigen Historik erwähnten Injectionsversuch
machte, wandte dabei als Flüssigkeit mit Tinte gefärbtes Wasser an. Diese Flüssigkeit befand sich beim Untersuchen
über den grössten Theil der Hemisphären des Gross- und Kleinhirns, und eine geringe Menge derselben war in den
vierten sowie durch den deutlich geschwärzten Aquaeductus Sylvii bis in den dritten Ventrikel hineingedrungen.
Man hat im Allgemeinen keine Rücksicht auf diese Versuche genommen. Offenbar darf man auch durch
dieselben nicht mit voller Sicherheit den Weg nachweisen, auf welchen die Flüssigkeit eindringt und diejenigen
welche glauben, dass das Foramen Magendii durch Berstung beim Herausnehmen des Gehirns entsteht, konnten ja
auch meinen, dass die gefärbte Flüssigkeit erst dabei eingeflossen und später durch die nöthigen Manipulationen am
Gehirn weiter gelaufen sei. Um allen Einwänden entgegenzutreten, muss man erstarrende Flüssigkeiten anwenden,
welche beim Herausnehmen des Gehirns nicht herumfliessen oder Lage ändern können. Deswegen wandten wir mit
löslichem Berlinerblau gefärbte Leimlösungen an, welche schwächer oder stärker gemacht wurden, je nachdem eine
mehr verbreitete oder begrenzte Injection gewünscht war. Ausserdem wurde auch geschmolzenes, mit Baumöl ver-
mischtes Paraffin gebraucht. Nach der Injection wurde die Leiche bis zum Erstarren der Masse in Kälte gehalten;
erst dann wurde das Gehirn, theils in der üblichen Weise, d. h. nach Absägen des Schädeldachs, theils, wo so
geschehen konnte, nach stückweisem Abbrechen des Schädels mittelst scharfer Knochenzange und mit Schonung
der Dura mater, herausgenommen. Hierbei erhielten wir alle Stufen der Injection in den Ventrikeln und fanden
die erstarrte Masse in continuirlichem Zusammenhang durch das Foramen Magendii von der Cisterna magna cerebello-
medullaris in den vierten Ventrikel und weiter von diesem durch den Aquaeductus Sylvii in den dritten Ventrikel
sowie vom letzteren durch das Foramen Monroi in die Seitenventrikel hinein sich fortsetzend. Oft ist die Masse
in ihrem Verlaufe an dieser oder jener Stelle erstarrt und nicht weiter vorgedrungen; bisweilen wurde nur ein mehr
oder weniger langer Pfropfen von der Cisterne her in den vierten Ventrikel durch die Oeffnung hineinschiessend
gefunden. Da der bei der Injection angewandte Druck sehr niedrig war, kann man gewiss diese Resultate betreffs
des natürlichen Vorhandenseins der Oeffnung als ganz beweisend betrachten. Indessen wollten wir auch von den Ven-
trikeln her Injection der äusseren serösen Räume durch Vermittelung des Foramen Magendii erhalten, und dies gelang
über Erwarten leicht. Luschka hatte schon in einem uns damals noch nicht bekannten Aufsätze (s. die obige Historik)
erwähnt, dass er nach Ab tragen des Grosshirns eine gefärbte Flüssigkeit durch den Aquaeductus Sylvii in den vierten 117
Ventrikel des in situ liegenden Kleinhirns hineinfliessen lassen und dabei Füllung der äusseren Subarachnoidal-
räume erhalten. Wir wandten folgende Methode an: Zuerst wurde das Schädeldach vorsichtig unter Schonung der
Dura abgetragen, dann wurde die Dura an der einen Seite aufgeschnitten und über die eine Hemisphäre zurück-
geschlagen, an der anderen Seite und am Falx ungerührt gelassen; dann wurde die entblösste Hemisphäre ungefähr
bis zur Höhe des unteren Randes des Sichels weggeschnitten, so dass eine Hirnsubstanz schiebt von nur einigen
Millimetern über dem Seitenventrikel übrig blieb; durch diese Schicht wurde mittelst einer Sonde eine feine Oeff-
nung gemacht, durch welche die Spitze einer conischen Glascanyle in den Ventrikel eingeschoben wurde, wonach
die Injection unter äusserst gelindem constantem Druck in ganz derselben Weise wie bei Injectionen in die äusseren
serösen Räume ausgeführt wurde. Die Füllung der Subarachnoidalräume geschieht hierbei mit fast erstaunenswerther
Schnelligkeit. Wenn die Injection beginnt, sieht man sogleich die Cerebrospinal flüssigkeit aus den an der einen
Hemisphäre geöffneten Subarachnoidalräumen ausströmen; nach einem Augenblick sieht man dann die Injectionsmasse
in die Subarachnoidalräume hinaufsteigen, und bald quillt sie statt der Cerebrospinalflüssigkeit aus denselben durch-
geschnittenen Räumen hervor. An der anderen Hemisphäre, wo die Dura nicht aufgeschnitten wurde, findet man
die Masse sich in die Subarachnoidalräume der ganzen Oberfläche bis zum Sichel hinauf ausbreiten und in der ge-
wöhnlichen Weise in die Araclmoi dal zotton hinciugehen. Durch diese Versuche sieht man mit Gewissheit, dass weite
Bahnen den fraglichen Zusammenhang vermitteln.
Auch bei diesen Versuchen haben wir ganz reine Subarachnoidalinjectionen ohne Austreten eines Tropfens
der Injectionsmasse in den Subduralraum bekommen, wodurch ein neuer Beweis dafür erhalten wird, dass die Ven-
trikel in keiner unmittelbaren Verbindung mit dem Subduralraum stehen.
Die Injection kann auch so geschehen, dass man am in situ liegenden Gehirn nach Eröffnung der beiden
Seiten Ventrikel, Durchschneiden und Erheben des Corpus callosum, dos Fornix und der Plexus chorioidei vom dritten
Ventrikel aus die Canyle in den Aquaeductus Sylvii einführt. Dies ist besonders bei schnell erstarrenden Flüssig-
keiten empfehlenswert!!. Durch jede von diesen Methoden erhält man nun aber im Allgemeinen dasselbe Resultat
betreffs des Foramen Magendii, indem die erstarrte Masse durch dieses sich vom vierten Ventrikel aus in die Cisterna
magna fortsetzend gefunden wird.
Nur ein einziges Mal fanden wir das Foramen Magendii durch eine dünne Haut geschlossen, welche als eine
unmittelbare Fortsetzung der Tela chorioidea inferior vom Rande ringsum den Calamus scriptorius ansging (Taf. VI
Fig. 5) und also den Ventrikel vollständig verschloss, sich längs dem Rande der bei diesem Fall sehr kurzen zungen-
förmigen Verlängerung befestigend. Eine derartige abnorme Verschliessung mag gewiss sehr selten verkommen, sowie
auf einem Fortbestehen des embryonalen Zustandes und nicht auf etwaiger Neubildung oder anderem pathologischen
Process beruhen. Magendie hat bei seinen zahlreichen Sectionen nur zwei Mal, und dies bei älteren Individuen, einen
ähnlichen Verschluss der fraglichen Oeffnung angetroffen. Er hält die verschliessende Haut für eine krankhafte Neu-
bildung, In seinen beiden Fällen war eine abnorme Menge von Flüssigkeit in den Ventrikeln vorhanden, und beide
Individuen waren während des Lebens geisteskrank gewesen. Ein anderer Fall von vollständigem Verschluss der
Oeffnung wird auch von Magendie nach Martin Saint-Ange angeführt. Dieser Fall betraf ein achtjähriges Kind; schwere
Cerebralsymptome waren während des Lebens vorhanden; bei der Section fand sich das Foramen Magendii von einer
»ziemlich resistenten, undurchsichtigen und flockigen Membran verschlossen und die Ventrikel waren von viel Serum
erfüllt». In unserem Falle war keine Andeutung davon vorhanden, dass der Verschluss durch eine entzündliche Neu-
bildung entstanden wäre, sondern die Membran war offenbar eine unmittelbare Fortsetzung der Tela chorioidea;
kein abnormer Erguss war in den Ventrikeln vorhanden. Indessen ist cs nicht ganz gewiss, dass die Membran voll-
ständig verschliessend war, sondern es ist sogar möglich, dass sie bei mikroskopischer Untersuchung, die wir, um dass
seltene Präparat zu bewahren, nicht ausgeführt haben, von solchen feinen Oeffnungen durchbrochen ist, wie wir
an der Tela chorioidea in der Nähe des Randes des Foramen Magendii unter ganz normalen Verhältnissen wahr-
genommen haben. Bemerkenswerth ist, dass sich eben bei diesem Falle die geringste von uns gesehene Ausbreitung
der Cisterna magna vorfand (Taf. VI Fig. 5).
Beim Pferde ist das Foramen Magendii, wie schon Renault erkannte und wir bestätigen können, verschlossen,
und dies in den von uns untersuchten Fällen, wie an der Fig. 7 Taf. IV, dadurch, dass die untere Wand des vierten
Ventrikels sich undurchbrochen am unteren Ende des Calamus scriptorius fortsetzt. Die Verhältnisse ähneln mithin,
von allen Eigenthümlichkeiten abgesehen, betreffs der Bildung der umgebenden Theile den bei dem eben geschilderten
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 118
Menschengehirn vorhandenen. Bei anderen Thieren haben wir nicht volle Sicherheit betreffs des normalen Vorhanden-
seins des Foramcn Magendii erhalten und wollen deswegen hier nicht näher darauf eingehen.
Obwohl also in äusserst seltenen Fällen das Foramen Magendii auch am vollständig ausgebildeten menschlichen
Gehirn geschlossen sein kann, und dies bei gewissen Thieren wie beim Pferde (und vielleicht bei einer Menge anderer
Thiere) die Regel ist, werden doch die Hirnventrikel deswegen nicht von den Subarachnoidalräumen abgesperrt.
Constant finden sich nämlich zwei andere Oeffoungeu, welche auch vom vierten Ventrikel aus in diese Räume münden.
Dieselben befinden sich an der Vorderseite jederseits vom oberen Ende des Markes nach innen vom Flocculus, zwischen
dem gewöhnlich halbmondförmigen Rande, womit die untere Wand des vierten Ventrikels hier endigt (Taf. 111 Fig. 13 />),
und dem Flocculus (Fig. 13 c); aus dieser Oeffnung treten die seitlichen Stränge des Adergeflechts des Kleinhirns
vom vierten Ventrikel hervor. Es ist eben diese Bildung, welche Bochdalek treffend das »Füllhorn)) genannt hat.
Heber diese Oeffnungen oder richtiger vor ihnen laufen jederseits die Wurzeln des Glossopharyngeus und Vagus, wie
an der Fig. 13 e links zu sehen ist, und die Oeffnungen werden scheinbar grösstentheils durch diese Nerven gedeckt;
sie werden aber durch sie keineswegs verschlossen, sondern sie münden frei unter oder richtiger hinter ihnen in den
Subarachnoidalraum hinaus. Wenn man die erwähnten Nervenwurzeln gegen das Mark hin zurückschlägt, liegen
sie zum Beobachten dar (Fig. 13, rechts). Um zu verstehen, wie diese Oeffnungen zu Stande kommen, müssen wir
etwas eingehender die anatomischen Einzelheiten berühren, ohne uns doch in dieselben mehr als nothwendig zu vertiefen.
Wie bekannt, sendet der vierte Ventrikel jederseits eine taschenförmige Verlängerung (Recessus lateralis, Reichert)
aus, welche unterhalb der queren Biegung des Funiculus restiformis (Grus cerebelli ad medullam oblongatam), bevor sich
dieser in das Kleinhirn einsenkt, sich an den Seiten der Medulla oblongata nach vorn wendet, sowie vorn am Flocculus,
zwischen diesem und dem Winkel des Pons und des Markes, endigt. Die untere Begrenzung des vierten Ventrikels
und seiner beiden seitlichen Verlängerungen, der Recessus laterales, besteht, wie bekannt, aus einer dünnen Wand,
Tela chorioidea inferior, deren Bau eben dem entspricht, was wir oben als charakteristisch für die Theile der Ven-
trikelwände betrachten, auf welche wir diesen Namen beschränkten. Sie ist, wie Reichert äussert, das häutig
gebliebene Rest der ursprünglichen Ventrikelwand. Sie besteht also äusserst aus der Pia, welche beim unteren
Rande des Ventrikels das Mark verlässt, um die oberflächliche Schicht der Tela chorioidea zu bilden, deren innere
Schicht aus einer Fortsetzung des Ependyms nebst seinem Epithel besteht; an der inneren Fläche sitzt der Plexus
selbst (Taf. IV Fig. 6). Diese Wand wird ausserdem auch im ausgebildeten Gehirn durch mehr oder weniger
entwickelte Marklamellen gebildet, welche von dem Marke ausgehen. Die ganze Befestigung am Mark längs
dem unteren Rand des vierten Ventrikels wird von dem sog. Taenia plexus chorioidei ventriculi quarti (Henle),
Taenia sinus rhomboidalis, Ligula, Ponticulus, Ala pontis (Reichert) nebst ihren Marklamellen, Ponticulus (im
engem Sinne, Henle) und Velum medulläre inferius, welche als dünne Platten sich mehr oder weniger weit in
die Tela chorioidea ausbreiten, bezeichnet; der Obex mag eigentlich auch, als ein Rest der ursprünglichen, in
die ganze untere Wand des Ventrikels sich fortsetzenden Markplatte darstellend, hieher gerechnet werden. Auf die ver-
schiedenen Ansichten über das Verhalten dieser Lamellen zur Tela chorioidea werden wir hier nicht eingehen, da
dies von der vorliegenden Frage mehr entfernt liegt. Oben angeführte Figur (Taf. IV Fig. 6), welche nach einem
feinen Schnitt von einem gefrorenen Gehirn ausgeführt ist, mag dies Verhältniss veranschaulichen. Man sieht dort
einen Durchschnitt der Taenia, ebenso, dass von ihrem Rande ganz in derselben Weise wie oben betreffs der
Fimbria der Seitenventrikel dargestellt wurde ein dünnes Stroma ausgeht, welches das Grundstroma des Plexus
bildet und sich fortsetzt, um die innere Schicht der eigentlichen Tela chorioidea zu bilden. Wenn man eine grössere
Verbreitung der Taenia oder ihrer Marklamellen vor sich hat, als bei diesem Präparat vorhanden war, wird das Ver-
hältniss zwischen den verschiedenen Thcilen natürlicherweise immer dasselbe sein; vom Rande, wo die Lamellen enden,
setzt sich immer das Stroma der Tela fort; die Pia liegt an der Aussenscite der Lamellen, gewöhnlich leicht ablösbar;
wo aber die Lamellen enden, ist sie inniger mit der Tela vereinigt. Zu den Marklamellen sendet sie wie gewöhnlich
trichterförmige Verlängerungen mit den eintretenden Gefässen hinein.
Was die eigentliche Taenia und ihre Marklamellen übrigens betrifft, so adoptirt Henle den Namen Ponticulus
(im engem Sinne) für denjenigen Theil derselben, welcher der Spitze des Calamus scriptorius am nächsten liegt.
Dieser ist sehr verschieden entwickelt; er beginnt an der ei wähnten Stelle schon am Rande des Foramen Magendii
oder in kurzer Entfernung davon. Dort, wo er aussen endigt, oder auch erst etwas weiter nach der Seite hin, bis-
weilen aber in Verbindung mit dem Ponticulus, beginnt das Velum medulläre inferius (Füllhorn, Bochdalek), welches
als eine Verstärkung der unteren Wand in der oben geschilderten Weise bis zum vorderen Rande der Wand an 119
der Innenseite des Flocculus fortgeht. Die untere Wand des vierten Ventrikels mit ihren Taenien und Verstärkungs-
lamellen von Marksubstanz entspringt also im Ganzen genommen von den Seiten des Foramen Magendii an, vom er-
hobenen Rande bei der unteren Grenze des Ventrikels am Marke, folgt diesem divergirenden Rande eine Strecke nach
oben und aussen bis zur Nähe der quer verlaufenden Strirn acusticse, geht dann unterhalb dieser Striae in einer mehr
queren Richtung nach aussen und vorn um die Seitentheile der Funiculi restiformes und kommt in dieser Weise
in die Nähe, ja sogar dicht zu den Wurzeln des Vagus und Glossopharyngeus (Fig. 13), geht dann hinter diesen fort
sowie längs dem hinteren Rande der Wurzel des Acusticus oder auf dieser Wurzel und läuft endlich oft eine weitere
oder kürzere Strecke auf dem Acusticus selbst fort. Die Fig. 13, deren Ausführung wegen der Vermis durchge-
schnitten und die beiden Seitenhälften des Kleinhirns nach vorn gebogen wurden, zeigt ziemlich vollständig die Be-
festigung der Wand in ihren vorderen und seitlichen Theilen; speciell erscheint bei /, wie diese Befestigung sich
zu den Nervenwurzeln verhält und wie ein kleines Gebräme von ihr am Anfang des Acusticus fortgeht. Diese Wand
spannt sich nun von der beschriebenen Befestigungsstelle am Mark zur unteren Fläche des Kleinhirns über, der Mitte
des Nodulns anhaftend, während hingegen in den Seitentheilen, wo im Allgemeinen das Velum medulläre als ein
Hauptbestandtheil der Wand auftritt, dieses am Stiel des Flocculus sich befestigt. Auf solche Weise wird der Ven-
trikel mit seinen seitlichen Recessen unten von dieser Wand begrenzt, vorn aber kommt es nicht zum vollständigen
Verschliessen der letzteren, sondern die Wand hört jederseits mit einem etwas verschiedenartig gestalteten, gewöhnlich
aber halbmond- oder sensenförmigen Rand (Fig. 13 6, /) auf, welcher nach innen vom Flocculus etwas am Acusticus
hinauf läuft und davon bogenförmig zum hinteren äusseren Rande des Flocculus frei übergeht. Zwischen dem Flocculus
und diesem Rande entsteht also eine halbmondförmige Oeffnung, durch welche der seitliche Reeess in die Subarach-
noidalräume ausmündet. Diese Oeffnung wird aussen etwas durch den Plexus chorioideus verengert, welcher vom
Inneren des Recesses in den aussen befindlichen Subarachnoidalraum austritt und mit seinem etwas angeschwellten
Ende auf dem inneren Theil des Flocculus liegt. Der bogenförmige Rand der unteren Wand kann ziemlich dicht
am Plexus auf dem Flocculus gedrückt liegen, nie aber sahen wir ihn am austretenden Plexus verwachsen und wir
bezweifeln auch, dass eine solche Verwachsung vorkommt. Als wir unseren vorigen betreff. Aufsatz veröffentlichten,
hatten wir noch nie eine Membran angetroffen, welche vom Rande der Wand sich über das Ende des Plexus aus-
spannte und in der Umgebung befestigte, also einen blasenförmigen Abschluss des Recesses bildend; später fanden
wir aber ein solches Verhalten, doch nur einmal und nur an einer Seite. Es war hier eine Fortsetzung der Wand
selbst, welche die erwähnte Ausbreitung besass. Wie oben erwähnt ist und an der Fig. 13 (rechts) erscheint, gehen
die Glossopharyngeus und Vagus vor dem grösseren Theil oder sogar der ganzen Oeffnung, diese sowohl als den
hinteren Theil des Plexus chorioideus verbergend. Von diesen Nerven und von den in der Nähe liegenden Blut-
gefässen geht eine Anzahl von Subarachnoidalbalken zu dem Velum medulläre und den übrigen Umgebungen;
diese Balken sind bald reichlicher, bald sparsamer, bilden aber keineswegs eine die Oeffnung verschliessende Wand.
Um die Oeffnung verschliessen zu können, würde eine solche Wand nothwendiger Weise den Plexus vollständig
umhüllen und in ununterbrochenem Zusammenhang ringsum denselben sich befestigen. Nur in den seltenen Fällen,
wo die Wand selbst über den Plexus sich fortsetzt, wird dieser in dem dann nach aussen geschlossenen Seitenrecess
des vierten Ventrikels ein geschlossen; sonst liegt er aber mit seinem Ende ganz frei im Subarachnoidalraum. Eine
Flüssigkeit, welche vom Inneren des Ventrikels durch die Oeffnung zwischen dem Plexus und dem bogenförmigen Rande
der unteren Wand ausströmt, befindet sich, sobald sie diesen Rand passirt hat, im Subarachnoidalgewebe und dessen
Räumen. Oben wurde gezeigt, dass der betreffende Subarachnoidalraum eine unmittelbare Fortsetzung der Cisterna
magna bildet, welche hier übrigens in die grossen Cisterne seitlich vom Pons Varolii übergeht; in diese Cisterne
münden also die Seitenrecesse des vierten Ventrikels durch die beschriebenen Oeffnungen, welche wir die Aper türm
laterales ventriculi quarti zu benennen vorschlagen; in Zusammenhang mit dieser Benennung könnte man die
untere Oeffnung, das Foramen Magendii, als Apertura inferior bezeichnen.
Dass die eben geschilderten Seitenöffnungen unter normalen Verhältnissen vorhanden sind, wird durch die
Injectionen in entschiedener Weise bestätigt. Bei diesen, ob sie nun von den Subarachnoidalräumen oder von
den Ventrikeln aus gemacht wurden, erhielten wir die erstarrte Masse vom vierten Ventrikel durch die Oeffnungen
sich fortsetzend und in ununterbrochenem Zusammenhang mit der Masse in den Subarachnoidalräumen stehend.
Bei Injectionen 'schnell erstarrender Leimmassen vom Aqumductus Sylvii her gelang es sogar, wenn die Injection bald
unterbrochen wurde, die Masse durch diese Oeffnungen sowohl als durch das Foramen Magendii in Gestalt von
Pfropfen austretend zu erhalten, welche nur wenig in die Umgebung ausschossen. Solche Injectionen liefern sehr 120
erläuternde Präparate; sie zeigen ausserdem, wie leicht eine trägflüssige, fast in Erstarrung begriffene Masse auch bei
offenem Foramen Magendii durch die Seitenöffnungen von innen her austritt. Wie das Foramen Magendii, können auch
diese oder jene Seitenöffnung oder sogar beide verschlossen sein. Dies wurde schon von Luschka beobachtet. »Nur
ausnahmsweise», sagt er, »und wie es scheint als krankhaftes Vorkommniss ist über den seitlichen Theil des Ader-
geflechtes und über die dem äussern Winkel entsprechende Oeffnung ein Häutchen hinweggespannt, welches jenen
abkapselt und diese verschliesst». Er erkannte das Häutchen als eine dicke, gelbliche, zähe, aus Zellstoff gebildete
Lamelle, welche ihm als erkrankte, faltenartige Verlängerung der die Oberfläche der Flocke überziehenden Gefässhaut
erschien. Wie oben erwähnt wurde, haben wir einmal einen ähnlichen Verschluss an einer Seite gefunden; dieser
hing aber nicht von etwaiger krankhaften Neubildung ab, sondern er war offenbar eine Fortsetzung der dünnen Wand
selbst, welche sich über das Ende des Plexus ausbreitete und in dessen Umgebung am Flocculus sich befestigte.
Dies Verhältniss schien uns deswegen ebenso zu sein wie an dem von uns gesehenen Verschluss dos Foramen
Magendii, nämlich dass cs aller Wahrscheinlichkeit nach ein Fortbestehen des embryonalen Zustandes war, während
dessen, so weit man bis jetzt schliessen kann, auch die Seitenöffnungen des vierten Ventrikels verschlossen sind.
Dass diese Oeffnungen möglicherweise auch durch etwaigen pathologischen Process verschlossen werden können, wollen
wir nicht mit Bestimmtheit leugnen, halten es doch für weniger wahrscheinlich. Von Interesse ist ein von Virottow
erwähnter Fall (Die krankhaften Geschwülste Bd I), über welchen er eine Abbildung geliefert hat. Vircttow führt
ihn als Beispiel einer partiellen eystaähnlichen Erweiterung des vierten Ventrikels, ein Hydrocele ventriculi, an. »In
der Tiefe des Sackes sieht man noch Beste des Plexus choroides quartus. Zugleich bestand eine Hypoplasie des
Pons Varolii und der Kleinhirnhemisphäre auf der linken Seite». Wie aus seiner Figur hervorgeht, entspricht die
cystaähnliche Erweiterung ihrer Lage nach vollkommen der oben beschriebenen Oeffnung des Becessus lateralis, und
es ist möglich, dass diese Oeffnung oder die zunächst umgebende Partie des Subarachnoidalraumes durch den hyper-
plastischen Process auf diese oder jene Weise abgesperrt worden ist, so dass das vom Ventrikel her andringende
Wasser hier keinen weiteren Ablauf finden konnte; oder, was noch wahrscheinlicher ist, hier liegt ein ursprünglicher
Verschluss oben angeführter Art vor, und die blasenförmige Erweiterung ist secundär.
Beim Pferde, wo, wie oben beschrieben wurde, die Apertura inferior (Foramen Magendii) geschlossen ist, sind
die beiden Seitenöffnungen um so viel mehr entwickelt. Wenn man die Arachnoidea an der betreffenden Stelle auf-
✓
schneidet (Taf. IV Fig. 8), sieht man anfangs nicht diese Oeffnungen. Sie werden nämlich ganz und gar durch
die frei in den Subarachnoidalraum (Cisterna magna cerebello-medullaris) ausschiessenden, sehr voluminösen Enden
der Plexus chorioidei verborgen. Diese letzteren sitzen (Fig. 7, rechts) jederseits als ein sträubiger, dem Ansehen nach
zusammenhängender Büschel, welcher mehr als 20 Mm. in Längenausdehnung misst. Wenn man indessen den Plexus
etwas näher untersucht, findet man leicht, dass er eigentlich eine halbmondförmige Anordnung hat und grössten-
theils die sehr grosse Apertura lateralis umkreist. Wenn man die Zotten des Plexus rings um die Oeffnung aus
einander biegt, erhält man sogleich einen Einblick in sie hinein sowie durch dieselbe in den Seitentheil des vierten
Ventrikels, wie die eben angeführte Figur zeigt. Die eigentliche Oeffnung besitzt eine Länge von ungefähr 15 Mm.
und, wenn sic etwas ausgespannt wird, eine Breite von 5 bis 6 Mm. Der Plexus schiesst überall vom Bande selbst
hinaus und ist an ihm befestigt, nur nicht vorn und oben, wo der Band vollkommen glatt, eben und scharf, sowie
im Allgemeinen halbmond- oder sensenförmig ausgeschweift ist. Es ist klar, dass es eben der oberste Theil der
unteren Wand des vierten Ventrikels ist, welcher diesen freien Theil sowohl als die zottentragenden Theile des
Oeffnungsrandes bildet. Hinten und oben scheinen die Zotten gleichsam von der Hirnoberfläche selbst hinauszuschiessen.
Die beschriebene Anordnung der Seitenöffnungen und der sie umgebenden Zotten muss der Ventrikelflüssigkeit
eine besonders leichte Passage von innen nach aussen gestatten, wogegen eine Strömung von aussen nach innen
grössere Schwierigkeiten begegnen mag, da, wie es scheint, die Zotten dabei mehr oder weniger in der eigentlichen
Mündung zusammengedrückt werden müssen. Dass die geschilderten Oeffnungen in die Cisterna magna ausmünden,
sieht man an der Fig. 7, wo die Grenze dieser Cisterne am Kleinhirn deutlich hervortritt.
Die grosse Bedeutung der geschilderten Oeffnungen, welche den Ventrikel in vollem offenen Zusammenhang
mit den Subarachnoidalräumen setzen, ist klar und deutlich. Alle gehören sie dem vierten Ventrikel an, welcher
mithin die erwähnte Verbindung auch für die übrigen Ventrikel vermittelt; alle führen sie zu der grossen Sub-
arachnoidalcisterne, Cisterna magna cerebello-medullaris, welche einerseits in die Subarachnoidalspatien des Bücken-
marks unmittelbar sich fortsetzt, andererseits mit den übrigen grossen Cisternen an der Hirnbasis, und mittelst dieser
auch mit sämmtlichen Subarachnoidalräumen der Hirnoberfläche zusammenhängt; alle drei Oeffnungen des vierten 121
Ventrikels finden sich je an dem Ende mehr oder weniger trichterförmiger Verlängerungen oder Ausbuchtungen der
Ventrikelhöhle, wodurch ohne Zweifel das Ausströmen der Flüssigkeit aus dem Ventrikel wesentlich erleichtert wird.
Durch das Foramen Magendii strömt die Flüssigkeit, wie die Injectionen zeigen, auch mit Leichtigkeit in den Ventrikel
hinein, obwohl die Anordnung der Oeffnung so beschaffen ist, dass ein leichtes Ausströmen noch mehr befördert
wird. Betreffs der Seitenöffnungen haben sie gewissermassen eine valvelartige Beschaffenheit, und sie scheinen
vielleicht eher dazu dienen, beim Bedürfniss die Flüssigkeit von innen her ausströmen zu lassen, als sie von aussen
her in den Ventrikel einzulassen. Es ist nämlich klar, dass wenn die Seitenrecesse des vierten Ventrikels erweitert
werden, diese Erweiterung auch die fraglichen Oeffnungen betreffen muss; die Injectionen von den Ventrikeln her
beweisen ausserdem, wie leicht die Ausströmung stattfindet. Wenn dagegen ein stärkerer Druck von aussen wirkt,
so wird wahrscheinlich der halbmondförmige Band der Wand dem Plexus inniger angedrückt und die Oeffnung mehr
verengert oder sogar geschlossen. Man könnte deswegen vielleicht diese Oeffnungen beim Menschen unter gewöhnlichen
Verhältnissen, bei offenem Foramen Magendii, als eine Art an den beiden Seiten des Ventrikels befindlicher Sicherheits-
ventile betrachten. Es ist schwer durch Injectionen diese Frage mit Bestimmtheit zu entscheiden, denn cs ist klar,
dass bei offenem Foramen Magendii die Masse vom Subarachnoidalraum her zuerst durch diese Oeffnung in den
Ventrikel eintreten und dann aus demselben durch die Seitenöffnungen wieder austreten kann. Dass diese Masse
in den letzteren Oeffnungen mit der aussen im Subarachnoidalraum sowohl als mit der im Ventrikel befindlichen
Masse in ununterbrochenem Zusammenhang erstarrt, beweist deswegen nicht, dass sie hier von aussen nach innen
eingetreten ist, denn sie kann in umgekehrter Richtung geflossen sein. Wenn in seltenen Fällen das Foramen Magendii
beim Menschen verschlossen ist, sowie bei den Thieren, wo dies die Regel ist, fungiren wahrscheinlich die Seiten-
öffnungen auch als zuführende Oeffnungen.
Magendie zeigte, wie bekannt, dass die Cerebrospinalflüssigkeit unter positivem Druck steht, welcher mit der
Exspiration und Inspiration steigt und fällt. Er suchte auch experimentel darzulegen, dass in Zusammenhang hier-
mit eine beständige Strömung, eine Ebbe und Fluth, in der Cerebrospinalflüssigkeit stattfindet; als hauptsächliche
mechanische Treibkraft hierfür fand er eben die Respiration wirken. Bei jeder Exspiration werden die grossen
venösen Sinus des Rückenmarkscanales gefüllt; sie dringen.die Cerebrospinalflüssigkeit nach oben zum Gehirn hinauf,
wo die Venensinus, in Folge ihres Baues sich nicht nennenswerth erweitern können; bei der Inspiration aber ver-
engern sich diese venösen Sinus des Rückenmarks und dann geschieht eine Zurückströmung der Flüssigkeit das
Rückenmark hinab. Hiermit stimmen auch die Untersuchungen anderer Forscher (vor allem Eckers) überein. Wir
haben bei einer Anzahl lebender Hunde versucht, den Druck der Cerebrospinalflüssigkeit genau zu bestimmen, um
eben das Verhalten dieses Druckes zum Blutdruck in den venösen Sinus zu erörtern (über die hierbei gewonnenen
Resultate s. unten im Capitel der Arachnoidalzotten). In der erwähnten, für die Cirkulation und die Vertheilung
des Druckes innerhalb des centralen Nervensystems überaus wichtigen Strömung, würde die Flüssigkeit der Gehirn-
höhlen nicht Theil nehmen können, wenn kein offener Zusammenhang mit der übrigen Cerebrospinalflüssigkeit
vorhanden wäre. Bei einer Vermehrung der Flüssigkeit in den Ventrikeln, könnte der gleichzeitig vermehrte Druck
nicht vertheilt werden, sondern nur von innen her auf die Umgebung der Ventrikel wirken; nun findet man aber,
wie unter gewöhnlichen Verhältnissen die vermehrte Flüssigkeit zu den äusseren Theilen leicht Ablauf erhält und
der Druck auch über die Oberfläche gleich vertheilt werden mag. Im umgekehrten Fall, bei einer Vermehrung der
äusseren Cerebrospinalflüssigkeit sowie des Druckes derselben, muss diese auch direct auf den Inhalt der Ven-
trikel einwirken.
Es ist schwer sich zu denken, wie die Flüssigkeit der Ventrikel rcsorbirt werden könne, wenn diese abgesperrt
wären, denn man kennt hier keine solche Bildungen, die im Dienste einer Resorbtion wirksam sein können. Die
Plexus darf man wohl, wie allgemein geschieht, als eigentlich secernirende annehmen. Eine beständige Umsetzung
ist aber hier ebenso nothwendig wie sonst überall. Dadurch dass die Flüssigkeit frei ausströmen kann, wird sie
immerfort mit der übrigen Cerebrospinalflüssigkeit gemischt und die Resorbtion scheint von den äusseren serösen
Räumen stattzufinden, wo sie nach unseren Untersuchungen wesentlich durch die Arachnoidalzotten vermittelt
zu werden scheint, obwohl auch ein Theil derselben, wie wir gezeigt haben, durch die spärlichen Lymph-
gefässe und die abgehenden Nerven, austreten kann. Aus allen diesen Verhältnissen geht indessen hervor, von
welchem grossen physiologischen Gewicht die beschriebenen Oeffnungen des vierten Ventrikels sein müssen. Die
Kenntniss derselben wird gewiss auch dazu beitragen, ein Licht auf manche pathologische Zustände zu werfen.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 122
In erster Linie muss man sich die Frage stellen, ob nicht die Beschaffenheit dieser Oeffnungen von wesentlicher
Bedeutung für manchen Fall von Hydrocephalus sein kann. Ein Verschluss derselben, sei es durch Bildungsfehler,
sei es durch Druck oder pathologisch neugebildete Membranen, könnte wohl eine Vermehrung der Flüssigkeit in
den Ventrikeln veranlassen. Selbst hatten wir nicht Gelegenheit, in dieser Richtung Untersuchungen anzustellen,
nachdem wir diese Oeffnungen näher berücksichtigten. Magendie, welcher mehrere hydrocephalische Gehirne mit
Rücksicht hierauf untersucht hat, meint in einem Theil der Fälle die von ihm beschriebene Oeffnung drei- bis
viermal grösser als normal gefunden zu haben, während hingegen in anderen Fällen sic durch eine Membran ge-
schlossen war. Er führt, wie oben erwähnt, zwei solche, von ihm selbst beobachtete Fälle sowie einen nach Martin
Saint-Ange an. Er lässt es aber unentschieden, ob der Verschluss in diesen letzteren Fällen die vermehrte Flüssig-
keitsansammlung verursacht habe oder nicht. Nach dem oben Dargestellten müssen indessen alle drei Oeffnungen
geschlossen sein, ehe der Ablauf abgesperrt sein kann; da Magendie die Seitenöffnungen nicht kannte und ihre
Beschaffenheit in den angeführten Fällen also nicht untersucht worden ist, so beweisen dieselben in dieser Beziehung
nichts. Dass nicht ein membranöser Verschluss des Foramen Magendii oder der einen Seitenöffnung allein Hydro-
cephalus hervorruft, beweisen die beiden oben mitgetheilten Fälle eines derartigen Verschlusses. Die Seitenöffnungen
waren im ersteren Fall normalmässig beschaffen und schienen nicht bemerkenswert!! Vergrössert zu sein. Selten mögen
wohl alle drei Oeffnungen durch membranöse Bildungen verschlossen sein. Aber der Ablauf kann durch andere me-
chanische Ursachen, vor Allem durch Geschwülste, die den vierten Ventrikel oberhalb des Abgangs der Seitenrecesse
oder auch den Aquaeductus Sylvii zusammendrücken, abgesperrt sein. Magendie führt, wie erwähnt, einige Fälle an,
wo eine solche Absperrung beim Hydrocephalus vorhanden war, die er auch als dadurch veranlasst annimmt. Hier
kommt aber gewöhnlich noch ein Moment hinzu, nämlich, dass ähnliche vom Kleinhirn, Mark oder Pons u. s. w.
ausgehende Geschwülste gern auch einen Druck auf die Venen ausüben und dass durch diesen gehemmten venösen
Abfluss die Flüssigkeitsabsonderung vermehrt sein kann. Wenn diese beiden Umstände zusammen wirken, kann eine
Ausspannung der Ventrikel um so viel eher erfolgen.
Man könnte nicht ohne Ursache in Frage stellen, ob nicht allzu grosse Oeffnungen eine allgemeine Erweiterung
der Ventrikel dadurch beförderten, dass die Flüssigkeit von aussen her in gar zu grosser Menge einströmte.
Die Beobachtungen Magendies über die grosse Weite der unteren Oeffnung in einigen Fällen von Hydrocephalus
könnten zwar eine solche Verrauthung stützen; in der That beweisen sie aber nichts, indem die Erweiterung secundär
sein kann, oder auch kann die bedeutende Grösse von einem vorhandenen Hydrocephalus ganz unabhängig sein.
In den Fällen, wo wir ein ungewöhnlich grosses Foramen Magendii angetroffen haben, fand keine allgemeine
Ventrikelerweiterung statt. Die grösste Oeffnung, die wir gesehen haben, kam bei einer Epileptischen vor, wo
übrigens keine andere Veränderung des Gehirns als eine ziemlich starke Hyperämie vorhanden war. Die untere Wand
des vierten Ventrikels wurde in der Mitte bis zur Nähe der Strim acusticse vermisst, von wo ab sie nach den Seiten
hin in normaler Weise, obwohl mit sehr schwacher Entwickelung des Velum medulläre, sich fortsetzte. Der vierte
Ventrikel war in diesem Fall nicht unbedeutend erweitert und die Valvula Vieussenii nach oben und hinten
gebuchtet; die übrigen Ventrikel waren aber nicht grösser als gewöhnlich. Wir wollen aber nicht die bei dieser
Person sehr schweren epileptischen Anfälle mit der abnormen Grösse der Oeffnung und der Erweiterung des Ven-
trikels in Zusammenhang setzen; der Fall mahnt indessen zur fortgesetzten Aufmerksamkeit in dieser Richtung.
Indessen mag hier bemerkt werden, dass wir in einigen anderen Fällen das Foramen Magendii beinahe ebenso gross
gefunden haben, ohne dass etwaige krankhafte Cerebralsymptome während des Lebens und keine Erweiterung
des vierten Ventrikels vorhanden waren.
Wenn wir also gegenwärtig nicht sagen können, dass eine abnorme Beschaffenheit der Oeffnungen des vierten
Ventrikels in etwaigem Falle mit Bestimmtheit als Ursache eines allgemeinen Hydrocephalus dargethan ist, so ist
der Grund möglicherweise derjenige, dass so äusserst wenige Untersuchungen in dieser Hinsicht gemacht werden
konnten, ja sogar keine, wo alle Oeffnungen berücksichtigt sind. Die Zukunft wird deswegen allein Erläuterungen
in dieser Hinsicht geben können. Dagegen ist es ganz klar und zugleich von grosser Wichtigkeit, dass die Flüssig-
keit in den Ventrikeln in mehr oder weniger bedeutendem Grade vermehrt und die Ventrikel gleichzeitig ausgespannt
sein können, ohne dass die geringste Vermehrung der Absonderung in den Ventrikeln selbst stattgefunden hat.
Die Vermehrung der Flüssigkeit kann nämlich vollständig von einem mehr oder weniger bedeutenden Zufluss von
aussen her abhängen. 123
Ferner ist es leicht begreiflich, dass die Beschaffenheit der Flüssigkeit in den Ventrikeln keinen unmittelbaren
Schluss betreffs des Zustandes der Ventrikelwände zulässt. Eine Trübung oder ein puriformer Zusatz kann ganz und
gar auf einer Zumischung der von aussen her einströmenden Flüssigkeit beruhen, z. B. bei einer Basilarmeningitis,
wo also die Flüssigkeit in den Ventrikeln vermehrt sowohl als trüb oder von puriformem Aussehen sein kann, ohne
dass die Ventrikelwände an dem entzündlichen Zustand Antheil genommen haben; hiermit sei aber nicht gesagt,
dass nicht die Entzündung selbst sich oft nach innen fortsetzt, was besonders oft im Velum interpositum geschieht,
in dessen Subarachnoidalräume doch, wie aus den Injectionen hervorgeht, die Flüssigkeit auch von aussen her hin-
eingelangen kann; bisweilen füllt sich ja bei solchen Injectionen nur das Velum, und die Masse dringt nicht in
die Ventrikel hinein. Die Oeffnungen, welche wir in derartigen Fällen normalmässig ausgebildet fanden, sind dabei
aller Wahrscheinlichkeit nach von der von aussen her eindringenden Masse valvelartig geschlossen worden; dies
scheint auch anzudeuten, dass, wie oben hervorgehoben wurde, eine Strömung nach aussen leichter als nach innen
stattfindet.
Ferner ist es klar, dass eine blutige Zumischung, ja sogar wirkliche Blutgerinnsel in den Ventrikeln ver-
kommen können, ohne dass die geringste Blutung in ihnen selbst stattgefunden hat. Das Blut kann von sehr weiter
Entfernung dorthin gelangt sein. Andererseits ist es auch klar, dass man allerwärts in den äusseren Subarachnoidal-
räumen unter der Arachnoidea krankhafte Zumischungen antreffen kann, welche aus den Ventrikeln herstammen;
so z. B. Blut bei Blutungen in diese letzteren hinein u. s. w. Schon Magendie führt solche Fälle an. Dass die Er-
kenn tniss dieser Verhältnisse auch in gerichtlich-medizinischer Hinsicht von grösster Bedeutung sein kann, ist
deutlich und klar; es wäre leicht durch Beispiele diese Thatsache darzulegen; wir verweisen in dieser Rücksicht auf
einen betreffenden in unserem vorigen Aufsatz über den Zusammenhang der Hirhventrikel mit den Subarachnoidal-
räumen angeführten Fall.
Der feinere Bau der Häute des Gehirns und Rückenmarks.
1. Allgemeine Histologie der weichen Haut.
Historischer Rückblick.
Obwohl das Gewebe der Häute des Gehirns und Rückenmarks oft und in mehrfacher Hinsicht als Objekt
für Untersuchungen über den Bau des Bindegewebes gedient hat, blieb indessen die Kenntniss von seiner für
die Lösung der sog. Bindegewebsfrage so wichtigen feineren Zusammensetzung sehr beschränkt und mangelhaft.
Zwar beschrieb schon längst Henle diese Gebilde als aus den letzten Elementen des Bindegewebes, den feinen Fibrillen,
zusammengesetzt, welche meistens zu Bündeln vereinigt sind; er sah diese Bündel, bald parallel neben einander
liegend, bald in den verschiedensten Richtungen einander kreuzend, zu stärkeren Bündeln oder zu Membranen zu-
sammentreten; die meisten primären Bündel sind nach ihm ohne besondere Hülle, an vielen Stellen werden sie aber
von umspinnenden Fasern umwickelt; sonst sah er (in der Arachnoidea, unter dem Epithelium der Oberfläche) zwischen
den Maschen der Bündel eine feingranulirte, membranartig ausgebreitete Substanz. Hier erwähnt auch Kölliker
spindelförmige Kerne, Kernfasern und eine mehr homogene Bindesubstanz zwischen den netzförmigen Bündeln und 124
hie und da als Hülle der Bündel selbst. Luschka sah ein Epithelium an den gegen einander gewandten Flächen
der Subarachnoidalräume, welches aus einer höchst feinen Molecularmasse mit eingestreuten Kernen besteht. Dies
Epithelium wurde dann von Reichert beim Menschen geleugnet. Im Scheidenraum des Sehnerven fand Leber die
Balken von homogenen kernführenden Scheiden umgeben, und er vermuthet, dass diese aus verschmolzenen Zellen
bestehen; dann beschrieb Schwalbe diese Endothelscheiden der Sehnervenbalken näher und fügte hinzu, dass
er von den Bindegewebsbündeln der Subarachnoidalräume ebenfalls Endothelhäutchen abgehoben hatte. Von uns
wurden die die Arachnoidalzotten bildenden Balken und Balkennetze als von Zellenscheiden umgeben geschildert.
Eine Epithelscheide an den Balken und Flächen der Subarachnoidalräume wurde dann auch von Henle erwähnt,
und sie fehlt nach ihm nur den feineren Bälkchen, an welchen sie durch Spiralfasern ersetzt wird. 801 l hat vor
einigen Jahren eben die weiche Haut der Centralorgane zum Untersuchungsobject bei seinen Studien über der feineren
Bau des Bindegewebes gewählt; deswegen müssen wir seine Ansichten hier etwas ausführlicher recapituliren. Er
konnte nach Carminfärbung an fast allen gröberen Bindegewebsbündeln der Subarachnoidalräume des Gehirns und
Rückenmarks die Existenz einer von der centralen Masse des Bündels gesonderten Scheide demonstriren, die meistens
dem Bündel unmittelbar anliegt, an vielen Stellen jedoch sich abhebt. Diese Scheide ist nur an wenigen Stellen
structurlos; sie zeigt nämlich fast allenthalben Streifen und Fasersysteme, die meist quer auf dem Bündel stehen,
an einigen Stellen energisch ausgesprochen, an anderen aber äusserst zart sind. Nicht selten entdeckt man an den
Scheiden Kerne, welche die Knotenpuncte bilden, von denen aus die beschriebenen Fasersysteme strahlenförmig
nach verschiedenen Richtungen divergiren. Die Scheide ist aus kernhaltigen, sternförmigen Zellen zusammengesetzt.
Die sich mit einander verbindenden Fortsätze derselben stellen verdickte Streifen und Rippen in einer continuirlichen
Membran dar. Eine scharfe Grenze zwischen diesen Rippen und der Grundsubstanz ist nicht zu ziehen: beide bilden
eine wirkliche histologische Einheit. Die Scheide ist also ein Gewebe von ungleicher Stärke und Resistenzfähigkeit,
und so erklären sich auf das Einfachste die durch Essigsäurebehandlung entstehenden Einschnürungen (s. u.).
Bilder sind nach 801 l nicht selten, die für ein wenigstens theilweises Durchbrochensein und Fehlen der Scheide zu
sprechen scheinen. Ferner kommen, wenn auch recht selten, Bilder vor, an welchen die Zellen der Scheide Fortsätze
auch in das Innere des Bündels hinein schicken scheinen. Auch finden sich Bilder, wto eine ziemlich regelmässige,
mehr oder minder vollständige Lage von abgeplatteten Zellen die Bündel unvollständig bekleidet, sowie Uebergänge,
die dieses Structurverhältniss mit dem oben geschilderten verknüpfen. Es ist, sagt er, im höchsten Grade wahr-
scheinlich, dass die aus diesen abgeplatteten Zellen zusammengesetzte Hülle nicht immer eine vollständige ist.
Parallel mit der Form schwankt auch der Protoplasmagehalt der Zellen. Während die rundlichen Zellformen ein
deutliches körniges Protoplasma zeigen, ist dasselbe bei den mehr abgeplatteten Formen fast völlig verschwunden
und an die Stelle desselben eine klare elastische Platte getreten. Bald danach veröffentlichten wir ein Bericht von
unseren mehrjährigen Arbeiten über diesen Gegenstand. Da indessen hier unten eine ausführliche von vielen Figuren
veranschaulichte Darstellung unserer Befunde geliefert wird, können wir in diesem Resumö des Geschichtlichen kurz sein.
Hier wollen wir nur das hervorheben, dass nach unserer Meinung die freien Bündel immer von einer vollständigen
Scheide umgeben sind, dass diese Scheide aus verschmolzenen dünnen Häutchenzellen besteht, deren Grenzen doch
zuweilen noch durch Silberlösung demonstrirt werden können, dass diese Zellen immer einen Kern führen, welche
von einer kleinen Körnchenzone, Protoplasma, umgeben ist, dass die so gebildeten Scheiden gewöhnlich mehr oder
weniger vom Bündel abstehen und an der Vereinigung mehrerer Bündel von dem einen zum anderen continuirlich
übergehen und endlich dass sie, wenn die Bündel Netze bilden, die Lücken häutchenförmig entweder vollständig oder
mehr oder weniger ausfüllen und in dieser Weise wirkliche bindegewebige, mehr oder weniger zusammenhängende
Membranen bilden, wobei die letzteren also an beiden Seiten mit Zellenhäutchen bekleidet sind, die in den Lücken
zwischen den Bündeln mit einander zu einem einzigen dünnen Häutchen verschmelzen. In einem späteren Aufsatz
haben wir die umspinnenden Fasern und die bei Essigsäurebehandlung entstehenden Einschnürungen beschrieben und
dabei gezeigt, dass diese keineswegs einfache Verdickungen der eben geschilderten Zellenscheide sind, sondern von
dieser vollständig gesonderte, innerhalb ihr liegende, die Bündel umspinnende elastische Fasern sind; ausserdem
haben wir eine andere, vielleicht von Kölliker und Plenle gesehene, Art Scheide, nämlich eine zusammenhängende
»Fibrillenscheide)) der Balken beschrieben, welche, wenn vorhanden, auch innerhalb der Zellenscheide sich befindet. 125
Histologische Beschreibung.
Da wir tlieils wegen des fraglichen Gegenstandes selbst, tlieils und vielleicht noch mehr im Interesse der
Bindegewebsfrage dem Gewebe der Häute des Rückenmarks und Gehirns ein eingehenderes Studium gewidmet haben,
mag hier, bevor wir zur Darstellung des in dieser Richtung Gefundenen übergehen, eine kurze Skizze der von uns
angewandten Untersuchungsmethoden Platz finden. Dass die Kenntniss vom feineren Bau dieser interessanten
O 0
Bildungen bisher nicht weiter vorgeschritten war, hat wohl eben, wie wir unten zeigen werden, zum grossen Theil
in den gebrauchten Methoden seine Ursache.
Von ’ Wichtigkeit ist vor Allem, frisches Material zur Untersuchung zu nehmen. Die zarteren Gewebstheile
werden nämlich ziemlich bald nach dem Tode zerstört und fast unkenntlich gemacht. In Wasser untersucht,
sieht man sie anfangs recht gut; bald geht aber ein solches Bild verloren. Besser gelingt es, wenn man das Gewebe
mit Jodserum oder andere, mehr indifferente, Flüssigkeiten behandelt. Weil die zarteren Theile schon bei gelinder
Zerrung und sonstiger Berührung sehr leicht zerspringen, ist es aber viel vortheilhafter das ganze Gewebe zu er-
härten als es in frischem Zustande zu untersuchen. Weingeist passt nicht gut dazu. Chromsaures Kali ist aber von
iruter Wirkung, indem es die Gewebsbestandtheile hier wie anderswo in mehr unveränderter Form erhält; wir haben
O u* 7
es am meisten als MülleFsche Lösung angewandt. Nach etwa achttägiger Behandlung mit dieser Lösung kann man
indessen mit grossem Vortheil das Gewebe in Weingeist erhärten; dann ist es zur Untersuchung fertig. Immer
muss man sich aber vor Zerrung und Spannung achten. Die beste Erhärtungsmethode ist aber die mit der lieber-
osmiumsäure. Dadurch werden auch die zarteren Theile in ihrer eigentlichen Gestalt bewahrt, und die leicht grünlich
graue bis schwärzliche Färbung erleichtert das nähere Erkennen ihrer Beschaffenheit, indem sie dadurch schärfer
hervortreten; man kann die Säure in halb- sowohl als in viertel- oder zehntelprocentiger Verdünnung anwenden;
man braucht aber hier wie überall einer hinreichenden Menge der Säurelösung. Mit besonders gutem Erfolg haben
wir die Ueberosmiumsäure auf das Gewebe in seiner natürlichen Lage durch Auftröpfelung angebracht. Dadurch werden
die sonst beim Herausnehmen meistens zusammenschnellenden elastischen Gewebstheile in schöner ausgespannter
Gestalt erhärtet und bewahrt. Die übrige Technik betreffs der Ueberosmiumsäure enthält sonst aber nur Bekanntes,
so dass wir sie hier übergehen können. Man untersucht die Präparate in Wasser. Zur Färbung wandten wir am
meisten das Rosanilin an, welche Färbung wie bekannt nur den Nachtheil hat, nicht auf bewahrt werden zu können;
nach wiederholter Färbung der inzwischen in Glycerin liegenden aber jedesmal vor der erneuten Färbung aus-
gewaschenen Präparate wird dieselbe schöner und schärfer. Wenn man die mit Anilin gefärbten Präparate in essig-
saurem Kali bewahrt, geht die rothe Farbe aus dem Protoplasma und den Kernen mehr an das fibrilläre Gewebe über.
Mit Chlorgold erhält man in gewissen Beziehungen (Protoplasma, elastische Fasern u. s. w.) anwendbare Präparate;
man muss sich aber vor den durch die eintretende Schwellung entstehenden Trugbildern in Acht nehmen. Durch
Essigsäure erhält man hier, wie sonst am Bindegewebe, diese Schwellung des fibrillären Gewebes, nur aber in viel
ausgedehnterer Weise; für die Untersuchung der feineren elastischen Fasern bietet sie gute Vortheile. Man darf
sich aber keineswegs auf solche Bilder beschränken, wie bisher zu oft geschehen ist, weil sie gar nicht die natürliche
Beschaffenheit des Gewebes wiedergeben. Dasselbe gilt auch betreffs der Carminfärbung mit Esssigsäurebehandlung u. d,;
den früher gegebenen Abbildungen der Subarachnoidalbalken, wie den Bindegewebsfiguren im Allgemeinen, haben sie oft
ihren Stempel aufgedrückt. Es ist sogar in mancher Hinsicht diese übermässige Anwendung von Säuren (bes. Essig-
säure), welche die nähere Kenntniss des Bindegewebes des Nervensystems sowie des Bindegewebes im Allgemeinen
verhindert hat. Eben um die dadurch entstehenden Prugbilder zu vermeiden, haben wir, wie erwähnt, das Anilin
9
in ausgedehnter Weise angewandt; die Essigsäure selbst aber sowie die Carminfärbung gebrauchten wir nur mit
Vorsicht und zur Controlle sowie zu gewissen speciellen Zwecken. Mit Silbersalpeter kann man in gewöhnlicher Weise
die Zellengrenzen am Endothel der serösen Räume des centralen Nervensystems darlegen; es gelingt aber doch
nicht immer; wenn es gelingt, werden die Bilder gewöhnlich schön und ganz deutlich; durch Injection von Silberlösung
in die serösen Räume haben wir die Färbung der Endothelgrenzen in grosser Ausdehnung erhalten.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 126
Was sonst das Material betrifft, so haben wir unsere Untersuchungen vorzugsweise am Menschen, übrigens
aber auch an Thieren (Hund, Kaninchen, Schaaf, Pferd u. s. w.) ausgeführt. Die folgende Darstellung ist mit
Rücksicht auf die Verhältnisse beim Menschen gemacht; nur wenn es besonders angegeben wird, betrifft sie die-
*
j eiligen an Thieren.
Wie schon oben hervorgehoben wurde, rechnen wir, wie einige andere Verfasser, zur weichen Haut des Hirns
und Rückenmarks die ganze Bindcgewebslage innerhalb der Dura zwischen ihr und der Gehirn- oder Rückenmarks-
oberfläche und thcilen diese Haut in eine äussere und eine innere Verdichtungslage oder Grenzschicht, die Arach-
noidea und die Pia, und in das zwischenliegende Gewebe, das Subarachnoidalgewebe, Tela subarachnoidalis.
Diese verschiedenen Theile sind hauptsächlich aus gleichartigen Gewebselementen zusammengesetzt; nur sind diese
Elemente in verschiedener Zahl und Anordnung vorhanden; in einigen Beziehungen finden sich aber auch verschiedene
Bestandteile in ihnen. Bei der histologischen Beschreibung mag man am besten mit dem Subarachnoidalgewebe
beginnen, weil in ihm die Elemente am reinsten und einfachsten Vorkommen.
In dieser Beziehung, um eben von dem Einfachsten auszugehen, sind die in den Subarachnoidalräumen frei
hinüberspringenden Balken besonders empfehlenswert!!. Diese Balken, die schon oben bei der makroskopischen
Beschreibung öfters erwähnt wurden, kommen in verschiedener Menge und Anordnung an verschiedenen Orten vor.
Am schönsten und längsten trifft man sie in den grösseren Cisternen der Basis des Gehirns, z. B, in der C. magna
cerebcllo-medullaris, ferner auch am Rückenmark, z. B. im oberen Halstheil, an der Cauda equina u. s. w. Wenn man
sie nach sehr sorgfältiger Präparation ganz frisch, ohne Erhärtung, in Wasser oder noch besser in mehr indifferenten
Flüssigkeiten untersucht, sieht man, dass sie aus einem centralen, meist glänzenden und oft wellig oder spiralig ver-
laufenden Strang bestehen, in dem man eine mehr oder weniger undeutliche Längsfibrillirung wahrnimmt und welcher
sehr oft auch aus mehreren solchen Strängen zusammengesetzt sein kann, sowie ferner aus einer denselben auswendig
und mehr oder weniger lose umgebenden, vollständigen, hellen, durchscheinenden, ganz dünnen Scheide, an welcher man
in gewissen Abständen helle, ovale, etwas abgeplattete, von einer kleinen Zone von Protoplasma mit feinen glänzenden
Körnchen umgebenen Kerne bemerkt. Diese Scheide ist sehr brüchig. Schon bei geringer Zerrung berstet sie, und man
findet dann ihre Reste als mehr oder weniger gefaltete Fetzen und dünne Häutchenpartien frei flottirend, dem centralen
Strang anhaftend. Die Balken sind von sehr verschiedener Dicke. Die dickeren bestehen gewöhnlich aus einem Bündel
parallel oder mehr oder weniger verflochtener Stränge. Hie und da sieht man bei stärkeren Vergrösserungen an der
Scheide der Balken, besonders der dickeren, eine sehr feine unregelmässige Querstreifung, wie von einem umspinnenden
Netz feiner, quer oder etwas schief gehender Fäserchen (s. u.). Frisch untersucht lassen sie doch schwerlich ihren
eigentlichen Bau erkennen. Dies gelingt viel besser nach Erhärtung in Ueberosmiumsäure. Schon nach kurzer Ein-
wirkung derselben nehmen die Balken eine grünlich graue bis etwas schwärzliche Farbe an, und sie lassen sich jetzt
in Wasser oder Glycerin ganz ohne Quellungserscheinungen untersuchen (Taf. X Fig. I—4),1—4), In allen Balken sieht man
den centralen Strang, der einfach oder zusammengesetzt sein kann. Wenn er, wie gewöhnlich in den feineren Balken,
einfach ist, läuft er gerade oder geschlängelt, zuweilen sogar spiralig, ist gewöhnlich cylindrisch, zuweilen etwas
abgeplattet, hat ziemlich parallele Contouren, oft ein glänzendes Ansehen und zeigt mehr oder weniger deutlich die
feine Längsstreifung als Ausdruck seiner Zusammensetzung aus einer Menge feinster Fibrillen. Bei Zerreissung
des Balkens sieht man oft diese ausserordentlich zarten Fibrillen sich von einander lösen und wie ein Pinsel oder
Büschel ausstrahlen oder in verschiedenen Richtungen divergiren. Nie sieht man deutliche Spuren einer Kittsubstanz,
die die einzelnen Fibrillen an einander binden konnte. Dagegen finden sich die unten näher zu berücksichtigenden
umspinnenden Fasern als zusammenhaltende Elemente um die meisten Bündel. Wenn der centrale Strang der Balken
aus zwei oder mehreren zusammengesetzt ist, besteht jeder einzelne aus einem solchen Fibrillenbündel. Sie laufen
dann entweder mehr parallel neben einander oder schlängeln sich in verschiedener Weise, die einen um die anderen.
Immer sind nun die Balken, sei es, dass ihr centrale Strang aus einem oder aus mehreren Fibrillenbündeln
gebildet ist, von einer vollständigen Scheide umgeben. Diese Scheide, die bald enger, bald loser das Bündel
umgiebt und also ihm bald nahe anliegt bald mehr von ihm absteht, ist ausserordentlich zart, durchsichtig, ist in-
dessen deutlich doppelcontourirt, mit meist parallelen Flächen, ist im Allgemeinen eben, faltet sich aber ohne Schwierig-
keit in etwas steife Falten. Sie selbst hat keine eigentliche Structur. In ihr liegen aber in bestimmten Entfernungen
die oben erwähnten ovalen, etwas abgeplatteten, hellen, scharfcontourirten Kerne. Diese sind viel dicker als die Scheide
und ragen deswegen über ihre Oberfläche, besonders nach aussen hervor. Um die Kerne, besonders aber an ihren 127
beiden Polen liegt ein Haufen von Körnchen, welche theils feiner, mehr protoplasmatisch sind, theils aber grössere
glänzendere Kugeln ausmachen. Diese Körnchen kommen fast an jedem Kerne vor, sind aber zuweilen nur sehr
sparsam vorhanden, zuweilen aber auch sehr zahlreich, die Enden der Kerne fast verdeckend. Diese Körnchenzone,
welche bei jüngeren Individuen im Allgemeinen reichlicher erscheint und als mehr oder weniger veränderter Ueber-
rest des ursprünglichen Protoplasma zu betrachten ist, streckt sich in verschiedener Entfernung vom Kern auf die
Oberfläche der Scheide, sich allmählig verdünnend und verschmälernd, hinaus, bald hat sie eine bestimmtere
Begrenzung, bald erstreckt sie sich in verschiedener, zuweilen phantastischer Form, als Seesternarme u. s. w. nach
verschiedenen Richtungen, am gewöhnlichsten aber bipolar vom Kern hinaus. Durch Rosanilin färben sich die Körner,
besonders die feineren mehr protoplasmatischen, viel mehr als die übrige Scheide, roth. Zuweilen sind keine solche
Körnchen mehr vorhanden, sondern nur die1 grösseren glänzenden Kügelchen. Diese färben sich weniger lebhaft
durch das Rosanilin; durch Ueberosmiumsäure werden sie wohl etwas dunkler aber doch nicht schwarz wie Fett-
körnchen; ihr Glanz ist auch nicht ganz so stark wie bei diesen. Hier und da sieht man auch in den Zwischen-
räumen zwischen den Kernen und von diesen mehr entfernt isolirte derartige glänzende Kügelchen, zuweilen sogar
haufenweise zusammenliegend.
Die in dieser Weise mit Kernen und Körnchen versehene Scheide liegt, wie oben erwähnt, dem Fibrillenbündel
entweder dichter an, oder sie steht von ihm ab, so dass er wie frei, durch einen Zwischenraum von der Scheide
getrennt, in ihr verläuft, sich bald hier, bald dort ihr mehr nähernd. Zuweilen sieht man das centrale Bündel
spiralig in die weite, gerade ausgespannte Scheide hinziehen. Bald liegt die Scheide demselben Bündel eine Strecke
hindurch dichter an, um dann eine folgende Strecke weiter abzustehen. Bald schmiegt sie sich dem Bündel so dicht an,
dass man ihre Existenz fast nur an den Kernen erkennt. Wenn mehrere Fibrillenbündel in den einzelnen Balken
vorhanden sind, verhält sich die sie umgebende Scheide in ganz derselben Weise, als wenn nur ein Bündel sich darin
findet. Die ganze Scheide ist, wie schon oben bemerkt wurde, immer sehr brüchig. Nur bei sehr vorsichtiger
Präparation erhält man sie vollständig. Sie wird sehr leicht durch den geringsten Zug vom Bündel abgestreift, weil sie
dasselbe nur lose umgiebt und nicht daran befestigt ist. Man erhält dann entweder das Fibrillenbündel ganz nackt
oder auch, und dies ist auch sehr gewöhnlich, sieht man mehr oder weniger deutliche, gefaltete, kernhaltige Fetzen
an dem Bündel haften, frei in seiner Umgebung flottirend. Wenn nur die Kerne mit einer kleinen, sie umgebenden
"Partie der Scheide zurückgeblieben sind, kann man sie leicht verkennen; sie bilden körnige Klümpfchen, die den
Balken anhaften, oder im Präparat umherschwimmen; man kann sie für Verunreinigungen oder, wenn der Kern
deutlicher ist, für weisse Blutkörperchen, Körnchenzellen u. d. halten (Taf. X Fig. 8). Woraus besteht nun diese Scheide.
Die Kerne weisen auf Zellen hin, man sieht aber gar keine Zellengrenzen, nur den kleinen Anflug von Körnchen um
dieselben. Indessen giebt es eine Methode, die Zellengrenzen wirklich darzulegen. Durch Silberfärbung erhält man
nämlich nicht selten ein schönes Netz von mehr geraden oder mehr buchtigen, nicht selten etwas gezackten Linien,
die polygonale, gewöhnlich etwas in die Länge gezogene, rhombische Felder einschliessen, und man erkennt inner-
halb dieser oft die Kerne. Die ganze Scheide besteht also unzweideutig aus mit einander fast verschmolzenen
Zellenplättchen, Endothelzellen oder, wie wir sie genannt haben, »Häutchenzellen)), oder Plattenzellen,
deren Kerne noch vorhanden sind, deren Protoplasma aber nur einen kleinen Rückstand in der beschriebenen
Körnchenzone übrig gelassen hat. Immer sahen wir in diesen Balkenscheiden nur eine einzige Schicht von Endothel-
zellen. Die Zellenterritorien können von etwas verschiedener Grösse sein und die Kerne dadurch etwas mehr oder
weniger entfernt von einander liegen. Je feiner die Balken sind, desto schmäler ist im Allgemeinen auch die Scheide
und desto weniger Endothelzellen gehen in ihre Bildung ein; zuweilen sieht man solche nur zu zweien die Balken
umfassen; zuweilen bildet streckenweise nur eine einzige Zelle die Scheide um das Bündel; diese letztere Thatsache
ist von hohem Interesse, weil es Licht auf das Verhältniss der Zellenscheide bei der Entstehung der Fibrillen-
bündel und mithin auch auf die eigentliche Bildung dieser wirft.
Zuweilen sieht man auch einzelne Kerne mit einem ihnen ungehörigen Protoplasmarest im Inneren der Balken,
besonders der dickeren, sogar mitten im Fibrillenbündel liegen. Ihre Deutung ist nicht immer leicht. Zuweilen
scheinen sie einer inneren Scheide oder einem das Fibrillenbündel in verschiedene Abtheilungen trennenden Zellen-
häutchen angehören; im Allgemeinen sind sie indessen wohl nur mehr isolirt liegende abgeplattete protoplasmatische
Zellen. Hie und da findet man auch Balken, welche auf das Deutlichste sich als aus mehreren einzelnen, je
von einer Zellenscheide umgebenen Balken bestehen, die auswendig noch sämmtlich von einer gemeinsamen Zellen-
scheide umhüllt und zusammengehalten sind (worüber mehr unten). 128
Wie schon oben bemerkt wurde, sieht man oft innerhalb der Zellenscheide der Balken feine quergehende
Streifen oder Bänder. Es sind dies die von den Histologen auf mehrfache Weise gedeuteten sog. »umspinnenden
Fasern». Wie weit die Anschauungen über dieselben unter den Verfassern aus einander gehen, lässt sich grössten-
theils aus der allgemeinen Historik ersehen und geben wir deswegen hier nur eine gedrängte Darstellung derselben
um unten in der Historik der Bindegewebslehre ausführlicher darauf zurückzukommen. Henle scheint der Erste
gewesen, welcher diese Frage anregte. Unter dem Namen »spiralförmiger Kernfasern» oder »Spiralfasern» wurden
sie von ihm beschrieben als eine Art nicht selten vorkommender, die Bindegewebsbündel spiral- oder ringförmig
umspinnender Fasern, welche er durch Verschmelzung von mehr oder weniger verlängerten Zellenkernen entstanden
und wegen ihrer Unveränderlichkeit in Essigsäure mit dem elastischen Gewebe übereinstimmend aber nicht identisch
ansah. Reichert, der eine normalmässige Zusammensetzung des Bindegewebes aus Fibrillen nicht anerkennen wollte,
sondern sein fibrilläres Aussehen nur für scheinbar, als auf eine Faltung der Substanz oder eine mechanische
Zerfaltung derselben beruhend hielt, deutete die ring- und spiralförmigen Bildungen als gebliebene, bandähnliche
Falten einer beim Anschwellen zerplatzten, die Balken sonst umgebenden, structurlosen Scheide. Diese Auffassung
hatte auch Luschka hervorgehoben. Seitdem haben die Ansichten zwischen der Henle’schen und der Reichert—
Luschka’schen Darstellung gewechselt. Kölliker schloss sich hauptsächlich der Henle’schen Darstellung an, er
wollte aber die umspinnenden Fasern, weil sie nach ihm aus Zellen entstanden sind, nicht zum elastischen Gewebe,
sondern zu den Bindegewebskörpern gehörend rechnen. Roulett suchte sie als wirkliche, die Fibrillenbündel netz-
förmig umspinnenden Fasern zu vertheidigen. Ranvier sah sie im Hautbindegewebe als einfache Verdickungen einer
die Bündel umgebenden Hülle an. 801 l erklärt ebenfalls die Einschnürungen dadurch bedingt, dass eine differen-
zirte, structurirte, verschieden derb gewebte Scheide nach Maasgabe ihrer Resistenzfähigkeit an verschiedenen Stellen
ihrem quellenden Inhalte auch einen verschiedenen Widerstand entgegensetzt. Sonst will 801 l es keineswegs für
unmöglich halten, dass an anderen Stellen die Einschnürungen gemäss der Luschka—Reichert’schen Auffassungsweise
durch Einreissen einer Scheide und Zusammenschnurren ihren Bruchstücke zu einzelnen Reifen entstehen können.
801 l kann aber ebensowenig »der Ansicht von Roulett direkt widersprechen, welche ein ganz entgegengesetztes
Princip zur Erklärung dieser Erscheinungen heranzieht, dass nämlich eine structurlose Scheide an den Bündeln gar
nicht existire, dass dagegen die Einschnürungen durch ein umspinnendes Netzwerk glatter Balken entstehen».
In unserer Arbeit über das Bindegewebe des Nervensystems gingen wir nicht näher auf die Frage von den um-
spinnenden Fasern hinein; wir sagten indessen, dass ringförmige oder anders gestaltete Partien der Scheide beim
Anschwellen der Bündel Einschnürungen verursachen können. Schwalbe äussert dann über die Einschnürungen
der Balken des Subarachnoidalraums des Sehnerven, dass für sie immer noch keine genügende Erklärung vorliegt.
Endlich haben wir im vorigen Jahre eine Darstellung unserer Untersuchungen über diese Bildungen gegeben. Da
unsere jetzigen Anschauungen vollständig mit diesen übereinstimmen, gehen wir deswegen zu denselben über.
Wenn man subarachnoidale Balken, die einer ganz frischen Menschenleiche entnommen sind, in einer indifferenten
Flüssigkeit vor Allem in ihrem natürlichen Medium, der Cerebrospinalflüssigkeit untersucht, kann man oft nicht
die geringste Querstreifung an ihnen wahrnehmen; in anderen Fällen erscheint eine sehr schwache solche, in anderen
aber ist sie so deutlich, dass man darin wirkliche, mehr oder weniger feine Fasern unterscheiden kann, die cirkulär
um den Balken, nicht selten etwas schief gegen seine Längsaxe verlaufen (Taf. XIV Fig. 3, 4). Hie und da sieht
man diese Fasern sich von einander verzweigen und wieder mit anderen derartigen Fasern zusammenlaufen; dicht
ausserhalb derselben liegt die Endothelscheide. Dieses cirkuläre Fasernetz ist an verschiedenen Stellen desselben
Balkens von verschiedener Dichtmaschigkeit. Wenn man Essigsäure zu einem solchen Präparat zusetzt, verändert
sich das Bild. Die Balken schwellen schnell an; ihre Längsfibrillirung verschwindet fast ganz für das Auge.
An vielen Balken erscheinen jetzt circuläre Fasern und, wenn schon vorher an den Balken solche Fasern wahr-
genommen sind, treten sie jetzt viel schärfer hervor, mehr oder weniger bedeutende Einschnürungen verursachend,
so dass die geschwellte Gewebsmasse der Balken sich bauchig zwischen den Circulärfasern ausstülpt (Taf. XIV Fig. 10,
11, 12). Diese letzteren bilden bald mehr oder weniger von einander getrennte Ringe um die Balken, bald auch
Spirale, bald hängen sie mit einander durch Verzweigungen und Anastornosen zusammen; sie sind von verschiedener
Dicke, oft im optischen Durchschnitt sich deutlich cylindrisch zeigend sowie ziemlich stark lichtbrechend; bald liegen
sie dichter beisammen und sind darni gewöhnlich feiner. Sie schwellen, so weit man sehen kann, gar nicht in
Essigsäure an und gehören danach, sowie nach anderen Verhältnissen, in dieselbe Gewebsgruppe, wie die gewöhnlichen
elastischen Fasern. Ob sie von einem sehr feinen, ununterbrochenen Häutchen zusammengehalten sind, haben wir nicht 129
mit völliger Sicherheit entscheiden können; wenn ein solches Häutchen wirklich vorhanden ist, müsste es äusserst
dünn sein, denn es erscheint im optischen Querschnitt nicht als doppeltcontourirt; auch sieht man nicht etwaige
abgerissene Ueberreste desselben; für seine Gegenwart spricht, dass die geschwellte Fibrillenmasse am längsten
einen bestimmten Rand behält und dass an dem Ende eines abgerissenen Balkens diese Masse stärker anschwillt
und gleichsam ohne bestimmte Grenze hinausfliesst. Ausserhalb der Circulärfasern sieht man grössere oder kleinere
Theile der Endothelscheide, insofern diese durch die Präparation nicht vollständig abgerissen ist.
Doch sind es nicht alle Balken, die solche umspinnenden Fasern besitzen, wenigstens nicht in ihrer ganzen
Ausdehnung. Man findet nämlich, besonders am Rückenmarke, nicht eben selten solche, die deren ganz entbehren
(wie die an der Taf. XIV Fig. 6 abgebildeten). In anderen Fällen treten sie aber, wie erwähnt, durch Behandlung mit
Essigsäure an solchen Stellen hervor, wo sie vorher, trotz genauen Nachsuchens, nicht wahrgenommen werden konnten.
Wenn man frische Subarachnoidalbalken in Ueberosmiumsäure erhärtet, werden die Circulärfasern oft etwas
deutlicher (Taf. XIV Fig. 5), besonders wenn sie etwas gröberer Art sind. Sie sind nämlich bisweilen, wie oben
angeführt wurde, recht grob, deutliche anastomosirende und von dem eigentlichen Balken oft etwas abgetrennte
Schlingen bildend, welche sogar dickere Ausbreitungen besitzen können (Taf. XIV Fig. 6, 7, 8). Am optischen
Querschnitt dieser Verdickungen sieht man, obwohl nicht eben scharf, eine Andeutung von feinen dicht gedrängten
Faserquerschnitten; es scheinen also auch diese dickeren Fasern aus feineren zusammengesetzt zu sein.
Wir haben schon früher an mehreren Stellen, z. B. an der Innenseite der Dura mater, der Innen- und Aussen-
seite der Pia mater spinalis, an den Kapselhäuten der Pacinischen Körper, dünne, feine Häutchen mit elastischen
Fasern und Fasernetzen als unter dem bekleidenden äusseren Endothelhäutchen liegend geschildert; am Epineurium
und Perineurium u. A. haben wir ferner elastische Fasern dicht unter der bekleidenden Zellenhaut der einzelnen
Lamellen beschrieben. An den eben geschilderten bindegewebigen Balken des Subarachnoidalgewebes sind nun die
Verhältnisse ungefähr dieselben. Unter der Endothelscheide gehen die oben beschriebenen elastischen Fäserchen in
sparsamerer oder dichterer Ausbreitung; ob aber hierzu noch ein äusserst feines Häutchen die Fibrillenbündel um-
schliesst, müssen wir, wie oben gesagt, bis auf Weiteres unentschieden lassen.
Ausser den jetzt geschilderten, von elastischen Fasern umsponnenen Balken haben wir, wie oben in der Historik
erwähnt wurde, bei der Untersuchung des Subarachnoidalgewebes noch eine andere Art von Balken gefunden, welche
von höchst eigenthümlichem Bau sind, sowie auch von besonderem Interesse für die Bindegewebslehre. Die Fibrillcn-
bündel dieser Balken (Taf. XV Fig. 1—8) sind nämlich von einer mehr oder weniger breiten Zone umgeben, welche
aus körnchenähnlicheü, durch helle Zwischenräume getrennten Pünctchen zu bestehen scheint. Beim ersten Ansehen
kann man, besonders bei etwas tieferer Einstellung des Mikroskops, glauben, diese Masse sei aus einem grobkörnigen
Protoplasma zusammengesetzt. Bei Einstellung des Fokus auf die obere oder untere Fläche des Balkens sieht man
aber in dieser umgebenden Masse nicht Körner, sondern eine feine, äusserst dichte Querstreifung, und bei näherer
Untersuchung findet man, dass die genannten körnchenähnlichen Pünctchen optische Querschnitte einer Art feiner
Fibrillen sind, welche in zahlreicher Menge und oft in vielen Schichten die Balkenbündel umspinnen, diesen ein
Aussehen wie von Flachsristen oder wie von mit Werg umwickelten längsgehenden Bündeln verleihend. Bei
geänderter Einstellung des Mikroskopes kann man auch bei scharfer Betrachtung die erwähnten Querstreifen
bis zu ihren körnchenähnlichen Durchschnitten verfolgen. Die ganze, die Fibrillenbündel in dieser Art umgebende
Masse hat das Aussehen einer mehr sparsamen, hellen, homogenen vielleicht flüssigen Substanz, in welcher zahlreiche
und dicht liegende Fibrillen verlaufen. Diese Masse ist im Ganzen als eine Art. eigentümlicher »Fibrillenscheide))
der Balken zu betrachten. Ihre äussere Fläche, die scharf begrenzt ist, ist wie die der übrigen Balken mit einem
Häutchen von Endothelzellen sammt den ihnen angehörenden von einer Protoplasmazone umgebenen Kernen bekleidet.
Dieses Zellenhäutchen kann wie gewöhnlich leicht abgelöst werden, weswegen man oft nur grössere oder kleinere
Ueberreste desselben die Balken bekleiden sieht; oft wird es durch die Präparation sogar vollständig abgerissen.
Die Fibrillenscheide ist von sehr wechselnder Dicke; bald bildet sie nur eine dünnere Schicht, bald aber eine so
mächtige, dass ihr Durchschnitt ebenso dick oder noch dicker als der des centralen Balkenbündels ist u. s. w. Sie ist
O /
nicht immer gleich dick an verschiedenen Stellen desselben Balkens, sondern zeigt auch in dieser Beziehung mancherlei
Variationen; bald wird sie dünner; bald wird ihre Dicke mehr weniger schnell vermehrt, so dass dünnere und dickere
Partien mit einander wechseln; hie und da sieht man an ihr auch grössere oder kleinere höckerige Verdickungen.
Die Fibrillen gehen gewöhnlich rein circulär um das Balkenbündel, so dass die Querstreifung rechtwinklig gegen
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 130
die Längsaxe desselben ist; zuweilen siebt man auch Balken, wo die Streifung mehr oder weniger schief gegen diese
Axc läuft, wobei also die Fibrillen in Spiralwindungen um das Bündel verlaufen (Taf. XV Fig. 8). An demselben Bündel
haben sie gewöhnlich alle eine und dieselbe Richtung; wenn die in derselben Schicht liegenden Fibrillen sich kreuzen,
geschieht dies nur unter äusserst spitzen Winkeln. Es finden sich aber zuweilen Balken mit Fibrillenscheiden,
die aus derartigen längsgehenden Fibrillen bestehen (Taf. XV Fig. 9); zuweilen wechseln solche Schichten von längs-
gehenden Fibrillen mit circulären, wobei man sogar Zellenkerne zwischen den verschiedenen Schichten wahrnehmen
kann (Taf. XV Fig. 7); ein solches Bild zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit den Kapselhäuten der Pacinischen
Körper, wie wir sie früher geschildert haben *); besonders ist ein Vergleich mit diesen Bildungen bei den Vögeln
zutreffend (s. unten bei diesem Abschnitt). Durch die Präparation kann wie gesagt die ganze Fibrillenscheide von
den Balken abgestreift werden; dann sieht man sie entweder als einen unregelmässigen Haufen, ein Fasergewirr,
dessen Ursprung sonst schwer zu erkennen wäre, oder zuweilen mehr geordnet als einen aus Fäserchen zusammen-
gesetzten, leeren, fingerhutähnlich von dem Balkenbündel abgestreiften Cylinder.
Die Fibrillen dieser so eben beschriebenen eigenthümlichen Art von Scheide werden schon im frischen Zustand,
ohne erhärtende Reagenzien, ziemlich deutlich wahrgenommen. Sie treten aber noch deutlicher durch Erhärtung
in Ueberosmiumsäure und in Chromsäure oder chromsaurem Kali (Müllerscher Lösung) hervor. Wenn man sie mit
Essigsäure behandelt, schwellen sie zwar im Allgemeinen nicht wie gewöhnliche Bindegewebsfibrillen auf, sie ge-
winnen aber auch nicht, wie die eigentlichen elastischen Fasern, dadurch an Schärfe, sondern werden im Gegen-
theile am häufigsten bleicher und verlieren etwas an Deutlichkeit (Taf. XIV Fig. 11). Dieses Verhalten wechselt
doch etwas, so dass es scheint, als ob die Fibrillen an verschiedenen Balken etwas verschieden entwickelt sein könnten.
Wie verhalten sich nun diese Fibrillen zu den oben geschilderten, eigentlichen, elastischen, umspinnenden Fasern?
Die elastischen umspinnenden Fasern mit ihren Netzen liegen, wenn vorhanden, in der Regel nach innen von der
Fibrillenscheide. Man sieht zuweilen die beiden verschiedenen Arten an einem und demselben Balken sich begegnen
und jede von ihrer Seite her auf das Gebiet der anderen übergreifen; dann liegt auch immer die Fibrillenscheide
ausserhalb der anderen umspinnenden Fasern, welche oft in weiter Ausdehnung unter der Fibrillenscheide zwischen
ihr und dem Balkenbündel, dicht an diesem, wahrgenommen werden können. Wenn man Essigsäure zu einem
solchen Uebergangsbalken zusetzt (Taf. XIV Fig. 11), hindert die Fibrillenscheide, wo sie vorhanden ist, dass
der Balkenbündel anschwillt.
Die mit Fibrillenscheide versehenen, eigenthümlichen Balken fanden wir im Subarachnoidalgewebe an der Basis
des grossen Gehirns, in ihren grossen serösen Cisternen, um die dieselben durchlaufenden Nervenwurzeln und Blut-
gefässe, ferner an der Basis des kleinen Gehirns und besonders zahlreich am Pons und an der Medulla oblongata,
vor Allem aber an den Seiten derselben; ferner auch vereinzelt etwas weiter unten am Rückenmark, sowie auch im
Subarachnoidalraum des Sehnerven. Sie kommen nicht immer in derselben Frequenz vor, sind im Gegentheil an
einigen Gehirnen reichlicher, an anderen sparsamer vorhanden; zuweilen bilden sie an gewissen Orten die über-
wiegende Anzahl der Balken, zuweilen kommen sie nur hier und da zwischen den anderen Balken zerstreut vor.
Dies ist im Allgemeinen der Bau der einfachen, nicht zusammengesetzten, Subarachnoidalbalken in ihren ver-
schiedenen Variationen: ein mehr oder weniger dickes Fibrillenbündel von einer einfachen Zellenscheide umgeben und
unter dieser rings um das Bündel entweder ein verschieden dichtes Netz von umspinnenden elastischen Fasern oder
auch noch dazu eine besondere Fibrillenscheide. Derartige Balken können nun relativ weite Strecken durchlaufen, ohne
in Berührung mit anderen Bildungen zu treten. Sie können in dieser Art mehr einzeln durch die subarachnoidalen
Räume ihren Weg nehmen oder, mehrere dichter beisammenliegend, in den verschiedensten Richtungen einander
kreuzen (wie z. B. an der Taf. XII Fig. 2). Es ist aber doch gewöhnlicher, dass die einzelnen Balken während ihres
Verlaufes sich verzweigen oder, wenn man so lieber sagen will, dass zwei Balken zu einem zusammenschmelzen.
Bei dieser Verzweigung verhalten sich die verschiedenen, die Balken construirenden Theile in folgender Weise (Taf.
X Fig. 3, Taf. XI Fig. 1): Das centrale Fibrillenbündel theilt sich und schickt in mehr oder weniger grossem Winkel
verschiedene Partien seiner Fibrillen nach verschiedenen Richtungen; an der Theilungsstclle sieht man oft eine
schöne Flechtung der Fibrillen unter einander. Wie das Fibrillenbündel, so theilt sich auch die Zellenschcidc und
bildet für jeden Zweig des Bündels eine geschlossene Bekleidung; an ihrer Theilungsstclle sieht man oft eine räum-
lichere Partie, eine Ausbuchtung, die in ausgebreiteter Lage gesehen wie eine Flosse aussieht und in der Weise
1) Nord. Med. Arkiv 1872. 131
gebildet ist, dass die Zellenscheide sich etwas später theilt als das Bündel. Die Scheide begleitet dann die ein-
zelnen Zweige des Bündels in ihrem weiteren Verlaufe, ganz wie sie das ungetheilte Bündel umschliesst. Die um-
spinnenden Fasern (Taf. XIV Fig. 13) oder die Fibrillenscheide (Taf, XV Fig. 4, Taf. XII Fig. 5), wenn sie vor-
handen sind, theilen sich auch bei der Verzweigung der Balken und begleiten die einzelnen Zweige, ganz wie oben
von den ungetheilten Balken beschrieben wurde. Hierbei können indessen verschiedene Variationen entstehen; bald
werden die umspinnenden Fasern eben an der Theilungsstelle spärlicher oder können sogar aufhören, entweder an
beiden oder nur an dem einen Zweig; in gleicher Weise kann die Fibrillenscheide an der Theilungsstelle sich ver-
dünnen oder verschwinden oder nur an dem einen Zweig sich fortsetzen; zuweilen wird sie von umspinnenden Fasern
ersetzt (Taf. XIV Fig. 11).
Ein Balken kann sich aber nicht nur in zwei theilen. Andermals entstehen nämlich bei der Verzweigung drei,
vier oder noch mehr einzelne Balken, deren Bündel in der verschiedensten Weise mit einander sich verflechten und
die in mancherlei Richtungen verlaufen können. Bei solchen Verzweigungen erhält jeder Zweig eine geschlossene
Zellenscheide sowie umspinnende Fasern, resp. Fibrillenscheide, und ist dann ganz wie die anderen Balken gebaut.
Die so verzweigten Balken können sich dann, was sehr oft geschieht, in ganz derselben Weise noch ein oder mehrere
Mal verzweigen, Andermals laufen sie mit anderen Balken wieder zu einem einzigen zusammen, und dieser
geht dann, von seiner Zellenscheide etc. umschlossen, weiter fort, ganz wie oben beschrieben wurde; die Bündel
der einzelnen Balken flechten sich dabei gewöhnlich mit einander zusammen; zuweilen laufen sie doch unverflochten
neben einander, jede von seinen umspinnenden Fasern, resp. seiner Fibrillenscheide, umschlossen in der gemeinsamen
Zellenscheide fort, um sich dann vielleicht weiter zu trennen und in verschiedene Balken zu verzweigen. Zuweilen
sieht man, dass die freien neben einander in der Zellenscheide verlaufenden, umsponnenen Balken jede noch eine
eigene Zellenscheide besitzen. Zuweilen findet man sogar eine ganze Reihe solcher, je mit umspinnenden Fasern
und Zellenscheiden versehenen Balken von einer gemeinsamen Zellenscheide und gemeinsamen umspinnenden Fasern
umgeben und so einen dicken zusammengesetzten Balken bildend (Taf. XIV Fig. 14). Bald wird eine Reihe
solcher einzelner Balken durch mehrfach oft netzförmig verzweigte, sie äusserlich dicht umgebende Balken zusammen-
gehalten (Taf. XIV Fig. 16); sie bilden in dieser Weise eine andere Art zusammengesetzter Balken. Von besonderem
Interesse ist es beim Anastomosiren der Balken, das Verhalten der Zellenscheide zu studiren. AVie schon erwähnt ist,
bildet sie bei der Balkentheilung oft weitere Aussackungen in den Winkeln zwischen den Balken. Bei stärkerer
Anastoraosirung der Balken sieht man oft diese mehr oder weniger schwimmhautähnlichen Ausstülpungen der Zellen-
scheide an mehreren AVinkeln an einer und derselben Lücke des Balkennetzes. Auf die Bedeutung dieses Verhaltens
der Zellenscheide für die Entstehung zusammenhängender Häutchen werden wir bald unten eingehen.
Durch die Verzweigung und Wiedervereinigung aller dieser verschiedenen Balken entstehen die verschiedensten
Balkennetze. Es ist nicht möglich, alle die zahllosen Variationen der Balkennetze, die in dieser Weise entstanden
in der Natur vorhanden sind, zu schildern. In unseren Tafeln haben wir versucht, einige, die zum Verständniss ihrer
Bildung und ihres allgemeinen Aussehens sowie zur Erklärung einzelner für die Bindegewebslehre wichtiger Fragen
nöthig sind, wiederzugeben. Unsere Figuren sind dem subarachnoidalen Gewebe des Rückenmarks sowohl als
demjenigen des Gehirns, und des Menschen (am meisten) sowie demjenigen einiger Thiere (Hund, Katze) entnommen.
In Bild ist es indessen nicht leicht, diese oft wunderbar schöne Balkennetze mit ihren hellen, glänzenden, zierlich in
den verschiedensten Richtungen und Anordnungen verlaufenden, verzweigten Balken und ihre glasartig durchsichtigen,
ausserordentlich dünnen Zellenscheiden darzustellen. Wenn dazu noch die Kerne durch Anilin (resp. Carmin) gefärbt
sind, können diese Bilder gewiss unter die schönsten, die die Histologie aufzuweisen vermag, gerechnet werden.
Alle sind nach demselben Gesetze gebaut, »alle ähneln einander, und doch ist keiner dem anderen gleich».
Diese verschiedenen Gestalten der Balkennetze im Wort zu beschreiben ist aber wie gesagt noch schwieriger,
und müssen wir darauf verzichten. Hier sollen nur einige der hauptsächlichsten Formen angedeutet werden. Wenn wir
von derjenigen ausgehen, wo die einzelnen Balken nur dicht beisammenliegen und nur sehr sparsame Verzweigungen
oder Anastomosen bilden (wie an der Taf. XII Fig. 2), so finden wir bis auf die undurchbrochenen Häutchen eine
ganze Reihe von Abstufungen. Die Balken treten in eine immer nähere Berührung mit einander, gehen mehr und
mehr Anastomosen mit einander ein, am gewöhnlichsten in der Flächenausbreitung. Es entstehen in dieser AVeise
die schon oben erwähnten »Balkenhäutchen». Zwischen den vielfach anastomosirenden Balken bleiben mehrfach
gestaltete, grössere oder kleinere Löcher. Je reichlicher die Anastomosen, um so kleinerer werden diese Löcher
o 7 o
und Lücken. AVenn die Löcher regelmässiger angeordnet sind, entstehen die schon oben besprochenen, zierlichen, 132
fenestrirten Häutchen oder »Fensterhäutchen)) (wie z. B. Taf. X Fig. 7). Bei diesen Anastomosen werden immer, wie
oben geschildert wurde, die einzelnen Balken und Balkennetze von der überall fortgesetzten Zellenscheide mit ihren
Kernen und Protoplasmaüberresten rings umgeben, und die umspinnenden elastischen Fasern pflegen auch die netz-
bildenden Balken ganz in derselben Weise und in derselben wechselnden Anordnung zu umspinnen, wie an den
einzelnen, freien Balken der Fall war; hier scheint indessen die ring- und spiralenförmige Beschaffenheit dieser
Fasern die gewöhnlichste zu sein. Wenn man Essigsäure zu einem solchen Netz zusetzt, entsteht ein Bild wie die
Fig. 13 der Taf. XIVT wiedergiebt. Innerhalb der Zellenscheide sieht man die ringförmigen Einschnürungen der um-
spinnenden Fasern zwischen den bauchigen Ausbuchtungen der angeschwellten Fibrillenbündel des Balkennetzes.
Hier und da findet man in solchen Balkennetzen einen mit Fibrillenscheide bekleideten Balken verlaufen, der
zwischen den anderen Balken eingeschaltet ist und sogar mit seinen Enden in diese übergeht, indem seine Fibrillen-
scheide sich mehr weniger schnell verliert und verschwindet oder sich ein wenig auf die angrenzenden Balken des
Netzes fortsetzt (Taf. XV Fig. 10). Bald sind solche Fibrillenscheidebalken reichlicher vorhanden; bald haben sie
das Uebergewicht über die anderen umsponnenen Balken des Netzes; bald sind sie sogar ausschliesslich vorhanden,
wobei ein solches zierliches Netz, wie die Fig. 5 der Taf. XII darstellt, gebildet wird. Nicht selten findet man
grössere Ausbreitungen solcher eigenthümlichen Netze von reichlich anastomosirenden Fibrillenscheidebalken, wo
die Lücken zwischen den mehr oder weniger mehrschichtigen und dicken Fibrillenscheiden nur relativ klein sind;
überall werden auch hier die Fibrillenscheiden von vollständigen Zellenhäutchenscheiden bekleidet.
Von den durchlöcherten Balkennetzen ist der nächste Schritt zu der Form, wo die Löcher und Lücken durch
eine Ausbreitung der Zellenhäutchen mehr oder weniger gefüllt und verdeckt werden (Taf. X Fig. 6, 7, Taf. XI
Fig. 3, Taf. XII Fig. 3, 4). Diese Scheiden können nämlich, statt die Balken rings zu umhüllen, sich jederseits
flächenhaft über die Lücken von dem einen Balken zum anderen hinüberspannen. In dieser Weise wird die Aus-
füllung dieser Lücken durch zwei Schichten ausserordentlich dünner Zellenhäutchen gebildet, die sich dicht Zusam-
menlegen und so fest mit einander verschmelzen, dass man ihre Bildung aus zwei Lamellen gewöhnlich nur durch
eine genaue Durchmusterung ihrer Zellenkerne herausfinden kann; man sieht nämlich hie und da zwei Kerne, von
welchen der eine über dem anderen liegt, denselben mehr oder weniger bedeckend und also in einer höheren Ebene
als dieser sich befindet; da die Zellenhäutchen der Balken sonst nur einschichtig sind, so geht schon daraus hervor,
dass an den fraglichen Lücken, wo zwei Schichten vorhanden sind, ihre Bildung in der genannten Weise geschieht.
Dies wird noch auffallender dadurch, dass oft an den beiden Flächen der Lücken die Kerne mit der einen Hälfte
über den Balken, mit der anderen über den Lücken sich befinden. Und endlich wird diese dadurch bestätigt, dass
man an den Silberbildern, wenn diese gelungen sind, die doppelte Zellenzeichnung wahrnimmt und an den beiden
entgegengesetzten Flächen diese Zeichnung von den umgebenden Balken über die Lücken sich fortsetzen sieht.
Es ist dies eine Thatsache, die für die Auffassung einiger der wichtigeren Fragen in der Bindege webslehre von grosser
Bedeutung ist. Man hat hier, wie wir früher hervorgehoben haben, einen Prototyp der Häutchenbildung im Binde-
gewebe, der überall im Körper wieder und wieder zurückkommt. Nicht selten sieht man mitten in solchen aus-
gekleideten Lücken kleinere Löcher des Häutchens. Es ist dabei oft schwer zu entscheiden, ob diese Löcher
natürlich oder durch die Präparation (Zerreissung) entstanden sind; zuweilen sind die Ränder gezackt, und dann
ist die künstliche Entstehungsweise auffallend; oft sind sie aber eben und dann gewiss im Allgemeinen natürlich;
zuweilen zeigen sie aber dabei die Grösse und Gestalt eines Kerns und sind dann gewöhnlich durch das Ausfallen
eines solchen entstanden; wenn nämlich ein Kern aus dem Häutchen weggerissen wird, nimmt er den anliegenden
Theil des mit ihm angewachsenen Häutchens mit sich. Die natürlichen, also mit Sicherheit nicht durch etwaige
Zerreissung entstandenen Löcher sind in ihren verschiedenen Abstufungen interessant zu verfolgen. Man findet
nämlich hier, wie an den oben beschriebenen Balkenverzweigungen, die verschiedensten Uebergangsformen von kleinen
schwimmhautähnlichen Häuten in den Winkeln zwischen den Balken bis zu fast und ganz vollständiger Ausfüllung
der Lücken.
In der geschilderten Weise wird nun eine grössere oder geringere Anzahl der Lücken mit ausserordentlich
dünnen Häutchen ausgefüllt. An diesen Häutchen, die wie die oben beschriebenen Scheiden der Balken glashell
und fast homogen oder nur verschwindend feinkörnig sind, sieht man, ausser den Kernen und dem in ihrer Umge-
bung in verschiedener Gestalt (rundlich, bipolar, multipolar etc.) angesammelten, etwas grösseren, körnigen Ueberrest
des Protoplasma sowie ausser einigen zerstreuten etwas grösseren glänzenden Körnern, die bisweilen haufenweise
zusammenliegen zuweilen auch eine feine Streifung, die in den verschiedensten Richtungen verlaufen kann. 133
Bei näherer Untersuchung findet man, dass sie zuweilen dadurch entsteht, dass einzelne kleine Fibrillenbündel
sich aus den Balken lösen und zwischen den Häutchenschichten der Lücken in verschiedener Anordnung verlaufen;
sie haben dann das Aussehen bindegewebiger Fibrillen, die gewöhnlich in mehr gesammelten Partien über die Lücken
passiren, um sich an die Fibrillenbündel der gegenüberliegenden Balken zu legen und dann mit diesen weiter zu
o-ehen. Im Allgemeinen ist indessen diese Streifung anderer Art. Wenn man sie näher verfolgt, findet man, dass
O* _ Ö
sie aus eigenthümlichen, steifen, mehr einzeln in den verschiedensten Richtungen laufenden Fasern bestehen, die ohne
mit den Fibrillenbalken zu verschmelzen oder von ihnen abzuhängen über dieselben quer oder in einem spitzigen
Winkel sich fortsetzen (Taf. XV Fig. 10). Sie sind gewöhnlich sehr fein, können aber zuweilen etwas gröber sein,
und auch spärlich oder reichlicher Vorkommen. Sie ähneln bis zu einem gewissen Grade feinen elastischen Fasern,
und dies wird oft durch Essigsäurezusatz bestätigt; zuweilen sieht man, dass sie zwischen zwei übereinanderliegenden
Kernen der Lückenhäutchen laufen. Hier hat man also noch ein Beispiel von dieser eigenthümlichen feinen elastischen
Faserausbreitung unter, hier zwischen, den Endothelzellenhäutchen, wie wir dieselbe schon mehrmals beschrieben
haben und später noch öfter an anderen Orten wiederfinden werden.
Wenn, wie z. B. an der Taf. XV Fig. 10, Balken mit Fibrillenscheide in einem Balkennetz dieser Art Vor-
kommen, verhalten sich die Zellenhäutchen und die elastische Faserausbreitung ebenso ganz in der geschilderten
Weise; die letztere scheint gar nicht mit den Fibrillen der Fibrillenscheide in Zusammenhang zu treten oder aus
ihnen zu entspringen.
Wie wir jetzt beschrieben haben, entstehen die verschiedenen Formen der subarachnoidalen Balkennetze.
Je mehr die Lücken und Löcher zwischen den Balken durch flächenhafte Ausbreitung der endothelialen Zellenhäutchen
ausgefüllt werden, desto mehr wird ein solches Balkennetz zur Bindegewebshaut (wie z. B. an der Taf. X Fig. 4, 5,
8, 9; Taf. XII Fig. 1); wenn alle Lücken in dieser Weise gefüllt sind, dann ist ja die Haut vollständig. Solche
vollständige oder mehr oder weniger durchlöcherte Häute kommen vielerlei in den subarachnoidalen Räumen vor;
sie durchziehen die Cisternen, sie sind über Blutgefässe und Nervenwurzeln ausgespannt u. s. w. An ihnen befestigen
sich oft, bald in grösserer bald in kleinerer Zahl, freie, einzeln verlaufende Balken, und eben durch solche Balken
werden die Häute gewöhnlich an ihren Plätzen angeheftet und gespannt. Der Ansatz dieser freien Balken geschieht
in derselben Weise wie' die Vereinigungen der Balkennetze (Taf. X Fig. 4, 5; Taf. XI Fig. 5; Taf. XII Fig. 1).
Das centrale Fibrillenbündel des Balkens läuft in das Balkennetz der Bindegewebshaut aus; dabei legt es sich ent-
weder ungetheilt einem ihrer Balken an, oder, was viel gewöhnlicher, ja sogar die Norm ist, es lösen sich seine
Fibrillen in mehrere Bündel auf, und diese strahlen in verschiedener Weise aus, indem sie, nach verschiedenen
Richtungen divergirend, als selbstständige Balken in der Haut verlaufen oder zuweilen anderen Balken der Haut sich
anschliessen, um dann in inniger Vereinigung mit ihnen ihren Weg weiter zu verfolgen. Die Zellenscheide geht immer
von diesem Balken an der Anheftungsstelle in das bekleidende Zellenhäutchen der Haut über (wie z. B. Taf. X Fig. 4);
dabei sieht man oft, etwa wie oben von der Verzweigung der Balken geschildert wurde, verschieden gestaltete
Erweiterungen dieser Scheide oben am Uebeigang dei Balken in die betiefiende Haut.
Die aus Balkennetzen durch Ausfüllung ihrer Lücken in der angegebenen Weise gebildeten Häute können
indessen auch zu fibrillären Häuten werden, indem die Fibrillenbündel der Balken sich mehr theilen und weiter aus-
breiten, wobei sie die sonst nur von Zellenhäutchen bekleideten Lücken mehr oder weniger ausfüllen. Je mehr diese
Anordnungsweise durchgeführt ist, desto mehr wird die Haut aus einer zusammenhängenden Schicht fibrillären
Bindegewebes bestehen, deren Fibrillen bald nur nach einer, bald nach verschiedenen Richtungen verlaufen; gewöhn-
lieh findet man auch bei ihnen eine mehr oder weniger ausgesprochene Anordnung zu Bündeln, obwohl die Zwischen-
räume derselben oft sehr schwach angedeutet sind. Heber den beiden Flächen dieser Häute schmiegen sich, wie
sonst, in die befindlichen Vertiefungen sich einsenkend, endotheliale Zellenhäutchen ganz von den oben geschilderten
Eigenschaften • unter diesen Häutchen, in inniger Verbindung mit ihnen, sieht man oft eine Streifung, die von äusserst
feinen, in verschiedenen Richtungen angeordneten, gewöhnlich einander kreuzenden Fasern herrührt. Zwischen den sonst
wenig ausgesprochenen Fibrillenbündeln solcher Häute findet man indessen nicht selten noch Kerne eingelagert, die den
bekleidenden Endothelhäutchen selbst nicht angehören. Diese Kerne sind gewöhnlich mehr langgestreckt, spindelförmig;
das Protoplasma ist an ihren Spitzen bipolar angeordnet; sie liegen reihenweise den Bündeln dicht an, sind aber
gewöhnlich in den engen Zwischenräumen zwischen zwei solchen Bündeln diesen beiden so angedrückt, dass es oft
schwer oder sogar unmöglich ist zu bestimmen, zu welchem von ihnen sie eigentlich, falls überhaupt zu irgend
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 134
einem derselben, gehören. Ausser dem Kern und dem körnigen Protoplasma dieser Zellen sieht man oft keinen
weiteren Bestandtheil, ja es ist sogar fraglich, ob sie immer wirkliche Plattenzellen und ob sie mit der ge-
wöhnlichen flächenhaften, dünnen, homogenen Ausbreitung versehen sind; bei anderen Gelengenheiten sieht man
indessen an ihnen die dünne Häutchenausbreitung, und dann bilden diese Zellen offenbar eine endotheliale Bekleidung
der Fibrillenbündel oder Scheidewände zwischen ihnen, die sich dann gewöhnlich an dem Zellenhäutchen der Ober-
fläche der betreff. Haut anlegen und mit ihm verschmelzen. Hier liegt eine für die Bindegewebslehre wichtige
Frage vor, ob nämlich solche beisammenliegenden Fibrillenbündel, jede für sich, eine Zellenbekleidung tragen oder
ob nur eine solche wie eine Zwischenwand sie von einander trennt. Zuweilen kann man in dergleichen Fällen wirklich
zwei, von einem canalartigen Zwischenraum geschiedenen Zellenhäutchen, jedes dem Bündel seiner Seite angehörend
wahrnehmen; zuweilen ist es aber nicht möglich mehr als ein solches zwischen den beiden Bündeln zu entdecken,
obwohl es oft mehr als möglich ist, dass dieses scheinbar einfache Häutchen aus zwei beisammenliegenden, mit ein-
ander verschmolzenen Häutchen entstanden ist. Dies ist gewiss sehr schwierig, in allen Fällen endgültig zu ent-
scheiden.
Die zuletzt beschriebenen Häute gehen nicht selten an den Seiten in durchlöcherte Häute oder sogar in Balken-
netze über, und an ihnen befestigen sich oft verschieden zahlreich freie Balken, die sich dabei zu ihnen ganz
in derselben Weise verhalten wie zu den oben beschriebenen Netzhäuten; oft schwellen durch Auseinander-
lösung ihrer Fibrillen die Balken in der Nähe ihres Ansatzes an, und die Bündel laufen schlingend und gewunden
wie Wurzeln in mancherlei, oft recht phantastischer Weise in die Fibrillenlage der Haut über, um zusammen mit
ihren Bündeln ihren Weg nach verschiedenen Richtungen fortzusetzen. In dieser Weise endigt eben ein grosser
Theil der oben beschriebenen freien einzelnen subarachnoidalen Balken, wie z, B, Taf. X Fig. 4, 5. Die übrigen
vereinigen sich mit anderen derartigen Balken, mit Balkennetzen oder durchlöcherten Häuten, denn immer sind ihre
beiden Enden an andere bindegewebige Bildungen angeheftet, wobei die Balken je nach der Ausfüllung der sub-
arachnoidalen Räume durch Flüssigkeit mehr oder weniger straff gespannt sind. Dieser verschiedenen Ausdehnung
wegen müssen sie eine gewisse Elasticität besitzen. Oft sieht man sie auch, wenn die Anheftungsstellen nachgeben,
zusammenschnellen, spiralig sich aufwinden u. s. w. Nicht selten findet man an ihnen aufgerollte Knötchen ihrer
Fibrillenbündel, die das Aussehen einer Art von Glomeruli darbieten. In den Balken, d. h. innerhalb der Zellen-
scheide, laufen auch nicht selten eine oder mehrere elastische Fasern, die wahrscheinlich für die Streckung und die
elastische Zusammenziehung der Balken von Bedeutung sind. Sie gehen am Ansatz der Balken in den anderen
bindegewebigen Bildungen über. Bei Essigsäurezusatz treten sie besonders hervor; dann scheint es sogar bisweilen,
als ob sie in dem Fibrillenbündel selbst liegen.
Es giebt in den Subarachnoidalräumen aber noch einige Bildungen, an denen solche Balken sowie auch Netze
und Häute sich anzusetzen pflegen. Es sind dies die dieselben durchziehenden Blutgefässe und Nerven. Blut-
gefässe kommen nämlich in nicht unbeträchtlicher Zahl und in weiten Strecken frei verlaufend in den subarachnoidalen
Räumen vor. Ueberall findet sich um dieselben ein zusammenhängendes Häutchen oder eine Scheide endothelialer
Zellen von ganz derselben Art wie die der Balken, die sogar nach Silberfärbung die gewöhnliche schöne Mosaik der
Endothelzellengrenzen zeigen. An diesen Blutgefässen, die sich hie und da während ihres Verlaufes verzweigen
und dabei dieselbe Scheidenbildung zu den Zweigen abgeben, befestigen sich, wie angedeudet wurde, freie Balken,
Balkennetze und Häute, wobei sie Fibrillenbündel mit einander austauschen und die Endothelhäutchen von dem
einen in den anderen direct in der oben geschilderten Weise übergehen. Oft gehen die Blutgefässe, besonders
die grösseren, in dieser Weise fast frei, nur sparsam mittelst Balken befestigt und also mehr lose an die um-
gebenden Theile gebunden, durch die serösen Räume fort; andernfalls sind sie, besonders die feineren, mittelst einer
Menge solcher Balken oder durch wirkliche Häute an die bindgewebigen Wände der serösen Räume fester geheftet,
oder sie laufen, den Häutchen dicht anhaftend, zuweilen, wie es scheint, in ihnen eingeschlossen (Taf. V Fig. I—4).1—4).
Die diese Räume durchziehenden Nerven sind entweder die Wurzeln der Cerebrospinalnerven oder auch feinere
aus diesen stammenden Abzweigungen, die theils nur Verbindungszweige derselben sind, theils aber auch Fasern
zur weichen Haut abgeben. Die cerebrospinalen Wurzeln, von denen unten näher berichtet werden soll, sind auch
von einer endothelialen Umhüllungshaut umgeben, die oft sehr schöne Zellenzeichnung nach Silberfärbung zeigt und
die als die äusserste Schicht gleichartiger Häute (Perineurium) angesehen werden kann. An diesen Nervenwurzeln
befestigen sich Balken in der gewöhnlichen Weise, und auch Balkennetze und mehr oder weniger durchlöcherte Häute
haften an ihnen und binden sie zusammen und an den Wänden der Räume. In derselben Weise werden auch die 135
zwischen den Wurzeln hinüberspringenden Nervenfasern von endothelialen Häutchen umhüllt. In den subarachnoidalen
Räumen findet man ferner hie und da Balken, welche Nervenfasern in verschiedener Zahl enthalten, entweder frei
oder mehr oder weniger der Arachnoidea, den subarachnoidalen Häuten oder der Pia angeheftet, oft auf weite Strecken
durch die genannten Räume ziehen, wobei sie zuweilen einzelne Nervenfasern zu anderen anastomosirenden Balken
abgeben oder von solchen aufnehmen können (Taf. XIII Fig. 5). Diese letzteren feineren Nervenbündel sind gewöhn-
lich auch von Bündeln fibrillären Bindegewebes begleitet; auswendig sind sie immer von einer endothelialen Zellen-
hülle umgeben. Man kann es auch so auffassen, was vielleicht richtiger ist, dass die Nervenbündel durch sub-
arachnoidale Balken, von deren Hüllen umgeben, laufen. In anderen Fällen gehen Nervenbündel in dünnen
(subarachnoidalen) Häutchen, wie es scheint in ihnen eingeschlossen (Taf. XIII Fig. 4).
2. Specielle Histologie der weichen Haut
Nach dieser allgemeinen Schilderung vom Bau des Bindegewebes der Hirn- und Rückenmarkshäute, werden
wir die Zusammensetzung derselben, jeder für sich, etwas eingehender, mehr topographisch darstellen, ohne uns
jedoch auf unwichtigere Einzelheiten einzulassen.
Arachnoidea.
Historischer Rückblick.
Heber den Bau der Arachnoidea äussern die meisten Verfasser, dass diese Haut aus feinen, in verschiedener
Weise sich kreuzenden Bindegewebsbündeln gewebt ist, dass sie auf ihrer Aussenseite ein Epitheliam trägt und
dass an ihrer inneren Fläche mehr oder weniger zahlreiche Bündel des subarachnoidalen Gewebes sich ansetzen.
Henle beschreibt diesen Gegenstand früher schon etwas ausführlicher. An einem dünnen Plättchen der Arachnoidea,
sagt er, erscheint, wenn das Epithelium entfernt ist, zwischen den Maschen der Bindegewebsbündel eine fein granu-
lirte, membranartig ausgebreitete Substanz, welche die Lücken ausfüllt und besonders deutlich am Rande des
Plättchens ist. Die dünnsten Partien der Bindegewebsschicht in freien Theilen der Arachnoidea des Gehirns bestehen
aus ziemlich parallelen, häufig anastomosirenden Bündeln, welche daher ein Netzwerk mit länglich rhomboidalen
Maschen darstellen. Wo die Arachnoidea fester ist, liegen die Fasern dicht neben einander in mehreren, einander oft
kreuzenden Schichten. Nach Kölliker enthält die Arachnoidea spmahs Bindegewebe mit Kernfasern in etwas eigen-
thümlicher Anordnung. Ersteres besteht aus netzförmig anastomosirenden Bündeln, welche zu mehreren, deutlich
nachweisbaren Lamellen, äusseren mit schwächeren, inneien mit stäikeren Bündeln und zugleich weiteren Maschen
verbunden sind. Die Kernfasern liegen seltener in den Bündeln, sondern laufen als umspinnende Fasern um dieselben.
An der Aussenseite der Arachnoidea findet sich ein Epithelium, an der Innenseite nicht. Die Arachnoidea cerebralis
besteht, abgesehen von dem äusseren Epithel, vorzüglich aus netzförmig vereinten Bindegewebsbündeln mit um-
spinnenden Kernfasern in mehreren Schichten. Ausserdem finden sich erstens mehr in den äusseren Schichten parallel
verlaufende Fibrillen ohne deutliche Bündelbildung mit runden, länglichen, selbst spindelförmigen Kernen und ein- 136
zelnen geraden Kernfasern und zweitens mehr homogene Bindesubstanz zwischen den netzförmigen Bündeln und hie
und da als Hülle der Bündel selbst. Nach Luschka hat die Arachnoidea spinalis zu ihrer wesentlichen Grundlage
netzförmig untereinander verbundene dünnere und dickere Bindegewebsbündel, welche vielfach von feinen elastischen
Fasern in Spiraltouren umwickelt sind. Ausserdem sah er in derselben reichliche, isolirte Bindegewebsfibrillen. Auf
beiden Flächen der Haut findet sich nach ihm eine Epithelialbekleidung, welche sich über diese von der inneren Fläche
auf die ganze Pia spinalis erstreckt. Die Arachnoidea cerebralis besteht nach ihm aus theils homogenen, theils längs-
gestreiften, meist aus wirklich getrennten Fibrillen zusammengesetzten Zellstoffsträngen, welche unter einander zu einem
sehr unregelmässige Maschenräume enthaltenden Netzwerke verbunden sind. Isolirte Fibrillen sieht man überall zwischen
den Bündeln und begegnet ihnen als einer dünnen Lage an der Oberfläche, unter dem Epithelium. Sehr zahl-
reiche feine elastische Fasern finden sich theils im Inneren der Bündel, theils um sie herumgewickelt. Das Epithel
besteht aus Kernen, in eine feine Molecularmasse eingestreut; das Epithel der äusseren Fläche beschrieb er ein
anderes Mal als aus zwei Schichten bestehend, von denen die obere von der Jüngern untern verschieden ist; die erstere
wird durch eine nicht continuirliche Lage polygonaler, meist kernloser Plättchen gebildet, während die zweite Schichte
aus meist ovalen, granulirten Körpern besteht, die durch eine feinkörnige Molecularmasse zusammengehalten werden.
Nach Feommann besteht die Arachnoidea spinalis aus einem Netzwerk von nach den verschiedensten Richtungen hin
sich durchkreuzenden Bindegewebsbündeln und Fasern. Ziemlich häufig fand Feommann die Hauptmasse ihres Gewebes
aus elastischen Balken, Platten und Fasern zusammengesetzt, zwischen denen ein feines streifiges Bindegewebe zu
Tage tritt. Die zwischen den Fasern, eingestreuten Bindegewebskörper bestehen aus spindel- und sternförmigen
Elementen, neben denen auch einzelne rundliche oder ovale Zellen Vorkommen. Später erwähnt Henle an der in-
neren Fläche der Arachnoidea ein Epithelium, das sich auf die Subarachnoidalbalken fortsetzt. Nach 801 l stellt
die Arachnoidea (z. B. des Hundes) keineswegs ein regelloses Gewirre von stärkeren und schwächeren, zu einem Filz
verwebten Bindegewebsbündeln dar, sondern zeigt eine sehr deutliche Anordnung derselben in der Weise, dass sich
in ihr bestimmte Centra finden, von denen aus die dicht an einander stehenden Bündel radienförmig ausstrahlen.
Nur wo die Faserbezirke einander berühren, entsteht eine Verfilzung der Bündel. Die Dicke der Membran ist je
nach Thierart und Region verschieden. Die innere Grenze der Membran ist absolut nicht mit Sicherheit festzustcllen,
indem mehr oder weniger zahlreiche Bündel sich davon ablösen. In Zusammenhang mit unserer Darstellung des Sub-
arachnoidalgewebes beschrieben wir die Arachnoidea als aus eben denselben Elementen und nach denselben Prinzipien
wie dieses gebaut. Man findet sie also aus Balkennetzen gewöhnlich in mehreren Schichten gebildet, welche sich
reichlich, in der Regel mit netzförmiger Anordnung der Balken, verbinden. Die Lücken werden mehr oder weniger
vollständig von Häutchenzellen ausgefüllt, und die Balken strahlen zwischen ihnen aus. An den innersten Schichten
ist die Verschliessung der Lücken oft unvollständig, d. h. sie sind nach Art eines durchbrochenen einfachen Häutchens
gebildet; man sieht kleine Oeffnungen oder Lücken in der inneren, oberflächlichsten Schicht. Im Boden dieser Lücken
findet man eine tiefere Schicht mit ihren Häutchenzellen. Die Arachnoidea ist dann an ihrer freien Fläche von einer
zusammenhängenden Lage solcher Zellen überzogen, welche hier das früher bekannte Epithel bilden, an dem man
auch ohne Silberfärbung leichter die Zellengrenzen sieht. Die Subarachnoidalbalken gehen direct in die Arachnoidea
über und breiten sich darin aus, diese Membran dadurch stellenweise verstärkend, während ihre Scheiden in die
Zellenhäutchen selbst übergehen. Bisweilen ist die ganze Membran nur von einem Paar Balkenschichten mit ihren
doppelten Zellenhäutchen gebildet. An anderen Stellen wird sie an der Innenseite bedeutend verstärkt, so besonders
an der hinteren Fläche über dem Septum posticum mit seinem reichen Subarachnoidalgewebe.
Im Allgemeinen haben die Anatomen in der, wie oben übrigens erwähnt, von ihnen verschiedenartig auf-
gefassten Arachnoidea nur bindegewebige Bündel, elastische Fasern (oder Kernfasern) und epitheliale Zellen
gefunden. Doch giebt es in dieser Beziehung auch merkwürdige Ausnahmen. Schon bei älteren Verfassern
findet man Angaben über Lymphgefässe in der Arachnoidea; Baeba sah sogar darin »ein wundervolles Gewebe
von lymphatischen Gefässen», die sich mit einander verflochten. Nach Buedach enthält sie »bloss Serum führende
Haargefässe und wahrscheinlich auch Saugadern». Nach Valentin erscheinen in ihr breite, verästelte, faserige
Gebilde, welche vielleicht aber nur entleerte Gefässe sind. Auch Nerven sind von einigen Verfassern in der Arach-
noidca beschrieben; so z. B. von Rainey x), Volkmann und Bochdalek2). Letzterer sah sie in der Arachnoidea
cerebri vom Accessorius, der Portio minor trigemini und dem Facialis; auch in der Arachnoidea an der Cauda equina
’) On the Ganglionic character of the arachnoid mcmbran of thc brain and spinal marrow. Med. ebir. Trans. XXIX.
2) Prag. Vierteljahrschr. 1849. 137
fand er äusserst viele Nerven, »so dass stellenweise die Arachnoidea fast ganz ans Nervenröhren zusammengewebt
schien». Offenbar haben diese Verfasser die Netze der Bindegewebsbündel für Nerven genommen, wie schon längst
Kölliker hervorhob; dieser Forscher fand nie Nerven in der Spinnwebenhaut selbst, wohl aber an den sie durch-
setzenden Gefässen und in den Balken, welche von ihr zur Pia abgehen. Volkmänn gab an, dass er in der Arach-
noidea cerebri des Kalbes und Schafes reiche Netze feiner Fasern fand, welche bestimmt aus dem Sympathicus
stammten. Luschka fand auch in der Arachnoidea nach ausführlichen Untersuchungen Blutgefässe und Nerven, aber
in ausserordentlich geringer Menge. Endlich erwähnt Leniiossek die Angabe Bochdaleks als eine erwiesene Thatsache.
Histologische Beschreibung.
Schon bei der makroskopischen Beschreibung der serösen Räume und ihrer Begrenzungen wurde die Arach-
noidea als eine überall sehr dünne und überall zusammenhängende Haut beschrieben, die nach aussen an gewissen
Orten Verbindungen mit der Dura, nach innen aber, besonders am Gehirn und am hinteren Umfang des Rücken-
marks, viel reichlichere Verbindungen, und dies eben durch das Subarachnoidalgewebe, mit der Pia mater eingeht.
Ihrem feineren Baue nach stellt die eigentliche Arachnoidea eine bindegewebige Haut von verhältnissmässig einfacher
Zusammensetzung dar, die nach den, im vorigen Capitel in allgemeinen Zügen geschilderten Principien gebaut ist.
Sie besteht überall aus einer Lage verflochtener fibrillärer Balken, die an der äusseren sowohl als an der in-
neren Fläche mit je einer Endothelzellenschicht bekleidet ist; nach innen von dieser Lage wird die Arachnoidea
durch eine Schicht theils inniger mit ihr vereinigter, theils mehr isolirt verlaufender Balkennetze und Häutchen
verstärkt.
Wegen der etwas verschiedenen Beschaffenheit der Arachnoidea spinalis und cerebralis werden wir sie be
sonders beschreiben.
In Betreff des Baues der Arachnoidea spinalis kann unter den etwas wechselnden Formen folgende als die
typische betrachtet werden. Die äussere Schicht, die eigentliche Hauptschicht, besteht überall aus einer dünnen Lage
von unter sich parallelen, längsgehenden (längs der Axe des Rückenmarks verlaufenden), feinen Fibrillenbündeln,
die fast eine zusammenhängende Schicht bilden, und wenn mehr gespannt, gerade, wenn nicht gespannt, wellenförmig
angeordnet sind.
Hie und da sieht man in dieser Schicht in schmalen Spalten zwischen den Bündeln längliche kernartige
Bildungen und kleine Körnerhaufen, aber keine elastische Fasern. Nach Zusatz von Essigsäure treten auch in dieser
Schicht keine elastische Fasern hervor; zwischen den jetzt stark angeschwollenen Bündeln sieht man aber viel reich-
licher und deutlicher die schmalen, spindelförmigen Kernbildungen und an ihren Enden spitz auslaufende Kornan-
sammlungen, die letzteren als Protoplasmareste erscheinend. Die Zusammensetzung der sonst scheinbar fast zusam-
menhängenden Fibrillenschicht aus einzelnen, dicht beisammenliegenden, feinen Bündeln wird in dieser Weise
deutlicher dargelegt.
Das an der äusseren Seite der Fibrillenschicht liegende Endothel (Taf. XIII Fig. 6) schmiegt sich ihr dicht an,
löst sich aber auch in Fetzen sehr leicht ab und erweist sich dann als ein ganz dünnes Häutchen, in welchem die
Kerne einander sehr nahe liegen, ja sogar hie und da sich theilweise decken. Schon aus dem letzteren Um-
stand geht hervor, dass diese Schicht aus mehr als einer Zellenlage bestehe; durch Silberfärbung (Taf. XIII Fig. 7)
erhält man oft sehr schöne Zeichnung der Zellengrenzen, und dabei werden zwar nicht selten doppelte Zellenlagen
gezeichnet. Ringsum die Kerne färbt sich durch Anilin eine kleine Körnerzone. Zu dieser Zellenschicht gehört kein
elastisches Häutchen; auch nach elastischen Fasern sucht man hier vergebens; zwar kann man bisweilen in kürzeren
Strecken äusserst feine, kreuzende Fasern dicht unter dem Endothel wahrnehmen, sie verschwinden aber nach
Zusatz von Essigsäure.
Key und Ketziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 138
Das an der inneren Fläche der Fibrillenschicht befindliche Endothel (Taf. X Fig. 4) besteht ans Häutchenzellen
in einfacher Lage, die sich der genannten Schicht ganz dicht anschmiegt. Die Kerne dieser Zellen sind von sehr
wechselnder Grösse, so dass einzelne sogar doppelt so gross sind als die kleineren. Auch hier nimmt man kein
elastisches Häutchen oder elastische Fasern wahr.
Dicht unter der jetzt beschriebenen Schicht der Arachnoidea spinalis läuft fast überall eine Schicht von Balken
(Taf. X Fig. 8). Diese haben im Allgemeinen eine transversale Richtung; sie gehen aber ziemlich zahlreiche Ana-
stomosen ein und bilden in dieser Weise ein mehr oder weniger verwickeltes Flechtwerk mit gewöhnlich queren,
länglichen, recht grossen Maschen. Dieses Balkennetz läuft hie und da mit den Bündeln der äusseren Fibrillenschicht
zusammen; aus ihm steigen die einzelnen, den Subarachnoidalraum durchsetzenden Balken und Balkennetze hervor
(Taf. X Fig. 4, 5). Die Balken der inneren Balkenschicht der Arachnoidea sind immer von einer zusammenhängenden
Endothelscheide umgeben, welche, am üebergang der Balken zur äusseren Fibrillenschicht, in das innere Endothel-
häutchen dieser Schicht übergeht. Nach Essigsäurezusatz treten viele ring- und spiralförmige elastische Fasern an
den genannten Balken hervor. Blutgefässe und Nerven findet man in der eigentlichen Arachnoidea spinalis nicht.
Dies ist das typische Aussehen der Spinnwebenhaut des Rückenmarks. Oft sind aber Variationen vorhanden.
Diese betreffen die äussere Fibrillenschicht sowohl als das (innere) Balkennetz. Jene kann so dünn und sparsam
sein, dass man nur Spuren von ihr findet, oder ihre Fibrillen nehmen verschiedene, sich kreuzende Richtungen
ein; im vorigen Falle wird die arachnoidale Grenzschicht fast nur aus den Endothelschichten mit spärlichen Bündeln
gebildet. In solchen Fällen läuft indessen gewöhnlich ein maschenbildendes Bündelnetz in der Arachnoidea, so
dass eigentlich nur rundliche oder längliche Maschen fast allein von den Endothelzellenschichten ausgefüllt werden.
In solchen Maschenräumen sieht man indessen oft einzelne feine, abgetrennte und sich kreuzende Fibrillen
zwischen den Endothelschichten verlaufen. Das innere Balkennetz aber kann reichlich sein, mit dichten, kleinen,
rundlichen oder länglichen Maschen (Taf. X Fig. 9) oder es kann spärlich werden, mit langen und grossen Maschen
(Taf. X Fig. 8) oder es kann sogar stellenweise ganz fehlen; es kann auch mehrfache Richtungen seines Faser-
verlaufes zeigen. Andernfalls findet man es hie und da in deutlich doppelter Lage, wobei die verschiedenen Lagen
verschiedene Richtungen haben. Besonders reichlich ist die Ausstrahlung der Balken an solchen Stellen, wo freie
Balken sich ansetzen (Taf. X Fig. 5). Dadurch entstehen eben vielerlei Modificationen in der Richtung und dem Bau
des Faserverlaufes. Nicht selten schmilzt die innere Balkenschicht so mit der äusseren Fibrillenschicht zusammen,
dass man sie nicht mehr als getrennt betrachten kann; das äussere bildet dann den Boden in den Gruben, welche
von den Balken der Innenschicht eingerahmt sind (Taf. X Fig. 4).
An solchen Stellen, wo sich grössere subarachnoidale Häutchen und Balkenhaufen ansetzen, wie z. B. am Ansatz
des Septum posticum, wird die Arachnoidea in der Regel verstärkt und enthält starke und reichliche Bündel. Im
Allgemeinen wird die Arachnoidea an manchen Stellen dadurch verstärkt, dass frei verlaufende Häutchen und Balken-
netze einzelne Balken zu ihr übersenden, wodurch eben die erwähnte Balkenausstrahlung entsteht. Verschiedenheiten
im Bau der Arachnoidea, Welche jeder Region des Rückenmarks eigenthümlich sind, können nicht angegeben werden.
Die Arachnoidea cerebralis ist nach der Localität etwas verschieden, je nachdem sie frei oder angewachsen ist.
An der Basis des Gehirns (Taf. XIII Fig. 1), wo sie frei über die Cisternen ausgespannt ist, besteht sie in der Regel
aus einem verworrenen Flechtwerk von Balken, welche sich hie und da zu grösseren Knotenpunkten ansammeln.
Diese Knotenpunkte, die ziemlich dicht liegen, aber nicht in eigentlich regelmässigen Abständen angeordnet sind,
werden von schmalen neben einander in einer Fläche verlaufenden Balken gebildet, die dicht beisammenliegend
nach allen Richtungen, besonders aber nach zwei entgegengesetzten ausstrahlen. In einiger Entfernung von den
Knotenpunkten werden die Balken von der Haut mehr frei; sie lösen sich aber gewöhnlich nicht vollständig ab,
sondern laufen im Allgemeinen wieder in neue Knotenpunkte ein. Von diesen Knotenpunkten steigen deswegen in
der Regel keine freie Subarachnoidalbalken aus. An anderen Stellen werden die Balken sehr sparsam, grössere und
kleinere Maschen bildend, deren Boden nur von dem Zellenhäutchen allein oder von einer sehr feinen Fibrillen-
schicht in demselben bedeckt ist. Dieses Zellenhäutchen, welches auch am Gehirn an der äusseren Fläche der
Arachnoidea in der Regel doppelschichtig ist, aber ein ganz dünnes Häutchen bildet, die sich sehr leicht in grösseren
oder kleineren Fetzen ablöst, sich in Falten legt und in der Flüssigkeit herum flottirt, ziemlich dicht gedrängte,
sich theilweise deckende Kerne besitzend, zeigt gewöhnlich keine Faserung; es giebt hier kein elastisches
Häutchen und keine derartige Fasern; zwar sahen wir bisweilen ganz dicht unter diesem Endothel und zu ihm sich
referirend eine Streifung von äusserst feinen, sich kreuzenden Fasern, die das Aussehen von elastischen trugen, 139
aber nach Zusatz von Essigsäure verschwanden sie doch immer. An der inneren Seite wird die Arachnoidea von
einer zusammenhängenden Schicht eines Endothels bekleidet, welches sich den Unregelmässigkeiten der Innenfläche
anschmiegt und an allen abgehenden Bälkchen und Subarachnoidalhäutchen Zellenscheiden absendet; die Kerne
desselben sind von sehr verschiedener Grösse. Unter solchen, welche die gewöhnliche Grösse haben, kommen
andere riesenartige vor, die mehr als das Doppelte messen. Hie und da liegen Kerne gruppenweise zu zehn oder
mehr, etwa wie Eier in einem Vogelnest, beisammen.
Dies ist der gewöhnliche Bau der freien Arachnoidea cerebralis. Obwohl man auch an einzelnen Stellen eine
Hauptrichtung der Fibrillenbündel wahrnimmt, ist dies gar nicht die Regel; man kann hier auch keine eigentliche
Anordnung der Balken und Fibrillen in verschiedenen Schichten statuiren. Nach Zusatz von Essigsäure schwellen
die Fibrillenbündel wie gewöhnlich an, ohne dass etwaige andere elastische Fasern hervortreten als die die freien
Balken der Subarachnoidalräume umspinnenden.
Etwas schwieriger ist es den Bau der Arachnoidea der Hemisphären zu demonstriren. Sie hängt hier so innig
mit dem Subarachnoidalgewebe und der Pia zusammen, dass man sie von diesen nur in beschränkten Partien isoliren
kann. Das Endothel der Oberfläche verhält sich wie an der Basis. lieber den Furchen, besonders den grösseren,
hat die Arachnoidea gewöhnlich unter dem Endothel eine mehr zusammenhängende Schicht fibrillären Gewebes,
welches in der Längsrichtung der Furchen verläuft; diese fibrilläre Schicht ist oft krankhaft verdickt, von mehr
sehnigem Aussehen. Viele Balken springen aus derselben nach den subarachnoidalen Räumen hervor. lieber die
Windungen zeigt die Arachnoidea ebenso oft eine zusammenhängende, mehr dünne Schicht paralleler Fibrillenbündel;
oft haben indessen diese Bündel einen mehr verworrenen Verlauf mit kreuzenden Maschen ; oft ist aber diese fibrilläre
Schicht sehr wenig entwickelt. Sonst sind in mehr oder weniger reichlicher Menge solche Knotenpunkte mit nach
allen Seiten radiirenden Bündeln vorhanden, die an der Arachnoidea der Basis des Gehirns erwähnt wurden. Häutchen
und Balken springen massenhaft daraus hervor.
Die Innenfläche ist sonst wie überall von einem Endothel bekleidet.
Auch in der Arachnoidea cerebralis kommen keine ihr angehörigen Blutgefässe oder Nerven vor.
Das Verhalten der Arachnoidea an den Stellen wo die Arachnoidalzotten Vorkommen, wird unten bei der Be-
schreibung dieser Bildungen besprochen werden.
So auch betreffs des Verhaltens dieser Haut an den austretenden Nerven und an dem Ligamentum denticulatum.
Da wo Blutgefässe durch die Arachnoidea nach aussen dringen, erhalten sie eine von der Arachnoidea gebildete
Endothelscheide, die alle die gewöhnlichen Eigenschaften solcher Scheiden besitzt. An mehreren Orten, besonders
am Rückenmark, gehen, wie oben bei der makroskopischen Beschreibung erwähnt wurde, eine Menge oder auch mehr
einzelne kurze Balken von der Arachnoidea zur Dura über; in denjenigen des Rückenmarks laufen, wie oben bemerkt
wurde, im Allgemeinen kleine Blutgefässe; viele der überspringenden Balken laufen als Schlingen von der Innen-
fläche der Dura zur Arachnoidea ab, um dann nach kurzem Verlauf in dieser Haut nach der Dura wieder zurück-
zukehren (Taf. XIX Fig. 4). Immer sind die überspringenden Balken von einer Fortsetzung der äusseren arach-
noidalen Endothelhaut umgeben; diese Scheide ist oft ganz weit und geht in die Endothelbekleidung der inneren
Durafläche über (s. u.).
Die von der Innenfläche der Arachnoidea entspringenden subarachnoidalen Balken und Häutchen erhalten,
wie erwähnt, immer als Bekleidung eine Fortsetzung des Endothels dieser Fläche.
Das Subaraclmoidalgewebe.
Da die Historik über das Subarachnoidal ge webe eben init der oben bei Beschreibung der allgemeinen Histo-
logie der weichen Haut gelieferten Historik über dieses Gewebe zusammenfällt, wird hier auf diese letztere hin-
gewiesen. 140
Bei der Beschreibung der makroskopischen Verhältnisse des Subarachnoidalgewebes wurden schon alle wich-
tigeren topographischen Einzelheiten seines Baues, d. h. die allgemeine Vertheilung von Balken, Balkennetzen und
Häutchen, dargestellt. Der feinere Bau dieser Bildungen ist bei der allgemeinen histologischen Schilderung besprochen.
Eine topographische Darstellung der Histologie dieses Gewebes würde deswegen ganz unnütz sein, um so mehr
da hier überall fast alle die dort beschriebenen Wechselungen Vorkommen können. Nur einige mehr constante Ver-
hältnisse mögen hier hervorgehoben werden.
Topographisch interessant ist eigentlich nur die Vertheilung der eine wirkliche Fibrillenscheide besitzenden
Balken. Sie scheinen nämlich grösstentheils auf die Basis des Gehirns beschränkt zu sein. Zwar kommen sie auch hier
in wechselnder Menge vor, sind bald reichlich, bald spärlich vorhanden, bald bilden sie ganze Netze, bald sind sie
nur einzeln unter anderen Balken zerstreut oder in Häutchen eingewebt. Nie haben wir aber vergebens nach ihnen
gesucht. Ihr Sitz ist in den Cisternen des grossen und kleinen Gehirns, besonders neben den Nervenwurzeln und
an den Gefäss-stämmen. Am Constantesten findet man sie an der Medulla oblongata und an dem Pons; nicht selten
steigen sie aber auch eine Strecke auf der Halsregion des Rückenmarks nach unten hinab; ausserdem fanden wir
sie auch im Subarachnoidalraum des Opticus.
Betreffs des Septum posticum ist schon oben erwähnt worden, dass die Häutchen, aus welchen es zusammen-
gefügt ist, fast immer durchlöchert sind, oft in der schönsten Weise, so dass man hier sehr prachtvolle Präparate
für die Demonstrirung des Baues solcher einfacher Häutchen erhalten kann.
Die Vertheilung und die Verhältnisse des subarachnoidalen Gewebes an den Hemisphären des Gehirns sind
auch bei der Beschreibung der subarachnoidalen Räume besprochen." Hier mag deswegen nur erwähnt werden,
dass die freien Balken, wo sie Vorkommen, den oben geschilderten Bau haben, dass sie meistens zu Netzen zusammen-
treten, die sehr dichtmaschig, besonders in den Furchen, sein können; ferner dass die Häutchen, welche die Räume
und Gänge abgrenzen, nur selten stark durchlöchert, gewöhnlich aber in grosser Ausdehnung vollständig, nur spärlich
mit Oeffnungen versehen sind; diese Häutchen enthalten im Allgemeinen ziemlich spärliche, in den verschiedensten
Richtungen verlaufende Balken; ihre Kerne, die mehr einzeln oder auch in ganzen Nestern beisammenliegen (Taf.
XII Fig. 4), deuten oft eine doppelseitige Bekleidung von Zellen an; es gelang uns aber nicht, eine Färbung der
Zellencontouren durch Silbersalpeter hier zu erhalten; um. die Kerne liegt wie gewöhnlich eine Körnerzone, die bald
sehr spärlich ist, bald aber sehr reichlich vorkommt und sogar (wie in der Fig. 3 Taf. XIII) durch Ausläufer und
Verzweigungen mit denjenigen der angrenzenden Zellen zusammenhängt, ja sie können wandernden protoplasmatischen
Zellen nicht unähnlich sein; die grösseren glänzenden Kugeln kommen besonders in der Umgebung der Kerne vor,
einzelne sind aber auch oft über das ganze Häutchen zerstreut.
Heber das Verhalten der Blutgefässe zu dem subarachnoidalen Gewebe sind schon oben S. 134 die mehr makro-
skopischen Umstände angeführt worden. Es kommen eigentlich zwei Zustände in Betracht. Entweder sind die Gefässe
in Balkennetzen frei aufgehängt, oder sie sind eng an Häutchen befestigt, laufen zuweilen scheinbar in denselben. In
Balkennetzen aufgehängt sind die Gefässe in den Subarachnoidalspatien, Cisternen und Furchen. In den letztgenannten
laufen die grösseren Gefässe im Allgemeinen mehr frei in weiten Canälen oder Gängen; man findet sie also am
Querschnitt von einem sie vollständig umfassenden offenen und weiten Raum umgeben, nur hie und da durch Balken
oder durchbrochene Häutchen an den Wänden derselben befestigt. An anderen Stellen sind solche aber an mehreren
Seiten (Taf. V Fig. 3, 4) an der Gefässwand anhaftend, zuweilen laufen sie von allen Seiten her dicht um das Gefäss
herum. Immer gehen sie aber in ein das Gefäss umspinnendes Netz über, das mehr oder weniger vollständig eine
Art von Scheide um die eigentliche Gefässwand (d. h. die Tmiica media) bildet; die Gefässe besitzen nämlich in den
Subarachnoidalräumen keine eigentliche scharf abgegrenzte Adventitia; man kann deswegen zuweilen als solche sogar
das ganze Subarachnoidalgewebe auffassen. Hie und da sieht man um die Blutgefässe eine mehr oder weniger
vollständige Schicht von Zellen, die zuweilen denselben inniger anliegt, zuweilen von ihnen mehr absteht. Bei
Embryonen findet man sogar die Blutgefässe der weichen Gehirnhaut oft von einer weiten zusammenhängenden
Zellenscheide umgeben (Taf. XVII Fig. 10).
In den subarachnoidalen Gängen der Grosshirnhemisphären sind die feineren und besonders die feinsten Gefässe
mehr oder weniger dicht an die die Wände bildenden Häutchen durch überbrückende feine Häutchen angeheftet. Im
letzteren Falle hat es oft den Anschein, als ob das Gefäss in der eigentlichen Wand der subarachnoidalen Räume verlief.
Schon oben wurde angeführt, dass kein eigentlicher Unterschied zwischen den subarachnoidalen Räumen, in welchen
Blutgefässe verlaufen und den, wo sie nicht Vorkommen, vorhanden ist, dass sie im Gegentheil von ganz derselben 141
Art und Bedeutung sind. Hier mag betont werden, dass in histologischer Beziehung ein Unterschied ebenso-
wenig vorkommt.
In der Umgebung der Nervenwurzeln an der Basis des Gehirns sieht man hie und da anastomosirende Nerven-
fasern in Häutchen verlaufen. Dann werden sie (Taf. XIII Fig. 4) gewöhnlich von Bindegewebsfasern begleitet, so
dass es den Anschein hat, als ob diese die Nervenfasern schützen sollten. Andernfalls laufen, wie oben bemerkt ist,
Nervenfaserbündel in freien Subarachnoidalbalken (Taf. XIII Fig. 5).
Das Verhalten des subarachnoidalen Gewebes zu den Arachnoidalzotten und zu den abgehenden Nerven wird
unten bei den bezüglichen Capiteln berücksichtigt werden.
Specielle Histologie der Pia mater.
Historischer Rückblick.
Der feinere Bau der Pia mater scheint nicht oft Gegenstand für Untersuchungen gewesen zu sein. Die ältesten
näheren Ansraben darüber rühren von Keuffel her. Er beschreibt sie am Rückenmark als zwar nicht so dick wie
O
die Dura, aber ihrer Textur nach eben so solide und compact; er fand die Längenfibern in ihr überwiegend; die
von anderen Verfassern beschriebenen Querfasern sollen nach ihm nicht vorhanden sein; ihre äussere Oberfläche sei
glatt und nur durch einzelne kleine Gefässe und Fasern mit der Arachnoidea verbunden. Mehrere Blutgefässe, die
nur durch kurzes Zellgewebe an sie angeheftet sind, kriechen auf ihi, theilen sich in sehr feinen Aestchen, durch-
dringen sie dann und gehen in das Mark ein. Von der inneren Obei fläche der Ila entspringt eine zahllose Menge
feiner Fäserchen, die bis zum Inneren des Markes eindringen. Nach Henle’s älteren Angaben ist die Pia mater
aus einzelnen Bündeln locker gewebt und nähert sich dem formlosen Bindegewebe; sie hängt durch Gefässe un-
zertrennlich mit dem Gehirn zusammen. Nach Kölliker enthält die Pia spmahs meist gewöhnliches Bindegewebe
mit gerade verlaufenden, nicht anastomosirenden Bündeln; ziemlich viele Kerne, oft von hnienförmiger Gestalt und
O /
spärliche Kernfasern fand er in ihr. Die Gefässfortsätze im Mark enthalten nach ihm fast nichts als Gefässe; hie
und da finden sich in der Pia Pigmentzellen. Die Pia cerebri enthält so viele Gefässe, dass stellenweise das Binde-
gewebe in den Hintergrund tritt. Dasselbe ist selten, wie am Rückenmark, deutlich faserig, meist mehr homogen,
mit spärlichen Kernen und ohne Kernfasern. Hie und da enthält sie auch netzförmiges Bindegewebe mit oder
ohne Kernfasern. Spindelförmige Pigmentzellen finden sich an gewissen Stellen (Medulla, Pons). Uymphgefässe
konnte er weder in den Adergeflechten noch in der Pia finden. Nerven fand er in der Pia, sowie auch in den
Balken, die zwischen ihr und der Arachnoidea laufen. Nach Lenhossek besteht die Pia spinalis aus vollkommen
ausgebildeten und nicht formlosen Bindegewebsfasern, deren »bekannte Wellenverlaufsweise» eine Längsrichtung
zeigt, die nie aber gestreckt verlaufen; nirgends findet sich auf ihi eine Epithelialschicht. Sowohl an der äusseren
wie auch inneren Fläche kommen elastische Fasern vor; sie bilden an der äusseren sogar ein ziemlich regel-
mässiges Netz mit mehr oder weniger rhomboidalen Maschen. Er beschrieb ausführlicher die schon von Purkinje
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 142
entdeckten Nerven der Pia und fand sogar zerstreute Ganglienzellen in ihr. Bidder sah eine grosse Menge zarter
Fäserchen, die von der Pia mater zum Rückenmark übergehen; die Bindesubstanz der weissen Substanz des Rücken-
marks steht nach ihm in ununterbrochenem Zusammenhang mit dieser Haut. Bergmann beschrieb am Kleinhirn neu-
geborener Kätzchen zwischen der Rinde und der Pia mater eine helle von zahllosen, zarten Fäserchen bestehende Schicht,
die ins Gehirn eindringen. Nach Hess entspringen diese Fasern von der Pia selbst. F. E. Schulze sowie Deiters
gaben dann eine genauere Beschreibung dieser Fasern. Nach dem letzteren Verfasser stehe die Pia und die Rinde
der Centralorgane auch anderwärts in histologischem Zusammenhang. Nach His finde sich, wie oben mehrmals erwähnt
wurde, ein Zwischenraum zwischen Pia und der Hirnoberfläche, ein epicerebraler Raum, welcher einerseits mit seinen
um die Blutgefässe des Gehirns, ausserhalb der Adventitia, befindlichen perivasculären Räumen, anderseits durch Oeff-
nungen in der Pia rings um die Blutgefässe mit den, von den subarachnoidalen Räumen abgesperrten, die Blutgefässe
in der weichen Haut umscheidenden »Mantelrohren)) in Verbindung stehen sollten. Er betrachtete dies ganze System als
zu dem Lymphgefäss-system gehörend. Am Rückenmark, sagt er, seien ähnliche Verhältnisse vorhanden, nur dass der
zwischen Pia und Rückenmarksoberfläche befindliche Raum mit Mantelrohren in der weichen Haut nicht in Verbindung
gefunden wurde. Nach Frommann besteht die Pia mater spinalis aus zwei deutlich getrennten Schichten, eine äussere
aus längsgehenden, eine innere aus quergehenden Fasern. Die Fasern der äusseren Schicht sind dicht neben einander
gelagert, bestehen aus fibrillärem Bindegewebe, verlaufen wellenförmig und durchkreuzen einander vielfach: in der
äussersten und innersten Lage finden sich häufig elastische Fasern. Die innere quergehende Schicht besteht aus stark
glänzenden Fascikeln elastischen Gewebes und zwar meist aus breiten, mächtigen Balken und Platten; diese kreuzen
sich unter spitzen Winkeln; nicht selten wechseln Lagen der longitudinalen und queren Schichten. Die Piafortsätze der
Fissuren sind Dupplicaturen der inneren Schicht; sie bestehen aus elastischen Fasern, Balken und Platten, deren Inter-
stitien durch feinere elastische Fasern oder fibrilläres Bindegewebe ausgefüllt sind. Zuerst nahm er keine andere histolo-
gische Verbindung zwischen Pia und Rindenschicht an als die zahlreichen, überspringenden, Blutgefässe führenden
Fortsätze; später sagt er aber, davon sich überzeugt zu haben, dass ausserdem wirklich diese beiden Bildungen ver-
bindende Fäserchen vorhanden sind. Henle und Merkel beschreiben die innerste Schicht der Pia spinalis, welche mit
den äusseren aus Bündeln paralleler wellenförmiger Fibrillen gewebten Lagen nur locker zusammenhängt, als aus einem
Filz von Fasern zusammengesetzt, welche vorwiegend quer, doch auch schräg und selbst vertical verlaufen, sich
verästeln und kreuzen, ohne jedoch regelmässig zu anastomosiren; sie könnten für elastisches Gewebe gehalten werden,
wenn sie nicht durch ihre chemischen Eigenschaften und ihre Entwicklung (aus Zellen) ihre Verwandschaft mit dem
Bindegewebe bekundeten. Von dieser Schicht aus dringt eine Menge von Fasern in die Rinde des Rückenmarks hinein;
die Bindegewebsinvasion ist indessen je nach den Gattungen verschieden; sie ist beim Menschen gering. Am Kleinhirn
ist es nach Henle und Merkel sehr wahrscheinlich, dass die Bergmann sehen Fasern durch Vereinigung der feinen
Fasern in der Grenzmembran der Pia entstehen; auch von den in die Hirnsubstanz eindringenden Gefässen gehen
stiftförmige Fasern aus. Zwischen der Pia und der Rinde existirt ein von den Bergmann’schen Fasern durchzogener
Lymphraum. Die Pia des Grosshirns ist der des Rückenmarks ähnlicher gebaut, indem auch hier Fäden in die Rinde
in verschiedener Anordnung eindringen. Wie oben angeführt worden ist, zeigten wir, dass die Pia mit den ins
Gehirn ein dringenden Blutgefässen trichterförmige Verlängerungen einsendet, welche als Adventitialscheiden sich
fortsetzen; ferner dass die innerhalb dieser Scheiden befindlichen Räume seröse Bahnen bilden, welche in offener
Verbindung mit sämmtlichen Subarachnoidalräumen stehen; ein Zusammenhang zwischen diesem Raumsystem und
dem Epicerebralraum, dessen natürliche Existenz wir übrigens bezweifelten, sei nicht vorhanden. Leber unsere
Angaben betreffs der Verhältnisse im Inneren des Gehirns und Rückenmarks s. f. unten. Unabhängig von uns kam
dann Golgi zu Resultaten, welche mit den eben angegebenen unsrigen in mehrfacher Hinsicht übereinstimmten;
er leugnete nämlich das natürliche Vorhandensein der epicerebralen Lacunen und liess die innerhalb der Adventitia
der Hirngefässe befindlichen Räume direct mit Lymphscheiden in der weichen Haut Zusammenhängen. An der Hirn-
oberfläche, unmittelbar an der Pia selbst, fand er aber ein eigenes Faserstratum aus ovalen oder sternförmigen,
selten anastomosirenden Zellen mit sehr langen, sehr feinen und niemals verästelten Fortsätzen gebildet. Am
Kleinhirn wird nach Golgi der Abschluss gegen die Pia von einer einfachen Schicht abgeplatteter Zellen mit zahl-
reichen feinen Fortsätzen gebildet, die in die Rinde eindringen und den Radialfasern entsprechen. 801 l kam dann
auch zu ähnlichen Resultaten, nur dass er die Fortsätze aus pinselförmigen Zellen hervorgehen und im Allgemeinen
dasselbe Structurprincip auch für die Oberfläche des Grosshirns und des Rückenmarks gelten liess. Wir gaben
dann eine ausführlichere Schilderung vom Bau der Pia spinalis, ihrer verschiedenen Schichten, ihrer Intima und den, 143
denjenigen des Gehirns analogen, trichterförmigen Einsenkungen mit den Blutgefässen u. s. w. Da aber diese
Schilderung vollständig mit unseren jetzigen Ansichten übereinstimmen, brauchen wir sie hier nicht zu referiren,
sondern können zu der vorliegenden Darstellung sogleich übergehen.
Histologische Beschreibung.
Am Rückenmark ist die Pia oder der dasselbe am nächsten umgebende Bindegewebsüberzug, wie bekannt,
viel kräftiger entwickelt als die entsprechende Schicht am Gehirn.
Wir haben schon oben erwähnt, dass am Rückenmark subarachnoidale Häutchen und Balken sich an der Pia
fast an jedem Ort mehr oder weniger reichlich befestigen; ebenso haben wir erwähnt, dass auch da, wo solche nicht
frei in den Subarachnoidalräumen zwischen den beiden Membranen verlaufen, die Pia doch um das Rückenmark
herum von subarachnoidalen Häutchen und Balkennetzen (epipiales Gewebe) umsponnen ist, an welchen die grösseren
Gefässe angeheftet liegen und welche mit einer Pincette auch an der Vorderseite mehr oder weniger von der Pia
abgehoben werden können. Von diesen Häutchen, Balken und Balkennetzen gehen dann reichlich die Balken in
die Pia hinein, und die Grenze ist dann oft schwer zu bestimmen; doch markiren sich, als die Pia selbst aus-
machend, mehr oder weniger deutlich zwei Lagen (Taf. XVI Fig. 1 und Fig. 2), von welchen die innere bei allen
von uns näher untersuchten Säugethieren sich ziemlich gleich bleibt, während die äussere sehr an Mächtigkeit wechselt.
Die äussere wird von longitudinal und ziemlich parallel verlaufenden, mehr oder weniger groben, fibrillären Binde-
gewebsbündeln und dünnen fibrillären Häutchen gebildet. Diese Schicht ist bei gewissen Thieren, wie z. B. beim
Kaninchen, äusserst dünn, ja sie kann stellenweise oft fehlen. Die innere Lage (Fig. I—2,1—2, 4—10) aber, welche
die für die Pia wesentlichste ist und nie vermisst wird, ist eine äusserst dünne, feste Haut, welche dicht auf
dem Rückenmark selbst liegt, welche aber doch von demselben leicht abgetrennt werden kann. Wir haben diese
Haut die Intima pim genannt. Wenden wir uns zuerst zur äusseren längsgehenden Faserschicht, so finden wir sie,
von allen den von uns untersuchten Thieren am stärksten entwickelt beim Menschen. Sie ist aber verschieden stark
entwickelt in verschiedenen Theilen; besonders kräftig ist sie in den Seitentheilen in der Nähe des Ligamentum
denticulatum, wo man die Balken in länglichen Vierecken sich kreuzend findet, während sie sonst im Allgemeinen
mehr parallel oder in häutigen Ausbreitungen in einer oder mehreren Schichten verlaufen. In Holzessig oder Essig-
säure schwillt die fibrilläre Lage ungeheuer. Beim Hunde (Fig. 1«, 2u, 3) ist sie weniger kräftig, als beim Men-
schen, und wird in grösseren oder kleineren Strecken ganz und gar vermisst, aber im Verhältniss zu den anderen
von uns untersuchten Thieren ist sie doch bei den Hunden kräftig; bei der Katze ist sie weniger mächtig, beim
Kaninchen äusserst dünn und fehlt an mehreren Orten in grosser Ausdehnung. Um ihren Bau zu veranschau-
lichen verweisen wir auf Fig. 3, welche eben vom Hunde herrührt und einen guten Typus ausmachen kann; die
äussere, gegen den Subarachnoidalraum hin liegende Fläche ist nach oben gewandt. Man findet sie überzogen von
einem äusserst dünnen, schwach körnigen Häutchen, mit zerstreuten Kernen, die nach Färbung mit Goldchlorid
und Anilin sich von einer gefärbten, dünnen, körnigen Zone umgeben zeigen, welche letztere diffus in der Umgebung
auf hört (das Häutchen fehlt links). Das geschilderte Häutchen spannt sich über die unterliegenden Balken
und über die Zwischenräume zwischen ihnen aus. Es ist hier zu bemerken, dass diese Balken in dem Präparat,
von welchem die Zeichnung genommen ist, durch die Behandlungsmethode (Goldchlorid) bedeutend angeschwollen
waren. In Ueberosmiumsäure untersucht, zeigen sie sich dünn und platt (Fig. lu, 2 a). Ehe wir die Balken näher
besprechen, müssen wir indessen das überziehende Zellenhäutchen etwas eingehender beschreiben, in welchem wir leicht
eine Bildung erkennen, die derjenigen von uns oben aus der Arachnoidea und dem Subarachnoidalgewebe geschil-
derten ähnlich ist. Wir haben auch zu wiederholten Malen an ihm durch Silberfärbung die schönste und vollstän-
digste Endothelzeichnung von länglichen Maschen (Taf. XVII Fig. 8, 9) erhalten, welche derjenigen der arachnoidalen 144
Zellenhäutchen ähnelt. Wir begegnen hier einer sehr interessanten Erscheinung, nämlich dem elastischen Fasernetz,
welches in inniger Verbindung mit dem Zellenhäutchen sich deutlich, so zu sagen an der unteren Fläche des Endothel-
häutchens ausbreitet. Es bekleidet augenscheinlich nicht die unterliegenden Bindegewebsbalken, sondern gehört
dem Flächenhäutchen selbst an und kann mit ihm abgelöst werden. Andererseits kann das Zellenhäutchen leicht
zerstört werden und das elastische Netzwerk allein zurück bleiben, entweder frei oder mit Resten des Zellenhäutchens,
welche schwerlich ihren Ursprung erkennen lassen, wenn man nicht deutliche Uebergangsstellen erhält. Ueberhaupt
entzieht sich das Zellenhäutchen selbst äusserst leicht der Beobachtung, und man bedarf einer scharfen Flächen-
einstellung, um es zu sehen; bei den früher mehr allgemein gebräuchlichen Untersuchungsmethoden konnte es
schwerlich gut erhalten werden. Bei Anschwellung der Bündel findet man es nicht immer über die Zwischenräume
gespannt, wie im vorliegenden Präparat (Taf. XVI Fig. 3), sondern oft zwischen ihnen sich einsenkend, wodurch
viele missleitende Bilder entstehen können. Wenden wir uns jetzt zu den darunter liegenden longitudinalen Binde-
gewebsbündeln, so sehen wir an ihnen in der eben angeführten Figur Kerne und Zellen, welche gewissermassen
den gewöhnlich abgebildeten Bindegewebskörpern ähnlich sind. Es gelingt indessen recht oft zu sehen, wie auch
diese Zellen eine häutige Ausbreitung haben und mehr oder weniger vollständige Scheiden um die Bündel bilden;
oft sieht man um die Kerne Protoplasma, welches sich auch verzweigt ausbreiten kann.
Beim Menschen ist das fibrilläre Stratum im Allgemeinen sehr dick und deswegen schwieriger zu untersuchen;
man bekommt an Flächenpräparaten nicht hinreichend durchsichtige Bilder; wenn man aber die verschiedenen Strata
von einander zu isoliren versucht, wird die natürliche Anordnung verwischt und verworren, die Zellenhäutchen zer-
springen u. s. w. Doch gelingt es zu constatiren, dass auch für den Menschen der oben beschriebene Bau geltend
ist. An Querschnitten, besonders von den mit Holzessig behandelten Rückenmarken, findet man denselben auch
deutlich ausgedruckt.
Die Zusammensetzung des äusseren Pia-gewebes unterliegt indessen, wie oben angedeutet wurde, nicht nur
bei verschiedenen Thierarten, sondern auch an verschiedenen Gegenden desselben Rückenmarks, nicht unbedeutenden
Wechselungen. Unterhalb der äusseren Schicht findet man nämlich andere Schichten zwischen ihr und der inneren
Schicht. So kann z. B. beim Hunde in der Halsregion folgende Schichten der Pia gefunden werden. Aeusserst liegt
eine dicke, längsgehende, wellenförmige, fibrilläre Schicht, darunter eine Schicht spärlicher, quergehender, ziemlich
dicker, steifer Balken, darunter Blutgefässe mit sparsamen Maschen, darunter ein, so viel man sehen konnte, zusam-
menhängendes, hie und da mehrschichtiges Plattenendothel mit rundlich ovalen Kernen, darunter wieder eine dünne
Schicht längsgehender, wellenförmiger, feiner Fasern und endlich am Innersten die innere Piaschicht. Dies mag
als Beispiel der Wechselungen von der Zusammensetzung der äusseren Schicht der Pia spinalis genügen. Immer sind
es indessen dieselben Elemente, aus denen diese Schicht gebildet wird. Nur die Zahl der zusammenfügenden Schichten
wechseln an verschiedenen Stellen. Dies ins Einzelne topographisch zu besprechen, würde, besonders der individuellen
Variationen wegen, gewiss von wenig Nutzen sein. Der geschilderte Grundtypus ist indessen auch für die Binde-
gewebsfrage von rein wissenschaftlichem Interesse.
Nach der oben bei der Darstellung der allgemeinen Histologie des Subarachnoidalgewebes gegebenen Be-
schreibung vom Uebergang der Balken in Häutchen mag es leicht sein zu verstehen, wie die Subarachnoidalbalken
auch in das letztgeschilderte, äussere Stratum der Pia übergehen. Der Uebergang geschieht auch hier in derselben
Weise, und wir halten es daher für überflüssig auf die Einzelheiten weiter einzugehen.
In Zusammenhang mit der äusseren Pialage wollen wir aber den feineren Bau des Ligamentum denti-
culatum, welches mit dieser Lage in inniger Verbindung steht, besprechen. Oben erwähnten wir einige seiner
makroskopischen Verhältnisse. Die Verfasser geben von seinem Bau gewöhnlich nur die kurze Erklärung, dass es
ganz wie die Dura mater gebaut ist; dies ist aber insofern unrichtig, als das Ligament bei mikroskopischer Unter-
suchung, ja auch bei kleinen Vergrösserungen, sich nicht als eine zusammenhängende Membran zeigt, sondern durch
und durch cribrirt ist und aus gröberen und feineren Bindegewebsbalken besteht, welche mit freien Zwischenräumen
netzförmig miteinander sich verbinden (Taf. XIX Fig. ln, 2). Sie liegen in mehreren Schichten, welche untereinander
Bindegewebsbündel austauschen. Die Balken verlaufen meist schief rautenförmig, wie die Schenkel eines sogenannten
Bauerfängers, und das Ligament erhält hierdurch eine grosse Dehnbarkeit. Die Balken sind von Zellenscheiden
umgeben (Taf. XIX Fig. 3), welche hie und da sich zu Membranen in den Lücken zwischen den Bündeln ausspannen,
und wir finden also auch hier die gleichen Verhältnisse für das Bindegewebe, wie wir oben geschildert haben.
Einerseits gehen nun die Bündel am Rückenmark in die äussere longitudinale Pialage, sich darin ausbreitend, über, 145
anderseits sammeln sie sich am freien Rande zu dem gröberen Randstrang, welchen wir oben geschildert haben und
von welchem die von Balken gebauten Zacken auslaufen, eine räumliche trichterförmige Hülle von der Arachnoidea
selbst erhaltend (Taf. XIX Fig. 1) und mit dieser durch den Subduralraum direct in die Bindegewebsbündel und
Lamellen der Dura übergehend.
Wenden wir uns jetzt zur Pia zurück, so bleibt uns noch die hauptsächlichste oder innere Lage derselben,
Intima pim, zu schildern. Sie besteht, wie gesagt, aus einer sehr dünnen, gut begrenzten Haut von einem eigen-
thümlichen, aber sehr interessanten Bau. Durch sorgfältige Präparation kann man diese Haut von dem eben be-
schriebenen, ausserhalb ihr liegenden, longitudinalen Stratum isoliren. Vom Rückenmark trennt sie sich leicht ab,
ja beinahe zu leicht, weshalb es gar schwer ist, feine Querschnitte von Pia und Rückenmark in beibehaltener Lage
zu erhalten. Die innere am Rückenmark liegende Fläche findet man nach Abtrennung glatt und eben, nur mit
zahlreichen, wie ein Wald hervorschiessenden Blutgefässen besetzt, welche vom Rückenmark herausgezogen und
der Haut gefolgt sind. Um den Bau der Intimapise zu veranschaulichen, verweisen wir auf die Taf. XVI Fig. I—2,1—2,
4—10). Die Fig. 5 giebt ein Osmiumpräparat vom Flunde wieder, mit der Aussenseite der fraglichen Haut nach oben;
man findet an dieser Figur zuerst wieder eine Häutchenzellenschicht von den hier oben so oft geschilderten Eigen-
schaften, zerstreute Kerne und um sie herum eine dünne protoplasmatische Zone, welche diffus in das schwach-
körnige Häutchen übergeht. Unter und in Zusammenhang mit demselben findet sich ein elastisches Netz mit äusserst
feinen und im Allgemeinen vorzugsweise longitudinal verlaufenden Fasern. Links in der Figur sieht man, wie das
Zellenhäutchen selbst zerstört ist und man findet nur einzelne Reste aus Kernen mit einigen herumliegenden Körnern
bestehend, hier tritt aber um so deutlicher das elastische Fasernetz hervor. Bei ganz genauer Betrachtung sieht
man zwischen diesen Fasern einen äusserst dünnen, die Unterlage bedeckenden Anflug. Es scheint, als ob die Fasern
von einer ausserordentlich feinen Schicht zusammennehalten werden, welche zusammen mit den elastischen Fasern
O 7
von der unteren Fläche der Zellen sich differenzirt und mehr Resistenz erhalten haben mag, woher sie mit den
erwähnten Fasern Zurückbleiben kann, nachdem die Zellen sonst weggefallen sind. Wir haben ein ganz ähnliches
Verhältniss an mehreren anderen Orten gefunden: dass nämlich nach dem Wegfallen der Zellen einer Endothelzellen-
haut ein äusserst dünnes, fast homogenes Häutchen, mit einem elastischen Netz zurückbleibt. Unter dem beschriebenen
Häutchen verlaufen Fasern besonderer Art. Diese letzteren haben einen eigenthümlichen starken Glanz, gehen in haupt-
sächlich circulärer Richtung, in der Regel einander in rautenförmiger Anordnung kreuzend und sind besonders steif,
nie gewunden (Taf. XVI Fig. 5, 7, 10; Taf. XVII Fig. 3, 4); wenn sie gebogen werden, wird die Biegung in der Regel
sehr steil, als wenn man ein Schilfrohr biegt. Sie zeigen sich aus äussert feinen Fibrillen zusammengesetzt und
verzweigen sich gewöhnlich mit spitzigen Winkeln; angrenzende Bündel tauschen Fibrillen aus, welche in schiefer
Richtung gehen und in dieser Weise rhombische Maschen bilden; oft sieht man sie sich fächerförmig ausbreiten,
sich in kleinere Bündel oder in die äusserst feinen Fibrillen auflösend, welche dann mannigfach einander kreuzen.
Wie wir erwähnten, verlaufen sie zum allergrössten Theil circulär, aber eine oder andere sieht man in mehr schiefer,
ja bisweilen mehr longitudinaler Richtung gehen; bisweilen liegen sie einander nahe in grösserer Ausdehnung, so
dass sie mehr oder weniger breite platte Bänder bilden. Sie zeigen bei chemischen Reactionen Uebereinstimmung
mit BindegewQbsfibrillen, nicht mit elastischen Elementen. Diese Fasern, welche dem mittelsten Stratum der Intima
pirn angehören, werden dann an ihrer Innenseite überzogen und von der Rückenmarksfläche getrennt durch ein äusserst
dünnes Häutchen, ähnlich dem, welches die Begrenzung der Intima nach aussen bildet. Betrachtet man die innere
Fläche der Pia bei scharfer Einstellung (Taf. XVI Fig. 10), so sieht man, dass dieses Häutchen die steifen Circulär-
fasern bedeckt und als eine dünne Schicht mit zerstreuten, feinen Körnern hervortritt. Daneben finden sich auch hier,
aber bei weitem nicht immer, ovale Kerne in gewissen Entfernungen, und um diese Kerne sieht man besonders nach
Färbung in Goldchlorid eine feine, mehr protoplasmatische Zone, welche die Kerne umhüllt; die Begrenzung dieser
Zone ist gewöhnlich diffus, und davon gehen oft strahlenförmige Ausläufer, welche auch einen diffusen Rand haben,
über das Häutchen hinaus. Bei den Kaninchen (Taf. XVI Fig. 6) ist es am leichtesten gelungen, diese Zellen an
der Innenseite zu sehen; ebenso treten sie gut bei neugeborenen Thieren hervor, wo sie eine stärkere körnige Um-
gebung haben, wie auch das ganze Häutchen mehr körnig ist (Fig. 10). Es scheint, als ob die Kerne, bei Abtrennung
der Haut vom Rückenmark, bei älteren Individuen sich leicht ablösten, warum man sie gewöhnlich nur an zerstreuten
Stellen beibehalten findet. Am besten bekommt man sie nach unserer Erfahrung bei Behandlung des frischen
Rückenmarks mit Goldchlorid, weniger vollständig bei Osmiumbehandlung oder durch andere Präparationsmethoden
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 146
zu sehen. Unmittelbar in und unter dem geschilderten Häutchen und anscheinend mit demselben in Zusammen-
hang, erhält man ganz wie am äusseren Zellenhäutchen der Intima ein elastisches Netz mit länglichen Maschen, in
der Regel in Längenrichtung gehend und also die steifen Circulärfasern kreuzend. Dieses Netz sieht man in der
einen Ecke der Fig. 5 bei d. Es tritt nicht immer ohne Behandlung mit besonderen Reagentien hervor. In Fig. 10,
welche die Intima einer jungen Katze wiedergiebt, wo sie mehr körnig und protoplasmatisch ist, tritt es nicht hervor.
Bisweilen scheint dieses elastische Fasernetz wirklich zu fehlen oder äusserst unvollständig entwickelt zu sein, so
dass seine Fasern nur angedeutet, nicht scharf differenzirt sind.
Fasst man jetzt das von der Intima pim Gesagte zusammen, so findet man, dass sie aus drei Schichten besteht,
nämlich einem äusseren, begrenzenden Zellenhäutchen, mit einem elastischen, longitudinalen Netzwerk, einer Mittel-
schicht mit den steifen, im Allgemeinen rautenförmig angeordneten, circulären Fasern und einem inneren, dünnen,
nach dem Rückenmark hin abschliessenden Zellenhäutchen, ebenfalls mit einem feinen elastischen Netz nach der
circulären Schicht zu. Diese drei Schichten liegen einander sehr innig an und schmelzen zu dem dünnen Häutchen
zusammen. An gewissen Orten der menschlichen Pia, besonders an der Medulla oblongata und nicht selten an der
Hirnbasis, sowie noch viel verbreiteter am Gehirn mancher Säugethiere, kommen in ihr Pigmentzellen vor. Es ist
oft schwer zu sehen, wie diese Zellen liegen. An gelungenen Präparaten erkennt man indessen am optischen Quer-
schnitt, dass diese Zellen an der Aussenseite der innersten Schicht der Intima piee, zwischen dieser und dem circu-
lären Faserstratum, liegen; sie sind also durch die erwähnte Intimaschicht von der Hirn-, resp. Rückenmarksober-
fläche getrennt. Die Fig. 7 der Taf. XVII stellt ein solches Präparat dar.
Die also geschilderte Intimapise liegt nun dicht an der Fläche des Rückenmarks und ist mit einer dünnen
Flächenschicht von Neuroglia leicht vereinigt, aber doch so innig, dass kein freier Zwischenraum (Plis, Epimedullar-
raum) hier vorhanden ist, soweit wir finden konnten. Die Neuroglia befestigt sich, ohne Modification ihres
Gewebes zu erleiden, an der gegen sie übrigens scharf und gut als Haut begrenzten Intima pim, und die steifen
Fasern der Mittelschicht treten keineswegs in die Neuroglia hinein. Die Intima pim verhält sich, wie schon oben
angeführt ist, zu den in das Rückenmark eingehenden Blutgefässen in einer sehr interessanten Weise, nämlich so,
dass die Pia mit den Gefässen trichterförmige Verlängerungen bildet, welche sich als Scheiden um die Gefässe fort-
setzen. In der Taf. XVII Fig. 2—4 haben wir aus dem Rückenmark solche Trichter und Scheiden abgebildet. Es
ist die Intima pim, von welcher sie gebildet werden. Sie sind, wie wir in Fig. 2, welche ein in Zusammenhang mit
der Pia vom Rückenmark herausgezogenes Gefäss wiedergiebt, sehen können, sehr geräumig, besonders in ihrem
Anfang, wobei sie am Abgang der Gefässzweige oft eine grosse Ausbreitung haben. Oft kann man in dieser
Weise isolirte Gefässe weit in ihre Verzweigungen, überall von Scheiden umgeben, isolirt erhalten. Die Trichter
erfüllen in ihrer natürlichen Lage vollkommen die trichterförmigen Oefifmngen, welche man an der Fläche des Markes,
in die Gefässcanäle hineinleitend findet, nachdem die Gefässe entfernt sind. In Fig. 3 sieht man einen solchen Pia-
trichter von oben, mit seiner grossen, rundlichen Oeffnung a, in welche das Gefäss eintaucht. Die steifen Fasern
der Circulärschicht der Intima verhalten sich zu den Trichtern und Scheiden in einer eigenthümlichen Weise, wie
man an den angeführten Figuren finden kann. Sie laufen mit dem Trichter und der Scheide ebenso steif und
gerade, wie in der Pia selbst, trennen sich aber im Allgemeinen etwas von dem inneren Zellenhäutchen und legen
sich dicht an die Wände des Gefässes, oft dasselbe mit ihren Zweigen überkreuzend, wie Fig. 2 zeigt. Diese zahl-
reichen Trichter oder Piaverlängerungen mit ihren in das Rückenmark eintretenden Gefässen, tragen in hohem Grade
zur Befestigung der Pia an der Spinalfläche bei. An der Fläche einer abgetrennten Pia sieht man sie alle von dem-
selben Bau als feine Zotten flottiren, wenn die Haut in einer Flüssigkeit liegt.
In die Fissuren des Rückenmarks senkt sich nicht nur die Intima pim, sondern auch Balken und Häutchen
vom äusseren longitudinalen Piastratum, welche also in den Fissuren den mittleren Theil der Piaverlängerungen
bilden und die Blutgefässe zwischen sich enthalten. An jeder Seite sind diese Septa nach dem Rückenmarke hin
von der Intimapise begrenzt, welche, wo Gefässe abgehen, um an den Seiten der Fissuren in das Rückenmark
einzudringen, ganz wie an der Oberfläche, Trichter und Scheiden mitsendet.
Die feineren Blutgefässe der Pia spinalis laufen, nachdem sie das äussere fibrilläre Stratum durchdrungen
haben, wobei ihre Endothelialscheide in die Zellenbekleidung dieses Stratum übergeht (Taf. XVII Fig. 9), in der
Regel zwischen diesem und der inneren Schicht (Taf. XVI Fig. 2 6), sich in gewöhnlicher Weise verzweigend und
anastomosirend und kleinere Aeste zum Rückenmark abgebend. An ihnen sieht man eine Art Scheide endothelialer
Zellen (Taf. XVI Fig. 2 h); bald steht diese Scheide von der Gefässwand mehr ab, einen deutlichen Scheidenraum 147
um das Gefäss zeigend, bald liegt sie ihr mehr dicht an. Gewöhnlich sieht man ihre Zellen mit der äusseren
Zellenschicht der Intima pim Zusammenhängen.
Die Ausbreitung der Nerven in der Pia spinalis haben wir besonders beim Hunde und bei der Katze studirt.
Sie laufen im äusseren fibrillären Stratum, bilden ein ziemlich dichtes Netz mit meist in der Längenrichtung des
Rückenmarks gehenden, langgezogenen Maschen und kommen in der Hals- sowohl als in der Dorsal- und sogar
der Lendenregion vor, und zwar in den vorderen sowohl als in den seitlichen und hinteren Partien. Sie bilden bald
etwas dickere Bündel von einer grösseren Anzahl Fasern zusammengesetzt, bald gehen, und dies ist das Gewöhnliche,
nur sehr wenige Fasern in ihre Zusammensetzung ein. In der Regel theilen sie sich während ihres Verlaufes und
senden Zweige nach den Seiten hin, welche aus einzelnen oder spärlichen Fasern bestehen, und oft nach kürzerem
oder längerem Verlaufe anderen Nervenbündeln sich anlegen und dann ihren Weg weiter fortsetzen. Sie laufen ent-
weder in den Bindegewebsbündeln der äusseren Pia-schicht eingeschlossen oder auch in den Spalten zwischen den
Bündeln oder sogar hie und da schief über dieselben nach den Seiten hin. Häufig legen sie sich Blutgefässen an
und begleiten dieselben auf weite Strecken. Hie und da sieht man sie ihre Myelinscheiden abgeben, um dann als
blasse Fasern neben den Blutgefässen oder im Bindegewebe sich dem Blicke zu entziehen.
Bei einer Injection in die Subarachnoidalräume des Rückenmarks füllen sich zuerst diese, das ganze Rücken-
mark entlang, sowie die des Gehirns, wie wir früher geschildert haben; dann dringt die Masse auch in die äussere,
longitudinale Pialage, zwischen ihre von Häutchenzellen überzogenen Balken und Häutchen. Die Intima phe bildet
allein überall eine Barriere zwischen der Masse und dem Rückenmark; in die Fissuren geht die Masse auch auf e-anz
dieselbe Weise in die eindringenden Piaverlängerungen ein, aber die Intima pim trennt sie auch hier an den Seiten
von dem Rückenmark ab. Durch die oben geschilderten Piatrichter rinnt die Flüssigkeit in die Gefäss-scheiden ein
und läuft mit ihnen in das Rückenmark fort (Taf. IX Fig. 2). Wir haben auf diese Weise die Blutgefäss-scheiden
ziemlich weit in die Zweige hinein injicirt. Nie geht die Masse zwischen die Intima pim und das Rückenmark oder
zwischen die Gefäss-scheiden und das Rückenmark hinaus; und wir müssen daher das Vorhandensein eines His’schen
Epimedullarraumes bezweifeln, sowie wir auch festhalten müssen, dass die seröse Flüssigkeit um die Blutgefässe
des Rückenmarks in derartigen, von der Intima piae herstammenden Gefäss-scheiden, und nicht ausserhalb derselben
läuft (hierüber ferner unten bei Beschreibung der Verhältnisse am Gehirn). Es ist auch aus dem Dargestellten
klar, dass diese Scheidenräume in Verbindung mit den Subarachnoidalräumen stehen, welche ihrerseits überall um
das Rückenmark sowohl als um das Gehirn Zusammenhängen. Durch die Scheidenräume wird also der Ablauf der
serösen Flüssigkeit vom inneren der Centralorgane vermittelt.
Am Gehirn ist die eigentliche Pia mater fast überall nur eine ganz dünne Haut, eine innere Grenzschicht der
gesummten weichen Haut. Sie entspricht im Wesentlichen nur der Intima pim des Rückenmarks und besteht aus einem
einfachen Häutchen, von Endothel bekleidet und steife, glänzende, denjenigen der Intimapise spinalis ähnliche,
sich kreuzende Fasern verschiedener Anzahl enthaltend. Die die subarachnoidalen Gänge begrenzenden Häutchen
gehen in die Pia überall über. Die Blutgefässe laufen eine Strecke an der äusseren Fläche der Pia (Taf. XVII Fig. 1),
ehe sie in ihre Aestchen sich auflösend in der Gehirnrinde sich verlieren. Diese Blutgefässe sind durch feine Häutchen
der Pia innig angeheftet. An Durchschnitten hat es deswegen oft den Anschein, als ob die Gefässe in der Pia
selbst verliefen, obgleich sie eigentlich zwischen dieser und einem dicht anliegenden feinen Häutchen liegen. Die Pia
folgt der Gehirnoberfläche in allen ihren Windungen und Vertiefungen immer sehr genau, ihr dicht anliegend, sie
trennt sich aber von derselben sehr leicht ab; es gelingt deswegen nur durch specielle Methoden Querschnitte von
der Gehirnoberfläche mit ihrer in natürlicher Lage anliegender Pia darzustellen; am besten ist dies möglich an ge-
frorenen Präparaten, wobei man indessen immer die in der Gehirnsubstanz entstehenden Trugbilder berücksichtigen muss;
an in Ueberosmiumsäure oder chromsaurem Kali und dann in Alkohol stark erhärteten oder auch etwas getrockneten
Präparaten kann man auch hie und da die Pia in natürlicher Position an der Gehirnoberfläche erhalten. Nie findet
sich dabei ein Raum zwischen diesen Bildungen, nie ein wirklicher epicerebraler Raum, was besonders für die Präparate
aus gefrorenen Gehirnen hervorzuheben ist, da gerade bei dem Erfrieren entweder früher vorhandene Räume erweitert
werden oder durch Zersprengen neue künstliche Räume gebildet werden. Auf der anderen Seite sieht man aber
keine eigentlich zusammenbindenden Theile, keine aus der Pia in das Gehirn eindringende Fasern, keine eigenthümliche
Kittsubstanz o. d. Die Neuroglia der Gehirnoberfläche, an gewissen Stellen feine horizontal verlaufende Nervenfaser-
Plexus enthaltend, liegt der Pia dicht und innig an. An der abgelösten Pia findet man oft kleinere Partien der
Neuroglia anhaftend, was eben einen näheren Zusammenhang (Adhmsion) dieser Bildungen beweist. Hier, d. h. an 148
der Hirnoberfläche, konnten wir sonst keine Endothelzellenschicht, kein Stratum von solchen Zellen, die von Golgi
und von Bonn beschrieben sind, finden. Immer stiess die Neuroglia frei gegen die Pia. An allen Gegenden des
Gehirns giebt es aber doch, wie am Rückenmark, eine Bildung, die das Aneinanderliegen der Pia besorgt: es sind
dies die aus ihr in die Gehirnrinde eindringenden Blutgefässe. An einer von der Hirnoberfläche abgelösten,
flächenhaft ausgebreiteten Pia-partie sieht man die ihr anhaftenden Gefässe ihre Zweige frei aussenden und diese
ragen dann als Zotten hie und da zerstreut von der Pia hervor (Taf. XVII Fig. 1). Die Gefässästchen biegen sich
nämlich, wenn sie noch in ihrer natürlichen Lage sich befinden, von den Piagefässen ab und treten, in einem rechten
Winkel in die Rinde hinein. Hierbei führen sie, wie am Rückenmark, die erwähnte trichterförmige Einsenkung
der Pia mit sich. Diese Einsenkung schliesst sich dann der Gefässwand etwas enger an und begleitet als eine
deutliche Scheide jedes Gefäss.
Hier müssen wir, bevor wir zur Beschreibung dieser Scheiden übergehen, eine kurze Recapitulation der
Geschichte derselben geben.
Die erste Angabe über diese Gefäss-scheiden findet man bei Kölliker *). Der Bau der Gefässe des Gehirns,
sagt er, ist im Allgemeinen wie anderwärts. Die Arterien dringen noch mit drei Häuten versehen in die Nerven-
substanz ein, »doch ist die Adventitia eine zwar resistente, aber dünne, scheinbar ganz homogene Haut». Die Media
ist rein muskulös und die Intima nur aus einer zehr zierlichen, elastischen Haut und Epithelzellen gebildet; vor den
Capillaren sind nur noch die Adventitia, spärliche, querstehende längliche Zellen mit queren Kernen und ein Epithel da,
an welche Gefässe dann bald Capillaren mit structurloser Haut und mehr oder weniger Kernen sich anreihen. Bald
danach beschrieb Virchow2) in seiner Darstellung von der Erweiterung kleinerer Gefässe die Adventitia der Gefässe
des Gehirns. »Die von Kölliker beschriebene Form» (von Ektasien), sagt er, »habe ich bei Hirn-Apoplexien mehrmals
gesehen. Die äussere, vollkommen structurlose, hyaline Membran des Gefässes ist in sehr verschiedener Ausdehnung
abgehoben, und das Blut in den Zwischenräumen infiltrirt.» »Die Beschaffenheit der Adventitia ist für die Entstehung
dieser Extravasate von grosser Bedeutung. Sie ist an den Hirngefässen überall als homogene Schicht vorhanden,
die sehr expansibel ist und schon durch einfache Wasser-Imbibition zuweilen in so grossen Säcken abgehoben wird,
wie es sonst durch Blut geschieht.» Diese Schicht setzt sich zuweilen auf Gefässe von capillarem Charakter fort.
»Auch ist es nicht selten, zwischen der Adventitia und dem Gefäss allerlei Zellenformationen von indifferentem Charakter
zu finden, bald einfache, granulirte, rundliche Zellen, die bei Zusatz von Essigsäure meist mehrfache oder gekerbte Kerne
zeigen, bald allerlei Umbildungen derselben zu Fettkörnchenzellen und Fettaggregatkugeln.» Dann wurde die fragliche
Scheide von Robin 3) näher beschrieben, als eine eigenthümliche, homogene oder kaum gestreifte Hülle, welche
unter der Form einer Tunica adventitia oder externa die Gefässe, auch die Capillaren in allen ihren Theilungen
umgiebt. Wie sie aber an den grossen Gefässen aufhört, blieb Robin unentschieden, ebenso auch wie gross die
Gefässe, wo sie verschwindet. Der Raum zwischen dieser Hülle und der eigentlichen Gefässwand ist nach ihm
mit einer farblosen Flüssigkeit oder mit kugligen Körperchen vom Ansehen der Lymphkörperchen erfüllt.
Dann beschrieb His die von ihm sogenannten perivasculären Räume an den Blutgefässen des Gehirns und
Rückenmarks, welche nach aussen von der Adventitia liegen sollten; im Gehirn wären sie nach ihm Lymphgefässe,
die in den sog. epicerebralen Raum und von hier aus in die Lymphcanäle der Pia mündeten. Die Existenz dieser
perivasculären Räume wurde am Rückenmark von Frommann geleugnet; doch glaubte er, dass am Gehirn andere
Verhältnisse obwalten. Kölliker, welcher in Betreff des Epicerebralraums und der Lymphgefässe der Pia sich Plis
anschliesst, hat indessen bezüglich der His’schen perivasculären Räume eine abweichende Ansicht, indem er sie von
der Adventitia der Blutgefässe nach aussen begrenzt sein lässt. Roth liess die perivasculären Räume von His durch
eigenthümliche Fäserchen durchzogen sein, welche von der Aussenseite der Gefässadventitia mit trichterförmigen
Verdickungen ausgehen und im feinen Netzwerke der Neuroglia spurlos verschwinden; so verhält sich nach ihm auch
im epicerebralen Lymphraum. Wir zeigten dann, dass die perivasculären Räume von His höchst wahrscheinlich Kunst-
producte sind, dass aber die oben erwähnte, oft mantelförmig weite Adventitia der Hirngefässe, durch eigenthümliche
trichterförmige Verlängerungen als eine Fortsetzung der Pia gebildet wird und dass die Injection von den Sub-
arachnoidalräumen des Gehirns durch diese Trichter in »die Adventitialscheide» hinabsteigt, dass also diese Scheiden
als Lymphscheiden sowie ihre Räume, »die Adventitialräume», als Lymphräume anzusehen sind, eine Darstellung,
P Mikroskopische Anatomie. Bd 2. Erste Hälfte. 1850. 2) Virchows Archiv. Bd 3. 1851. Die Angaben von Kölliker und
Vlrciiow sind hier in extenso angeführt, weil sic in der obigen allgemeinen Historik nicht citirt wurden. 3) Journal de la Physiologie.
T. 11. 1859. Robin erwähnt, dass er schon in einer These von Segond (Le Systeme capillaire sanguin. Paris 1853), welche uns nicht zu-
gänglich ist, sowie in den Comptes rendus et memoires de la Societe de Biologie Paris 1855 seine Ansichten hierüber dargestellt hat. 149
welche bald danach von uns auch für das Rückenmark gegeben wurde. Eberth, welcher die, die His’schen peri-
vasculären Räume durchziehenden Roth’schen Fäserchen bestätigte und diese Räume mit den Subarachnoidalräumen
in Verbindung stehen liess, fand die Adventitia der Blutgefässe, welche nach Silberbehandlung eine Zeichnung
bald deutlich polygonaler, bald mehr unregelmässiger Felder ihm ergab, aus einem kernhaltigen Epithel (»Perithel»)
bestehend. Obersteiner bestätigte die Angaben von His betreffs der perivasculären Lymphräume sowie des epicere-
bralen Raums am Gehirn; die schon von His beim Rückenmark erwähnten pericellulären Räume um die Ganglien-
zellen beschrieb er auch am Gehirn und fand sie in Verbindung mit den perivasculären stehend sowie Lymphkörperchen
ähnliche Körner enthaltend. Golgi leugnete, wie wir, die Existenz der perivasculären und pericellulären Räume
von His,* fand aber, wie wir, dass von den »Lymphgefässen» der weichen Haut aus die Injection in die (adventitiellen)
Gefäss-scheiden der Blutgefässe eindringt; an den Abgangsstellen bilden diese Lymphscheiden eine Art trichter-
förmiger Räume. An der Aussenseite dieser Scheiden liess er die langen, sehr feinen, niemals verästelten Fortsätze
rundlicher, ovaler oder sternförmiger, selten anastomosirender Zellen sich inseriren entweder, wie an den Capillaren,
direct an der Gefässwand oder, bei den grösseren Gefässen, an der Lymphscheide. 801 l beschrieb später die Ver-
hältnisse etwa in derselben Weise wie wir; nur nahm er die fraglichen von ihm sog. Deiters’schen Zellen an der
Aussenseite der Adventitia nach Golgi an; unter diesen verschiedenartig gestalteten Zellen sind nach 801 l die von
ihm sog. »Pinselzellen» sehr häufig, welche mit ihrer flächenartig ausgebreiteten Partie der Gefässwand angeheftet ist,
wogegen der Stiel nach aussen ragt; durch diese Deiters’schen Zellen erhält die Oberfläche der Gefässe ein rauhes
Ansehen. Frey fand ebenso keine perivasculäre Räume im Sinne von His.
Nach Butzke (Arch. f. Psychiatrie Bd 111, 1872) isoliren sich die Gehirngefässe gerne nackt; dies hängt aber
von der Präparation ab. Wenn man sich nämlich allen Zuges enthält, sieht man von den Gefäss-scheiden aus einen
ganzen Urwald von Fäserchen ausstrahlen, die theils in Verbindung mit dem Bindegewebe ihrer Wandung, theils
direct mit dem Endothel der Capillaren stehen. Diese Fäserchen legen sich also verhältnissmässig lose an die Gcfäss-
wandungen an, sind zart, verzweigen sich und sind dicht mit Pünktchen besäet. Sie sind nichts Anderes als die
Zweige der Gliakörperchen. Auch von Iljaschenko (111 Versamml. russ. Naturforscher in Kiew Zeitschr. f. wiss.
Zoologie Bd 22, 1872) wurden »im anatomischen Zusammenhänge mit den Wandungen der Gefässe des Central-
nervensystems stehende Zellen bei Säugethieren» beschrieben. Sie sind mit der Gefässwand durch ein dünnes,
kurzes Fäserchen verbunden und können drei verschiedenen Kathegorien zu gehörend angesehen werden. Betreffs der
perivasculären Räume von His fand Roller (Sind die His’schen perivasculären Räume im Gehirne wirklich vorhanden?
Inaug. Diss. Greifswald 1874), dass ein Zweifel an die Existenz derselben nicht mehr Platz greifen kann; die Function
dieser Räume als Lymphräume musste er aber anzweifeln und als solche die Adventitialräume hinstellen. Endlich
sind, eben während des Druckes unserer Arbeit, noch zwei Abhandlungen über diesen Gegenstand erschienen.
Nach der einen, von Riedel (Archiv f. mikroskop. Anat. Bd 11, 1875), zeigt die Aussenfläche der Gefäss-scheiden,
welche durch Versilberung eine Zeichnung endothelialer Felder geben, die mit dreieckigen Fässchen aufsitzenden
Fasern, die eben Fortsätze von Zellen sind; oft sitzen nach ihm diese Zellen mit einem, oft mit zwei Fortsätzen an
der Adventitia fest. Ausserdem fand Riedel eine andere Art von Fortsätzen der Adventitia, nämlich directe Fort'
Setzungen derselben, »die, ohne ein Blutgefäss einzuschliessen, die Lymphscheide grösserer und kleinerer Gefäss-
bezirke mit einander verbinden, meist in Form dirccter Anastomosen, zuweilen auch kleine Plexus bildend»; sie
kommen nur an Capillar-Adventitien vor. Er hält die Frage betreffs der His’schen Räume offen. Nach der letzten
Arbeit, die von Arndt (Virch. Arch. Bd 63, 1875), ist auch die Adventitia der Hirngefässe keineswegs glatt, sondern
mindestens nach aussen hin durch mannigfache Anhängsel zelliger oder fibrillärer Natur rauh. Diese Fortsätze der
Adventitia sind aber Fortsätze von Zellen, welche mehr oder weniger tief in der Hirnsubstanz liegen. Die Zellen
sind indessen verschiedener Entwickelung; einige bilden blasse, rundliche Gebilde, die aus Kern und Protoplasma
bestehen; von dem letzteren können dann faserartige Fortsätze nach zwei Richtungen abgehen, indem einer derselben
stärker ist und nach der Adventitia hin tritt, die übrigen feineren nach entgegengesetzter Richtung ausstrahlen.
Diese mehr entwickelten Zellen kommen besonders an gewissen Stellen des Gehirns vor, z. B. in den Gyri fornicatus
und hippocampi u. s. w. Arndt hält die adventitiellen Räume für die mehr normalmässigen Lymphbahncn, auf
welchen verbrauchtes Material abgeführt wird; die His’schen perivasculären Räume aber sieht er auch als existirend
an, indem sie »Speicher» bilden, »in denen es, wenn die Abfuhr behindert oder unmöglich gemacht ist, sich sammelt
und ablagert». Auch die pericellulären oder, wie Arndt sie nennt, »periganglionären» Räume sind in dieser Weise
nach ihm präexistirend.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 150
Nach dieser historischen Skizze, werden wir zur eigentlichen Schilderung der Adventitialscheide der Blut-
gefässe des Gehirns übergehen. Sie verhält sich nicht ganz in derselben Weise an den grösseren Gefässen wie an
den Capillaren. An jenen steht sie gewöhnlich mehr oder weniger von der übrigen Gefässwand ab. An der Innen-
fläche der Scheide liegen nur sparsame, von einer Protoplasmazone umgebene Kerne; oft ist sie hier mit grösseren,
glänzenden, gelblichen oder bräunlichen Körnern besetzt und diese liegen ihr an bald mehr haufenweise, bald mehr
allgemein zerstreut (Taf. XYIII Fig. 11); Häufig sieht man dieselben (Taf. XYIII Fig. 12) mehr oder weniger
bipolar um die Kerne angesammelt, auf eine Abstammung aus dem ursprünglichen Zellenprotoplasma hindeutend,
eine Thatsache, welche eben beim Vergleich mit den oben bei der Beschreibung des subarachnoidalen Gewebes
erwähnten glänzenden Körnern der Häutchenzellen von Interesse ist. Zuweilen kommt es vor, dass Pigment-
zellen (Taf. XYII Fig. 6) in den Adventitialscheiden, d. h. an ihrer Innenfläche, sich finden; dies findet eben hie und
da statt, wenn solche Zellen in der Pia vorhanden sind. In der Scheide selbst sieht man kaum Spuren einer Structur;
sie erscheint fast glashell und homogen; bei starker Vergrösserung nimmt man doch, ungefähr wie oft sonst an
Häutchenzellen, Andeutungen einer unregelmässigen, feinen, körnig-faserigen Beschaffenheit wahr. Nie gelang es uns,
wie anderen Verfassern (Eberth, Riedel) gelungen zu sein scheint, durch Versilberung an dieser Scheide eine wirk-
liche Zeichnung von endothelialen Zellenfeldern zu erhalten; nur diffuse Färbung oder unregelmässige, falsche
Zeichnungen wurden dadurch erzeugt. In den Adventitialräumen sahen wir, ausser den von Anderen mehrmals
beschriebenen, gefärbten Körnerhaufen sowie den bei inflammatorischen Zuständen mehr oder weniger reichlich an-
gesammelten Blutkörperchen, in mehr normalen Fällen gewöhnlich keine Gebilde; doch findet man auch dann hie
und da einzelne protoplasmatische Zellen, wahrscheinlich weisse Blutkörperchen oder Wanderzellen. Zuweilen laufen
auch in diesem Raum (wie an der Fig. 10 Taf. XVIII) bindegewebige Fibrillenbündel, die das Gefäss seiner Länge
nach begleiten; es scheint sogar, als ob sie im Allgemeinen ganz frei im Lymphraum, ungefähr wie die Fasern der
Kapseln der Pacinischen Körperchen, schwammen, ohne von zusammenhängenden Zellenscheiden umgeben zu sein.
Flie und da liegen doch einzelne Zellen ihnen an. Innerhalb der Adventitialräume findet sich die T, media, welche
bei den Arterien (Taf. XVIII Fig. 7, 9—11) aus einer schönen Lage organischer Muskelfasern besteht, bei den Venen
(Taf. XVIII Fig. 8) mehr feinkörnig homogen erscheint und nur sparsame organische Muskelfasern enthält. Diese
T. Media ist in der Regel bei den Arterien sowohl als bei den Venen gegen dem Adventitialraum zu nackt, ohne
jede besondere Zellenbekleidung, so dass die Körnchenansammlungen des Adventitialraums, wenn reichlich vorhanden,
sogar in die Einkerbungen zwischen den einzelnen Muskelzellen hineinschiessen; nur mehr ausnahmsweise sieht man
(wie an den Fig. 8, 12) einzelne Zellen ihr anliegend. Innerhalb der Media findet sich, ihr gewöhnlich dicht ange-
schlossen, seltener von ihr abgelöst (Fig. 7), die homogene aus einer einzigen dünnen Zellenschicht bestehende
Intima mit ihren längsgestellten ovalen Kernen und bestimmten Zellengrenzen.
An den kleineren oder Uebergangsgefässen (wie bei Taf. XVIII Fig. 3) schwindet die Media vollständig;
die Adventitia bleibt aber als eine klare, homogene, von der Intima mehr oder weniger abstehende Scheide zurück.
An den Capillaren sieht man oft keine abstehende (Fig. 1) Adventitia; hie und da aber, besonders an den Theilungs-
stellen (Fig. 2) ist diese Scheide sehr deutlich und von der Intima abstehend. Ueberall scheint sie indessen, auch
bei den feinsten Capillaren, vorhanden zu sein; ihr Vorhandensein wird nämlich bei diesen durch kleine, schöne
und eigenthümliche Kerne bekunde. Diese Kerne sind rund, fast sphärisch und stehen in ziemlich regelmässigen
Abständen von der Capillarwand aus (Fig. 1, 4), gewöhnlich mit den langen ovalen Kernen der Intima alternirend,
zuweilen doch ihnen mehr angenähert oder sogar nebengelagert. Hie und da sieht man eben (Taf. XVIII Fig. 1)
an diesen Kernen, dass die Adventitia durch sie von der Intima blasenförmig erhoben wird, woraus hervorgeht,
dass die Kerne an der Innenseite der Adventitia liegen müssen. Fast constant findet sich in ihrer Umgebung (Fig.
I—4)1—4) eine grössere oder kleinere Ansammlung von kleinen, stark glänzenden, rundlichen Körnchen, ebenso auf einen
Ueberrest des Zellenprotoplasma hindeutend. Wie weit finden sich aber nun diese eigenthümlichen Kerne der Ca-
pillaren an den grösseren Hirngefässen hinauf? An den feineren Uebergangsgefässen (wie an dem in Fig. 3 ab-
gebildeten) behalten sie noch ganz denselben Character bei. An den eigentlichen Arterien und Venen konnten wir
sie aber nicht in dieser Weise wiederfinden; hier sahen wir nur die sparsameren, mehr ovalen Kerne.
Jetzt kommen wir aber zu der schwierigen Frage, wie die Blutgefässe des Gehirns sowie die des Rücken-
markes zu der umgebenden Parenchymsubstanz sich verhalten, d. h. in welcher histologischen Beziehung diese ver-
schiedenen Bildungen zu einander stehen. Wir müssen indessen von vornherein zugestehen, dass wir, trotz vielfacher
Untersuchungen, betreffs dieser Frage zu keiner ganz bestimmten Ueberzeugung gelangt sind. Mit dieser Frage 151
hängt auch das natürliche Vorhandensein der perivasculären Räume von His auf das Innigste zusammen. Wie be-
kannt, sieht man an Schnitten verschiedenartig erhärteter Gehirne im Allgemeinen um die Gefässe, d, h. Ausserhalb
ihrer Adventitialscheiden, entweder, wenn die Gefässe quer abgeschnitten sind, ringförmige, oder wenn sie der Länge
nach getroffen wurden, canalförmige gewöhnlich scharf begrenzte Räume von etwas verschiedener Weite (Taf. XVIII
Fig. 13); es sind dies eben die oft erwähnten His’schen Räume. Oft findet man diese Räume leer, d. h. nur von
der Untersuchungsflüssigkeit erfüllt; es liegen keine organisirte Bildungen in ihnen. In anderen Fällen aber sieht man
die Räume von fadenartig, oder anderweitig gestalteten Bildungen durchzogen, welche zwischen der Gefäss-scheide und
der äusseren Wand der Räume in verschiedenen Richtungen, mehr oder weniger radienartig, verlaufen. Diese die
Räume durchziehenden Bildungen zeigen immer eine körnige Beschaffenheit; sie bestehen nämlich aus einer glasig-
homogenen Grundsubstanz, welche bisweilen etwas faserig angeordnet ist, mit eingestreuten zahlreichen Körnern.
Sie haben keine scharfe Begrenzung, bestehen nicht aus solchen feinen, gleich dicken Fasern, wie man sie mehrmals
beschrieben hat, sondern sie scheinen im Ganzen mehr protoplasmatisch zu sein und stimmen in ihrem Aussehen
mit der umgebenden Neuroglia überein. Im Allgemeinen haften sie den Gefäss-scheiden mit verbreiteten Füsschen
an und gehen ebenso verbreitet nach aussen in die Neuroglia ohne Grenze über. Hie und da sieht man rundliche
Kerne an ihnen.
Ganz ähnliche Verhältnisse findet man wieder, wenn man die Blutgefässe in der einen oder anderen Weise
isolirt. Wenn man am frischen Gehirn oder Rückenmark die Pia sammt den ins Centralorgan einlaufenden Blut-
gefässen abzieht, bekommt man‘in den meisten Fällen diese Gefässe ganz glatt, d. h. ihre Adventitialscheiden sind
ohne Anhängsel; nur hie und da haften kleine, verschiedenartig gestaltete Partien an ihnen. So geschieht es auch,
wenn man die Pia von Hirn- oder Rückenmarkstücken ablöst, welche in Müllerscher Flüssigkeit oder chromsaurem
Ammoniak erhärtet sind. Wenn aber frische Stücke dieser Organe in schwachen Glycerinlösungen, oder in saurer
Carminlösung oder in sehr dünnen (Macerations-) Lösungen von chromsaurem Kali oder endlich in dünnen Lösungen
von Ueberosmiumsäure macerirt sind, findet man an zerzupften Präparaten die Gefässe mehr oder weniger reichlich
mit Anhängseln besetzt. Diese waren von verschiedener Gestalt und Grösse. Bald bildeten sie kleine unregelmässige,
der Adventitia inniger anhaftende Stücke, im Allgemeinen aber hatten sie eher die Form verschiedenartig gestalteter
Ausläufer. Letztere gehen gewöhnlich mit verbreiterten, oft dreieckigen Füsschen von der Adventitialscheide aus,
auf welcher sie sich gewöhnlich rippen- oder häutchenartig eine Strecke weit fortsetzen, die Scheide in dieser Weise
wie mit einem feinkörnigen Schleier überziehend (Taf. XVIII Fig. 5). Von den Füsschen ragen diese Ausläufer nun
gerade oder mehr schief nach verschiedenen Richtungen aus. Sie sind bald mehr fadenförmig, bald, und dies findet
sehr oft statt, sind sie flächenhaft verbreitet. Sie haben einen körnig-protoplasmatischen Bau und ähneln sogar
einer fadenartig ausgezogenen Neuroglia in so hohem Grade, dass es durch den Bau der Ausläufer allein gewiss
sehr schwierig sein mag, dieselben von der eigentlichen Neuroglia zu unterscheiden. Hie und da sieht man sogar
ihr äusseres Ende in wirkliche Neurogliastücke ohne Grenze übergehen. Die Ausläufer stehen, wie erwähnt, ver-
schieden dicht; bald sind sie sehr spärlich, bald stehen sie streckenweise viel mehr gedrängt. Zuweilen, und dies
ist gewiss nicht eben selten, findet man an ihnen, dicht an der Gefäss-scheide, rundliche Kerne, welche von einer
kleinen, unregelmässig begrenzten Protoplasmazone umgeben sind. Diese Kerne, welche ganz mit den sonst in der
Neuroglia überall vorkommenden »Körnern» oder Neurogliaelementen übereinstimmen, hängen hie und da ganz innig
mit den fraglichen Ausläufern zusammen. Nie konnten wir finden, dass diese Zellen Bündel von feinen, scharf be-
grenzten, nach bestimmten Richtungen gehenden Ausläufern aussenden, nie sahen wir am erwähnten Ort solche Zellen
wie die von Golgi beschriebenen, nie die von 801 l und Anderen angegebenen Pinselzellen u. s. w.; immer waren
die die His’schen Räume durchziehenden Faden und Häutchen von mehr körnig-protoplasmatischer Beschaffenheit
oder wie eine ausgezogene Neuroglia.
Da hier eben die Frage von den Neurogliaelementen berührt worden ist, müssen wir auch unsere Ansichten
betreffs derselben in Vorbeigehen mit einigen Worten angeben. In den grossen Hemisphären (des Menschen, sowie
des Schafes und Kaninchens) fanden wir durch jede Behandlungsmethode dieselben aus mehr oder weniger kuglich-
ovalen Kernen bestehend, die mit einer kleinen, unregelmässig begrenzten oder mit kurzen, körnigen Ausläufern ver-
sehene Protoplasmazone umgeben sind; diese Protoplasmazone ist aber mit der umgebenden Neuroglia dem Aussehen
nach so übereinstimmend, dass man nur nach Isolirung der Gliaelemente ihr Protoplasma als solches erkennen
kann; oft aber, besonders nach gewissen Behandlungsmethoden, z. B. in Müllerscher Lösung und Alkohol u. s. w., findet
man indessen die fraglichen Elemente, von Protoplasma umgeben, mehr oder weniger frei in rundlichen Höhlen liegend. 152
Nach vielen Behandlungsmethoden, und dies nicht nur nach erhärtenden sondern auch bei macerirenden, zeigt näm-
lich die Glia eine eigenthümliche, durchlöcherte Beschaffenheit, indem das ganze Gewebe wie mit kleineren oder
grösseren Lacunen oder Höhlen durchsetzt erscheint (Taf. XVIII Fig. 13); die grösseren Löcher, welche mehr
sphärisch sind, gehören theils den Ganglienzellen, theils den Gliaelementen an, welche in denselben logiren, entweder
mehr frei in ihren Höhlen liegend oder den Wänden derselben angelagert; die übrigen zahllosen kleineren Löcher
enthalten keine Elemente, sind anscheinend nur von einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Diese Beschreibung betrifft
die graue Substanz; in der weissen kommen auch wie bekannt eine Menge von zelligen Elementen vor; diese bestehen
wie die eben beschriebenen aus einem kugligen oder mehr ovalen Kern von einer kleinen Protoplasmazone um-
geben, welche in der Regel etwas abgeplattet, nach den Seiten mehr oder weniger dünn und zackig ist, im Ganzen
aber keine bestimmte Gestalt hat. Diese Zellen liegen in verschiedener Anzahl in den bekannten längsgehenden
Reihen zwischen den Nervenfaserbündeln; an erhärteten Präparaten sieht man sie aber immer in langen und schmalen,
etwas spindelförmigen Spalträumen einlogirt und in der Weise in diesen gelagert, dass sie der Wand derselben ein-
seitig anhaften, wobei ihre Kerne frei in das Lumen der Spalten hinausragen. Hie und da sieht man wohl von ihrem
Protoplasma kleine Höcker und sogar Abzweigungen ausgehen; nie fanden wir aber wirkliche, scharf begrenzte,
fadenartige Ausläufer von diesen Zellen abgehen. So verhielten sich die zelligen Elemente der weissen Substanz
überall, wo wir dieselbe untersuchten. Da wir im Opticus die unten zu beschreibenden eigenthümlichen, in den Lymph-
spalten befindlichen, mit Ausläufern versehenen Zellen genau untersucht hatten, versuchten wir durch die Tractus
optici dieselben bis ins Gehirn hinein zu spüren; aber schon in diesen Theilen hatten sie die Beschaffenheit der
Opticuszellen verloren und trugen, in ihren länglichen Spalten liegend, die eben beschriebene Gestalt der Zellen der
weissen Hirnsubstanz. Dass aber die erwähnten Spalträume als Lymphspalten anzusehen seien, sind wir, besonders
bei Kenntniss der Verhältnisse im Opticus, sehr geneigt anzunehmen, obwohl es uns nie mit Sicherheit gelang vom
Opticus her, dieselben zu injiciren (s. u.).
Indessen mag hier noch einmal hervorgehoben werden, dass wir unsere Untersuchungen über die Neuroglia
grösstentheils auf die grossen Hemisphären, besonders des Menschen, beschränkten. Wir wollen deswegen keineswegs
bestimmt in Abrede stellen, dass an gewissen Orten der Centralorgane Zellen mit feinen und zahlreichen Ausläufern,
wie sie am Rückenmark und in pathologischen Zuständen auch massenhaft am Gehirn beschrieben sind, Vorkommen
können. Arndt hat ja eben angegeben, dass die von ihm beschriebenen, entwickelteren Formen an gewissen Orten
vorhanden sind; nach dem kürzlich geschehenen Erscheinen seiner Abhandlung haben wir aber keine Zeit gefunden,
diesen seinen Angaben nachzugehen. Was wir glauben angeben zu können, ist aber, dass im Allgemeinen die Glia-
zellen die hier oben beschriebene Beschaffenheit tragen. Solche Zellen sind es nun, die hie und da an isolirten
Gefäss-scheiden zusammen mit Neurogliaresten haften. Da aber wie erwähnt an gewissen Orten der Centralorgane
die Art der Zellen und ihrer Ausläufer eine andere sein kann, wollen wir hier keine allgemein geltende Regel
aussprechen.
Jetzt stehen wir aber vor dem Cardinalpunkt dieser ganzen Frage. Sind wirklich die His’schen Räume natür-
lich präexistirende Bildungen oder sind sie künstlich entstanden? Damit hängt auch die Frage betreffs der Natur
der diese Räume durchziehenden Ausläufer innig zusammen. Man kann sich nämlich denken, dass die zähe protoplasma-
ähnliche Neuroglia bei ihrer supponirten Retraction von den Gefäss-scheiden, denselben hie und da fester angeklebt
sei und dadurch fadenartige Gebilde aus ihr ausgezogen werden. Die Structur der Ausläufer spricht eigentlich
nicht gegen eine solche Annahme. Eigenthümlich erscheint es indessen, dass der Rand der Retractionslücken ge-
wöhnlich sehr scharf ist und nur die beschriebenen einzelnen Faden ausgezogen werden. Noch schwieriger voll-
ständig zu erklären erscheint aber die ganze Retraction selbst. Da nämlich bei Erhärtung, z. B. in Weingeist, das
ganze Organ stark von der Oberfläche her einschrumpft, warum sollen dann auch die inneren Partien in der Art
sich zusammenziehen, dass die His’schen Canäle stark vergrössert, also die Höhlen erweitert werden? Und noch
mehr: Auch bei »Maceration» in den geeigneten Flüssigkeiten entstehen dieselben Retractionsbilder. Es ist sogar
möglich, dass bei Einwirkung verschiedener Reagentien eine Art Coagulation der Neuroglia entsteht, wodurch,
ungefähr wie bei dem Erfrierungsprocess, der flüssigere Theil derselben sich von der übrigen Substanz ausscheidet
und in den kleinen vacuolenartigen Räumen sich sammelt. Hier liegen gewiss unerklärte physikalische Verhältnisse
vor, und wir wollen uns nicht jetzt in dieselben vertiefen. Die Entstehung der perivasculären Canäle hängt aber
nicht nur von einer derartigen Retraction der Glia ab. Sie hat gewiss auch eine andere wichtige Ursache, nämlich
die Contraction, das Zusammenfallen der Gefässwände. Während des Lebens sind ja die fraglichen Gefässe, bes. 153
die Arterien viel mehr mit Blut erfüllt als nach dem Tode. Sie ziehen sich dann deswegen zusammen, und diese
Erscheinung wird noch mehr durch erhärtende Flüssigkeiten, bes. Alkohol, gesteigert. Dies trägt sicherlich nicht
wenig bei, den Abstand der Gefässwände von der Glia, mithin die Weite der His’schen Räume, zu vermehren. Eine
verminderte Ausspannung der Adventitialscheiden selbst kann auch hierzu beitragen.
Dass aber an der Oberfläche des Gehirns durch die Retraction bei der Erhärtung in Weingeist ein epicerebraler
und epicerebellarer Raum künstlich zu entstehen vermag, davon kann man sich ohne Schwierigkeit überzeugen, be-
sonders am Kleinhirn, wo die Weite dieses Raums eben im Verhältniss zur Stärke der Erhärtung zu stehen pflegt.
Dass im Inneren des Organs die His’schen Räume durch eine Art Retraction gebildet werden, liegt sehr nahe anzunehmen,
um so viel mehr als man an der Oberfläche frischer, in starker Ueberosmiumsäurelösung erhärteter Hirnstücke in der
Regel keine His’schen Räume findet, sondern hier die Neuroglia, die Gefäss-scheiden dicht umschliessend, sieht; im
Inneren des Stückes aber, wo die Ueberosmiumsäure nicht gut wirken konnte, findet man perivasculäre Räume;
dies gilt auch von den pericellulären Räumen. Die Fig, 5 der Taf. XVII zeigt eben einen Piatrichter, von der Oberfläche
des in starker Ueberosmiumsäure erhärteten Gehirns eines Kaninchen eintretend; rings um den Trichter sowohl als
um die abgehenden Gefässzweige und die in der Glia befindlichen Ganglienzellen und Gliaelemente schliesst sich die Glia
meistens dicht an; nur an ein Paar Stellen ist sie wahrscheinlich durch die Schnittführung ein wenig abgehoben; so
verhielt es sich hier überall an der Oberfläche; etwas tiefer in dasselben Gehirnstück hinein, wo die Einwirkung der
Säure geringer war, fanden sich aber die His’schen Räume in reichlicher Ausdehnung.
Von grosser Wichtigkeit für die Lösung der Frage betreffs der His’schen perivasculären Räume sowie im All-
gemeinen für die Kenntniss der Lymphbahnen der Centralorgane sind die Injectionen. Bei Injectionen der Sub-
arachnoidalräume nach der von uns angewandten Methode fliesst, wie oben angeführt worden ist, die Flüssigkeit nie
in den supponirten Epicerebralraum und in die Perivascularräume hinein; dies geschieht nur, wenn das Schädeldach
vorher entfernt wurde und der Druck der Injectionsflüssigkeit zugleich zu stark war, indem die dadurch gespannte,
dünne Pia zerbrach und die Flüssigkeit in künstlichen Bahnen hervordrang. Sonst wird sie immer, auch bei der
reichlichsten, sogar ein starkes Oedem nachahmenden Injection, durch die Pia von der Gehirnoberfläche abgesperrt,
und an den Gefässen fliesst sie immer nur durch die trichterförmigen Einsenkungen der Pia in Fortsetzungen der-
selben, die adventitiellen Scheiden der Gefässe, hinein (Taf. IX Fig. 3, 4), in dieser Weise nicht eben selten recht tief
in das Gehirn eindringend. Es ist ein recht schönes Bild, Präparate von solchen mit Injectionsflüssigkeit gefüllten
Piatrichtern in die Gehirnrinde eintreten zu sehen, wie sie bald mehr einzeln, bald mehr büschelweise wie in den
Furchen, vorhanden sind. Oft werden, wahrscheinlich in Folge der Ausfüllung und Anspannung der Subarachnoidal-
räume, nur die Trichter gefüllt, d. h. die Injectionsflüssigkeit dringt nicht weiter in die Adventitialscheiden hinein.
Unter günstigen Umständen, besonders bei sehr langsamem Einfliessen unter gelindem Druck, gelingt aber zuweilen
auch die Füllung dieser Scheiden eben so gut, als man sie bei Entzündungszuständen von ausgewanderten Blut-
körperchen ausgepropft findet, in welchen Fällen nämlich, wie wir zuweilen gefunden haben, diese »natürliche» In-
jection sich in die weiche Hirnhaut, d. h. in die Subarachnoidalräume hinaus fortsetzt, ohne dass ein einziges Körperchen
zwischen Pia und Gehirn oder zwischen den Adventitialscheiden und dem Gehirn zu finden ist.
Bei Einstichinjection in die Hirnsubstanz gelingt es, wie leicht einzusehen ist, selten die Adventitialscheiden,
die Trichter und die Subarachnoidalräume zu füllen; dies kann nur dann geschehen, wenn die Canüle eine Advential-
scheide so lädirt, dass die Flüssigkeit in sie hereindringen kann. Sonst folgt die Flüssigkeit den Wegen, wo sie den
kleinsten Widerstand findet, und dies muss eben den Gefässen entlang sein, indem die Neuroglia, welche der
Gefäss-scheide nicht eben stark adhärirt, hier der Flüssigkeit weniger Widerstand leistet als ihre übrige Substanz;
hierdurch werden die His’schen Perivascularräume gefüllt und von diesen aus der Epicerebralraum. Nachdem die
Flüssigkeit in dem letzteren sich über eine grössere oder kleinere Partie der Gehirnoberfläche ausgebreitet hat,
berstet gewöhnlich die Pia am meisten eben durch die Auspannung ihrer trichterförmigen Einsenkungen an der einen
oder anderen Stelle, wonach die Flüssigkeit sich in die Subarachnoidalräume verbreiten kann. In dieser Weise ent-
stand eben gewiss die Lehre vom Zusammenhang der Epicerebral- und Perivascularräume mit den Lymphräumcn
der weichen Haut.
Bei Einstichinjection in die Hirn- und Rückenmarksubstanz, besonders wenn man leichtflüssige Massen an wendet,
füllt sich aber noch ein reichliches System von feinen Gängen, welche die Neuroglia in den verschiedensten
Richtungen durchziehen. Dieses höchst interessante System, welches als das eigentliche Saftcanalsystem der Hirn-
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 154
und Rückenmarksubstanz angesehen werden kann und wahrscheinlich dem oben erwähnten System von kleinen
Löchern und Höhlen der Neuroglia entspricht, läuft besonders oft mit den His’schen perivasculären Räumen zu-
sammen, so dass es scheint, als ob seine Gänge überall mit den letzteren in Verbindung ständen.
Wenn wir nun die Gründe, welche gegen die natürliche Existenz der His’schen Perivascularräume beweisend
sind, kurz zusammenfassen, sind sie etwa folgende: Erstens sprechen die Injectionen, besonders die subarachnoidalen
sowie im Allgemeinen die anatomische Absperrung der fraglichen Räume von den Lymphbahnen der weichen Haut
gegen ihr Vorhandensein. Zweitens vermisst man sie oft bei Erhärtung in starker Ueberosmiumsäure. Drittens
sieht man bei Inflammationsprocessen die ausgewanderten Zellen und übrigen Inflammationsproducte nicht in ihnen
sondern in den Adventitialscheiden und dann rings um die Gefäss-scheiden in der Neuroglia selbst, ohne Ansammlung
in den zwischenliegenden His’schen Räumen. Endlich spricht auch gegen ihre natürliche Existenz die an der übrigen
Hirnsubstanz durch verschiedene Behandlungsmethoden entstehende Retraction der Neuroglia. Indessen darf nicht
verhehlt werden, dass andere Thatsachen für ihr Vorhandensein sprechen. So besonders die Stichinjection im Gehirn
und Rückenmark, wobei die fraglichen Räume, oft in grosser Ausdehnung mit merkwürdiger Leichtigkeit gefüllt
werden sowie auch das eben erwähnte Verhältniss, dass von ihnen aus in der Llirn- und Rückenmarksubstanz ein
System feiner Gänge und Räume injicirt werden können.
Wir wollen deswegen diese Frage betreffs der His’schen Perivascularräume nicht als vollständig erledigt be-
trachten, sondern es muss künftigen Untersuchungen überlassen werden, dieselbe zu entscheiden. Soviel scheint uns
aber festzustehen, dass die hauptsächlichen Bahnen aus den adventitiellen Scheidenräumen bestehen, welche die
Flüssigkeit vom Inneren des Gehirns zu den Subarachnoidalräumen abführen.
Am Kleinhirn sind indessen die Verhältnisse in einer Beziehung verschieden. Dies betrifft die Anheftung der
Pia an der Hirnrinde. Hier giebt es nämlich eine Art von Bildungen, welche eine derartige innigere Anheftung be-
sorgen. Es sind dies die von Bergmann, Hess, Schulze, Deiters, Henle-Merkel beschriebenen Fasern. An der
freien Oberfläche des Kleinhirns suchten wir diese Fasern vergebens. Dagegen fanden wir aber dieselben, und dies
sehr reichlich, in den Furchen. Einige Mal glaubten wir wohl einzelne solche Bildungen auch an der genannten
Oberfläche gefunden zu haben, immer aber in der Nähe von Furchen und nur sehr selten. Ihr eigentliches Territorium
findet sich deswegen in den letzteren. Wir glauben deswegen behaupten zu können, dass die Anheftungsfasern den
Furchen angehören. Wir haben sie beim Menschen, beim Hund und beim Kaninchen untersucht. Sie verhalten
sich bei diesen Geschöpfen in fast ganz derselben Weise. Immer sind sie in sehr zahlreicher Menge vorhanden.
Man kann sie in zweierlei Weise studiren, erstens an Flächenansichten (Taf. XVIII Fig. 14) der vorsichtig abgelösten
Pia, wobei sie oft an ihr sitzen bleiben und wie Stifte in ziemlich gleichen Abständen mit ihren trichter- oder trom-
petenähnlich erweiterten Enden von ihr hervorschiessen. Wenn man die ganze aus einer Furche so hervorgezogene,
platt ausgebreitete Pia untersucht, findet man, dass sie solche Fasern an ihren beiden Seiten nach oben und unten abgiebt.
Die Länge der ausgezogenen Fasern ist verschieden; es hat aber im Allgemeinen den Anschein, als ob sie nicht voll-
ständig, sondern dass ihre inneren Enden abgebrochen seien. Etwas besser gelingt indessen die Untersuchung von
der Seite her, an den mit der Gehirnoberfläche senkrecht laufenden Schnitten. Beim Kaninchen sieht man hier in den
Furchen jederseits zwischen der Pia und der Rindensubstanz einen glänzenden Saum; bei näherer Betrachtung besteht
dieser eben aus den erweiterten Köpfen der Fasern, die entweder an der Pia noch anhaften oder von ihr abgelöst
aus der Rinde in gedrängter Anordnung wie eine Masse von kleinen Trompeten hervorschiessen. Beim Menschen
kommen eben dieselben Verhältnisse vor (Taf. XVIII Fig. 15). Wenn die Pia der Rindensubstanz nahe anliegt, sieht
man nur die etwas glänzenden, kleinen Erweiterungen der Fasern im Zwischenraum, immer mit den von der Seite
her dreiseitigen Erweiterungen gegen die Pia zu. Wenn die Pia etwas mehr von der Rindenoberfläche abgezogen und
entfernt wurde, hat eine grössere oder kleinere Anzahl der Fasern ihr gefolgt, und diese haften noch an ihr; viele sind
aber gewöhnlich dabei von ihr abgelöst und stehen entweder wie ein Wald aus der Rindensubstanz ausgezogen
empor mit ihren trompetenförmigen Erweiterungen dicht beisammenliegend und hier wie ein dünner Saum oder ein
buchtiges Häutchen erscheinend. Oder sie wurden verschieden weit aus der Rinde gezogen und stehen in ver-
schiedener Entfernung von ihr, bald mehr büschelweise, bald einzeln im Zwischenraum zwischen der Pia und der
Rindenoberfläche. An solchen einzeln stehenden Fasern studirt man am besten den Bau. Sie sind im Allgemeinen
homogen, glasartig durchscheinend, nicht eben steif, sondern ziemlich biegsam. Zuweilen sieht man in ihnen einen
oder einige längsgehende, dichtere, mehr glänzende Streifen oder Rippen. Am optischen Querschnitt findet man sie
cylindrisch. Ihre Begrenzungen sind im Allgemeinen eben; oft haftet aber an ihnen kleine Partien der feinkörnigen 155
Neuroglia, aus welcher sie herausgezogen sind; davon rührt das körnige Aussehen her, welches man oft an ihnen
wahrnimmt. Nicht selten findet man sie nach der Rinde zu verzweigt; sie theilen sich dann dichotomisch, zuweilen
wiederholt sich diese Theilung. Die Zweige bilden einen spitzen Winkel unter einander und tauchen in die Rinden-
substanz hinein.
Wie weit die Fasern in diese eindringen, haben wir nicht näher erforscht. Oft kann man sie als feine, glän
zende Linien ziemlich tief in dieselbe hinein spuren.
Auch an die von der Pia abgehenden Gefässtrichtern und Scheiden sieht man die Fasern sich reichlich an-
setzen. Hier entsteht aber von Neuem die Frage, ob ein Zwischenraum zwischen der Pia und der Rindenoberfläche,
ein »epicerebellarer Raum», normalmässig während des Lebens vorhanden oder ob nicht auch hier die an den
Präparaten vorkommende Spalte nur ein Knnstproduct sei. Nach Allem, was wir gesehen haben, glauben wir uns
betreffs dieser Frage für das letztere entscheiden zu müssen. Wenn auch gewöhnlich durch die nothwendige Er-
härtung die Hirnsubstanz von der Pia sich zurückziehen muss und man deswegen einen kleinen, von den Fasern
durchzogenen Spaltenraum erhält, findet man doch zuweilen die Pia der Rinde dicht anliegend und die trichter-
förmigen Erweiterungen noch in dieser verborgen. Nie gelingt es durch Injectionen einen epicerebellaren Raum von
den subarachnoidalen Räumen aus zu füllen. Die Lymphkörperchen, welche Henle und Merkel dort gesehen haben,
waren wohl ohne Zweifel durch die Präparation dahin gelangte weisse Blutkörperchen. Nach guter Erhärtung und
Präparation fanden wir nie solche Bildungen in diesem Raum. Wenn man noch dazu die Verhältnisse an der freien
Oberfläche des Kleinhirns, wo kein solcher Raum normalmässig vorhanden ist, an dem Grosshirn und dem Rücken-
mark bedenkt, so ist es wohl gewiss nicht unrichtig, den Schluss zu ziehen, dass auch der epicerebellare Raum
der Kleinhirnfurchen durch die Präparation entstanden, also ein Knnstproduct ist.
Es schien uns indessen sonderbar, dass solche Fasern nur dem Kleinhirn zukommen, und wir haben uns
deswegen zu wiederholten Malen bemüht entsprechende Gebilde auch an anderen Orten der Centralorgane zu finden.
Dies gelang uns aber nie, besonders nicht in den Furchen des Grosshirns; wenn wir hier zuweilen ähnliche wenn
auch nur einzelne solche Fasern vor uns zu haben glaubten, wurde es aber bei näherer Untersuchung immer dahin
entschieden, dass nur anhaftende, der Neuroglia entzogene, feine Fasern für die wirklichen Anheftungsfasern ge-
halten wurden.
Hier mag indessen bemerkt werden, dass man nicht zu schwache Vergrösserungen anwenden mag, um diese
Fasern zu studiren. Am geeignetsten schienen uns die Immersionssysteme N. 9 und 10 von Hartnack.
3. Die Histologie der Dura mater.
Historischer Rückblick.
Der feinere Bau der Dura mater ist im Allgemeinen eigentlich nur wenig erforscht. Zwar hatte schon Pacchioni
versucht, die Fasergruppen der Dura in eingehender Weise nachzuforschen und ihr grosse Eigentümlichkeiten zu
vindiciren, ja sogar in ihr einen musculären Bau zu finden. Seit älterer Zeit hat man ferner in ihr nach Lymph-
gefässen gesucht. Nerven fand man auch schon längst in ihr, und die Blutgefässe wurden in den späteren Jahren 156
näher untersucht. Das Grundgewebe wurde aber wenig studirt. Die innere Fläche, an welcher man nach Bichat
die Arachnoidea parietalis annahm, hat doch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nach Kölliker, welcher den
Bau der Dura etwas ausführlicher beschrieben hat, besteht sie am Rückenmark fast zu gleichen Theilen aus
Bindegewebe und elastischem Gewebe; ersteres zeigt parallel verlaufende' Bündel in vielen, übereinander liegenden
und fest verbundenen Lamellen, letzteres Netze feinerer und stärkerer Kernfasern. An der Innenfläche der Dura
findet sich nichts als ein Epithelium von polygonalen, platten, kernhaltigen Zellen auf der innersten Schichte der
harten Haut und von einem besonderem Substrate derselben keine Spur. Die Dura cerebralis besteht aus der
eigentlichen harten Haut und dem Periost, welche sich noch beim Erwachsenen theilweise trennen lassen; die innere
Lamelle ist gefässärmer; in beiden Lamellen findet sich Bindegewebe von derselben Form wie in Sehnen und
Bändern mit meist undeutlichen Bündeln und parallelem Verlauf der Fibrillen. An den meisten Stellen finden sich
zwischen dem Bindegewebe auch Kernfasern, gewöhnlich als mit dem Bindegewebe parallel verlaufende, geschlängelte
feine Fäserchen, dagegen nirgends elastische Fasern. Die Innenfläche der Dura cerebralis ist auch nur von einer
einfachen Lage von pflasterförmigen Epithelzellen bekleidet; die äussere Fläche ist bei Erwachsenen rauh und ver-
bindet sich durch Fäserchen und Gefässe direct mit dem Knochen. Luschka beschrieb die innerste Schicht der Dura
(die sog. Arachnoidea parietalis) als ein ausserordentlich zartes, leicht zerstörbares Häutchen, welches sich meist nur
in kleineren Streifen abtrennen lässt. Es besteht aus einer Faserlage und einem Epithelium; erstere besteht meistens
aus feinen isolirten Bindegewebsfibrillen, welche vielfach die Form und die Verlaufsweise der serösen Fasern dar-
bieten, sowie aus einzelnen von Spiralfasern umwickelten Bindegewebsbündeln. An der Dura cerebralis enthält diese
Schicht keine solche umwickelte Bündel; hier soll sie sich stellenweise zur Bildung eigenthümlicher Fortsätze (der sog.
parietalen Arachnoidalzotten) erheben, v. Recklinghausen fand nach Silberbehandlung in der Dura des Kaninchen
unter dem kleinzelligen Epithel der Innenfläche ein sehr unregelmässiges Saftcanalsystem. Im Innern der Dura zwischen
den sehnigen Bündeln waren nach ihm die Canälchen grösstentheils den Bündeln parallel angeordnet; so auch beim
Hunde und Menschen in den mittleren Schichten. Auf der inneren Fläche, namentlich beim Hunde, sah er ein äusserst
zierliches Venenplexus, in deren relativ engen Maschen die Saftcanälchen ein ziemlich regelmässiges System bilden.
In den inneren Schichten der Dura des Menschen und Hundes sah er Gefässe, deren lymphatische Natur ihm wahr-
scheinlich erschien. Wiensky fand durch Silberbehandlung ein sog. falsches Epithel an der äusseren Fläche der
Dura mater. Boehm fand durch Silberbehandlung an der Innenfläche der Dura des Kaninchen eine einfache Lage
platter Epithelzellen (an der Dura des Hundes und des Menschen aber nie); unter demselben sah er ein Saftcanalsystem,
welches zu grossen, mit polygonalem, stomataführendem Epithel versehenen Räumen zusaramenfliessen sollten. Wirkliche
Lymphgefässe fand er aber nicht. An der Innenfläche der Menschendura erhielt er Lymphgefäss-ähnliche Capillar-
netze, welche mit den Venen in Verbindung standen. Dieses Capillarnetz ist nach Boehm ein Appendix des Capillar-
Systems, eine Art accessorisches Capillarsystem, das sich nach der freien Innenfläche hin mit den intrafibrillären
Ge websspalten der Dura in Verbindung setzt, nur ausnahmsweise Blut enthält, sonst aber in offener Communication
mit dem Subduralraum steht und zur Resorption seiner Flüssigkeiten bestimmt ist. Wir zeigten dann, dass dieses
Gefäss-system nur die hier eigenthümlich geformten Blutcapillaren und Venenwurzeln darstellte; es hängt nämlich
mit den Arterien sowohl als mit den Venen zusammen und ist immer blutführend; bei verschiedenen Thieren hat
es ein verschiedenes Aussehen, bei einigen ist es gewöhnlichen Blutgefässen ganz ähnlich. Die Resorption vom
Subduralraum in die Venen der Dura hinein geschieht nach uns nicht direct sondern durch Vermittelung der Arach-
noidalzotten. Nach Henle zeichnet sich die fibröse Haut betreffs ihrer Structur durch nichts vor den übrigen Gebilden
dieser Kategorie aus; sie besteht aus dicht verwebten Bindegewebsbündeln und feinen elastischen Fasernetzen.
Gegen das Hinterhauptsloch ordnen sich die Bündel mehr parallel und longitudinal, und so erhalten sie sich in der
Dura spinalis. Die Dura cerebralis ist an ihrer inneren, die Dura spinalis an beiden Oberflächen mit einem einfachen,
sehr platten Pflasterepithelium versehen, dessen Kerne durch Essigsäure, dessen Zellengrenzen durch Silberlösung
dargestellt werden. Paschkewicz fand in der Dura drei Schichten, zwei äussere ziemlich dicke, eine innere dünne.
Durch Silberbehandlung stellte er an der Innenfläche ein polygonales (vielleicht doppelschichtiges) Epithel mit Sto-
mata dar. Er fand zwei Blutcapillarnetze, ein mehr oberflächliches und ein tiefes, im inneren Blatte unmittelbar
unter dem Epithel liegendes, welche beide in Verbindung stehen sowohl mit einander als mit den Venen, nicht aber
mit dem Subduralraum. Als Lymphgefässe fasste er durch Silberbehandlung erhaltene Canäle und die Blutgefässe
begleitende, sie umflechtende kleine Räume auf; das ganze System soll auf der Innenfläche durch Spalten zwischen
den Epithelzellen in den Subduralraum münden, andererseits höchst wahrscheinlich mit Venensinus in Verbindung 157
stehen. Grössere Lymphgefässe sah er nicht. Quincke fand wie wir keinen Uebergang von Zinnoberkörnchen vom
Subduralraum zu dem von Boehm beschriebenen Gefässnetz. Ebensowenig gelang es Michel eine Resorption nach
demselben hin zu erhalten; das eigentümliche Blutcapillarsystem steht nämlich auch nach ihm nicht in Verbindung
mit dem Subduralraum. Ein durch die ganze Dicke der Dura aus mit einander communicirenden Spalten bestehendes
System steht dagegen mit demselben in Communication, sowie mit einer Anzahl grösserer und kleinerer Räume
zwischen Dura und Knochen (die »epiduralen» Räume). Sowohl an der äusseren als an der inneren Fläche der Dura
findet sich ein Endothelhäutchen, das im ersteren Falle die innere Begrenzung der epiduralen Räume, im zweiten
als einfache Lage die äussere des Subduralraums bildet. Die Spalten im Inneren der Dura sind auch mit Endothel
ausgekleidet. Das Spaltensystem dient wahrscheinlich zum Durchtritt der Lymphe, deren Strömung von aussen nach
innen geschieht. Wenn man zwischen Dura und Knochen injicirt, füllt sich dieses System, und die Flüssigkeit tritt
auf der Innenfläche der Dura durch spaltähnliche Oeffnungen aus. Das Duragewebe besieht aus zwei etwa gleich
dicken, sich kreuzenden Lagen von vielfach durchflochtenen Bindegewebsfibrillenbündeln; die äussere Lage hat zu jeder
Seite der Convexität eine Richtung von vorn-aussen nach hinten-innen, die innere dagegen eine entgegengesetzte.
Histologische Beschreibung.
In der harten Haut des Gehirns sind, wie man schon mit blossem Auge findet, und wie im Allgemeinen an-
gegeben wurde, die Faserbündel der Richtung nach vorzugsweise in zwei Hauptschichten angeordnet. Jede dieser
Hauptschichten kann indessen in eine Anzahl dünnerer Schichten aufgelöst werden; mit der Pincette kann man
nämlich an manchen Stellen eine Reihe von Lamellen die eine nach der anderen abheben; sie hängen zwar durch
Austausch von Fibrillenbündeln untereinander zusammen, doch bleiben oft an solchen Lamellen die Zellen in ihrer
Lage, und die Präparate lassen sich oft sehr gut zur mikroskopischen Erforschung der Dura anwenden. Heber die
Hemisphären gehen die Bündel der inneren Hauptschicht von innen-vorn nach aussen-hinten; von der Gegend des
Sinus longitudinalis strahlt über die innere Oberfläche eine sparsame Schicht etwas mehr transversal gehender
Bündel aus; diese sind eben dieselben Züge, welche in der Nähe des Sinus die unten zu besprechende Cribrirung
der Dura bilden. Die äussere Schicht der Dura zeigt mehr Verflechtung der Bündel. Als Hauptrichtung derselben
kann doch angegeben werden, dass sie von vorn-aussen nach hinten-innen angeordnet sind; sie schlagen aber
auch andere Richtungen ein, zuweilen sich drei oder vier Mal kreuzend. Die beiden Hauptschichten verbinden sich
indessen durch Austausch von Bündeln sehr innig mit einander, so dass eine eigentliche Trennung derselben immer
eine künstliche wird. Im Falx cerebri ist die Hauptmasse der Bündel sonnenschirmartig wie Radien von seinem
hinteren-unteren Winkel am Tentorium cerebelli ausstrahlend; an seinem oberen Theil, in der Nähe des Sinus
longitudinalis breitet sich jederseits über diese radiirenden Bündel eine vom vorderen Ende kommende dünne Schicht
von Bündeln, welche indessen hinten aufhört, ehe sie die unteren Theile erreicht.
Die Richtung der Bündel in den übrigen Partien der Dura cerebralis haben wir nicht eingehender verfolgt.
In der Dura des Rückenmarks kann man auch im Allgemeinen zwei Hauptschichten von verschiedener Richtung
der Bündel unterscheiden. In der inneren dünneren gehen diese longitudinal, in der äusseren dickeren dagegen
transversal, d. h. circulär um das Rückenmark.
Um den feineren Bau der Dura zu erforschen, bedient man sich mit Vortheil der dünnen Lamellen,
welche auf die eben erwähnte Weise nach einander in beträchtlicher Menge von der flächenhaft ausgebreiteten Dura
mit der Pincette abgehoben werden können. An solchen durch Carmin (besonders essigsaures) gefärbten Lamellen
sieht man eine grosse Anzahl meistens stäbchenförmiger, in parallelen Reihen angeordneter Körperchen; zuweilen
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 158
gehen in einer Lamelle, besonders wenn sie sehr dünn ist, alle diese Leihen nach einer Richtung hin; gewöhnlich
findet man sie aber in verschiedener Tiefe des Präparates, zwei oder mehrere verschiedene, in der Regel spitzwinklig
sich kreuzende Richtungen einschlagend (Taf. XXI Fig. 1). Es sind diese Körperchen die Kerne der Durazellen,
welche besonders bei Essigsäurebehandlung eine stäbchenähnliche Form einnehmen; an ihren Enden findet man oft
einen faden- oder häutchenartig aussehenden, glänzenden oder mehr oder weniger feinkörnigen Ausläufer, welcher hie
und da sogar verzweigt erscheint. Diese Zellenkerne und ihre Fortsätze deuten mithin durch ihre ungleiche Richtung
an, dass die Zellen in verschiedenen Schichten auch verschiedene Richtungen einnehmen. Man findet auch bald,
dass die hellen, schmalen Zwischenräume zwischen den Zellen Bindegewebsbündeln entsprechen, welche eben dieselbe
Richtung haben wie die Zellen selbst. An den von der Innenfläche der Dura genommenen Lamellen findet man auch
grössere Spalten, welche mit den Bündeln parallel laufen, dieselben in schmaleren Partien abtheilend; in diesen Spalten
gehen Blutcapillaren. An den Lamellen sieht man also, dass das Duragewebe aus dünnen, flächenhaft ausgebreiteten
Schichten von in jeder Schicht einander parallelen, in verschiedenen Schichten aber spitzwinklig sich kreuzenden
Bündeln und zwischen denselben reihenweise angeordneten Zellen besteht.
Auch von der Rückenmarksdura lassen sich in derselben Weise eine Anzahl von dünnen, ähnlich gebauten
Lamellen abheben. Dass sie aus einer Menge von flächenhaft ausgebreiteten Schichten besteht, wird auch durch
andere Untersuchungsmethoden bestätigt.
Die nähere Erforschung des feineren Baues der Dura bietet indessen grosse Schwierigkeiten. Dies gilt be-
sonders von der Gestalt und der Anordnung ihrer Zellen.
Um die letzterwähnte Frage zu eruiren, gingen wir vom Studium des embryonalen Gewebes aus. Die Dura
von Menschenembryonen (2—5 mon.) wurde zuerst in Müller’scher Lösung, dann in Weingeist erhärtet; dann wurde
sie mit Vorth eil nach Tränkung mit Gummiglycerin getrocknet; von einer so behandelten Dura kann man sehr schöne
Schnitte in jeder beliebigen Richtung verfertigen. Als Färbungsmittel wandten wir mit bestem Erfolg rothe Anilin-
lösung an und daneben neutrale sowie essigsaure Carminlösungen. An Schnitten der in dieser Weise behandelten
Dura zeigte sich, dass diese Haut im embryonalen Zustande von sehr zahlreichen, im Allgemeinen grossen, proto-
plasmatischen Zellen äusserst wechselnder Gestalt und Anordnung überall durchzogen ist. An Horizontalschnitten
(Taf, XX Eig. I—7)1—7) findet man also diese Zellen von sehr mannigfacher Form. Bei der Beschreibung gehen wir
von einer der einfachsten Formen aus, nämlich von den spindelförmigen Zellen (Taf. XX Fig. 1); sie sind mit schmalen,
nicht selten fadenförmig fein ausgezogenen, hie und da varicös angeschwollenen Endausläufern und mit einer dickeren,
gewöhnlich etwas geplatteten Partie rings um den ovalen oder rundlichen Kern, welche in der Regel die Mitte der
Zelle einnimmt, versehen. Solche spindelförmigen Zellen findet man hie und da an den Schnitten, die Hauptmasse
bildend. Sie liegen dann, je nach der Anordnung der Fibrillenbündel, parallel oder einander kreuzend, in spalten-
förmigen Zwischenräumen oder Lücken zwischen den Bündeln; die Bündel weichen nämlich hie und da aus einander,
um die Zellen zwischen sich aufzunehmen; wenn die Zellen ausgefallen sind, findet man die Lücken zwischen den
Bündeln als offene spindelförmige Räume. Hie und da sieht man auch (Taf. XX Fig. 4 bei ö), wenn die Zellen in
ihren Räumen noch vorhanden sind, mehr oder weniger schmale offene Spalten an der einen oder an beiden Seiten
der Zellen. Diese Zellen lassen sich indessen zu keinem gewissen der herumliegenden Bündel rechnen; sie scheinen
hingegen ihnen allen in gleichem Grade anzugehören.
Wenn aber nun diese breiteren oder schmaleren, mehr oder weniger spindelförmigen Zellen in reichlicher
Menge in der embryonalen Dura vorhanden sind, bilden sie doch im Allgemeinen nicht die überwiegende Anzahl.
Von ihnen als Ausgangspunkt kann man aber bei der Beschreibung sich zu den übrigen Formen ableiten. So findet
man (Taf. XX Fig. 2) an einer Menge der Zellen die dickere Mittelpartie, besonders oft nach der einen Seite hin,
in ein dünneres protoplasmatisches Häutchen auslaufend, welches über die angrenzenden Fibrillenbündel, bisweilen
mit nach aussen verschwindender, nicht sicher bestimmbarer Grenze, sich ausbreitet. Auch an den beiden Ausläufern
der spindelförmigen Zelle (s. an mehreren Figuren der Taf. XX) können oft solche verschiedenartig gestaltete Häut-
chenausbreitungen über den Bündeln wahrgenommen werden. Aber noch mehr. Die beiden Endausläufer können sich
in mehrere oder wenigere Zweige theilen (Fig. 2—7); ein oder mehrere derselben bieten hie und da glänzende,
knotenförmige Anschwellungen; diese Zweige können ferner in mehrere getheilt sein, wodurch sie untereinander in
mancherlei Weise Zusammenhängen und in die verschiedensten Richtungen verlaufen können. Auch von der Mittel-
partie der Zelle gehen oft dickere oder feinere Zweige in mancherlei Richtungen hinaus. Auch diese Zweige können
nun hie und da mit einander und mit denen der übrigen Ausläufer anastomosiren und Netzwerke verschiedenartiger 159
Gestalt bilden. Diese Ansläufer und ihre Netze laufen theils in mehr oder weniger weiten Strecken zwischen den
Bündeln, theils umspinnen sie dieselben in mancherlei Richtungen. Hie und da sieht man, dass sie in ziemlich weiter
Entfernung von der kernhaltigen Mittelpartie grössere protoplasmatische Anschwellungen von wechselnder Gestalt
also Protoplasmapartien, die nur durch schmälere, oft ganz feine Brücken mit der Mittelpartie Zusammenhängen
besitzen (Fig. 2, 3, 6).
Mittelst ihrer Ausläufer und Zweige gehen die Zellen äusserst zahlreiche Verbindungen mit einander ein
(Fig. 2—7). Bald hängen zwei Zollen dicht bei einander durch eine unverzweigte, mehr oder weniger breite Brücke
zusammen, bald ist diese schmal oder verzweigt. Nicht selten senden sie Ausläufer in weiten Strecken hinaus, um
mit entfernteren Zellen in Verbindung zu kommen.
Hierdurch entsteht also ein verzweigtes System protoplasmatischer Zellen, welches die Fibrillenbündel mit
einem reichlichen protoplasmatischen Netz von verschiedenster Form und in vielerlei Richtungen umspinnt. Dies Zellen-
netz ist in der That so wechselnder, so wahrhaft proteusartiger Gestalt, dass es sogar unmöglich ist, diese verschiedenen
Variationen mit Worten wiederzugeben. Die in der angef. Taf. XX dargestellten Formen können indessen vielleicht
eine Vorstellung vom Aussehen dieser Zellen geben. Hier findet sich in der That Nichts Constantes; sogar die
protoplasmatische Mittelpartie kann auf ein solches Minimum reducirt sein, dass man kaum mehr als den Kern
sieht, wogegen das Protoplasma hie und da an den Ausläufern angesammelt liegt. Es scheint, als ob man hier
Zellen mit beweglichem Protoplasma vor sich hätte, welche ihre Zweige nach allen möglichen Richtungen hin aus-
senden könnte. Indessen liegen uns directe Beobachtungen über wirkliche Bewegungen dieser Zellen nicht vor.
Zuweilen kommen sogar zwei Zellen in einer Spalte vor, wobei sie nebeneinander liegen; nicht selten enthält eine
Zelle zwei dicht beisammen liegende Kerne, so dass es scheint, als ob eine Kerntheilung vorsichgegangen sei.
Wie verhalten sich aber nun diese Zellen zu den Bündeln? Es wurde schon angegeben, dass diejenigen, welche
eine bestimmtere Spindelform haben, offenbar keinem gewissen der angrenzenden Bündel, sondern dass sie etwa ebenso-
viel beiden oder sämmtlichen Bündeln, welchem sie anliegen, angehören. Ungefähr dasselbe gilt auch betreffs der
übrigen Zellenformen. Die Zellen können zwar mit ihren häutchen- oder zweigförmigen Ausläufern zwischen die
einzelnen Bündel hineinlaufen und sie umspinnen, man kann aber hier nicht als ein allgemeines Structurprincip auf-
stellen, dass jedes Bündel seine eigenen umspinnenden Zellen hat; es scheint im Gegentheil, als ob das gemeinsame
Besitzungsrecht hier gilt. Dies wird auch durch die Querschnitte (Taf. XX Fig. 8) bestätigt. Wenn es gelingt, dünne
Präparate quergeschnittener Bündelgruppen zu erhalten, kann man in der deutlichsten und schönsten Weise wahrnehmen,
wie die Zellen in fast jeder Richtung ihre Ausläufer zwischen die Bündel absenden, so dass mehr oder weniger verzweigte
Sternformen entstehen, in deren Mitte gewöhnlich der von einer Protoplasmapartie umgebene Kern sich befindet.
An den Querschnitten findet man auch, dass die einzelnen Zellen mittelst ihrer Ausläufer untereinander Zusammenhängen.
Eine für die Bindegewebslehre wichtige Frage, welche äusserst schwer ist bestimmt zu beantworten, ist
diejenige, ob ausser den protoplasmatischen Ausläufern auch elastische Häutchen die Fibrillenbündel der Dura umgeben.
Mit Sicherheit gelang es uns nie, eine wirkliche zusammenhängende Häutchen- oder Endothelzellenschicht an diesen
Bündeln wahrzunehmen; wenn man auf die embryonale Natur der Zellen Rücksicht nimmt, scheint es indessen, als
ob sie dann noch in ihrer mehr elastischen Häutchenausbreitung so viel von der protoplasmatischen Beschaffenheit
übrig haben würden, dass das Anilin dieselbe darlegen vermöchte, aber nicht einmal die fast immer an den Häutchen-
zellen der Subarachnoidalräume hie und da vorkommenden, glänzenden, kleinen Körner haben wir hier gesehen.
Die Ausläufer haben ausserdem oft eine so scharfe Begrenzung, dass diese sehr gegen das Vorhandensein einer
weiteren Häutchenausbreitung spricht. An anderen Zellen sieht man wohl wie erwähnt das Protoplasma in mehr
oder weniger oft äusserst dünne Häutchenausbreitungen auslaufen; gewöhnlich aber behalten diese bis zu ihren
fcD 1
Rändern ihr körnig-protoplasmatisches Aussehen, welches durch Anilinfärbung hervortritt. An anderen Zellen (Taf.
XX Fig. 9 t) sieht man indessen zuweilen mehr homogene, elastisch aussehende, feine Häutchen von den Rändern
des Protoplasma sich fortsetzen.
Man wird diese letzteren der hier eben gelieferten Darstellung gemäss am besten als mehr oder weniger
rein protoplasmatische Zellen äusserst wechselnder Gestalt auffassen, welche Zellen indessen in dünne
protoplasmatische, zuweilen auch elastische Ausbreitungen auslaufen können. Wenn man die in der Taf. XX aus
Horizontal- und Querschnitten gelieferten Abbildungen von in situ liegenden Zellen mit den abgebildeten, isolirten
Zellen (Fig. 9 bis derselben Tafel) vergleicht, kann man gewiss eine Auffassung dieser Zellenart in ihren wich-
tigeren Wechselungen erhalten. 160
Mit der Kenntniss der embryonalen Dufazellen als Ausgangspunkt ist es leichter, die Verhältnisse beim
erwachsenen Menschen zu entziffern. An Horizontalschnitten einer in Müllerscher Flüssigkeit und Weingeist und
dann in Gummiglycerin getrockneten, erwachsenen Dura, und sogar noch besser an den oben beschriebenen reihen-
weise abgehobenen Lamellen, findet man nach Färbung mit Anilin oder Carmin, dass die Zellen gewöhnlich, von
der Kante gesehen, als mehr oder weniger spindelförmige Stäbe in parallelen Reihen zwischen den Bündeln liegen
(Taf. XXI Fig. 1); in den verschiedenen Schichten haben sie je nach der Anordnung der Bündel eine verschiedene
Richtung, so dass sie ebenso wie die Bündel der Schichten selbst mehr oder weniger spitzwinklig sich kreuzen.
Wenn man Schnitte der erhärteten und dann getrockneten Dura zerzupft, findet man nach Anilinfärbung
zwischen den Fibrillenbündeln zahlreiche isolirte Zellen verschiedener Form (Taf. XXI Fig. 5 a—y). Im Allgemeinen
sind sie aber in die Länge gezogen (Fig. 5 o, /), c, r etc.) mit einer breiteren, gewöhnlich deutlich feinkörnigen, proto-
plasmatischen, etwas geplatteten, nicht selten sogar dünnen oder häutchenartig ausgebreiteten, kernführenden Mittel-
partie sowie mit mehr oder weniger ausgezogenen Enden; oft sind doch ein oder beide Enden breiter, geplattet, häutchen-
artig oder sogar in mancherlei Weise verzweigt, wobei die Zweige oder Häutchen nach verschiedenen Richtungen
ausstrahlen. Solche mit schmäleren oder breiteren, verzweigten Ausläufern versehene Zellen stimmen ganz genau mit
den eben beschriebenen embryonalen Zellenformen überein. Flie und da sieht man auch ihre Ausläufer in Verbindung
mit einander stehen. Ein Theil der Zellen, und dies scheint in der Dura einzelner Individuen die Regel zu sein, zeigt
indessen eine sehr schmale Spindelform (Taf. XXI Fig. 5 o, p, q); der Kern besteht dann oft aus einem langen und
schmalen, wursiförmigen, im Durchschnitt mehr oder weniger cylindrischen Körper, welcher von einer äusserst
geringen Menge, oft sogar von keinem, Protoplasma umgeben ist; von den beiden Enden des Kerns schiesst ein langer,
schmaler und feiner, etwas glänzender Faden aus. Dies ist eine Form der Durazellen, welche sehr an die sog.
»Kernfasern)) der älteren Histologen erinnert. Bisweilen sieht man von dieser fadenförmigen Zelle ein Häutchen
(Fig. 5 d, y etc.) nach dieser oder jener Seite hin ausgehen. Zwischen diesen letzteren Zellen und den vorher be-
schriebenen, mehr protoplasmatischen, mehr oder weniger mit Häutchen oder verzweigten Ausläufern versehenen
findet sich eine Reihe von Uebergangsformen. Ein Theil der Durazellen besteht aus mehr oder weniger rectangu-
lären, länglichen Häutchenausbreitungen. An ihrer Fläche sieht man oft (Fig. 5/,y, h) eine platte Firste nach der
Längenrichtung der Zelle, oft sogar über den ovalen Kern, verlaufen; diese Firste erweist sich bei näherer Be-
trachtung als ein auf dem Rande stehendes Häutchen, ein Flügel, welcher vom eigentlichen Zellenkörper, im
Winkel gegen ihn gestellt, ausläuft, üebrigens kann hier, ebensowenig wie bei der embryonalen Dura, eine Be-
schreibung sämmtlicher wechselnder Formen der Zellen gegeben werden. Einige der wichtigeren haben wir durch
die Abbildungen (Taf. XXI Fig. 5 a—y) darzustellen versucht.
Wie verhalten sich aber nun diese Zellen in ihren verschiedenen Gestalten zu den übrigen Gewebselementcn
der Dura? Die Fibrillen sind im Allgemeinen in Bündeln geordnet, welche verschiedene Dicke und Form darbieten
und in vielerlei Weise sich unter einander verbinden. Sie laufen an gewissen Orten der Dura in grossen Strecken
einander parallel, auf diese Weise lamelläre Ausbreitungen bildend; mehrere oder wenigere Lamellen solcher in
verschiedenen Richtungen verlaufender Bündel liegen an einander und wechseln in mancherlei AVeise durch die Dicke
der Dura. Bisweilen sind die Bündel mehr platt und bandähnlich, und sie kreuzen einander dann in manchen
Richtungen. Bisweilen bilden sie wirkliche Häutchenlamellen. Zu diesen so verschiedenartig angeordneten Fibrillen-
bündeln können natürlicherweise die Zellen nicht überall dieselbe Anordnung haben. In der That scheint auch die
verschiedene Gestalt und Beschaffenheit der Zellen in einem wesentlichen Zusammenhang mit der Anordnung der
Bündel zu stehen. Im Allgemeinen liegen sie, wie schon oben beschrieben wurde, reihenweise in den Spaltenräumen
zwischen den Bündeln, der Längenrichtung der letzteren parallel (Taf. XXI Fig. 1 und Fig. 4). Die dickeren, sowie
die fadenförmig ausgezogenen Zellen senden ihre Ausläufer mehr gerade nach beiden Seiten hin zwischen die Bündel.
Die verzweigten Zellen schicken ihre Zweige nach verschiedenen Richtungen aus, die Bündel umspinnend. Die häutchen-
ähnlichen (Fig. 4; Fig. sy) breiten sich über die Bündel aus, und wenn ein oder mehrere Flügelausläufer vorhanden
sind, schiessen diese zwischen angrenzende Bündel ein. Wenn die Fibrillen breitere Lamellen bilden, sieht man
die Zellen als grosse platte Häutchen sich über dieselben ausbreiten, wobei sie die verschiedenartigsten Formen
darbieten, indem sie sich in vielerlei AVeise verzweigen, oft durchbrochenen, protoplasmatischen Häutchen ähnlich
sind und mit angrenzenden Zellen in jeder denkbaren AVeise anastomosiren (Taf. XXII Fig. 1).
An Querschnitten (Taf. XXI Fig. 2, 3; Taf. XXII Fig. 2) sieht man die verschiedenartig gestalteten Zellen
in den Spalten zwischen den Bündeln liegen. Hierbei bieten sie ein verschiedenes Aussehen, je nachdem sie mehr 161
oder weniger häutchenartig ausgebreitet oder mehr protoplasmareich und mit verzweigten und häutchenartigen Aus-
läufern versehen sind. Man findet sie nämlich entweder mehr isolirt zwischen den Bündeln liegend oder die letzteren
mit mehr oder weniger protoplasmatischen Ausläufern in mancherlei Richtungen umspinnend; oft sieht man sie sogar als
ein zusammenhängendes protoplasmareiches Netz, die Dura nach allen Richtungen hin durchwehend (Taf. XXI Fig. 3;
Taf. XXII Fig. 2). Das letztere Verhältniss, welche wir in manchen Exemplaren der Dura des Menschen antrafen,
schien uns hie und da, aber möglicherweise nicht überall, mit einem chronischen Reizungszustand zusammenzuhängen,
wobei sogar zuweilen Andeutungen einer regressiven Metamorphose der protoplasmareichen Zellen zu beobachten waren.
Mit Rücksicht auf die vorliegende Frage, wie sich die Zellen eigentlich zu den Fibrillenbündeln verhalten,
können wir uns dahin äussern, dass die Zellen, soweit wir finden konnten, keine zusammenhängende Endothelhäutchen
um die Bündel bilden. Wenigstens besitzt nicht jedes Bündel seine besondere Hülle; denn hier, wie in der embryo-
nalen Dura, beziehen sich die Zellen auf kein gewisses Bündel, sondern gehören ebensowohl den übrigen an-
stossenden an, obwohl sie in den spaltenförmigen Lücken oft der einen Wand inniger anliegen. Ob übrigens
die Bündel von einem ursprünglich von den Zellen herstammenden, aber von ihnen später abgetrennten, elastischen
Häutchen umgeben sind, konnten wir auch hier nicht mit voller Bestimmheit entscheiden. Indessen geben in dieser
Hinsicht die Querschnitte Bilder, wo man die Bündel von einer scharfen Contour begrenzt findet, welche möglicher-
weise auf ein solches Häutchen hindeuten könnte. In den Lücken zwischen ihnen findet man hie und da die oben
erwähnten quergeschnittenen, oft sternförmig verzweigten Zellenkörper von diesen Contouren der Bündel scharf
getrennt, oft von ihnen jederseits abgelöst und mit zwischenliegenden Spaltenräumen versehen. Wenn aber die ein-
zelnen Bündel von feinen, elastischen, ihnen innig anliegenden Häutchen umgeben wären, scheint es uns, dass man
nach der Zerzupfung der Bündel Reste solcher Häutchen wahrnehmen sollte; dies gelang uns nie. Jedenfalls liegt
hier eine Frage vor, die einer endgültigen Lösung bedarf, wenn es in der That möglich ist, diese Frage mittelst
unseren jetzigen Methoden mit voller Bestimmtheit zu lösen.
Unsere Auffassung betreffs der Zellen der erwachsenen Menschendura ist also die, dass diese Zellen eine
äusserst wechselnde Gestalt und Anordnung, je nach dem verschiedenen Verhalten der Fibrillenbündel, darbieten
können, dass sie aber nicht besondere, nicht einmal vollständige Hüllen um die einzelnen Bündel bilden, sondern
mehr zwischen ihnen reihen- oder flächenweise zerstreut liegen und dabei oft in grosser Ausdehnung untereinander
netzförmig Zusammenhängen, die Bündel in mannigfacher Weise umspinnend. Sobald aber, wie an manchen Stellen
der inneren Oberfläche der Dura und im Allgemeinen bei Cribrirung des Duragewebes, wie z. B. in der Regel
im vorderen Theil des Sichels, einzelne Balken aus ihr sich auslösen und frei verlaufen, erhalten sie immer voll-
ständige Scheiden, welche aus zusammenhängenden Häutchenzellen gebaut sind.
Um die Verhältnisse beim Menschen mit denen bei Thieren zu vergleichen, haben wir auch einige Unter-
suchungen in dieser Richtung ausgeführt. Besonders schien uns die Dura kleinerer Nagethiere dabei von Interesse,
weil man hier ohne Zerzupfung die Form und Verbreitung der Zellen sehr gut überblicken kann. An der Taf. XXII
Fig. 10, 11 haben wir diese Verhältnisse bei der Maus wiederzugeben versucht. Man sieht hier die Zellen zwischen
den Bündeln zerstreut liegen; sie haben im Allgemeinen eine geplattete, oft ziemlich viereckige Gestalt, zuweilen sind
sie etwas verzweigt, bieten ein recht protoplasmatisches Aussehen dar und umfassen oft einen Theil des Umkreises
der Bündel, nie aber ganz. Zuweilen liegen mehrere beisammen und können dann das Bündel etwas reichlicher
umfassen; nie sahen wir sie aber vollständige Scheiden um die Bündel bilden. Diese Zellen gehören nicht nur der
Umgebung der Blutgefässe an, sondern kommen überall in ziemlich gleicher Weise vor. Wir machen diese Bemer-
kung, weil es uns scheint, als ob die von Waldeyer in der letzten Zeit aus der Nagethierdura erwähnten »peri-
vasculären» Bindegewebszellen nichts Anderes als diese überall in der Dura befindlichen, d. h. eigentlichen Durazellen
sind. Um die Blutgefässe findet man schöne adventitielle hie und da ganz weit abstehende Scheiden von zusam-
menhängenden Häutchenzellen gebildet; ferner sieht man hie und da grosse rundliche Pigmentzellen. Sonst haben
wir in der Umgebung der Gefässe keine eigentümliche Zellen gefunden, nur wie erwähnt die dem ganzen Dura-
gewebe zukommenden, oben geschilderten, eigentlichen Durazellen.
Im Duragewebe kommen auch wie bekannt elastische Fasern vor. Sie sind aber in verschiedenen Gegenden
in sehr verschiedener Zahl vorhanden. In der Dura cerebralis findet sich im Allgemeinen nicht viel von solchen
Fasern. So besonders am Scheitelgewölbe, wo sie oft nur spärlich vorhanden sind. Etwas reichlicher kommen
sie an der Schädelbasis, z. B. der Fossa cerebelli vor. An Querschnitten sieht man sie hier in der Regel reihenweise
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 162
zwischen den Lamellen und Bündeln als feine helle Punkte stehen. An Horizontalschnitten findet man diese elastischen
Fasern theils an den Lamellen (Taf. XXII Fig. 1), reichliche, flächenhaft ausgebreitete Netze in nächster Beziehung
zu den Zellenhäutchen derselben bildend, theils in den aus einzelnen verflochtenen Bündeln zusammengesetzten
Schichten, hier in nicht unbedeutender Menge zwischen den Bündeln verlaufend. Besonders zahlreich sind sie in
der Dura des Rückenmarks; an Horizontalschnitten sowie an den dünnen mit der Pincette abgehobenen Lamellen sieht
man deswegen nach Essigsäurebehandlung das ganze Gewebe von mehr oder weniger schichtenweise angeordneten,
elastischen Fasern und Fasernetzen durchzogen. An Querschnitten der Dura spinalis bemerkt man in derselben Weise
eine grosse Menge Durchschnitte solcher Fasern, welche gewöhnlich mehr oder weniger reihenweise zwischen den
Lamellenschichten angeordnet sind. Bei näherer Untersuchung dünner Horizontallamellen sieht man, dass die Fasern
oft in grosser Ausdehnung den einzelnen Fibrillenbündeln anliegen und sich theüend dieselben in ihren Verzweigungen
begleiten. Man kann ohne Schwierigkeit kleinere Partien solcher elastischer Fasernetze isoliren und sieht dann oft an
den Anastomosenpunkten breitere Partien (Taf. XXII Fig. 7); ja sie können sogar die Gestalt von Sternennetzen und
durchbrochenen elastischen Häutchen (Taf. XXII Fig. 6) annehmen.
An den Oberflächen der Dura begegnen wir dann Bildungen, die für die Kenntniss ihres Baues von Interesse
sind. An der inneren Oberfläche sowohl der spinalen als der cerebralen Dura, erkennt man leicht, besonders nach
Carmin- oder Anilinfärbung, an dünneren Flächenschnitten eine Menge von ovalen Kernen, die in mehr oder weniger
grosser Entfernung von einander, zuweilen recht dicht liegen (Taf. XIX Fig. 6, 10). Um diese Kerne ist ge-
wöhnlich eine ziemlich spärliche Protoplasmazone vorhanden; zwischen denselben findet man aber ein sehr dünnes,
fast homogenes oder schwachkörniges Häutchen, das sich in Folge der Präparation oft in Fetzen abgelöst hat. Unter
diesem Häutchen laufen glänzende, steife Fasern, die das Aussehen von elastischen zeigen. Bald sind sie sehr fein,
bald relativ ziemlich grob. Sie gehen bald überwiegend in einer Richtung, bald, und dies ist gewöhnlicher, kreuzen
sie sich in der verschiedensten AVeise. Diese Fasern gehören indessen einem sehr dünnen Häutchen an (Fig. 10 a),
welches unter dem kernhaltigen Flächenhäutchen (Fig. 10 h) liegt. An solchen Stellen, wo dieses letztere abgelöst
ist, sieht man, die äusserste Schicht der fibrillären Bündel deckend, oft ohne grosse Schwierigkeit dieses glas-
artig homogene oder sehr schwach körnige, »elastische» Häutchen (Fig. 10 a), in welchem nur die eben beschrie-
benen feinen Fasern verlaufen. Nicht selten erhält man es streckenweise isolirt und erkennt dann, dass es sehr
dünn und, die beschriebenen Fasern ausgenommen, ganz structurlos ist. Hie und da findet man an diesem ela-
stischen Häutchen rundliche Löcher, die natürlich zu sein scheinen (Fig. 6). Zuweilen haben sich, wie dies an der
Dura cerebri oft vorkommt, die Fasern von dem elastischen Häutchen mehr abgelöst und laufen dann freier unter
dem kernhaltigen Häutchen; andernfalls hängen sie mit dem kernhaltigen Häutchen noch so innig zusammen, dass
man sie und das elastische Häutchen als noch nicht von demselben vollständig differentirt ansehen kann. Was ist
denn dieses letztere? Schon das erste Ansehen derselben entspricht dem der Endothelhäutchen. An der menschlichen
Dura sowohl cerebralis als spinalis, der kindlichen wie der erwachsenen, gelang es uns doch nie trotz oft wieder-
holter Versuche durch das Silberreagenz die Zellencontouren zu erhalten. Bei Thieren, Hund, Katze u. s. w. aber ist
uns dies öfters gelungen (S. z. B. Taf. XIX Fig. 8 von der Dura spinalis das Hundes, Fig. 9 von der Dura cere-
bralis der Katze). Beim Kaninchen konnte die Zellenzeichnung deutlich in doppelten Schichten erhalten werden.
Hier wie bei allen Silbernetzen erhält man oft die sog. falschen Stomata, nie aber deutliche, wirkliche Bildungen
dieser Art.
Ausserdem lässt sich aber in einer anderen Weise die endotheliale Natur des Flächenhäutchens, auch beim
Menschen, erweisen. Es hängt an vielen Stellen mit dem Flächenendothel der Arachnoidea zusammen, nämlich
an allen von dieser Haut zur Dura überspringenden Balken (Taf. XIX Fig. 4) und Gefässen sowie auch an
den Zacken des Lig. denticulatum (Taf. XIX Fig. 1). Alle diese sind, wie schon oben erwähnt wurde, von
endothelialen Scheiden umgeben, und diese Scheiden sind sowohl unmittelbare Fortsetzungen des Flächenendothols
der Arachnoidea als desjenigen der Dura. In den feinen überspringenden Balken des spinalen Subduralraumes laufen,
wie oben erwähnt ist, kleine Blutgefässe und oft auch elastische Fasern. An gewissen Gegenden, besonders am
Falx und in der Fossa cerebelli, findet man das elastische Häutchen in seiner Ausbreitung noch viel mehr zusammen-
gesetzt. Hier ist nämlich oft streckenweise an der inneren Duraoberfläche ein freies durchbrochenes Balkenwerk
vorhanden, welches hie und da durch Zweige in der Dura wurzelt, indem die Fibrillen der Balken in ihr ausstrahlen.
Dies Balkenwerk ist mit einer Fortsetzung des elastischen Endothelhäutchens der Dura bekleidet. Zuweilen findet
man dasselbe nur mit spärlichen Fibrillenbalken versehen, als ein durchbrochenes Häutchen auf der Dura schwebend. 163
An der inneren Duraoberfläche haben wir, wie vorher aus der Intima pim beschrieben wurde, also noch ein
Beispiel von solchen unter einem Endothel liegenden, elastischen Häutchen, von welchen die Zellen sich leicht ablösen.
Auch an der äusseren Oberfläche der Dura begegnet man ein dem der Innenfläche entsprechendes Häutchen.
Schon Wiensky spricht von einer »falschen» Epithelzeichnung an der äusseren Fläche der Dura cerebralis. Zwar
gelang es uns nicht beim Menschen hier durch das Silberreagenz die Zellencontouren darzustellen. Beim Kaninchen
ist es aber mehrmals geschehen, und an der Dura spinalis des Hundes erhielten wir eben an der Aussenfläche eine
schöne solche Zeichnung (Taf. XIX Fig. 7). An dünnen Flächenschnitten, sowohl der Dura spinalis als cerebralis,
und dies sogar besonders schön beim erwachsenen Menschen, bekommt man hier ein mehr oder weniger vollständiges,
kernhaltiges Häutchen, an dessen Innenseite steife Fasern, gewöhnlich in sehr reichlicher Menge und in verschiedenen
Richtungen verlaufen (Taf. XIX Fig, 11, 12 h). Um die Kerne Anden sich bald keine Protoplasmareste, bald spärliche,
bald aber auch reichlichere, und im letzten Falle sind sie mehr oder weniger verzweigt, mit von den Kernen ausstrahlenden
Aesten angeordnet. Dies Häutchen bedeckt die äusserste Fibrillenbündelschicht der Dura (Fig. 12 d) und grenzt sie sogar
am Schädel gegen den Knochen ab. Oft erhält man es in Fetzen hie und da zersprengt; dies Andet aber durch das
Abziehen von der Schädelfläche leicht eine Erklärung und kann auf innigere Verbindungen mit derselben hindeuten.
Nachdem wir also in allgemeinen Zügen die bindegewebige Structur der Dura mater geschildert, haben wir
einer anderen histologischen Bildung in ihr zu gedenken, die schon mehrmals zu etwas verschiedener Auffassung
Anlass gab. Es sind dies die Blutgefässe. Die gröbere Anordnung derselben ist meistentheils schon seit Langem
in den Lehrbüchern ausführlich beschrieben worden, so dass sie hier fast ganz übergangen werden kann. Einige
Verhältnisse - derselben werden wir im Capitel über die Arachnoidalzotten näher erwähnen. Die feinere Vertheilung
der Blutgefässe bietet an der Dura spinalis nichts Besonderes. Die Maschen sind im Allgemeinen verhältnissmässig
spärlich, weit und in die Länge gezogen; an der Innenfläche laufen die kleineren Gefässe. In der Dura cerebralis
sind aber die Blutgefässe eigenthümlicher. Es war ja eben hier, wo Boehm das sonderbare, normal nicht blutführende
Appendixsystem der Blutgefässe gefunden hatte, welches nach unseren Untersuchungen sich überall als etwas
eigenthümlich erweiterte Capillaren und Venen erwies. Zwar sind nachher Paschkewicz und Michel uns in dieser
Hinsicht beigetreten. Zur Bestätigung unserer vorigen Angaben geben wir hier in Zusammenhang mit der vor-
liegenden Schilderung eine Auswahl unserer Abbildungen darüber mit (Taf. XXV und Taf. XXVI). Wir haben diese
Gefässe beim Menschen (Kindern und erwachsenen) sowohl als bei einer Reihe von Thieren (Hund, Katze, Pferd,
Ochsen, Schaf, Kaninchen, Huhn, Gans u. s. w.), theils an natürlich mit Blut gefüllter Dura, theils mittelst Injectionen
von gefärbten Flüssigkeiten, theils nach Durchtränken mit Silberlösung ohne oder mit vorheriger Injection von an-
deren Flüssigkeiten oder sogar mittelst Injectionen von der Silberlösung selbst dargestellt. Die Injectionen geschahen
entweder von den Arterien oder den Venen des Halses aus oder, und dies in ausgedehnter Weise, mittelst Einstich.
Es lag nämlich hier die Frage vor, zu entscheiden, ob überhaupt andere Gefässe in der Dura Vorkommen als die
Blutgefässe, entweder wirkliche Lymphgefässe oder ein solches Appendixsystem wie das von Boehm beschriebene.
Wir begannen unsere Untersuchungen mit dem Studium der in natürlicher Weise, d. h. mit Blut, injicirten Dura
des Menschen. Hier erwiesen sich, und dies besonders an der blutgefüllten, in Weingeist erhärteten Dura des Schädel-
daches, folgende Verhältnisse. An der äusseren Seite laufen in schlingender Anordnung die Arterienzweige (Taf. XXA7
Fig. 1 a, Fig. 2 a, Fig. 3 a) jederseits von einer gewöhnlich etwas breiteren Vene (dieselben Fig. v) umgeben, deren
innere Grenzlinie sich den Buchten der Arterie anpasst. Die Arterien zweige und damit auch die beiden Venen th eilen
sich dichotomisch, und ihre Zweige laufen in spitzem oder rechtem Winkel an der Aussenfläche weiter fort. Die Venen
gehen oft Verbindungen mit anderen Venen ein. Auch die Arterien anastomosiren mit einander. An der Innenfläche
der Dura Andet man ein anderes zierliches Gefässnetz (Taf. XXV Fig. 2) mit im Allgemeinen langgezogenen Maschen.
Hie und da sieht man an demselben, besonders an den Knotenpunkten der Maschen, eigentümliche, ampulläre, oft
etwas birn- oder kolbenförmige, gewöhnlich quer liegende, etwas verschieden grosse Erweiterungen (Taf. XXV Fig. 2 c'),
welche indessen, sowohl als die feinen, capillaren Gefässe selbst (c), im natürlichen Zustande immer Blut führen.
Wie verhält sich nun dies innere Gefäss-system zu dem äusseren? Bei sorgfältiger Durchmusterung der Präparate
Andet man, dass hie und da feine Gefässe (dies. Fig. bei d) in schräger Richtung durch die Dura von den Arterien
des äusseren Systems nach dem inneren abgehen und sich hier in dasselbe ergiessen. Es sind dies die verbindenden
Arterienäste oder die capillaren Arterien. An anderen Stellen sieht man (Fig. 1 bei v') noch etwas grössere Er-
weiterungen, deren verschiedene, phantastische Formen nicht eben leicht zu beschreiben, aber in hauptsächlicher
Auswahl in der angeführten Figur abgebildet sind. Bei näherer Untersuchung Andet man, dass diese Säcke, die ge- 164
wohnlich quer gegen die Capillarcn angeordnet sind, jederseits eine Reihe von solchen in sich aufnehmen, um dann
an der Oberfläche noch eine Strecke weiter zu laufen und dann in das Gewebe der Dura hinab in schräger
Richtung zu tauchen und sich zuletzt in eine Vene einzusenken (Fig. 2 bei v"). Es sind dies die Venenwurzeln,
die Verbindungen der Capillaren der Innenfläche mit den Venen der Aussenfläche. Hier hat man also das vollständige
Blutgefäss-system. Auch an der Aussenfläche sieht man hie und da, wenn auch viel spärlicher, mehr capillare
Gefässe, und mitten in dem eigentlichen Duragewebe trifft man z. B. an Querschnitten hie und da, die Verbindungs-
zweige ausgenommen, einzelne, gewöhnlich feinere Gefässe. An anderen Stellen der Dura sind die Gefäss-systeme
nicht so bestimmt in äussere und innere getrennt, sondern liegen mehr in derselben Fläche (wie an der Fig. 3 der
Taf. XXV). Flier sieht man indessen auch die sackartig erweiterten Venenwurzeln die aus den Arterien stammenden
Capillaren aufnehmen. Zuweilen sind die Gefässe der Dura rautenförmig oder rhombisch angeordnet (Fig. 4), der
Anordnung der zwischenliegenden Fibrillenbündelschichten entsprechend. An gewissen Stellen, besonders am Falx
und am Tentorium corebelli (Taf. XXIV Fig. 1), sind die Gefässe so zahlreich und dicht gedrängt und daneben breit,
dass das Gewebe, wenn sie mit Blut gefüllt sind, fast ganz roth erscheint und nur kleine Zwischenräume zwischen
den Gefässen vorhanden sind; die weiten Venenwurzeln sammeln sich zu grossen Büscheln, von welchen dann die
gröberen Stämme entstehen. Durch Injectionen von den Halsgefässen oder von den Arterim meningem medim aus
wurde das beschriebene Gefäss-system, oft in grossen Strecken, vollständig gefüllt, und es erwies sich in ganz der-
selben Gestalt wie bei der natürlichen Injection. Es war mithin hieraus ziemlich klar, dass die von Boehm gefundenen
eigenthümlichen Ampullen nichts Anderes waren, als die oben geschilderten ampullären Erweiterungen der capillaren
und venösen Blutgefässe. Um dies näher zu controlliren machten wir eine Reihe von Einstichinjectionen in der Dura:
es füllte sich immer dasselbe System von Gefässen; es entstand ausserdem noch, besonders in der Nähe des Einstiches,
aber auch etwas entfernter davon, eine Injection anderer Bahnen, die sich, durch Vergrösserung untersucht, als lange,
mehr oder weniger cylindrische, parallel neben einander verlaufende, in den verschiedenen Schichten der Dura aber
sich kreuzende Röhre. Bei stärkerem Druck drang die Flüssigkeit auch an der Oberfläche der Dura hinaus (s. o.).
Von diesen Bahnen, welche keine Blutgefässe sind und keine Aehnlichkeit mit wirklichen Lymphgefässen, besonders
nicht mit dem Boehm’schen Appendixsystem haben, wird unten die Rede sein. Durch die Versilberungsmethode gelang
es uns nicht selten, ein System von Gefässen mit sehr schöner Endothelzeichnung den Intima darzustellen, welches
sich oft gewiss sehr eigenthümlich erwies, in ihrer Form aber vollständige Aehnlichkeit mit dem oben geschilderten
Blutgefäss-system darbot (Taf. XXVI Fig. 1, 2). Durch Injection von der Arteria men. med. aus mit Berlinerblau und
nachfolgender Silberfärbung gelang es uns direct zu beweisen, dass das erwähnte Gefäss-system mit der schönen
Endothelzeichnung eben das Blutgefäss-system war. Auch an diesen versilberten Gefässnetzen konnten wir den Zu-
sammenhang der Arterien mit den ampullären Capillaren und Venen darlegen. Die venösen Erweiterungen sind
zuweilen sonderbar gross (Taf. XXVI Fig, 1, 2 v). Sie stellen dann (wie an der Fig. 1 bei v) sehr eigenthümliche
Zusammenflüsse dar. Durch Silberfärbung erhält man ausser den beschriebenen Blutgefässen keine andere Gefäss-
zeichnungen, die für Lymphgefässe angesehen werden können. Dies beim erwachsenen Menschen. Bei Kindern
(neugeborenen) findet man ungefähr dieselben Verhältnisse; nur sind im Allgemeinen die ampullären Erweiterungen
der Capillaren nicht so gut ausgebildet.
Bei Thieren kommen mehrere Verhältnisse vor. Beim Hund (Taf. XXV Fig. 5) sind sie den des Menschen
relativ am ähnlichsten. Es flndet sich dieselbe Verbreitung von Arterien und Venen an der Aussenfläche, von
\
Capillaren (c) mit ampullenartigen Erweiterungen (d) an der Innenfläche, die einerseits mit den Arterien in Verbindung
stehen, andererseits in den oft stark erweiterten Venenwurzeln (vf) sich sammeln, welche durch die Dicke der Dura ver-
laufen, um in das Venensystem an der Aussenfläche einzumünden. Dies letztere System (u) ist im Allgemeinen un-
gewöhnlich stark entwickelt mit sehr breiten kurzen Maschen, die nur kleine Inseln zwischen sich lassen. Durch
Injectionen sowie durch Silberfärbung erhält man immer dasselbe System von Blutgefässen, aber keine Lymphgefässe;
so auch bei der Katze. Beim Kaninchen (Taf. XXV Fig. 6) sieht man an natürlich sowie an künstlich injicirter Dura die
langen schmalen Arterien (o) in kurze Capillarnetze (c), die keine eigentliche ampullen- oder sackähnliche Erweiterungen
besitzen, übergehen, welche sich dann zu hie und da befindlichen Venenseen (F) sammeln, die sich durch abführende
Duravenen oder, noch häufiger durch Schädelvenen ergiessen. Nach Silberfärbung (Taf. XXVI Fig. 4) erhält man
das bekleidende Endothel dieses Gefäss-systems schön gezeichnet; besonders die venösen Seen (v) geben in dieser
Weise mit den braun gefärbten Zwischenräumen sehr hübsche Bilder, die ganz betreffs ihrer Form und Anordnung
mit den oben beschriebenen Injectionsbildern übereinstimmen. Auch beim Kaninchen erhält man keine Lymphgefässe. 165
Beim Ochsen (Taf. XXVI Fig. 3) und beim Schafe trifft man indessen ein ganz anderes Gefäss-system. Hier sind
nämlich weder bei natürlicher noch bei künstlicher Injection etwaige eigenthümliche, sackartig erweiterte Gefässe
zu sehen. Die langen schmalen Arterien {a) biegen durch schlingenförmige Capillaren (c) in ganz gewöhnliche Venen (u)
um, welche dann neben den Arterien ihren Weg nehmen. Durch Behandlung mit Silberlösung (wie an der angeführten
Fig. 3) sieht man sehr schön die Anordnung dieses ganzen Blutgefäss-systems, dessen Maschen weit und relativ
spärlich sind; die Endothelzeichnung in der Wand der Gefässe wird auch in diesen Bildern sehr zierlich. Kein
anderes Gefäss-system, keine Lymphgefässe u. s. w. treten durch Injectionen oder .andere Methoden hervor. Auch
bei einigen Vögeln (Huhn, Gans) untersuchten wir die fraglichen Verhältnisse. Auch hier fanden sich nur erweiterte
Venen, keine ampullenartige Erweiterungen der Capillaren und keine Lymphgefässe; im Vorbeigehen mag erwähnt
werden, dass bei diesen Vögeln die Arterien oft eigenthümliche Knäuel von dicht gedrängten Schlingen bilden.
Aus dieser Darstellung geht also hervor, dass beim Menschen und einigen Thieren die feineren Blutgefässe,
besonders die Capillaren und Venenwurzeln der Dura cerebralis eigenthümlich gestaltet, d. h. mit merkwürdigen
Erweiterungen versehen sind, dass diese erweiterten Gefässe aber nicht blutlose Anhängsel der Blutgefässe sind,
sondern normalmässig immer Blut führen, dass sie also gar nicht zu den Lymphgefässen zu zählen sind und endlich,
dass wirkliche Lymphgefässe durch keine der angewandten Methoden dargestellt werden konnten. Bei anderen
Thieren sind die Blutgefässe der Dura gar nicht oder fast nicht eigenthümlich gestaltet, woneben keine andere
Gefässe in ihr wahrzunehmen sind.
Bei Besprechung der Einstichinjectionen wurde erwähnt, dass sich oft in dem Gewebe der Dura bei diesen
Injectionen eigenthümlich gestaltete Röhrensysteme füllen. Es schiesst nämlich die Injectionsflüssigkeit von der Ein-
stichstelle in stiftförmige Figuren aus, die einander parallel und nahe stehend sind (Taf. XXIV Fig. 3, 4, 5). Wenn,
wie es gewöhnlich geschieht, die Injection in mehrere Schichten der Dura eindringt, kreuzen die Röhrensysteme
der verschiedenen Schichten einander unter verschiedenen Winkeln in der Richtung der Fibrillen (Fig. 3, 4). Wenn
die Injection stark wird, stehen die Röhre so dicht gedrängt, dass man kaum das Duragewebe erblickt. Die Röhre
stimmen in ihrer Gestalt ganz mit den Bowman’schen »corneal tubes)) überein. Jedes Rohr ist gewöhnlich ganz
gerade, scheint im Allgemeinen cylindrisch zu sein, wie an den Querschnitten besonders gut zu sehen ist (Fig. 6),
und endet spitz. Sie lösen sich oft (Fig. 5) in eine Anzahl feinerer, entweder dicht beisammenliegender oder von
einander sich trennender Röhrchen auf. Man sieht dann nur einen dünnen Streifen des Duragewebes zwischen den
einzelnen Röhrchen. Sie anastomosiren indessen nur mehr selten mit einander. Natürlicherweise muss die Gestalt
und Anordnung dieser Röhrensysteme eben durch den Bau der Dura, durch die Anordnung der Fibrillenbündel,
bedingt sein. Sie bieten mithin die Anordnung der Spaltensystcme in der Dura dar. Es entsteht nun die Frage, ob
diese Räume natürlich präformirt d. h. natürliche Bahnen sind. Das ist aber eine etwas zu schwierige Frage, um sie hier
endgültig zu beantworten. Zwar ist es mehr als wahrscheinlich, ja sogar nothwendig, dass wirkliche Saftcanalsysteme
in der Dura Vorkommen. Durch Injectionsmethoden sind indessen ausser den Blutgefässen diese die einzigen Canäle,
die dargestellt werden können; also ist es auch höchst wahrscheinlich dass diese Röhrensysteme die Saftcanäle dar-
stellen. Für ihre natürliche Existenz spricht ferner in hohem Grade der Umstand, dass sie bei sehr gelinder Injection
der Blutgefässe streckenweise von ihnen aus sich füllen (Taf. XXIV Fig, 7). Bei Injectionen von dem subduralen
und den subarachnoidalen Räumen aus, in Zusammenhang mit der Injection der Arachnoidalzotten und der Blut-
gefässe findet man sie oft stellenweise gefüllt, wobei sie theils bestimmt von den Blutgefässen aus injicirt wurden,
theils aber war unter anderen Verhältnissen möglicherweise auch die Masse von ihnen aus in die Blutgefässe ein-
gedrungen. Dies spricht also für das Vorhandensein von Stomata im Venenendothel, eine Thatsache, die wir aber
nicht direct wahrnehmen konnten.
Wie sind nun diese in der verschiedenen Weise injicirten Bahnen begrenzt, und wie verhalten sie sich zu den
die Dura zusammensetzenden Gewebstheilen? Wenn man an dünnen Lamellen der injicirten Dura die Zellenkerne
durch essigsaures Carmin färbt, sieht man bald, dass die injicirten Röhre den Zellenreihen folgen. Bei stärkerer In-
jection werden diese letzteren sogar durch die Röhre ersetzt. Hie und da findet man Zellenkerne, welche dicht an
den Seiten der Röhre liegen.
Wenn man statt des Richardsonschen Blaues eine leichtflüssigere Masse anwendet, besonders die von Ludwig
eingeführte ausgezeichnete Masse aus Asphalt, welches in Chloroform gelöst ist, erhält man bei Stichinjection den schon
beschriebenen ähnliche Bilder. Nur läuft die Masse viel leichter und reichlicher in dem Duragewebe umher, ohne
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 166
solche Zerreissungen, Sprengungen und Aufblähungen zu bilden, welche sonst in der Regel bei der Stichinjection
Vorkommen. Die Asphaltmasse läuft auch sehr leicht in die Blutgefässe über, und besonders in ihrer Umgebung
werden in ausgedehnter Weise die Röhre injicirt. So besonders bei den feineren, an der Durainnenfläche in den
Spalten des Gewebes laufenden Gefässen. Die mit Asphalt injicirten Röhre sind im Allgemeinen länger und schmaler
als die mit Blau darzustellenden. Sie haben aber auch oft in anderer Beziehung eine verschiedenartige Gestalt;
man sieht nämlich in der Regel an ihnen spindelförmige Verdickungen mit schmaleren Partien alternirend. Oft
werden, besonders am Rande der Injectionsstelle, diese letzteren sehr fein, fadenförmig, oder sie verschwinden sogar
vollständig, so dass nur die reihenweise angeordneten, spindelförmigen Verdickungen Zurückbleiben, Hie und da sieht
man die Röhre sich theilen, sogar in mehrere Zweige ausschiessen, welche dann nach verschiedenen Richtungen
auslaufen können. Nach Färbung der Durazellen, besonders durch essigsaures Carmin, findet man auch bei dieser
Injection, dass die Röhrensysteme den Zellenreihen folgen, oder sogar bei reichlicher Füllung sie substituiren. Plie
und da sieht man Zellenkerne den Seiten der Röhre, d. h. ihren verdickten Stellen oder den einzelnen spindel-
förmigen Injectionsfiguren innig anliegen. Aus diesen Bildern geht nun hervor, dass die Injection zwischen den
Fibrillenbündeln läuft und eben den Zellenreihen folgt, ja dass die Masse sich besonders an den Stellen sammelt,
wo die Zellen liegen: davon hängt eben die spindelförmig erweiterte Gestalt der Injectionsröhre ab. Bisweilen sind
indessen diese Figuren nicht röhrenförmig, sondern äbgeplattet, bisweilen sieht man sie auch halbrinnenförmig
die Bündel umfassen.
Wenn man, besonders mit dem Richardsonschen Blau, die Injection weiter treibt, sowie auch hie und da an-
dernfalls, (Fig. 5), wird zuletzt das ganze Gewebe von der Flüssigkeit imbibirt, so dass die Tuben verwischt werden.
Dabei läuft die Masse sogar in den Bündeln selbst, d. h. interfibrillär.
Die von Michel beschriebenen, sog. »epiduralen)) Räume zwischen Dura und Knochen haben wir nicht constatircn
können. Nie konnten wir von der Dura aus solche Räume füllen; ja es gelang uns sogar nie, durch Einstich zwischen
Dura und Knochen ein wirkliches Höhlensystem hier zu füllen, sondern nur die Dura in grösserer oder kleinerer Aus-
dehnung vom Knochen abzusprengen. Dass man dabei die Injectionsflüssigkeit auch ins Innere der Dura einpressen
kann, ist leicht erklärlich. Durch andere Methoden konnten wir auch nicht diese epiduralen Räume darstellen.
In der Dura cerebralis des Menschen fanden wir indessen, besonders an gewissen Stellen, eine andere Art sehr
eigenthümlicher Höhlen oder Lacunen, welche für die Dura von Wichtigkeit sein können (Taf. XXIII). Jedenfalls sind
sie in histologischer Beziehung sehr merkwürdig. Wenn man einen Verticalschnitt an einer (in Alkohol, Müller scher
Lösung und Alkohol oder noch besser in Ueberosmiumsäure) gut erhärteten Dura in der Nähe des Sinus longitudinalis
macht, findet man das Gewebe bei Vergrösserung gewöhnlich mehr oder weniger cribrirt, d. h. von einem Höhlensystem
durchzogen, dessen einzelne Räume ungefähr dieselbe Form und Grösse zeigen und von keiner organisirten Substanz, nur
von klarer Flüssigkeit, erfüllt sind (Fig. 1). Oft ist dies Lacunensystem so reichlich, dass die zwischenliegenden Scheide-
wände des Duragewebes nur als ein dünnes Balkensystem erscheint. An anderen Stellen sind die Lacunen spärlicher,
das Duragewebe reichlicher. Sie können sich in der äusseren sowohl als in der mittleren Schicht der Dura befinden,
zuweilen aber seltener auch in der inneren. Besonders zahlreich sieht man sie in der an Querschnitten dreieckigen
Partie, welche beiderseits die Seitenwände des Sinus longitudinalis bildet sowie auch seitlich von ihr und über dem Sinus,
im Dach desselben. An dem Verticalschnitt stellen sie sich in quer getroffenen Bündelschichten rundlich (Fig. 16, 6, 9),
in längsgetroffenen aber mehr oval oder rundlich-oval dar (Fig. La, 7). Schon bei schwacher Vergrösserung sieht man
an den letzteren oft, dass sie an den Enden spitz ausgezogen sind. Dies ist gewöhnlich noch deutlicher an den Flächen-
schnitten, wo man sonst dieselbe Anordnung der Lacunen sieht. Wenn man die Präparate bei stärkerer Vergrösserung
untersucht, findet man, dass diese Lacunen im Allgemeinen nicht direct Zusammenhängen, sondern neben einander
liegen, oft durch nur dünne bindegewebige Wände von einander getrennt. Hie und da sieht man sie doch'(Fig. 6a)
in offener Verbindung mit einander stehen; zuweilen münden sogar mehrere von ihnen zusammen. Im Allgemeinen
ist die Grundform der Lacunen die einer an zwei entgegengesetzten Enden spitz ausgezogenen, rundlichen oder
ovalen Blase, so dass der Längsschnitt rundlich oder oval, der Querschnitt gewöhnlich rund ist. Hie und da sieht
man auch sanduhrförmige Lacunen, indem an einer solchen länglich-ovalen Blase eine Einschnürung in der Mitte
vorhanden ist, als ob zwei Lacunen mit einander zusammengeflossen wären (Fig. 7 a). Die beiden Ausläufer werden
durch eine mehr oder weniger schnelle Verengerung der Lacunen gebildet; sie sind canalförmige Röhren, welche oft
eine Strecke von der Lacune aus verlaufen, ehe sie zugespitzt enden. Zuweilen hängen zwei Lacunen durch ihre
Ausläufer zusammen. Die Grösse der Lacunen wechselt. Es giebt sehr kleine von 0,0 ir» Mm. und grössere bis auf 167
0,15 Mm. Länge. Die gewöhnliche Grösse ist ungefähr von 0,0/ Mm. Länge und 0,05 Mm. Breite. Sie liegen im Binde-
gewebe der Dura zerstreut, mit der Längsaxe den Durabündeln parallel. Die Durabündel biegen sich in schwachen
Krümmungen um die Lacunen, diese also zwischen sich aufnehmend. Die canalförmigen Ausläufer der Lacunen kann
man zwischen den Bündeln mehr oder weniger weit verfolgen, bis sie zwischen denselben spitz enden. Zuweilen
sind diese Ausläufer aber nur kurz. Nachdem wir an der Innenseite der Lacunen einen bekleidenden Zellenbeleg
vergebens gesucht hatten, gelang es uns aber ein dünnes elastisches Häutchen an derselben zu finden (Fig. 9 a).
Di es Häutchen, welches eine Menge feiner Fasern enthält und deswegen am Querschnitt wie punktirt erscheint,
liegt der Wand der Lacune so dicht an, dass es nur schwierig sich davon ablöst. Nach Eintrocknen und Wieder-
aufweichen der Dura gelingt dies indessen sehr oft; dabei bleibt an den Schnitten das Häutchen mehr oder weniger
von der Wand getrennt als eine rundliche, ovale oder sonst verschieden gestaltete Figur im Inneren der Lacune
liegen, gewöhnlich aber durch feine Fasern mit der Wand vereinigt (Fig. 76, 9 6). Nicht selten sieht man die La-
cunen von einem sehr eigenthümlichen Balkennetz durchzogen, welches mehr oder wenig reichlich sein kann.
Dies Netz (Fig. 8 d,ü) besteht aus glänzenden Fasern, den elastischen sehr ähnlich, welche von der Lacunenwand,
oft mit verbreiterter Basis, ausgehen und sich im Inneren der Lacunen in verschiedener Weise verzweigen und
anastomosiren. Zuweilen sind diese Balken relativ grob, zuweilen und gewöhnlich aber fein; zuweilen so fein, dass
man sie bei stärkster Yergrösserung kaum wahrnehmen kann; an solchen feinen Fasern kommen oft kleine glänzende
Knoten vor. Zwischen den Häutchen und der Lacunenwand sieht man hie und da Zellenkerne. Das zwischen den
Lacunen befindliche Bindegewebe ist wie sonst gebaut und enthält zwischen seinen Bündeln die gewöhnlichen Zellen-
formen und elastischen Fasern. Ausser den beschriebenen elastischen Balkennetzen enthalten die Lacunen nichts als
klare Flüssigkeit, besonders keine Gewebsbestandtheile; sie können deswegen möglicherweise als eine Art Behälter
des Gewebssaftes angesehen werden.
Wir haben manche Versuche gemacht, die Lacunen zu injiciren; dies gelang merkwürdigerweise fast nie. Wenn
wir durch Stichinjection das Röhren- oder Spaltensystem (Saftcanalsystem) der Dura in der Nähe der Lacunen füllten,
blieben dieselben von der Injoctionsflüssigkcit unberührt und wenn wir mitten zwischen ihnen die Flüssigkeit einführten
oder sogar stärker einpressten, konnte in grosser Ausdehnung eine interfibrilläre Injection entstehen, ohne dass sic
davon in sich etwas aufnahmen. Sie lagen sogar als zerstreute oder reichlichere, helle, ampulläre Blasen mitten im
vollständig infiltrirten Duragewebe. Die Flüssigkeit umgab sie rings, von ihrem Lumen nur durch ein dünnes Häutchen
getrennt. Nur in einigen sehr seltenen Fällen war dieselbe wirklich mehr oder wenig in sie eingedrungen. Dies Ver-
halten bei der Injection des Duragewebes spricht natürlicherweise im höchsten Grade gegen eine offene Verbindung
der Lacunen mit dem übrigen Saftcanalsystem der Dura. Als wir diese sonderbaren Gebilde zuerst fanden, hielten
vVir es für möglich, dass sie etwaige Kunstproducte sein könnten, z. B. durch Eintreibung von Luft bei der Heraus-
nahme der Dura entstanden. Nach genauen Untersuchungen besonders an Osmiumpräparaten, überzeugten wir uns
indessen auf das Bestimmteste von ihrem normalen Vorhandensein. Luftblasen, welche so leicht kenntlich sind, findet
man in den Lacunen nicht. Die Lacunen kommen an mehreren Stellen der Dura vor, fast nur aber in der Nähe
der Sinus, und zwar in etwas wechselnder Anzahl. Bisher sahen wir sie nur beim Menschen. Aber nicht nur um
den Sinus longitudinalis sind sie vorhanden sondern auch um den Sinus transversus (Fig. 6, 9), wo sie reichlich
Vorkommen können, und um den Sinus petrosus superior (Fig. 3, 5).
Betreffs der Verbreitung der in der Dura vorhandenen, von den Verfassern so vielfach besprochenen Nerven
und Ncrvengcflechte haben wir nichts Neues zu berichten. Ihren feineren Bau untersuchten wir beim Hunde und
Kaninchen. Auch hier, in der fibrösen Dura eingeschlossen, sind sie von einem dünnen Perineurium umhüllt, das
sehr schöne Endothelzeichnung durch Silberlösung giebt und sich an jeder Theilung des Stämmchens theilt, wobei
oft die Scheide etwas weiter absteht. Eben an den Nerven der Hundcdura fanden wir zum ersten Mal im Jahre 1869
die perineurale Endothelzeichnung (S. f. unten). Bezüglich der Endigungen dieser Nerven konnten wir nicht ins Klare
kommen. Beim Kaninchen begleiten die Nervengeflechte gewöhnlich die grösseren Gefäss-stärame. Einmal sahen
wir neben einem solchen eine Bildung, die einem kleinen Ganglion sehr ähnlich war.
An allen Stellen, wo Arachnoidalzotten verkommen, ist die Dura in eigenthümlicher Weise cribrirt. In der
Taf. XXVII Fig. 2, 6, 7 haben wir diese Cribrirung wiederzugeben versucht. Es laufen hier dickere Balken in
kreuzenden Richtungen, zwischen sich Löcher frei lassend, durch welche die Zotten hineinschicssen. Lieber das nähere
Verhältniss der Dura zu diesen Zotten sowie ihren Uebergang an den Nervenwurzeln und ihren Antheil an der Zu-
sammensetzung der spinalen Ganglien wird hier unten in den betreffenden Capiteln berichtet werden. Die Arachnoidalzotten oder die sogenannten Pacchionischen Granulationen,
Geschichtliches.
Pacchioni x) wurde der eigentliche Entdecker dieser Bildungen. Zwar waren sie schon früher von einigen
Anatomen gesehen und erwähnt, und zu etwa derselben Zeit wie Pacchioni wurden sie auch von Mery berücksichtigt.
Pacciiioni widmete ihnen indessen eingehendere Untersuchungen und schrieb ihnen sogar eine eigene physio-
logische Function zu. Nach ihm sollen sie nämlich conglobirte Drüsen sein; davon rührt auch ihr älterer Nähme
»Glandulae Pacchioni» her. Er fand sie constant nur an den Seiten des Sinus longitudinalis; in den lateralen Sinus
entweder gar nicht oder nur sehr selten und spärlich. Sie sind nach ihm rundliche, verzweigte, gewöhnlich gedrängt,
selten einzeln liegende Körper, welche indessen, bei Greisen, nicht nur ins Innere des Sinus einschiessen, sondern
auch in den Zwischenräumen der sehnigen Fasern der Dura die Pia erreichen und grösstentheils ihr anhaften. Aus
diesen Drüsen gehen zahllose Fasern aus, welche sämmtlich Ausführgänge darstellen, die nie früher gesehen wurden;
diese lymphatischen Gefässe, welche sich Blutgefässen anschliessen, wachsen in die Pia hinein und haften an ihr.
Die beiden Häute hängen theils durch diese Gefässe zusammen, theils auch durch Fasern, die aus der Dura selbst
stammen. Wenn man die Häute auseinander reisst, fliesst aus den Gefässöffhungen deutliche Tropfen einer Flüssig-
keit, nämlich sowohl Blut als eine durchsichtige Lymphe. »Es ist nicht eben schwer den Verlauf dieser Lymph-
gefässe innerhalb der Pia zu verfolgen; sie hängen nämlich den Seiten der Blutgefässe an und begleiten diese in
allen ihren Ausspreitzungen. Sie erscheinen sowohl an der Oberfläche der Pia als in ihren getrennten Partien,
welche die Windungen des Gehirns bekleiden; diese werden von ihnen in hohem Grade befeuchtet». Die Drüsen
geben aber keine Flüssigkeit zum Sinus selbst ab; sie sind nämlich durch eine ihr ungehörige, sehr feine Membran,
welche sie wie in einem Sack umschliesst, von dem Sinus getrennt.
Haller 2) beschreibt die »Glandulae in dura membrana» als harte, rundliche, warzenähnliche, in Haufen un-
geordnete Drüsen, welche zerstreut auf der oberen Fläche des Gehirns, an den Seiten des Ursprungs des Sichels,
in den Zwischenräumen der netzförmig gewebten Fibern dieser Membran und in kleinen Grübchen des Schädels
sitzen. Die Wurzel des Haufens hängt mit der Arachnoidea zusammen; der eigentliche Haufen befindet sich zwischen
den netzförmigen Streifen der Dura; die Spitze steigt aus der äusseren Fläche der Dura empor. Daneben finden
sich andere ähnliche, hinreichend beständige, zahlreiche Drüsen in der ganzen Länge des »Sinus falciforrnis» in den
Zwischenräumen der Fibern der inneren Schicht. An der Insertion der grossen Venen dieses Sinus pflegen sie zu sitzen,
und einige sollen die Höhle des Sinus selbst erreichen, andere von dem Sinus durch eine Membran abgetrennt sein.
»Noch andere in Haufen gesammelte Drüsen habe ich», sagt Plaller, »an der vorderen Grenze des Tentorium cerebelli
gefunden»; »vielleicht», sagt er, »sind diese die von einigen Verfassern des vorigen Jahrhunderts (Glaser, Collins)
erwähnten, zahlreichen Drüsen rings um das Cerebellum. Pacchionus aber hat sie an den Sinus laterales verneint.
Die, welche Vieussens am Stamm des Nervus quintus beschrieben hat, erinnere ich mich nicht gesehen zu haben.
Ihr Entdecker (Pacchioni) hat diese Drüsen als conglobirte betrachtet und er meint, dass sie Gefässe aussenden,
durch welche sie Lymphe absondern. Es ist aber aus der Beschreibung selbst sehr verdächtig, dass diese Gefässe
nicht von dem Zellulosen Gewebe sich unterscheiden».
') Antonii Pacchioni regiensis Medici ct Anat. Romani Opera. Bditio quarta. Romae 1741. Bes. d. Bpistola ad Lucam Schrokium 1705,
-) Elements physiologiae corporis humani. Lausanne. T. IV. 17G2. 169
Nach Sömmerring ’) sind die an der inneren Fläche der harten Hirnhaut verkommenden Pacchionischen Kör-
perchen Lymphdrüsen ähnlich; sie hängen bisweilen innig mit der Gefässhaut zusammen und nehmen nur Grübchen
in der Dura ein. Bei älteren Individuen finden sich ausserdem kleinere, gelbliche, in Haufen angesammelte Kör-
perchen an der Membrana Arachnoidea.
Heber die »Körperchen auf und unter der äussern Hirnhaut zu beiden Seiten der grossen Sichel» äussern
die Gebrüder Wenzel 2) Folgendes: »Die Zergliederer waren bisher über die Natur, den Ursprung und Zweck dieser
Körperchen noch nicht zu einem festen Resultate gekommen. Viele halten sie noch für drüsenartig; die meisten
gestehen, dass wir dieselben noch nicht hinreichend kennen. Wir untersuchten diese Körperchen an vier und sechzig
Hirnen von Menschen des verschiedensten Alters, und an den Hirnen von mehreren Säugethieren, und können uns
vielleicht freuen, über ihren Ursprung, wahren Sitz, Form, Grösse, Menge, Farbe, Konsistenz, innere Beschaffenheit,
Stoff und Zweck ihres Daseyns, keinen Zweifel mehr übrig gelassen zu haben. Bcym Fötus kommen sie durchaus
noch nicht vor; man findet sie in der Regel um so zahlreicher, je älter der Mensch ist, dessen Hirn man untersucht.
Die Stelle, wo man sie findet, ist der obere und innere Rand beyder Hirnhälften, doch mehr in der Mitte desselben
und nach hinten zu, als nach vorn. Diese Körperchen haben ihren ursprünglichen Sitz in der Gefässhaut, und ruhen
mit ihrer Basis meistens auf den grossem Venenstämmen, die sich in den grossen Blutleiter ergiessen. Von hier
aus breiten sie sich bey ihrem Wachsthume theils nach den Seiten, theils in die Höhe zwischen die Fibern der äussern
Hirnhaut aus. Desswegen findet man sie vorn am Anfänge der grossen Sichel viel weniger zahlreich, weil hier
die in den grossen Blutleiter sich ergiessenden Venenstämme viel kleiner sind, als in der Mitte und hinten. Sic hängen
nicht organisch, nicht durch Gefässe, untereinander zusammen; liegen bald mehr bald weniger gedrängt oder zer-
streut, und werden von der Schleimhaut bedeckt, oder zufällig miteinander verbunden. Lymphe, die aus den Ge-
lassen der innern Hirnhaut abgesondert wird, ist der Stoff, aus dem sie gebildet werden. Ihre Figur ist ungemein
variirend, rundlich, eyförmig, eckig, halbmondförmig u. s. w.; sie hängt meist von der Form der Räumchen ab,
welche die Fibern der harten Hirnhaut, gegen welche die sich verdickende Lymphe angedruckt wird, unter sich bilden.
Auch ihre Menge ist sehr verschieden. Bei Menschen desselben Alters findet man bald viele, bald nur wenige
Körperchen; nur soviel kann man in dieser Hinsicht als einigermassen beständig behaupten, dass sie um so zahl-
reicher erscheinen, je älter die Subjekte sind, die man untersucht. Allein ganz fest bestimmt ist das Verhältniss
der Zahl dieser Körperchen mit der Menge und mit der Zeit der zwischen die Hirnhäute ausgetretenen Lymphe.
Je grösser die Menge von dieser und je zäher ihre Beschaffenheit, und folglich je länger vor dem Tode sie aus-
getreten ist, um so grösser ist auch die Menge jener Körperchen. Man findet daher bey ungewöhnlich vielen Kör-
perchen auch viele und zähe Lymphe zwischen den Hirnhäuten; die Körperchen selbst in diesen Fällen stets gelblich,
und undurchsichtig geworden. Vorzüglich häufig findet man sie bey hypochondrischen, melancholischen, epileptischen
Subjekten, bey Menschen, die an langwierigen Kopfübeln litten, überhaupt nach Krankheiten, die mit starken An-
häufungen des Bluts im Kopfe verbunden sind. Die Farbe der Körperchen ist sehr verschieden, sie spielt von dem
weissen durch alle Mittelstufen bis ins bräunliche; sie sind um so weisser, je kleiner, dünner, weicher, überhaupt,
je jünger sie sind; sie sind um so mehr gelb oder bräunlich, je grösser, dicker, härter, überhaupt, je älter sie sind.
Ganz analog den Veränderungen der ausgetretenen Lymphe in andern Höhlen des Körpers. Wir durchschnitten
viele von ihnen und untersuchten sie sorgfältig mit dem Vergrösserungsglase; inwendig haben sie immer dieselbe
Farbe wie ausserhalb, ihr Inneres zeigt durchaus keine Spur von Organisation. Durch diese und andere unwiderleg-
bare Beweise wird es ausser allen Zweifel gesetzt, dass die sogenannten pacchionischen Dräschen nichts anders sind,
als von den Gefässen der innern Hirnhaut abgesonderte oder ausgeschwitzte, kränklich angehäufte, stockende,
verdickte, durch die netzförmige Struktur der äussern Hirnhaut geformte Lymphe, auf welche Meynung wir schon
im Jahre 1791 gekommen waren».
Burdach 3) sah in den Pacchionischen Körperchen eine Abnormität, welche so häufig vorkommt, dass man sie
lange Zeit für normal gehalten hat. Es sind Körnchen oder Klümpchen, aus ergossner und geronnener Lymphe
bestehend, welche an der äusseren Fläche der Gefässhaut, besonders in der Nähe des obern Sichelblutleiters und
namentlich der Venenmündungen in demselben Vorkommen. Bei Embryonen fehlen sic, bei Kindern sind sie selten,
1) De corporis humani fabrica. T. IV. 1798.
2) Prodromus eines Werkes über das Hirn des Menschen und der Thiere. Tübingen 1806.
3) Vom Baue und Leben des Gehirns. Leipzig 1819—22. Beyträgc zur nähern Kenntniss des Gehirns. 2 Thcil. Leipzig 1806.
Key und Eetzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 170
im hohen Alter häufiger, nach anhaltenden Congestionen gegen den Kopf am häufigsten und grössten. Sie haben
die Grösse von Hirsenkörnern bis zu der einer Erbse; sind anfangs weiss und weich, späterhin gelblich oder graulich
und fester; sind sie grösser, so ragen sie durch die feste Hirnhaut, welche sie entweder ausdehnen oder auch durch-
bohren, hervor in ihnen entsprechende Grübchen des Schädels, welche sie veranlassen, indess die Hirnhäute in ihrer
Nähe unter einander verwachsen sind.
Calmeil x) nennt die Pacchionischen Granulationen kurzweg »Vegetationen oder Granulationen der Pia mater»
oder andermals »fungöse Geschwülste», welche die Dura mater durchbohren und die innere Glastafel in bedeutender
Ausdehnung usuriren, nimmt aber nur diesen Grad der Entwickelung für die pathologische Deutung dieser Gebilde
in Anspruch. »Die Granulationen der Pia mater erwecken gewöhnlich nicht die Aufmerksamkeit; in gewissen Fällen
haben sie doch eine solche Entwickelung erhalten, dass man sie beachten muss.» »Die Vegetationen sind bald auf
beiden, bald nur auf einer Hemisphäre vorhanden.»
Andioe 2) nimmt die Pacchionischen Granulationen summarisch als pathologische Producte der Pia mater in An-
spruch, und stellt sie den Verwachsungen der Pleuren zur Seite, welche von älteren Anatomen ja auch unter dem
Namen Ligamenta pleurse als normale Zustände hingestellt wurden; nach ihm ist ihr Vorkommen gar nicht constant.
Nach Cloquet 3) finden sich die Pacchionischen Granulationen weder bei Kindern, noch bei allen Individuen. Ihr
feinerer Bau und ihre Function sind nach ihm völlig unbekannt. Sie führen Gefässe, aber keine Nerven. In den
Sinus longitudinalis dringen sie oft ein, sind dann von der inneren Haut desselben bedeckt. Man bemerkt wenige
von ihnen am Torcular Herophili, mehr am occipitalen Theil der Sinus laterales. Im Sinus rectus findet man sie
zuweilen an der Mündung der Galen’schen Venen. In den übrigen Sinus fehlen sie. In der Pia mater trifft man
auch entsprechende Körperchen, besonders längs dem Sinus longitudinalis sup., um die cerebralen Venen. Hier sind
sie von der Arachnoidea umhüllt, und ihre Grösse wird beträchtlicher je näher sie dem Sinus stehen. Einige gehen
zwischen den Fibern der Dura, welche die Venen durchlassen, und. sie stehen in etwaiger Weise in Verbindung mit
den Granulationen des Sinus. An der Basis des Gehirns und an den übrigen Sinus finden sich keine ähnliche Ver-
hältnisse. Auch die »innere» Pia mater trägt solche Granulationen, besonders an den Plexus chorioides, sogar des
viertes Ventrikels.
In Hildebrandt-Webers Handbuch 4) werden diese Bildungen in folgender Weise beschrieben. »Theils zwischen
den beiden Platten der harten Hirnhaut, theils auf ihrer auswendigen Platte, am obern Theile derselben, meist in
der Nähe der Sichel, liegen hie und da kleine Körperchen (Glandulse Pacchioni), an unbestimmten Stellen, von un-
bestimmter Anzahl, welche von verschiedener Gestalt, möist rundlich, von verschiedener Grösse, theils weicher, theils
härtlicher, röthlich oder gelbbräunlich sind. Einige derselben liegen dicht zusammen. Die inwendige Fläche der
Hirnschale hat Grübchen, in denen sie liegen, so weit sie aus der harten Hirnhaut herausragen. Andere ähnliche
liegen an den Fortsetzungen der inwendigen Platte, welche die Sichel ausmachen. Der Nutzen dieser Körperchen
ist noch unbekannt. Einige haben sie mit Unrecht für Glandulae conglobatae gehalten. Bei Kindern fehlen sie.»
Valentin 5) sagt von den Pacchionischen Körperchen; »Selten auf der äusseren, häufig aber auf der inneren Fläche
der harten Hirnhaut (sowie an manchen anderen Stellen, z. B. in der Nähe der Flocken, an den grossen Einschnitten
des grossen und des kleinen Gehirnes u. s. f.) liegen, oft vorzüglich beiderseits längs der Sichel, weissliche, gelbliche,
röthliche oder gelblichbraune, plattrundliche Körperchen, welche stets Producte krankhafter Ausschwitzung und keine
besonderen Lymphdrüsen zu seyn scheinen, bisweilen feinste Blutgefässe in sich haben, oft mit der Gefässhaut innig
verbunden sind, sich nicht selten Höhlungen in dem benachbarten Theile der harten Hirnhaut und selbst der Innen-
fläche der Schädeldeckenknochen ausgraben, die erstere dann häufig durchbohren, mitunter auch sich in die Höhlung
des oberen Sichelblutleiters eindrängen und den Namen der Pacchionischen Drüsen (glandulae Pacchionii) führen.
Sie bestehen entweder aus Exsudatkörperchen oder, wenn sie älter sind, aus festen cylindrischen Exsudatfasern,
in welchem letzteren Falle sich ihre Bestandtheile oft als hirsenkorn-ähnliche Bläschen oder so geformte solide Kör-
perchen darstellen. Neben ihnen finden sich nicht selten andere krankhafte Exsudate.»
*) De la paralysie consideree chez les alienes. 1826. Nach L. Meyer in Virchow’s Archiv. Bd. 19.
2) Clinique mddicale d. malad, d. fenceph. Nach L. Meyer in Virchow’s Archiv. Bd. 19.
:{) Traite d’Anatomie descriptive. Quatrieme edition. T. 11. Paris 1828.
4) Handbuch der Anatomie des Menschen. 4:te Ausg. Bd. 111. Braunschweig 1831.
5) Sömmerring’s Hirn- und Nervcnlehre, umgearbeitet von G. Valentin. Leipzig 1841. (4:tc Bd. von Sömmerring’s »Vom Baue
des menschlichen Körpers»). 171
0. F. T. Krause *), der die Pia mater und Arachnoidea jede für sich beschreibt, rechnet die Pacchionischen
Granulationen zur Pia. Sie finden sich in ihr öfters, vorzüglich bei älteren Menschen, sind aber keine Drüsen, sondern
abnorme Bildungen, die zuweilen die Dura mater durchbohren.
Rokitansky 2) beschreibt die Pacchionischen Granulationen als Texturerkrankungen der Arachnoidea. Sie haben
nach ihm keine andere Bedeutung als die der fibroiden Verdickung einer serösen Haut in granulirter Gestalt. Durch
Druck drängen sie die Faserung der harten Hirnhaut auseinander und betten sich in derselben ein, durchbohren sie
und lagern sich in eigene Grübchen und Gruben im Schädelknochen ein; auf diese Weise vermitteln sie auch eine
regelwidrige Adhsesion der Cerebral-Arachnoidea an die harte Hirnhaut. Ihr gewöhnlicher Sitz ist der Sichelrand
der Hemisphären, wo sie häufig auch die Wandung des Sinus long. sup. durchbohren und in dessen Höhle herein-
ragen. Sie sind fast constant, so dass man sie kaum je, selbst bei jüngeren Individuen vermisst. Bei Individuen,
die an Congestionszuständen gelitten haben, sind sie beträchtlicher.
Nach Cruveilhier ,5) stammen die Pacchionischen Granulationen aus dem subarachnoidalen Gewebe. Er sagt,
dass er keine bestimmte Ansicht weder über ihre anatomische Natur noch über ihren Nutzen habe. »Man hat»,
sagt Cruveilhier, »diejenigen dieser Gruppen, welche die Sinus durchbohren, für dazu bestimmt angesehen, den Dienst
von Klaffen auszuführen. Besser wäre es unsere Unwissenheit bezüglich dieser Körperchen zu bekennen, welche
gar nicht lymphatische Ganglien sind, wie man behauptet hat. Ihr zahlreiches Vorkommen ist der Art, dass sie
nicht unter den krankhaften Bildungen aufgeführt werden mögen». Sie fehlen beim Kinde, sind aber beim Erwach-
senen fast constant. Die in den Sinus eintauchenden sind immer durch seine Tunica interna vom Blute getrennt.
Man findet solche Körper am vorderen Ende des Sinus rectus. Er hat sie auch im Inneren des horizontalen Theils
des Sinus lateralis angetroffen.
Nach Todd 4) scheinen die Pacchionischen Granulationen mit Mikroskop untersucht aus einer Masse von kleinen
in einem membranösen Sack eingeschlossenen Körnchen zu bestehen; wenn sie gestielt sind, zeigt der Stiel eine
Reihe von längsgehenden Streifen, welche wahrscheinlich Falten der ihn bildenden Membran sind. Durch Essig-
säure bekommt man zuweilen epitheliale Platten an der Oberfläche der Membran zu Gesicht. Nach Todd kann ihre
Structur in folgender Weise erklärt werden. Die erste Absetzung von granulärer Lymphe geschieht unter den Ge-
fässen der Pia mater. Die kleinen so gebildeten Körperchen schieben die Arachnoidea vor sich wie ein Sack oder
eine Hülle; in einigen Fällen ist die granuläre Masse nur theilweise bedeckt, in anderen aber vollständig und dann
wird sic mehr und mehr gestielt. Daraus geht hervor, dass die Pia mater der Sitz der primären Absetzung sein
muss, oder auch mögen diese Körper einen durch reichliche Irritation hervorgerufenen, degenerirten Zustand in den
elementären Theilen der äusseren Schicht der grauen Substanz gewisser Windungen bezeichnen. Die Pacchionischen
Granulationen sind also krankhafte Bildungen, die durch eine chronische, allmählige Irritation entstanden sind.
Todd fand sie nie vor dem sechsten Jahre; sie sind immer in sehr verschiedener Zahl vorhanden, mangeln oft sogar
vollständig. Sie gehören nur dem Menschen, wurden nie bei anderen Thieren gefunden. Am zahlreichsten kommen
sie rings um die Venen vor, welche an den inneren oberen Rändern der Hemisphären aus der Pia mater in den Sinus
longitudinalis superior eintreten; man findet sie aber auch an den lateralen Sinus und zuweilen sogar an den geraden.
In allen diesen Orten dringen sie durch die fibröse Haut ihrer Wand und schieben vor sich die innere oder venöse
Haut. Man findet auch zuweilen etwas ähnliche Körperchen an den Plexus chorioidei der Seitenventrikel; ferner
an dem Fortsatz der Pia mater, welcher vom Volum interpositum zur Glandula pinealis hinabsteigt, und an den Plexus
chorioidei des vierten Ventrikels.
Als pathologische Bildungen führt auch Kölliker :>) die Pacchionischen Granulationen »der Pia mater» auf.
Sie sitzen, nach ihm, zu beiden Seiten der grossen Sichel, an den Flocculi, in den Plexus chorioidei u. s. w., und
»bestehen vorzüglich aus einer derben faserigen Masse wie Bindegewebe».
Bald nachher G) sagt er von ihrem Bau, dass sie »vorzüglich aus einer derben faserigen Masse wie unreifes
Bindegewebe» bestehen und dass sie »auch unentwickeltes elastisches Gewebe und Corpuscula amylacea» enthalten.
1) Handbuch d. menschl. Anatomie. Bd 1. Zweite Auflage. 1843.
2) Handbuch d. pathol. Anatomie. Bd 11. 1844.
:i) Traite d’Anatomie descriptive. 2;mc Edition. T. IV. Paris 1845.
4) The Cyclopsedia of Anatomy and Physiology. Vol. HI. 1847.
5) Mikroskop. Anatomie. Bd. 11, 1. Leipzig. 1850.
6) Handbuch der Gewebelehre. Leipzig 1852. 172
Luschka *) ist unter den neueren Verfassern der Erste, welcher darzulegen suchte, dass die sog. Pacchio-
nischcn Granulationen gar nicht exsudative, sondern ganz normalmässige Bildungen, nämlich zottenförmige Ver-
längerungen des Gewebes der Arachnoidea sind. Er nannte sie deswegen »Arachnoidealzotten)). Bei Thieren (Rind,
Schwein, Schaf, Hund, Kaninchen etc.) kommen sie nach ihm nicht vor; dagegen constant beim Menschen. Bei
neugeborenem Kinde fand er gewisse Anfangstadien für die Bildung der Zotten. Es giebt nach Luschka zwei ver-
schiedene Arten derselben. Die Einen sitzen an der Oberfläche des Gehirns längs dem Sichelrande und sind Ver-
längerungen der Arachnoidea visceralis. Die Anderen gehören der inneren Fläche der harten Hirnhaut längs dem
Sinus longitudinalis an und stammen von der Arachnoidea parietalis her. Die Annahme, dass alle Granulationen
der Dura mater von der Arachnoidea des Gehirns ihren Ursprung nehmen, ist deswegen irrthümlich. An dem von
Krause u. A. noch bezeichneten Stellen finden sich wohl bisweilen den Pacchionischen Drüsen äusserlich ähnliche
Körperchen, welche nur in pathologischen Veränderungen dort gelegener Gefässplexus begründet sind, aber mit
den Pacchionischen Drüsen weder das Substrat noch auch die feinere Zusammensetzung theilen; sie hegen stets
unter der Arachnoidea, sind von einem ausserordentlich massenhaften Epithel überzogen und zeigen auch bei aller
Veränderung noch reichlich Blutgefäss-schlingen.
Die erste Art, die an der Oberfläche des Gehirns vorkommenden Arachnoidalzotten, sitzen nur an dem oberen
abgerundeten sog. Sichelrande. Sie gehören nur der Arachnoidea, nicht der Pia, an. Ihre Grösse und Form ist
sehr verschieden, ihre Anzahl sehr wechselnd. Sie sitzen sowohl vereinzelt als dicht in Häufchen, nicht selten
traubenbeerähnlich zusammen. Am gewöhnlichsten bieten sie eine kolbige oder birnenähnliche Gestalt dar, auch
sind sie sehr oft schlauchartig in die Länge gezogen. Bisweilen sind sie am freien Rande eingekerbt, bisweilen
lappenartig zerfallen. Sie sind stets gestielt; die Stielchen sind ausserordentlich dünn, bald kürzer, bald länger.
Die Menge der Zotten ist oft so beträchtlich, dass die Sichelränder davon wie dicht besäet erscheinen, andere Male
aber sparsam und von einander abstehend. Die Farbe differirt wenig vom Ansehen der Arachnoidea; bei älteren
Individuen werden sie weisslich. Die kleinen Zotten sind fast immer solid, bei den grösseren bemerkt man häufig
eine völlig bläschenartige Beschaffenheit; diese konnte Luschka nur bei Jüngern Personen finden, während sie bei
vorgerückten Alter um so fester und derber befunden werden, je grösser, sie sind.
Bei mikroskopischer Untersuchung findet man nach ihm, dass sie dadurch entstehen, dass das völlig normale
Fasergewebe der Arachnoidea, ohne irgend seiner Structur fremde Elemente zu führen, sich ganz direct in sie sich
verlängert. Die sehr breiten, theils homogenen, theils fein gestreiften Bindegewebsfasern der Arachnoidea treten
convergirend aus der Ebene zu Stielen zusammen; gegen die freien kolbigen Enden gehen sie in verschiedener Weise
wieder aus einander. Eine Anzahl der Fasern verläuft am Ende der Zotte bogenförmig, andere aber, besonders
die breiten Fasern, ragen frei über das stumpfe Ende hinaus; dabei bilden sie Anhängsel von der verschiedensten
Form, die meist scharf umschrieben, völlig homogen und von der Farbe und Pellucidität sehr breiter, homogener
Bindegewebsbänder sind, recht häufig aber eine zarte Längsstreifung und sogar den Anfang zu einem wirklichen
faserigen Zerfallen zeigen; in einzelnen Fällen erkennt man in ihnen auch einen homogenen, länglichen Kern.
Gleich der Arachnoidea besitzen die Zotten ein nur mangelhaftes Epithelium; man sieht es immer nur zu einzelnen
Plättchen auf ihnen liegen. Sonst giebt es in den Zotten keine andere Elemente: Blutgefässe finden sich zu keiner
Spur vor. Die andere Art der Zotten, die aus dem parietalen Blatte der Arachnoidea stammenden, sind der Aus-
dehnung des Längsblutleiters entsprechend ausgebreitet. Gegen den oberen Rand der Sichel bildet die harte Haut
ein eigenthümliches Trabeculargewebe, ein Netzwerk mit zahllosen, grösseren und kleineren Maschen. An vielen
Stellen entstehen grössere Räume und Canäle zwischen den Faserlagen. Hier zeigt die Arachnoidea parietalis ein
eigenthümliches Verhalten. Während sie sonst überall fest mit der Dura verwachsen ist, bildet sie hier in die Lücken
des Netzwerks frei endigende, zottenförmige Verlängerungen. Diese gelangen einerseits in die Räume zwischen den
Faserlagen .nächst dem Sinus bis an die äussere Fläche der Gefässhaut desselben, drängen diese vor sich her und
ragen so von ihr überzogen mehr oder weniger in sein Lumen; oder sie entwickeln sich mehr gegen das Schädel-
dach hin, drängen die Faserung der Dura mater auseinander und bohren sich allmählig grubenartige Vertiefungen;
anderntheils aber treten sie aus den Lücken heraus gegen das Gehirn zu und hängen frei von einzelnen Faser-
bündeln herab, so dass meist eine grössere Anzahl frei liegend zu den Seiten des Sinus gefunden wird. Bei jugend-
lichen Individuen sind die Zotten der Arachn. parietalis nur klein, bei älteren »stets mächtig und ragen tief herab,
B Archiv f. Anatomie, Physiologie u. wisscnsch. Medicin. Jahrg. 1852. so dass sie zwischen jene der Arachn. visceralis hineingreifen, und diese sodann bei der Entfernung der Dura mater
an dieser haften bleiben, »was eben bei der mangelhaften Untersuchung zum Irrthume führte, als stammten alle
Granulationen der Dura mater von der Arachnoidea des Gehirns her». In Form und Menge wechseln sie ebenso
wie jene an der Oberfläche des Gehirns; die traubenförmigen und bläschenartigen sind häufiger unter den zuletzt
beschriebenen. Die mikroskopischen Elemente sind dieselben. Man findet breite und schmale, homogene und ge-
streifte, sowie spiralig umwickelte Bindegewebsfasern, sparsames Epithelium und bei den in den Sinus einragenden
Zotten noch einen besonderen, aus der Gefässhaut gebildeten üeberzug.
Die Arachnoidalzotten werden häufig hypertrophisch, können dann den Schädel durchbohren und den Sinus
theilweise obturiren. Ihre Zusammensetzung ist etwa dieselbe wie die der normalen; nur sind die Bindegewebsbündel
und die breiten homogenen Bänder viel mannigfaltiger gewunden; die Bündel sind öfter spiral- und ringförmig
umwunden; häufig findet man netzförmige Verbindungen von Fasern. Fett sieht man, theils molecular, theils in
grossem Tropfen, in den hypertrophirten Zotten stets. Mehrmals findet man Corpora amylacea; niemals aber Blut-
gefässe und Entzündungsproducte irgend einer Art. Ihren physiologischen Nutzen konnte Luschka nicht bestimmt
angeben. Vielleicht sind sie, nach ihm, zum Schutze der von den Siehelrändern des Gehirns zum Sinus über-
springenden Blutgefässe vorhanden und gewinnen so die Bedeutung von »Haltorganen».
Förster l) beschreibt die Pacchionischen Granulationen als Neubildungen der Arachnoidea. Sie sind fibröse
Auswüchse und bestehen durchaus aus Bindegewebe, dessen Fasern sich aus der Arachnoidea in das Kölbchen er-
heben und wieder dahin zurückgehen. Sie finden sich vom Jünglingsalter an in jedem Hirn, kommen aber zuweilen
auch im kindlichen Alter vor und »gehören daher zu den normalen Erscheinungen, wenn sie auch, wie das schwarze
Lungenpigment u. s. w,, streng genommen, pathologische Producte sind». Die Dura mater wird zuweilen durch
den Druck von ihnen verdünnt und zuweilen selbst perforirt. »Da, wo die Venen der Hirnoberfläche in den Längs-
blutleiter treten, sind Arachnoidea und Dura mater oft eng verbunden; die Granulationen verdünnen hier nicht selten
die Wand der Sinus und ragen nach deren völliger Perforation in die Höhle der Sinus ein». Sie bilden sich in
grösster Zahl und Umfang bei chronischen Hyperämieen der Pia mater, oft genug aber auch ohne solche aus.
Nach Bruns 2) gehören die Pacchionischen Granulationen sowohl dem inneren Blatt der Arachnoidea (A. visce-
ralis) als dem äusseren, die Dura bekleidenden (A. parietalis). »Die von dem innern Blatte ausgehenden hypertro-
phischen Zotten ragen ohne Weiteres frei in die Arachnoidealhöhle hinein als kleine rundliche oder drüsige Körper,
während die des Parietalblattes sich durch das Fasergerüste der Dura mater nach aussen hindurch drängen».
Letztere gelangen so theils unmittelbar unter das knöcherne Schädelgewölbe, theils durchdringen sie die Wandung
des obern Sichelblutleiters und ragen dann frei flottirend in dessen Höhle hinein, von seinem Blute bespült.
Luschka 3) beschreibt später seine »parietalen Arachnoidalzotten» in ganz derselben Weise wie früher. Nach
Untersuchungen, welche er an Thieren anstellte, fand er aber diese »parietalen Arachnoidealzotten, nicht aber
die visceralen, bisher nur beim Pferde». Sie waren verhältnissmässig klein und nur in geringerer Zahl vorhanden.
Bei der Beschreibung der granulirten Erhebungen des Ependyms der Hirnventrikel legt Virchow 4) mit einigen
Worten seine Auffassung von den Pacchionischen Granulationen dar. Die genannten kleinen Knötchen des Ependyms,
äussert er, »bestehen aus einem, mehr oder weniger concentrische Fasern darstellenden Gewebe, ähnlich wie die
Pacchionischen Granulationen». »Man kann daher die Erhebungen mit vollem Recht als Verdickungen des Ependyma
betrachten, welche ihre Entstehung einer Reizung verdanken». »Aehnliche Bildungen sind offenbar die sogenannten
Pacchionischen Granulationen und manche Formen, die man der tuberkulösen Meningitis zurechnet; dieselben kleinen
perlartigen Knötchen sieht man nicht selten auf dem Visceralblatt des Herzbeutels, meist dem Gefässverlauf folgend;
in grosser Ausdehnung kommen sie auch auf dem Bauchfell vor». »Ob diese eigenthümlichen Formen durch den
Gefässverlauf bedingt sind, wie diess an dem Hornstreifen und an den sehnigen Granulationen der Arachnoides und
des Herzbeutels wahrscheinlich ist, habe ich nicht eruiren können».
Luschka 5) wies dann nach, dass Arachnoidalzotten auch in der mittleren Schädelgrube wirklich vorhanden sind.
Diese Bildungen gehören nach ihm der Dura mater an, und kommen nur da vor, wo ihr Gewebe netzförmig durch-
]) Handbuch der speciellen pathol. Anatomie. Leipzig 1854.
2) Handbuch d. pract. Chirurgie. 1 Abtheil. Gehirn und Umhüllungen. Tübingen 1854.
3) Die Adergeflechte des Menschlichen Gehirnes. Berlin 1855.
4) Gesammelte Abhandlungen zur wissenschaftl. Medicin. 1856. VII, i. (Aus d. Zeitschr. f. Psychiatrie 1846).
5) Archiv f. pathol. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Medicin. Bd 18. 1860.
Key und Retziijs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 174
brochen ist, was aber nur ausnahmsweise stattfindet. Die netzförmig durchbrochenen Stellen der Dura sind nämlich
von einem weichen fibrillären Zellstoffe erfüllt. Diese Bindesubstanz ist es nun, welche zu zottenartigen Vegetationen
auswächst, die allerlei Gestalten darbieten, indem sie theils keulenartig, theils pflanzlichen Blättern ähnlich geformt
und sowohl einfach als auch in der verschiedensten Weise gelappt und zerklüftet sind. Man findet sie vereinzelt
und in dichteren Gruppen beisammenliegend; in der Regel sind sie sehr klein, erreichen aber auch, hypertrophirt,
den Umfang von gewöhnlichen Linsen. Sie sprossen zum kleinsten Theile gegen das Schädelcavum hinein; viel
mehr wuchern sie gegen die innere Fläche der Knochen, wo sie rundliche Gruben und Vertiefungen in der Knochen-
substanz hervorbringen. Solche Gruben findet man in den meisten Fällen ihres Vorkommens im unteren Abschnitte
der vorderen Hälfte der Schuppe des Schläfenbeines, besonders im Bezirke der Sutura spheno-temporalis, oder im
grossen Flügel des Keilbeines selbst, nicht selten aber auch in der Gegend der Sutura petro-squamosa und auf dem
Tegmentum tympani. Manche dieser Vegetationen dringen in das Innere der den Stamm der Arteria meningea
begleitenden Venm meningese medige hinein oder erstrecken sich auch wohl zum Foramen ovale. Rücksichtlich der
Structur bestehen sie vorzugsweise aus fibrillärer Bindesubstanz, in welcher stets einzelne ring- oder spiralförmig
von feinsten elastischen Fibrillen umwickelte Bündel Vorkommen. Ueber die Oberfläche der meisten dieser Zotten
erheben sich kleine Auswüchse, welche entweder nur aus structurloser Bindesubstanz bestehen oder da und dort
einen rundlichen, der Essigsäure Widerstand leistenden Nucleus enthalten.
~Ludw. Meyer *) fand, dass in der Umgebung der Pacchionischen Granulationen stets eine Trübung und Ver-
dickung der Arachnoidea vorkomme. Je nachdem sie der Arachnoidea unmittelbar ansitzen oder ihr Zusammenhang
mit dieser Basis ein einfach oder zweifach vermittelter ist, nennt er sie primäre, secundäre und tertiäre Zotten.
In vielen Fällen zeigten die kurzen Stiele einfacher Granulationen eine Einschnürung in der Mitte, welche durch
eine concentrische Lage von elastischen Fasern bedingt ist, die vom Anheftungspunkte ab den Stiel spiralig umgaben.
Die nicht gestielten scheinen zuweilen ihr Gewebe wie durch eine von feinen Spiralfasern umgebene Lücke der
Arachnoidea vorzudrängen; wahrscheinlich wachsen diese flacke Vorwölbungen später zu halbovalen, schlauch artigen
Gebilden aus. Die weitere Entwickelung der primären Zotten zu den grösseren verästelten beruht auf der Bildung
secundärer Auswüchse und Spaltung des Gewebes der primären Zotte. Alle Granulationen sind von einem voll-
ständigen Epithelüberzug bekleidet. Dieser ist meist stärker entwickelt als an dem ebenso vollständigen Epithel
der Arachnoidea. Das Epithel der Granulationen bildet gewöhnlich mehrfache (mindestens zwei) Schichten grosser
kernhaltiger Zellen, deren Inhalt weniger gleichmässig und minder durchsichtig ist als an den normalen Epithelien
der Arachnoidea und häufiger Fettkörnchen, zuweilen auch grössere Fettbläschen enthält. Die Epithelien haften in
der Regel leicht an einander, und der Epithelialüberzug lässt sich handschuhfingerartig abstreifen. Ein hyper-
trophischer Zustand des Zottenepithels ist nach ihm ein gewöhnliches Vorkommen. Bei kleineren Zotten, besonders
bei sehr kleinen tertiären, überwiegt zuweilen die Entwickelung des Epithels das Bindegewebe um ein Beträchtliches.
Epithelgranulationen finden sich, wenn auch vereinzelt, stets an dem Ueberzuge der Pacchionischen Granulationen.
Verkalkung und Verknöcherung kommt in ihnen vor und zwar im Epithel. Sonst zeigen sie die verschiedensten
Differenzen in Bezug auf die Dichtigkeit des Bindegewebes. Ein bedeutendes Oedem der Gehirnhäute verbreitet sich
bei starkem Druck dieser Flüssigkeit auf die Pacchionischen Zotten. Bei eitriger Meningitis sah Meyer einmal eine
derartige serös-eitrige Infiltration sämmtlicher Pacchionischen Zotten. Ihr Gewebe zeigte sich von Eiterkörperchen,
deren Kernen und Fettbläschen durchsetzt; so auch von Blutkörperchen bei Apoplexie der Gehirnrinde. Häufiger,
wenn auch selten, dringt das Blut vom Blutleiter durch die auf irgend eine Weise verletzte Gefässhaut in einzelne,
in das Lumen hineingewachsene Zotten,
Ueber den Sitz der Pacchionischen Granulationen lieferte Meyer genauere Angaben, Er erkannte kein anderes
Arachnoidalblatt als das viscerale. Die Granulationen entspringen von ihr. Die innerhalb der Dura mater sowie
in den Gruben der inneren Glastafel sich vorfindenden sind von der Arachnoidea aus hineingewachsen. Innerhalb
der Dura mater selbst greifen die Zotten so mannigfaltig und innig in das Maschenwerk der vielfach zertheilten
Faserbündel ein, dass man in den meisten Fällen nicht im Stande ist zu entscheiden, ob man es mit einer wirklichen
stielartigen Insertion der Zotte oder mit feinen umschlingenden Trabekeln zu thun hat. Durch eine feine Präparation
der Granulationen in situ kann man sich überzeugen, dass sie sämmtlich Stielen angehören, welche durch Löcher
dieser innersten Dura-mater-Schicht mit der Arachnoidea in Verbindung stehen und für viele Zotten den gemein-
samen Stamm bilden.
!) Archiv f. pathol. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Medicin. Bd 19. 1860. 175
In Betreff der Verbreitung der Pacchioniscben Granulationen wies Meyer nach, dass sie nicht nur beiderseits
am Sichelrande Vorkommen, sondern, wenn auch nicht in gleicher Constanz, an mehreren anderen Stellen. Auf der
Convexität kommen einzelne Gruppen leicht in einer beträchtlichen Entfernung vom Sichelrande vor; eine Entfernung
von 3 Cm. ist gewöhnlich, 4—5 Cm. nicht selten. Auf den Vorderlappen erstrecken sie sich so fast bis zur Basis.
In der Fossa Sylvii sind sie gleichfalls stärker vertreten. An der Basis des Schläfenlappens kommen sie in den
verschiedensten Graden der Entwicklung vor. Gewöhnlich sitzen sie an dem vorderen halbkugligen Wulste, seltener
und beschränkter in den äusseren Partien, in der Regel nach der Richtung der Art. und Ven. meningese geordnet.
Sie bilden hier Eindrücke im Knochen und dringen gelegentlich in das Lumen der Vente meningese vor; ganz wie
am Sinus. Nach Entfernung der Dura mater lässt sich der Einfluss der Meningealgefässe auf die Entwicklung der
Zotten mit Deutlichkeit verfolgen. Indess sind die Sulci meningei keineswegs allein bestimmend für den Sitz der
Zotten. So finden sich vereinzelte Fovese glanduläres an der senkrechten inneren Partie der Lamina triangularis
in der Nähe der Fissura orbitalis und des Foramen rotundum. Die stärkste Entwicklung pflegt sich jedoch in der
Tiefe der mittleren Schädelgrube zu concentriren. Aeusserst häufig finden sie sich in zwei beschränkten Stellen
des Plinterlappens, erstens an seinem hinteren, etwas zugespitzten Ende, welches in seiner Lage genau dem Winkel
entspricht, den der Sinus longitudinalis superior mit dem Sinus transversus bildet, und zweitens in etwas grösserer
Ausbreitung an der Grenze des Mittellappens, dem inneren Winkel des Sinus transversus gegenüber, da wo er den
Sinus petrosus superior aufnimmt und in die Fossa sigmoidea einbiegt. Meist in grosser Verbreitung aber schwacher
Entwicklung finden sich die Pacchionischen Granulationen an der Arachnoidea des kleinen Gehirns. Von der in
der Regel dichter besetzten Incisura cerebelli posterior ziehen sich linienartig schmale Streifen zarter Zotten über
die Mitte des Oberwurms und längs des freien Randes jeder Hemisphäre von hinten nach vorn. An den vorderen
Partien pflegen sie weniger deutlich entwickelt zu sein; in ihrer Breitenentwicklung können sie etwas auf die Ober-
lappen übergehen. Die frei übergespannte Arachnoidea der Basis fand Meyer stets frei von Zotten. In geringer
Entwicklung sind sie stets bei Erwachsenen am freien Rande des Kleinhirns vorhanden. Dagegen sah er eine auch
nur mässige Entwicklung derselben an der Basis des Schläfenlappens immer mit entschiedenen Symptomen von
Gehirnerkrankung verknüpft.
In Rücksicht auf die Aetiologie der Pacchionischen Granulationen betont Meyer ihr Vorkommen im Verlaufe
fast sämmtlicher Blutleiter der harten Hirnhaut, welche den Gehirnwindungen näher liegen. Die sich auf die Gegenden
der Blutleiter concentriren den Hirnbewegungen können nach ihm bei einiger Ausdehnung und Intensität nicht ohne
Zerrung und Reibung verlaufen, Insulte, welche wieder zunächst und am stärksten die Arachnoidea treffen. Diesen
lokalen Insulten verdanken, seiner Ueberzeugung nach, die ■zottenförmigen Wucherungen der Arachnoidea ihre Ent-
stehung. Wie einerseits die Blutwallungen im Gehirn mit physikalischer Nothwendigkeit zu Bewegungsphänomenen
an den Blutleitern führen, so führt die Entwicklung der Pacchionischen Granulationen grade durch die Beschränkt-
heit ihres Verbreitungsbezirks auf die allgemeinen Circulationsstörungen innerhalb der Schädelhöhle zurück. Ihr
histologischer Character entspricht recht gut ihrer Hervorrufung durch äussere mechanische Reizung. Der hyper-
trophische Zustand des Zottenepithels sei gleichfalls der Voraussetzung einer lokalen mechanischen Reizung günstig.
Nach Hyrtl *) sitzen die Pacchionischen Granulationen auf einer milchig getrübten Stelle der Arachnoidea.
Ihre Entwicklung kann unter Umständen so zunehmen, dass sie die harte Hirnhaut durchbohren. Bei Kindern hat
Hyrtl sie nie angetroffen. Die mikroskopische Untersuchung »reiht sie unter die organisirten Producte krankhafter
Ausschwitzungen», Der Ansicht Luschkas, dass sie normale Bildungen sind, welche den zottenartigen Verlängerungen
anderer seröser Häute entsprechen, stimmt Hyrtl nicht bei, »da das öfters vorkommende Hineinwuchern der Pacchio-
nischen Granulationen in die Sinus durse matris einem normalen Gebilde widerspricht».
In Quains Anatomy 2) findet man die Pacchionischen Granulationen als vorzugsweise vom cerebralen Blatt
der Arachnoidea, aber auch von der serösen Fläche der Dura mater ausgehend. Beim neugeborenen Menschen
werden sie nicht gefunden. Bei Thieren scheint keine ähnliche Bildung vorzukommen.
In seiner letzten Darstellung der Hirnhäute3) bleibt Luschka bei seinen früheren Ansichten von den Pacchio-
nischen Granulationen. »Wenn man nun auch zugeben muss», sagt er, »dass die sog. Arachnoidea parietalis nur ein
Plättchenepithelium der Dura mater darstellt, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass an den Durchtrittstellen
*) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 8 Auflage. 1863.
2) Quains Anatomy. Seventh Edition. Part 11. London 1866.
3) Die Anatomie des Menschen. Bd 111. 2 Abtheil. Tübingen 1867. 176
der Hirnnerven durch die Dura mater ein Theil des Fasergewebes der Arachnoidea visceralis sich in das Neurilemm
jener Nerven, ein anderer sich an die Innenseite der Dura mater auf kurze Strecke weit fortsetzt. Ferner muss
daran erinnert werden, dass die Maschenräume entlang dem oberen Rande der grossen Sichel, sowie die hier zwischen
den Faserlagen bestehenden Interstitien von einer lockeren fibrillären Bindesubstanz erfüllt sind, welche zum Mutter-
boden zottenartiger Vegetationen werden kann. Im Gegensätze zu den von der Spinnenwebenhaut des Gehirnes aus-
gehenden visceralen Vegetationen können jene unverfänglich Parietalzotten genannt werden. Sie wuchern theils
in die Interstitien zwischen den Faserlagen entlang dem oberen Sichelblutleiter, wo sie ganze Nester bilden und in
jenen Sinus hereindringen, theils durchbohren sie im Verlaufe eines stärkeren Wachsthumes die Dura mater gegen
die innere Knochentafel, in welcher sie zur Bildung der sog. Fovese glanduläres Anlass geben. Nicht wenige solcher
Zöttchen entwickeln sich gegen das sog. Cavum arachnoidale herein, indem sie bald aus jenen Maschenräumen her-
auswuchern, bald mit dünnen Stielchen von den Balken jenes Netzwerkes herabhängen. Die allerfeinsten derartigen
Auswüchse werden erst durch die Betrachtung solcher Bälkchen oder auch des freien Sichelrandes bei stärkerer
Vergrösserung sichtbar und liefern zugleich den stringentesten Beweis von der völlig unbegründeten Einwendung,
welche L. Meyer gegen meine Angaben erhoben hat, wenn er behauptet, dass alle Pacchionischen Granulationen
lediglich von der Arachnoidea visceralis entstehen und sämmtlich von dieser aus in das Gewebe der Dura mater
hereinzuwachsen pflegen». Auch die zottenartigen Verlängerungen der Arachnoidea visceralis beschreibt er wie früher.
Kölliker sagt in der letzten Auflage seines Handbuches *) von den Pacchionischen Granulationen, die er immer
noch unter den pathologischen Zuständen aufführt, dass sie »vorzüglich aus einer derben faserigen Masse, wie un-
reifes Bindegewebe» bestehen und dass sie auch »Bindegewebskörperchen» enthalten.
Bei unseren Injectionen von den Subarachnoidalen Räumen und dem Subduralraum aus erhielten wir 2) schon
bei schwachem Druck eine Füllung der Pacchionischen Granulationen und die Injectionsmasse drang äusserst leicht
durch dieselben in die venösen Sinus und die übrigen Blutgefässe der Dura mater aus. Bei unseren fortgesetzten
Untersuchungen fanden wir 3), dass an den Seiten des Sinus longitudinalis eine Reihe von venösen Höhlen vorhanden
ist, in welche eben die zahlreichen, seitlich vom genannten Sinus befindlichen Granulationen einschiessen. Durch
die Vermittelung dieser Höhlen werden grösstentheils die Venen in der Nähe des Sinus longit. bei der Injection gefüllt.
Gleichzeitig und von uns ganz unabhängig fand auch Trolard 4) diese mit Granulationen erfüllten, seitlichen
Sinus, obwohl er sich über ihre Bedeutung sowie über die der Granulationen nicht näher ausspricht.
Der Bau der Pacchionischen Granulationen wurde dann von uns 5) näher beschrieben. Wir wählten dazu zu-
nächst die einfachste Form derselben. Eine solche geht mit einem schmaleren Stiel von der Arachnoidea aus, dringt
in die Dura mater zwischen ihre Bindegewebsbündel und breitet sich hier kolbenförmig aus oder schiebt sich in
eine Vene, einen venösen Sinus oder in eine der grossen, mit einander mehr oder weniger verbundenen, eigenthüm-
liehen, venösen Höhlen, Lacunen, ein, welche wir an den Seiten des Sinus longitudinalis gefunden haben. Selten
sind aber, wie bekannt, die fraglichen Granulationen so einfach, sondern sie verzweigen sich in der Regel in einer
mehr oder weniger verwickelten Weise, und enden mit mehreren Kolben, welche theils von den Stielen, theils von
den Kolben selbst, sei es von solchen erster, zweiter oder dritter Ordnung, ausgehen, oder sie zeigen noch mehr
verwickelte, später zu erörtende Verhältnisse. »Wenn man eine Granulation näher untersucht, findet man an der Ober-
fläche ein Plattenepithel, welches eine unmittelbare Fortsetzung des Arachnoidalepithels ist. Es ruht auf einer äusserst
dünnen Haut, welche die ganze Granulation bekleidet und an ihrer Basis in die äussere Verdichtungsschicht der
weichen Hirnhaut, die Arachnoidea, übergeht, deren unmittelbare Fortsetzung sie also bildet. Die innere oder eigent-
liche Hauptmasse der sog. Granulation wird nicht aus einem soliden Bindegewebe oder sonst einem dem gewöhn-
lichen Granulationsgewebe in etwaiger Hinsicht ähnelnden Gewebe gebildet, sondern durch und durch aus ziemlich
groben Bindegewebsbalken, welche sich verzweigen und mit einander zahlreiche Verbindungen eingehen, übrigens
aber nicht mit ihren Flächen an einander haften, sondern vollständig frei sind, ein Flechtwerk oder ein spongoides
Gewebe mit offenen Räumen zwischen den Maschen bildend. Dieses Balkengewebe setzt sich durch den Stiel fort
und o-eht unmittelbar in das von uns früher beschriebene Balkennetz im subarachnoidalen Gewebe über. Es ist
O
B Handbuch der Gewebelehre. s:te Auflage. 1867.
2) Nord. Med. Arkiv. Bd II N;r 6, iv, 1870. (S. o. S. 38).
3) Nord. Med. Arkiv. Bd II N:r 13, in, 1870. (S. o. S. 39)
4) Archives generales 1870.
5) Axel Key u. Gust. Retzius. Nord. Med. Arkiv. Bd 11. N:r 26, n. 1870 177
nichts als eine Fortsetzung desselben, und die ganze sog. Pacchionische Granulation ist nur eine Ausstülpung der
Arachnoidea sammt dem Subarachnoidalgewebe, welches in die Spalten der Dura eindringt und sich dort ausbreitet)).
Der Name »Granulation)) ist also wenn möglich noch mehr unpassend als »Drüse»; wir nannten diese Bildungen
deswegen mit Luschka »Arachnoidalzotten», obgleich auch dieser Name uns nicht ganz zutreffend erschien. »Wenn
man die einzelnen Balken im Innern einer solchen Zotte etwas näher untersucht, findet man, dass sie im Allgemeinen
aus feinen Fibrillen zusammengesetzt sind, welche von einem äusserst feinen, oft schwer wahrnehmbaren Häutchen
umgeben werden, die also wie eine Scheide den fibrillären Balken umschliesst. Auf dieser Scheide liegen Kerne
zerstreut. An den Balken, die in der Nähe der Oberfläche der Zotten liegen, findet man oft Protoplasma rings um
diese Kerne, wogegen dies seltener an den inneren Balken vorzukoramen scheint. An der Oberfläche der Zotte haften
die Balken an der äusserst dünnen Haut, welche die ganze Zotte umgrenzt, und die Scheiden der Balken scheinen
unmittelbar in diese Haut überzugehen».
»Es ist auf Grund des geschilderten Baues leicht erklärlich, dass die Injectionsmasse bei einer Injection in
den Subarachnoidalräumen ohne Schwierigkeit in die Arachnoidalzotten eindringt. Sie füllt die maschigen Räume
zwischen den Balken und dringt bis zur Oberfläche aus. Die ganze Zotte wird wie ein Ballon ausgespannt, und
die Masse fliesst, wie unsere äusserst zahlreichen Versuche zeigen, bei gelindestem Druck und auch bei mässiger
Füllung der Zotte, durch die feine umschliessende Haut und das Epithel über die Oberfläche der Zotte hinaus; wahr-
scheinlich entstehen bei der ballonförmigen Ausdehnung kleine Oeffnungen, Spalten oder Poren in der äusserst dünnen
Haut, die das Epithel trägt. Zu wiederholten Malen haben wir Injectionsmasse zwischen den übrigens in unver-
änderter Lage befindlichen Epithelzellen gesehen, ohne dass eine Berstung vorhanden war. Nach Silberfärbung
erscheinen im Allgemeinen zwischen den Epithelzellen keine Stomata; ein oder anderes Mal sahen wir solche aber
an kleineren Stellen ziemlich zahlreich mit dem gewöhnlichen Aussehen von kleinen, rundlichen, scharf be-
grenzten Löchern, vorzugsweise an den Stellen, wo mehrere Zellen zusammenstossen; vielleicht treten sie zuerst
bei einem gewissen Grad der Ausdehnung auf oder, was richtiger ist, sie werden dann erst sichtbar. Um auch in
der feinen Haut unter dem Epithel Löcher oder Oeffnungen zu finden, wandten wir viel Mühe an, aber ohne be-
stimmtes Resultat. Dass solche wenigstens bei einem gewissen Grad der Ausdehnung der Haut vorhanden sind,
wird mehr als wahrscheinlich durch die Leichtigkeit, womit die Injectionsmasse über die Oberfläche ausfliesst;
es ist aber natürlich sehr schwierig, sie hier unmittelbar und sicher wahrzunehmen, in einer so feinen Haut mit
Epithel auf der einen Fläche und einem Balkenwerk auf der anderen, ein Umstand, der sie ohne Zerreissung schwer
isolirbar macht».
»Die Flüssigkeit, welche aus dem Inneren einer Arachnoidalzotte über ihre Fläche ausfliesst, strömt aber nicht
unmittelbar in einen venösen Sinus hinein, obgleich die Zotte in einem solchen steckt. Früher oder später erhält
nämlich die Zotte, besonders wenn sie kolbenförmig anschwillt, noch eine feine Hülle, welche von der Dura stammt.
Man sieht diese Hüllen theils von den Durabalken ausgehen, theils auch von der Oberfläche des venösen Sinus, in
welchem die Zotte steckt. Wenn man ein Bündel kolbenförmiger, in einen venösen Sinus oder eine Venenlacune sich
einschiebender Zotten untersucht, findet man sie dicht wie eine Beerentraube und scheinbar frei sitzend; alle sind
aber von einer dünnen Duralhülle umgeben, der von uns sog. Duralscheide der Zotten. Zwischen dieser Scheide
und der Zotte selbst findet sich ein Scheidenraum, welcher also diese umgiebt und hier und da von dem einen oder
anderen Balken durchzogen ist, der von der Duralscheide zur eigentlichen Zotte übergeht. Zwischen angrenzenden
Zotten ist die Scheide meistenteils einfach. Wenn eine Zotte die ganze Dura mater durchbricht, nachdem sie eine
Venenlacune durchdrungen hat, und wenn sie später auch Usur in dem nach aussen liegenden Knochen veranlässt,
bleibt sie doch immer von ihrem Scheidenraum und ihrer dünnen Duralscheide umgeben, welche letztere nicht von
der am Knochen liegenden Fläche der Dura sondern von den inneren, der Arachnoidea nächst liegenden Schichten
derselben stammt. Eben in den genannten Scheidenraum fliesst zuerst die Injectionsflüssigkeit aus dem Inneren der
Zottenkolben hinein. Das Verhalten der Zotten zur Dura ist indessen nicht nur das geschilderte. In der Nähe des
Sinus longitudinalis und an mehreren anderen Stellen ist die Dura mater stark cribrirt. Zwischen ihren, dem blossen
Auge deutlich sichtbaren Trabekeln findet sich eine Menge von Spalten; in sie dringen in bedeutend grösserer
Anzahl, als man sich vorstellt, Ausstülpungen der Arachnoidea und des Subarachnoidalgewebes, auch ohne
gröbere, dem blossen Auge oder ohne Injection wahrnehmbare Zotten zu bilden; dies Gewebe breitet sich zwischen
den Balken in die Dura auf die verwickeltste Weise hinaus. Es umspinnt sie in allen Richtungen und bildet auf
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 178
Grossen Strecken ein verzweigt zusammenhängendes Gewebe, welches eine Hülle der Durabalken auszumachen scheint,
eine Hülle aber, die man auch bei mikroskopischer Untersuchung nicht leicht als aus der weichen Hirnhaut her-
stammend ansehen könnte, wenn nicht die Injection zeigte, wie es dahin gelangt ist, und dass es überall durch
Stiele mit der genannten Haut zusammenhängt)).
Von den Scheidenräumen der Zotten tritt die Injectionsflüssigkeit in die venösen Sinus und Lacunen hinaus.
Wie sie durch die Duralscheiden hindurchtritt, konnten wir nicht sicher darlegen. Die dünnen von Endothel be-
kleideten Wände der Sinus mögen für ein solches Aufnehmen der serösen Flüssigkeit aus den Arachnoidalzotten
günstig sein, üebrigens sind die Zottenscheiden sehr dehnbar, und es ist sogar möglich, dass bei einer gewissen
Spannung von innen her kleine Oeffnungen entstehen, die sonst verschlossen sind. Man weiss ja übrigens, wie
die undurchbrochenen Gefässwände nicht nur Blutkörperchen sondern auch ganz grobe Zinnoberkörnchen durch-
lassen, ohne dass man die zu passirenden Oeffnungen und Canäle je gesehen hat. »Bei Injection in den Sub-
duralraum ist der Weg der Flüssigkeit in der Dura viel einfacher. Sie strömt nämlich an den Seiten der Stiele
der Arachnoidalzotten in die Dura hinein und folgt dann diesen Zotten in allen ihren Verzweigungen um die Dura-
balken; sie strömt ferner neben und über den Kolben der Zotten in die diese umgebenden Scheidenräume hinein.
Hier im Innern der Dura begegnen einander also die Flüssigkeiten aus dem Subduralraum und den Subarachnoidal-
räumen, nachdem diejenige aus den letzteren von dem Innern der Zotten ausgetreten ist, wie wir immer bei Doppel-
injectionen wahrnehmen konnten. Der Weg der beiden Flüssigkeiten nach den Venen durch die Duralscheiden der
Zotten und von den Zwischenräumen der Durabalken wird dann ein und derselbe».
Die Arachnoidalzotten, die besonders neben den venösen Sinus und den grösseren Venen Vorkommen, sind
constant viel mehr verbreitet und viel zahlreicher als man bisher wusste. Am reichlichsten sind sie neben dem Sinus
longitudinalis, nicht nur an seinen Seiten, sondern auch am Falx unter dem Sinus sowie in der Fossa media und
in der Umgebung des Sinus transversus, besonders in der Nähe der Pars petrosa. Diese Stellen scheinen also die-
jenigen zu sein, an welchen die Resorption aus den serösen Räumen am kräftigsten vor sich geht.
Quincke *) äussert, dass auch bei seinen Injectionen von Zinnoberemulsion in dem Subarachnoidalraum lebender
Thiere die Pacchionischen Granulationen, mochte die Einspritzung an der Wirbelsäule oder am Schädel geschehen
sein, durch ihre starke Zinnoberfärbung sich markirten; dieselben waren regelmässig am Sinus longitudinalis sowie
am Sinus transversus vorhanden; auch am Sinus cavernosus fand er einigemal ähnliche Gebilde. Ihrem Baue nach,
der dem der Lymphdrüsen ähnlich ist, »scheinen sie als Filtrationsapparate zu dienen, welche Flüssigkeit wohl durch-
lassen mögen, feste Theilchen aber zurückhalten». Dies schliesst er daraus, dass es ihm bei seinen betreff. Versuchen
niemals gelungen ist, Zinnoberkörnchen in der Milz abgelagert zu finden.
Michel 2) konnte bei seinen Injectionen vom Subduralraum aus nie eine Füllung von Duragefässen mittelst der
Arachnoidalzotten finden. »Die Annahme von Key und Retzius», sagt er, »dass die Arachnoidealzotten in ausgedehn-
tester Weise die Function haben, die Communication des subduralen Raumes mit den Gefässen der Dura herzustellen,
dürfte grossen Bedenken unterliegen im Hinblick auf die mannigfachen Schwankungen in der Anzahl der Zotten bei
den verschiedenen Individuen, obwohl man die Möglichkeit einer solchen Communication in Folge der anatomischen
Structur derselben nicht läugnen kann». Michel stellte seine Injectionsversuche bei Thieren an. »Wie sich dies beim
Menschen bei den subduralen Injectionen verhält», sagt er, »habe ich aus Mangel an frischem Material nicht eruiren
können».
l) Archiv f. Anat. Physiol. u. wiss. Medicin. Jahrg. 1872
2) Arbeiten ans der physiol. Anstalt zu Leipzig. 7 Jahrg. 1872. Leipzig 1873. 179
Histologische Beschreibung.
Nach dieser Darstellung der Geschichte der Pacchionischen Granulationen findet man, dass sie bald als normale
Bildungen, bald als unzweifelhaft krankhafte Producte, sei es coagulirte Lymphe oder pathologische Bindegewebs-
wucherungen, betrachtet wurden. Bald sind sie als constant, bald als inconstant beschrieben; zuweilen als beim
Kinde vorkommend, zuweilen aber nicht; im Allgemeinen aber nur dem Menschen eigentümlich, und besonders nach
anhaltender Irritation, bei Säufern u. s. w. in stärkerem Grade entwickelt. Durch Luschka und Meyer wurde ihre
Verbreitung eingehender verfolgt und ihr Bau ein Gegenstand etwas ausführlicherer Untersuchungen. Im Allgemeinen
blieb doch ihre Bedeutung und Structur ebenso räthselhaft wie vorher. Betreffs ihrer Verbreitung haben wir dann
ihre constante Beziehung zu den Venen und das Einschiessen der Zotten in venöse Räume, sogar derjenigen der
seitlich von dem Sinus longitudinalis vorkommenden in eigenthümliche, von uns und Trolard gleichzeitig entdeckten
Lacunen oder kleinen Sinus dargethan. Bezüglich des feineren Baues aber haben wir eine vorläufige Mittheilung
darüber gegeben und in Zusammenhang damit die ihre physiologische Bedeutung betreffenden Resultate unserer
Injectionsversuche besprochen.
Hier werden wir diese unseren seither vielfach fortgesetzten Untersuchungen und in Zusammenhang damit
eine Auswahl unserer Abbildungen mittheilen.
Die Arachnoidalzotten kommen sowohl am grossen als am kleinen Gehirn vor. Beim ersteren sind sie am
zahlreichsten verbreitet an den inneren oberen Rändern der grossen Hemisphären, an deren hinteren Enden und an
der unteren Fläche des Temporallappens. Sonst kommen sie auch hie und da etwas von diesen Stammplätzen
entfernt vor. Am kleinen Gehirn sind sie am hinteren Rande und in der Mittellinie der oberen Fläche vorhanden.
Da indessen die Arachnoidalzotten hauptsächlich nach den grösseren venösen Räumen der Dura mater an-
geordnet sind und in ihrer Beziehung zu diesen ihr eigentliches Interesse darbieten, werden wir sie hier am vor-
theilhaftesten nach diesen Räumen gruppiren. Sie kommen an den folgenden von diesen Räumen vor: im Sinus
longitudinalis superior, Lacunse laterales sinus superioris (nobis), Sinus transversi, Sinus cavernosi, Sinus petrosi
superiores und Vense meningem medise. Vor Allem sind die beiden ersteren Plätze die wichtigsten; schon seit lange
kannte man die Verbreitung der Pacchionischen Granulationen an den Rändern der grossen Sichel. Hie und da
hatte man sogar das Eintauchen einiger derselben in den Sinus longitudinalis superior beobachtet. Die meisten
dieser Granulationen, wurden aber neben dem Sinus, etwas von ihm entfernt, gefunden; von diesen letzteren wusste
man nur, dass sie in die Dura mater und die Schädelknochen einschossen. Bei der näheren Untersuchung dieser
Granulationen gelang es uns zu finden, dass auch hier beiderseits vom Sinus (s. die Historik) eigenthümliche acces-
sorische Sinus oder Höhlen in der Dura verborgen liegen und dass die Granulationen eben in diesen stecken.
Diese Höhlen oder Lacunen (Sinus s. Lacunse laterales sinus superioris) sind unregelmässig und von sein-
wechselnder Gestalt, bald drei- bald viereckig oder rhomboidartig. Sie messen von 1 bis 3 Cm. in Länge und 0.5
bis 1.5 Cm. in Breite; ihre Wände sind, wie bei den anderen Sinus überall von der Dura gebildet. Sie hängen
oft durch breitere oder schmalere Gänge unter einander zusammen und münden durch kleine rundliche oder spalten-
förmige Oeffnungen, welche man leicht für die Mündungen kleinerer Venen halten möchte, an den Seiten des Sinus
longitudinalis; da dieser oft durch längsgehende Wände stellenweise in mehrere Räume abgetheilt ist, werden oft
die Mündungen einzelner Lacunen durch solche Wände verdeckt. Ihre Längsaxe ist gewöhnlich mehr oder weniger
quer gegen diesen Sinus gerichtet. Das andere Ende derselben ist im Allgemeinen zugespitzt und sieht nach aussen;
in ihm mündet in der Regel ein Ast der Venm meningese. Die Lacunen sind von mehreren, vertical oder schief
gehenden Balken durchzogen, die das Dach mit dem Boden verbinden. Sonst sind sie aber gewöhnlich, sogar
strotzend, mit Pacchionischen Zotten erfüllt, welche die Zwischenräume zwischen den Balken einnehmen und frei in
dem durchsickernden Blutstrom baden. Einzelne solcher Lacunen halten mehr sparsame Zotten. Im Allgemeinen
kann man doch sagen und dies wird bemerkbar, wenn man viele Lacunen sowie den Sinus longitudinalis selbst auf- 180
schneidet und blosslegt (wie z. B. in der Fig. 3 Taf. XXVII) dass die meisten Zotten ihren Sitz und ihre Heimath
eben in den Lacunen haben, d. h. Dass die Lacunen vorzüglich für die Pacchionischen Zotten bestimmt sind. Oft
sieht man in der Mündung nach dem Sinus zu einige Zotten in diesen hervorschiessen, die Mündung fast verdeckend.
Die Lacunen sind sonst ziemlich flach und besitzen eine Höhe, die nicht viel mehr als die der Zotten selbst beträgt,
so dass diese oft bis zum Dach emporschiessen oder dasselbe sogar erheben. Wenn die Zotten sehr stark entwickelt
sind und in grossen Gruppen beisammensitzen, sieht man deswegen schon nach Entfernung* der Schädelkapsel an
der biosgelegten Dura die bekannten Hügel der Zottengruppen, von dem dünnen, oft bei der Bloslegung zerrissenen,
duralen Dach der Lacunen bedeckt; eben in solchen, freilich sehr oft vorkommenden Fällen, ist die bekannte Aus-
höhlung der inneren Tafel der Schädelkapsel geschehen, und die Zottengruppen stecken in dieser Weise, vom
emporgehobenen verdünnten Dach der Lacunen bedeckt, in den Grübchen der Knochen, wobei es, wie bekannt,
sogar zuweilen geschieht, dass der Knochen allmählig perforirt wird und die Zottengruppen unter den äusseren
Bedeckungen des Schädels zu liegen kommen.
Die soeben beschriebenen venösen Zottenlacunen sind in wechselnder Menge vorhanden; man kann deswegen
keine bestimmte Zahl für sie angeben; doch werden sie immer an den beiden Seiten des Sinus longitudinalis superior
gefunden, von der Stirngegend an bis zum hinteren Theil der Scheitelgegend; besonders zahlreich sind sie am
eigentlichen Vertex. Sie gehören nicht nur dem erwachsenen Menschen, wo wir sie eben beschrieben haben, sondern
auch in ganz entsprechender Weise den Kindern, sogar den neugeborenen; in der Fig. 5 Taf. XXVII ist eine solche
von oben aufgeschnittene Lacune etwas vergrössert dargestellt; im Boden derselben sieht man die injicirten Zotten.
Aber auch bei Thieren, z. B. Hund (Taf. XXVII Fig. 4), Schaf fanden wir diese Zottenlacunen wieder. Bei kleineren
Thieren, z. B. Kaninchen, scheinen sie indessen nicht entwickelt zu sein.
Nicht nur in diesen Lacunen sondern auch in den in sie einmündenden meningealen Venen sowie zuweilen
in anderen solchen Venen an der oberen Wölbung der Dura, etwas mehr von dem Sinus longitudinalis entfernt,
kommen hie und da einzelne Zotten oder kleine Gruppen von ihnen vor.
Im Sinus longitudinalis selbst steckt gewöhnlich eine verhältnissmässig geringere Zahl. Sie stehen dort bald
mehr vereinzelt, bald mehr gruppenweise. Zuweilen sind sie hier durch einige grössere Zotten vertreten. Einmal
sahen wir sogar nur eine, aber diese war fast erbsengross.
Wenn man eine abgelöste Dura von unten betrachtet, findet man sie, wie bekannt, an beiden Seiten der Sichel
in weiter Ausdehnung cribrirt. Von der Sichel steigen Balkenbündel zur Innenfläche der Dura über; diese lösen
sich auf, kreuzen einander und die übrigen Schichten der Dura, die hier auch cribrirt sind, in der verschiedensten
Weise, eine Menge von kleinen Spalten und Oeffnungen zwischen sich lassend. Dadurch entsteht die Cribrirung
der Dura in dieser Region. In den Spalten und Oeffnungen steigen aber die Pacchionischen Zotten, d. h. ihre Stiele,
von der Arachnoidea in das durale Gewebe hinauf, eben um durch dasselbe, wie unten näher beschrieben werden
soll, in die Lacunen und den Sinus longitudinalis einzuschiessen. Hie und da tauchen auch die aus der weichen
Haut nach der Dura und dem Sinus überspringenden Venen in dieses cribrirte Duragewebe in schiefer Richtung
hinein, dabei von einer dünnen Duraschicht mit spärlicheren Balken und Balkenbündeln bedeckt (Taf. XXVII Fig. G);
diese Venen münden dann grösstentheils am unteren Umfang des Sinus, oft mit ziemlich kleinen Oeffnungen.
Im Sinus transversus (Taf. XXVII Fig. 2, 7), sowohl dexter als sinister, findet man oft eine Reihe von
Pacchionischen Zotten, besonders vom unteren Umfang desselben in sein Lumen emporschiessend. Wenn man aber
die Dura von der inneren oder Gehirnfläche, sei es von oben oder von unten her, betrachtet, sieht man eine noch
viel grössere Zahl von Zotten in das Duragewebe hineindringen. Dieses ist auch hier, vorzüglich an der unteren
Fläche, wo der hintere Rand des Kleinhirns anliegt, sehr stark cribrirt, mit ähnlichen, in verschiedenen Richtungen
sich kreuzenden Balken. Stellenweise ist dieses Eindringen von Zotten stärker; so gewöhnlich an der inneren Ecke
und 1 bis IV2 Zoll von derselben. Nur ein geringer Theil dieser von unten her eindringenden arachnoidalen Zotten
steigt bis zum Lumen des Sinus empor und taucht in ihn hinein; die meisten bleiben im Duragewebe zurück,
dasselbe in verschiedenen Richtungen durchkreuzend (s. unten). So verhält es sich auch mit den Zotten, die von oben
von der Grosshirnseite (vom hinteren Ende der Hemisphären) her in die Wand des fraglichen Sinus eindringen.
Man findet hier, besonders nach aussen zu gegen die Nähe der Einmündung des Sinus petrosus superior, die Dura
mit länglichen, hier oft mehr parallelen Spalten versehen, durch welche das Arachnoidalgewebe mit vielen kleinen
Zotten eindringt und sich in der Dura verbreitet; nur ein geringerer Theil dieser Zotten erreicht das Lumen
des Sinus. 181
In den Sinus rectus des Tentorium dringen in mehr oder weniger grosser Zahl feine arachnoidale Zotten
von unten, d. h. von der Arachnoidea des Kleinhirns längs dessen oberen Mitte, hinein; auch hier ist die Dura
siebförmig durchlöchert.
In der Dura, welche die Fossse temporales bekleidet, findet man gewöhnlich an mehreren Stellen kleine Zotten,
die beim Abtragen des Gehirns von diesem abgerissen werden. Man sieht sie besonders an den grösseren Stämmen
der Yense meningese und am inneren Winkel der Gruben neben der Sella turcica, d. h. über den Sinus cavernosi
(Taf. XXVII Fig. 2). Auch an diesen Stellen ist die Dura oft ein wenig cribrirt; ihre Balken sind nämlich durch
eiudringende Zotten von einander getrennt. YVenn man die Venne meningem aufschneidet, sieht man auch hie und
da kleine Zottengruppen in sie hineinschiessen, ihr Lumen in dieser Weise mehr oder weniger verengernd.
Die Zotten sind indessen hier in wechselnder Menge vorhanden; zuweilen sind sie zahlreich, zuweilen sehr sparsam
oder fehlen ganz.
An der oberen Fläche der beiden Alm sphmnoidem minores findet man in der Regel, dass die Arachnoidea
der Dura anhaftet; dieser Zusammenhang wird aber immer sehr leicht beim Herausnehmen des Gehirns abgerissen,
weswegen derselbe bisher nicht beachtet zu sein scheint; er beruht auf ein Eindringen der Arachnoidea ins Du ra-
gewebe, also auf arachnoidales Zottengewebe.
An den Seiten der Sella turcica sieht man in der Regel die Dura an der Innenfläche von feinen, spalten-
förmigen Löchern cribrirt; durch diese dringen auch arachnoidale Zotten in das Duragewebe hinein. Wohin ziehen
nun diese Zotten? YVenn wir die Dura hier aufschnitton, fanden wir diese Zotten in venösen Räumen steckend, nämlich
in den Sinus cavernosi, wo auch Quincke solche gesehen zu haben scheint. Wenn man von unten her nach
Entfernung der Knochen diese Sinus durch Aufschneidung der Dura öffnet, findet man, wie an der Fig. 8 Taf. XXVII,
nach aussen von der darin liegenden Carotis in dem Balkenwerk, welches den Nervus abducens umgiebt, eine oft
ziemlich zahlreiche Reihe von kleinen, rundlichen, theils einzeln, theils gruppenweise angeordneten Zotten. Aehnliche
Zotten stehen auch in kleinen Gruppen etwas nach hinten davon in dem dort sich öffnenden Sinus petrosus,
eben die Durawand durchbohrend, auf welcher der Trigeminus mit seinen Zweigen dicht anliegt. Auch in dem
kleinen venösen Sinus, der oft an der äusseren Seite des vorderen Astes des Trigeminus verläuft, werden solche
Zotten gefunden. Diese Zotten stammen theils direct aus der Arachnoidea cerebralis, welche, wie oben angegeben
wurde, über den Sinus cavernosi in die cribrirte Dura eindringt. Ein nicht unbedeutender Theil derselben hat
aber einen noch viel interessanteren Ursprung. YVenn man nämlich vorsichtig die N. abducens und trigeminus aus-
schneidet, findet man sie hie und da mit kleinen Gruppen Pacchionischer Zotten besetzt, und bei näherer Unter-
suchung sieht man, dass diese Zotten von ihrer Arachnoidalscheide stammen. So z. B. an der Taf. XXVII Fig. 8, 11,
wo Trigeminus von unten her gezeichnet ist und wo eine Menge von Zotten in dem unter ihm befindlichen Sinus
stecken. In der Fig. 13 ist ein mit Zotten besetzter N. abducens abgebildet. Aber auch am Oculomotorius fanden
wir zuweilen in ganz entsprechender YVeise kleine Zottengruppen, die aus seiner Arachnoidalscheide stammten.
In den Sinus cavernosi ist also ein ziemlich constanter Sitz der Pacchionischen Zotten vorhanden.
Nachdem wir hiermit die Verbreitung der Zotten beschrieben haben, werden wir jetzt ihren Bau eingehender
darstellen, um dann unsere Injectionsversuche und die daraus hervorgehenden Ansichten über ihre Bedeutung zu
besprechen. Da die arachnoidalen Zotten von sehr wechselnder Gestalt sind, mag es am besten sein, von den ein-
fachsten Formen auszugehen. Diese sind in der Regel birn- oder ballonförmig, haben einen dickeren freien Theil
oder Körper und davon ausgehend einen Stiel oder Fuss, der mit der Arachnoidea des Gehirns zusammenhängt.
Wenn man eine solche Zotte nach gelungener Erhärtung an Verticalschnitien bei hinreichender Vergrösserung unter-
sucht, findet man, dass sie (wie in der Taf. XXXI Fig. 1 abgebildet ist) aus einem netzförmigen Balkenwerk besteht,
welches zahlreiche Maschen bildet, indem die Balken reichliche Anastomen mit einander eingehen. Diese Balken
sind ganz wie die oben beschriebenen subarachnoidalen Balken gebaut (Taf. XXXI Fig. 1—5); sie bestehen aus
den gewöhnlichen Fibrillenbündeln, die auswendig von dem dünnen Endothelzellenhäutchen umhüllt sind. Deswegen
findet man hie und da an ihnen die plattovalen, von einer kleinen Protoplasmazone umgebenen Kerne. Die Ver-
bindungen der Balken mit einander finden auch in der oben beschriebenen Weise statt; die Fibrillenbündel laufen
zusammen oder theilen sich und tauschen mit einander vielfach Fibrillen aus; die Zellenhäutchen theilen sich dabei
auch und begleiten überall die Fibrillenbündel als mehr oder weniger dicht anliegende, vollständige Hüllen.
Zwischen den Balken findet man kleine offene Maschenräume (Taf. XXXI Fig. I—s).1—5). Bei guter Präparation sieht man,
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 182
Dass der ganze Inhalt der Zotte in dieser Weise gebaut ist. Wenn aber die Maschen zusammengefallen oder zu-
sammengezogen sind, so erscheinen die Zotten als aus viel dichterem Bindegewebe ohne offene Räume gebildet;
immer nämlich ist das Zottengewebe aus den oben beschriebenen, freien, aber netzförmig anastomosirenden
Balken gebaut.
An der Oberfläche der Zotte liegt ein Endothel von ganz derselben Art wie das die Arachnoidea auswendig
bekleidende. Durch Silberfärbung kann man oft streckenweise die Grenzen der Zellen darlegen (Taf. XXXI Fig. 9).
Es löst sich leicht in zusammenhängenden dünnen Fetzen ab (Taf. XXXI Fig. 5); unter ihm erscheint dann das Gewebe,
welchem es anliegt. Dieses wird durch die flächenhafte Ausbreitung der äussersten Balken zusammengesetzt,
deren Fibrillenbündel sich in Fibrillen auflösen; diese bilden dadurch eine membranartige Schicht, die im Allgemeinen
sehr dünn ist, nur hie und da durch das Ansetzen der sich gegen die Membran verbreiternden Balken dicker wird
(Taf. XXXI Fig. 2, 5). In der Regel erscheint dieselbe vollständig und nicht durchbrochen; nur hie und da findet
man zwischen den Fibrillen kleine spaltenförmige Löcher, die nur in- und auswendig durch das Endothel bedeckt
sind (Taf. XXXI Fig. 7). Nach dem Stiel zu und in ihm werden in der Regel die Balkenmaschen mehr gestreckt.
Dies ist im Allgemeinen der Bau der Zotten. Bei näherer Untersuchung findet man indessen, dass derselbe
sich durch den Stiel auf die Arachnoidea und das Subarachnoidalgewebe fortsetzt. Das Flächenendothel der Zotte
geht in das der Arachnoidea unmittelbar über; das Balkennetz der Zotte hängt mit dem subarachnoidalen Balken-
gewebe direct durch den Stiel zusammen. Die ganze Zotte ist also als eine Ausstülpung des Subarachnoidalgewebes
sammt der es bedeckenden Arachnoidea anzusehen.
Die Gestalt der Zotten ist indessen nicht immer so einfach. Sie unterliegt im Gegentheil sehr grossen Wech-
selungen. Oft sind sie durch eine oder mehrere Furchen gespaltet, oft senden sie kleine Auswüchse aus. Oft
sitzt eine Reihe von Zotten auf einem gemeinsamen Stiel u. s. w. Die verschiedenen Wechselungen der Gestalt
der Zotten hier zu erwähnen, wäre doch ganz nutzlos. Hier mag nur hervorgehoben werden, dass bei Allen der
feinere Bau immer der oben beschriebene ist. In grösseren Zotten findet man oft (wie in der Fig. 1 Taf. XXXI)
etwas grössere Höhlen hie und da im Balkengewebe. Sie sind ohne Ordnung zerstreut, von verschiedener Grösse
und überall nur von demselben Balkennetz umgeben. Zuweilen, aber doch nur ausnahmsweise, findet man auch in
grösseren Zotten ein oder anderes Blutgefäss, das Balkengewebe in kurzer Strecke durchziehend; dies wird natürlich
erscheinen, sobald man den Zusammenhang des Zottengewebes mit dem Subarachnoidalgewebe kennt.
Die Zotten stehen nie frei im Subduralraum, wie man bisweilen auch in letzterer Zeit angenommen hat und
wie es nach Entfernung der Dura erscheint. Sie stecken im Gegentheil alle in dieser letzteren Membran. Durch
die oben beschriebenen Löcher der cribrirten Theile der Dura strecken sie sich mit ihren Stielen nach den venösen
Lacunen und Sinus zu. Manche der kleineren erreichen diese nicht oder nur mit dem obersten rTheil ihres Körpers.
Die meisten aber ragen in das Lumen der Lacunen und Sinus hinein. Hier stehen sie indessen nicht nackt ohne Hülle.
Vielmehr sieht man an ihnen immer eine Kappe, welche sie überall umschliesst (Taf. XXXI Fig. 1, 8). Diese Kappe ist
verhältnissmässig dünn; sie besteht aus einer Schicht von sparsameren oder dichteren Balkenbündeln (Taf. XXXI Fig. 10),
die inwendig von einem Endothelhäutchen überzogen und nach dem Lumen des Sinus von dem Venenendothel be-
kleidet ist. Zuweilen fehlen wenigstens streckenweise die Balken; dann wird die Kappe fast nur aus den beiden
Endothelschichten gebildet (Taf. XXXI Fig, 6). Hie und da sieht man von der Innenfläche der Kappe ein feines
Häutchen sich ablösen, das wie ein elastisches erscheint; es liegt offenbar unter dem Endothel der Innenfläche.
Zwischen dieser Kappe und der Zottenoberfläche bemerkt man gewöhnlich einen offenen spaltförmigen Zwischenraum,
der nach unten um den Stiel mit dem Subduralraum des Gehirns frei zusammenhängt. Durch diesen Raum der Zotte
(Taf. XXXI Fig. 1), den wir als ihren Subduralraum bezeichnen, ziehen einzelne, aber sparsame, freie und kurze,
von einer Endothelscheide umgebene Balken, welche die Kappe an die Zottenoberfläche binden. Die Kappe selbst,
welche wir die Duralscheide der Zotten nennen, besteht nämlich aus Duragewebe und entspricht eben der von der Zotte
emporgehobenen duralen Wand des Sinus oder einer sonst etwas tiefer aus dem Duragewebe mitgerückten Schicht.
An den Seiten der Zotte kann man sie nämlich oft ziemlich tief gegen den Stiel zu verfolgen. Wenn mehrere Zotten
dicht beisammenliegen oder wie aus der Spaltung einzelner Zotten entstanden sind, schlägt sich die Kappe an der
Theilungsstelle von der einen um, um dann die andere zu umhüllen. Bei dichtliegenden Zotten senkt sich von
der Umschlagsstelle der Kappe in der Regel als deren Fortsetzung eine ungespaltene Lamelle tiefer in die Dura hinab.
Die Zotten steigen indessen in der Regel nicht einfach die Dura hindurch. Im Gegentheil bilden sie hier oft
ein sehr verwickeltes Gewebe, indem sie sich verzweigen und mit einander in der verschiedensten Weise anastomo- 183
siren. Die schmaleren oder breiteren Arme erstrecken sich nach allen Richtungen zwischen den Durabalken, bilden
bald rundliche Verbindungen, bald umspinnen sie als nur dünne Häutchen diese Balken, so dass man sogar über
ihren Ursprung zweifelhaft werden kann. Hie und da senkt sich indessen ein Stiel oder Verbindungsarm nach der
Arachnoidea cerebralis hin, um in diese überzugehen. Dieses arachnoidale oder Zottennetz in der Dura ist indessen
nicht überall an den betreffenden Theilen vorhanden. Besonders reichlich ist es an der unteren Wand des Sinus
longitudinalis, im oberen Theil der Sichel (Taf. XXX Fig. 1, 2). An den Stellen dagegen, wo die Zotten reichlich in
die venösen Lacunen hineindringen, ist die von ihnen durchzogene Duraschicht in der Regel viel dünner; zuweilen
besteht sie nur aus einer einzigen Schicht weit von einander abstehender Balken, deren Zwischenräume von den
dickeren Stielen der Zotten eingenommen und erfüllt sind (Taf. XXVIII Fig. 1, 2).
Von dem arachnoidalen Maschen- oder Zottengewebe in der Dura steigen hie und da wirkliche Zotten von
den gewöhnlichen Formen ins Lumen der venösen Räume hinein. Oft fehlen indessen streckenweise solche freie Zotten;
man findet nur das Duragewebe von dem intricaten Maschengewebe durchzogen. Bei mikroskopischer Untersuchung
erweist sich auch dieses arachnoidale Maschengewebe als aus demselben Balkengewebe gebildet wie die übrigen Zotten;
seine Maschen sind nur in der Regel etwas mehr länglich und dicht liegend.
In die venösen Lacunen schiessen, wie oben bemerkt ist, die Zotten oft hoch, ja bis zum Dach empor; sie
erfüllen, wenn sie reichlich sind und dicht stehen, oft einen bedeutenden Theil des Lumen der Lacunen (Taf. XXVIII
Fig. 1, 2; Taf. XXIX Fig. 1, 2, 4; Taf. XXX Fig. 4). Zwischen den Zotten stehen Balken und schmale Wände,
welche die Lacunen in verschiedenen Richtungen schief oder vertical vom Boden bis zum Dach durchziehen. Sie
sind aus dichtem Duragewebe gebildet und mit dem Sinusendothel bekleidet. Hie und da sieht man sie mit der Kappe
der Zotten Zusammenhängen. Das Duragewebe, welches die zottenhaltigen Lacunen und Sinus umgiebt, ist sehr
reich an kleinen Blutgefässen, besonders an Venen. An Durchschnitten sieht man deswegen eine Menge von Gefäss-
lumina. Diese Gefässe, die hier dichte Netze bilden, scheinen deutlich in irgend einem Verhältnisse zu den Zotten
zu stehen. Sie werden jetzt bei der Darstellung unserer Injectionsversuche näher erwähnt werden.
Da wir nun nach der Schilderung des Baues der Zotten zu diesen Versuchen übergehen, werden wir, wie
oben, zuerst jede für sich, die subarachnoidale und die subdurale Injection, besprechen, um dann die Doppelinjection
zu erwähnen. Bei der subarachnoidalen Injection, welche in ganz derselben Weise unter sehr gelindem Druck
ausgeführt wird, wie bei der Schilderung der Subarachnoidalräume beschrieben wurde, läuft die Flüssigkeit durch
diese Räume am Gehirn, sowie durch das maschige subarachnoidale Balkengewebe, welches in der Umgebung der
arachnoidalen Zotten sowie unter ihnen in der Regel vorhanden ist, durch die Stiele, d. h. zwischen ihren Balken,
ohne bis dahin in den Subduralraum auszatreten, in die Zotten selbst hinaus. Bei diesen angelangt, breitet sie sich
mit derselben Leichtigkeit in dem maschigen Gewebe aus, welches sich wie ein Schwamm damit füllt. Die Maschen
zwischen den Balken werden ausgespannt, die Zotte wird erigirt und erscheint durch die Injectionsflüssigkeit gefärbt.
Diese bleibt aber nicht lange einzig und allein in dem Gebiete des Zottenbalkengewebes. Sie dringt im Gegentheil
bald durch die die Oberfläche der Zotten bildende Schicht in den Subduralraum der Zotten hinaus, füllt und spannt
diesen Raum und die denselben begrenzende Duralscheide rings um die Zotte, bleibt aber auch nicht hier stehen,
sondern fliesst durch die Duralscheide selbst in den venösen Sinus oder die Lacune hinaus, um sich in dieser Weise
mit dem Blute zu vermischen (Taf. XXVIII Fig. 2; Taf. XXIX Fig. 4; Taf. XXX Fig. 1).
Auf dem angegebenen Wege findet also ein Uebergang der Flüssigkeiten aus den subarachnoidalen Räumen,
resp. den Ventrikeln des Gehirns, zu den Blutbahnen des Körpers statt. Dies geschieht bei Injectionen schon bei dem
gelindesten Druck. Man kann den Uebergang sogar mit blossem Auge wahrnehmen, wenn man vorher vorsichtig das
Schädeldach abgehoben und den Sinus oder die venösen Lacunen aufgeschnitten hat. Dabei sieht man, nach Injection
in die subarachnoidalen Räume, die gefärbte Flüssigkeit zuerst die Zotten erfüllen und erigiren; dann erscheint eine
Flüssigkeitsschicht auf ihrer Oberfläche, und sie fliesst langsam von den Zotten frei in den Blutraum hinaus. Der
Weg ist ja auch nur durch zwei dünne Schichten abgesperrt. Diese beiden sind die oberflächliche Schicht der Zotten
und die Duralscheide derselben. Wie geht nun die Flüssigkeit durch diese hindurch? Wirkliche, tadelfreie Oeffnungen,
Poren oder Stomata, konnten wir hier nie finden. In der Oberflächenschicht der Zotten fanden wir aber, wie oben
bemerkt wurde, hie und da kleine spaltförmige Löcher in der inneren Fibrillenlage, welche nur durch Endothel
geschlossen sind; in diesem Endothel sieht man oft nach Versilberung zwischen den einzelnen Zellen die bekannten
»Stomata». An der Duralscheide sind die Fibrillenbündel nicht überall in zusammenhängender Lage angeordnet;
vielmehr findet man hier Strecken, die nur sparsame solche Bündel enthalten, so dass auch in der Duralscheide 184
streckenweise nur Endothelschichten dem Flüssigkeitstrom entgegenstehen. Dass aber diese, wenn sie dünn sind,
gar nicht den Austritt von Flüssigkeiten verhindern, ist eine Thatsache, die man aus vielen Stellen und Organen
des Körpers kennt; wir erinnern nur an das Diaphragma, die Capillaren im Allgemeinen u. s. w., ohne dass man
hier bis jetzt wirkliche, immer vorhandene Oeffnungen an diesen Theilen gefunden hat. Es ist sehr wahrscheinlich,
was man ja auch an einigen Orten zu beweisen suchte, dass an solchen Endothelhäutchen die Stomata erst bei
Ausspannung derselben, z. B. eben durch eine andringende Flüssigkeit entstehen. Dadurch erklärt sich auch leicht
das Ausfliessen der Injectionsflüssigkeit von dem Inneren der arachnoidalen Zotten durch endotheliale Schichten in
die venösen Räume hinaus. Eine solche Ausspannung des Gewebes mag auch das Durchtreten der Flüssigkeit durch
solche Duralscheiden und Oberflächenschichten der Zotten erleichtern, wo diese dichter mit Balkenbündeln versehen
sind; dabei werden die vorhandenen kleinen, im zusammengefallenen Zustande vielleicht kmwn wahrnehmbaren Spalten
erweitert und lassen die Flüssigkeit ohne Schwierigkeit hindurch. Hier mag erwähnt werden, dass nicht nur wirkliche
Lösungen in dieser Weise aus den subarachnoidalen Räumen durch die Zotten in die venösen Sinus hinausfliessen,
sondern auch solche Flüssigkeiten, die aufgeschwemmte Körnchen enthalten, wie z. B. feiner Zinnober in Wasser
zerrieben. Die Körnchen werden hierbei nicht abfiltrirt sondern gehen massenhaft in die Sinus hinaus. Merk-
würdigerweise sahen wir die Flüssigkeit nie rückwärts von den Subduralräumen der Zotten in den grossen Sub-
duralraum des Gehirns hinaustreten; wahrscheinlich wird dies eben durch die Füllung und Ausspannung des Zotten-
stieles behindert. Dies von den Subarachnoidalen Injectionen der einfacheren Zotten.
Wenn aber die Zotten im Inneren der Dura verzweigt sind, wenn das eindringende arachnoidale Gewebe in
mancherlei verschiedenen Richtungen die Dura durchkreuzt und ihre Balken umspinnt, wie verhält sich dann die
Injection? Die Flüssigkeit verbreitet sich mit Leichtigkeit in eben derselben Weise in diesem Gewebe, seine Maschen
erfüllend, die Dura in den verschiedensten Richtungen durchkreuzend und ihre Balken umgebend. Eben durch die
Injection erhält man Gewissheit, dass dieses die Durabalken umspinnende, nicht selten schwer deutbare Gewebe
aus dem arachnoidalen, d. h, Zottengewebe stammt. Durch solches Gewebe hängen die Bahnen der einzelnen Zotten
mit einander zusammen (Taf. XXIX Fig. 3; Taf. XXX Fig. 2).
Bei der subduralen Injection (Taf. XXIX Fig. 1, 2) der Zotten sind die Verhältnisse viel einfacher. Dabei
dringt die Flüssigkeit von dem Subduralraum des Gehirns nie in das Innere der Zotten hinein, sondern fliesst den
Zottenstielen entlang rings um dieselben direct in die Subduralräume der Zotten, in diesen überall zwischen der Ober-
fläche und der Duralscheide der Zotten sich verbreiternd, die Duralscheide mehr und mehr ausspannend. Wie bei
der subarachnoidalen Injection dringt dann die Flüssigkeit in ganz derselben Weise mit grosser Leichtigkeit durch
die Duralscheide hindurch und fliesst .also in die venösen Blutbahnen hinein. Wenn die Zotten und im Allgemeinen
das in die Dura eindringende Arachnoidalgewebe verzweigt sind und die Durabalken in verschiedenen Richtungen
umspinnen, fliesst auch die Injectionsflüssigkeit längs derselben rings um die Durabalken herum, diese zunächst
umhüllend.
Sowohl bei der subarachnoidalen als bei der subduralen Injection läuft also die injicirte Flüssigkeit in die
venösen Bluträume hinaus. Dies ist aber nicht nur der Fall, wenn jede Injection für sich vorgenommen wird, sondern
auch, wenn beide gleichzeitig geschehen. Bei dieser Doppelinjection laufen die Flüssigkeiten, die von verschiedener
Farbe sein müssen, um von einander bei der Untersuchung leicht unterschieden zu werden, jede auf ihren Bahnen
nach den Subduralräumen der Zotten hin. Hier begegnen sie einander und werden mehr weniger wermischt. Dann
fliessen sie vermischt durch die Duralscheide in die venösen Räume hinaus. In der Taf. XXX Fig. 3, 4 haben wir
diese Verhältnisse darzustellen versucht.
In den venösen Räumen, Sinus und Lacunen, angelangt, verbreitet sich die Injectionsflüssigkeit, wie man schon
mit blossem Auge wahrnehmen kann, gewöhnlich in den feineren Blutbahnen der Dura. Sehr oft fanden wir also
eine mehr oder weniger starke Füllung der Vense meningese und ihrer Aeste in weiter Ausdehnung. Oft erhielten
wir aber vor Allem eine reichliche Injection von Blutgefässnetzen in der Gegend der Dura, welche den Sinus longi-
tudinalis und die Lacunen umgiebt; so z. B. besonders am Dach des genannten Sinus. Von diesen aus streckte sich
aber die Injection oft durch die Schädelknochen hindurch bis in die Venen der äusseren Haut. Andererseits ging
sie auch mit den Blutleitern in die Halsvenen bis ins Herz u. s. w. Bei der näheren Untersuchung der also injicirten
Durapartien fanden wir dieselben, besonders in der Umgebung des Sinus longitudinalis von sehr reichlichen, gefüllten,
kleinen Venen durchzogen, welche oft in den Balken und in den zwischen den Zotten liegenden Duratheilen verliefen.
Wir glaubten zuerst einen directen Zusammenhang zwischen diesen kleinen Venen und dem arachnoidalen Zotten- 185
Gewebe finden zu können; dies gelang aber nickt, und glauben wir jetzt, dass diese feinen Gefässe im Allgemeinen
von den Sinus und den venösen Lacunen aus gefüllt werden. Von diesen Gefässen werden nickt selten, wie oben
erwähnt ist, die röhrenförmigen Canäle in dem Duragewebe streckenweise gefüllt (Taf. XXIV Fig. 7); da dies schon
bei dem gelindesten Druck geschieht, kann man diese Injectionen nicht ohne Weiteres für Extravasate erklären.
Es ist deswegen sogar möglich, dass zwischen den fraglichen Canälen und den Venen ein natürlicher Zusammen-
hang vorhanden ist (S. o. S. 165).
Die bis jetzt beschriebenen Resultate der Injectionen beziehen sich auf den erwachsenen Menschen. Wir
haben nämlich eine bedeutende Menge menschlicher Leichen in dieser Richtung untersucht. Da indessen die Zotten
nicht nur beim Erwachsenen sondern auch beim Kinde Vorkommen, haben wir auch bei solchen Injectionen vorge-
nommen, sogar bei Neugeborenen. Auch bei diesen lassen sich, besonders schön in den venösen Lacunen, Zotten
injiciren. In der Fig. 5 Taf. XXVII haben wir eben eine solche geöffnete, mit Zotten gefüllte Lacune vom Neu-
geborenen vergrössert abgebildet.
Auch bei Thieren, besonders Hund und Schaf, machten wir eine Reihe von solchen Injectionsversuchen. Bei
diesen erhielten wir entsprechende Resultate. Wir haben in Taf. XXVII Fig. 4 die Dura eines Hundes abgebildet,
wo die venösen Lacunen Massen von injicirten Zotten darbieten. Diese Injectionen wurden meistens an eben getödteten
Thieren ausgeführt. Aber auch bei lebenden Hunden (und Kaninchen) haben wir eine Reihe von Injectionsversuchen
gemacht. Dies geschah eben um die von Boehm angegebene Resorption der Dura zu prüfen. Wir spritzten dabei
entweder mit einer Spritze oder durch die von uns gewöhnlich ausgeübte Methode mittelst langsamen Selbstein-
fliessens eine kleinere Qvantität von Flüssigkeit, sei es lösliches Berlinerblau oder Zinnoberemulsion, in den Subdural-
raum des Rückenmarks hinein. Das Thier wurde, wenn nicht durch den ausgeübten Eingriff todt, nach einigen Stunden
getödtet und die Dura vorsichtig entblösst und erhärtet. Bei der Untersuchung fanden wir hie und da die Blutgefässe
der Dura mit der Injectionsflüssigkeit gefüllt. Nie sahen wir aber in dem Gewebe der Dura Bahnen, auf welchen
diese Gefässe von der inneren Fläche dieser Haut injicirt sein konnten. Dagegen waren die Pacchionischen Zotten
in den Lacunen und im Sinus longitudinalis gefüllt und Injectionsflüssigkeit in diese Räume frei ausgetreten. Die
feineren Blutgefässe der Dura, welche injicirt waren, befanden sich auch vorzüglich in der Nähe der genannten,
die Zotten enthaltenden, venösen Räume. Nach unseren Versuchen erschien es uns deswegen sicher, dass die Füllung
der Venen in der Dura nicht eine wirkliche Resorption von der inneren Fläche her durch eigenthümliche Bahnen in
die Blutgefässe hinein ist, sondern eine Injection der Blutgefässe durch Vermittelung der Pacchionischen Zotten
darstellt.
Welche Rolle kann man nun auf Grund aller dieser Untersuchungen den Pacchionischen Zotten zuertheilen?
Sind sie nur pathologische Bildungen oder kann man auf eine physiologische Function schliessen, und welcher Art
ist denn diese Function?
Dass sie nicht pathologische Bildungen sind, geht schon daraus hervor, dass sie gar nicht inconstant sind,
sondern an jeder menschlichen Leiche, obwohl in etwas verschiedener Menge, vorhanden sind. Früher, wo man
die in der Dura verborgenen, mit Zotten erfüllten, venösen Lacunen noch nicht kannte, lag es zwar näher, sie für in-
constant zu erklären; jetzt kann dies nicht mehr möglich sein. Ihr Vorkommen bei jedem Alter, schon bei Neuge-
borenen, widerlegt ihre pathologische Natur. Ihr Bau, der garnichts mit inflammatorischen Zuständen, u. s, w.
gemein hat, sondern vollständig mit der Arachnoidea und dem normalen Subarachnoidalgewebe übereinstimmt,
spricht ferner entschieden gegen eine krankhafte Entstehung. Ihr normales Dasein wird auch durch ihr gleich-
artiges Vorkommen bei Thieren bewiesen. Die Entdeckung, dass sie im Allgemeinen in venösen Räumen stecken,
weist gewiss auf eine bestimmte physiologische Bedeutung hin. Alle stammen sie aus der eigentlichen Arachnoidea
und dem Subarachnoidalgewebe. Keine von ihnen gehören der inneren Schicht der Dura (der »Arachnoidea parietalis»),
wie Luschka erwiesen und noch in späterer Zeit aufrecht halten will, keine stecken, wie er auch behauptet hat,
frei im Subduralraum des Gehirns.
Weil wir noch dazu durch unsere Injectionen bewiesen haben, dass Flüssigkeiten schon bei sehr gelindem
Druck, vom Subduralraum sowohl als von den Subarachnoidalräumen aus, durch die arachnoidalen Zotten in die
venösen Räume übergehen, liegt es gewiss sehr nahe, auf eine normale physiologische Function dieser Zotten zu
schliessen. Welche ist wohl nun diese Function? Gewiss eine Verbindung der serösen Räume, d. h. der Cerebro-
spinalflüssigkeit des Gehirns mit dem Blutsystem. Dabei können aber zwei Annahmen berechtigt sein. Entweder
Key und RetziüS. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 186
geht der Flüssigkeitstrom von den serösen Räumen nach den venösen oder in entgegengesetzter Richtung von
den venösen nach den serösen. Ja, man kann sich sogar eine Wechselung beider dieser Stromesrichtungen je
nach einem wechselnden Druck sowie wechselnden endosmotischen Verhältnissen in den -beiden Systemen denken.
Diese beiden, der Flüssigkeitsdruck und die Endosmose, müssen nämlich die Factoren sein, welche den Ueber-
gang der Flüssigkeiten aus dem einen in das andere System bedingen. Wir werden sie deswegen hier zuerst jede
für sich ins Auge fassen.
Da bekanntlich der Druck in den Venen vielen Wechselungen unterliegt und besonders im Schädel eigen-
thümliche Verhältnisse obwalten, kann man nicht mit irgend welcher Sicherheit diesen Druck a priori bestimmen.
Dass derselbe im Ganzen genommen niedrig ist, geht schon aus bekannten physiologischen Gesetzen betreffs
des Blutdrucks im Venensystem hervor. Um indessen eine nähere Kenntniss darüber zu erhalten, haben wir versucht,
ihn direct zu messen. Durch gütige Hülfe des Prof. Christian Loven haben wir also eine kleine Reihe solcher
Messungen im Sinus longitudinalis an lebenden Thieren (Hunden) gemacht. Zwar konnten diese Versuche, welche
immer etwas schwer auszuführen sind, nicht ganz ohne vorhergehenden Blutverlust ausgeführt werden. Die Zahlen
geben indessen den ungefähren Werth des Druckes. Die Operation wurde in der Weise gemacht, dass der Hund
nur grosse Exemplare sind dazu irgendwie mit Vorth eil verwendbar auf dem Bauch liegend gebunden und
ätherisirt wurde; ein longitudinaler hinreichender Schnitt trennte die Weichtheile in der Mittellinie des Schädel-
dachs bis zum Knochen. Ziemlich weit nach hinten (um den breiteren Theil des Sinus zu treffen) wurde dann ein
möglichst kleines Loch mit Meissei vorsichtig im knöchernen Schädel gemacht. Hierbei entstand oft eine ziemlich
bedeutende Blutung aus dem Diploe, welche durch aufgelegten Schnee gestillt wurde. Wenn der Sinus in einer
Ausbreitung von einigen Quadratmillimetern blossgelegt war, wurde vorsichtig ein kleiner Einschnitt in dem duralen
Dach des Sinus gemacht. Immer stieg das Blut in einem kleinen pulsirenden Strahle aus der Wunde. Schon hier-
durch ist der positive Werth des Blutdruckes in dem Sinus longitudinalis dargelegt. Sogleich nach Ausschneiden
der Durawand wurde eine feine gläserne Canüle in die Schnittöffnung des Sinus eingeführt. Diese Canüle, welche
mit Sodalösung (concentrirte, mit gleicher Qvantität Wasser versetzt) gefüllt war, stand mit einem Manometer in
Verbindung. Am Anfang der Versuche wurde constant ein niedrigerer Druck angezeigt, ohne allen Zweifel wegen
des eben eingetroffenen Blutverlustes. Allmählig stieg aber derselbe bis zu einem ziemlich gleichbleibenden Werth.
Um eine Auffassung der gewonnenen Zahlen zu geben, theilen wir hier als Beispiel die aufgezeichnete Zahlenreihe
eines derartigen Versuches mit. Die ersten Zahlen bezeichnen den Druckwerth (in Millimeter Quecksilber) am Anfang
der Messung; die folgenden aber die immer allmählig steigende Druckhöhe. Die erste Reihe giebt die Höhe während
der Inspiration, die zweite während der Exspiration.
Inspiration. Exspiration.
5 Mm 8 Mm.
5.5 » 9 »
6 » 9 »
7 » 9 »
8 » 10 »
8.5 » 11 »
9 » 10 »
9 » 10.5 ))
10 )) 12 »
12 » 14—16 »
Aus diesen Zahlen findet man leicht das stetige Zunehmen der Druckhöhe. Von 5—12 stieg sie bei der In-
spiration; von B—l 48—14 und zuletzt 16 bei der Exspiration; bei diesen Zahlen blieb dann der Druck stehen. Die ganze
Wechselung bezog sich also auf 5—16. Auf Grund der eintretenden Coagulirung des Blutes in der Canüle konnte
das Messen hier wie bei den übrigen Versuchen nicht lange, kaum eine halbe Stunde, fortgesetzt werden. Indessen
scheint am richtigsten in den höheren Zahlen, d. h. nach Ausgleichung des nach dem Blutverlust erniedrigten Blut-
druckes, der wahre Werth zu suchen zu sein. Bei den übrigen Versuchen wurden ähnliche Zahlenreihen erhalten.
So z. B. ein Ansteigen von -f- 3.5 bis -f- 10.5; einmal nach starkem Blutverluste ein Steigen von oan bis auf -j- 7u.s. w.
Als Resultate dieser Untersuchungen können wir nun aufführen: 187
1) Dass ein positiver Druck in dem Sinus longitudinalis normalmässig vorhanden ist, welcher ungefähr
10—14 Mm. Quecksilber betragen mag.
2) Dass durch die Respiration eine Schwankung des Druckes in der Art entsteht, dass bei der Inspiration
eine Senkung von 0.5—1—2—3—4 Mm. eintrifft.
3) Eine wenn auch geringe arterielle Pulsation war zugleich am Manometer deutlich wahrzunehmen.
Den Druckwerth der Cerebrospinalflüssigkeit haben wir auch an lebenden Hunden zu bestimmen
versucht. An den ätherisirten Thieren wurde, wie bei unseren Injectionen, der Wirbelcanal eröffnet, die Dura bloss-
gelegt und ein kleiner Schnitt in sie gemacht. Wie man schon seit Magendie weiss, fliesst die cerebrospinale
Flüssigkeit in deutlichem Strahle bei Anstechung der Arachnoidea aus. Dies ergaben auch unsere Versuche.
Schon hieraus geht hervor, dass der Druck in der Regel positiv ist,
Nach Anschneiden der Arachnoidea wurde auch hier eine feine gläserne Canüle, die in Verbindung mit einem
Manometer stand, in den Subarachnoidalraum eingeführt. Die Druckwerthe unterschieden sich zwar ein wenig von
einander. Wir theilen hier als Beispiel folgende Zahlenreihe eines gut gelungenen Versuches mit:
Bei der Inspiration. Bei der Exspiration.
+ 12 + 18
+ 12 + 16
+ I I + 20
+ 16 + 20
Wie wir hieraus sowie aus den übrigen Versuchen wohl schliessen dürfen, unterscheidet sich 1) der positive
Druck der Cerebrospinalflüssigkeit nicht viel von demjenigen des Blutes im Sinus. Im Allgemeinen scheint es doch, als
ob er ein wenig höher wäre als der Druck im Sinus, wie man ja schon bei Betrachtung der eigenthümlichen Verhältnisse
der fraglichen venösen Sinus a priori annehmen könnte. Es muss aber hierbei hervorgehoben werden, dass die Ver-
suche über die beiden Druckwerthe am besten bei denselben Thieren ausgeführt werden müssen, um einem sicheren
Vergleich zwischen ihnen zu erhalten. Durch unsere Versuche bekommt man deswegen nur ungefähr die richtigen
Werthe. 2) Ferner findet man eine Respirations-Schwankung angezeigt; der Druck ist nämlich etwas geringer bei
der Inspiration als bei der Exspiration. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Druck in den Subarachnoidalräumen
des Gehirns durch die offene Stromesverbindung ungefähr derselbe wie in den spinalen.
Wenn auch die aus diesen Versuchen erhaltenen Zahlen, wie oben hervorgehoben, nur approximativ die Druck-
höhe des Blutes im Sinus longitudinalis und diejenige der Cerebrospinalflüssigkeit in den Subarachnoidalräumen
angiebt, so geht aus ihnen indessen hervor, dass 1) in beiden Raumsystemen der Druck positiv ist, ferner dass 2) er
in beiden ungefähr in gleicher Ausdehnung und auf dieselbe Weise nach den verschiedenen Phasen der Respiration
wechselt; dass er aber 3) im Allgemeinen in den beiden Raumsystemen sehr wenig verschieden ist; er scheint aber
im Sinus, wahrscheinlich der Regel nach, etwas niedriger als im System der Cerebrospinalflüssigkeit zu sein.
Hieraus dürfte also hervorgehen, dass schon unter normalen Verhältnissen je nach der Verschiedenheit des Druckes
in den beiden Raumsystemen ein wenn auch in der Regel schwächeres Ausfiltriren der Cerebrospinalflüssigkeit in
die Sinus hinein durch die Pacchionischen Zotten stattfindet. Bei gesteigertem Druck der Cerebrospinalflüssigkeit
(oder vermindertem des Sinusblutes) muss ein derartiges Ausfiltriren schneller und reichlicher vorsichgehen. Die
ballonartig ausgespannte Form und die allgemeine Beschaffenheit der Zotten scheinen in der That für eine Aus-
Strömung der Cerebrospinalflüssigkeit nach den Sinus hin sehr günstig zu sein.
Dann haben wir aber noch den zweiten Factor, die Endosmose, zu berücksichtigen. Hier treffen wir für
ihr Zustandekommen sehr passende Verhältnisse; Auf der einen Seite eine Flüssigkeit von hohem spec. Gewicht,
das verdickte Venenblut, auf der anderen eine Flüssigkeit von niedrigem spec. Gewicht, die Cerebrospinalflüssigkeit.
Wenn man Alles zusammennimmt, scheint man also berechtigt zu sein anzunehmen, dass unter normalen
Verhältnissen während des Lebens ein Flüssigkeitstrom durch einfaches Ausfiltriren sowohl als durch Endosmose
von den Subarachnoidalräumen (und dem Subduralraume) durch die Arachnoidalzotten nach den venösen Sinus des
Gehirns vorhanden ist. Bei gesteigertem Druck der Cerebrospinalflüssigkeit muss, wie bei unseren Injectionsversueben,
das Ausfiltriren derselben noch schneller und reichlicher stattfinden.
Damit scheint uns die Wichtigkeit und die physiologische Bedeutung der Arachnoidalzotten hinreichend be-
leuchtet zu sein. 188
Die Scheiden und die Scheidenräume des Opticus und der Zusammenhang derselben
mit den Hüllen und den serösen Räumen des Gehirns.
Historischer Rückblick.
Wie ans der obigen Historik hervorgebt, wussten schon ältere Verfasser, sogar schon Vesalius, dass der Nervus
opticus von einer doppelten Scheide umgeben war, deren äussere fibröse Schicht von der Dura mater, deren innere
von der Gefässhaut des Gehirns eine Fortsetzung sei, und die jede für sich in die Sclera und die Uvea des Auges
übergehen sollten. Cotugno beschrieb einen um den Nervus opticus, durch eine Verlängerung der Dura gebildeten
und an den Sehnerven durch zellulöse Fasern angehefteten Sinus, welcher Feuchtigkeit der Schädelhöhle enthält;
diese Feuchtigkeit ist nach ihm an dem Ende des Sinus in der Nähe des Auges angesammelt. Bei Bichat und Cloquet
findet man sögar die Angabe, dass auch die Arachnoidea den Nervenstamm eine Strecke weit als eine besondere Haut
durch den Canalis opticus begleitet, um sich erst innerhalb der Orbita im Sinne der Bichat’schen Auffassung auf
die fibröse Haut zurückzuschlagen. Magendie lässt die Cerebrospinalflüssigkeit die Sehnerven bei ihrem Eintritt in
die Orbitae verlassen. Später wurde, vorzüglich von Donders, eine grössere Aufmerksamkeit auf die Scheiden des Opticus
gelenkt. Er beschreibt eine äussere dickere und eine innere dünnere, den Nerven zunächst umgebende Scheide;
zwischen ihnen findet sich eine Lage lockeren Bindegewebes, das aus netzweise verbundenen Bündeln besteht. Die
beiden Scheiden wurden von Leber etwas eingehender beschrieben; er fand, dass das zwischen ihnen liegende Balken-
netz von kernführenden Scheiden umgeben ist.
Henle x) fasst die sog. Äussere und innere Scheide des Opticus als äusseres und inneres Neurilem auf. Das
äussere geht in die Sclera über, das innere begleitet die Nervenfasern bis in die Nähe der Chorioidea, mit welcher
einige seiner Bündel Zusammenhängen, während andere sich gegen die innere Fläche der Sclera Umschlagen.
Zwischen beiden, von elastischen Fasern reichlich durchzogenen Schichten des Neurilems befindet sich eine Lage
lockeren netzförmigen Bindegewebes, dessen Bündel, zumal in der Nähe der inneren Schicht, regelmässig von ela-
stischen Fasern spiralig umwickelt sind.
Dann wurdefi diese beiden Scheiden besonders von Schwalbe eingehender beschrieben. Er fand, dass der
Raum zwischen ihnen (der subvaginale Raum, Scnw.) mit dem Subduralraum des Gehirns in offenem Zusammenhang
stand und davon injicirt werden konnte. Er fand auch, dass von demselben Subduralraum des Gehirns ein Raum
an der Aussenseite der äusseren Opticusscheide (supravaginaler Raum Scnw.) injicirt werden konnte, von wo aus die
Injectionsmasse direct in die Tenonsche Kapsel (Tenonschen Raum Schw.) übergeht, um ferner von da ab durch
die Sclera, um die Verne vorticosm herum, in den Perichorioidalraum sich zu begeben. Diesen letzteren Raum er-
klärte Schwalbe für einen Lymphraum, der auch, wie die übrigen genannten Räume, mit Endothelzellen ausgekleidet
ist und eigentlich aus mehreren, durch concentrische Lamellen abgetheilte Spalten besteht. Von diesem Perichorioidal-
raum aus konnte Schwalbe auch rückwärts durch dieselben Bahnen den supravaginalen Raum injiciren. Schmidt
erhielt durch Injection des subvaginalen Raums des Sehnerven vom Subduralraum des Gehirns aus Füllung eines
Canalsystems in der Lamina cribrosa und von diesem centripetal streckenweise eine Injection zwischen den einzelnen
*) Handbuch der System. Anatomie. Bd 2. 1866. 189
Nervenbündeln des Opticus. Bei unseren Injectionen sowohl von den subarachnoidalen Bäumen als vom Subdural-
raum der Centralorgane aus erhielten wir Füllung der Sehnervenscheide, aber in zwei besonderen Räumen; zwischen
diesen beiden Räumen fanden wir eine dünne abgrenzende Haut, welche wir die Arachnoidalscheide des Opticus
nannten und die eben eine directe Fortsetzung der Arachnoidea cerebri war, nach innen mit dem Opticus durch
zahlreiche verzweigte Balken verbunden, nach aussen durch sparsame Balken mit der äusseren Scheide (der Dural-
scheide) vereinigt. Von den Subdural- und Subarachnoidalräumen aus erhielten wir bei Thieren auch Injection des
Tenonschen Raumes und des Perichorioidalraums.
Nach Wolfring soll bei Injection im »subvaginalen Raum» (Schwalbes) des Opticus die Masse in die Substanz
der Sclera eindringen und in derselben einen Gefässring um die Siebplatte füllen, von dem aus kleine Stämmchen
stellenweise rückwärts in den Nerven ausgehen. Bei Einstich unter der »inneren Nervenscheide» gelang es ihm,
ein Canalnetz um die Nervenbündel und noch ein damit anastomosirendes Netz in der Siebplatte zu injiciren. An
der inneren Fläche der inneren Sehnervenscheide erhielt er ein ähnliches Netz, welches einerseits mit dem Netz um
die Nervenbündel anastomosirt, andererseits in nach aussen von der Scheide sich öffnenden Stämmen sich sammelt.
Michel fand durch seine Injectionen, dass der »subvaginale Raum» (Schwalbes) mit dem »supravaginalen Raume»
durch spaltförmige, mit Endothel ausgekleidete Lücken in der Duralscheide des Opticus und mit dem Perichorioidal-
raum durch ähnliche Lücken in der Sclera in Communication stehen.
Betreffs der Dural- und der Arachnoidalscheide des Opticus sowie der Scheidenräume (Subdural- und Sub-
arachnoidalräume) desselben schloss sich dann Schwalbe x) unserer Auffassung an. Durch Einstichsinjectioncn zwischen
der innersten Scheide, der Pialscheide Schw., und dem Opticusstamm hat er ein reichliches Spaltensystem um die Nerven-
bündel und in der Lamina cribrosa sowie auch Bahnen in der Retina zwischen den Bündeln der Opticusschicht und
perivasculäre Räume injicirt. Dieses Lymphsystem comraunicirt nach Schwalbe mittelst zahlreicher Mündungen durch
die Pialscheide hindurch mit dem Subarachnoidalraum und also auch mit dem Subduralraum des Opticus, indem ja
diese beiden Räume ihm zufolge in offener Verbindung stehen. Beim Einstich im Opticus selbst drang die Flüssigkeit
ins Innere der Bündel und bildete Netze um die einzelnen Nervenfasern.
Waldeyer 2) fasst endlich die Verhältnisse in folgender Weise auf; »An der Scheide des N. Opticus kann man
von aussen nach innen zählend drei, bez. vier Lagen unterscheiden: 1) die äussere derbe Scheide, 2) den inter-
vaginalen Lymphraurn mit seinem eigenthümlichen Balkennetze (subvaginaler Raum Schwalbe), 3) die innere Opticus-
scheide, welche aber wieder in 2 verschiedene Schichten sich zerlegen lässt, und zwar in eine dem Lymphraume
zunächst gelegene Schicht, in der, wenigstens in der Nähe der Sclera, vorwiegend cirkuläre Fasern Vorkommen, und
in eine innerste, unmittelbar den Opticusfasern aufliegende Scheide, welche feine längsverlaufende .Fasern enthält;
diese Lage stellt das eigentliche Neurilem des N. opticus dar». »Die äussere Opticusscheide geht nun direct in die
äussere Lage der Sclera über. Unmittelbar vor dem Umbiegen in die Sclera lässt sie sich leicht in mehrere Blätter
spalten, doch sind deren nicht so regelmässig vier, wie Michel angegeben hat, sondern man erhält mitunter 3 oder 5
Blätter. Die innere Scheide geht in derselben Weise continuirlich in die innere derbe Scleralschicht über, und zwar
besonders mit ihrer circulärfasrigen Lage, die somit ihre Faserrichtung allmählig in die meridionale ändert. Die
innerste Lage, die Neurilemschicht, geht zum Theil in die innere Sclerallage über, zum grössten Theile aber bilden
deren Fasern die Bündel der Lamina cribrosa.» »Der intervaginale Lymphraurn erstreckt sich bei verschiedenen In-
dividuen verschieden weit nach vorn, gewöhnlich so weit, dass er noch auf eine kurze Strecke als enge Spalte sich
zwischen beide Sclerallagen, die innere und die äussere, einschiebt; mitunter setzt er sich aber auch ziemlich weit
in das eigentliche Scleralgebiet fort. Die eigenthümlichen Balken, welche denselben durchziehen, schliessen sich
ohne bestimmte Wahl beiden Scleralblättern an und verlieren sich allmählig zwischen den Faserzügen der letzteren.
Die Endothelscheiden dieser Balken, welche sich an Hematoxylinpräparaten sehr schön darstellen lassen, sind keines-
wegs überall ganz continuirlich, wie von einigen Seiten, namentlich von Schwalbe, behauptet worden ist.» »Die
neuesten Untersuchungen», äussert Waldeyer dann, »von Axel Key und G. Retzius, ferner von H. Schmidt, Michel
und Wolfring haben uns noch einen dritten Lymphraurn innerhalb der Opticusscheide, neben dem supra- und sub-
vaginalen Raume kennen gelehrt, den ich als perineuralen Lymphraurn bezeichnen will. Derselbe liegt zwischen
dem inneren Blatte der Vagina nervi optici und dem Nervus opticus selbst.» 3) Er berichtet dann über unsere An-
!) S. o. S. 55.
2) Handbuch d. gesammt. Augenheilkunde, red. v. Alfred Graefe und Th. Ssemisch. Leipzig 1874.
3) Sofern Waldeyer sich in dieser Hinsicht auf unsere Untersuchungen stützt, scheint er uns nicht richtig verstanden zu haben
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 190
gaben, sowie Wolfrtng’s, Scitmidt’s und Michel’s betreffs der Communicationen der Scheidenräume des Opticus und
äussert zuletzt betreffs dieses Gegenstandes: »Eigene Erfahrungen über diesen Lymphraum besitze ich nicht.»
Histologische Beschreibung.
Die folgende Beschreibung betrifft die Verhältnisse beim Menschen; nur wenn es besonders angegeben wird,
sind auch diejenigen bei Thieren berücksichtigt worden.
Der Sehnerv, dessen eigentlichen Bau und innere Lymphbahnen wir in einem besonderen Capitel abhandeln werden,
besitzt nach seinem Eintritt in den Canalis opticus und in der Orbita bis zum Bulbus drei deutliche, verschiedene
Scheiden, eine Dura, eine Arachnoidea und eine Pia, welche directe Fortsetzungen der betreffenden Hirnhäute sind.
Diese drei Scheiden werden deswegen am zweckmässigsten die Duralscheide, die Arachnoidalscheide und die
Pialscheide des Opticus genannt. Die erste oder die Duralscheide besteht aus ganz demselben Gewebe wie die
Dura cerebri, d. h. aus dichtem, fibrösem Bindegewebe. Die Bündel desselben sind in folgender Weise angeordnet:
Sie bilden im Allgemeinen concentrische Schichten um die Längsaxe des Opticus, welche mit einander verwebt
sind, aber ohne Schwierigkeit streckenweise von einander getrennt werden können. Die Bündel dieser Schichten
sind theils von cirkulärem, theils von longitudinellem Verlauf. In den inneren Schichten überwiegen gewöhnlich
die circulären; longitudinelle Bündel schieben sich indessen in mehr oder weniger zahlreicher Menge zwischen sie
hinein. In den äusseren Schichten sind dagegen die Bündel überwiegend longitudinel verlaufend, aber hie und da mit
nicht wenigen cirkulären vermischt. Die inneren Schichten sind dicht verwebt. Nach aussen zu lockert sich das Gewebe
allmählig etwas auf; zwischen den Bündeln treten hier einzelne Fettkugelhäufchen auf. Zwischen den Schichten
der Duralscheide, besonders in der dem Bulbus näheren Hälfte, sieht man an einem verticalen Längs- oder Querschnitt
eine Reihe von spaltenförmigen Räumen entstehen (Taf. XXXII Fig. 1 D). Diese Spaltenräume sind aber nicht 3—4,
wie Michel angiebt, und beschränken sich auch nicht auf 3—5, wie Waldeyer sagt, sondern sie können zwischen
den Lamellen der Scheide in verschiedener, oft bedeutender Anzahl wahrgenommen werden. Durch Stichinjection kann
man die verschiedenen Schichten von einander trennen, aber nicht ohne alle Gewalt; bei dieser Stichinjection schiessen
auch stift- oder röhrenförmige oder verzweigte Figuren hie und da in dem Gewebe der Scheide zwischen den Bündeln
hervor, etwa in derselben Weise wie oben von der Dura des Gehirns berichtet wurde und wie auch in der Sclera der
Fall ist. An Verticalschnitten der Duralscheide (Taf. XXXII Fig. 1D) sieht man die längs- und quergeschnittenen Bündel
der verschiedenen Schichten mit einander alterniren und zwischen denselben liegen Zellen, die sich bei dieser Ansicht
meistens spindelförmig zeigen, mit dem Kern in der Mitte des protoplasmatisch-körnigen Spindeis; sie lassen sich
nach Anilinfärbung oft ziemlich weit als feine rothe Linien zwischen den Bündelschichten verfolgen. Auch sieht
man zwischen den Schichten Querschnitte elastischer Fasern. An Flächenschnitten der Duralscheide sieht man die
Zellen mit ihren ovalen Kernen auf den Fibrillenschichten liegen. Die Kerne liegen oft quer über den Fibrillen.
So auch das körnige Protoplasma der Zellen, welches bald scharf begrenzt ist, bald allmählig sich nach aussen auf
der Oberfläche der Schicht verliert. Zwischen diesen Zellen findet man oft die Fibrillenschichten von einem äusserst
dünnen Anflug überhüllt, der wie ein Häutchen erscheint; in diesem Häutchen liegen einzelne glänzende Körner
zerstreut. In innigstem Zusammenhang mit diesem Häutchen laufen zahlreiche, elastische Fasern, welche in ver-
schiedenen Richtungen einander kreuzen. Hie und da sieht man die Zellen mit ihren Protoplasmaausläufern sich einer
elastischen Faser anlehnen, gleichsam längs ihr kriechend. Oft findet man auch die Zellen zwischen Fibrillenbündeln
eingesenkt, ihre Richtung einhaltend; es scheint, als ob von vielen der Zellen letzterer Art keine feine Häutchen
ausgehen. An gut gelungenen Zerzupfungspräparaten findet man indessen, dass die meisten Zellen platte Endothel-
zellen darstellen, welche in verschiedener Ausdehnung mit dünnen Häutchenausbreitungen versehen sind; das körnige
Protoplasma ist gewöhnlich in einem abgeplattet spindelförmigen, nicht selten etwas verzweigten Haufen um den 191
Kern angesammelt. Oft sieht man aber, wie erwähnt, kein dünnes Häutchen von der körnigen Zelle ausgehen; in
manchen solchen Fällen kann aber das Häutchen durch die Präparation abgerissen sein. Viele der isolirten Zellen
ähneln den verschiedenen aus der Dura mater des Gehirns beschriebenen Formen der isolirten Zellen (s. oben).
Offenbar liegt hier auch in der That dieselbe Art von Bindegewebszellen vor. An den Stellen, wo die Fibrillen-
bündel inniger mit einander verwebt sind, wie z. B. in den inneren Schichten der Scheide, sind, wie in der Dura
mater, die Zellen mehr verzweigt; sie besitzen protoplasmatische sowohl als dünne elastisch-häutige Flügelausläufer,
welche zwischen die einzelnen umgebenden Bündel einschiessen. An den Stellen hingegen, wo die Bündel mehr
flächenhaft verbreitete Lamellen bilden und weniger mit einander verwebt sind, findet man auch die Zellen flächen-
haft verbreitet und sogar deutliche Häutchenausbreitungen mit einander eingehend. Diese Häutchen können aber
wie in der Dura cerebri mehr oder weniger durchbrochen sein und sogar nur aus einem Zellennetze bestehen (s.
oben bei der Histologie der Dura mater). Auch hier finden sich zwischen den Schichten elastische Fasernetze.
Die innere Fläche der Duralscheide ist mit einem dünnen elastischen Häutchen bekleidet, welches ganz demjenigen
der Dura des Gehirns und Rückenmarks entspricht; es enthält elastische Fasern und ist mit den gewöhnlichen, von
feinen Körnern umgebenen Kernen bedeckt; die Grenzen der endothelialen Zellen durch Silberfärbung darzulegen
gelang uns doch nicht. Hie und da sieht man an der inneren Fläche der Duralscheide kleine, flache Grübchen, an
welche sich das elastische Häutchen innig anschmiegt. Diese Grübchen entstehen dadurch, dass einzelne Fibrillen-
bündel sich zu Balken anordnen, welche sich verzweigend der Fläche nach kriechen, um hie und da freie Balken
abzugeben, die zu der nach innen davon liegenden Haut, der Arachnoidalscheide, streben. Diese Balken (Taf. XXXII
Fig. 1, 2; Taf. XXXV Fig. 2) sind ziemlich kurz, aber verhältnissmässig stark, verzweigen sich während ihres Verlaufes
fast nie, bestehen aus fibrillärem Bindegewebe, an welchem oft elastische Fasern longitudinel gehen, und sind aus-
wendig von einer leicht ablösbaren Endothelscheide, einer Fortsetzung des Endothels der Innenfläche der Duralscheide,
umhüllt, innerhalb welcher häufig umspinnende elastische Fasern liegen, die besonders nach Essigsäurezusatz deutlich
hervortreten. Diese Balken, welche nicht eben zahlreich vorhanden sind, inseriren sich nun an die Arachnoidalscheide.
Die Dura optici geht in bekannter Weise in die Sclera des Auges über, indem ihre lamellären Schichten sich in
dieselbe umbiegen. Eben an der ümbiegungsstelle tritt indessen eine Anzahl Bündel auf, die circulär um den Opticus-
eintritt gehen; diese Bündel sind von verschiedener Mächtigkeit, oft ganz grob, haben einen rundlichen oder ovalen
Durchschnitt und sind besonders in den äusseren Theilen stärker ausgeprägt (Taf. XXXII Fig. 1).
Die Arachnoidalscheide stellt eine unmittelbare Fortsetzung der Arachnoidea dar. Vor dem Eintritt in
den Canalis opticus liegt sie den eben aus dem Chiasma hervorgetretenen Sehnerven sehr lose an und kann von
ihm ziemlich weit gehoben werden. Im Canalis opticus ist sie besonders an der oberen und äusseren Seite mit
der Duralscheide und der Pialscheide durch zahlreichere überspringende Balken inniger verwachsen. Die ganze
Arachnoidalscheide ist eine dünne Haut, ganz von demselben Bau wie die Arachnoidea der Centralorgane, d. h. sie
besteht aus einem Netzwerk von Bindegewebsbündeln, welche sich in den verschiedensten Richtungen kreuzen (Taf. XXXII
Fig. 3) zierliche Maschen bildend; die äussere und innere Fläche dieser Haut sind mit Endothelzellenschichten über-
kleidet. Nie sahen wir beim Menschen diese Haut naturgemäss durchbrochen; wenn Löcher darin vorhanden waren,
schienen sie immer artificiell entstanden zu sein. Sie liegt gewöhnlich der Duralscheide ziemlich innig an nur
durch einen spaltförmigen, unten zu besprechenden Raum, die wirkliche Fortsetzung des cerebralen Subduralraums,
von ihr getrennt und ist an ihr eben durch die kurzen Balken gebunden; wenn man sie frei abzulösen versucht,
berstet sie oft hie und da durch Sprengung an den Balkenwurzeln. Die Arachnoidalscheide umgiebt als eine voll-
ständige Röhre überall den Opticus. Am Bulbus angelangt befestigt sie sich in dem inneren Winkel der Scheidenräume,
wo die Duralscheide in die Sclera übergeht und diese in die Lamina cribrosa ihr Bündelnetz einsenkt sowie auch zur
Pialscheide Bündel abgiebt. An ihrer Innenfläche (Taf. XXXII Fig. 2A, 3) treten dieselben zierlichen Bildungen hervor,
welche wir oben bei der Arachnoidea spinalis beschrieben haben; es sind dies die vielfach verzweigten Balkenwurzeln.
Es sammeln sich nämlich hie und da einzelne Bündelgruppen zu mächtigeren Stämmen, bilden rundliche Maschen und
lösen sich endlich, nachdem sie wie Baumwurzeln der Fläche nach eine Strecke weit gekrochen haben, von der Haut ab,
um sich nach innen, dem Sehnerven, d. h. der Pialscheide zu, zu begeben. Bald nach ihrem Ablösen von der Arach-
noidalscheide zerfallen sie indessen wieder in zahlreiche Zweige, die sich netzförmig mit einander verbinden und
ein wirkliches Balkennetz, ein dem subarachnoidalen Gewebe des Gehirns und Rückenmarks ganz entsprechendes
subarachnoidales Gewebe bildend. Dies Balkennetz wird aber nicht nur von den aus der Arachnoidalscheide
sich ablösenden Bündeln gebildet; auch die von der Duralscheide zur Arachnoidalscheide überspringenden Balken 192
tragen zu demselben und dies sogar in grösstem Maasstabe bei, indem sie die letztere Scheide durchbohren, sich dann
in immer feinere Zweige theilen, welche netzförmig sich verbinden und gegen die Pialscheide ein sehr reichliches
Netz bilden, das sich dieser Scheide anlegt und in ihr Gewebe allmählig übergeht (Taf. XXXII Fig. 1Ä). Hie und da
senken sich auch dickere Balken in die Pialscheide hinein. Dies ist besonders in der Nähe des Bulbus gewöhnlich.
In dieser Gegend ist das Balkennetz im Allgemeinen am reichlichsten, so dass der Winkel, welchen der Subarachnoidal'
raum hier bildet, von mehr oder weniger starken Balken dicht durchflochten ist. Alle diese subarachnoidalen Balken des
Opticus sind wie diejenigen des Rückenmarks und Gehirns von endothelialen Zellenscheiden bekleidet. Diese Scheiden
(Taf. XXXII Fig. 1, 3—5) sind hier oft weit abstehend und man erhält hier sehr schöne Bilder von dem Bau der freien
Balken des Bindegewebes. Die Scheiden sind hier wie im subarachnoidalen Gewebe des Rückenmarks und Gehirns
bei vorsichtiger Behandlung und an gutem, frisch erhaltenem Material, wie Schwalbe betont hat, immer vollständig,
nie unterbrochen, was von mehreren Verfassern und neulich auch von AValdeyer angegeben wurde. Bei altem Material
und unvorsichtiger Präparation werden aber hier wie dort die Scheiden in Fetzen oder auch ganz abgerissen und
erscheinen dann die Balken mehr oder weniger nackt. Ihre Kerne sind, obwohl oft etwas spärlich, von der gewöhn-
lichen Körnchenzone umgeben. Durch Essigsäure treten umspinnende elastische Fasern auch an diesen Balken häufig
hervor. Ausserdem findet man hie und da Balken, die mit einer längsgehenden elastischen Faser versehen sind,
welche dann nicht im Inneren des Bündels liegt sondern dicht unter der Zellenscheide; diese Fasern sind kürzer als das
Bündel und haben deswegen einen gestreckten Verlauf, während das Bündel selbst dann spiralig läuft, gleichsam durch
die elastische Faser zusammengeschnürt (Taf. XXXII Fig. 5). Der von diesem Balkennetz durchzogene Raum zwischen
der Arachnoidalscheide und der Pialscheide, welcher eine unmittelbare Fortsetzung der subarachnoidalen Räume
des Gehirns ist, haben wir den Subarachnoidalraum des Opticus genannt und werden über ihn weiter unten sprechen.
Die Pialscheide besteht aus einer nicht eben dicken Lage ziemlich festen Bindegewebes, welche den Seh-
nerven, ungefähr wie die entsprechende Haut am Rückenmark, eng umschliesst (Taf. XXXII Fig. 1 P). Ihre äusseren
Schichten bestehen aus mehr circulär verlaufenden, in spitzen AVinkeln einander mehr oder weniger kreuzenden Bündeln,
welche zum grossen Theil aus subarachnoidalen Balken stammen, die sich eben in die Pialscheide einsenken und
auflösen, ungefähr in derselben AVeise, wie die subarachnoidalen Balken des Rückenmarks sich bei ihrem Uebergang
an der Pia desselben 'verhalten. Die äussere Fläche der Pialscheide ist zwischen diesen oft zahlreichen Balkenver-
bindungen eben oder mit flacheren Grübchen versehen. Sie ist mit einem gewöhnlichen Endothelhäutchen überzogen,
das mit den Scheiden der Balken zusammenhängt. Die meisten Bündel der Pialscheide laufen im Allgemeinen circulär
oder etwas schief, einander in spitzen AVinkeln kreuzend. In der Pialscheide gehen ziemlich viele Blutgefässe.
An der inneren Fläche der Pialscheide bemerkt man aber ziemlich zahlreiche Züge längsgehender Bündel fibrillären
Bindegewebes; diese Fläche ist mit einer endothelialen Zellenbekleidung überzogen. Von dieser Innenseite der Pial-
scheide geht in etwas verschiedenen Abständen eine Menge dickerer und dünnerer in der Längsrichtung des Opticus
geplatteten und mehr weniger breiten Balken hinaus, welche sich zwischen den Opticusfaserbündeln einsenken.
AVir werden jetzt zu unseren Injectionsversuchen übergehen. wir, unserer oben angegebenen Methode
gemäss, eine Injectionsflüssigkeit in den Subarachnoidalraum des Rückenmarks hineinfliessen Hessen, füllte sich schon
bei dem leisesten Druck durch Vermittelung der subarachnoidalen Räume des Gehirns constant ein Scheidenraum
rings um den Nervus opticus bis zu dessen Eintritt in den Bulbus oculi, also der Subarachnoidalraum des Opticus
(Taf. XXXIII Fig. 2). In der Nähe des letzteren wurde die Opticusscheide bauchig oder ampullär aufgetrieben.
Bei näherer Untersuchung fanden wir dabei beim Menschen immer, d. h. wenn nicht durch Unvorsichtigkeit etwaige
Berstungen der dünnen Membran entstanden waren, die Injectionsmasse in dem oben beschriebenen, zwischen der
Arachnoidalscheide und der Pialscheide befindlichen, von reichlichen Balken durchzogenen Raum. Nie war die Flüssig-
keit in den Subduralraum oder in den Opticus selbst, d, h. innerhalb seiner Pialscheide, eingedrungen; nie war sie
ausserhalb der Duralscheide sowie nie in die Sclera und den Bulbus hineingetreten.
AVenn wir dagegen die Injection vom Subduralraum des Rückenmarks (oder Gehirns) her ausführten, erfüllte
zwar die Masse constant auch einen Scheidenraum um den Opticus bis zum Bulbus; dieser Raum war aber nicht
der bei den vorigen Versuchen erwähnte, sondern der zwischen der Arachnoidalscheide und der Duralscheide befindliche
Subduralraum (Taf. XXXIII Fig. 1); auch bei dieser Injection trat die Masse bis zum Bulbus hervor; dabei wurde
auch der äusserste Theil der Duralscheide in der Nähe des Bulbus bauchig aufgetrieben. Hierbei war fast immer
die Injection des Subduralraums des Sehnerven rein, insofern sie nicht schon am Gehirn in die Subarachnoidalräume
durch fehlerhafte Manipulation ausgedrungen war. In nur sehr vereinzelten Fällen war sie doch auch sonst in den Sub- 193
arachnoidalraum des Opticus getreten; da wir aber keine Löcher in der Arachnoidalscheide gefunden haben, dürfte
dabei der Flüssigkeitsdruck vom Subduralraum aus zu stark gewesen sein, wodurch etwaige feine Berstungen der Arach-
noidalscheide, und dies eben am Ansatz der Balken, entstanden sein möchten. Wir glauben deswegen mit Bestimmt-
heit annehmen zu können, dass beim Menschen in normalen Fällen die beiden Räume, am Opticus ganz wie am
Rückenmark und Gehirn, nicht in offener Verbindung mit einander stehen, sondern auch hier durch die Arachnoidea
abgetrennt sind. Durch die Duralscheide des Opticus war beim Menschen in unseren zahlreichen Injectionen von
den Subdural- und Subarachnoidalräumen des Gehirns und Rückenmarks aus die Flüssigkeit nie ausgedrungen.
Bei Hunden und Kaninchen fand sie sich in solchen Injectionen nicht selten auch ausserhalb der Duralscheide in
dem von Schwalbe sog. supravaginalen (epiduralen) Raum; auf welchen Wegen sie dahin gelangt war, konnten wir
gewöhnlich nicht mit Sicherheit erörtern; es schien uns indessen oft, als ob sie schon beim Austritt des Opticus
aus dem Knochencanal in den supravaginalen Raum eingetreten war. Von diesem Raum aus war sie oft in den
Tenonschen Raum Schwalbes eingetreten und hatte sich dort verschieden weit ausgebreitet; gewöhnlich umfasste
sie nur eine Seite des Bulbus, war aber hier in der Regel bis zur Ansatzstelle der geraden Muskeln vorgedrungen.
Bei Kaninchen war die Flüssigkeit, zuweilen durch die Sclera am Opticuseintritt zwischen den suprachorioidalen
Lamellen angelangt. Beim Menschen kam in diesen Injectionen bei gelindem, constantem Drucke letzteres nie vor.
Wenn wir bei demselben Individuum Menschen sowohl als Hunde— eine Doppelinjection mit verschieden
gefärbten Flüssigkeiten von den Subdural- und Subarachnoidalräumen des Rückenmarks aus gleichzeitig ausführten,
füllten sich von jedem Raume aus die entsprechenden Scheidenräume der beiden Optici, und zwischen den beiden
Injectionsmassen, dieselben von einander trennend, befand sich die dünne Arachnoidalscheide. Nur sehr selten
wie es schien, durch Berstung in Folge zu starken Druckes war eine Mischung der beiden Massen, und dann
zwar im Subarachnoidalraume, entstanden.
Bei directen Injectionen in die beiden Scheidenräume, jede für sich sei es, dass der Opticus in seiner natür-
lichen Lage in der Orbita sich befand oder zusammen mit dem Bulbus vorher ausgenommen und hinten mit einem
Faden umwunden wurde füllten sich dieselben wie bei den Injectionen von den entsprechenden Räumen der
Centralorgane aus. Wenn dabei ein mässiger, constanter Druck angewandt wurde, erhielten wir beim Menschen keine
andere Resultate als bei jenen Injectionen. Wenn bei der Injection die Handspritze gebraucht wurde, bekamen wir
beim Menschen und bei mässigem Druck mit der Richardsonschen Flüssigkeit auch übereinstimmende Resultate.
Wenn aber der Druck sehr stark erhöht wurde, sahen wir die Flüssigkeit vom Subduralraum des Opticus aus zuletzt
durch das Gewebe der Duralscheide treten; bei näherer Untersuchung fanden wir, dass sie zwischen den Lamellen
und Bündeln derselben sich mehr oder weniger ausgebreitet hatte. Wenn wir aber statt der Richardsonschen Flüssig-
keit eine leichtflüssigere Masse, besonders die schöne Asphalt-Chloroformmasse von Ludwig, anwandten, drang die
Injection schon bei nicht allzustarkem Druck durch die Duralscheide nach aussen; dabei füllte sich ein reichliches
Saftcanalsystem in derselben. Der letzteren Thatsache wegen wollen wir deswegen nicht verneinen, dass beim
Menschen ein Abfluss nach aussen vom Subduralraum des Opticus aus vorhanden sei, obwohl der bei der Injection
anzuwendende, nicht geringe Druck und besonders die negativen Resultate bei den Injectionen vom Subduralraum
der Centralorgane aus nach unserer Ansicht keine ganz sichere Schlüsse in dieser Hinsicht erlauben.
Bei Thieren mit dünneren Duralscheiden, Hund, Schaf, Kaninchen, gelingt es nun viel leichter, die Flüssigkeit
bei der Stichinjection im Subduralraum des Opticus durch diese Scheide ausfliessen zu lassen. Bald erhielten wir
Füllung einzelner Bahnen in dem Gewebe derselben, die sich bisweilen trichterförmig nach dem Subduralraum hin
öffneten, bald aber auch reichlichere Netze spaltenförmiger Gänge.
Nach innen zu drang bei unseren Injectionen, den directen sowohl als denen von den Centralorganen her,
die Flüssigkeit vom Subarachnoidalraum des Opticus aus nie durch die Pialscheide ins Innere des Nerven hinein.
Nie war sie hierbei in die Lamina cribrosa im Sinne Schmidts eingetreten.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 194
Der innere Bau und die Saftbahnen des Opticus.
Geschichtliches.
Da die Schilderung der Geschichte vom Bau des Sehnerven selbst nicht nothwendig in Zusammenhang mit
der obigen Historik der Hüllen der Centralorgane gegeben werden musste, zogen wir es vor, dieselbe hier in aus-
führlicher Gestalt als Einleitung zu unseren eigenen Untersuchungen über diesen Bau in einem besonderen Capitel
darzustellen.
Obwohl die Erkenntniss von der eigentlichen Structur des Sehnerven für die Ophthalmologie von grosser
Bedeutung ist, wurde sie doch nur allmählig angebaimt. Erst in den letzten Jahren sind einige der wichtigeren
hierauf bezüglichen Fragen näher erörtert worden.
Die erste Angabe über den feineren Bau des Sehnerven findet man bei Leeuwenhoek x). Er fand darin keinen
centralen Sehcanal, wie früher angenommen wurde; er sah aber, dass derselbe aus einer fasrigen, gefässartigen
Substanz besteht; diese Fasergefässe fand er mit langsam fortrückenden Kügelchen erfüllt. Ehrenberg2) erkannte,
dass der Sehnerv (eigentlich die »drei weichen Sinnesnerven») von eben solchen, varikösen oder »gegliederten» Nerven-
fasern besteht, wie Gehirn und Rückenmark, indem er eine unmittelbare Fortsetzung der Marksubstanz des Gehirns
ist; die Nervenfasern sollen bündelweise von Neurilemröhren (Sehnenfasern und Gefässnetz) umgeben sein.
Henle 3) äusserte über den Sehnerven, dass dieser im Gegensätze zu den übrigen Nerven, an welchen Ver-
flechtungen und Anastomosen aller Ordnungen sehr gewöhnlich sind, zu den wenigen Nerven gehört, in denen die
secundären Bündel fast parallel neben einander liegen In den structurlosen Röhren, welche wie in den übrigen
Nerven die einzelnen Bündel des Sehnerven umgeben, finden sich die auch in jenen Nerven vorkommenden, in Essig-
säure unlöslichen Fasern; bei diesem aber anastomosiren sie so vielfach unter einander, dass sie nur feine weiche
Membranen, netzförmig durchbrochen, darstellen.
Nach Hassall 4) bestehen die Nervi optici »aus mehreren Bündeln von Nervenröhr dien; dieselben sind sehr
dünn und leicht verletzbar, und zwischen ihnen sind zarte kugelförmige Zellen eingestreut, in welchen beiden Punkten
diese Nerven mit der weissen faserigen Substanz des Gehirns übereinstimmen».
Kölliker und H. Müller lieferten in ihrer Retina-Tafel der Icones physiologicse von Ecker 5) eine Abbildung
von dem Eintritt des Opticus in das Auge. An derselben sieht man die dabei stattfindende, bedeutende, kegelförmige
Verjüngung des Sehnerven, ferner das Hellerwerden der Nervenbündel etwas vor ihrem Durchtreten durch die Lamina
cribrosa und die schalenförmige Ausschweifung in der Mitte der Papille. Die Lamina cribrosa beginnt nach den
Verfassern bald hinter der vorderen Grenze der Chorioidea mit einer nach vorn schwach concaven Linie und erscheint
am Längsschnitt, als ein den Nervenstamm von einer Seite zur anderen durchsetzendes Band, welches sich nach
hinten eine Strecke in die Sclera hinein erstreckt.
B Op. I—IV. 1674. (Nach Ehrenberg).
2) Beobachtungen einer auflallenden bisher unerkannten Structur des Seelenorgans. Berlin 1836.
3) Allgemeine Anatomie. 1841.
4) Hassalls mikroskopische Anatomie des menschlichen Körpers im gesunden und kranken Zustande. Aus dem Englischen
übers v. 0. Kohlschüttee. Leipzig 1852.
5) Icones physiologicae. Herausg. v. Al. Bckee. Dritte Lieferung. 1854. 195
Nach Kölliker ’) verhält sich der Opticus vom Chiasma an bis zum Auge wie ein gewöhnlicher Nerv, und
bilden seine dunkelrandigen Fasern, »zwischen denen nach Hassall auch Nervenzellen sich finden sollen, welche ich
noch nicht gesehen habe, polygonale, von gewöhnlichem Neurilem umfasste Bündel». »Am Auge angelangt, verliert
sich die Scheide des Sehnerven in der Sclerotica, welche eine von aussen nach innen sich verengernde trichterförmige
Oeffnung zum Durchtritte des Nerven hat und ebenso endet auch das innere Neurilem in der Gegend der sieb-
förmigen Lamelle, so dass die Nervenröhren des Opticus allein für sich ohne ihre bindegewmbigen Hüllen in das Innere
des Auges treten». Innerhalb des Canales der Sclerotica ist der Opticus noch wei’ss und mit dunkelrandigen Böhren
versehen, vom Rande der Eintrittstellen an werden dagegen seine Elemente graulich durchscheinend.
Nach Donders 2) werden die Nervenbündel des Sehnerven nur durch ziemlich feste, faserige Fortsetzungen
der inneren Scheide von einander getrennt, so dass sich auch zwischen den secundären und tertiären Bündeln kein
lockeres Bindegewebe vorfindet; die elastischen Elemente sind hier weniger entwickelt und scheinbar nichts anderes,
als durch dünne Fortsätze mit einander zusammenhängende kleine längliche Kerne. Die innere Nervenscheide um-
hüllt den Stamm bis ganz in die Nähe der Chorioidea, mit der einige ihrer Fasern unzweifelhaft Zusammenhängen,
während sich die anderen unmittelbar unter der Chorioidea nach aussen zur Sclerotica Umschlagen. »Von diesem
inneren Theile der Sclerotica aus geht zugleich eine Anzahl elastischer Elemente, von denen sich die meisten hin-
länglich deutlich als verästelte Zellen zu erkennen geben, zwischen die einzelnen Bündel des Sehnerven hindurch,
und bildet die sogenannte Lamina cribrosa»; diese steht, beim Menschen wenigstens bei vielen Thieren hängt
eine pigmentreiche Lamina cribrosa ihrem grössten Theile nach mit der Chorioidea zusammen nur mit einem
äusserst kleinen Theile mit der Chorioidea im Zusammenhänge, Noch weiter nach innen, ja zuweilen selbst bis in
die Netzhaut hinein, bleiben die Bündel durch einen Fortsatz von dem interfasciculären Gewebe des Nerven geschieden.
In demselben gewahrt man häufig eine grosse Menge freier Kerne, welche die einzelnen Bündel der Nervenfasern
von einander trennen. •*
Klees 3) theilt den Sehnerven in drei der Structur nach verschiedene Abschnitte. 1. Den der weissen Opticus-
substanz, im dickeren extraocularen Theile, nach vorn ungefähr bis zur Höhe der Opticusscheiden reichend. 2. Die
Schicht der Lamina cribrosa, wozu er den ganzen Abschnitt des Nerven von der Höhe der Scheiden bis zur inneren
Fläche der Chorioidea rechnet. 3. Den intraocularen Abschnitt von der letztgenannten Grenze bis zum üebergang
in die eigentliche Retina; er stimmt in seinem Verhalten ganz mit der Nervenschicht an der Retina überein.
Unterhalb oder ausserhalb der Lamina cribrosa besteht nach Klees gewiss die Hälfte der Substanz aus Binde-
gewebe. In diesem ersten weissen Abschnitt liegen die einzelnen Nervenbündel regelmässig vertheilt in paralleler
Anordnung. Sie anastomosiren sehr selten, und die Dicke der Zwischensubstanz kommt beinahe der der Bündel gleich.
In der zweiten Schicht treten dagegen die einzelnen Nervenfaserzüge in vielfache Verbindung untereinander und
zwar immer unter sehr spitzen Winkeln, die einzelnen Bündel convergiren, und demgemäss nimmt die Zwischen-
substanz nach dem Auge hin ab. Endlich in dem dritten intraocularen Abschnitt liegen die Bündel dicht aneinander;
dunklere Linien von nahezu parallelem Verlauf bestimmen noch eine deutliche Sonderung. Den Bau der einzelnen
Nervenfasern fand Klees in den verschiedenen Schichten nicht verschieden. Das Isoliren der Elemente der weissen
Substanz bot ihm doch so viele Schwierigkeiten, dass er kein ganz entschiedenes ürtheil abgeben wollte. Soviel konnte
er indess »sicher behaupten, dass die Farbe der weissen Substanz wesentlich von der Beschaffenheit der Zwischen-
substanz bedingt wird».
Die verschiedene Masse des Bindegewebes in den drei Schichten bedingt nach ihm die Unterschiede im Dicken-
durchmesser. Die Verbreiterung beginnt in der Gegend der inneren Chorioidal-Fläche und erreicht ihr Maximum
(fast die doppelte Breite) erst im Anfänge des Theils, der innerhalb der Scheiden liegt. In der weissen Substanz
des Opticus bildet die Hauptmasse des Bindegewebes in derselben Richtung wie die Nervenfaser-Bündel verlaufende,
derbe Züge, welche aus breiten, vielfach unter einander sich verbindenden Fasern zusammengesetzt sind. In grossem
Abständen senden diese Fasermassen stärkere Zweige aus, welche unter rechtem Winkel abgehend sich auf die
Nervenbündel legen. »Denkt man sich alles andere Gewebe entfernt, so besteht dieser Theil des Opticus aus einem
starren Gerüst von in der Längsrichtung verlaufenden Säulen, die durch Querstücke vielfach mit einander verbunden
sind. Die dazwischen bleibenden Lücken werden aber nicht von der Nervenmasse allein eingenommen, vielmehr
x) Mikroskopische Anatomie. Zweiter Band. Zwreite Hälfte. 1854.
2) Archiv f. Ophthalmologie. Bd. I. Ahtheil 11. 1855.
3) Archiv f. pathol, Anat. u. Physiol. u. f. klin. Medicin. Bd 19. 1860. 196
schicken jene Pfeiler und Balken überall sehr feine Zweige ans, die sich fast augenblicklich in ein ausserordentlich
feines Netzwerk auflösen, dessen Natur erst bei stärkerer Vergrösserung erkannt werden kann». Die Behauptung
v. Ammons, dass die Nervenfaserbündel von ’Säcken’ eingeschlossen sind, fällt allso zusammen. Vielmehr sieht man
oft auf der einen Seite des Nervenfaserbündels einen solchen derben Längsstrang, »während die andere Seite ein
Netzwerk von Bindegewebsfasern zeigt, das etwas grössere Maschen und derbere Fasern hat, als dasjenige, welches
den eigentlichen Nervenstrang durchsetzt. In diesen Partien findet man die vielen ’freien’ Kerne liegen, von welchen
Donders spricht; doch kommen sie, freilich in geringerer Anzahl, auch in dem feinen Netzwerk vor, welches die
Nervenfaserbündel durchsetzt. Sie haben oft genau dieselbe Beschaffenheit, wie die Kerne der Körnerschichten der
Netzhaut, sind vollkommen rund, haben eine scharfe Contour und ein etwas glänzendes Ansehen, neben einem fein
körnigen Inhalt, der das Ganze gleichmässig erfüllt». Oft aber auch haben sie eine mehr längliche Gestalt, eine
scharfe, dunkle Contour von einer gewissen, freilich noch unmessbaren Breite. Es ist nach Klees »sehr schwierig
zu entscheiden, ob dies wirklich freie Kerne sind». »Man konnte schwanken zwischen zwei Auffassungen: entweder
lagen die Kerne wirklich frei im Gewebe und dann im mikroskopischen Bilde ringförmig umkreist von einer scharfen
dunkeln Linie, an welche von aussen her die feinen netzartigen Bälkchen des Bindegewebes sich ansetzen, und diese
Deutung schien mir hier das meiste für sich zu haben; oder es treten die Bälkchen direct an die Kerne heran.
Dies Verhalten stimmte mit dem der Körnerschicht der Netzhaut überein».
In ihrem Verlaufe nach dem Auge zu werden nach Klees die säulenartigen Bindegewebsbündel immer schmaler,
indem sie seitliche Aeste in immer grösserer Zahl abgeben, die nunmehr mit dem Hauptstamm einen dem Auge zuge-
kehrten spitzen Winkel bilden. »Indem nun so die querverlaufenden Fasern überwiegen und in der Höhe der doppelten
Opticusscheide auch die Maschen des bindegewebigen Netzwerks immer weiter, die Fasern immer gröber werden,
treten die einzelnen Nervenfasern viel deutlicher hervor. Die Nervenbündel haben hier wirklich eine Art Scheide,
von welcher die querverlaufenden Fasern entspringen». Während die innere Scheide des Opticus aus senkrecht von
der Sclerotica herabsteigenden Fasern sich zusammensetzt, so ist es auch in der Lamina cribrosa die Sclerotica,
welche neben den Scheiden der einzelnen Nervenfascikel einen grossen Theil der Querfasern abgiebt. Die Chorioidea
betheiligt sich daran so viel wie gar nicht. In dieser Schicht, der Lamina, scheinen die Kerne oder Zellen gänzlich
zu fehlen. Nach innen von der Innenfläche der Chorioidea »treten die Querfasern des Bindegewebes sehr deutlich
hervor, sie bilden hier feine, gerade, die sich um den vierten Theil eines Kreises biegenden Opticusfasern in radiärer
Richtung durchsetzenden Linien, bereits genau von der Gestalt und Anordnung der radiären Fasern der Netzhaut.
Sie anastomosiren vielfach mit einander, aber die Aestchen, welche unter rechten Winkeln sich verzweigen und
ziemlich weite Maschen bilden, sind so fein, dass sie nur an den ganz dünnen Rändern der Präparate erkannt werden
können». In der sog. Papillargegend trägt die innere Oberfläche der Retina normalmässig eine seichte Ausbuchtung.
Nach Henle *) giebt das von ihm sog. innere Neurilem (die Pialscheide) allein die Scheidewände ab, welche
den Stamm des Nerven in Bündel theilen. Die Nervenfasern des Opticus sind dunkelrandig. Sie sind in prismatische,
seltener cylindrische Bündel abgetheilt, in deren schmalen Zwischenräumen Bindegewebsbündel von meist longitu-
dinalem Verlauf und feine Gefässe hinziehen, dergleichen sich auch häufig, den Nervenfasern parallel, in der Axe
der stärkeren Bündel finden. In dem dem Bulbus nächsten Theil werden die Gefässe zahlreicher; sie bilden um
die Bündel ziemlich regelmässige Maschen und Ringe in den Interstitien der Bündel. Der Querschnitt der Gefässe
zeigt sie zusammengesetzt aus einer inneren epithelialen Membran und einer äusseren, verhältnissmässig mächtigen,
structurlosen Schichte. Auf dem Wege durch die Sclera werden Theilungen und Anastomosen der Nervenbündel
häufiger; sie vervielfältigen sich dabei und verfeinern sich zugleich. Die Verjüngung beruht aber auf Verminderung
nicht bloss der Zahl, sondern auch der Stärke der Primitivfasern. Diese ändern plötzlich ihren Character; sie brechen
das Licht schwächer und verlieren demgemäss die dunklen Contouren, »ob bloss in Folge der Verringerung des
Durchmessers oder des Verlustes einer besondern, fetthaltigen Scheide, ist noch streitig». Die weisse Farbe der
Nervenfasern geht in eine durchscheinend graue über; die Grenze ist scharf und stellt auf dem Längsschnitt eine
schwach vorwärts concave Linie dar. Die Verjüngung des Kalibers der Opticusfasern ist so bedeutend, dass trotz
der Vermehrung des in den Zwischenräumen der Bündel gelegenen Gewebes der Nervenstamm sich innerhalb der
Sclera kegelförmig zuspitzt. Der abgestumpfte Gipfel des Kegels liegt in der Oeffnung der Chorioidea. Das inter-
stitielle Bindegewebe nimmt in dem die Sclera durchsetzenden Abschnitt des Opticus schon wegen der feinen Zer-
') Handbuch der systemat. Anatomie. Bd 2. 1866. 197
Spaltung der Bündel einen grösseren Raum ein. Aber in dem Masse, wie die Bündel feiner werden, nehmen die
Zwischenräume auch absolut an Breite zu und werden eingenommen von zierlich netzförmig verflochtenen Binde-
gewebsbündeln, deren Maschen in einer auf die Axe der Nerven senkrechten Richtung verlängert sind. Ein Theil
dieser Bündel schliesst Capillargefässe ein; häufig folgen ihnen Reihen von gestreckten Zellenkernen, und von der
Chorioidea aus zieht sich sternförmiges Pigment längs der inneren Nervenscheide herab und zuweilen auch zwischen
die Nervenbündel.
His 1)1 welcher in Zusammenhang mit seinen Untersuchungen über die Lymphbahnen der nervösen Central-
organe die Lymphgefässe der Retina zu finden suchte, gelang es durch Injectionen der Blutgefässe dieser Bildung
unter einem grossem Druck und dadurch hervorgebrachte Berstungen dieser Gefässe »ein äusserst elegantes Röhren-
system» zu füllen, welches zu dem System der Blutgefässe sich genau so verhielt, wie das der Hirnlymphgefässe zu
den Hirnblutgefässen, d. h, es umgab allenthalben jenes in Form von Mantelrohren. An Silberpräparaten überzeugte
er sich auch leicht vom Vorhandensein »eines äusseren Epithels» an den Blutgefässen. Dieses von demselben begrenzte
perivasculäre Röhrensystem gelangt in den inneren Retina schichten zur Eintrittsstelle des N. opticus und sendet in
diesen ihre Sammelstämme. Die Abflusscanäle konnte er doch nicht mit Sicherheit finden. An der Lamina cribrosa
müssen sie nach ihm sehr eng sein; »dagegen zeigt der äussere Theil des N. opticus wieder ein reiches Netz von
Lymphgefässen, die indess hier nicht mehr perivasculär verlaufen, sondern mehr oder weniger unabhängig von den
Blutgefässen; besonders reichlich sind sie in der innern Opticusscheide, in der sie auch leicht injicirt werden können.
Für jetzt glaube ich diese im Opticus befindlichen Lymphkanäle als die Abzugswege der Retinalymphe ansehen
zu müssen».
Nach Leber 2) sind die Nervenbündel des Sehnerven, welche am Querschnitt eine unregelmässige, rundliche
oder polygonale Gestalt zeigen, von einander getrennt durch ein Netz von Bindegewebsbalken, die theils longitudinal
zwischen den Bündeln verlaufen, theils zahlreiche und schräge Anastomosen zwischen ersteren bilden. Die stärkeren
Nervenbündel werden durch feinere Balken in dünnere secundäre getheilt. Das Netz der Bindegewebsbalken ist
der Träger der den Sehnerven versorgenden Gefässe; diese gefässtragenden Balken bestehen aus lockigem Binde-
gewebe, das die im Inneren verlaufenden Gefässe umhüllt und eine kleine Anzahl stark in die Länge gezogener
Kerne umschliesst. Die Balken isoliren sich ziemlich leicht von den Nervenbündeln und zeigen dann ziemlich glatte
Ränder, woraus hervorgeht, dass sie nicht etwa direct ins Innere der Nervenbündel zahlreiche Fortsätze abgeben.
»Trotzdem sind die Nervenbündel von einem zarten bindegewebigen Netzwerk durchzogen, das als die Neuroglia
des Sehnerven anzusehen ist und jedenfalls zum grössten Theil aus den Ausläufern sternförmiger Zellen besteht,
welche theils am Rande der Bündel, theils innerhalb derselben ihre Lage haben». An Längsschnitten sieht man
nämlich »ein zartes Netz von meist quer gerichteten Maschen, das deutlich zusammenhängt mit sternförmigen Zellen,
die theils im Innern der Bündel ihre Lage haben, theils aber und hauptsächlich am Rande der Bünde] zwischen
ihnen und den Bindegewebsbalken angelagert sind». Man erkennt an Carminpräparaten, »dass es sich nicht um freie
Kerne, sondern um sternförmige Bindegewebskörperchen mit Ausläufern handelt; dieselben lassen sich aber auch
durch Zerzupfen vollständig isolirt darstellen. Diese Zellen sind namentlich in der Nähe des Auges zwischen den
Bündeln in deutliche Längsreihen angelagert, in denen sie dicht gedrängt neben einander liegen. An Querschnitten
sieht man, dass nur die feineren zwischen den Balken verlaufenden Bälkchen Bindegewebszüge in’s Innere derselben
absenden, die in das eben beschriebene Netzwerk übergehen, während die Ränder der gröberen Balken, wie schon
erwähnt, ganz glatt sind und nicht in directem Zusammenhang mit diesem Netzwerk stehen». »An der Lamina
cribrosa, wo die längsverlaufenden Balken von einem sehr reichen Netz von feineren, quer verlaufenden Bindegewebs-
zügen durchkreuzt und durchflochten werden, nehmen auch die Gefässe einen ganz entsprechenden Verlauf und
zeigen sehr dichte, in der Querrichtung verlängerte Maschen». Betreffs der markhaltigen Nervenfasern des Opticus
schien Leber die Existenz einer zarten isolirbaren Scheide nicht zweifelhaft.
Nach Wolfring3) erblickt man an Schnitten durch die Lamina cribrosa des menschlichen Opticus, die mit Carmin
gefärbt sind, »an Stelle des die Nervenbündel durchflechtenden Bindegewebes eine ungemeine Zahl ganz in derselben
Weise wie letzteres angeordneter und intensiv gefärbter lymphoider Körperchen. Dieselben finden sich aber nicht
x) Verhandlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Theil 4. 1806.
2) Archiv f. Ophthalmologie. Bd 14. 1868.
3) Archiv f. Ophthalmologie. Bd. 18. Abtheil. 11. 1872.
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 198
nur in dem die ersteren Bündel scheidenartig umhüllenden Gewebe, sondern zahlreich auch innerhalb der Bündel
selbst». Besonders zahlreich sind diese Gebilde bei Neugeborenen. »Ihre Menge ist eine so bedeutende, dass man
im ersten Augenblicke geneigt sein könnte, ihre Anhäufung als die Folge eines entzündlichen Processes aufzufassen».
Das Bindegewebe der Lamina cribrosa begleitet überall die Blutgefässe, »gewissermassen wie eine dieselben ein-
hüllende breite Adventitia. Ueberall, wo nur das Bindegewebe von der Peripherie aus in die Siebplatte eindringt,
sieht man in dessen Stränge eingeschlossene, injicirte Blutgefässe», wenn nämlich diese vorher injicirt wurden. An
Längsschnitten stellt sich die Siebplatte dar als bestehend aus dichten, parallelen, bogenförmigen Bindegewebsbündeln,
die mit ihrer Convexität gegen die Hinterfläche des Auges gewandt sind und von den Nervenfaserbündeln quer
durchzogen werden. An dergleichen Schnitten von injicirten Präparaten entspricht die Richtung dieser Bindegewebs-
bündel der Richtung der injicirten Blutgefässe, ja die ersteren stellen sich dar wie einfache Verdickungen der Gefäss-
wände. Wie oben angegeben wurde, erhielt Wolfring durch Einstich »unmittelbar unter die Oberfläche der inneren
Nervenscheide» eine vollkommen gute Füllung der Räume um die Faserbündel im Inneren des Nerven, ferner des-
gleichen in der Siebplatte und zwischen den Nervenscheiden. Die Injectionsmasse bildet dann ein deutliches Netz
bestimmt begrenzter Canäle um die Nervenbündel herum und anastomosirt mit einem anderen nur mehr dichten
Netz in der Siebplatte selbst. Die Verbreitung dieser Netze von Lymphbahnen entspricht der des Bindegewebes
und somit auch der der Blutgefässe. Die Lymphbahnen ziehen indessen dicht um die Nervenbündel herum. Auf
Längsschnitten erscheinen die Lymphbahnen nicht etwa als diffus die Nervenbündel einhüllende Scheiden, sondern
als gleichfalls mit einander communicirende, die Bündel umspinnende Netze. Ein gleiches, ziemlich regelmässiges
Netz von Canälen existirt auch an der inneren Fläche der inneren Nervenscheide und communicirt einerseits mit
den eben beschriebenen Räumen, andererseits sammelt es sich in grössere, nach aussen von der Scheide sich öffnende
Stämme. »Um zu constatiren, dass diese Bahnen als wahre Lymphgefässe aufzufassen seien, wäre vor Allem der
Nachweis eines dieselben auskleidenden üeberzuges zu führen». Die Ausführung von Injectionen mit Höllenstein-
lösung behält er der Zukunft vor. Ihr Aussehen, Vertheilung und übrige Beschaffenheit geben doch die Ueber-
zeugung, dass sie wirkliche vorgebildete lymphatische Bahnen sind. »Was die oben erwähnten lymphoiden, den
ganzen Sehnerven infiltrirenden Körperchen anbetrifft, so überzeugt man sich an Schnitten, an denen auch die Lymph-
bahnen injicirt sind, dass jene Körperchen zum Theil die lymphatischen Bahnen erfüllen, zum Theil indessen in
dem Gewebe ausserhalb derselben sowie auch im Innern der Nervenbündel selbst sich in reichlicher Anzahl vorfinden».
Er glaubt ferner, dass ein Connex zwischen den Lymphbahnen des Sehnerven und dem Perichorioidalraum durch
den sog. Scheidenring Jägers in der Sclera sich nachweisen lasse. »Ein zweites innerhalb der inneren Scheide
liegendes Netz von Lymphbahnen umgiebt unmittelbar von allen Seiten den Nerv und reicht bis zum Niveau der
Netzhaut selbst; daselbst angelangt verschwimmt es an meinen Präparaten in ganz unbestimmter Weise; indessen
glaube ich annehmen zu dürfen, dass es mit den von His beschriebenen perivasculären Lymphwegen in der Netzhaut
selbst in unmittelbarem Zusammenhänge steht».
Leber l) äussert später betreffs der von Wolfring angegebenen Lymphkörperchen, dass er zu bedenken geben
möchte, ob die fraglichen »kernartigen Gebilde wirklich Lymphkörperchen und nicht vielmehr Kerne der in die Binde-
gewebsbalken eingeschlossenen, besonders aber der ihnen aufliegenden, im letzteren Falle platten Zellen sind, deren
Vorkommen von mir geschildert wurde».
Schwalbe 2) unterscheidet am Sehnervenstamm einen markhaltigen und marklosen Theil. Ersterer zerfällt in
zwei Abschnitte, in den vorderen die Centralgefässe einschliessenden und den hinteren, solchen Gefässen mangelnden.
Letzterer zerfällt auch in zwei Abschnitte, in (das von der Sclera und Chorioidea umrahmte Stück) die Lamina
cribrosa und die Papilla optici. Im markhaltigen Theil unterscheidet er Nervenfaserbündel und bindegewebiges Stroma.
Dieses nimmt seinen Ursprung von der inneren längsfaserigen Schicht der Pialscheide. Es ist ein derbes, straffes,
fibrilläres Gewebe, dessen Fibrillen durch eine sehr resistente Kittsubstanz viel fester zusammengehalten werden,
als die des gewöhnlichen Bindegewebes. An Isolationspräparaten erhält man einen Ueberblick seiner Anordnung.
Es zeigt sich dann deutlich zusammengesetzt aus längsgehenden Bindegewebssäulen und zahlreichen gröberen und
feinen, einfachen oder getheilten Querbalken, welche die längsgehenden Säulen unter einander verbinden. Die Quer-
balken, welche wie Reifen um die Nervenfaserbündel herum liegen, sind nicht drehrund, sondern mehr oder weniger
breite Platten, deren Fläche der Oberfläche der Nervenbündel zugekehrt ist und die mit dreieckiger Verbreiterung
1) Archiv für Ophthalmologie. Bd 18. Abtheil. 11. 1872.
-) Handbuch d. gesammt. Augenheilkunde. Redigirt v. Alfred GrtEFE und Th. SvEmisch. Leipzig 1874. 199
in die longitudinalen Säulen übergehen, indem ihre Faserung in der allermannigfachsten Weise in diese ausstrahlt.
In den Balken liegen langgestreckte, spindelförmige Kerne. Zwischen den Querbalken bleiben runde oder ovale
Löcher von verschiedenem Durchmesser frei, in deren Bereich also die Nervenbündel nur durch einen capillaren
Raum, nicht durch Bindegewebe, von einander getrennt werden. Das Bindegewebsgerüst ist der Träger der Blut-
gefässe des Sehnerven. Diese dringen mit den feinsten Septen zwischen die secundären Nervenbündel hinein, nie
aber in das Innere eines solchen. Ausser den genannten Elementen bemerkt man auf Querschnitten, die mittelst
Garmin gefärbt sind, »noch zahlreiche elliptische, meist langgezogene Kerne, und zwar finden sich dieselben nicht
bloss in der Umgebung der Gelasse und in deren Wandungen (Leber), sondern auch an gefässfreien Stellen, zwischen
den Fibrillen und besonders an der den Nervenbündeln zugekehrten Oberfläche, der man nicht selten in regelmässigen
Abständen spindelförmige Kerne aufgelagert findet». Bei Isoliren des Bindegewebsgerüstes »lösen sich leider die
zeitigen Elemente von der Oberfläche der Fibrillen; es war deshalb nicht möglich, fest zu stellen, ob die regelmässig
auf der Oberfläche der Bindegewebsbalken vorkommenden spindelförmigen Kerne etwa einem umhüllenden Endothel
angehören, zumal da auch die Silbermethode (EinstichTnjectionen von Argentum nitricum 7i—1 pc. in den Opticus)
keine Resultate ergab. Doch gelingt es nicht schwer, kernhaltige Plättchen aus diesem Gewebe zu isoliren, deren
Lage freilich schwer zu bestimmen ist». Im Inneren der beschriebenen »Bindegewebskörbe» verlaufen die Nerven-
faserbündel, meist deutlich durch einen capillaren Raum von dem Bindegewebe geschieden. Sie theilen und verbinden
sich wieder unter sehr spitzen Winkeln, in der Nähe des Augapfels häufiger. Die Nervenbündel enthalten feine und
feinste markhaltige Nervenfasern und platte kernhaltige Zellen. Den Nervenfasern fehlt die Schwannsche Scheide.
Sie sind durch eine eigenthümliche Substanz an einander gekittet, die mit der sog. Neuroglia oder Bindesubstanz
der Centralorgane identisch ist; diese Substanz enthält »nie leimgebende Fibrillen, sondern besteht aus einer im
frischen Zustande weichen homogenen Grundsubstanz, die überall die Nervenfasern verkittet, und aus Zellen, welche
in derselben vertheilt liegen. Die Grundsubstanz bildet auf Querschnitten, entsprechend der Anordnung der Nerven-
fasern, ein sehr feines Netz mit runden Maschenräumen; jeder der letzteren wird durch einen Nervenfaserquerschnitt
ausgefüllt; die Oberfläche eines jeden Bündels scheint überdies von einer dünnen Lage dieses Nervenkittes con-
tinuirlich überzogen zu sein. Dass derselbe im Leben sehr weich, nahezu flüssig ist, ergiebt sich aus den Resultaten
von Einstich-Injectionen in den frischen Opticus. Die Injectionsmasse (Berlinerblau) dringt dann leicht ins Innere
der Bündel und bildet daselbst (auf dem Querschnitt) höchst zierliche Netze, die dieselbe Form und Anordnung zeigen,
wie das Neuroglia-Netz. Eine jede Nervenfaser liegt nun in einem blauen Ringe». So auch an der Oberfläche der
Bündel. Nach Behandlung mit Alkohol gerinnt die Neuroglia und »stellt jetzt ein aus feinen Bälkchen zusammen-
gesetztes Reticulum dar». Von den der Neuroglia angehörigen Zellenkernen finden sich die meisten an der Ober-
fläche der Nervenfaserbündel, eine geringere Zahl im Inneren derselben unregelmässig vertheilt. Die Kerne der
Oberfläche sind meist in Reihen ungeordnet, welche der Längsaxe des Bündels parallel verlaufen. Beim Zerzupfen
lösen sich die Kerne leicht von der Oberfläche ab; »es stellt sich dann heraus, dass sie äusserst zarten homogenen
Plättchen angehören, die nicht selten mit eingerissenen zerfetzten Rändern zur Beobachtung kommen. Diese Zellen
liegen platt den Bündeln an und bilden eine vielfach unterbrochene Hülle derselben; sie gleichen in allen Eigen-
schaften den Zellen des Bindegewebes, den Endothelzellen, nur dass gerade hier eine Formverschiedenheit der Kerne
besteht. Wenn ihre Ränder zerfetzt, eingerissen sind, können sie auch wohl den Eindruck sternförmiger Zellen
machen und sind als solche vielfach aus den Centralorganen beschrieben, auch wohl als Spinnenzellen (Jastrowitz)
bezeichnet. Besonders in den Fällen, wo in der Ebene der elastischen durchsichtigen Zellplatte vom Kerne aus
rippenförmige sich verästelnde Verdickungen auslaufen, scheint man es mit sternförmigen Elementen zu thun zu
haben, da die glashellen Plattenstücke zwischen den Rippen gar zu leicht übersehen werden. Nach Allem haben
wir die Zellen der Kittsubstanz der Opticusfasern für eine Art Endothel zu halten, das um jedes Bündel eine un-
vollständige Scheide bildet und mit einzelnen Elementen in unregelmässigerer Weise das Innere der Bündel durch'
setzt. Es wendet den capillaren Spalten zwischen Bindegewebe und Nervenbündel eine glatte Oberfläche zu. Ein
regelmässiges Netz schwarzer Linien auf derselben mittelst Silbernitrat darzustellen, ist mir indessen nie gelungen».
Ferner glaubt er die Uebereinstimmung dieser Zellen mit Endothelzellen entschieden betonen zu müssen. »Gegen
Leber muss ich entschieden die Selbstständigkeit der Zellen der Grundsubstanz gegenüber behaupten». Nach der
von Schwalbe angewandten Methode, »sowie nach Maceration in dünnen Chromsäurelösungen lassen sich die Zell-
platten stets reinlich isoliren; vom Neuroglianetz ist dann nichts zu bemerken, da die Substanz in Lösung über-
gegangen ist; nur nach Behandlung mit coagulirenden Flüssigkeiten kommt das Netz zur Ansicht, das also nicht 200
mit der Zellsubstanz continuirlich sein kann, so dass es etwa, wie Leber will, von den Zellenausläufern gebildet
würde)).
An der Grenze der Lamina cribrosa verlieren die Opticusfasern ihre Markscheide. Die Neurogliakerne nehmen
durchaus nicht an Zahl ab; vielmehr erscheinen sie enger an einander gerückt, Ihre Anordnung in Längsreihen ist
besonders deutlich. Die Pialscheide geht hier unmittelbar in die Sclerotica über, und diese schickt nun ebenso
Bindegewebsscheidewände ins Innere der Nerven zwischen die Nervenbündel; sie sind aber reichlicher und mächtiger,
und es treten die longitudinalen Faserzüge bedeutend zurück. Beim Menschen ist eine Betheiligung der Chorioidea
an der Bildung der biamina cribrosa in den meisten Fällen nicht nachgewiesen. Nur selten sieht man hier pigmentirte
Zellen zwischen den Nervenbündeln; dagegen finden sich in allen Fällen in der Ebene der Chorioidea, den Sehnerven
quer durchsetzend, zartere Faserzüge als die der Lamina cribrosa angehörigen; dieselben stammen aber vom innersten
Winkel der Sclera und von dem die Centralgefässe begleitenden Bindegewebe. In der Papilla optici gehen zwischen
den Nervenbündeln von dem die Centralgefässe begleitenden Bindegewebe feine Faserzüge nach allen Seiten hinaus
und bilden die Hauptmasse des Bindegewebes der Papille; nur wenige dünne Faserzüge gehen von dem innersten
Winkel der Chorioidea aus. Sobald die Nervenfasern zur Ebene der Retina sich umgebogen haben, treten die Radial-
fasern auf. Die Bündel sind nur durch capillare Spalten getrennt, die theilweise von platten, der Oberfläche der
Nervenfaserbündel anklebenden Zellen ausgekleidet sind. Diese platten Zellen entsprechen in allen Stücken denen
des Sehnerven. Sie gleichen sehr isolirten Endothelzellen.
In Zusammenhang mit den oben beschriebenen Lymphräumen der Scheiden des Opticus steht nach Schwalbe
ein Netz feiner Lymphspalten, welches den intraorbitalen Theil des Sehnerven in seiner ganzen Ausdehnung durch-
setzt und durch einen Einstich unter der Pialscheide leicht zu injiciren ist. Es schiessen dann sofort einzelne längs-
verlaufende Streifen an, dann färbt sich nach und nach die benachbarte Partie intensiv, und endlich quillt die In-
jectionsmasse durch die Pialscheide hervor, dies am leichtesten dicht am Bulbus. »Nie gelingt deshalb eine Injection
des Lymphspaltensystems des Sehnerven in seiner ganzen Ausdehnung, da ja die Masse stets einen leichten Abfluss
durch die Pialscheide hindurch findet». Untersucht man einen in dieser Weise injicirten Opticus, »so findet man
einmal in der Pialscheide und in den davon abtretenden den Sehnerven durchsetzenden Bindegewebszügen zahlreiche
spaltförmige Räume injicirt, anderseits die Masse frei zwischen der Oberfläche der Nervenfaserbündel und den
diesen benachbarten Bindegewebsbündeln, in capillaren, die Nervenfaserbündel umhüllenden Spalträumen. Letztere,
deren sich ein grösserer an gehärteten Präparaten unter der Pialscheide nachweisen lässt, entsprechen wohl in ihrer
ganzen Ausdehnung dem ganzen epicerebralen Raume von His», »Alle die genannten Räume communiciren unter
einander; es scheint sich bald mehr das dem epicerebralen Raume entsprechende System, bald das in der Pialscheide
und deren Fortsätzen gelegene Spaltennetz zu füllen». Innerhalb der Lamina cribrosa wird das Spaltensystem
des Bindegewebes dichter und weiter; im übrigen verhalten sich die Lymphbahnen ganz so wie im extrabulbären
Theil des Sehnerven. Von der Lamina hinaus sieht man ferner zahlreiche feine Streifen in radiärer Richtung eine
Strecke weit von der Papilla optici ausstrahlen, eine zierliche Strahlenfigur darstellend, indem die Zwischenräume
zwischen den Bündeln sich gefüllt haben. Nach Schwalbe lassen sich bei Einstich unter der Pialscheide »perivascu-
läre Canäle der Netzhaut regelmässig füllen, zugleich mit den Lymphgefässen des Sehnerven». »Endlich füllt sich
fast immer eine mehr oder weniger grosse Strecke eines schalenförmigen capillaren Raumes zwischen Membrana limitans
interna und Hyaloidea und sehr häufig dringt Masse zwischen Pigmentschicht und Stäbchenschicht der Netzhaut ein,
eine partielle Ablösung derselben herbeiführend)). Nie aber füllt sich ein Raum zwischen Limitans interna und
Opticusfaserschicht. Die normalen Abflusswege für die Sehnerven-Lymphe verlaufen einmal zwischen den Bündeln
selbst nach dem Gehirn zu, andererseits bestehen zahlreiche Communicationen mit dem subarachnoidalen Raume,
»welche aber für gewöhnlich nur von innen nach aussen durchgängig sind». 201
Histologische Beschreibung.
Der Stamm des Opticus.
Unsere eigenen Untersuchungen über das Innere des Sehnerven beziehen sich sowohl auf den feineren Bau
desselben als auf seine Saftbahnen. Wir werden indessen hier besonders die Fragen ausführlicher besprechen,
welche uns in den Auffassungen anderer Forscher unrichtig dargestellt oder zweifelhaft erscheinen. Vor Allem haben
wir die Verhältnisse beim Menschen verfolgt; bei Thieren aber nur, wenn uns eine Vergleichung von Wichtigkeit
erschien. Unsere Schilderung betrifft deswegen den Menschen speciel.
Der extrabulbäre, oder richtiger, der von den Scheidenräumen (Subdural- und Subarachnoidalraum)
umgebene oder markhaltige Theil des Opticus, der eigentliche Sehnervenstamm, welcher rings herum von der Pial-
scheide umfasst wird, besteht aus drei verschiedenen Bestandtheilen, den Nervenfasern selbst, den blutgefäss-
führenden Bindegewebsbalken und den eigenthümlichen, die Saftspalten durchziehenden Zellen.
Die Nervenfasern ordnen sich, wie bekannt, nachdem sie das Chiasma verlassen, zu bestimmten Bündeln,
welche den ganzen Opticus hindurch einander parallel verlaufen. Am Längsschnitt gesehen sind die Bündel ziemlich
gleich breit, doch ist zuweilen die Breite der verschiedenen Bündel etwas verschieden. Hie und da sieht man sie,
wenn man die Längsschnitte vom centralen Ende nach der Peripherie hin durchmustert, sich in zwei dünnere theilen
und die beiden so entstandenen Bündel setzen sich dann parallel neben einander fort. An anderen Stellen findet
man zwei Bündel zu einem verschmelzen. Am Querschnitt des Opticus sieht man nun die Bündel als die bekannten
polygonalen, abgerundet eckigen Figuren sich zu dem ganzen Stamm ordnen. Sie sind indessen von sehr ver-
schiedener Grösse und Gestalt; die grösseren zerfallen in mehrere kleinere sog. secundäre Bündel; so zum Theil
auch die kleineren, nur die kleinsten erscheinen nicht weiter zerspaltet. Das die Bündel von einander trennende
Gewebe werden wir bald unten beschreiben.
Die Nervenbündel sind alle aus einer grossen Menge feiner Nervenfasern zusammengesetzt, welche ganz den-
selben Character wie die weissen Fasern der Tractus optici und der Centralorgane überhaupt darbieten, d. h. sie
bestehen aus sehr feinen Axencylindern, welche mit dünnen Myelinscheiden umgeben sind. Diese Myelinscheiden
sind besonders leicht durch üeberosmiumsäure darzustellen; man findet dann dass dieselben von verschiedenem
Durchschnitt sind, dass dies aber am meisten auf ihrer varikösen Beschaffenheit beruht. Die Varikositäten sind in-
dessen nicht bloss durch die Ansammlung des Myelins verursacht; am Querschnitt derselben sieht man im Gegen-
theil gewöhnlich einen hellen Raum, wie von einer angesammelten Flüssigkeit zwischen dem Axencylinder und
der Myelinscheide gefüllt. Auch am Längsschnitt findet man an den Varikositäten einen hellen Raum zwischen der
Myelinscheide und dem Axencylinder. Welche Tragweite diese Thatsache haben kann, mögen kommende Unter-
suchungen erläutern. Es scheint indessen als ob im Allgemeinen die Varikositäten grösstentheils auf der Präparation
beruhen. Wie Schwalbe bemerkt, erhält man durch Silberimprägnation des frischen Sehnerven die Nervenfasern ohne
solche Varikositäten. Zwischen den aus solchen Nervenfasern bestehenden Bündeln spannt sich nun ein reichliches Gerüst
von steifen bindegewebigen Balken. Es sind dies die schon oben bei der Besprechung der Pialscheide beschriebenen.
Da diese Balken innig mit der Pialscheide Zusammenhängen und zum Theil ihr Gewebe direct aus derselben beziehen,
kann man sie gewissermassen als eine Invasion vom Gewebe der Pialscheide auffassen. Am Längsschnitt (Taf. XXXII
Fig. 1; Taf. XXXIV Fig. 3) findet man also zwischen den Nervenbündeln längsgehende, bindegewebige Säulen, welche
quer oder schief über die einzelnen Bündel Verbindungszweige zu einander senden. Am Querschnitt scheint es als ob
ein mehr zusammenhängendes, die Bündel umfassendes Scheidensystem diese von einander trennte. Durch vorsichtiges
Schütteln der Längs- und Querschnitte mit Wasser kann man das Bindegewebsgerüst von den Nervenbündeln oft in
grosser Ausdehnung isoliren und man erhält dadurch eine übersichtliche Auffassung seiner Natur und Anordnung. Man
findet dann z. B. am Längsschnitt (Taf. XXXV Fig. 5), dass es aus dickeren und dünneren Bündeln besteht, welche in
Key und Rbtzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 202
der verschiedenartigsten Weise untereinander Zusammenhängen. Die dickeren gehen der Axe des Sehnerven parallel
und sind wie festere, ungefähr gleichmässig von einander abstehende Säulen so angeordnet, dass sie das ganze Gerüst
stützen. Es sind dies die schon oben beim Längsschnitt erwähnten, zwischen den Opticusbündeln verlaufenden,
dickeren Längsbündel; auch am isolirten Gerüst nimmt man die verflochtenen Räume zwischen diesen Längsbalken
deutlich wahr, in welchen die Nervenbündel verlaufen. Die Anordnung derselben ist indessen an verschiedenen Stellen
mehr oder weniger deutlich ausgedrückt. Zwischen den Längssäulen laufen nun zahlreiche, schmälere Verbindungs-
balken quer oder schief hinüber, und dies in sehr verschiedener Weise und Anzahl, so dass die Lücken zwischen
ihnen von sehr verschiedener Grösse und Form sind (Taf. XXXV Fig. 5). Die Balken sind meistens ziemlich abge-
plattet, viele sogar ganz platt besonders an ihren Ansetzungen zu anderen Balken, wo sie dreiseitige Ausbreitungen
zeigen. Sie sind eigentlich, wenn sie in situ liegen, steif, fest und gespannt; an Isolationspräparaten verlieren sie
theilweise ihre Festigkeit und können dann etwas schlaffer erscheinen. Am Querschnitt erhält man an Isolations-
präparaten ganz übereinstimmende Bilder. Ein solches Balkengerüst durchzieht nun den ganzen Sehnervenstamm
und hält die Nervenbündel wie in einem Korbwerk aufgehängt. An Schnitten, längsgehenden sowohl als queren,
welche auch die Pialscheide enthalten, sieht man überall quere oder schiefe Balken aus ihr entspringen, um in das
übrige Gerüst überzugehen. Diese Verbindungsbalken der Pialscheide entstehen grösstentheils aus den an der Innen-
seite der Scheide befindlichen längsgehenden Fibrillenzügen. Am vorderen Theil des Sehnerven, welcher wie bekannt
die Arteria und Vena centralis und das diese Gefässe begleitende längsgehende Bindegewebe enthält, steht das Balken-
gerüst in inniger Verbindung mit diesem Bindegewebe (Taf. XXXII Fig. 1), indem Balken von demselben ins Gerüst
übergehen.
Betreffs der eigentlichen] Structur dieses ganzen Balkengerüstes so findet man dasselbe überall aus festem
fibrillärem Bindegewebe bestehend, dessen Fibrillen im Allgemeinen in der Längsrichtung der einzelnen Balken gehen,
so dass in den Längssäulen ihre Richtung longitudinal, in den queren Verbindungszweigen dagegen quer ist, wobei
die verschiedenen Balken ihre Fibrillen austauschen. Im Inneren aller diesei Balken und Balkenzweige verlaufen
nun immer Blutgefässe, von denen die meisten capillar sind. Diese Gefässe liegen im Allgemeinen in der Mitte
der bezüglichen Balken, eins in jedem; hie und da sieht man indessen in breiteren Balken zwei solche Gefässe,
welche dann näher an den Rändern des Balkens gehen. Fast überall, wo die Balken selbst zusammenlaufen, ana-
stomosiren auch die Blutgefässe derselben. Das Balkengerüst erscheint also als der Träger der Blutgefässe des Seh-
nerven oder wie man auch sagen kann, diese bilden ein vom fibrillären Bindegewebe umscheidetes Netz in seinem
Inneren, zwischen den Nervenbündeln. In Uebereinstimmung mit ihrer capillaren Natur besitzen die Gefässe auch
im Allgemeinen nur eine einzige Wandschicht, deren Kerne nach Färbung der Präparate schön hervortreten. In den
fibrillären Balken sieht man auch hie und da einzelne, längliche Kerne zwischen den Fibrillen gelagert. Durch Zu-
satz von Essigsäure werden keine elastische Fasern sichtbar; die Balken schwellen dabei stark an und ihre Kerne
werden deutlicher. Die Oberfläche der Balken ist an Präparaten, welche lange mit Wasser geschüttelt wurden, glatt
und eben, die Ränder derselben sogar oft scharf. Man findet an diesen Präparaten kein bedeckendes Endothel.
Wenn aber ein schwächeres Isoliren geschah, d. h. wenn die Präparate nur wenig geschüttelt sind, findet man die
Balken von einem eigenthümlichen Gewebe umsponnen, dessen eigentliche Natur nicht eben leicht zu verstehen ist.
Rings um die Balken, dieselben aber nur ziemlich lose umgebend, liegt ein schleierartiges körnig-faseriges Netz, in
welchem mehr oder weniger zahlreiche Kerne eingebettet sind (Taf. XXXV Fig. 6). Es ist dies das dritte Gewebs-
element des Opticus, die eigenthümlichen, zelligen Elemente und die sog. »Neuroglia». Schon an den Isolations-
präparaten kann man gute Nachrichten von seiner Natur erhalten. Es gelingt nämlich nicht eben selten freie
Zellelemente dadurch zu isoliren. Man findet dieselben dann aus einem ovalen, schwach abgeplatteten Kern und ein
diesen umgebendes, plattes Protoplasma bestehend, von welchem nun mehr oder weniger zahlreiche, feine und lange,
sich bald verzweigende, faserige Ausläufer abgehen; an diesen Ausläufern, welche oft ein intricates Netz mit ein-
ander bilden, haftet eine mehr oder weniger reichliche Menge eines körnigen Protoplasma (Taf. XXXV Fig. 5, 6).
Von diesem Gewebe sind also die Balken umsponnen; es haftet denselben an, bildet aber kein wirkliches zusammen-
hängendes Endothel auf denselben.
Das letztgenannte Gewebe, die zelligen Elemente des Sehnerven, studirt man indessen am besten an
Schnitten, die durch neutralen Carmin gefärbt sind. Wenn der Sehnerv zuerst in Müller’scher Lösung und dann in Alkohol
erhärtet ist, lassen sich sehr feine Schnitte davon machen. Wenn diese dann mit Carmin gefärbt und durch Glycerin
aufgeklärt sind, sieht man schon bei schwacher Vergrösscrung (Taf. XXXII Fig. 1) eine Unzahl von roth gefärbten 203
Kernen, welche zwischen den bindegewebigen Balken und den Nervenbündeln, sowie auch im Inneren der letzteren
liegen. An Längsschnitten findet man diese Zellen in langen Reihen dicht angeordnet, und schon bei dieser Ver-
grösserung kann man wahrnehmen, dass sie in wirklichen Spalten zwischen den Balken und den Nervenbündeln
ebenso wie in spaltenförmigen oder canalartigen Räumen im Inneren der Bündel sich finden. Schon jetzt sieht man
auch hie und da quer über die Balkensäulen oder dort, wo diese durch Maschen unterbrochen sind, kleine, mit Kernen
erfüllte Verbindungen der Kernreihen (Taf. XXXII Fig. 1). Dies Alles tritt nun bei stärkerer Vergrösserung (Hartn.
Obj. 7 und noch mehr Immers. Obj. 9 und 10, Ocul. 3) deutlicher hervor. Man sieht nun überall zwischen den Nerven-
bündeln die erwähnten spaltenförmigen Räume (Taf. XXXIV Fig. 1, 2, 4—6). Diese Räume befinden sich überall an
der Peripherie der Nervenbündel; wo hier Balken liegen, befinden sich die Räume zwischen den Nervenbündeln und
den umgebenden Balken; wo dagegen keine Balken vorhanden sind, also in den Maschenräumen des Balkengewebes,
liegen sie zwischen den aneinander grenzenden Nervenbündeln selbst und sind hier am weitesten. Ferner sieht man
auch die im Inneren der Bündel selbst verlaufenden longitudinalen, canalförmigen Räume (Taf. XXXIV Fig. 1). In
diesen Räumen findet man die Kerne wieder, aber jetzt nicht mehr als solche allein, sondern als wirkliche Zellen,
d. h. die Kerne sind von einer mehr weniger abgeplatteten Protoplasmazone umgeben, von welcher eine grössere oder
geringere Anzahl von feinen fadenartigen oder mehr häutchenförmig abgeplatteten Ausläufern oder Flügeln nach ver-
schiedenen Richtungen ausgehen. Diese Zellen liegen theils den Wänden der Spaltenräume mehr dicht an, theils und
dies ist das Gewöhnliche, haften sie an denselben nur mit einer Partie ihres Protoplasma, wie mit einem Fnss an und
sind sonst im Lumen des Spaltenraums frei ausgespannt, im Allgemeinen doch der einen Wand näher. Sehr oft sieht
man die Zellen also alternirend den entgegenstehenden Wänden des Raumes anliegen. Das Protoplasma der Zellen
ist in verschiedenen Richtungen durch den Raum verzweigt und anastomosirt in mannigfacher Weise, kleinere, helle,
blasenartig erscheinende, in den verschiedensten Richtungen verlaufende Lücken und Canäle zwischen den Verzweigungen
zeigend. Es sind dies ganz dieselben Zellen, welche oben bei der Beschreibung des isolirten Bindegewebsgerüstes erwähnt
wurden. Wenn man die Oberfläche eines Nervenbündels betrachtet, sieht man es also mit einem körnig-faserigen, ver-
zweigten und anastomosirenden Ueberzug bekleidet, in dessen Knotenpunkten eine nicht unbedeutende Zahl von Kernen
in verschiedener Tiefe vertheilt liegen; zwischen den Ausläufern sieht man dann in verschiedenem Niveau die erwähnten
hellen Räume und Gänge (Taf. XXXIV Fig. 4—6). Es ist oft ziemlich schwer, ein solches Bild in seinen einzelnen
Elementen, den Zellen, aufzulösen, weil dieselben ein zusammenhängendes protoplasmatisches Gewebe bilden. Bei
näherer Durchmusterung gelingt es doch im Allgemeinen die einzelnen Zellenkörper zu unterscheiden, und an Stellen,
wo sie mehr isolirt liegen, erkennt man ihre Gestalt ohne besondere Schwierigkeit (Taf. XXXIV Fig. 4, 6). Sie sind
indessen ziemlich proteusartige Bildungen; bald schiesst das Protoplasma mehr von einer Seite der Zelle hinaus, ist mehr
einseitig angesammelt, bald liegt es mehr rings um den Kern. Die Ausläufer sind von sehr wechselnder Anzahl
und gehen in verschiedenen Richtungen ab; das Protoplasma derselben ist auch in wechselnder Menge vorhanden.
Die Ausläufer bleiben indessen nicht nur an der Oberfläche der Nervenbündel und in den Spaltenräumen, sie dringen
im Gegentheil allerwärts in die Nervenbündel selbst, d. h. zwischen den Nervenfasern, hinein. Schon bei mittelstarker
Vergrösserung (Hartn. Obj. 7, Ocul. 3) nimmt man an den Nervenbündeln eine deutliche und dichte Querstreifung
wahr, welche hie und da sich offenbar zu den Zellen referirt (Taf. XXXIV Fig. 1). Bei stärkerer Vergrösserung
kann man auch oft diese feine Streifen als feine faden- oder häutchenartige Ausläufer der Zellen der Spaltenräume
erkennen (Taf. XXXIV Fig. 6). Sie laufen im Allgemeinen nur quer oder etwas schief in die Nervenbündel hinein;
an vielen Zellen sieht man auch, dass sie ihre Ausläufer überwiegend in querer Richtung absenden; die Kerne dieser
Zellen liegen auch oft der Quere nach. Im Inneren der Bündel, zwischen den Nervenfasern, findet sich ein körniges
Gewebe in wechselnder Menge; ob dies nur als ein die Zellenausläufer von den Spaltenräumen ans begleitendes
Protoplasma, was gar möglich ist, oder zum Theil auch als ein besonderes »Neuroglia» aufzufassen ist, ist wohl nicht
leicht endgültig zu entscheiden.
Wir haben bis jetzt nur von dem Verhalten der Zellen an Längsschnitten gesprochen. An Querschnitten
bekommt man dieselbe Auffassung von ihrer Beschaffenheit und Anordnung. Nur in letzterer Beziehung erhält
man noch einige weitere Aufschlüsse. Es bezieht sich dies auf die Spaltenräume im Inneren der Nervenbündel.
Man findet nämlich (Taf. XXXIV Fig. 2), dass diese von einem im Allgemeinen ziemlich reichlichen System
von Gängen durchzogen sind, welche am Längsschnitt nur als longitudinale Canäle erscheinen, die in die Räume
an der Oberfläche münden, sich im Inneren der Bündel verzweigen und dieselben in verschiedenen Richtungen
durchlaufen. Auch cylindrische, canalartige, longitudinale Gänge sind am Querschnitt hie und da zu sehen; 204
sie münden auch überall, nicht selten unter etwas schiefem Verlauf in die grösseren Spalten an der Oberfläche,
üeberall findet man diese Gänge und Spaltenräume mit den beschriebenen Zellen versehen; bald liegen sie den
Wänden dicht an, diese platt oder halbmondförmig umfassend, bald schiessen sie freier ins Lumen der Spalten hin-
ein. Die Weite dieser spalten- und canalartigen Räume ist an verschiedenen Stellen und Präparaten verschieden;
bald ist sie ganz bedeutend, bald wieder enger; hie und da sieht man aber kein eigentliches Lumen an denselben,
nur die einzelnen Zellen oder Zellenreihen bezeichnen ihren Verlauf und ihre Anordnung. Es scheint, als ob sie in
verschiedenem Zustand von Füllung, sogar zusammengefallen und leer sein können. Am Querschnitt kann man an
sehr dünnen Stellen sich auch von der Gegenwart der feinen Zellenausläufer im Inneren der Nervenbündel zwischen
den Nervenfasern überzeugen. Sowohl an Längs- (Taf. XXXII Fig. 1; Taf. XXXIV Fig. 1) als an Querschnitten
(Taf. XXXIV Fig. 2) nimmt man die schon oben angedeuteten Anastomosen der Spaltenräume wahr. Es sind dies
mit den Zellen reichlich versehene kurze Canäle, welche quer oder schief über die längsgehenden Balkensäulen oder
in ihren Maschenräumen verlaufen und die Spaltenräume benachbarter Nervenbündel mit einander verbinden. Diese
Anastomosen sind bei näherer Durchmusterung ziemlich zahlreich vorhanden; besonders gegen die Lamina zu findet
man sie in grosser Anzahl. Das soeben beschriebene, die eigenthümlichen Zellen enthaltende Spaltensystem durchzieht
in dieser Gestalt den ganzen Sehnervenstamm, von seiner Oberfläche, d. h. von der Innenseite der Pialscheide, an,
bis überall in seinem Inneren, vom Chiasma bis zur Lamina cribrosa. Wie es sich an diesen Stellen verhält,
werden wir jetzt beschreiben. Die Bedeutung dieses Systems wird später, bei der Schilderung unserer Injections-
resullate, dargelegt werden.
In der Nähe des Chiasma werden die Balken des bindegewebigen Gerüstes spärlicher und dünner. Die Blut-
gefässe laufen nun von wenigerem fibrillären Gewebe umhüllt. Die Zellen umgeben das Gerüst in sparsamerer
Anzahl, doch finden sich dieselben immer reichlich in längsgehenden Spaltenräumen in den Nervenbündeln selbst,
ungefähr wie oben beschrieben wurde. Nachdem die beiden Optici sich ins Chiasma vereinigt haben und in den
Tractus optici, ändert sich indessen noch mehr der Bau. Das eigentliche bindegewebige Balkengerüst verschwindet
bald vollständig; es bleiben nur die Blutgefässe selbst zurück. Die Anordnung der Nervenfasern in grössere Bündel
wird gleichzeitig immer mehr undeutlich ausgesprochen und hört zuletzt auf. Dagegen sieht man überall längs-
gehende, längere oder kürzere, spindelförmige Spaltenräume zwischen den Nervenfasern und dadurch werden
diese, aber in unbestimmter Weise, zu Bündeln angeordnet. Diese Spaltenräume, welche von etwas verschiedener,
im Allgemeinen aber nicht eben bedeutender Weite sind, enthalten immer eine Reihe von zelligen Elementen. Diese
Zellen bestehen aus einem gewöhnlich kugelförmig-ovalen, seltener ovalen oder abgeplatteten Kern und einem denselben
umgebenden körnigen Protoplasma; dies letztere ist in verschiedener Menge vorhanden; es umhüllt den Kern gewöhnlich
allseitig und plattet sich nach den Seiten allmählig aus, um also abgeplattete, rundliche oder viereckige Scheiben
zu bilden, von denen aus mehr oder weniger kleine zackenförmige, protoplasmatische Ausläufer ausschiessen. Diese
Zellen sind nun in Längsreihen in den Spalten so angeordnet, dass sie der einen Wand derselben anliegen und die
letztere bekleiden; von der Seite gesehen findet man sie in die Spalten so hervorragen, dass sie oft zur Mitte reichen
und diese Räume ungefähr bis zur Hälfte füllen. Die jetzt beschriebenen Spalten sind die unmittelbare Fortsetzung
des die Bündel des Sehnerven überall durchsetzenden, von Zellen durchzogenen Spaltensystems, das wir oben beschrieben
haben. Wir können sie deswegen als von derselben physiologischen Bedeutung ansehen und werden unten bei der
Schilderung der Injectionen näher darauf eingehen. Aber nicht nur in den Tractus optici, sondern überall in der
weissen Substanz des Gehirns und Rückenmarks findet man, wie schon oben hervorgehoben wurde, dasselbe von
reihenweise nebeneinander angeordneten Zellen zwischen den Nervenfaserbündeln wieder, und es ist deswegen, wenn
man die oben beschriebenen Verhältnisse im Opticus kennt, mehr als wahrscheinlich, dass man hier ein grossartiges,
überall in den Centralorganen verbreitetes, lymphatisches Spaltensystem vor sich hat. Schon Henle scheint im Handb.
d. System. Anat. Bd 3. Abtheil. 2. Fig. 192 dasselbe abgebildet zu haben, ohne eine Erklärung ihrer Natur zu versuchen.
Gegen die Lamina hin werden die Spaltenräume etwas weiter und die in ihnen enthaltenen Zellen sind hier noch
reichlicher als im übrigen Opticus vorhanden. 205
Die Lamina cribrosa.
Etwas hinter dem vorderen Ende der Scheidenräume (Subdural- und Subarachnoidalräume) des Sehnerven
beginnt die bekannte Verengerung dieses Nerven (Taf. XXXII Fig. 1), Der Nervenstamm, welcher sonst in seinem
intraorbitalem Verlauf von beinahe demselben Caliber ist, verjüngt sich von hier ab conenförmig bei seinem Durch-
tritt durch die Häute des Bulbus allseitig und schnell ungefähr bis zur Mitte der Dicke der Chorioidea; hier misst
er am Längsschnitt nicht viel mehr als die Hälfte des extrabulbären Stammes. Dann vergrössert er sich wieder
schnell, um sich über die Retina als ihre Opticusfaserlage auszubreiten. Der Durchtritt des Nerven durch die Häute
des Bulbus entspricht ziemlich genau der Region der Lamina cribrosa. Diese beginnt nämlich in der Regel im Niveau
mit oder bald vor dem vorderen Ende oder, wie wir es nennen wollen, Fundus der Scheidenräume und reicht bis zum
vorderen Niveau der Chorioidea. Man kann zwei Abtheilungen in der Lamina unterscheiden, eine hintere, die sclerale,
wo sie durch die Sclera geht, und eine vordere, die chorioidale, wo sie die Chorioidea durchläuft. Ausser durch
die Verjüngung des Nerven ist, wie bekannt, die Lamina durch ihren Bau characterisirt. Schon bei schwacher Ver-
grösserung erkennt man durch ihr hellglänzendes Aussehen die Ausdehnung dieser Bildung; man findet auch ohne
Schwierigkeit, dass dieser helle Glanz theils auf einer veränderten Beschaffenheit der Nervenfasern, theils aber auf einer
reichlichen Menge der Quere nach verlaufender, ziemlich feiner Balken beruht. Durch Behandlung mit Ueberosmium-
säure überzeugt man sich leicht davon, dass die Nervenfasern auf einmal beim Eintritt in die Lamina ihre Markscheiden
abgeben, eine Thatsache, welche man schon lange gekannt hat, obwohl man in der letzteren Zeit darüber wieder
zweifelhaft geworden zu sein scheint. Sie legen sich jetzt als überaus feine Axencylinder zu schmalen Bündelchen dicht
zusammen und diese laufen, zu dickeren Bündeln vereinigt, in ziemlich parallelen Reihen unter nur sehr spärlichen
Anastomosen durch die Lamina hindurch, grössere Zwischenräume zwischen sich lassend. Aber auch im Innern der
Bündel, zwischen den schmalen Bündelchen, nimmt man längliche, relativ breite Spaltenräume wahr, in welchen man
keine Gewebselemente findet. Am Querschnitt der Lamina wird man leicht zweifelhaft über das, was man als Nerven-
fasern und Bündelchen ansehen mag. Bei aufmerksamer Durchmusterung findet man indessen, dass die Nervenfaser-
bündelchen sich als rundliche, polygonale oder-sogar als sternförmig zusammenhängende Figuren präsentiren, an
welchen eine feine Punktirung als Ausdruck der dieselben zusammensetzenden feinen Axencylinder wahrzunehmen ist
(Taf. XXXIV Fig. 14 a). Zwischen den Bündelchen sind Spalten vorhanden,»welche gewöhnlich ungefähr dieselbe Breite
haben wie die Bündelchen. Nur selten sind die Bündelchen, ohne solche Spaltenräume, zu einem einzigen, dickeren
Bündel vereinigt. Bei verschiedenen Untersuchungsmethoden haben wir die soeben beschriebenen Verhältnisse in
dieser Weise gesehen. Das quergehende Balkennetz der Lamina cribrosa ist eine unmittelbare Fortsetzung des oben
beschriebenen Balkennetzes des Opticusstammes; es wird aber dabei schnell modificirt und erhält einen anderen
Character. Die hintere Grenze ist gewöhnlich ziemlich bestimmt, zuweilen sehr scharf, zuweilen rechtwinklig gegen
die Opticusaxe, gewöhnlich aber von aussen nach der Mitte schief nach hinten convex gerichtet (Taf. XXXII Fig. 1),
Bisweilen sieht man an den beiden Hälften eines Nerven diese beiden Variationen neben einander. Beim Uebergang
des Balkensystems des Nervenstammes in das der Lamina werden also die queren Balken dünner und dichter, ja sehr
dicht, die längsgehenden Säulen aber verschwinden bald vollständig. Von jetzt an ist es in mehrfacher Beziehung schwer
das Verhalten und die Beschaffenheit der Balken genau zu eruiren. Man erkennt zwar ohne Schwierigkeit den allgemeinen
Character des Balkenwerkes; die Vertheilung desselben ins Einzelne ist aber nicht eben leicht auszufinden und zu be-
schreiben. Schon bald nach dem Uebergang in die Lamina sieht man die nun fast bloss quergehenden Balken in mehrere
zerfallen und sich wieder mit anderen vereinigen (Taf. XXXII Fig. 1; Taf. XXXIV Fig. 7). In dieser Weise laufen sie über
die Nervenbündel und ihre Spaltenräume her, in den letzteren mit einander anastomosirend. Aber schon im Anfang der
Lamina (Taf. XXXIV Fig. 7) wird die Vertheilung der Balken weniger deutlich; sie legen sich dichter beisammen und
gehen zahlreiche Anastomosen ein. Sie flechten sich bogenförmig quer über die Nervenbündel, elliptische quergehende
Spalten zwischen sich bildend, und umstricken in dieser Weise mit einem dichten Maschenwerk die Nervenbündel. Am
Längsschnitt gesehen sind sie sehr steif und glänzend; ihre Längsstreifung.ist nicht eben stark ausgedrückt. Im Allge-
meinen sind sie etwas dicker und stärker im seienden Theil. Man findet jetzt nicht mehr die Blutgefässe in ihnen einge-
schlossen, sondern zwischen ihnen verlaufend (Taf. XXXIV Fig. 8). Am Querschnitt der Lamina sieht man, in welchem
Key lind Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 206
hohen Grad das Balkengerüst hier, mit den Verhältnissen im übrigen Opticnsstamm verglichen, über das Nervengewebe
Uebergewicht genommen hat (Taf. XXXIY Fig. 13). Die Nervenbündel sind relativ schmal und von einander weit getrennt.
Das soeben beschriebene Balkengerüst der Lamina ist, wie oben erwähnt wurde, zwar eine Fortsetzung des Balken-
gerüstes des übrigen Sehnervenstammes, es stammt aber hauptsächlich aus den bindegewebigen Theilen, welche die La-
mina nach aussen hin umgeben, sowie aus dem die Centralgefässe begleitenden Bindegewebe. Aus dem letzteren sieht
man also überall am Längs- und Querschnitt Balken zwischen den Nervenbündeln sich einsenken (Taf. XXXII Fig. 1).
Der Ursprung aus den umgebenden Gebilden ist etwas verwickelter. Am Fundus der Scheidenräume hört nämlich
die Pialscheide nicht auf; sie sendet zwar einen Theil ihres Gewebes nach aussen in die Sclera hinein, indem ihre
Bündel sich in mehrere auflösen, welche circuläre Bündel der Sclera zwischen sich aufnehmen. Ein anderer Theil
der Pialscheide setzt sich aber nach vorn fort, die unmittelbare äussere Begrenzung der Lamina, gewissermassen ihre
umhüllende Scheide, bildend. In dieser Weise geht sie bis zur Chorioidea fort und in dieselbe über, einen hellen Saum
hier darstellend (Taf. XXXII Fig. 1; Taf. XXXIII Fig. 7), um erst dann an der vorderen Fläche der Chorioidea voll-
ständig in derselben sich zu verlieren. Sie bildet indessen keine ganz absperrende Barriere. Denn, ausser den aus ihr
selbst entspringenden Balken der Lamina cribrosa, lässt sie eine grosse Anzahl von Balken der Sclera hindurch.
Sowohl am Längs- wie am Querschnitt sieht man diese Balken aus der Sclera durch die Pialscheide dringen, um sich
als Balken der Lamina auszubreiten und zu zertheilen; die hintersten senken sich gewöhnlich etwas nach hinten,
die mittleren gehen gerade quer über die Opticusaxe, die vorderen steigen von der vorderen Ecke der Sclera nach
vom hervor, leise convexe Bogen zwischen den Nervenbündeln bildend. Aber auch aus der Chorioidea findet man
hie und da einzelne Balken in die Lamina eindringend (Taf. XXXII Fig. 1). Diese letzteren Balken sind indessen
feiner und dünner, und wie schon oben bemerkt wurde, sind im Allgemeinen die Balken der chorioidalen Lamina
feiner als die scleralen. Ungefähr in der Ebene der vorderen Grenze der Chorioidea hört nun aber, nicht so scharf
als hinten, die Lamina auf, indem ihre Balken verschwinden. Diese vordere Grenze der Lamina ist ziemlich gerade,
öfters zeigt sie doch eine leise Steigung nach der Mitte, d. h. nach den Centralgefässen zu. Oft bildet deswegen
diese vordere Grenze einen von dem vorderen Niveau der Chorioidea sich erhebenden, nach vorn convexen Bogen.
Die jetzt geschilderte Beschaffenheit des Balkengerüstes der Lamina cribrosa betrifft den Menschen. Bei Thieren ist
es in mehrfacher Beziehung etwas verschieden. Abgesehen von den Thieren (Frosch, Kaninchen u. A,), wo sie ganz
fehlt oder auch nur sehr rudimentär ausgebildet ist, wird sie bei anderen Thieren in der Weise gebildet, dass die
Balken von der Chorioidea in bedeutender Menge einströmen, so z. B. beim Hund (Taf. XXXIII Fig. 10); beim Schaf
wird sie sogar fast überwiegend durch die Chorioidea gebildet. Oft folgen dann den Balken mehr oder weniger
Pigmentzellen in die Lamina hinein; so beim Hund und in grosser Ausdehnung beim Schaf. Beim Schaf findet man
oft auch am Längsschnitt einen von Pigment begleiteten Balkenstreifen schief nach vorn und innen in die Papilla
optici hinein ziehend; eine ähnliche Bildung kam hier und da auch bei anderen Thieren (Hunde) vor.
Wenn man nun den feineren Bau der Balken der Lamina näher verfolgt, findet man (s. z. B. am Querschnitt),
dass sie aus einzelnen steifen Faserzügen zusammengesetzt sind, welche in verschiedenen Richtungen verlaufen, sich
mit einander in mannigfacher Weise verflechtend, hier und da die Nervenbündel durch feinere Abzweigungen in klei
nere secundäre Bündel zerspaltend (Taf. XXXIV Fig. 13, 14).
Ausser den beschriebenen Bestandtheilen der Lamina cribrosa kommt aber nun auch eine Menge von Zellen-
elementen in ihr vor, welche nach Carminfärbung oder nach Osmiumbehandlung deutlich hervortreten. Es ist in
der That keine leichte Aufgabe die Anordnung und die eigentliche Natur derselben auszufinden. Im Allgemeinen
erkennt man indessen ohne Schwierigkeit, dass diese Zellen eine unmittelbare Fortsetzung der oben beschriebenen
Zellen des Opticusstammes darstellen. Am Anfang der Lamina sieht man auch leicht, dass sie denselben Character
behalten. Durch die veränderte Beschaffenheit der bindegewebigen Balken wird aber die Anordnung der Zellen etwas
verschieden. Am Längsschnitt findet man sie in den Spaltenräumen zwischen den Nervenbündeln und meist nach
der Quere gerichtet liegend. Sie haften gewöhnlich den Balken ziemlich innig an; um ihre Kerne findet sich eine
Protoplasmazone, welche flächenhaft verbreitert den Balken anschmiegt und mit ihren geplatteten Ausläufern theils
denselben folgt, theils auch frei die Spaltenräume durchspinnt, ein intricates Netzwerk mit darin befindlichen, in ver-
schiedenen Richtungen verlaufenden Löchern und Canälen bildend. Dieses durchlöcherte körnig-protoplasmatische
Gewebe bedeckt die Oberfläche der Nervenbündel (Taf. XXXIV Fig. 8, 10, 11, 12), es streckt sich aber auch zusammen
mit feinen fadenartigen Zellenausläufern in das Innere derselben hinein, zwischen den feinen Nervenfasern!)ündelchen
ein feines Netzwerk von feinkörnigem Gewebe bildend. Ob indessen alles dies körnige Gewebe von Ausläufern 207
des Zellenprotoplasma stammt oder vielleicht theilweise als ein besonderes, die Nervenfasern einhüllendes »Neuroglia»
zu betrachten sei, ist ebenso schwierig wie im übrigen Opticus endgültig zu entscheiden.
In der Lamina kommt indessen noch ein eigenthümliches Verhältniss vor. An Querschnitten (Taf. XXXIV Fig. 14 c)
sieht man nämlich eine nicht unbedeutende Zahl langer, steifer und glänzender, nicht eben feiner, gleichdicker zu-
weilen zweigetheilter Fasern das Gesichtsfeld in den verschiedensten Richtungen durchziehen und durch das Innere
der Nervenbündel zwischen den Axencylinderbündelchen verlaufen. Sie ähneln gewissermassen bindegewebigen
Fasern und zuweilen sieht man sogar das Balkengerüst der Lamina sich in Fasern auflösen, welche mit diesen freien
Fasern sehr grosse Uebereinstimmung zeigen. An solchen freien die Spaltenräume durchziehenden Fasern liegen
ovale Kerne an, welche mit den oben beschriebenen Kernen der Laminazellen übereinstimmen; an den Enden der
Kerne sieht man gewöhnlich eine dünne protoplasmatische Ausbreitung der Faser anhaften. Am besten erkennt man
diese das Innere der Nervenbündel durchziehenden Fasern in den gewöhnlich offenen Spaltenräumen zwischen Nerven-
bündeln und Balkengewebe. Es ist sehr möglich, dass man in diesen Fasern das Vorgebilde der Müllerschen Stütz-
fasern der Retina vor sich hat. Am vorderen Ende der Lamina trifft man Zellen, die im isolirten Zustand, nach
Behandlung mit Ueberosmiumsäure, in den Formen erscheinen, wie an der Taf. XXXIV Fig. 15; die ovalen, ziemlich
dicken Kerne sind von einem glasig körnigen, bestimmt begrenzten Protoplasma umgeben, welches zuweilen einige
Pigmentkörner enthält und nach zwei Richtungen fadenartige Ausläufer aussendet; diese Ausläufer theilen sich oft
dichotomisch und erstrecken sich, wenn sie in situ in den Spaltenräumen liegen, quer über die Nervenbündel her.
Sie mögen als eine Art der oben beschriebenen, vielfach wechselnden Laminazellen betrachtet werden.
Die Papilla optici.
Nachdem die Nervenbündel die Lamina verlassen haben, setzen sie ihren Weg in der Weise fort, dass sie,
wie bekannt, radienartig nach allen Richtungen umbiegen, um sich zur Opticusfaserschicht der Retina auszubreiten.
Hierbei bleiben zwischen den Bündeln Spaltenräume zurück, welche eine unmittelbare Fortsetzung der Lamina-
spalten darstellen. In diesen Spaltenräumen liegen Zellen, die auch eine directe Fortsetzung der Laminazellen sind.
Die Nervenbündel gehen immer zahlreichere Verbindungen mit einander ein, so dass die Spalten kürzer und enger,
zugleich aber auch zahlreicher werden.
Die Lymphhahnen des Sehnerven.
Wenn die Canülspitze innerhalb der Pialscheide des menschlichen Opticus geführt wurde, erhielten wir bei
schwächerem constantem Druck keine eigentliche Injection. Bei Anwendung der Handspritze und etwas stärkerem
Drucke schiessen erst längs dem Sehnerven innerhalb der Scheide längliche, verzweigte Bänder der Flüssigkeit hervor.
Sie fliessen bald zusammen und die ganze Sehnervenoberfläche erhält eine innerhalb der fraglichen Scheide befind-
liche Füllung. Nichts tritt aber beim Menschen durch die Scheide hinaus. Erst bei Anwendung von sehr starkem
Druck drang die Flüssigkeit durch sie hinaus. Ohne Schwierigkeit drang sie aber bei diesen Injectionen zwischen
den Opticusfaserbündeln hinein und verbreitete sich in den Spaltenräumen derselben. Betreffs ihres Verhältnisses zu
dem oben beschriebenen bindegewebigen Balkensystem des Opticus fanden wir sie immer zwischen den Balken und
den Opticusfaserbündeln liegend, sowohl die Spalten zwischen diesen Gebilden als die übrigen Maschenräume im
Balkennetz ausfüllend. An dem Querschnitt eines in dieser Weise injicirten Opticus (Taf. XXXIII Fig. 5) sieht man
deswegen ein mehr oder weniger zusammenhängendes Netz der Injectionsmasse die quergeschnittenen Nervenbündel
umspinnen; in den Injectionszweigen des Netzes findet man längs ihrer Mitte die platten bindegewebigen Balken
verlaufend, an den Stellen nämlich wo der Schnitt im Niveau solcher gefallen ist, oder auch keine derartige Balken,
so oft der Schnitt durch die zwischen ihnen liegenden offenen Maschen fiel. An einem solchen Querschnitt (Taf. XXXIII
Fig. 5) sieht man die Injectionsmasse an der Innenseite der Pialscheide einen aus ebenso vielen Segmenten zusammen-
gesetzten Raum bilden, wie hier Nervenbündel anliegen, und diese Segmente sind durch die nach innen abgehenden
Balken abgetheilt. Man kann deswegen nach unserer Ansicht hier nicht von einem besonderen Raum (ähnlich dem
am Gehirn von einigen Verfassern angenommenen Epicerebralraum) sprechen. Nur mehr selten hat sich die Masse,
wenn sie aus der Richardsonschen Flüssigkeit bestand, in das Gewebe der Pialscheide Wege gebahnt; doch sieht man 208
hie und da kleine Ausläufer von innen her sich zwischen ihre Schichten eine Strecke eindringen. Bei Thieren aber,
sowie bei Anwendung von leichtflüssigeren Massen, drang die Injection viel leichter und oft an vielen Stellen durch
die Pialscheide hindurch. Oft hat sich indessen die Injectionsmasse etwas reichlicher dicht unter der Pialscheide
angesammelt als in den Spalten zwischen den Nervenbündeln; dies ist leicht erklärlich, da dort während der Injection
gewiss der Widerstand durch die Nachgiebigkeit der Pialscheide geringer sein muss als zwischen den Nervenbündeln;
doch füllen sich auch diese Spaltenräume bei etwas stärkerem Injectionsdruck oft ansehnlich.
An dem Längsschnitt des in derselben Weise injicirten Opticus findet man den obigen ganz entsprechende
Bilder. Nur sind hier die Nervenbündel, bei vollständiger Injection, ihrer ganzen Länge nach von der Masse ein-
gehüllt; sie liegt aber in dünnerer Schicht an den Stellen, wo Balken zwischen den Nervenbündeln vorhanden sind,
als in den offenen Maschenräumen zwischen den Bündeln. Diese letzteren Spalten bilden am Längsschnitt des voll-
ständig injicirten Opticus, wo also die Injectionsmasse um die einzelnen Nervenbündel etwa cylindrische Röhren
darstellt, zahlreiche quere Verb in dungsbrücken zwischen diesen Röhren. Man sieht auch ziemlich viele schmälere
solche Brücken, wirkliche Anastomosen, quer über die longitudinalen Bindegewebssäulen sich von einer Röhre zur
anderen erstrecken (Taf. XXXIII Fig. 3, 4). Es entspricht also dies von der Injectionsmasse eingenommene Spalten-
system genau dem oben bei der Schilderung des feineren Baues des Opticus beschriebenen, von den eigenthümlichen
Zellen reichlich durchzogenen Spaltensystem zwischen den Nervenbündeln. Dass hier ein wirkliches System von
serösen Bahnen vorliegt, darf wohl mit Sicherheit angenommen werden.
Die Masse bleibt aber nicht in den angegebenen Bahnen stehen; sie dringt sehr oft ins Innere der Nervenbündel
selbst, entweder mit einem oder mit mehreren Zweigen, welche sich dann in verschiedener Ausdehnung hier weiter
theilen, das Bündel also in kleinere Abtheilungen trennend (Taf. XXXIII Fig. 5, 6). Diese Bilder ähneln aber den In-
jectionsbildern der peripherischen Nerven, die wir früher geschildert haben, nur in deren Anfangsstadien der Injection.
Die Injection dringt nämlich hier im Allgemeinen nur zwischen einzelne Nervenfasergruppen und nicht zwischen
die einzelnen Fasern hinein; am Querschnitt findet man deswegen im Innern der Nervenfaserbündel ein Injectionsnetz,
dessen Maschen die quergeschnittenen Nervenfasergruppen umspinnen. Es entspricht also auch dies injicirte Spalten-
netz genau dem oben beschriebenen, von den Zellen durchflochtenen Canalsystem im Inneren der Nervenbündel und
es steht, wie schon dargelegt ist, überall mit dem Lymphbahnsystem zwischen den Bündeln in offener Communication.
Nur bei sehr starkem Druck dringt es noch weiter ins Gewebe der Bündel ein, diese in verschiedener Weise infiltrirend;
dann erhält man Bilder, die etwas mehr denjenigen an den übrigen »peripherischen)) Nerven bei stärkerer Injection
erhaltenen Bildern ähneln; dies ist aber doch nur mehr ausnahmsweise der Fall.
In der Lamina cribrosa, wo die Zwischenräume zwischen den Nervenfaserbündeln grösser sind und das Balken-
netz viel gedrängter ist und der Quere nach zieht, wird auch die Injection viel reichlicher und gedrängter, indem
sie alle die von den Zellen durchzogenen Zwischenräume erfüllt (Taf. XXXIII Fig. 3, 7). An einem Längsschnitte
findet man sie eine mehr oder weniger rautenförmige Anordnung einnehmen, durch die ganze Lamina cribrosa hin-
durch die schmalen Nervenfaserbündel umspinnend.
Von hier aus geht es bei stärkerem Druck, dem anatomischen Baue gemäss, mit dem Balkennetze in das
Gewebe der Sclera hinein und bildet dort ein Injectionsnetz von mehr stift- oder spindelförmigen Figuren in den
Spalten zwischen den scleralen Bindegewebsbündeln (Taf. XXXIII Fig. 9). Bei Anwendung sehr leichtflüssiger Massen
(bes. Asphalt-Chloroform) wird in dieser Weise ein sehr reichliches mehr verzweigtes Saftbahnennetz in der Sclera
gefüllt. Von diesen Bahnen der Sclera aus kann man die Injectionsmasse auch hie und da in die Spaltenräume
des Suprachorioidalgewebes bei stärkerem Druck einpressen. Bei Thieren (Hund, Schaf) tritt aber die Masse viel
leichter in die letzteren Spaltenräume über als beim Menschen.
In der Lamina cribrosa folgt die Injectionsmasse gern den Centralgefässen, und dem diese Gefässe umgebenden
Bindegewebe, bisweilen im Inneren dieses Gewebes sich ausbreitend (Taf. XXXIII Fig. 8). In dieser Weise gelangt es,
bei starkem Druck, in die Retina hinein, sich dort, wie Schwalbe gezeigt hat, theils eine Strecke weit die Blutgefässe
umgebend, theils auch zwischen die Faserbündel der Opticus Schicht radienartig nach allen Seiten hervor dringend.
Im vorigen Falle muss man sich doch in Acht nehmen, dass man nicht eine wirkliche Blutgefässinjection, welche
durch eine beim Einstich in der Nähe des Opticuseintrittes leicht entstehende Läsion der Centralgefässe hervor-
gerufen wird, was bei unseren Versuchen auch mehrmals geschah, für eine perivasculäre Injection hält. In der That
konnten wir nie mit voller Sicherheit entscheiden, ob wir eine wirkliche, reine perivasculäre Injection vor uns hatten.
Auch bei Anwendung der leichtflüssigen Asphalt-Chloroformmasse sahen wir in solchen Fällen in der Regel eine 209
wirkliche Blutgefässfüllung. Ausserdem aber erhielten wir mit dieser Masse oft sehr schöne Netze von verzweigten,
schlingenden Saftbahnen im Gewebe der Retina selbst, besonders in ihren inneren Schichten.
Zuweilen bekamen wir indessen auch, besonders bei Thieren, eine ausgebreitete Füllung eines eng spalten-
förmigen Raumes zwischen Retina und Chorioidea, d. h. zwischen der Pigmentschicht jener und der Choriocapillaris.
Diese Injection fand bei Stichinjection im Opticus statt, sogar in solchen Fällen, wo die Masse die Lamina cribrosa
grösstentheils peripherisch, also längs der Fortsetzung der Pialscheide passirte (Taf. XXXIII Fig. 10).
Das suprachorioidale Gewebe.
Henle beschrieb dieses Gewebe als ein elastisches Fasernetz, dessen Fasern durch eine structurlose Substanz
zusammengehalten werden. An demselben liegen kreisrunde oder elliptische, platte Kerne, meist vereinzelt an;
daneben finden sich ganz farblose Zellen und Pigmentzellen verschiedener Form und Farbe und sogar fast farblose.
Schwalbe zeigte, dass das suprachorioidale Gewebe aus einer Reihe dünner, elastischer Häutchen mit eingewebten,
elastischen Fasern besteht, und dass jedes Häutchen beiderseitig mit einer Schicht grosser polygonaler Endothelzellen
bekleidet ist, welcher eben die platten ovalen Kerne angehören. An der äusseren Fläche der Chorioidea und der inneren
der Sclera findet sich eine ähnliche endotheliale Zellenschicht, deren Zellengrenzen wenigstens beim Schwein, Kaninchen,
Canarienvogel durch Silberfärbung dargestellt werden konnten. Diese beiden Flächen, welche eben die Begrenzungen
eines grossen Lymphraums, des Perichorioidalraums Schwalbes, bilden, hängen, nach ihm, durch Brücken des
elastischen Gewebes unter einander zusammen. Die endotheliale, durch Versilberung darzustellende Zellenzeichung
wurde von verschiedenen Seiten her bestätigt; so auch vorläufig von uns selbst.
Hier werden wir nun das von uns Gefundene etwas näher besprechen. Durch Silberfärbung erhielten wir
die Endothelzellenzeichnung bei den verschiedenen Thieren von etwas verschiedener Form. Siehe z. B. die mit-
getheilten Bilder (Taf. XXXV Fig. 9, 10, 11), die vom Kaninchen, Huhn, Frosch herrühren. Beim Menschen gelang
es uns zuletzt, nämlich beim neugeborenen Kinde, die entsprechende Zellenzeichnung darzustellen (Taf. XXXV Fig. 8);
die Kerne der Zellen waren noch sichtbar. Aber nicht nur an der äusseren Fläche der Chorioidea und an der in-
neren der Sclera trat die Zeichnung ein; auch in dem übrigen Suprachorioidalgewebe, d. h. an allen dasselbe
zusammensetzenden feinen Endothelhäutchen. Deswegen erhält man oft eine doppelte oder sogar mehrschichtige
Zeichnung von Zellengrenzen. Das ganze Gewebe besteht also aus einer Reihe äusserst dünner Endothelhäutchen,
welche dicht an einander liegen und die elastischen Fasern enthalten. Es giebt mithin nicht einen einzigen Peri-
chorioidalraum, sondern ebenso viele wie Spalten zwischen den einzelnen Lamellen des suprachorioidalen Gewebes.
Die Grenze zwischen Sclera und dem suprachorioidalen Gewebe ist nicht überall so bestimmt zu ziehen, indem
an gewissen Stellen Suprachorioidallamellen direct ins Scleragewebe übergehen (Taf. XXXV Fig. 17); besonders sieht
man dies an der Stelle, wo der Perichorioidalraum aufhört, also in der Umgebung des Opticuseintritts. Die Zellen-
lamellen nehmen hier Fibrillenlamellen zwischen sich auf. Auch mit den in die Sclera eintretenden Venen, sogar
den grösseren, den Vense vorticosse, gehen trichterförmige Fortsetzungen der Suprachorioidallamellen, die zur Bildung
ihrer Adventitialscheiden im grössten Umfange beitragen.
Auch in die eigentliche Chorioidea erstreckt sich das Suprachorioidalgewebe, nur in etwas modificirter Gestalt
hinein, indem ähnlich gebaute Zellenhäutchen zwischen ihren Blutgefässen ziehen und diese letzteren in verschiedenen
Richtungen und verschiedener Zahl umgeben.
Das suprachorioidale Gewebe ist somit kein Gewebe sui generis, sondern man kann es gewissermassen als
»Bindegewebe» bezeichnen, dem das fibrilläre Element ganz fehlt, d. h. nie zur Entwicklung gelangt ist und dem nur
die Endothelzellen sowie die elastischen Fasernetze angehören. Allenfalls ist dies Gewebe von hohem histologischen
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 210
Interesse. In mehreren Beziehungen schien es uns dem Perineurium der peripherischen Nerven ähnlich, obwohl es
nicht verhehlt werden mag, dass auch, besonders betreffs des Vorhandenseins des fibrillären Theils, wichtige Diffe-
renzen unter ihnen bestehen.
Eine wichtige Frage, um deren endgültige Lösung wir uns viele Mühe gegeben haben, ist die, ob jede Lamelle
des suprachorioidalen Gewebes an ihren beiden Seiten, wie es Schwalbe glaubt, mit Endothelzellen bekleidet ist,
oder ob diese nur einseitig liegen. Leider können wir diese Frage nicht sicher beantworten. Oft sahen wir doppelte
Zellenzeichnungen und doppelte Kernschichten; in diesen Fällen konnte aber nie die Möglichkeit sicher ausgeschlossen
werden, dass nicht zwei Lamellen dicht beisammenlagen. Von den interessanten Pigmentzellen haben wir in unseren
Figuren einige Formen wiedergegeben (Taf. XXXV Fig. 14, 15; Taf. XXXVI Fig. 1). Die Abstufung der Farbe sowie
die verschiedene Menge von Pigment-Protoplasma und der recht oft vorkommende Zusammenhang der einzelnen Zellen
rufen mehrere Fragen hervor. Für uns war es doch besonders wichtig die Lage der Pigmentzellen an den einzelnen
suprachorioidalen Häutchen auszufinden. Zuweilen scheint es zwar, als ob dieselben in den Häutchen, also zwischen
ihren beiden supponirten Zellenschichten, liegen; dafür spricht gewissermassen auch der Umstand, dass man die Zellen
an Präparaten, wo die einzelnen Häutchen durch Zug von einander getrennt sind, so verhältnissmässig selten von
den Häutchen isolirt antrifft, sowie ferner die schon von Schwalbe gemachte Beobachtung, dass oft da, wo die ela-
stischen Fasern über Pigmentzellen verlaufen, das Pigment mehr oder weniger von den Fasern bei Seite weicht,
wodurch gleichsam helle Rinnen in den Zellen entstehen, in welchen die Fasern ziehen. An isolirten umgebogenen
Häutchen sieht man aber nicht selten im optischen Querschnitt der Umbiegungsstelle ganz deutlich, dass die Pigment-
zellen an der einen, und zwar im Allgemeinen an der äusseren, Seite der Häutchen hervorschiessen, also einseitig auf
dieselben liegen (so z. B. an der Taf. XXXV Fig. 16). Dies war schon bei einem viermonatlichen menschlichen Embryo
zu sehen (Taf. XXXV Fig. 12); hier hatten die Zellen indessen noch eine rein protoplasmatische Beschaffenheit und
führten nur wenig Pigment; es fanden sich nämlich Zellen, die kein Pigment besassen, sowie andere, die einzelne
Körnerhaufen zeigten; ihre grossen ovalen Kerne unterschieden sich ganz bestimmt von den rundlichen Kernen der
Häutchen. Diese Thatsache ist deswegen von Interesse, weil dadurch bewiesen wird, dass die Pigmentzellen schon
frühzeitig bestimmt angelegt sind. Beim Erwachsenen wird man bisweilen zweifelhaft, ob man nicht besonders in
den helleren, mehr pigmentarmen Zellen (Taf. XXXVI Fig. 1) üebergangsformen zwischen den Häutchenzellen und
den wirklichen Pigmentzellen zu erblicken hat. Bei Berücksichtigung der oben beschriebenen Lage der Pigment-
zellen sowie ihres Verhaltens beim Embryo scheint aber dies nicht so zu sein.
Bei Einstichinjectionen an der Innenseite der Sclera in das Suprachorioidalgewebe füllt sich, wie zuerst Schwalbe
dargelegt hat, dieses Gewebe leicht und in weiter Ausdehnung um den Bulbus herum, von der Nähe des Opticus-
eintrittes bis fast zum Cornealfalze. Es ist aber dieser sog. Perichorioidalraum, wie schon oben hervorgehoben
wurde, nicht ein einziger, sondern ein aus eben so vielen Spaltenräumen zusammengesetzter Raum als es Spalten
zwischen den einzelnen Suprachorioidallamellen giebt. Zuweilen kann man, wenn die Canülspitze nur zwischen zwei
Lamellen eingedrungen ist, ohne die angrenzenden zu zerreissen, die Injectionsmasse in weiter Strecke zwischen
bloss diesen zwei Lamellen verlaufen sehen. So auch oft, wenn die Injectionsmasse vom Opticus her ins supra-
chorioidale Gewebe eindringt. Gewöhnlich dringt sie doch zwischen mehreren umher, und bei stärkerem Druck
sieht man sie sowohl in das Gewebe der Chorioidea, zwischen ihren Gefässen, als auch nach aussen an gewissen
Stellen der Sclera in das Tenonsche Gewebe hinaustreten. Diese letzteren Abflusswege sind, wie Schwalbe ange-
geben hat, vorzüglich die Austrittstellen der Venae vprticosse. Wie oben angeführt wurde, sind diese Venen von Fort-
setzungen des Suprachorioidalgewebes in Gestalt concentrischer, Pigmentzellen führender Endothelhäutchen begleitet.
Eben mit oder richtiger in den Spalten zwischen diesem Gewebe verläuft die Injectionsflüssigkeit nach aussen.
Sie verbreitet sich dann, wie Schwalbe beschrieben hat, in das Tenonsche Gewebe (Tenonschen Raum) und um
den Opticus, an der Aussenseite seiner Duralscheide (im supravaginalen Raum).
Ausser mit den Venen sahen wir aber zuweilen auch die Flüssigkeit den Arterien am hinteren Umfang
des Bulbus folgen, was nach der eben gegebenen Beschreibung leicht erklärlich ist.
Wirkliche, aus dem Perichorioidalraum führende Lymphgefässe sahen wir, wie auch andere Beobachter, nie. 211
Die Verbindungen der Scheidenräume des Acusticus und der serösen Räume
des Gehörlabyrinthes mit den serösen Räumen der nervösen Centralorgane.
Gescliiclitliclies.
Schon in älterer Zeit (Valsalva, Pacchioni) vermuthete man, dass die Lympha der Gehirnhäute durch das
Innerohr einen Abfluss habe.
Dann wies Cotugno *) nach, dass der Gehörnerv von einer Scheide, einer Fortsetzung der Dura mater, umgeben
und in derselben von der Flüssigkeit der Schädelhöhle umspült ist; er nannte diesen Scheidenraum Sinus acusticus.
In seiner ausgezeichneten Arbeit über die Wasserleitungen des inneren Ohres 2) hat ferner Cotugno einen
Aquaeductus cochleae und einen Aquaeductus vestibuli ausführlich beschrieben. Der Aquaeductus cochleae beginnt
mit einem feinen Loch in der Nähe der Fenestra rotunda und öffnet sich nach einem 3 bis 4 Linien langen Verlauf,
indem er allmählig zu einem weiteren Canal wird, in die Schädelhöhle, »unterhalb dem äusseren Ende der
Mündung des Canalis nervorum communis». Er streckt sich also von der Scala tympani zu der Schädelhöhle.
Die Dura mater tritt in den Canal hinein, bekleidet ihn und setzt sich in das Periost der Cochlea fort. Durch ihn
injicirte Cotugno Quecksilber in die Scala tympani, und von da ab in die Scala vestibuli, in das Vestibulum und
die Canales semicirculares; ja sogar die Höhle des Aquasductus vestibuli wurde dadurch gefüllt. Dieser letztere,
der Aquaeductus vestibuli, geht durch den von Cotugno näher beschriebenen,'knöchernen, etwa 4 Linien langen
Canal von dem Vestibulum aus nach seiner spaltenförmigen Oeffnung an der hinteren Fläche der Pars petrosa.
Die innere Fläche des ganzen Canals sah Cotugno oft glatt und blank, in der Nähe der äusseren Oeffnung bisweilen
runzelig. In denselben tritt die innere Lamelle der Dura mater hinein, bekleidet ihn ganz und geht in das Periost
des Labyrinths über. An der entgegengesetzten Oeffnung des Aquaeductus befindet sich eine Höhle, in welche
dieser Canal mündet. Diese Höhle, welche Cotugno die Cavitas aquceductus vestibuli membraneo; nennt, liegt zwischen
den beiden Blättern der Dura mater. Sie ist von sehr wechselnder Grösse und Gestalt, oft doch oval, hat eine
glatte innere Fläche, indem sie augenscheinlich mit einer lymphatischen Flüssigkeit befeuchtet ist. Quecksilber in
diese Höhle injicirt floss in das Vestibulum hinein. Es trat aber auch in gewisse, fast vom ganzen Umfang der
Höhle abgehende, unter einander anastomosirende Canäle der Dura mater aus, von welchen einige bald von venösen
Gefässen aufgenommen wurden; andere bildeten, nachdem sie sich vereinigt, gleichsam einen kleinen Sinus, in
welchen die kleinen Venen der Dura münden; andere endlich liefen in den Sinus selbst hinaus. Von der Höhle konnte
Cotugno das Quecksilber also bis in den Sinus lateralis injiciren. Die abführenden Gefässe sind also venöse, d. h. sog.
»inhalirende». Sie führen ohne Zweifel die Lymphe aus der Höhle des Aquseductus vestibuli zu den Venen. Cotugno
beschreibt auch den Aquseduct beim Foetus und neugeborenen Kind. Er hat ihn und seine Höhle in der Dura auch
bei einer Reihe von Thieren (Pferd, Rind, Affe, Hund, Katze, Schaf, Hasen, Kaninchen) nachgesucht und gefunden.
Nach Magendie 3) begleitet die Cerebrospinalflüssigkeit den Nervus acusticus und facialis bis auf den Boden
des Meatus auditorius internus; sie steht nach ihm in keiner directen und freien Verbindung mit der Flüssigkeit im
q S. o. S. 7.
2) De aquseductibus auris humanse internes. Viennse 1774.
3) S. oben S. 11. 212
Labyrinthe, allein die Vermischung muss leicht durch Imbibition durch die Membran erfolgen, welche das Vestibulum
auf dieser Seite schliesst. Durch denselben Mechanismus kann sie in den Tractus spiralis gelangen, wohin sie auch
durch den Canalis Fallopii gelangen kann. Ferner kann sie durch den Aquasductus vestibuli in die Höhlen des
Labyrinthes eindringen.
Sowohl der Aquaeductus cochleae als der Aquaeductus vestibuli verloren, wie bekannt, für eine lange Zeit die
anatomische sowohl als physiologische Dignität, welche ihnen durch Cotugno zu Theil geworden war. Wir werden
indessen hier nicht diese negativen Phasen ihrer Geschichte durchgehen, da sie schon mehrmals bei anderen Verfassern
daxrgestellt sind. Hier soll nur hervorgehoben werden, dass man sie im Allgemeinen nur für solide Fortsetzungen der
Dura mater nach der Beinhaut des Labyrinths zu, gehalten hat; höchstens sah man sie als Führer von Blutgefässen an.
Endlich entdeckte nun Boettchee von Neuem, dass der knöcherne Aquaeductus vestibuli einen membranösen
Canal enthielt, welcher mit einem Epithel bekleidet war und nach dem Innerohr zu in zwei Zweige getheilt mit dem
Vestibulum membranaceum in Verbindung stand, nach der Schädelhöhle zu aber in einen in der Dura befindlichen
geschlossenen Sack, eben den früher von Cotugno entdeckten, sich öffnete. Boettchee machte seine Untersuchungen
an Katzen, sowohl Embryonen als erwachsenen, sowie auch bei Schafembryonen. Bei der erwachsenen Katze stellt
der nach hinten gerichtete Fundus des Aquaeductus vestibuli einen weiten Sack dar, der sich zum Theil noch längs
des Sinus petrosus inferior hinzieht, von diesem nur durch eine dünne fibröse Scheidewand getrennt. Wo derselbe
von der Dura mater ganz umfasst wird, besteht seine Wand aus einer glatten Epitheliallage; wo er sich jedoch
gegen den Knochen trichterförmig verengt, ist die Wandfläche dicht mit gegen das Lumen prominirenden capillaren
Gefässträubchen besetzt, so dass sie eine ganz villöse Beschaffenheit zeigt. Von dem Hauptstamm des Canals inner-
halb des Knochens zweigen sich feine, blinde, epitheliale Canäle als Nebenäste ab. Nach Boettchee lässt der Bau
des Aqumductus vestibuli voraussetzen, dass eine lebhafte Absonderung von Endolymphe in ihm stattfinde und dem
Vorhofssäckchen zufliesse. Boettchee hat zuerst auf die Identität des Recessus labyrinthi mit dem Aqumductus
vestibuli aufmerksam gemacht und die Ansicht, dass derselbe einer regressiven Metamorphose ausgesetzt sei, mit
Erfolg bekämpft. Beim erwachsenen Menschen scheint er ihn indessen nicht beschrieben zu haben.
Bei seinen Injectionen vom Arachnoidalraum (Sub duralraum) aus fand Schwalbe 2), dass dieser Raum eben
durch den Porus acusticus mit dem perilymphatischen Raum des Gehörlabyrinths in Zusammenhang steht.
Um die Angaben Schwalbes über den Zusammenhang des Arachnoidalraums (Subduralraums) mit dem peri-
lymphatischen Raum des Hörlabyrinthes zu prüfen, machte Fe. E. Webee d) von jenem Raum aus eine Reihe von
Injectionen am Menschen und an Thieren. Durchgehends an allen Präparaten, sowohl denen von Thieren wie vom
Menschen, war die Flüssigkeit in die Schnecke gedrungen, durchschnittlich bis in die zweite Windung; im Vorhof
und in den halbzirkelförmigen Canälen fand sich nie blaue Färbung. Durch den Porus acusticus war die Flüssigkeit
nicht ins Labyrinth gelangt; sie begleitete zwar den Nerven bis in die Lamina cribrosa, ging aber nicht durch diese.
Dagegen war der Aquaeductus cochleae in seiner ganzen Länge blau gefärbt, und konnte man darin einen intensiv
tingirten, centralen Canal erkennen. Das Blau folgte hier im lockeren Bindegewebe Bahnen, welche ihrer Zeichnung
gemäss mit denen sonst als Lymphräume bezeichneten übereinkamen. Der Aquaeductus cochleae bildet also nach
ihm die Verbindung des perilymphatischen Raumes mit dem Arachnoidalraum.
Bei unseren Injectionen der serösen Räume des Gehirns sahen wir4) die Flüssigkeit mit dem Nervus acusticus
ins Labyrinth eindringen, aber nicht nur vom Subduralraum, sondern auch von den Subarachnoidalräumen aus.
Wir verfolgten dabei die Injection im Anfang der Ausbreitung des Nerven im Labyrinth.
Quincke 5) fand bei subarachnoidalen Injectionen an lebenden Thieren das von der Cerebrospinalflüssigkeit
herumgeführte Zinnober, unter fünf darauf untersuchten, einmal im Labyrinth wieder, und zwar in der Scala tym-
pani der Schnecke.
Auch Michel 6) sah vom Subduralraum des Gehirns aus das Labyrinth injicirt werden.
Es ist ein besonderes Verdienst Hasses 7) den Aqiueductus vestibuli und Aquaeductus cochleae oder, wie er die
beiden membranösen Canäle besser nennt, den Ductus endolymphaticus und perilymphaticus durch die verschiedenen
Wirbelthierclassen, von den Fischen an bis zum höchsten Säugethier, verfolgt, resp. entdeckt, sowie die betreffenden
7) Ueber den Aquaeductus vestibuli bei Katzen und Menschen. Archiv f. Anat. und Physich 1869. Ueber Entwickelung und
Bau des Gehörlabyrinths. 1 Theil. Dresden 1869.
2) s. o. S. 36. 3) S. o. S. 36. 4) S. o. S. 39. 5) S. o. S. 49. e) S. o. S. 51.
7) Anatomische Studien. 4 Heft. Leipzig 1873. 213
Angaben anderer Verfasser zusammengestellt und richtig gedeutet zu haben. Betreffs des ersteren, des Ductus
endolymphaticus gelang es ihm in dieser Weise, alle die mannigfaltigen Form Verhältnisse auf eine einfache Grund-
form, »eine blind geschlossene, an dem Ende sackartig erweiterte und aus dem Cavum endolymphaticum entstehende
Röhre zurückzuführen, die mit ihrem bei den meisten Vertebraten geschlossenen Ende, dem Saccus endolymphaticus,
in einem periostalen Raume der Schädelhöhle, an dem Cavum epicerebrale sich findet, oder sich, wie bei den Vögeln
und wahrscheinlich auch den Säugern und Menschen, in demselben oder dem Cavum subarachnoidale öffnet, oder,
wie bei den Plagiostomen, in einen periostalen Raum an der Schädeloberfläche hineinragt». Von Säugethieren hat er
Rind und Schwein untersucht, deren Gehörkapsel sich eben im Beginn der Verknöcherung befand. Bei den Rinds-
embryonen sah er den Ductus in die Schädelhöhle eintretend sackartig zum Saccus endolymphaticus anschwellen.
Dieses oberhalb des Sinus petrosus inferior befindliche, aber von demselben durch eine Scheidewand getrennte
Bläschen liegt nicht frei in dem Raume zwischen Dura und Gehirnhülle, sondern an der Schädelhöhlenöffnung des
knöchernen Aquaeductus, von der Dura bedeckt, die mit dem Perioste des Ganges verschmilzt. Jedoch glaubt Hasse,
dass hier, wie bei den Reptilien, diese üeberlagerung nicht vollständig ist. Er hat nach den Untersuchungen an
Schweine- und Rindsembryonen, deren Gehörkapsel noch knorpelig war, sowie an neugeborenen Menschen, Grund zur
Annahme, dass durch eine feine Oeffnung der Dura ein feiner, trichterförmig sich ausbreitender Fortsatz des an der
Apertura aquasductus vestibuli gelegenen Saccus hindurchtritt, mit der Arachnoidea verschmilzt und dass somit, wie bei
den Vögeln, eine Communication zwischen dem Cavum endolymphaticum und dem äusseren Cavum epicerebrale (sub-
arachnoidale) im Gegensatz zum inneren zwischen Pia und Gehirn zu Stande kommt, die viel ausgiebiger ist als bei
den Vögeln, wo die trichterförmige Erweiterung (Saccus endolymphaticus) gänzlich innerhalb des von der Dura um-
grenzten Schädelraumes liegt.
Hasse hat aber noch dazu, wie oben angegeben wurde, den Ductus perilymphaticus bei den verschiedenen
Wirbelthierclassen näher verfolgt und ist dadurch zu folgenden Resultaten gelangt. Das Cavum perilymphaticum
des Innerohres ist bei sämmtlichen Wirbelthieren in die Lymphbahn eingeschaltet und steht einerseits mit dem Cavum
subarachnoidale durch die Foramina acustica und dann indirect mit peripherischen Lymphbahnen, die mit den grossen
Nervenstämmen aus ihm heraustreten, durch Hülfe eines im knöchernen Aquaeductus cochlese befindlichen Ductus
perilymphaticus sowie durch einen Saccus perilymphaticus in Verbindung. Nach Untersuchungen an Säugerembryonen
glaubt nämlich Hasse behaupten zu dürfen, »dass sowohl den Säugern als den Menschen und nicht nur im
embryonalen, sondern auch im erwachsenen Zustande ein Ductus perilymphaticus und ein Saccus, der sich einmal
mit dem Cavum subarachnoidale, dem äusseren epicerebralen Raume nach Spaltung der Gehirnhülle in Pia und
Arachnoidea, verbindet und zweitens peripherisch in ein Lymphgefäss übergeht, zukommt», ln dem Laufe der Ent-
wicklung wird indessen die Abflussrohre immer enger. Dieser Abflussweg der Perilymphe ist nun, wie eben ange-
deutet wurde, nicht der einzige, und wohl bei erwachsenen Säugern und Menschen, wie auch bei den Vögeln mit
geschlossenem Foramen cochleare nicht einmal der Hauptweg. Die trichterförmige Fortsetzung der Arachnoidea
in den Meatus auditorius internus ist wohl ein Weg, vielleicht der Hauptweg, für den Abfluss der Perilymphe, und
dieser Weg existirt auch bei den übrigen Thieren.
Anatomische Beschreibung.
Da wir schon bei unserer ersten Reihe von Injectionen an Hunden und Kaninchen von den Subarachnoidal-
räumen sowie vom Subduralraum aus die Injectionsmasse, sei es dass sie aus löslichem Berlinerblau, aus der Richard-
sonschen Flüssigkeit, oder aus Zinnoberemulsion (resp. Zinnoberleim) bestand, oft im Labyrinthe des Ohres
wiederfanden, suchten wir sogleich die Wege zu erörtern, auf welchen sie dorthin gelangt sei. Immer sahen wir,
dass sie den Nervus acusticus durch den Meatus acusticus internus begleitet hatte. Wenn die Injection vom Sub-
Key und Retzius. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 214
duralraum aus stattgefunden hatte, lag die Masse zwischen der Dural- und der Arachnoidalscheide des Nerven;
wenn sie aber von den Subarachnoidalräumen geschah, fand man sie innerhalb der betreff. Arachnoidalscheide wieder,
welche letztere dadurch oft ziemlich stark ausgespannt war; wenn wir eine Doppelinjection von den beiden ver-
schiedenen Räumen her ausgeführt hatten, lag die Masse in den betreff, beiden Scheidenräumen des Nerven. Sie
war bei diesen verschiedenen Injectionen fast immer zum Boden des Meatus internus fortgedrungen. Nun sahen
wir ferner bei Verfolgung der Injection durch die Lamina cribrosa, dass sie wirklich in einigen Fällen durch diese
sieh fortgesetzt und eine Strecke weiter die Nervenzweige in der Lamina spiralis scheidenförmig begleitet hatte.
Es lag deswegen nahe anzunehmen, dass sie eben auf diesem Wege ins Labyrinth eingetreten sei, um so mehr
als wir bei näherer Untersuchung keine andere von Injectionsflüssigkeit gefüllte, zum Innerohr führende Bahnen
finden konnten. Indessen gelang es uns nicht, einen directen Zusammenhang der die Nervenzweige umgebenden
Scheidenräume mit dem serösen Raum des Labyrinths, wo die Injectionsmasse sich wiederfand, zu beobachten. Es
blieb deswegen hier immerfort ein Zweifel übrig. Der eben erwähnte seröse Raum, in welchem die Injectionsmasse
lag, war stets der perilymphatische Raum; in den meisten Fällen befand sich dabei die Masse an den Wänden der
Scalm, besonders d. Scala tympani, abgelagert; nur mehr selten und zwar spurweise sahen wir sie auch in der Um-
gebung des Vestibulum und der Bogengänge.
Bei unseren seither fortgesetzten Injectionen an Thieren erhielten wir der Hauptsache nach ganz übereinstim-
mende Resultate. Dabei wurde es uns indessen zweifelhafter, ob wenigstens in der Regel die Masse mit den Acusticus-
zweigen durch die Lamina cribrosa in den perilymphatischen Raum eintrete. In den ziemlich seltenen Fällen,
wo sie diesen Zweigen folgte, schien sie uns immer von deren Scheiden begrenzt in der Lamina spiralis geblieben.
Wir mussten deswegen nach anderen Bahnen suchen. Dabei boten sich eigentlich nur zwei dar, welche diese Rolle
ausführen könnten, nämlich der Aquaeductus vestibuli und der Aqumductus cochlese. Diese beiden waren ja schon
von Cotugno als »Wasserleitungen» des Innerohres bezeichnet worden und sogar als solche experimentel dargelegt.
Wir versuchten deswegen zuerst den Aquaeductus vestibuli in der betreff. Hinsicht zu verfolgen, und dies sogar beim
Menschen, Hier mag indessen erwähnt werden, dass es uns eben beim Menschen nicht gelungen war, bei den In-
jectionen von den Subdural- resp. Subarachnoidalräumen aus die Injectionsmasse im perilymphatischen Raume wieder-
zufinden; diese Thatsache wird aber leicht dadurch erklärt, dass man nie hinreichend frische Menschenleichen zu solchen
Injectionen bekommt. Die Masse begleitete indessen auch beim Menschen immer die beiden Acustici bis zur Lamina
cribrosa, ganz in derselben Weise wie bei den erwähnten Thieren (Hund, Kaninchen); durch diese Lamina sahen wir
sie aber bei ihm nie eingedrungen. Es kam deswegen darauf an, andere Methoden zu versuchen.
Merkwürdigerweise hat, ungeachtet der Hinweisung Boettchers auf das Vorkommen des membranösen Aquae-
ductus vestibuli bei Katzen und Rindern, seit Cotugno noch keine Darstellung desselben beim Menschen, wenigstens nicht
beim erwachsenen, stattgefunden. Und doch ist derselbe in seinem cerebralen Theil hier stark entwickelt und gar leicht
zu finden. Man bekommt ihn am bequemsten in der Weise zu Gesicht, dass man eine Pars petrosa mit ansitzender
Dura ausnimmt und dann eben nach unten und etwas nach aussen vom Eingang des sog. Aquaeductus vestibuli
osseus einen ziemlich tiefen Schnitt in der Dura bis in die Nähe des Sinus lateralis macht; wenn man dabei tief
genug in die Duraschichten gedrungen ist, erblickt man einen geöffneten Sack, welcher sich nach den Seiten hin
eine Strecke fortsetzt. Macht man dann gegen den ersten Schnitt einen zweiten queren und hebt die also ent-
standenen vier Durazipfel auf, so liegt der ganze Sack geöffnet vor. Zwar hat er in verschiedenen Fällen eine etwas
verschiedene Gestalt und Grösse, ja sogar bei demselben Individuum ist er an den beiden Seiten nicht selten von
wechselnder Ausbildung; immer ist er aber an dieser Stelle vorhanden. Gewöhnlich ist er mehr oder weniger
rectangulär oder rhomboidartig mit abgestumpften Ecken, also gewissermassen oval. In der Fig. 2, 3, 4 der Taf. XXXVI
haben wir drei solche in der angegebenen Weise geöffnete Säcke vom erwachsenen Menschen abgebildet, von
welchen zwei demselben Individuum angehörten. Mit dem einen Ende reicht der Sack immer bis zur Oeffnung des
knöchernen Aquaeductus vestibuli, mit dem anderen ungefähr bis zur Wand des oben erwähnten Sinus. Die Grösse
wechselt ungefähr zwischen 7—ll Mm. Länge und 4—7 Mm. Breite; im Mittel beträgt die Länge etwa 8 Mm.
Der Raum des Sacks ist eigentlich als spaltenförmig zu betrachten, d. h. er wird von zwei Wänden begrenzt, die
rings um in einem sehr spitzen Winkel in einander übergehen. Beide diese Wände werden von der Dura gebildet;
die, welche dem Knochen anliegt und ihm fest anhaftet, ist in der Regel ein wenig, wenn auch unbedeutend dünner
als die andere, dem Subduralraum zugerichtete. Nach innen zu sind diese Wände im Allgemeinen ganz glatt und
eben, ohne Falten oder Auswüchse, so dass sie am Querschnitt geradlinig erscheinen. Ihre Oberflächen sind etwas 215
glänzend, wie mit einer Flüssigkeit befeuchtet. Bei näherer Untersuchung findet man sie mit einem Epithel von
ziemlich niedrigen polygonalen Zellen überzogen (Taf. XXXVI Fig. 7), welches in einfacher Lage die beiden Wände
überall bekleidet. Am Querschnitt der ganzen Durapartie tritt dieses Epithel sehr schön hervor, wobei man es
unmittelbar auf dem Bindegewebe der Dura sitzend findet. Durch Silberfärbung erhält man seine Zellengrenzen in
grosser Ausdehnung immer stark markirt (Taf. XXXVI Fig. 6). Keine andere histologische Elemente, als die oben
erwähnten, waren hier zu finden. In dem spaltenförmigen Sackraum findet man in der Regel nur eine geringe Menge
einer klaren Flüssigkeit. Nur ein Mal trafen wir bei einer Leiche den Sack der einen Seite von einer grösseren
Menge Flüssigkeit stark ausgespannt, und zwar so, dass man schon äusserlich bei Besichtigung der Dura hier eine
rundliche Anschwellung sah; beim Anstechen derselben sickerte die Flüssigkeit schnell heraus.
Diese nun beschriebene Bildung stimmt mit der von Cotugno zuerst endeckten sowohl der Lage als der Gestalt
nach fast ganz überein, obwohl sie seither, wie es scheint, beim erwachsenen Menschen vollständig vergessen wurde.
Auch mit der von Boettcher bei Thieren geschilderten ist sie offenbar identisch. Beim neugeborenen Menschen
haben wir diesen Sack auch verfolgt und immer gefunden. In der Taf. XXXVI Fig. 5 ist ein solcher abgebildet.
Wie verhält sich nun dieser Sack zu den umgebenden Organen oder, richtiger ausgedrückt, steht er mit den-
selben in etwaiger directer Verbindung? Es gelingt ohne Schwierigkeit sich davon zu überzeugen, dass das Epithel
des Sackes durch die Oeffnung des knöchernen Aquaeductus vestibuli in die Pars petrosa hinein als ein enges Epi-
thelialrohr sich fortsetzt. Am Anfang des Rohres sieht man hie und da kleine, zottenartige Falten, von welchen
Boettcher spricht; sonst ist das Epithelialrohr von einer blutgefässführenden, bindegewebigen Hülle umgeben.
Das Epithel, in einfacher Lage vorhanden, entspricht vollständig dem des oben beschriebenen Sackes; es stimmt
aber zugleich mit dem des Vestibulum und der Bogengänge überein. Dass wirklich der fragliche Gang mit dem
häutigen Labyrinth zusammenhängt hat ja auch Boettcher und in späterer Zeit Carl in überzeugender Weise gezeigt.
Es liegt deswegen kein Zweifel mehr vor, dass hier ein wirklicher »Aquaeductus vestibuli membranaceus» oder, wie
Hasse ihn besser bezeichnet, ein Ductus endolymphaticus vorliegt, welcher mit einem intracraniellen, in der Dura
mater eingeschlossenen Saccus endolymphaticus versehen ist. Es scheint uns von Interesse zu sein, dass diese
beiden Bildungen beim Menschen das ganze Leben hindurch fortbestehen. Man kann sie deswegen nicht gern als
nur embryonale Rudimentärbildungen betrachten. Wie verhält sich aber nun dieser endolymphatische Gang mit
seinem Sack zu den im Schädelraum liegenden Theilen? Steht der Sack, wie Cotugno glaubte, durch kleine »in-
halirende» Gefässe mit dem Venensysteme in Verbindung oder öffnet er sich, wie Hasse für die höheren Thiere
vermuthet, in den serösen (epicerebralen, subarachnoidalen) Raum des Gehirns? Um diese wichtige Frage zu ent-
scheiden haben wir Injectionen im Sack ausgeführt. Im Allgemeinen ist es ziemlich schwer mit einer Stichcanüle
in den Sack einzudringen. Man ist selten ganz sicher, ob dieselbe schon den Sack erreicht hat oder ob sie noch
zwischen den Lamellen der Dura geblieben ist. Im letzteren Falle werden die Venen des Duragewebes, ebenso wie
das Spaltensystem desselben, wie gewöhnlich mehr oder weniger reichlich gefüllt, und der endolymphatische Sack wird
leer gefunden. In den Fällen aber, wenn die Canüle bis in den Sack selbst eingedrungen war, blähte dieser sich
blasenförmig auf und keine Flüssigkeit drang bei mässigem Druck aus ihm in die Dura, noch weniger in den Sub-
dural-, resp. Subarachnoidalraum hinaus. Erst bei starkem Druck drang sie auch in diesen Fällen vom Sack ins
Duragewebe ein, dabei das Spaltensystem und die kleinen Blutgefässe mehr oder weniger erfüllend; hier mag eine
Sprengung des Gewebes eingetreten sein. Nach Allem scheint es uns deswegen im höchsten Grade wahrscheinlich,
dass beim Menschen der Sack wirklich gegen den Schädelraum hin abgeschlossen ist und weder mit den serösen
Räumen des Gehirns, noch mit den Blut- oder Lymphgefässen (resp. Spaltensystem d. Dura) in offener Verbindung
steht. Ebensowenig sahen wir eine Beziehung desselben zur Arachnoidea.
Bei diesen Injectionen drang die Flüssigkeit zwar nicht ins Vestibulum hinein; dies kann aber davon abhängen,
dass die Oeffnung des Canals in etwaiger Weise abgesperrt wurde. Ebensowenig gelang es uns mittelst Einstich
durch die Fenestra ovalis den Sack zu füllen; wir wollen indessen daraus keine Resultate ziehen, da dies eben auf
Zufälligkeiten beruhen mag.
Durch diese Untersuchungen gelangten wir also zu der Ansicht, dass die Injectionsflüssigkeit von den serösen
Räumen des Gehirns aus nicht durch den Aqumductus vestibuli (Ductus endolymphaticus) ins Innerohr ein-
dringen kann.
Es blieb uns also übrig des Aquasductus cochlese zu gedenken. Leider sind eben in dieser Hinsicht unsere
Untersuchungen nicht abgeschlossen, und wir mussten wegen der übrigen, dringenden Arbeiten an unserem vorliegenden 216
Werke diese Frage bis auf Weiteres, was auf uns ankommt, unentschieden lassen. Die Angaben Webers tragen
indessen in der That viel Wahrscheinliches an sich. Besonders spricht für diese Ansicht der Umstand, dass die
Injectionsmasse gewöhnlich grösstentheils, oft sogar ganz, in der Scala tympani angesammelt gefunden wird; nicht
selten sieht man sie eben in der Nähe der Fenestra rotunda liegen, also eben beim Eintritt des Aquaeductus cochleae
in den perilymphatischen Raum, Einigemal fanden wir bei den von den serösen Räumen aus injicirten Hunden
wirklich einen feinen, von der Injectionsflüssigkeit tingirten Streifen den Knochen durchziehen und glaubten denselben
bis zum Eintritt in die Scala tympani neben der Fenestra rotunda verfolgen zu können; bei der Schwierigkeit, den
harten Knochen nach Belieben zu bearbeiten, wurde aber das Resultat verwischt. Ebenso gelang es uns mehrmals,
besonders nach Subduralinjectionen, die Injectionsmasse im Anfang des Aquaeductus cochleae, sogar beim Menschen,
zu verfolgen; nie sahen wir aber mit etwaiger Sicherheit, dass sich dieselbe von hier aus bis in den perilymphatischen
Raum fortsetzte. Bei Stichinjectionen durch die Fenestra rotunda füllte sich zwar überall der perilymphatische Raum;
einen Ablauf der Flüssigkeit durch den Aquaeductus cochleae gelang es uns aber nicht zu constatiren. Durch Silber-
färbung des im Aquaeductus cochleae eingeschlossenen Gewebes erhielten wir keine Zellengrenzenzeichnung. Darauf mag
man doch Nichts bauen, da ebenso bei Versilberung der Wände des eigentlichen perilymphatischen Raums des Laby-
rinths in der Regel keine Zellengrenzen hervortreten. Und doch findet sich hier überall ein sehr schönes Endothel
mit reichlichen, von einer kleinen Protoplasmazone umgebenen Kernen. Es bekleidet sowohl die äussere Wand
des membranösen Labyrinths als die den Raum überspringenden, verzweigten Balken (Taf. XXXVI Fig. 9) sowie
die äussere, periostale Wand des perilymphatischen Raums (Taf. XXXVI Fig. 8). Dieses Endothel, welches oft in
den Arbeiten über das Innerohr eine Rolle gespielt hat und bald als unzweifelhaft vorhanden beschrieben, bald wieder
verneint wurde, bietet ein gutes Beispiel von solchen feinen mit Häutchenzellen bekleideten Balken und Membranen dar,
welche wir oben schon ausführlich bei den serösen Räumen der Centralorgane geschildert haben. Die Balken gehen
bald mehr zahlreich, bald mehr vereinzelt von der membranösen Wand des Vestibulum und der Bogengänge, besonders
der letzteren aus, um sich an der äusseren periostalen Bekleidung des perilymphatischen Raumes zu befestigen.
Bei ihrer Verzweigung breiten sie sich oft zu grösseren oder kleineren Platten aus (Taf. XXXVI Fig, 9), welche dann
mehrere Ausläufer nach verschiedenen Richtungen aussenden. Oft finden sich in ihnen Blutgefässe. Das die Balken
bekleidende Endothel zeichnet sich dadurch aus, dass seine Kerne sehr gedrängt liegen; die einzelnen Zellen müssen
deswegen verhältnissmässig klein sein. Gewöhnlich findet man in diesem Endothel eine Menge von zerstreut liegenden
bräunlichgelben Pigmentkörnern.
Obwohl wir also betreffs des Weges der Verbindung des perilymphatischen Raums mit den serösen Räumen
des Gehirns es für sehr wahrscheinlich halten, dass die Ansicht Webers richtig ist, wollen wir indessen uns in dieser
Hinsicht nur mit Vorbehalt aussprechen, da unsere, bis jetzt nicht beendigten Untersuchungen ganz Positives nicht
ergaben. So viel scheint aber nach unseren Befunden festzustehen, dass der perilymphatische Raum des Labyrinths
sowohl vom Subduralraum als von den Subarachnoidalräumen aus injicirt werden kann, und also mit ihnen in offener
Verbindung steht. 217
Die Lymph- und Saftbahnen der Nasenschleimhaut in ihrer Verbindung mit den
serösen Räumen der nervösen Centralorgane.
Historischer Rückblick.
Nachdem schon die älteren Anatomen die hypothetische Lehre von einem Abfluss der Flüssigkeiten des Gehirns
nach der Nasenhöhle und dem Gaumen zu gehegt hatten, wurde in der letzten Zeit ein solcher Abfluss, obwohl in
einem anderen Sinne, und zunächst nur nach den Lymphgefässen der Nasenschleimhaut zu, experimentel dargelegt.
Es gelang Schwalbe durch Injectionen vom Subduralraum des Gehirns aus Lymphgefässe in der Geruchschleim-
haut zu füllen. Bei unseren Injectionen von den subarachnoidalen Räumen des Rückenmarks und Gehirns aus
erhielten wir dann Füllung scheidenartiger (perineuraler) Hüllen der Nerven der Geruchschleimhaut und daneben
zwischen diesen Zweigen ein Gefässnetz, welches von den Blutgefässen getrennt und mit Lymphgefässen ganz über-
einstimmend war. Aehnliche Verhältnisse traten ferner ein, wenn wir die Injection vom Sub duralraum des Gehirns
und Rückenmarks ausführten. Auch Michel erhielt bei Injection des Sub dural raums des Gehirns Füllung
der Lymphgefässe der Geruchschleimhaut.
Histologische Beschreibung.
Unsere in den letzteren Jahren fortgesetzte Untersuchungen haben nicht nur die eben erwähnten Befunde
bestätigt, sondern dieselben sogar in beachtenswerther Weise erweitert. Da die subarachnoidalen Injectionen
eigentlich vom Anfang an den Ausgangspunkt unserer Untersuchungen bildeten, werden wir zuerst über die Resultate
derselben berichten.
Wenn wir eine gefärbte Flüssigkeit, gewöhnlich das Richardsonsche Blau, unter gelindem constantem Druck
nach der oben beschriebenen, von uns im Allgemeinen angewandten Methode in den Subarachnoidalraum eines eben
getödteten Thieres (Hundes oder Kaninchen) hineinfliessen Hessen, wurden, bei Untersuchung der Nasenschleimhaut,
Canäle und Gefässnetze in derselben in verschiedener Ausdehnung damit gefüllt gefunden. Erstens fanden sich
langgestreckte, mehr oder weniger parallele und gerade, indessen im Ganzen von der Lamina cribrosa strahlenförmig
ausgehende, cylindrische Injectionstuben (Taf. XXXVII Fig. 1); bei näherer Untersuchung erwies sich, dass diese
Injection die von der Lamina ausstrahlenden Zweige des N, olfactorius betraf; es war in der That eine schöne
scheidenartige Injection dieser Nervenzweige vorhanden. Bald war diese Injection sehr vollständig, indem eine grosse
Anzahl der fraglichen Nervenzweige von der Injectionsmasse umhüllt war, bald befand sich nur eine geringere Anzahl
Key und Retziüs. Studien in der Anatomie des Nervensystems. 218
derselben injicirt. Besonders oft fanden wir eine reichliche derartige Injection beim Kaninchen. Betreffs des Weges,
auf welchem die Injection stattgefunden hatte, konnte man im Allgemeinen ohne Schwierigkeit dieselbe durch die
Lamina cribrosa hindurch verfolgen; es lag hier mithin eine perineurale Injection peripherischer Nerven vor, von
ungefähr derselben Art, wie wir sie an anderen peripherischen Nerven von den serösen Räumen der Centralorgane
aus beschrieben haben. Zuweilen war nun diese Injection der Nervenzweige die einzige in der Nasenschleimhaut
vorkommende. Gewöhnlich fand sich aber bei diesen Versuchen noch eine andere Art von Injection, nämlich ein
Netz feinerer, in verschiedenen Richtungen verlaufender und mannigfach anastomosirender Gänge. Dieses Netz
(Taf. XXXVII Fig. 1), welches sich besonders in der Nähe der Lamina cribrosa befand und deutlicherweise von ihr
ausstrahlte, durchwebte die Schleimhaut, kleinere und grössere, im Allgemeinen etwas längliche Maschen bildend,
die vorzugsweise zwischen den Nervenzweigen, ihnen parallel, lagen, aber auch dieselben mannigfach kreuzten.
Hie und da fanden sich dickere Knotenpunkte an demselben. Oft war das Netz aber nicht auf die Umgebung der La-
mina cribrosa beschränkt, sondern es erstreckte sich weit in der Membrana olfactoria umher und ferner auch in
der übrigen Nasenschleimhaut; nicht selten war es in der Schleimhaut der Conchse und auch bis zur äusseren Nasen-
öffnung hervorgedrungen; oft fand sich auch in der Schleimhaut der Sinus frontales eine reichliche Injection von
Gefässen (Taf. XXXVII Fig. 2), welche offenbar mit den fraglichen Netzen der Regio olfactoria in Verbindung standen.
In diesen Regionen zeigte sich die Gestalt der Maschen im Allgemeinen verschiedenartig; die längliche war jetzt
nicht mehr hervortretend, sondern sie waren kürzer, wozu noch die knoten- oder ampullenartigen Erweiterungen
gewöhnlich ausgeprägt waren. Schon durch ihre Gestalt erwies sich zwar im Allgemeinen das beschriebene Netz als
zu dem Lymphgefäss-system gehörig, und oft erhielten wir sogar Bilder, welche auf die schönste Weise die verschiedenen
characteristischen Gestalten von Lymphgefässen gaben; hie und da trug es indessen ein Aussehen, das möglicherweise
auf ein Venennetz hindeuten konnte. Um diese Frage endgültig zu entscheiden injicirten wir an solchen in der
angegebenen AVeise behandelten Thieren die Blutgefässe des Kopfes und gelangten dadurch zur Gewissheit, dass
die vom Subarachnoidalraum aus injicirten Gefässe von den Blutgefässen ganz abgesondert waren. Bei vollständiger
Füllung der Blutgefässe der Nasenschleimhaut, Arterien, Capillaren und Venen (Taf. XXXVII Fig. 3), befand sich
das vom Subarachnoidalraum injicirte Netz mit seinen knotigen Anschwellungen ganz unabhängig davon in den
Maschen der Blutgefässe, wozu noch seine grösseren Stämme im Allgemeinen den Venen folgten. Zwischen den
Maschen der Blutgefässe schlangen die oft feinen, verschiedenartig gestalteten im Allgemeinen sehr zahlreichen
Maschen des fraglichen Netzes, die Blutgefässe in mannigfacher AVeise umspinnend und das zwischen ihnen liegende
Gewebe durchflechtend. Nach diesem Befunde konnten wohl die eben beschriebenen Netze nichts Anders sein als
lymphatischer Art. Wir fanden, dass dieselben sich zu Stämmen sammelten, welche nach dem Gaumen zu verliefen
und dort in wirkliche Lymphdrüsen des Halses sich einsenkten (Taf. XXXVII Fig. 4). Es konnte also kein Zweifel
mehr über ihre Natur vorhanden sein. Es lagen in der That die Lymphgefässe der Nasenschleimhaut vor. Auf
welchen AVegen geschieht nun aber die Injection dieser Gefässe von den Subarachnoidalräumen aus? Dass sie durch
die Lamina cribrosa hindurch stattfindet, ist eben durch ihre Ausbreitung von ihr aus, besonders bei geringerer
Füllung, deutlich. Indessen könnte sie entweder durch Vermittelung der erwähnten perineuralen Injection der Nerven-
zweige oder auch unabhängig von ihr durch selbstständige Ausflüsse geschehen, oder endlich sie könnte auf beiderlei
Weise zu Stande kommen. Oft kommen wie erwähnt beide Arten der Injection gleichzeitig vor; nie sahen wir aber
dabei das die Nerven umspinnende Netz direct von den perineuralen Scheiden ausgehen. Dass die Lymphgefässe
ganz unabhängig von der perineuralen Injection injicirt werden können, wird indessen am besten dadurch bewiesen,
dass sie sogar reichlich gefüllt werden können ohne jede Füllung der perineuralen Nervenscheiden, ganz wie diese
ohne Füllung der Lymphgefässe injicirt sein können. Die Lymphgefässe müssen wohl also wenigstens grössten-
theils in selbstständiger Verbindung mit den fraglichen serösen Räumen stehen. Bei näherer Untersuchung der Lamina
cribrosa solcher in der angegebenen Weise injicirten Thiere sahen wir nun, wie es uns schien, unabhängig von den
Nervencanälchen andere feine Canäle, in welche die Hirnhäute dünne Fortsätze einsenkten. Es liegt also sehr nahe
anzunehmen, dass eben hier die ATerbindungs- resp. Abflusswege der subarachnoidalen Flüssigkeit nach den Lymph-
gefässen der Nasenschleimhaut hin vorliegen.
Es mag hier bemerkt werden, dass bei einzelnen der betreffenden Versuche auch die Venen der Nasen-
schleimhaut injicirt wurden. In solchen Fällen war nämlich eine Füllung derselben von den venösen Sinus der Dura
mater durch Vermittelung der Arachnoidalzotten eingetreten. Dabei enthielten oft auch die Venen des Gesichts und
sogar die des Halses mehr oder weniger der Injectionsmasse. 219
Nachdem wir dann leichtflüssigere Massen, besonders die auf dem LüDWia’schen Laboratorium neulich einge-
führte ausgezeichnete Asphalt-Chloroformmasse *), anwandten, erhielten wir bei entsprechender Injection von dem
Subarachnoidalraum des Rückenmarks aus die soeben beschriebene Füllung der Lymphgefässnetze der Nasenschleim-
haut (Taf. XXXYIII Fig. 1) in der schönsten und reichlichsten Weise ebenso wie in grosser Ausdehnung in dem Sinus
und im Gaumen. Die Injection blieb aber in der Regel bei unseren betreffenden Versuchen hier nicht stehen, sondern
sie drang merkwürdigerweise auch an vielen Stellen von den Lymphgefässen in feine Netze aus, welche sich im Gewebe
der Schleimhaut in verschiedenen Richtungen ausbreiteten (Taf. XXXYIII Fig. 2). Diese Netze, deren einzelne Maschen
gewöhnlich sehr kurz und dicht gedrängt sind, gehen hie und da mit kurzen, in der Regel schmalen Stielen von
den Lymphgefäss-stämmchen aus und verzweigen sich in mannigfacher Weise, bald baumförmig, bald wiederholt
dichotomisch, bald nach vielen Richtungen hin, wobei sich die Zweigehen oft wieder vereinigen, um dann neue Zweigehen
abzugeben. Die einzelnen Zweigehen sind in der Regel etwas ampullenartig oder knotenförmig angeschwellt, oft etwas
geplattet. Diese kleinen Netze nehmen im Allgemeinen die Räume zwischen den Lymphgefässmaschen ein, hie und
da erstrecken sie sich aber auch über denselben hervor. Da in der Regel Schleimdrüsen in den Maschenräumen
der Lymphgefässe stehen, schlingen sich die beschriebenen feineren Injectionsnetze verschiedenartig zwischen und
um die Drüsen. Welcher Art sind nun diese Netze? Dass sie nicht eigentliche Lymphgefässe darstellen, geht schon
aus ihrer Gestalt und übrigen Beschaffenheit hervor. Sie können in der That nichts Anderes sein, als die Saft-
bahnen der Nasenschleimhaut, wie wir mit einem generellen Namen die Saftcanälchen, Spaltenräume oder Saftspalten
nennen werden. Darauf, weist ihre ganze Natur hin. Es liegt also hier ein neues eclatantes Beispiel der wichtigen
Thatsache vor, dass sich die Saftbahnen (Saftcanälchen) einer Schleimhaut in directer Verbindung mit und von den
Lymphgefässen aus gefüllt haben. Bekanntlich hat Christian Loven 2) in neuerer Zeit in der Magenschleimhaut durch
Stichinjection eine Füllung der Saftbahnen von den Lymphgefässen aus erhalten und beschrieben, und dadurch einen
neuen Beweis für die besonders von Ludwig und Recklinghausen vertretene Lehre vom Zusammenhang der Spalten-
räume (resp. Saftcanälchen) der Gewebe mit den Lymphgefässen geliefert. Bei unseren Injectionen liegt nun
ein derartiger Beweis in der schönsten Weise vor. Bei dem gelinden Druck, welche die Flüssigkeit in unseren
Injectionen vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks aus erleidet, füllt sich in reichlicher Ausdehnung und durch
eine grosse Menge von Abflusswegen von den Lymphgefässen der Nasenschleimhaut aus ein mächtiges Saftbahn-
system, welches das Gewebe der Schleimhaut in mancherlei Richtungen durchspinnt. In ganz derselben Weise ver-
hielt sich aber die Injection auch in der Schleimhaut der Sinus frontales. Auch hier füllte sich von den Lymph-
gefässen aus ein reichliches Saftbahnsystem (Taf. XXXIX Fig. 3, 4).
Diese Thatsachen waren nun schon an der flächenhaft ausgebreiteten, unversehrten, nur vom Knochen oder
Knorpel vorsichtig abgelösten Schleimhaut zu finden. Da es aber von Wichtigkeit sein konnte, auch an Vertical-
schnitten der Nasenschleimhaut die Anordnung der Lymphgefässe und Saftbahnen zu studiren, haben wir derartig
injicirte Schleimhautstücke in Gummiglycerin getrocknet und dann dünne Schnitte in verschiedenen Richtungen ge-
macht. An den Yerticalschnitten solcher Schleimhautstücke, welche Schnitte besonders einleuchtend waren, wenn
sie quer gegen die Richtung der Nervenzweige geführt wurden, fanden wir nun im Allgemeinen durch die ganze
Schleimhaut hindurch bis zum Epithel hinauf eine reichliche Injection der Saftbahnen (Taf. XXXYIII Fig. 3—5);
sie bildeten Netze in der Nähe des Knochens, sie umspannen die Nervenzweige in der schönsten Weise; sie um-
strickten die zahlreichen Drüsen der Schleimhaut und liefen in feiner und dichter Verzweigung im Bindegewebe
(Taf. XXXYIII Fig. 8, 9) zwischen den Bündeln und den protoplasmatischen Zellennetzen bis zur Oberfläche der binde-
gewebigen Mucosa, wobei sie unter dem Epithel oft noch reichlichere Netze bildeten. An Flächenschnitten der
Schleimhaut sieht man sehr schön zwischen den Blutgefässen, sowie zwischen den einzelnen Drüsen, die feine netz-
förmige Anordnung dieser Saftbahnen (Taf, XXXYIII Fig. 6, 7).
Zu unserem Erstaunen fanden wir aber nun an den Yerticalschnitten der Schleimhaut, dass die Injectionsmasse
nicht durch die Epithelschicht abgesperrt wurde, sondern dass sie im Gegentheil hie und da, in ziemlich bestimmten
Abständen, durch kleine Canäle im Epithel bis zu dessen Oberfläche sich fortsetzte (Taf. XXXYIII Fig. 4, 5). Diese
eigenthümlichen Canäle, welche bald aus einem reichlichen, bald aus einem spärlichen Saftbahnnetz unter dem Epithel,
bald sogar nur aus einem einzelnen Stämmchen hervorgingen, stiegen im Allgemeinen gerade, nur mehr selten schief,
zur Oberfläche hinauf; sie besassen eine etwas verschiedene Gestalt, waren oft bei ihrem Abgang etwas schmäler
1) S. b. Fleische in d. Bericht über die Yerhandl. d. k. sächs. Gesellsch. d. Wiss. zu Leipzig. Math, phys, CI. (1874) I. 11. 1875.
2) Nord. Med. Arkiv. Bd V N:r 26, 1873. 220
und erweiterten sich heim Verlauf durch das Epithel etwas ampullär, oder sie endeten mit einer kraterförmigen Ver-
breiterung an der Oberfläche. Da es wichtig war, das Verhältniss dieser Gänge zu den übrigen Gewebsbestandtheilen
der Epithelschicht auszufinden, versuchten wir dasselbe, besonders mit Hinsicht auf die Begrenzung der Gänge,
zu eruiren. Im Allgemeinen erwies sich nun, dass diese Gänge den Ausführgängen der Schleimhautdrüsen folgten,
wobei sie dieselben entweder rings umgaben oder auch nur einseitig begleiteten. Eine besondere Wand derselben
war natürlicherweise ebensowenig wie bei den Saftbahnen selbst vorhanden.
Bei der Untersuchung derartig injicirter Schleimhäute, von der Epithelfläche her, welches zum Vergleich von
Interesse sein konnte, fanden wir, dass die injicirten Gänge als dunklere Punkte in ziemlich regelmässiger Anordnung
an der Oberfläche distribuirt standen, sowie, dass von ihnen aus sich hie und da Injectionsmasse auf der Epithel-
oberfläche ausgebreitet hatte.
Wie bekannt hat vor einigen Jahren Hjalmar Heiberg 5) gezeigt, dass in der Basalmembran zwischen dem
Epithel und der Mucosa der Nasenschleimhaut eine Art durchlaufender Canäle vorhanden ist, welche ihm zufolge
wahrscheinlich die Passage des Gewebssaftes nach aussen, zur Oberfläche der Schleimhaut, vermitteln. Die von ihm
in dieser Hinsicht angestellten Injections versuche fielen indessen negativ aus. Bei unseren hier oben beschriebenen
Injectionen drang die Flüssigkeit, wie erwähnt wurde, und so viel wir finden konnten, neben den Ausführgängen
der Drüsen und um dieselben hinaus; an anderen Stellen der Schleimhaut und bei reichlicherer Füllung und stärkerem
Druck dürften wohl wahrscheinlich die HEißEßo’schen Canäle zu Ausströmungswegen des Gewebssaftes dienen.
Im Ganzen liegt aber nun auf Grund des oben Angeführten die merkwürdige Thatsache vor, dass bei einer
unter gelindem Druck geschehenen Injection vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks resp. Gehirns aus durch
Vermittelung der Lymphgefässe der Geruchschleimhaut die Saftbahnen dieser Haut reichlich gefüllt werden und
ferner, dass von diesen aus ein Abfluss durch besondere Canäle im Epithel auf der Oberfläche des letzteren statt-
findet also ein offener Zusammenhang der subarachnoidalen Räume der nervösen Centralorgane mit der Aussenwelt.
Hierdurch wird mithin die hypothetische Lehre der Alten in einer sonderbaren Weise bestätigt, obwohl ihre Anschauungen
betreffs dieser Frage in eine ganz andere Richtung ausgingen.
Alles was hier bis jetzt von uns über die Lymphgefässe und Saftbahnen der Nasenschleimhaut gesagt wurde,
betraf nur die Injection von den subarachnoidalen Räumen aus. Bei der subduralen Injection sind indessen die
Verhältnisse so vollständig übereinstimmend, dass es gar nicht nöthig ist, eine besondere Beschreibung davon zu
geben. Also füllen sich in ganz derselben Weise sowohl die perineuralen Scheiden der Olfactoriuszweige als die
Lymphgefässe der Schleimhaut; von den letzteren aus erhielten wir ebenso reichliche Injection der Saftbahnen,
sowie von diesen aus die beschriebenen Abflussgänge durch das Epithel nach der Oberfläche, d. h. der Nasenhöhle,
hin. Es füllen sich also bei den beiden Injectionsarten'dieselben Gefäss-systeme, d. h. die beiden an den Central-
organen vorhandenen, abgetrennten Raumsysteme begegnen sich in der Nasenschleimhaut vollständig; sie haben hier
wie anderswo z. B. an den Arachnoidalzotten, an den peripherischen Nerven, gemeinsame Abflusswege.
Die nun beschriebenen Untersuchungen über die Lymphgefässe und Saftbahnen der Geruchschleimhaut gelten
indessen eigentlich die Thiere (Hund, Kaninchen); beim Menschen erhielten wir in unseren Injectionsversuchen nie
eine Füllung der fraglichen Lymphgefässe, nur hie und da eine Füllung der perineuralen Scheiden der durch die
Lamina cribrosa austretenden Olfactoriuszweige. Diese negativen Befunde können aber leicht davon abhängen,
dass man nie ganz frische Leichen zum Injiciren erhält. Oder was auch möglich sein kann die mächtigere
Ausbildung der Arachnoidalzotten spielt vielleicht eine compensirende Rolle, so dass beim Menschen dieser Abflussweg
stärker entwickelt ist, bei den erwähnten Thieren aber in der Regel die Lymphbahnen der Nasenschleimhaut in
dieser Beziehung wichtiger sind.
j) Nordiskt Medicinskt Arkiv. Bd IV N:r 6, i, 1872. Verzeichnis» der Tafeln
Tafel I. Das menschliche Rückenmark mit seinen umgebenden Häuten,
» 11. Querschnitte des menschlichen Rückgrats mit dem Rückenmark und seinen Häuten in natürlicher Lage
» 111. Die grossen Subarachnoidalräume, die Cisternen, an der Basis des menschlichen Gehirns.
>' IV. Spatium subarachn. corp. quadr., Scheidencanal der Vena Galen! am Schafhirn. Plexus chorioidei
Velum interpositum. Aperturm laterales ventr. quarti beim Pferde,
r V 7. Subarachnoidalräume und piale Gefässtrichter des menschlichen Gehirns.
» VT. Subarachnoidalinjectionen am menschlichen Gehirn.
» VII. Injectionen der Subarachnoidalräume und der Ventrikel des menschlichen Gehirns.
" VIII. Subarachnoidalinjectionen des menschlichen Gehirns.
» IX. Injectionen der Subarachnoidalräume mit den pialen Gefässtrichtern des menschlichen Gehirns.
» X. Subarachnoidale Balken und Häutchen. Arachnoidea.
» XI. Subarachnoidalhäutchen beim Menschen.
» XII. Subarachnoidalhäutchen und Balkennetze beim Menschen.
» XIII. Arachnoidea, Subarachnoidalhäutchen und Innenfläche der Dura rnater.
» XIV. Von elastischen Fasernetzen umsponnene Subarachnoidalbalken beim Menschen.
» XV, Von Fibrillenscheiden umgebene Subarachnoidalbalken beim Menschen.
» XVI. Bau der Pia mater des Rückenmarks.
» Xyil. Bau der Pia mater und Blutgefässe des Gehirns und Rückenmarks.
» XVIII. Bau der Blutgefässe der Gehirnsubstanz. Bergmann’sche Fasern.
» XIX. Bau des Ligamentum denticulatum und der Oberflächen der Dura mater.
» XX. Bau der embryonalen menschlichen Dura mater.
» XXL Bau der Dura mater beim erwachsenen Menschen.
» XXII. Aus dem Gewebe der Dura mater.
» XXIII. Eigenthümliche Höhlen, Lacunen, im Gewebe der Dura mater.
)> XXIV. Blutgefässe und Saftbahnen der Dura mater beim Menschen.
» XXV. Injicirte Blutgefässe der Dura mater cerebralis.
» XXVI. Blutgefässe der Dura mater cerebralis, durch Silberlösung dargestellt.
» XXVII. Die Ausbreitung der Arachnoidalzotten.
» XXVIII. Arachnoidalzotten beim Menschen.
)) XXIX. Arachnoidalzotten beim Menschen.
» XXX. Arachnoidalzotten beim Menschen. .
i
» XXXI. Der feinere Bau der Arachnoidalzotten beim Menschen.
» XXXII. Bau und Scheiden des Opticus beim Menschen.
» XXXIII. Die Saftbahnen (Lymphbahnen) des Opticus durch Injection dargestellt.
)> XXXIV. * Der innere Bau und die Saftbahnen des Opticus.
» XXXV. Aus dem Opticus und der Suprachorioidea.
» XXXVI. Suprachorioidales Gewebe. Saccus endolymphaticus. Bindegewebe des perilymphatischen Raumes
Beim Menschen.
» XXXVII. Lymphgefässe der Nasenschleimhaut.
)) XXXVIII. Lymphgefässe und Saftbahnen der Geruchschleimhaut.
)) XXXIX. Lymphgefässe und Saftbahnen der Nasenschleimhaut (Schleimhaut der Sinus frontales). Tafel I
Häute des Rückenmarks beim Menschen.
Fig. 1. Das Rückenmark mit seinen umgebenden Häuten von der Medulla oblongata an bis zum Anfang der Cauda equina,
in natürlicher Grösse. Durch diese Figur ist es beabsichtigt, die Dura und die Arachnoidea in ihrem gegenseitigen Verhältnisse zu
einander und zum Rückenmark in dem Spinalcanal sowohl, als den Subdural- und den Subarachnoidalraum des Rückenmarks und ganz
besonders das hintere Subarachnoidalspatium und die Anordnung des Subarachnoidalgewebes in demselben zu zeigen. Sowohl die Dura
als die Arachnoidea sind längs dem ganzen Mark seitlich rechts, ein wenig hinter den Austrittsstellen der Nervenwurzeln, auf-
geschnitten. Die hinteren Nerven wurzeln sind auch durchgeschnitten und die äusseren Enden derselben sind in Zusammenhang mit
den Häuten rechts seitlich ein wenig nach vorwärts zurückgeschlagen. Die inneren grösstentheils im Subarachnoidalgewebe auf-
gehängten Theiie der Nervenwurzeln sieht man in ihrem Zusammenhang mit dem Rückenmark und ebenso die Häute hinten
(links an der Figur) zusammen mit dem Subarachnoidalgewebe in ziemlich natürlicher Lage liegend. Man sieht diese Theiie
sowohl als das Rückenmark und das Ligamentum denticulatum von der Seite rechts hinten, a Dnra mater; b Arachnoidea.
Zwischen diesen beiden Häuten sieht man hinten den Subduralraum, in dem Halstheil von reichlichen, zwischen den Häuten
gehenden, kurzen, feinen Balken durchzogen. Ueberall und besonders in den unteren Theilen sieht man den Subduralraum grösser
als normal; dies hängt davon ab, dass die Dura von der Arachnoidea ein wenig zurückgewichen ist. c Ligamentum denticulatum
mit seinen zwischen den Austrittstellen der Nerven regelmässig auslaufenden und an der Dura sich ansetzenden Zacken; in dem
Dorsaltheil, vorzugsweise in der mittleren Partie desselben, sieht man wie der freie Rand des Ligaments in der Umgebung der Zacken
an der Innenseite der Arachnoidea theilweise festgewachsen ist; d der oberste Zacken des Ligaments, sich dicht oberhalb der Austritts-
stelle der Len Halsnerven und der Eintrittsstelle der Arteria vertebralis (av) befestigend, e Der unterste langezogene Zacken, nach
unten gehend und sich zwischen dem letzten Dorsal- und dem ersten Lumbalnerven befestigend; f ein zurücklaufender Zacken, der
unterhalb des 2:ten Dorsalnerven entspringt, um nachher zurückzulaufen und oberhalb desselben Nerven sieh zu befestigen. )
und wie die Arachnoidea (c) jede für sich Scheiden mit der austretenden Wurzel senden und wie diese also ausserhalb des Dural-
rohres des Rückenmarks sowohl von einer Duralscheide als nach innen von dieser von einer Arachnoidalscheide umgeben wird, mit
innerhalb dieser Scheiden befindlichen Fortsetzungen vom Subduralraum und vom Subarachnoidalraum des Rückenmarks versehen.
Das Subarachnoidalgewebe, von dem die Wurzel begleitet ist, sieht man sich theils als Fenster- oder Balkenmembran nach der Innen-
fläche der Arachnoidea Umschlägen, theils weiter nach aussen mit dem austretenden Nerven fortgehen.
Fig. 11, Querschnitt des Rückenmarks in natürlicher Grösse, schematisch gezeichnet, um die natürliche Lagerung und das
Verhalten der Dura und der Arachnoidea sowie ihrer Räume zu einander, zum Rückenmark und zu den austretenden Nerven im
Allgemeinen zu zeigen.
Siehe den Text S. 85 u. f. Taf .11
Eej L Ketzins ; Studien.
Oez.v.’N.O .Björkman.
Dir. v. A.Key & G.Retzlus
Lüh. Central Trjckeriet ( Schlachter & Seedorff) Stockholm. Tafel IH.
Sämmtliche Figuren dieser Tafel sind dem menschlichen Gehirn entnommen. Sie stellen die grossen
subarachnoidalen Räume an der Basis des Gehirns dar und sind in natürlicher Grösse gezeichnet.
Fig. 1. Die Subarachnoidalräume oder Cisternen an der vorderen Fläche der Mediüla oblongata und des Pons Yarolii. ln
der Umgebung der Medulla sieht man den durch Aufschneiden und Zurückschlagen der Arachnoidea geöffneten vorderen oberen Theil
der Cisterna magna cerebello-medullaris mit dem vorderen Subarachnoidalspatium der Medulla ganz offen zusammenhängend
(Vergleiche Fig. 12 derselben Tafel und Fig. 5 & 6 der Tafel VI). Rechts an der Figur sind die Nerven wurzeln und die Arteria
vertebralis wegpräparirt, um die Ausbreitung der Cisterna besser zu zeigen. Bei a sieht man die zurückgeschlagene Arachnoidea und
man kann von hier vorwärts die seitliche Grenze der Cisterne am Kleinhirn verfolgen. Man sieht wie die Cisterne sich über den
Flocculus fortsetzt und mit der lateralen Cisterne des Pons zusammenhängt. An den Seiten der Medulla und des Pons sieht man
innerhalb der Grenze der Cisterne die linke Tonsille (&); weiter vorwärts den Flocculus (c), nach innen von diesem den aus dem
vierten Ventrikel heraustretenden und in der Cisterne mit seinem Ende freiliegenden Plexus chorioideus lateralis ventr. quarti (d), zum
Theil auch die seitliche Oeffnung des vierten Ventrikels (Apertura lateralis ventr. quarti) von den Glossopharyngeus und Vagus bedeckt.
Links an der Figur ist die Arachnoidea (a') nur bis zu den Austrittstellen der Nerven und der Arteria vertebralis (e) zurückgeschlagen;
man sieht hier wie die Nerven und die Arterie die Cisterne frei durchziehen oder darin schweben. Bei f eine kleine durchbrochene
Membrane sich in dem Winkel zwischen den beiden Arterice vertebrales ausspannend, und an der Medulla auslaufend und befestigt.
Links, bei y, die in dem Sulcus coeous befestigte, durchlöcherte Grenzmembran zwischen der Cisterna magna und die an dieser Seite
nicht geöffnete Cisterna lateralis pontis. Rechts bei g' dieselbe Membran der anderen Seite, nach unten umgeschlagen, nachdem die
Cisterna lateralis pontis hier geöffnet wurde. In der Mitte am Pons sieht man, ringsum die Arteria basilaris, die geöffnete Cisterna
media pontis mit deren seitlichen Begrenzungsmembranen (Ji, Ji). An den Seiten dieser Cisterne befinden sich die Cisterna* laterales
pontis. Die rechte (links an der Figur) ist nicht geöffnet; man sieht hier die Austrittsstellen der Nerven (Trigeminus, Acusticus
mit Facialis, sowie Abducens). In der geöffneten linken Cisterne (rechts an der Figur) sieht man die genannten Nerven die Cisterne frei
durchziehen. Bei i am vorderen oberen Rande des Pons sieht man die obere Begrenzungsmembran der Cisterne; bei k eine quere
Subarachnoidalmembran, die bisweilen vor kommt und die Cisterne dann in zwei Hälften theilt. Bei l läuft die Cisterne im Sulcus
horizontalis cerebelli aus. Bei m sieht man die Cisterna intercruralis superficialis, in welche die Cisterna media pontis am
oberen Rande des Pons sich direct fortsetzt. Die Membran, welche diese Cisterne von der tiefer belegenen Cisterna intercruralis
profunda abgrenzt, ist hier vollständig ausgebildet (Vergleiche Fig. 3). Seitlich an der Cisterne liegen die beiden N. oculomotorii,
und dicht am Rande des Pons tauchen die Gefässe in die tiefere Cisterne hinein. Nach vorn von diesen Cisternen ist die Arachnoidea
ungeöffnet (Vergleiche Fig. 2 derselben Tafel).
Fig. 2. Die Buchstaben a, h, c und d bezeichnen dasselbe wie in der vorigen Figur; also: a die bis zu der Grenze der Cisterna
magna zurückgeschlagene Arachnoidea; h die Tonsille; c den Flocculus; d das freiliegende Ende des Plexus chorioideus lateralis. Rechts
bei c sieht man den N. glossopharyngeus mit dem Vagus in natürlicher Lage, die seitliche Oeffnung (Apertura lateralis ventr. quarti)
grösstentheils verdeckend. Links sind diese Nerven auf die Medulla zurückgeschlagen, und man sieht dort den vorderen sensenförmigen
Rand (/') der unteren Wand (Velum medulläre anterius) des vierten Ventrikels. Zwischen diesem Rande und dem Plexus sieht man
die seitliche Oeffnung (ig) (Apertura lateralis ventriculi quarti) des Ventrikels; h der vordere Theil der Cisterna media pontis; nach hinten
sind die Begrenzungsmembranen wegpräparirt; ebenso ist nach vorne rechts die Seitenwand weggenommen, um die an diesem Gehirn
unvollständig ausgebildete Begrenzungsmembran (i) zwischen den Cisterna} intercrurales superficialis und profunda in ihrer seitlichen
Ausbreitung zu zeigen. Man sieht hier auch die Communicationen dieser Cisternen mit dem jederseits an den Pedunculi cerebri,
zwischen dem Pons Varolii und dem Grosshirn belegenen Cisterna ambiens. Nach vorn am Pedunculus glandulse pituitariae,
am Chiasma und an den Nervi optici sieht man die oberflächlich belegene Cisterna chiasmatis (k) mit deren Raphe in der Mitte.
Seitlich von hier sieht man die geöffneten Cisternse fossse Sylvii dextra und sinistra. Links an der Figur (an der rechten Cisterna
fossae Sylvii) sind die meisten in der Cisterne vorkommenden Balken und Membranen entfernt, um die Ausdehnung der Cisterne besser
zu zeigen; rechts dagegen sind dieselben soviel wie möglich beibehalten. Die Grenzen dieser Cisternen am mittleren und arn vorderen
Lappen des Grosshirns sieht man am besten links bei l und V an den Umschlagsrändern der Arachnoidea. Am Ende der Cisterne
links sieht man bei m wie die Arterienzweige, welche in die Fissuren und Sulci hineingehen, von scheidenförmigen perivasculären
Canälen als Fortsetzungen der Cisterne begleitet werden. An den Pedunculi cerebri, zwischen dem äusseren vorderen Rande des Pons
und dem mittleren Lappen des Grosshirns, sieht man jederseits die vorderen Theile der Cisterna ambiens; links sind die Gefässe
grösstentheils entfernt, rechts beibehalten. Links bei n an dem Umschlagsrande der Arachnoidea markirt sich die Grenze der Cisterne
am mittleren Lappen des Grosshirns.
Fig. 3 zeigt die beiden Cisternse intercrurales superficialis und profunda mit unvollständiger Ausbildung der Grenzmembran
zwischen den beiden Cisternen, wie es häufig vorkommt. Nach hinten am Pons ist die Arachnoidea mit den meisten Subarachnoidal-
membranen (Vergleiche Fig. I) entfernt. Bei x sieht man die Einstrittsstelle der Vena ophthalmo-meningea, Hyrtl, in die Cisterna
fossse Sylvii. Die Vene ist von einem offenen scheidenförmigen Canal umgeben. Dieser ist in der That ein subarachnoidaler Scheiden-
raum der Vene, und die Oeffnung nach dem Subduralraum ist durch Berstung der Arachnoidea an ihrer Befestigung an der Dura rings
um den Eintritt der Vene entstanden. Aehnliche Erscheinungen am Eintritt der Vena magna Galeni haben die Annahme vom Vor-
handensein eines offenen Canalis Bichati veranlasst.
Fig. 4. Zeigt die geöffnete Cisterna laminee cinerea terminalis, in welcher der grosse Gefässring (Circulus arteriosus
Willisii) nach vorn vollendet wird.
Fig. 5 ist, um den grossen Cisterngürtel ringsum den ganzen »Hirnstamm» zu zeigen, nach einem Präparat gezeichnet, an
welchem ein Schnitt am oberen Rande des Pons durch die Pedunculi cerebri und die Lamina corpor. quadrigem. geführt ist. Man Key & Refzius : Studien
Taf. 111.
Gez. v.N. 0. Björkman
Dir. v. A.Eey & &. Ketzins
Lüh. CentralTiyckeriet (f. d. Schlachter Ä-Seedorff) Stockholm, sieht von unten her die vordere Schnittfläche der genannten Theile und deren Umgebungen. Nach vorne liegt die Cisterna intercruralis
profunda (Cip); seitlich und nach hinten wird der Hirnstamm von der Cisterna ambiens (Ga) umfasst. In derselben sieht man die
hier durchgehenden Gfefässe. Bei a ist die Grenze der Cisterne am Grosshirn zu sehen. Bei h sieht man das reichliche Subarachnoidal-
gewebe, welches am Eintritt der Vena magna Galeni (VmG-) vorhanden ist.
Eig. 6 zeigt von einem anderen Gehirn die hintere Schnittfläche vom Hirnstamm nach einer Schnittführung wie in der vorigen
Figur. Man sieht hier den Pons in Verbindung mit dem Kleinhirn, und ringsum den Hirnstamm den hinteren Theil des Cistern-
gürtels. Gis, Cisterna intercruralis superficialis; dp, Cisterna intercruralis profunda; ca, Cisterna ambiens. An jeder Seite sieht man
den Nervus trochlearis (IV links) in einem Bogen von hinten nach vorn gehend und frei in der Cisterna schwebend. JDie zurück-
geschlagene Arachnoidea (a) markirt die Grenze der Cisterne am Kleinhirn.
Fig. 7. Ein medianer Durchschnitt durch die hintere Partie der Cisterna ambiens (Spatium subarachnoidale corporum quadri-
geminorum) mit umgebenden Theilen. Man sieht'wie die Cisterne hier zwischen den Corpora quadrigemina dem Vorderrande des
Cerebellum und dem Splenium corporis callosi von reichlichem Subarachnoidalgewebe ausgefüllt ist, und wie dieses Gewebe in der
Spalte zwischen dem Conarium (Glandula pinealis) und der Lamina corporum quadrigem. sowie auch zwischen dem Kleinhirn und
Velum medulläre anterius hineingeht; ebenso wie die Arachnoidea das Ganze überbrückt, ln der Nähe vom Splenium sieht man die
kurz nach ihrem Eintritte schief durchgeschnittene Vena magna Galeni von ihrem weiten Scheidenraum (Canalis Bichati älb Aut.)
umgeben. Aehnliche Scheidenräume oder perivasculäre Subarachnoidalcanäle sieht man auch um die Venenzweige in der Umgebung.
Oberhalb des Ckmarium, zwischen ihm und dem Splenium, sieht man den Recessus supra conarium (suprapinealis, Reichert) vom
dritten Ventrikel her.
Fig. 8. Ein ähnlicher medianer Durchschnitt wie in der vorigen Figur; die Zeichnung enthält doch mehr der umgebenden
Theile. Der Schnitt ist hier gerade durch die Eintrittsstelle der Vena magna Galeni geführt. Man sieht wie diese Vene sich von
dem Sinus tentorii in das Spatium subarachnoidale corp. quadrigem. hineinsenkt, und wie der die Vene hier umgebende Scheiden-
raum (Canalis Bichati) nach aussen gegen den Subdural raum durch Verwachsung (resp. Umschlagen) der Arachnoidea am Tentorium
und am Falx in der Umgebung der Vene geschlossen wird (Vergleiche Fig. 1, 2 der Tafel IV). Den Recessus supra conarium
sieht man hier sich ziemlich weit nach hinten von der Spitze des Conarium fortsetzen. Am unteren Ende des vierten Ventrikels ist
der Schnitt gerade durch das Foramen Magendii geführt. Man sieht hier den bogenförmigen Rand des Loches, welches von der
unteren Ventrikelwand gebildet wird.
Fig. 9, 10 und 11 zeigen die Eintrittsstelle der Vena magna Galeni von aussen her, nach Aufheben der hinteren Grosshirn-
lappen gesehen.
Fig. 9 giebt ein Bild wie man es gewöhnlich bekommt, wenn man das Gehirn in Zusammenhang mit dem Kleinhirn heraus-
nimmt, unter Zurücklassen des Tentorium und nach Durchschneidung oder Zerreissung der Vena Galeni an ihrem Austritt aus dem
Tentorium. Die Vene ist hier schon in ihre drei Hauptzweige getheilt (Vv. cerebri internse sinistra & dextra, V. cerebelli supenor
media. ln der Umgebung viele Zerreissungen.
Fig. 10. Das Gehirn, nach welchem diese Figur gezeichnet ist, wurde sehr vorsichtig mit dem Tentorium und dem Kleinhirn
ausgenommen, nachdem das Tentorium vorher von der Dura cerebri losgeschnitten war. Man sieht den subarachnoidalen Scheidenraum
der Vene (Foramen Bichati,. Canalis Bichati) ganz offen gegen den Subduralraum; dieses hängt doch davon ab, dass trotz aller Sorgfalt
eine Berstung der Arachnoidea, wie es gewöhnlich geschieht, an ihrer Befestigung an der Dura (Tentorium), ringsum die Eintritts-
stelle der Vene, bei den Manipulationen entstanden ist (Vergl. Fig. 3 x).
Fig. 11 ist nach einem Präparat gezeichnet, an welchem alle Berstungen in der Umgebung der Vene vermieden wurden, und
sie giebt also das natürliche Verhältniss dar. Der Scheidenraum der Vene oder der Canalis Bichati ist hier, wie man sieht, voll-
ständig geschlossen.
Fig. 12. Cerebellum mit der Medulla oblongata und dem Pons Varolii. Die Medulla ist erhoben und die Arachnoidea in
der Mitte weggeschnitten, um die Cisterna magna cerebello-medullaris und das Foramen Magendii zu zeigen. Bei a und
ringsum am Cerebellum, wo die Zeichnungen der Gyri nur schwach hervortreten, ist die hier beibehaltene Arachnoidea etwas erhoben,
bis zur äusseren Grenze der genannten Cisterne. Diese Grenze markirt sich ganz scharf da, wo seitlich die Arachnoidea mehr innig
mit der Pia vereinigt wird, und wo die Contouren der Gyri in der Zeichnung wieder deutlich werden (b). In der Mitte, wo die die
Cisterne überbrückende Arachnoidea weggeschnitten ist, blickt man in die Cisterne hinein, und sieht unter Anderem, wie sie die
Vallecula einnimmt, wie die Tonsillen in sie sich hineinschieben und wie sie zwischen diesen, dem Pons, und der unteren Wand des
vierten Ventrikels in den sogenannten Nidus fortgeht u. s. w. Zahlreiche Balken sieht man zwischen den Tonsillen, der unteren Wand
des Ventrikels und der Medulla. Bei d sieht man das Foramen Magendii (Luschka) oder Apertura inferior ventriculi quarti (A\ ir),
welche zum vierten Ventrikel führt, gerade an der Spitze des Calamus scriptorius liegt und seitlich von den Rändern (c) der unteren
Wand des Ventrikels begrenzt wird. Bei e sieht man die zipfel- oder ziingenförmige Verlängerung der Wand, welche den aus dem
Ventrikel austretenden Plexus trägt und sich der unteren Fläche der Vermis am Boden der Vallecula anlegt.
Fig. 13. Medulla oblongata und Pons Varolii mit den angrenzenden Theilen des Cerebellum sammt der unteren A\ and des
vierten Ventrikels. Um die seitlichen Oeffhungen des vierten Ventrikels, Aperturse laterales ventriculi quarti, anschaulich zu zeigen
wurde an dem Präparate, nach welchem die Zeichnung gemacht worden ist, der Vermis durchgeschnitten und die beiden seitlichen
Hälften des Kleinhirns nach vorn gebogen. Man sieht rechts bei a die in dieser Weise seitlich ausgebreitete untere Wand des
vierten Ventrikels, mit ihrem vorderen halbmond- oder sensenförmigen Rande (6). Zwischen diesem Rande und dem austretenden, auf
dem Flocculus (c) ruhenden Plexus (d) sieht man die Apertura lateralis, welche zum Recessus lateralis des Ventrikels führt, und
durch welche übrigens der Plexus lateralis austritt, um mit seinem Ende in die Cisterna magna sich hineinzuschieben. Glosso-
pharyngeus und Vagus (e) sind zurückgeschlagen, um die Oeffnung in ihrer ganzen Ausdehnung zu zeigen. Bei / sieht man, wie
der Facialis und der Acusticus sich zu ihr verhalten. Links sieht man, wie der Glossopharyngeus und Vagus (c) in ihrer natürlichen
Lage die Oeffnung fast vollständig verdecken; nach innen sieht man indessen einen kleinen Theil derselben.
Siehe den Text S. 92 u. f. Tafel IV.
Spatium subarachnoidale corpor. quadrigem, mit dem subarachnoidalen Scheidencanal der Vena magna
Galeni (Canalis Bichati) u. s. w. am Schafhirn; Plexus chorioidei, Velum interpositum, die untere Wand des vierten
Ventrikels und die Subarachnoidalräume beim Menschen; die seitlichen .Oeffnungen des vierten Ventrikels beim Pferde.
Fig. 1. Medianer Durchschnitt eines Schafhirns in natürlicher Grösse gezeichnet. Man sieht bei a das Spatium subarach-
noidale corpor. qnadrigeminorum von schwammigem Subär ach noidalge webe ausgefüllt, und in dem Zwischenraum zwischen der Lamina
corporum quadrigeminorum (c) und dem Conarium (d) sich bis zur Commissura posterior ventriculi tertii (e) fortsetzend. v.G. ist die
durch dieses Subarachnoidalspatium gehende Vena magna Galeni, von ihrem Subarachnoidalcanal (Canals Bichati) umgeben. Jederseits
bemerkt man, wie dieser Canal von einer relativ dicken Subarachnoidalmembran (/’,/') begrenzt wird. An der Eintrittsstelle der Vene,
welche hier schräg durchgeschnitten ist, findet man bei gg1, wie die Arachnoidea selbst sich umschlägt, um mit der Venenwand und
der Innenfläche der Dura zu verschmelzen, wodurch auch der Scheidencanal hier gegen den Subduralraum (Sdr.) abgeschlossen wird.
Bei g' sieht man sogar, wie, hinter der Vene, die Arachnoidea und das Subarachnoidalgewebefln die Dura selbst (h) hineindringt und sich
als ein Gebüsch von Arachnoidalzotten (6) in den venösen Sinus (v. Sin.) hineinschiebt ;h' Falx cerebri. Bei / sieht man die Tela chorioidea
des dritten Ventrikels; zwischen dieser und der oberen Fläche des Conariums liegt der Recessus supra Conarium (Rec. suprapinealis,
Reichert) als ein Divertikel des Ventrikels. Zwischen der Tela chorioidea und der unteren Fläche des Corpus callosum bemerkt man
das Subarachnoidalgewebe mit den Venen ins Velum trianguläre fortgehend. Bei x liegt (am Schafhirn) an der unteren Fläche des
Corpus callosum ein eigenthümlicher, bimförmiger Gyrus mit seinem um das Splenium sich umschlagenden, dünnen Blättchen.
Fig. 2. Mach demselben Präparat wie die vorige Figur bei schwacher Loupenvergrösserung gezeichnet. Die Bezeichnungen
sind auch ganz dieselben wie in der Fig. 1. Für diese beiden Figuren siehe den Text S. 101 u. 102.
Fig. fl. Querschnitt kurz nach vorn vom hinteren Ende des dritten Ventrikels durch den rechten Seiten Ventrikel eines in
Weingeist gut erhärteten menschlichen Gehirns mit seinem Plexus chorioideus (lateralis), dem Velum trianguläre und den um-
gebenden Theilen, bei schwacher Vergrösserung gezeichnet. Th. o, Thalamus opticus; C.str., Corpus striatum; Str. L, Stria terminalis;
V. t., Vena terminalis; Gh., Gehirndach des Ventrikels; Fx., Fornix. Bei a sieht man das obere Blatt des Plexus lateralis mit seinen
Zotten, bei h das untere Blatt; bei e eine Befestigung des oberen Blattes, bei V. ch. die durchgeschnittene am Rande dieses Blattes
verlautende Vena chorioidea; bei c die gemeinsame Wurzel der beiden Blätter vom Rande des Fornix (von der Fimbria) entspringend;
bei d die Befestigung (resp. den Uebergang) des unteren Blattes an dem hier verdickten Ependym des Thalamus opticus. In der
Spalte zwischen der unteren Fläche des Fornix und der oberen Fläche des inneren Theils vom Thalamus opticus findet man das
Velum trianguläre (V. tr.) von seinen beiden Piablättern (p,p) begrenzt, zwischen diesen aus Subarachnoidalgewebe (s) mit darin auf-
gehängten Gelassen bestehend, und nach aussen mit dem unteren Blatte des Plexus chorioideus verschmelzend. Hie und da sieht man
kleine Piatrichter mit Gefässen vom Velum sowohl nach oben in den Fornix, als nach unten in den Thalamus eindringend.
Fig. 4. Ein Querschnitt wie in der vorigen Figur (beim Menschen); hier sind aber auch die centralen Theile in der Zeichnung aus-
geführt. Natürliche Grösse. Betreifs der Verhältnisse des Plexus chorioideus in dem Seitenventrikel sowie des Velum trianguläre in der
Spalte zwischen dem Fornix und den Thalamus siehe die Erklärung zur vorigen Figur. In der Mitte sieht man, wie das Velum trian-
guläre das hier rinnenförmige Dach des dritten Ventrikels (d. V.) bildet, nach unten durch die Tela chorioidea des genannten Ventri-
kels verstärkt und jederseits an der abhängigen Fläche des Thalamus eine an der Taenia thalami optici (T) sich befestigende, zotten-
tragende Falte oder ein Gebräme absendend. Man bemerkt hier im mittleren Theil des Velum ein reichliches Subarachnoidalgewebe
mit grossen, die Gefässe umgebenden Canälen.
Fig. 5. Partie vom vorderen Theil des rechten Seitenventrikels beim Menschen, um das Verhältniss der beiden Blätter des
Plexus lateralis an dieser Stelle zu zeigen. Bei a sieht man das obere Blatt des Plexus wie ein Schleier das untere Blatt (6) zum
Theil bedecken. Das letztere breitet sich hier mehr seitlich aus als das obere. C.str., Corpus striatum. F.M. Foramen Monroi.
Für die Figuren fl, 4 u. 5 siehe den Text S. 102—108.
Fig. fl. Durchschnitt der unteren Wand des vierten Ventrikels vom menschlichen Gehirn. Die Figur ist nach einem Schnitt
von einem gefrornen Gehirne, bei schwacher Vergrösserung, gezeichnet. Bei a sieht man den Boden des vierten Ventrikels von
seinem Ependymepithel überzogen; h die in der unteren Wand auslaufende Marklamelle (Taenia) und an derer innerer Fläche das Epen-
dymepithel sich fortsetzend; man bemerkt, wie die Taenia am Rande (c) theils ein Stroma aussendet, welche die Zotten hier trägt,
theils bei d mit seinem Ependym weiter als dünnes Stroma fortgeht, um die innere Schicht der dünnen Wand (e) (Tela chorioidea) zu
bilden. Bei f sieht man die Pia mater von der Gehirnfläche eia wenig abgelöst, und ihre trichterförmigen Verlängerungen einsen-
dend; bei f findet man, wie sie sich .auf ganz dieselbe Weise zur Taenia verhält, aber weiter nach oben verschmilzt sie mit der Tela
chorioidea, deren äussere Schicht bildend. Die Blutgefässe (g) liegen nach aussen im subarachnoidalen Gewebe, Zweige durch die Tela
chorioidea einsendend. Bei h sieht man von der Innenfläche der Tela ausgehende Zotten. Siehe den Text S. 118.
Fig 7. Das Kleinhirn (Kh.) und die Medulla oblongata {M.o.) des Pferdes, von hinten gesehen. Natürliche Grösse. Die
Arachnoidea ist über der Cisterna magna weggeschnitten. Bei a findet man den an der oberen Grenze der Cisterne zurückgeschlagenen
Rand der genannten Cisterne. Bei 6, an der Stelle, wo beim Menschen das Foramen Magendii (Apertura inferior) sich befindet, sieht man Key & Ketzms: Studien.
Taf.lV.
062. v. K. 0. Björkii • au.
Dir. V.A.Key & Gr-Eeiarus.
IltU. Centr . . . ■ dai &S i : ;;t wie der vierte Ventrikel beim Pferd durch die hier ununterbrochene untere Wand des Ventrikels vollständig geschlossen ist. Bei c
sieht man in natürlicher Lage das frei in die Cisterna magna ausschiessende voluminöse Ende des seitlichen Plexus chor. des vierten
Ventrikels. Bei d sind die Zotten leicht aus einander gewichen, und man findet hier an ihrer Mitte die grosse, seitliche Oeffnung
(Apertura lateralis) des Ventrikels.
Fig. 8. Dieselben Gehirntheile wie in der vorigen Figur mit dem Pons, aber von der Seite gesehen. Die Arachnoidea ist nur
seitlich über die Apertura lateralis (d) aufgeschnitten. Die Zotten des Plexus sind aus einander gewichen ; man sieht hier genauer die
Ausdehnung und die Begrenzung der Apertura lateralis, und man kann durch dieselbe tief in den Recessus lateralis des vierten
Ventrikels hineinblicken. Betreffs der Fig. 7 und Bs. den Text S. 117 und 120.
Fig. 9. Schnitt vom Grosshirn des Menschen; schräg von der Oberfläche her geführt, um das Subarachnoidalgewebe in den
Furchen (a) zwischen den Gyri (h) zu zeigen. Bei c sieht man durchgeschnittene Gefässe von ihren Subarachnoidalcanälen umgeben. Tafel V.
Subarachnoidalräume und Piatrichter des menschlichen Gehirns ohne Injection.
Fig. 1. Durchschnitt der weichen Haut des Grosshirns über einem Gyrus. Auf der höchsten Wölbung des Gyrus stehen
die Subarachnoidalräume in mehr einfacher Anordnung. An den Abhängen desselben nehmen die Schichten der Räume an Anzahl
mehr und mehr zu; hie und da sind Querschnitte von Blutgefässen angedeutet und von der Pia dringen Gefässtrichter in die Substanz
des Gehirns hinein. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (halb ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Querschnitt durch eine tiefe Intergyralfurche am Grosshirn. In den dünnen Scheidewänden der Subarachnoidalräume
sieht man feine verzweigte Balkenzüge und kleine Löcher. Hie und da lösen sich die Wände in Balkengewebe auf. Die Blutgefässe
sind theils an den Wänden angeheftet, theils mehr dicht von Membranen oder vom Balkengewebe umsponnen. Behandl. mit ITeber-
osmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Durchschnitt der weichen Haut des Grosshirns an einer Furche. Die Subarachnoidalräume sind hier sehr reichlich
in mehrfacher Lage vorhanden. Die Blutgefässe schweben in denselben theils mehr frei, theils sind sie durch Membranen und Balken
aufgehängt oder an den Wänden befestigt. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei derselben Yergrösserung wie
die Figur 1.
Fig. 4. Querschnitt einer Vene mit abgehendem Ast von subarachnoidalem Balkengewebe und Membranen umsponnen, Gez
bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 5. Die Pia einer Furche des Kleinhirns mit den ins Gehirn eintretenden, die Gefasse begleitenden und als Adventitial-
scheiden fortgehenden, trichterförmigen Verlängerungen (Piatrichter) aus der Gehirnsubstanz ausgezogen. Behandl. mit Müllerscher
Lösung und Alkohol. Gez. hei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 108—109, 140. Fig. I .
Fi(j. ? .
n;j. 3.
Fi(j. .7. Tafel VI
Subarachnoidalinjectionen des menschlichen Gehirns. Alle Figuren in natürlicher Grösse gezeichnet.
Fig. 1. Gehirn von unten gesehen; das betreffende Präparat wurde so gewonnen, dass zuerst eine Injection mit einer durch
lösliches Berlin er blau gefärbten Leimlösung von den Subarachnoidalräumen des Rückenmarks gemacht wurde. Nachher, sobald
die Masse erstarrt war, wurde die Schädelbasis mit Schonung der Dura mater stückweise mit einer scharfen Knochenzange hinweg-
gebrochen, und zuletzt wurde auch die Dura vorsichtig entfernt.
Man sieht eine im Allgemeinen ziemlich vollständige Injection der kleineren Subarachnoidalräume der unteren Fläche des
Grosshirns; dieselben Räume des Kleinhirns sind dagegen sehr unvollständig gefüllt. Die grossen Cisternen an der Basis sind alle
vollständig gefüllt und durch die erstarrte Masse in ihrer natürlichen Ausspannung gehalten. Die untere Fläche des Gehirns präsentirt
sich dadurch auch ganz anders, als man sie gewöhnlich sieht; sie stellt einen treuen Abguss der Schädelhöhle dar. Wie weit
die Arachnoidea in natürlicher Lage besonders seitlich an der Mednlla und Pons von der Oberfläche der Gehirntheile absteht, geht
ans der Figur deutlich hervor. Die Grenze der Cisterna magna cerebello-medullaris am Kleinhirn tritt scharf hervor. Die Austritts-
stellen der durchgeschnittenen, ganz weiss gezeichneten Nerven sieht mau in ihrer natürlichen Lage. An der unteren Fläche der
Vorderlappen sieht man das l:ste Nervenpaar, den Olfactorius, die Arachnoidea durchschimmern. Nach innen von den Fossse Sylvii
findet man die beiden durchgeschnittenen Optici, 2;tes Paar. Dicht hinter diesen sieht man die Carotides, röthlich gezeichnet, und in
der Mittellinie, ein bischen weiter nach hinten, tritt der abgeschnittene Pednncnlus glandulse pituitarise, auch röthlich gezeichnet, hervor.
Es folgt dann jederseits das 3:te Nervenpaar, Oculomotorius; dann der feine Trochlearis, 4:tes Nervenpaar, eine kleine Strecke vor
seinem Austreten die Arachnoidea durchschimmernd. Darnach folgt das s:te Paar, Trigeminus, seitlich am oberen Rande des Pons;
dann nach innen von diesem das 6:te Paar, Abducens; weiter nach hinten und noch mehr nach aussen als der Trigeminus, sieht man
das 7:te und B:te Paar, Facialis und Acusticus, dicht bei einander. Ein kleines Stückchen weiter nach hinten, dicht an der seitlichen
Grenze der Cisterna magna findet sich das 9:te und 10:te Paar, Glossopharyngeus und Vagus, im Anschluss an einander austretend;
dicht nach hinten von diesen tritt der Accessorius Willisii, das ll:te Paar, hervor, und man sieht diesen Nerven eine weite Strecke
durchschimmern, bevor er austritt. Nach innen und hinten von den Austrittsstellen der genannten drei Nerven sieht man endlich
das 12:te Paar, den Hypoglossus austreten. Dicht an der Stelle, wo das Mark durchgeschnitten worden ist, sieht man jederseits die
röthlich gezeichneten Querschnitte der Arteria vertebralis, und dicht nebenbei nach hinten die beiden hier getrennt dnrchtretenden
Wurzeln des ersten Halsnerven. An der Druchschnittsfläche selbst markirt sich jederseits in der blauen Masse der durchgeschnittene
Accessorius Willisii, welcher hier, ziemlich dicht an der Arachnoidea, von unten nach oben verläuft.
Siehe den Text S. 92 u. f.
Fig. 2. Die untere Fläche des mittleren und des hinteren Lappens der rechten Hemisphäre des Grosshirns mit Bichardsonschem
Blau injicirt. In den vorderen Theilen und seitlich ist die Füllung der Subarachnoidalräume ziemlich vollständig, in den mittleren
und hinteren Theilen mehr unvollständig. Die Injection folgt hier hauptsächlich den Sulci und den grösseren Gelassen mit mehrfachen,
zackigen, verzweigten Ausläufern nach dem Rücken der Windungen hin.
Fig. 3. Hintere Partie des Grosshirns von der Seite her gesehen. Die Injection ist nur partiel vorgedrungen, theilweise doch
mit vollständiger Füllung der Subarachnoidalräume, theilweise dagegen nur den grösseren Gefässen folgend, und zwar mit schärferer
Begrenzung oder mit seitlichen, zackigen, Verzweigungen nach den umgebenden Subarachnoidalräumen hin.
Für die Fig. 2 und 3 siehe den Text S. 109—111.
Fig. 4. Injection der Cisterna ambiens von hinten her (Fissura transversa) gesehen. Man bemerkt wie die Injectionsmasse
von der Cisterne her in den nächsten Subarachnoidalräumen der oberen Fläche des Kleinhirns sich ausgebreitet hat. Ein wenig hat sie
sich auch am Grosshirn ausgebreitet. Der Subarachnoidalcanal der Vena magna Galeni (Canalis Bichati) ist beim Herausnehmen
des Gehirns durch Zerreissungen der Arachnoidea ringsum die eintretende Vene geöffnet. Das Loch (Foramen Bichati), durch welches
man in den Canal hineinsieht, ist also ein Kunstproduct (Vergleiche die Fig. 9, 10 und 11 der Tafel III). Keine Masse war liier in
den Subduralraum ausgedrungen.
Siehe den Text S. 98 u. f.
Fig. 5. Das Kleinhirn mit der Mednlla oblongata und Pons von unten und hinten gesehen. Die Mednlla ist vorwärts gebogen
und die Arachnoidea ist in deren Umgebung weggeschnitten, um die Cisterna magna besser zeigen zu können. Diese Cisterne ist
hier ganz ungewöhnlich klein. Das Foramen ist hier, wie man leicht sieht, durch eine von der Injectionsmasse blau gefärbte Membran,
welche eine unmittelbare Fortsetzung der unteren Wand des Ventrikels ist, vollständig geschlossen (Yergl. die Fig. 12 der Tafel III).
Fig. 6. Dieselben Theile wie in der vorigen Figur. Die Mednlla ist sehr wenig vom Kleinhirn erhoben. In der Tiefe sieht
man nach innen von einem Strickwerke von Balken, das Foramen Magendii (Apertnra inferior). Die Cisterna magna cerebello-medullaris
ist hier ungewöhnlich gross. Die Grenzen derselben sind sehr scharf hervortretend, da sich die Inj ectionsmasse seitlich von derselben
gar nicht ausgebreitet hat.
Für die Fig. 5 und 0 siehe den Text S. 93 u. f. Key s--Betzius: Studien.
Taf.Yl.
&z.v:N.u.Björkman. Ftg. G gez.v. TL Lundberg,
I; ir. v. A.&v &■ 0-. Retzius.
Lüh. CentralTryckeriet (f.d.Sdhlaciter LSeedorff) StocMiolrr. Tafel VII
Injectionen der Subarachnoidalräume und 'der Ventrikel des Gehirns.
Fig. 1. Sagittaler Durchschnitt des Schädels und Gehirns mit Injection der Subarachnoidalräume und der Ventrikel. Das be -
treffende Präparat wurde so gewonnen, dass erst eine Injection von einer durch lösliches Berlinerblau gefärbten Leimlösung in gewöhn-
licher Weise in dem hinteren Subarachnoidalspatium des Rückenmarks injicirt wurde. Die Leiche wurde nachher zum Frieren ge-
lassen; der Kopf wurde im gefrornen Zustande durchgesägt. Die Zeichnung wurde nach dem gefrornen Präparate unter genauen Mess-
ungen gemacht. Noch gefroren wurde das Präparat in Alkohol eingelegt, und nach der Erhärtung wurde die Zeichnung in ihren
einzelnen Details noch einmal controllirt. Natürl. Grösse. Die Figur dürfte in ihren Einzelheiten für Alle, welche Kenntniss von den
vorigen Tafeln genommen haben, leicht verständlich sein. Es ist hauptsächlich die Absicht gewesen, durch dieselbe die relative Lage
der Theile des Gehirns u. s. w. bei gefüllten Subarachnoidalräumen und Ventrikeln zn zeigen. Man sieht, wie aufrecht in der That
die Medulla oblongata und der Pons stehen, und wie weit der letztere mit seiner vorderen Fläche, besonders nach oben, von der
Schädelfläche absteht, von dieser durch die grossen Cisternen (an der Figur die Cisterna media pontis) getrennt. Am oberen Rande des
Pons findet man, wie tief die Cisternse intercrurales (superficialis und profunda) sich einsenken; (die Scheidewand zwischen diesen
beiden Cisternen ist, wie die dünnen Membranen und Balkenwerke des Subarachnoidalgewebes und die Arachnoidea selbst überhaupt,
gar nicht an der Figur zu sehen, wie sie auch am Präparate bei der erwähnten Behandlung sehr undeutlich oder gar nicht hervor-
traten). Ringsum den Pedunkel der Hypophyse sieht man die Injectionsmasse durch die Dura fortgehen, um an der Oberfläche der
Hypophyse oder Glandula pituitaria zwischen dieser und der, die Sella turcica überbrückenden Arachnoidea sich auszubreiten. An der
unteren Fläche der Hypophyse bemerkt man den hier befindlichen venösen Sinus. Nach vorn von der Lamina cinerea terminalis sieht
man die gleichnamige Cisterne. An der Oberfläche des Corpus callosum (im Spatium subarachnoidale corporis callosi) war die Masse
in diesem Falle sehr wenig vorgedrungen. Hinten und unten an der Figur sieht man, wie das hintere Subarachnoidalspatium des
Rückenmarks in die Cisterna magna cerebello medullaris übergeht. Der Durchschnitt geht hier gerade durch die Vallecula, und
man bemerkt, dass der Falx eerebelli sich hier, entsprechend der Incisura marginalis posterior, in die Cisterne hineinschiebt. Von
der Cisterna magna cerebello—medullaris setzt sich die Injectionsmasse direct (durch das Foramen Magendii oder Apertura inferior
ventric. quarti) in den vierten Ventrikel fort. Wenn man diese Figur mit der Figur 8 der Tafel 111 vergleicht, wird man es leicht
verstehen, wie es kommt, dass man bei einer solchen Füllung und an einem Schnitt, welcher gerade durch das foramen Magendii geht,
gar nichts von der unteren Wand des vierten Ventrikels bemerkt. Am Schädelgewölbe sieht man den durchgesägten Sinus longitu-
dinalis; nach unten von diesem ist der Falx cerebri entfernt. Nach hinten findet man bei Torcular Herophili die Mündung des Sinus
transversus und den von hier nach vorn oberhalb des Cerebellnm gehenden, durch seine ganze Länge geöffneten Sinns tentorii, von
welchem dicht am Splenium corporis callosi die Vena magna Galeni abgeht. Man sieht weiter, wie tief das Subarachnoidalspatium
(Spatium subarachnoidale corpor. quadrigem. oder der hintere mittlere Theil der Cisterna ambiens) zwischen der Eintrittsstelle der ge-
nannten Vene und den Corpora quadrigem. ist, und wie die Injectionsmasse hier theils nach hinten zwischen dem Cerebellnm und der
Valvula Vieussenii oder Velum medulläre anterius, theils nach vorn in der Tasche zwischen dem Conarium mit seinem dünnen Mark-
blatte (Commissura posterior ventric. tertii) einerseits und der Lamina corpornm quadrigem. andererseits fortgeht. Im dritten Ventrikel
sieht man, wie die Masse oberhalb des Conarium an seiner ganzen oberen Fläche bis zur Spitze in dem Recessus supra conarium (Re-
cessus suprapinealis, Reichert) liegt. In der Mitte des dritten Ventrikels findet man die quer durchgeschnittene, weiss gezeichnete
Commissura mollis. In den fünften Ventrikel war, so weit wir finden konnten, keine Masse hineingedrungen, und er ist deswegen auch
als leer gezeichnet.
Fig. 2. Querschnitt eines Gehirns, mit dem betreffenden Schädel, ebenso behandelt wie der in der vorigen Figur abgebildete. Na-
türl. Grösse. Der Schnitt geht durch das Os sphenoideum an dem hintern Theil der Sella turcica, dicht in der Nähe und nach hinten
von dem Pedunkel der Glandula pituitaria. Man sieht n. A. die gefüllten Seitenventrikel, wie es scheint, in ziemlich natürlicher Aus-
spannung; ebenso den dritten Ventrikel. Die feinen, blauen Linien, welche von dem letzteren unterhalb des Fornix zu den Seitenven-
trikeln gehen, waren am Präparat ganz so zu sehen, wie sie abgebildet sind, und hängen davon ab, dass das Velum trianguläre von
der Injectionsmasse durchdrungen ist (Vergleiche Fig. 4 Tafel IV). An der dnrehgeschnittenen Glandula pituitaria oder Hypophyse
bemerkt man an der oberen Fläche zwischen ihr und der die Sella turcica über brückenden Dura, die Injectionsmasse in den hier befind-
lichen Raum, wie in der vorigen Figur, hineingedrungen. An der unteren Fläche der Hypophyse findet man den durchgeschnittenen
venösen Sinus intercavernosus inferior, über die ganze Fläche sich ausbreitend. Seitlich am Os sphenoideum sieht man sowohl die hier
durchgeschnittenen venösen Sinus mit dem von der Injectionsmasse umgebenen Nervus abducens, wie auch den Nervus trigeminus mit
der Injectionsmasse, sowohl in ihrer Umgebung, als zwischen ihren einzelnen Bündeln. Oben an der Figur bemerkt man die injicirten
Arachnoidalzotten, theils in den Sinus longit. hineindringend, theils in den venösen Seitenlacunen steckend (Vergl. Fig. 4 Tafel XXIX).
Fig. o. Nach einem mit gefärbter Leimlösung injicirten Präparate in natürl. Grösse gezeichnet. Die erstarrende Injections-
masse war nicht in die Ventrikel hineingelangt, dagegen war sie von der Cisterna ambiens oder, wenn man so will und wie die Figur
zeigt, vom Spatium subarachnoidale corpor. quadrigeminorum in das Velum trianguläre hineingedrungen und hatte vollständig die Su-
barachnoidalräume desselben gefüllt.
Fig. 4. Zeigt den Querschnitt einer Vene in dem injicirten Subarachnoidalgewebe aufgehängt; die injectionsmasse ist aus den
Subarachnoidalräumen ausgewaschen, und nur ihre Wände sind noch davon blau gefärbt Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. d. Key&Retzius: Studien.
Taf. VH
V-N. o.Bjorkm.au. Dir.TAEejA G-.Retzius. L,itt]. Anst.v. J.G.BachAeTpzi^. Tafel VIII
Siibaracbnoidalinjectionen des menschlichen Gehirns von dem hinteren Subarachnoidalspatium
der Rückenmarks aus gemacht.
Pig. 1. Querschnitt einer Intergyralfurohe mit umgebenden Theilen. Die Injectionsraasse bestand aus Leimlösung mit löslichem
Berlinerblau gefärbt, und sie war deswegen in den Räumen erstarrt. Man findet, dass sie die sämmtlichen Subarachnoidalräume voll-
ständig gefüllt, sowohl diejenigen, in welchen die (längs oder quer getroffenen) Blutgefässe {B, JB') gehen, als auch die, welche keine
(fefässe enthalten, ebenso wie das Balkengewebe in der Umgebung der oberflächlich belegenen groben Vene. Die Pia mater ist durch
Zerrung des Präparates überall von der Hirnoberfläche mehr oder weniger entfernt; man sieht, wie die Masse in den so entstandenen
Raum zwischen Pia und Gehirn (Epicerebralraum, His) gar nicht ausgetreten ist; in den Piatrichtern (T) dagegen und den Adventitial-
verlängerungen derselben läuft sie ringsum die Gefässe in das Gehirn hinein. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Pig. 2—6, bei schwacher Vergrösserung gezeichnet, zeigen verschiedene Grade der Füllung der Subarachnoidalräume an der
Oberfläche der Gehirns. Die weiche Haut ist in ihrer natürlichen Lage von aussen her gesehen. Man findet, dass die Injectionsmasse
theilweise mehr ausschliesslich den Gelassen folgt, in ihren Subarachnoidalgängen, entweder einseitig oder doppelseitig liegend, oder
auch die Gefässe ganz umhüllend; an anderen Stellen sieht man, wie die Masse sich seitlich von den Gefässgängen ausbreitet, die Räume
zwischen den Gefässen mehr oder weniger vollständig erfüllend. An der Pig. 3 sieht man subarachnoidale Gänge aus der Tiefe der
Purehen emporsteigen, um an der Oberfläche in vollständig injicirte Partien überzugehen.
Siehe den Text S. 109—110. Key A Retzlus ; Studier...
Tai VIII.
2-5 v.N.O.Björiman. Dir.v.A.Kejcfe G.Retzius. Lith.Central Tryckmet (f.d.ScHachterfe.Seedorff 1 Stockholm Tafel IX.
Injectionen der Subarachnoidalräume (Fig. 1) mit den pialen Gefässtrichtern (Fig. 2—4) sammt
einer Stichinjection (Fig. 5) des menschlichen Gehirns. Die Subarachnoidalinjectionen sind mit Richardsonschem
Blau vom hinteren Subarachnoidalspatium des Rückenmarks her gemacht. Alle Figuren bei schwacher Vergrösserung
gezeichnet.
Fig. 1. Eine Partie der weichen Haut von der oberen Fläche des Gehirns, nach Abtrennung und Ausbreitung der Haut, von
der äusseren Oberfläche her gesehen. Die Injectionsmasse ist in dieser Partie hauptsächlich nur in der Umgebung der Blutgefässe,
d. h. in den Subarachnoidalcanälen derselben vorgedrungen und hat sich sehr wenig in den übrigen Subarachnoidalränmen ausgebreitet.
Die Stelle in der rechten Hälfte der Figur, wo die Injection mehr dicht ist und deutlich in mehreren Schichten liegt, entspricht einer
Intergyralfurche, aus welcher die sich in dieselbe einsenkende Verlängerung der Haut ausgezogen worden ist.
Fig. 2. Querschnitt von der Oberfläche des Rückenmarks mit den innersten Theilen der weichen Haut. Man sieht, wie die
Injectionsmasse in die mit den Gelassen in die Rückenmarkssubstanz hineingehenden Fortsetzungen der Pia fortgeht. Links ist
die Pia künstlich von der Oberfläche ein wenig abgehoben, wodurch ein Zwischenraum entstanden ist. Man bemerkt, dass gar keine
Masse in diesen Raum ausgetreten ist. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Querschnitt des tiefsten Theils einer Intergyralfurche vom Grosshirn. Man sieht die Blutgefässe in den Sub-
arachnoidalräumen aufgehängt. Die Injectionsmasse ist aus den Räumen entfernt, hat aber ihre Wände ebenso wie die Pia und die
Gefässe gefärbt. Die Pia liegt der Gehirnoberfläche dicht an. (Die perspectivische Zeichnung der Pia ist in der Figur etwas zu
stark gefärbt). Die Injectionsmasse ist jederseits mit den Piatrichtern in das Gehirn ringsum die Gefässe eingedrungen, ohne zwischen
Pia und Gehirnoberfläche auszutreten. Gez, bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 4. Stellt die Piatrichter aus der Gehirnsubstanz ausgezogen und theilweise mit ihren adventitialen Fortsetzungen
gefüllt dar.
Siehe den Text S. 109 und 110.
Fig. 5. Stichinjection in der Substanz des menschlichen Gehirns. Die Injectionsmasse ist an den Gefässen zwischen den
Adventitialscheiden und der umgebenden Hirnsubstanz vorgedrungen, zackige Ausläufer seitlich in die Hirnsubstanz einsendend.
Siehe den Text S. 153. ■] OXI . Ta f. IX.
6 '^S.gez.yfl.o.Björkfttaim. Dir.y.AXej&o.Retznrs. lith.Anst.vJ.Gßach,Leipzig Tafel X.
Die Figuren dieser Tafel stellen Balken und Häutchen aus dem Subarachnoidalraum des Rückenmarks,
sowie Partien der Arachnoidea dar.
Fig. 1 und 2. Freie subarachnoidale Balken mit vollständig bewahrter Häutchenzellenscheide, welche in Fig. 1 das Fibrillen-
bündel eng umschliesst, in Fig. 2 vom Bündel weiter absteht. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gezeichnet bei Hartn. Imm. Obj. 10
und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Vom Hunde.
Fig. 3. Verzweigung (Anastomosirung) von subarachnoidalen Balken, deren Zellenscheide an der Verfiechtungsstelle weiter
absteht, häutchenartige Ausbreitungen bildend. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm, Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog.
Tubus). Vom Hunde.
Fig. 4. Partie der Innenfläche der Arachnoidea aus verflochtenen Fibrillenbündeln in mehrfacher Schicht bestehend, deren
Lücken meistentheils durch Häutchenzellen ausgefüllt sind; hie und da sind aber diese Lücken ohne solche Ausfüllung, wobei tiefere
Balkenschichten mit Zellenhäutchen an ihrem Boden erscheinen. Aus der so gebauten Arachnoidea steigen nun mehrere freie Balken
hervor, deren Zellenscheiden mit dem innersten Zellenhäutchen der Arachnoidea direct Zusammenhängen; diese freien, subarachnoidalen
Balken treten ferner zu einem geplatteten Häutchen zusammen, indem sie sich mit einander verflechten, um sich dann wieder zu
verzweigen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Vom Hunde.
Fig. 5. Ein subarachnoidaler Balken, welcher unter vielfacher Verzweigung an der Innenfläche der Arachnoidea wurzelt,
indem die Zweige, nach verschiedenen Richtungen auseinander fahrend, sich als Fibrillenbündel dieser Haut fortsetzen. Gez. bei
Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3. Von der Katze.
Fig. 6. Ein stark fenestrirtes, subarachnoidales Balkenhäutchen, welches eben durch Verflechtung der Balken entstanden ist;
hie und da an den Ecken der Maschen sieht man indessen das bekleidende Zellenhäutchen schwimmhautartig ausgespannt. Ueber
das ganze Balkennetz läuft ein freier Balken, der sich nur an einer Stelle mit den Balken des Häutchens verbindet. Behandl. mit
Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus). Vom Menschen.
Fig. 7. Ein von der Umgebung einer Nervenwurzel genommenes, subarachnoidales Häutchen, welches unten stark fenestrirt ist,
oben aber seine Lücken viel mehr durch Zellen gefüllt zeigt. Behandl. mit Chromsäure und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und
Ocul. 3. Vom Menschen.
Fig. 8. Partie der Innenfläche der Arachnoidea spinalis, welcher ein aus länglichen Maschen bestehendes Balkennetz frei anliegt,
hie und da Wurzeln zur Arachnoidea sendend. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul 3 (ausgezog. Tubus). Vom Menschen.
Fig. 9. Partie der Innenfläche der Arachnoidea; zwischen den verflochtenen ribrillenbündeln sieht man das Zellenhäutchen
sich ansspannen; hie und da sind aber Lücken durch die Zerreissung dieses Zellenhäutchens entstanden. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus). Von der Katze.
Siehe den Text S. 125—135. iey & Retzijis Studien.
Ta.: X-,
. v i\T. 0 , Bjoriman u Th, Xxmcü) er £ Dir.v.AXey & G.Retiius, Ilth.Anstv. J.G.B.'i-liif Tat XI
Die Figuren dieser Tafel stellen Partien von Subarachnoidalhäutchen dar. Alle sind dem Menschen
entnommen.
Fig. 1 giebt einige freie oder mit einander verflochtene Balken wieder, an denen die Häntchenzellen theils noch in ihrer
natürlichen, scheidenförmigen Anordnung liegen, theils sich mehr oder weniger abgelöst und frei flottirend befinden. Die Balken
stammen aus einer subarachnoidalen Deckmembran von einer Nervenwurzel des Bückenmarks. Behandl. mit Müllerscher Lösung und
Alkohol, Färbung mit Bosanilin; bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus) gezeichnet.
Fig. 2. Ein durchlöchertes Häutchen vom Subarachnoidalraum des Bückenmarks, mit salpetersaurer Silberlösung behandelt.
Die zackigen Grenzen der Häutchenzellen treten dadurch deutlich hervor, sowohl an den flächenartig ausgebreiteten Partien, als an
den Balken. Bei Hartn. Obj. 7 und Ocul 3 gezeichnet.
Fig. 3. Ein Häutchen aus dem Septum posticum des Bückenmarks, wo man die Löcher zwischen den reichlich verflochtenen
Balken grösstentheils durch Häutchenzellen ausgefüllt findet. Die roth gefärbten, verschieden grossen Kerne liegen theils an der
oberen, theils an der unteren Fläche des Häutchens. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol, Färbung mit Bosanilin. Gez.
bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3.
Fig. 4. Ein dem Subarachnoidalraum des Bückenmarks entnommenes, schön durchlöchertes Häutchen, welches mit langen,
fadenartigen, in die Arachnoidea auslaufenden Balken an dieser Haut befestigt ist, um von diesen Ansätzen an frei im Subarachnoidal-
raum, ein grösseres Blutgefäss (A) überbrückend und dasselbe gleichsam an der Arachnoidea aufhängend, an einer anderen entfernten
Stelle wieder durch Balkenausläufer in die Arachnoidea überzugehen. Links läuft ein kleineres Blutgefäss {B) in dem Häutchen.
Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 (halb abgeschraubt) und Ocul. 3.
Fig. 5. Häutchen aus dem Subarachnoidalraum des Bückenmarks, der Umgebung einer Nervenwurzel entnommen. Das obere
verzweigte und durchlöcherte Häutchen breitet sich mit Wurzeln, die aus mehr oder weniger zahlreichen Balken bestehen, in ein
unterliegendes, vollständigeres Häutchen aus. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3
(eingeschob. Tub.).
Siehe den Text S. 125—135. Key ü.Re:ziu3: Studien.
Taf.Xl
: '■•-Bjöi-iaaaxi u. Th-Lundbertf.
Dir. y. A, J\ c v & Cr. .Re tzi \1 r.
Lüh. Central Tryckeriet • f.L Schlachter &• Seedorff) Stookholia Tafel XII
Alle Figuren dieser Tafel stellen Häutchen und Balkennetze dar, die den Subarachnoidalräumen
des menschlichen Gehirns entnommen sind.
Fig. 1. Ein derartiges Häutchen ans einer der Cisternen an der Basis des Gehirns; das Häutchen wurde in natürlicher
Ausspannung mit Ueberosmiumsäure behandelt und erst nach dieser Erhärtung ausgeschnitten und untersucht. Es stand wie ein
gespanntes Segel in der Cisterne; von seinen Ecken und von dem einen Rande gehen die dasselbe an anderen Häutchen befestigende
Balkenzüge ab. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 2. Ein Netz von freien, in verschiedener Tiefe angeordneten Balken, welche nur hie und da mit einander anastomosiren;
sie sind von ihren Häutchenzellenscheiden umgeben, aber zwischen ihnen sind nicht Zellenhäutchen ausgespannt; quer über die Figur
geht ein Balken mit Fibrillenscheide. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog.
Tubus).
Fig. 3. Ein aus Balken gewebtes Häutchen, dessen Lücken theilweise mit Häutchenzellen ausgefüllt sind; an einigen Stellen
liegen die Zellenkerne zu Nestern angeordnet. Behandl. mit Ueberosmiumsäure in natürlicher Lage. Einer Cisterne der Gehirnbasis
entnommen. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3.
Fig. 4. Ein wenig fenestrirtes Häutchen von den Räumen der Umgebung des Sinus longitudinalis. In der Nähe der Kerne,
welche hie und da in Nestern beisammenliegen, sowie auch anderswo am Häutchen zerstreut, befinden sich rundliche, glänzende, pig-
mentirte Körner. Mit Ueberosmiumsäure in natürlicher Lage behandelt. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 2 (eingeschob. Tubus).
Fig. 5. Ein Balkennetz aus der Cisterna pontis, welches ganz aus den mit Fibrillenscheide umgebenen Balken besteht.
Behandl. mit Müllerscher Lösung. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 125—135. Key &. Retzius : Studien,
Taf, XII.
gez.v.N.O.Björkman. Fi|. 3,* t jsez, v, A.Rosengren,
Dir. v, A.Key L C.Refeius.
Lifn, Anst.v. E.A. Funke, Leipy, i Tafel XIII.
Arachnoidea, Subarachnoidalhäntchen und Innenfläche der Dura mater.
Fig. 1. Innere Fläche einer Partie der menschlichen Arachnoidea cerebri, wo sie über die Cisternse pontis verläuft; ans
der flächenhaft ansgebreiteten Arachnoidea steigen Balkenwnrzeln auf, die zu einem verzweigten, frei auf der Arachnoidea liegenden
Balkennetz zusammentreten. Behandl. mit Ueberosmiumsäure in natürlicher Lage. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ein-
geschob. Tubus).
Siehe den Text S. 137—139.
Fig. 2. Partie der Oberfläche des Falx cerebri beim Menschen; auf derselben liegt ein freies, verzweigtes Balkennetz, welches
hie und da nach der Oberfläche' des Falx Wurzeln sendet, die ihre Bälkchen in derselben ausbreiten oder sogar nach schnelle]’
Verengerung wieder pinselförmig in ihr ausstrahlen; eigenthümliche, runzelige Partien kommen hie und da an diesem Balkennetz vor.
Das bekleidende Endothel desselben geht an den Wurzeln unmittelbar in das Endothelhäutchen der Oberfläche des Falx über,
Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Siehe den Text S. 162.
Fig. 3. Partie eines subarachnoidalen Häutchens von der oberen Wölbung des menschlichen Gehirns unweit der Fissur, longi-
tudin. genommen. Die Kerne sind von einer reichlichen, verzweigten Protoplasmazone umgeben, welche der Oberfläche des Häutchens
folgt und durch Anastomosiren ein protoplasmatisches Netz bildet. Glänzende, pigmentähnliche Körner liegen am Häutchen zerstreut.
Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Partie eines schwach fenestrirten, subarachnoidalen Häutchens von der Cisterna magna an der unteren Fläche des
Kleinhirns vom Menschen. An demselben laufen eine schlingende, mit Adventitialscheide versehene Arterie und ein aus nur drei
Fasern bestellender Nerv; beide sind von geraden Biudegewebsbalken, die im Häutchen verlaufen, verstärkt. Behandl. mit Müllerscher
Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul 3 (eingeschob. Tubus).
Siehe den Text S. 140—141 und 135.
Fig. 5. Innere Fläche einer Partie der Arachnoidea spinalis cervicalis vom Hunde, mit einem aufliegenden, freien Balken,
der aus einigen markhaltigen Nervenfasern und einem Paar begleitender Fibrillenbalken, sowie aus einer umgebenden Zellenscheide besteht;
der Balken ist mittelst einem dreieckigen Ansätze an der Innenfläche der Arachnoidea aufgehängt. An der Mitte des Balkens ist
die Zellenscheide zerrissen und ein Fibrillenbälkchen hier frei austretend. Unten ist dieselbe Scheide auch abgelöst und frei flottirend.
Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3.
Siehe den Text S. 135 und 141.
Fig. 6. Partie des Endothels von der Aussenfläche der Arachnoidea spinalis beim Menschen; rechts sieht man dasselbe von
der Seite her im optischen Durchschnitt. Die Kerne liegen in mehr als einer Schicht; die Zellengrenzen sind nicht sichtbar. Gefärbte
glänzende Körner sind hie und de, besonders in der Umgebung der Kerne, vorhanden. Im frischen Zustande mit äusserst schwacher
Ueberosmiumsäure behandelt. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 137.
Fig. 7. Endothel der Aussenfläche der Arachnoidea spinalis beim Kaninchen, mit Silberlösung dargestellt. Gez. bei Hartn.
Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 137.
Fig. 8. Endothel der Aussenfläche der Arachnoidea spinalis beim Hunde, mittelst Silberlösung dargestellt. Ein doppeltes
Zellenlager tritt hier hervor; hie und da sieht man die Kerne der Zellen. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 137.
Fig. 9. Eins der geschichteten, an der Arachnoidea spinalis des Menschen oft vor kommenden, Knötchen, in dessen Mitte man
eine Kernansammlung sieht und die mit Endothelzellen umscheidet ist. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3. ■Key& B.etzius; Studien.
Taf.-XÜI
"j' ■ 5, ■ gez.v. 1 LLaru■
Dir.v.AKey L G.Retsina. Tafel XIV
Die Figuren dieser Tafel stellen rneistentheils von elastischen Fasernetzen- umsponnene Balken aus
den Subarachnoidalräumen der Basis des menschlichen Gehirns dar.
Fig. 1 und 2. Balken, die frisch, ohne Zusatz von Reagentien, untersucht sind. Ihre Zehenscheiden sind grösstentheils abgelöst
und frei fiottirend. Gezeichnet hei Hartn. Ob]. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Ein mit schwacher Ueberosmiumsäure behandelter Balken, an dem umspinnende, elastische Fasern zu sehen sind.
Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4 und 5. Balken, die frisch in Wasser untersucht sind, an welchen sich innerhalb der glashellen, kernführenden Zellen-
scheide, von ihr getrennt, die Balken umstrickende, elastische Fasernetze befinden. Gez. bei Hartn. Irnm. Obj, 10 und Ocul. 3 (aus-
gezog. Tubus).
Fig. 6. Ein mit Essigsäure behandelter Balken, an welchem die Zellenscheide noch geblieben ist, aber keine umspinnende
Fasernetze (keine Einschnürungen) zu sehen sind. Gez. bei Hartn. Imin. Obj. 9 und Ocul. 3 (Eingeschob. Tubus).
Fig. 7, 8 und 9. Balken, die mit reichlichen, theilweise flächenhaft zu Platten verbreiteten (Fig. 8 und 9), elastischen Fasernetzen
versehen sind. Die äussere Zellenscheide ist abgefallen. An der Fig. 9 sieht man unten eine Fibrillenscheide den Balken umgeben,
innerhalb welcher das elastische Fasernetz sich fortsetzt. Alle drei Balken mit Ueberosmiumsäure behandelt. Gez. bei Hartn. Imin.
Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10, 11 und 12. Balken, die mit Essigsäure behandelt sind, wodurch das bindegewebige Fibrillenbündel stark angeschwollen
und zu einer durchsichtigen Masse verwandelt ist; die umspinnenden, elastischen Fasernetze treten dagegen scharf hervor und verur-
sachen an der angeschwollenen Fibrillenbündelmasse Einschnürungen, zwischen welchen die fragliche Masse sich bauchig hervorwölbt
An allen drei Balken ist die Zellenscheide abgerissen. In der Fig. 11 trägt der verzweigte Balken eine durch die Essigsäure etwas
homogener gewordene Fibrillenscheide. In der Fig. 12 laufen längs des Balkens zwei longitudinale, elastische Fasern. Gez. bei
Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 13. Partie eines mit Essigsäure behandelten fenestrirten Balkenhäutchens, dessen Balken mit umspinnenden, elastischen,
Einschnürungen verursachenden Fasern versehen sind, die aber ihre bekleidenden, von diesen Fasern ganz unabhängigen Zellenscheiden
und Zellenhäutchen tragen. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 14. Ein mit Essigsäure behandelter, zusammengesetzter Balken, welcher aus mehreren getrennten Balken besteht, von
denen jeder von seinen elastischen Fasern umsponnen und mit seiner Zellenscheide versehen ist; nach aussen hin ist der Balken von
einer gemeinsamen Scheide zusammengehalten, in welcher ein Netzwerk bildende, elastische Fasern laufen; von dem die Scheide aus-
wendig bekleidenden Zellenhäutchen sind links grössere, abgelöste, kernföhrende Partien vorhanden. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 15. Ein mit Essigsäure behandelter, zusammengesetzter Balken, welcher aus mehreren, von elastischen Fasern umsponnenen
und mit Zellenscheiden versehenen, einfachen Balken besteht, die auswendig von einem verzweigten Netz von Balken zusammengehalten
sind; diese letzteren Balken sind ebenfalls von elastischen Fasern umsponnen und mit Zellenscheiden bekleidet. Der ganze Balken ist
dann noch auswendig von einer gemeinsamen Zellenscheide umgeben. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10. Ein Balken von der Umgebung der Medulla oblongata. Wenn er frisch mit Wasser untersucht wurde, konnten keine
umspinnende Fasern an ihm wahrgenommen werden. Nach Zusatz von Essigsäure traten sie bei Anschwellung des Balkens massenhaft
und deutlich hervor. Ausserhalb des Fasernetzes erschien dann auch eine homogene Schicht, an deren Aussenseite die Kerne der
Zellenscheide lagen. Am oberen (abgerissenen) Ende des Balkens quoll die angeschwollene fibrilläre, nunmehr fast homogene Masse
hervor; in ihr lag ein mit Protoplasma versehener Kern. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 125—135. Key&. Retzius, Studien,
Taf, Xiy.
r'!v 12,7,8 O.Björfanari. Pi£ä-6, 9-16 gez.v.Th.lmncCberjS, Dlr.v. A.Key & G.Retzius. ' &nsl vcE.A 1 " ' Tafel XV.
Balken mit Fibrillenscheide aus den Subarachnoidalräumen der Gehirnbasis des Menschen.
Fig. 1. Balken mit dicker Fibrillenscheide; rechts sieht man unten die Zellenscheide abgelöst, oben einen Kern mit umgebendem
Protoplasma. Behandl. mit Ueberosmiumsänre. Gezeichnet bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Balken mit dünnerer Fibrillenscheide, an deren Aussenseite einige der Zellenscheide angehörenden Kerne zu sehen
sind. In frischem Zustand gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Balken mit dicker Fibrillenscheide, welche grosse, höckerige Partien zeigt. Behandl. mit Ueberosmiumsänre. Gez.
bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Partie eines Netzes von Balken mit dünnen Fibrillenscheiden, an deren Aussenseite die Kerne der Zellenscheiden hervor-
treten. Frisch gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Ein mit Fibrillenscheide umgebener, aus zwei Bündeln bestehender Balken; bei ihrer Trennung sind die beiden Bündel
je von einer Fibrillenscheide umgeben. Frisch gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 6. Ein aus mehreren getrennten Fibrillenbündeln zusammengesetzter Balken, welcher mit einer gemeinsamen Fibrillen-
scheide umgeben ist; zwischen den Bündeln liegen einige Kerne. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3.
Fig. 7. Balken von einer Fibrillenscheide umgeben, welche hier bald dickere Stellen zeigt, bald sich wieder verschmälert und
stellenweise sogar ihren Character von Fibrillenscheide verliert; sie erweist sich als aus mehreren getrennten Schichten mit ihren
besonderen Kernen bestehend; zwischen den Schichten quergehender Fibrillen finden sich auch Schichten von längsgehenden. Behandl.
mit Müllerscher Lösung. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3.
Fig. 8. Balken mit dicker Fibrillenscheide, deren Fibrillen spiralförmig verlaufen. Behandl. mit Ueberosmiumsänre. Gez. bei
Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Balken mit Fibrillenscheide, deren Fibrillen longitudinal verlaufen. Behandl. mit Ueberosmiumsänre. Gez. bei Hartn.
Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10. Partie der häutigen unteren Wand des vierten Ventrikels neben dem Foramen Magendii. Sie besteht aus einem
Netz dicker Balken und dieselben überziehenden, dünnen Zellenhäutchen, welche mehr oder weniger die Lücken zwischen den Balken
ausfüllen. Hie und da sind die Balken von Fibrillenscheiden umsponnen, so dass Fibrillenscheidebalken zwischen den übrigen Balken
eingeschaltet sind. In nächster Beziehung zum Zellenhäutchen laufen zahlreiche, äusserst feine Fasern in verschiedener Richtung,
sowohl über den Balken als in ihren Lücken. Behandl. mit Ueberosmiumsänre in natürlicher Lage. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 129—133. Key & Retzras f Studien.
Taf.XV.
Ges.YR O.Björ’iman u. Th. Luudbei^.
Dir v. A.Kej& G .Retzms.
LiihAnst.v.J.G.ßajch Leipzig-. Tafel XVI.
Alle Figuren dieser Tafel stellen Partien der Pia rnater des Rückenmarks dar.
Fig. 1. Partie von der äusseren Seite der Pia spinalis der Halsregion vom Hunde; oben und unten bei a, a, sieht man die
längsgehende, äussere, fibrilläre Schicht mit ihren wellenförmig verlaufenden Bündeln und ihren anliegenden Zellen; in der Mitte der
Figur ist diese Schicht weggenommen, wodurch die unter derselben befindlichen Zellenhäutchen der Intimapise mit ihren quergehenden,
steifen, büschelförmig ausstrahlenden Balken bloss liegen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3
(ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Partie der äusseren Seite der Pia spinalis vom Hunde. Bei a ist die äussere longitudinale Schicht beibehalten, sonst
ist sie weggenommen, um ein zwischen ihr und der inneren Schicht, Intimapise, verlaufendes, mit einer deutlichen äusseren Zellen-
scheide versehenes Blutgefäss (b) zu zeigen; unten ist die Intimapise mit einem Zellenhäutchen bekleidet, oben ist dasselbe abgerissen;
darunter sieht man die steifen Querfasern, unter welchen sich wieder eine sehr dünne Schicht von feinen, längsgehenden Fibrillen
befindet. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Partie der äusseren Seite der Pia spinalis vom Hunde. Das Präparat ist bei scharfer Einstellung der äusseren Fläche
gezeichnet, die von einem dünnen äusserst schwachkörnigen Häutchen mit zerstreuten Kernen überzogen ist, um welche eine schwache,
flächenförmig auslaufende Zone erscheint. Dicht unter diesem Häutchen und, wie es scheint, mit ihm vereinigt, findet sich ein spar-
sames Netz elastischer Fasern. Unter dem Häutchen liegen ferner die längsgehenden Bindegewebsbalken; sie sind durch die Präparation
angeschwollen, sind sonst von eigenen Zellen umgeben. Zwischen die angeschwollenen Balken gehen Rinnen oder Zwischenräume,
über welche das Flächenhäutchen sich ausspannt. Behandl. mit Goldchlorid. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3.
Fig. 4. Partie der inneren Fläche der Pia spinalis (Intimapise) vom Hunde. Die gröberen Balken gehören den steifen Quer-
fasern an; eine deutliche, obwohl schwache, longitudinale Fibrillirung tritt andern feinen Häutchen hervor. Behandl. mit Goldchlorid.
Gez. bei Hartn. Imm. Obj, 9 und Ocul. 3 (halb ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Partie der inneren Schicht der Pia spinalis (Intimapise) vom Hunde. Aeusserst bemerkt man ein s-ehr feines Zellen-
häutchen mit ziemlich starker Zone von Körnern in sehr dünner Schicht um die Kerne; unter diesem Häutchen sieht man ein feines
elastisches Fasernetz. Bei e ist das Zellenhäutchen zum grössten Theil zerstört, das elastische Netz ist aber in natürlicher Lage
geblieben. Bei d ist dieses ganze Zellenhäutchen mit dem unterliegenden, elastischen Netze weggefallen. Zunächst unter diesem
Flächenhäutchen erscheinen Bündel von steifen, geraden, in der Pia quer gehenden, sich verzweigenden Balken, welche aus feineren
Fasern zusammengesetzt sind. Unter dieser Querbalkenlage kann man bei d die innerste Schicht der Intimapise mit ihrem schwach
angedeuteten, elastischen Netz wahrnehmen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3.
Fig. 0. Partie der Pia spinalis (von der Dorsalregion) beim Kaninchen. Von innen gesehen. Unter dem dünnen Häutchen,
in welchem elastische Fasern laufen, erscheinen Blutgefässe. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez, bei Hartn. Obj. 7
und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 7. Partie der Intimapise spinalis beim Hunde. Von innen gesehen. Die gröberen Balken sind die Bündel der steifen
Querfasern. In dem dünnen Häutchen sieht man sonst noch schwach hervortretende elastische Fäserchen. Behandl. mit Ueberosmium-
säure. Gez, bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (halb ausgezog. Tubus).
Fig. 8. Partie der Intimapise spinalis von einer jungen Katze. Von innen her gesehen. Die Kerne sind in verschiedenen
Schichten angeordnet. Unter ihnen markirt sich schwach die Schicht der steifen Querfasern. Behandl. mit Chromsäure. Gez. bei
Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Partie der Pia spinalis, bei Kaninchen, Von innen her gesehen. Kerne in verschiedenen Schichten und von ver-
schiedener Form; die länglichen liegen zwischen den beiden Schichten, welchen die ovalen angehören. Elastische Fibrillen treten
schwach hervor. Behandl. mit Müllerscher Lösung. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10. Partie der Intimapise spinalis von der Innenseite gesehen. Von einer jungen Katze. Ein Flächenhäutchen,
sich als eine dünne, körnige Schicht mit Kernen in mehr protoplasmatischer Umgebung markirend. Darunter die steifen, geraden
Querfasern, und unter diesen eine neue Zellenschicht. Keine elastische Fasern wahrnehmbar. Behandl. mit Müllerscher Lösung.
Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 143—147. Key&Eetzliis: Studien.
Tat XVI
Gez.v.K/O.Bjqfkman L TK.Limd'ber^.
Di .v. A.Keyk G.Retzius.
Lith.Anst.v. J.G. Bach, Leipzig. Tafel XVII
Pia mater und Blutgefässe des Gehirns und Rückenmarks.
Fig. 1. Partie der flächenhaft ausgebreiteten (von der Innenfläche gesehenen) eigentlichen Pia mater cerebralis, von der Gehirn-
oberfläche abgelöst, beim Menschen. Von den an der äusseren Fläche der Haut verlaufenden Gefässen gehen gröbere und feinere
Aeste ab, welche entweder sogleich oder eine Strecke an der Pia verlaufend diese durchbohren, in dem. sie, von trichterförmigen Fort-
setzungen der Pia begleitet, frei flottirend und mehr oder weniger verzweigt auf ihr liegen. Bei dem Ausziehen dieser Gefässe aus
der Hirnsubstanz wurden sie mehr oder weniger weit von der Pia abgerissen. Spärliche Balken laufen in der Haut. Gezeichnet
bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Piatrichter und Scheide eines aus dem Rückenmarke in Zusammenhang mit der Pia ausgezogenen Blutgefässes vom
M ensehen, a Intimapise mit den steifen Querfasern, h die äussere, fibrilläre, längsgehende Schicht der Pia. c die trichterförmige
Verlängerung der Intima um das Gefäss d. Bei e die etwas abgeplattete, adventitiale Verlängerung, in welche der Trichter tiefer im
Rückenmark hinein übergeht; am Abgang der Zweige ist sie breiter. Man sieht wie die steifen Querfasern der Intima, die in
die Scheide hinablaufen, sich dicht an die Gefässwand anlegen und dieselbe umkreuzen. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol.
Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Partie der Intimapise spinalis von der äusseren Seite gesehen. Vom Hunde. Die Kerne weggefallen. Bei a erscheint
die Mündung einer trichterförmigen Verlängerung, die zu einer Scheide h hinableitet, in welche das Häutchen sich um ein Blutgefäss
fortsetzt, das in das Rückenmark eingesenkt war. Die steifen Fasern senken sich mit dem Gefässe in dem Trichter und in der Scheide
hinab. Behänd! mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Partie der Intimapise spinalis, von der Innenseite gesehen. Vom Hunde. Ein Blutgefäss steigt von der unteren
Fläche (Aussenseite) durch die Intima hinauf, von ihrer trichterförmigen Verlängerung begleitet, welche sich bei der Theilung des
Gefässes sich auch in zwei theilt. Die steifen Fasern steigen mit dem Gefäss in den Trichter hinab. Behänd! mit Ueberosmiumsäure.
Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Verticalschnitt durch die Gehirnoberfläche des Kaninchens mit einem in dieselbe sich einsenkenden Blutgefäss, .von
seiner trichterförmigen, pialen Verlängerung in natürlicher Lage begleitet. Die Pia und die piale Verlängerung sind der Gehirnsubstanz
dicht anliegend, nur an ein Paar Stellen ein wenig von ihr abgehoben. Diese piale Verlängerung und ihre Fortsetzung, die Adven-
titialscheide, stehen sonst mit deutlichem Lumen vom Blutgefäss ab. Keine His’sche perivasculäre Räume sind in dieser Figur, weder
um die Blutgefässe, noch um die Ganglienzellen und Neurogliakörner, zu sehen. Behänd! mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn.
Imm. Obj. 10 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 6. Partie der Intimapise cerebralis, vom Menschen, mit zwei in die unten liegende Gehirnsubstanz eintretenden, aus
letzterer eine Strecke ausgezogenen Blutgefässen, von ihrer pialen, trichterförmigen Verlängerung umgeben; sowohl in der Pia als in
dem einen Piatrichter liegen langgestreckte Pigmentzellen. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und
Ocu! 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 7. Partie der Intima piae spinalis beim Menschen. Optischer Durchschnitt. Rechts liegt die Schicht der steifen Quer-
fasern, links das innere elastische Häutchen pise. An seiner äusseren Fläche, also zwischen ihm und der Faserschicht
linden sich die an der Medulla oblongata constant, sonst auch dann und wann hier vorkommenden Pigmentzellen. Gez. bei Hartn.
Obj. 7 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig, 8. Partie der äusseren Fläche der Pia spinalis. Vom Hunde. Die Zellenzeichnung ist mit Silberlösung hervorgerufen
Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 2.
Fig. 9. Partie der äusseren Fläche der Pia spinalis. Vom Hunde. Die Zellenzeichnung des Endothels ist mit Silberlösung
dargestellt. Eine Arterie (a), welche auf der Aussenfläche der Pia liegt und von einer Zellenscheide umgeben ist, steigt durch das
Endothelhäutchen und die äussere Fibrillenschicht hinab, um dann getheilt ihren Weg fortzusetzen. Silberlösung, Ueberosmiumsäure.
Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10 und 11. Partien von Blutgefässen der weichen Haut des Gehirns vom dreimonatlichen menschlichen Embryo. Eine
sehr deutliche, adventitielle Scheide umgiebt die Gefässe. Behänd! mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocu! 3.
Siehe den Text S. 143 —155. Key u.Uetzms; Studien.
Taf.ZVü.
17 gez.y.N.Qijörkmm.Fig,2-6,8_ 11 gez.Y.Th.Lund'berg,
Dir yA.Rey u.G.JLetzius.
litK.Aust.v.E.A.Funke in Leipzig Tafel XVin,
Bau der Blutgefässe der Gehirnsubstanz. Bergmännische Fasern.
Fig. 1. Capillargefäss aus der menschlichen Gehirnsubstanz ausgezogen. In seiner Wand sieht man die länglich-ovalen
abgeplatteten Kerne und nach aussen davon die fast sphärischen Kerne der Adventitialscheide, welche eben hie und da an diesen
Kernen von der übrigen Gefässwand etwas absteht; in der Umgebung der letzteren Kerne sieht man Gruppen von glänzenden Körnern.
Frisch untersucht. Gezeichnet bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Partie eines verzweigten Capillargefässes aus der menschlichen Gehirnsubstanz mit weiter Adventitialscheide, welche
an der Theilungsstelle einen sphärischen Kern trägt. Frisch untersucht. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Ein etwas dickeres capillares Gefäss, aus der menschlichen Gehirnsubstanz ausgezogen, mit weiter Adventitialscheide,
deren fast sphärischen Kerne von Körnergruppen umgeben sind. Frisch untersucht. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (aus-
gezog. Tubus).
Fig. 4. Capillargefäss aus der menschlichen Gehirnsubstanz, mit Adventitialscheide und daran sitzenden körnigen Häutchen
und Fäden, sowie mit einer Neurogliazelle, von welcher ähnliche Fäden ausgehen. Frisch untersucht. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9
und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Ein etwas dickeres Blutgefäss (capillare Vene) aus der menschlichen Gehirnsubstanz, mit umgebender, an der Theilungs-
stelle abstehender und mit fast sphärischen Kernen versehener Adventitialscheide, an weicher kleinere körnige Klumpen, sowie eine
Anzahl körniger, häutchen- und fadenförmiger Ausbreitungen, die ihrer Structur nach mit der Neuroglia ganz übereinstimmen, haften.
Behänd! mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 0. Capillares Gefäss aus der menschlichen Gehirnsubstanz mit einer Fibrillen enthaltenden, auswendig von Kernen
besetzten Adventitialscheide. Frisch untersucht. Nach Zusatz von Essigsäure quollen die Fibrillen dann auf und wurden homogen.
Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 7. Arterie, aus der menschlichen Gehirnsubstanz, im optischen Durchschnitt. Am innersten sieht man jederseits die kern-
haltige, dünne Intima; ausserhalb dieser und von ihr theilweise getrennt jederseits die aus glatten Muskelfasern bestehende Media, und
nach aussen von ihr jederseits die dünne Adventitia. Frisch untersucht Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 8. Gefäss aus der menschlichen Gehirnsubstanz mit seinen drei Häuten. Innerhalb der dünnen Adventitia findet sich
ein weiter Adventitialraum; nach innen davon die dicke Media, in welcher hie und da einige Kerne im optischen Querschnitt zu sehen
sind; an der Aussenseite der Media rechts findet sich noch ein rundlicher Kern mit abstehenden, dünnen Zellenhäutchen. Behänd!
mit Müllerscher Lösung. Gez, bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Arterie aus der menschlichen Gehirnsubstanz mit ihren drei Häuten. An der Innenseite der dünnen Adventitia sieht
man einige Zellen; nach innen davon die aus quergehenden, spindelförmigen, glatten Muskelfasern bestehende Media und nach innen
von dieser die aus längsgehenden Endothelzellen gebildete Intima. Mit salpetersaurer Silberlösung behandelt. Gez. bei Hartn. Imm.
Obj. 9 und Ocu! 3.
Fig. 10. Arterie aus der menschlichen Gehirnsubstanz. Aeusserst sieht man die dünne Adventitia mit ansitzenden Kernen;
nach innen davon im Adventitialraum zwischen der Adventitia und der aus glatten Muskelfasern bestehenden Media eine Schicht
fibrillären Bindegewebes. Das Lumen des Gefässes ist mit Blutkörperchen gefüllt. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 11. Arterie, aus der menschlichen Gehirnsubstanz, deren Adventitialraum mit glänzenden Körnern gefüllt ist; diese
Körner reichen in die Einbuchtungen zwischen den glatten Muskelfasern der Media hinein. Frisch untersucht. Gez. bei Hartn.
Imm. Obj. 10 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 12. Seitliche Partie der Wand einer Vene aus der menschlichen Gehirnsubstanz. Rechts die dünne Adventitia; im
Adventitialraum zwischen ihr und der Media liegen theils an der Adventitia, theils an der Media Kerne von länglichen, aus glänzenden
Körnern bestehenden Zonen. Frisch untersucht. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 13. Partie von einem Schnitte der Gehirnsubstanz des Schafes. Ringsum die der Länge nach getroffenen (Bl) sowie
auch um die quergeschnittenen Blutgefässe sieht man die weiten, bei einigen Präparationsmethoden hervortretenden, His’schen peri-
vasculären Räume, in welchen von der umgebenden Neuroglia zu den Gefässwänden eine Anzahl körniger Fäden und Häutchen gehen.
Ringsum die Ganglienzellen sind auch diese His’schen Räume deutlich wahrzunehmen. Ausserdem findet sich aber noch eine Menge
von kleineren Löchern theils um die Neurogliazeilen, theils auch sonst in der Neuroglia zerstreut. Behänd! mit Müllerscher Lösung
und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 14. Partie der flächenhaft ausgebreiteten Pia aus einer Furche des Kleinhirns des Kaninchens ausgezogen; oben ist sie
gefaltet. Hie und. da von ihrer Oberfläche laufen beiderseits stiftförmige Fasern aus; die aus der Gehirnsubstanz ausgezogenen Berg-
männischen Fasern. Behänd! mit Müllerscher Lösung. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 15. Partie von einer Furche des menschlichen Kleinhirns. Mitten zwischen den von einander gezogenen Hirnflächen (G)
läuft die von ihnen abgetrennte Pia (7J), welche zwischen ihren beiden Blättern Partien durschnittener, von Blutkörperchen gefüllter
Blutgefässe {Bl) enthält; das eine Blutgefäss läuft rechts von einer trichterförmigen Fortsetzung der Pia umgeben in die Hirnsubstanz
hinein (7>T); ebenso höher oben ein kleinerer Ast desselben Gefässes. Von der Pia gehen mit trichterförmigen Füssen zur Hirn-
oberfläche zahlreiche feine, hie und da dichotomisch verzweigte Fasern aus: die Bergmann’sehen Fasern (BF); theilweise hängen sie
nicht mehr mit der Hirnsubstanz zusammen, meistens stecken sie aber noch in ihr. Unten links steht ein Wald von solchen Fasern (BF),
welche mit ihren trichterförmigen Füssen von der Pia abgelöst sind. Behänd! mit Müllerscher Lösung. Gez. bei Hartn, Imm. Obj. 9
und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 150—155. Key& Retzius : Studien,
Taf. XVIII.
1~13 gez.y Th,Luadberg, gez.v, N. 0. Björkmann,
Dir. v, A.Key&. G.Refeius.
■Lüh.Ti.Bruchv.E,N,Sfrassherger,Leipzig, Tafel XIX
Bau des Ligamentum denticulatum und der Oberflächen der Dura mater.
Fig. 1. Partie des vergrösserten Ligamentum denticulatum von dem oberen Theil der Dorsalregion beim Menschen.
Bei h sieht man den Randstrang (Randfaden), der nach oben (in der Figur) in das stark cribrirte Balkennetz (a) übergeht, aus welchem
übrigens das Ligament besteht. Nach unten an der Figur geht ein Zacken (c) des Ligaments ab, um sich an der Dura (d) zu be-
festigen. Die Arachnoidea (e) bekleidet frei flottirend das Ligament und bildet um den Zacken eine weite Scheide (/') welche in das
die Dura bekleidende Endothel häutchen (g) übergeht. Gezeichnet bei Hartn, Obj. 4 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 2. Partie des vergrösserten Ligamentum denticulatum beim Menschen. Es bildet ein stark cribrirtes Balkennetz (Balken-
häutchen), welches sich besonders unten an der Figur zu dem äusseren, dickeren Randstrang verdichtet. Nur an den dünneren Balken
sind die Kerne der bekleidenden Zellenscheiden gezeichnet, Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (eingeschob, Tubus).
Fig. 3. Partie eines Balkens aus dem Ligamentum denticulatum beim Menschen, mit umgebender, unversehrter Zellenscheide.
Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Balken aus dem Subduralraum des Rückenmarks (vom unteren Theil der Cervicalregion) beim Menschen, a die Dura,
von welcher der Balken ausgeht, um nach bogenförmigem Verlauf durch die Arachnoidea sich wieder an die Dura anzusetzen. Der
Balken ist in seinem ganzen freien Verlaufe durch den Subduralraum von einer Zellenscheide umgeben, die eine Fortsetzung der
Arachnoidea ist und in das die Dura bekleidende Endothelhäutchen übergeht. Gez. bei Hartn. Obj. 4 (halb abgeschr.) und Ocul. 3
(eingeschob. Tubus).
Fig. 5. Drei geschichtete »Körperchen» am inneren Endothelhäutchen der Dura mater spinalis des Menschen. Gez. bei Hartn.
Obj. 4 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. G. Partie der inneren Oberfläche der Dura spinalis des Kaninchen; bei h ist das dieselbe bekleidende Endothelhäutchen
mit seinen Kernen beibehalten; bei a ist es aber abgerissen, wogegen hier das darunter befindliche elastische Häutchen mit seinen
Fäserchen bloss liegt. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 7. Partie der Dura spinalis beim Hunde. Aeussere Oberfläche mit Silberlösung behandelt, wodurch die Grenzen der
Endothelzellen dargestellt sind. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Fig, 8. Partie der Dura spinalis beim Hunde. Innere Oberfläche mit Silberlösung behandelt, wodurch die Grenzen der Endothel-
zellen dargestellt sind. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Partie der Dura cerebralis bei der Katze. Innere Oberfläche mit Silberlösung behandelt, wodurch die Grenzen der
Endothelzellen dargestellt sind. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10. Partie der Dura cerebralis (nahe am Sin. longit.) beim Menschen. Innere Oberfläche mit dem dieselbe bekleidenden
Endothelhäutchen (b), welchem die grossen Kerne und die sie umgebenden Körner angehören, sowie mit einem darunter hervor-
tretenden, elastischen, fein fibrillären Häutchen (a), zwischen welchen beiden stärkere, elastische Fasern verlaufen. Links bei c treten
darunter Bündel des bindegewebigen Duragewebes hervor. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3
(ausgezog. Tubus).
Fig. 11. Partie der Dura cerebralis beim Menschen. Aeussere Oberfläche (gegen den Knochen zu) mit dem dieselbe bekleidenden
Zellenhäutchen, dessen Kerne von verzweigten Protoplasmazonen umgeben sind. Im Häutchen treten feine, elastische Fibrillen schwach
hervor. Nahe an der Mitte der Figur fehlt ein Stück des Häutchens. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9
und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 12. Partie der Dura cerebralis beim Menschen. Aeussere Oberfläche (gegen den Knochen zu) mit dem dieselbe bekleidenden
Zellenhäutchen, in welchem spärlichere Kerne, aber reichliche, elastische Fibrillen vorhanden sind. Unter demselben sieht man Bündel
des bindegewebigen Duragewebes, in deren Zwischenräumen die Durazellen undeutlich hervortreten. Behandl. mit Ueberosmiumsäure.
Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog, Tubus).
Betreffs der Fig. I—41—4 siehe den Text S. 85—88 u. S. 144.
Betreffs der Fig. 6—12 siebe den Text S. IG2 IG3. Key & Ketzins: Studien.
SM 111.
&ez.T. N.O.Björkm&ri.
Dir. vA.Key & G.Retzius.
LithArst.v.E.A.Funke, Leipzig. Tafel XX.
Alle Figuren dieser Tafel sind der embryonalen (5-monatlichen) menschlichen Dura mater entnommen.
Behandlung mit Müllerscher Lösung, Alkohol und Eintrocknen in Gummiglycerin; Erweichen der Schnitte in Wasser
und Färben mit Rosanilin.
Fig. I—7 sind nach dünnen, nach Entfernung der Oberflächenschichten gemachten, also dem eigentlichen inneren Duragewebe
entnommenen, horizontal geführten Schnitten ausgeführt. Man sieht hier die Dnrazellen in ihren überaus wechselnden Formen und
in ihrer natürlichen Lage und Anordnung zwischen und um die Fibrillenbündel schmiegend. In der Fig. 1 sind die Zellen im All-
gemeinen bipolar ausgezogen. In den Fig. 2—7 sind sie mehr oder weniger verzweigt und mit einander anastomosirend. In der Fig.
4 und 5 sieht man Zellen, die in Lücken zwischen den Bündeln liegen. Alle diese Fig. (I—7) sind bei Hartn. Trnm. Obj. 10 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus) gezeichnet.
Fig. 8 stellt eine Partie des Querschnitts der embryonalen Dura dar; die zwischen den quergeschnittenen Fibrillenbündeln
liegenden, dunkleren Bilder sind die protoplasmatischen Zellen, welche ihre Zweige nach verschiedenen Richtungen zwischen den
Bündeln aussenden und mit einander anastomosiren; ungefähr in der Mitte der Figur sieht man zwei quergeschnittene Blutgefässe.
Bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus) gezeichnet.
Fig. 9 a—t stellen durch Zerzupfung isolirte Durazellen verschiedener Form dar; die meisten sind hier bipolar; einige (h,h,n)
sind zweikernig, bei anderen (o, p) sieht man anastomosirende Zellen; andere, wie z. B. /c, cp r, sind reichlich verzweigt, andere,
z. B. I, s, t, sind häutchenförmig ausgebreitet, bei t sogar einem elastischen Häutchen ähnlich. Bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3
(ausgezog. Tubus) gezeichnet.
Siehe den Text S. 158—159. Key L Ketzins : Studien,
Taf, XX,
9 |>ez.vKO-Björkman. Fig.S gez, v Th.LuMber|.
Dir.v, A. Key L G-, Retzius,
lith.n. Druck v.E.Lf, S{rassber|er, Leipzig Tafel XXI
Dura mater cerebralis beim erwachsenen Menschen.
Fig. 1. Durch Aufblätterung gewonnene Lamelle des Duragewebes mit zwei auf einander liegenden, in natürlicher Anordnung
befindlichen, einander spitzwinklig kreuzenden Schichten, deren Bündel und Zellen aber unter sich parallel gerichtet sind. Durch
die Mitte der Figur läuft ein Blutgefäss, durch einen weiten adventitiellen Scheidenraum vom übrigen Duragewebe getrennt. Behandl.
mit Carmin. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3.
Fig. 2. Partie eines vertical geführten Querschnitts der Dura. Schichten von längs-und von quergeschnittenen Fibrillenbündeln
wechseln ab; zwischen den Bündeln liegen die Durazellen, welche am Längsschnitt eine bipolar ausgezogene, am Querschnitt aber
eine mehr sternförmig verzweigte Gestalt zeigen; die Zweige dieser Zellen schmiegen zwischen den Bündeln hinein und umspinnen
sie in verschiedener Weise, oft mit einander anastomosirend. In den mittleren Schichten finden sich Querschnitte zweier Blutgefässe,
links einer Arterie mit ihrer scheidenförmig umfassenden mehrschichtigen Wand und weiter rechts einer Vene. Behandl. mit Müllerscher
Lösung, Trocknen in Gummiglycerin. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Partie eines vertical geführten Querschnitts der Dura. Oben läugsgeschnittene, übrigens nur quergeschnittene Bündel,
zwischen welchen reichlich verzweigte und unter sich anastomosirende, protoplasmatische Zellen und eine Anzahl elastischer Fasern
verlaufen. Rechts ein quergeschnittenes Blutgefäss. Behandl. mit Müllerscher Lösung, Alkohol, Trocknen in Gummiglycerin. Gez.
bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Horizontalschnitt des Duragewebes mit Zellen von der Anordnung und dem Aussehen, welche diese gewöhnlich zeigen,
wenn sie an solchen Schnitten in situ liegen. Sie schmiegen mit meistens platten, körnig protoplasmatischen Ausbreitungen zwischen
den Bündeln; wenn ihre geplatteten Ausbreitungen vom Schnitt getroffen sind, sieht man sie als fädenartige, feine Ausläufer zwischen
den Bündeln ziehen. Behandl. mit Müllerscher Lösung, Alkohol, Trocknen in Gummiglycerin. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Mehr oder weniger isolirte Zellen des Duragewebes; a—t ganz isolirte Zellen verschiedener Form; a—c bipolar aus-
gezogene, mehr spindelförmige, protoplasmatische Zellen; d—n mehr abgeplattete, protoplasmatische Zellen, von welchen f—h noch mit
einem vertical von der übrigen Platte gerichteten Flügelhäutchen versehen sind; bei i—m ist die Verzweigung der Zellen deutlicher
ausgesprochen; bei o—t sind die Ausläufer mehr fadenförmig ausgezogen und die Kerne grösstentheils auch sehr schmal; von s—t
gehen aber auch häutchenförmige Flügel seitwärts aus; bei u—y sieht man Zellen noch mehr oder weniger in situ zwischen den
Fibrillenbündeln; bei u eine halb isolirte, verzweigte Zelle mit höckerigen Ausläufern; bei v eine fadenförmig ausgezogene Zelle;
bei x und y zwei häutchenartig verbreitete Zellen, deren dünne Häutchen zwischen den Bündeln sich einschieben; bei y ist das
Häutchen zum Theil isolirt. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 160—161. Key & Ketzins: Studien
Taf. XXL
gez.v.Th.Lundberg. Fig.s, a-y gez.v. N.O.Björkman.
Dir. y A.Key & ft Retzius.
Lüh. Anst. v J. Ft. Bach, Leipzig Tafel XXII
Aus dem Gewebe der Dura mater.
Fig. 1. Partie einer Lamelle aus dem inneren Gewebe der Dura cerebelli (ein wenig unterhalb des Sinus transversus ge-
nommen) vom erwachsenen Menschen. lieber der flächenhaft ausgebreiteten, fibrillären Lamelle befindet sich ein reichlich verzweigtes
und anastomosirendes Netz platter, protoplasmatischer Zellen mit eingestreuten Kernen; zwischen diesem Zellennetz und der Fibrillen-
schicht liegt ein Netz elastischer Fasern. Das Präparat wurde in der Weise gewonnen, dass von einer in Ueberosmiumsäure erhärteten
Durapartie mit Pinzette je nach einander einzelne Lamellen, die der Oberfläche parallel lagen, abgehoben wurden; nach Färben mit
Rosanilin trat das Zellennetz schön hervor. Gezeichnet bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Partie von einem Querschnitt der Dura cerebralis (vom erwachsenen Menschen), oben mit quergeschnittenen Fibrillen-
bündeln, zwischen welchen ein reichliches Netz verzweigter und anastomosirender, protoplasmatischer Zellen, hie und da mit ein-
gestreuten, glänzenden Körnern, vorhanden ist; unten finden sich längsgehende Fibrillenbündel mit dazwischen liegenden Zellen.
Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Partie einer durch Zerzupfung erhaltener Lamelle der Dura cerebelli des erwachsenen Menschen. Auf der unter-
liegenden, fibrillären Lamellenschicht findet sich ein dünnes, körniges Zellenhäutchen mit ihm angehörenden Kernen, welches rechts
theilweise abgelöst ist; oben sieht man eine andere fibrilläre Lamellenschicht, welche quer abgeschnitten ist; die Fortsetzung derselben,
welche auf dem Zellenhäutchen lag, ist entfernt, und dadurch wurde eben das Zellenhäutchen blossgelegt. Behandl. mit Ueberosmium-
säure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Partie von der Innenfläche der Dura cerebelli des erwachsenen Menschen, die abgetrennte innere Lamelle darstellend.
Rechts ist das innere Endothel unbeschädigt, links ist es in Fetzen abgelöst. Mit dem Blutgefäss läuft fibrilläres Bindegewebe.
Einige elastische Fasern streichen über die Lamelle. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 4 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Einige Fibrillenbündel mit anliegenden, elastischen Fasern und meistens abgelösten Häutchenzellen aus der Dura
spinalis eines 14 Tage alten Hundes. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 2 (eingeschob. Tubus).
Fig. 6. Cribrirtes, elastisches Häutchen, zwischen zwei Fibrillenschichten in der inneren Lamelle der Dura cerebelli des er-
wachsenen Menschen liegend. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 7. Partie eines elastischen Faserhäutchens aus dem Gewebe der Dura spinalis des erwachsenen Menschen. Behandl.
mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 8. Eine Concretion von der Innenseite der Dura cerebri des Menschen. Behandl. mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei
Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 10 und 11. Partien der flächenhaft ausgebreiteten Dura cerebri von der Ratte. Durch das Gewebe streichen einige von
einer hie und da weiten Scheide umgebene Blutgefässe; die dunkleren Körnerhaufen sind drei eigenthümliche Pigmentzellen mit
hellem Kern. Alle die übrigen, verschieden gestalteten, zwischen den Fibrillenbündeln der Dura befindlichen Zellen sind die gewöhn-
lichen Zellen des Duragewebes, Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Partie des Pericranium von der Maus, zum Vergleich mit dem Duragewebe hier angeführt. Zwischen den in ver-
schiedenen Schichten laufenden Fibrillenbündeln liegen platte, protoplasmatische Zellen. Behandl. mit Goldchlorid. Gez. bei Hartn.
Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 160—162. Key Sc Retzius: Studien
J r J
Taf, XXI
Gez.Y.Tk Lundl erg..
IHt.v:A. Key ■ &. etznis.
LitkAnst.v. J. S .31ü .Lfnnnni. Tafel Hin.
Partien der Dura mater cerebralis des Menschen mit den eigentümlichen Höhlen, Lacunen, die an
manchen Stellen in ihrem Gewebe Vorkommen.
Fig. 1. Querschnitt durch die ganze Dicke der Dura, vom Dach des Sinus longitudinalis; a eine äussere (dem Schädelknochen
anliegende) Duraschicht mit der Länge nach gerichteten Lacunen; b eine mittlere Schicht mit quer geschnittenen Lacunen; c eine innere
Schicht ohne eigentliche Lacunen, ein längslaufendes Blutgefäss enthaltend. Behandl. mit üeberosmiumsäure. Gezeichnet bei Hartn.
Obj. 4 und Ocul. 2 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Horizontalschnitt aus der Dura oberhalb des Sin. longitudinalis mit mehr oder weniger längsgeschnittenen, dicht-
gedrängten Lacunen. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 3. Horizontalschnitt aus der Dura von der Umgebung arachnoidaler Zotten; die Lacunen sind von sehr verschiedener
Grösse, meistens schief geschnitten. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 4. Horizontalschnitt aus der Dura oberhalb des Sin. longitudinalis. Dicht bei den zwei mit Blutkörperchen gefüllten
Blutgefässen liegen Lacunen, die ganz leer, d. h. mit ganz klarem Inhalt versehen sind. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez. bei
Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Querschnitt vom äusseren, dem Schädel anliegenden Theil der Dura, aus der Nähe des Sinus transversus (an der Pars
petrosa). Die Lacunen sind hier von sehr wechselnder Grösse und Gestalt, klaren Tropfen ähnlich. Behandl. mit Üeberosmiumsäure.
Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 6. Partie eines Querschnitts der Dura von der Umgebung des Sin. transversus. Die Lacunen stehen bei a unter sich
in offener Communication. Bei h quergeschnittene Blutgefässe. Die Zellen des Duragewebes sind durch neutrales Carmin deutlich
gemacht. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 7. Horizontalschnitt der Dura von der Umgebung des Sin. longitudinalis mit längsgeschnittenen Lacunen, welche ihre
gewöhnliche, nach zwei Seiten spitz ausgezogene Ampullenform zeigen. Bei a hängen zwei Lacunen unter sich zusammen oder zeigen,
wie man auch sagen kann, eine mehr sanduhrförmige Gestalt. Bei h liegt das die Lacunen inwendig bekleidende, elastische Häutchen
frei abgelöst und gerunzelt im Inneren derselben. Bei c abgeschnittene Spitzen der Lacunen. Bei d ein quergeschnittenes, feines
Blutgefäss. Zwischen den Bündeln des fibrillären Duragewebes sieht man einige Durazellen. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez.
bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 8. Zwei quergeschnittene Lacunen aus der Umgebung des Sin. transversus, von eigenthümlichen, steifen, elastischen, ver-
zweigten Fasern durchsponnen. Bei A sind diese Fasern gröber und gehen mit trompetenförraig erweiterten Füssen von der Wand
der Lacunen aus; an einer dieser Fasern liegt ein Kern; ausserdem finden sich einige äusserst feine Fasern mit ansitzenden, glänzenden,
feinen Knötchen. Bei B ist das ganze Fasernetz von feinerer Art; an einigen sieht man ein dünnes Häutchen von der Wand aus
trompetenförmig auf die Fasern übergehen. Behandl. mit Üeberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 9. Querschnitt der Dura von der Umgebung des Sin. transversus, mit quergeschnittenen Lacunen, bei welchen man bei a
ein die Wand bekleidendes, ihr dicht anliegendes, dünnes Häutchen sieht; bei h aber dasselbe Häutchen theils einseitig abgelöst, theils
ganz frei im Lumen derselben liegend, zusammengezogen und runzelig als eine verschieden gestaltete Figur, nur durch äusserst
feine Fibrillen mit der Wand der Lacune verbunden. Bei c ein quergeschnittenes Blutgefäss. Zwischen den meistens quergeschnittenen
Bündeln des Duragewebes laufen Netze protoplasmatisch er, verzweigter Durazellen und elastische Fasern. Behandl. mit Ueberosmium-
säure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 166—167. Key&Retzius: Studien.
Täf. xxm
Rg 1,2., 6_9.gez.vlT.O.BjöTkman. ges.v.TkLimdberg
Bir.v. AXey & G.Eetzius
Litli.Anst.vJ, G-.Bach, Leipzi t Tafel XXIV.
Blutgefässe und Saftbahnen der Dura mater beim Menschen.
Fig. 1. Blutgefässnetze aus dem Tentorium cerebelli mit Blut gefüllt (natürliche Injection); die zahlreichen Venen sammeln
sich büschelweise zu grösseren Stämmen. Viermalige Vergrösserung.
Fig. 2. Horizontalschnitt von der äusseren Fläche der Dura, oberhalb des Sinus longitudinalis, mit einem Venennetz, welches
vom Subduralraum aus (durch Vermittelung der Arachnoidalzotten) injicirt ist. Im Duragewebe sieht man das reichliche Lammen-
System. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 3. Horizontalschnitt aus dem Gewebe der Dura. Durch Stichinjection gefüllte Röhrensysteme (Saftbahnen), welche je
nach der Richtung der Fibrillenbündel der einzelnen Duraschichten eine verschiedene Richtung zeigen; in derselben Duraschicht sind
indessen die Injectionstuben einander ziemlich parallel; hie und da theilen sie sich in zwei; die Enden der Tuben sind mehr oder
weniger zugespitzt. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 4. Horizontalschnitt der Dura. Die zahlreichen, sich kreuzenden, braunen Gänge sind durch Stichinjection im Gewebe
der Dura mit Chloroform-Asphaltmasse gefüllte Saftbahnen, von derselben Art wie die der Fig. 3. Die gefüllten Röhren sind hier
aber schmäler und länger ausgelaufen; sie gehören wenigstens drei verschiedenen Duraschichten an. Behandl. mit Müllerscher Lösung,
Alkohol und Carmin. Gez, bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 5. Partie eines Horizontalschnittes aus der Dura mit Stichinjection in ihrem Gewebe. Hier ist die tubuläre Gestalt
der gefüllten Bahnen nicht so ausgesprochen, sondern die Injection scheint hie und da auch interfibrillär gelaufen zu sein. Dicht
neben den Tuben, gleichsam sie umscheidend und begrenzend, liegen an mehreren Stellen Durazellen, durch ihre Kerne hervortretend.
Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 6. Partie eines Querschnitts der durch Stich injicirten Dura; die gefüllten Röhren oder Saftbahnen sind hier theils ganz
quer, theils schief abgeschnitten; die quergeschnittenen erweisen sich als mehr oder weniger cylindrische Gänge, zwischen den Bündel-
schichten der Dura liegend. Behandl. mit Müllerscher Lösung, Alkohol, Trocknen in Gummiglycerin. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und
Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 7. Horizontalschnitt von der Innenfläche der Dura mit Injection von Röhrensystemen (in getrennten Gruppen), in Zu-
sammenhang mit Injection der capillaren Blutgefässe. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3 (halb ausgezog. Tubus).
Siehe den Text S. 163—166. Keydcßetzius Studien!
Taf. XXIV.
1.2,6£ez y N.O.Ejörkmann.Rß 5. ?. Dir.v. Aüfey<& Gr. Retzius. ' Litt, Anst.v J.G.Bach Leipzig. Tafel XXV.
Blutgefässe der Dura mater cerebralis. Das Grundgewebe der Dura ist nicht ausgeführt.
Gemeinsame Bezeichnungen der Figuren:
a Arterien.
a! Arterielle Capillaren.
c Capillaren.
c' Ampulläre Erweiterungen der Capillaren.
v V enen.
v Venenwurzeln, Erweiterungen der Yenenwurzeln.
Fig. 1. Blutgefässe der Dura der Scheitelgegend vom Menschen, von der Innenfläche her gesehen. Unter dem oberen Netz
sieht man die vielfach gewundenen Arterien, jederseits von einer Vene begleitet; hie und da senden sie (kleine) arterielle Zweige
(arterielle Capillaren a') schief nach oben zu dem oberen, an der inneren Fläche der Dura befindlichen, Netze, um dann nach einem
länglichen, capillaren (c), verzweigten (resp. anastomosirenden) Verlauf in eigenthümlich gestaltete, verzweigte Erweiterungen über-
zugehen; diese erweisen sich als Venenwurzeln (V), die von der inneren Oberfläche sich wieder schief zu den Venen der äusseren
Oberfläche hinabsenken, um in dieselben (v) zu enden. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4
und Ocul. 3.
Fig. 2. Blutgefässe der Dura der oberen Wölbung, beim Menschen, von der Innenfläche her gesehen. Von den an der Aussen-
fläche liegenden gewundenen Arterien steigen arterielle Capillaren (a') schief nach oben zur inneren Oberfläche hinauf, um mit länglichen
Maschen an dieser Oberfläche zu verlaufen und hie und da eigenthümliche, sackartige und ampulläre Erweiterungen, besonders an den
Anastomosenpunkten zu zeigen; von diesem Capillarnetze senken sich dann hie und da Zweige zu den die Arterien begleitenden Venen
an der äusseren Oberfläche der Dura hinab, um in sie überzugehen. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 3. Blutgefässe der Dura beim Menschen. Die Arterien (a) gehen durch ihre Zweige und die Capillaren («', c) in die
eigenthümlich erweiterten Venen (v\ v) über. Hier liegt das ganze Gefässnetz in derselben Schicht. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 4. Blutgefässnetz der Dura aus der Fossa cerebelli, beim Menschen. Auch hier liegen die eine rautenförmige Anordnung
zeigenden Gefässe in derselben Schicht. Die eigentümlichen Erweiterungen derselben sind wenig angedeutet. Gez. bei Hartn. Obj. 4
und Ocul. 3.
Fig. 5. Blutgefässe der Dura beim Hunde, von der Innenfläche her gesehen. Die Capillaren (c), welche in der oberen Schicht,
also an der Innenfläche der Dura, verlaufen, zeigen hie und da ampullen- oder sackartige Erweiterungen (c'), welche denjenigen beim
Menschen ähnlich sind. Diese Capillaren gehen in erweiterte Venen wurzeln {v ) über, welche sich dann zu den in der tieferen Schicht,
an der Aussenfläche der Dura befindlichen, weiten und reichlich anastomosirenden Venen (v) einsenken. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und
Ocul. 3.
Fig. fl. Blutgefässe der Dura beim Kaninchen. Die Arterien (a) senden ihre Zweige (a') aus, welche durch die kurzen
Capillaren (c) in die reichlichen, erweiterten Venennetze (v') und endlich in die Venenstämme (v) übergehen. Gez. bei Hartn. Obj. 4
und Ocul. 3.
Siehe den Text S. 163 165. Key Ä fi.»}tziua • Studie a
Taf.
'ez.v.N.O.Björkmaß..
Dii.v.A.Kej k G-.Retaius
1 irh f,entral Tryokeriet (f. 4. Schlachter & Seedorff) Stockholm. Tafel XXVI.
Blutgefässe der Dura mater cerebralis durch Behandlung mit salpetersaurer Silberlösung dargestellt.
Gemeinsame Bezeichnungen der Figuren;
a Arterien.
a feinere Arterienzweige, arterielle Capillaren.
v Venen.
v Yenenwurzeln, Erweiterungen der (venösen) Capillaren
Fig. 1. Blutgefässnetz aus der Dura des Menschen, nahe an ihrer inneren Oberfläche befindlich; die Arterien gehen durch
kurze Capillaren («') in grosse, venöse Seen von verschiedenartiger, phantastischer Form über (sog. Appendix-System von Boehm);
die Zellengrenzen des Intimaendothels treten als feine Netze hervor. Das zwischenliegende Grundgewebe der Dura ist nur theil-
weise (und undeutlich hervortretend) als dunkles, fleckiges Feld (wie die Silberbilder es in wechselnder Gestalt geben) ausgeführt.
Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 4.
Fig. 2. Blutgefässnetz von der inneren Oberfläche der Dura mater des Menschen. Die arteriellen Capillaren gehen in starke
Erweiterungen der Capillaren und venösen Capillaren über. Diese Erweiterungen entsprechen dem Appendixsystem von Boehm.
Die Zellengrenzen des Intimaendothels treten als Netze feiner Linien in den Gelassen hervor. Das Grundgewebe der Dura ist nicht
ausgeführt. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 3. Blutgefässnetz von der inneren Fläche der Dura mater des Ochsen. Die Arterien gehen durch schiingenförmige
Capillaren (c) direct in die Venen über. Hier sind gar keine eigenthümliche Erweiterungen an den Capillaren und Venen vorhanden.
Das Grundgewebe der Dura ist nicht ausgeführt, und nur in der Vene sieht man die Zellenzeichnung des Intimaendothels. Gez. bei
Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Fig. 4, Blutgefässnetz aus der Dura des Kaninchen. Die Arterien gehen durch kurze arterielle Capillaren in reichliche,
venöse Seennetze über. Am Intimaendothel der letzteren sind die Zellengrenzen angegeben. Das Grundgewebe der Dura tritt als
ein dunkles Gewebe mit kleinen, helleren Partien undeutlich hervor. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 3.
Siehe den Text S. 163—165. Key & Ketzins ,■ Studien*»
Taf. XXVI
Gez.v. N, 0. Björkman.
Bir.YA.Key & G.Retzms.
lith.Anst.vJ.G-.Bach, Leipzig. Tafel XXVII.
Die Ausbreitung der Arachnoidalzotten.
Fig. !.• Obere Wölbung des Kopfes von einem Menschen mittleren Alters, bei welchem Richardsonsches Blau im Sub-
arachnoidalraum, rother Zinnoberleim im Snbdnralranm des Rückenmarks injicirt worden ist, wonach das Schädeldach vorsichtig und
mit Schonung der Dura mater entfernt wurde. Der Sinus longitudinalis ist an zwei Stellen geöffnet, und zwei seitliche, venöse Lacunen
sind dann aufgeschnitten. Die blaue sowohl als die rothe Masse ist aus ihren verschiedenen Räumen in die Arachnoidalzotten ein-
gedrungen und hat in diesem Falle meistens verschiedene Gebiete derselben gefüllt; hinten sind die Zotten der autgeschnittenen
Lacune vom Subduralraum, vorn die der dortigen Lacune vom Subarachnoidalraum injicirt; ebenso auch die in den Sin. longit. ein-
schiessenden Zotten, und die durch die Dura einzeln durchschimmernden Zotten. In derselben Weise sind dann auch die Yenen der Dura
durch Vermittelung der Zotten mit verschiedenen Massen gefüllt, vorn mehr mit blauen, hinten mehr mit rothen. Die feinen Blutgefäss-
netze, welche in der Nähe des Sin. longit. (eigentlich meistens über den venösen Lacunen) injicirt sind, wurden in diesem Falle fast
ausschliesslich vom Subarachnoidalraum aus gefüllt. Natürl. Grösse.
Fig. 2. Menschlicher Schädelgrund mit ansitzender Dura. Injection mit blauem Leim ist vom Subarachnoidalraum des Rücken-
marks aus gemacht; im Foramen magnum ist dieser Raum ringsum den Durchschnitt des Marks mit der Masse gefüllt. Der Sinus
transversus ist von oben her geöffnet, um die injicirten Arachnoidalzotten zu zeigen. Die übrige Ausbreitung des Zottengewebes am
Schädelgrund ist auch durch die blaue Masse angezeigt. Besonders vorn über dem Sinus transversus, sowie in der Fossa media über
den Vense meningese und dem Sinus cavernosus sieht man dieselben verbreitet; ferner auch auf den Alse minores. Uebrigens findet
man an dieser Figur die Injection an der Hypophyse und an den abgehenden Hirnnerven. Rechts ist die Dura über dem Trigeminus
aufgeschnitten, um die Ausbreitung der Masse mit demselben über dem Ganglion Gasseri zu zeigen. Natürl. Grösse.
Fig. 3. Mittlere Partie der oberen Wölbung der Dura mater von einem erwachsenen Menschen, bei welchem Injection vom
Subduralraum aus gemacht wurde. Der Sinus longitudinalis ebenso wie die in ihn mündenden, venösen Lacunen sind aufgeschnitten,
um die Anordnung der letzteren, sowie die der injicirten Zotten in diesen Lacunen und im Sinus zu zeigen. Man sieht sie als dicht-
gedrängte, rothe Knöpfe in denselben, besonders in den Lacunen, stehen. Natürl. Grösse.
Fig. 4. Eine der Fig. 3 entsprechende Partie der Dura eines erwachsenen Hundes, bei welchem Injection vom Subdural-
raum aus geschah. Auch hier sind die venösen Lacunen von injicirten, gedrängten Zotten erfüllt. Natürl. Grösse.
Fig. 5. Partie der Dura eines neugeborenen Kindes, bei welchem Injection vom Subduralraum aus gemacht wurde. Links ist
der Sinus longitudinalis, rechts eine in ihn mündende, venöse Lacune aufgeschnitten, um die injicirten Zotten zu zeigen; die zwischen
den Durabalken emporschiessenden Zotten sind indessen etwas zu undeutlich angegeben. Doppelte Grösse.
Fig. 6. Mittlere Partie der oberen Wölbung der Dura eines erwachsenen Menschen von innen her gesehen. Die weisse Linie
in der Mitte stellt den Falx vor; beiderseits von ihm laufen die Balkenzüge gruppenweise hinaus, diesem Duratheile das eigenthttmliche
cribrirte Aussehen gebend. Zwischen diesen Balkenzügen stehen quergeschnittene Yenen, die vom Gehirn aus* sich hier in die Dura
einsenken, um in ihre Sinus zu münden. Vor Allem finden sich aber hier in fast zahlloser Menge Zotteustiele, welche mittelst Injection
von den Subarachnoidalräumen aus gefüllt wurden, allerwärts zwischen den erwähnten Balken in das cribrirte Duragewebe hin-
einschiessend, um nach Durchspinnen desselben zu den venösen Räumen hervorzudringen. An einigen Stellen sind die blau injicirten
Zotten bei Abtrennen der Arachnoidea nach der Innenfläche der Dura hin ausgerissen, wodurch sie künstlicher Weise in den Subdural-
raum einschiessen. Natürl. Grösse.
Fig. 7. Untere Fläche des Tentorium cerebelli des erwachsenen Menschen, die Ausbreitung des durch Injection vom Sub-
arachnoidalraum her blau gefärbten Zottengewebes darstellend. An der unteren Wand des Sinus transversus schiesst solches Gewebe
massenhaft zwischen den Durabalken hinein, um die Dura in mancherlei Richtungen zu durchspinnen. Auch an der unteren Seite
des Sinus rectus sieht man eine kleine Partie von solchem Gewebe. Natürl. Grösse.
Fig. 8. Mittlere Partie der Grundfläche des menschlichen Gehirns mit theilweise ansitzender Dura, deren venöse Sinus auf-
geschnitten sind, um die Ausbreitung der Zotten in ihnen zu zeigen. Das Präparat wurde in der Weise gemacht, dass nach Injection
im Subarachnoidalraum vom abgeschnittenen Kopf der Schädelgrund stückweise vorsichtig entfernt wurde, bis die Dura bloss lag;
dann wurden die seitlichen Partien der Dura entfernt, dann alle die Sinus aufgeschnitten. In beiden Sinus cavernosi schiessen zwischen
den dieselben durchspinnenden Balken ziemlich zahlreiche Zotten empor; ebenso in den Sinus petrosi beiderseits und in einer kleinen
Yene neben dem vorderen Zweig des Trigeminus. Dann sieht man auch in dieser Figur die Ausbreitung der Sinus ringsum die beiden
Carotis hinaus (Sinus carotici), ebenso wie unter der Hypophyse, als einen breiten Sinus (Sinus intercavernosus inferior). Natürl. Grösse.
Fig. 9. Stück der Pars petrosa vom Menschen, mit geöffneter Schnecke; Doppelinjection mit rother Masse vom Subduralraum
und blauer von den Subarachnoidalräumen aus, um die beiden Scheidenräume des Acusticus zu zeigen. Natürl. Grösse.
Fig. 10. Stück der Pars petrosa vom Menschen, um den Uebergang des von den Subarachnoidalräumen blau injicirten
Acusticus in die Schnecke zu zeigen; daneben hängt ein Stück des ebenso injicirten Facialis. Natürl. Grösse.
Fig. 11. Trigeminus beim Menschen mit von aussen aufgeschnittener Duralscheide, von der Schädelseite her gesehen. Sub-
arachnoidale Injection. Eine ziemlich zahlreiche Gruppe von Zotten, von der Arachnoidalscheide des Trigeminus stammend und in
den Sinus cavernosus einschiessend. Natürl. Grösse.
Fig. 12. Oculomotorius beim Menschen mit einigen von seiner Arachnoidalscheide ausdringenden Zotten. Subarachnoidale
Injection. Natürl. Grösse.
Fig. 13. . Abducens beim Menschen mit einigen von seiner Arachnoidalscheide in den Sinus cavernosus ausdringenden Zotten.
Subarachnoidale Injection. Natürl. Grösse.
Siehe den Text S. 179—181. Key & Ketzins: Studien. . Tal XXV;.
j-ez v. N. 0, Björkman. Dit.y. A Key L G.Retzius. Üth.Anst.v.J.G.Bach,Leipzig Tafel XXVIII.
Arachnoidalzotten beim Menschen.
Fig. 1. Querschnitt der harten und der weichen Haut des Gehirns mit den von der letzteren entspringenden und in die venösen
Sinus einschiessenden Zotten.
/' Oberste Schicht des Gehirns im Querschnitt.
E Pia mater oder innerste Schicht der weichen Haut, von der Hirnoberfläche abgelöst, nur durch die in die letztere sich
einsenkenden Gefässtrichter noch mit ihr verbunden.
d Durchgeschnittene Subarachnoidalräume von verschiedener Grösse, durch dünne Häutchen getrennt.
g Dichteres Subarachnoidalgewebe, aus Balkennetzen bestehend.
v Querschnitt einer Vene im Subarachnoidalgewebe.
c .Querschnitte von Durabalken, zwischen welche das subarachnoidale Balkengewebe sich einsenkt, um das Zottengewebe (Zotten-
stiele) und die freien Zotten zu bilden.
h Freie, in die venöse Lacune einschiessende Zotten.
i Duralscheiden der Zotten, mit dem innerhalb derselben befindlichen Subduralraum der Zotten.
V. Sin. Venöser Sinus, eigentlich eine der seitlich vom Sinus longitudinalis befindlichen venösen Lacunen, in welcher die Zotten
flottiren.
a Dura mater, das äussere Dach der venösen Lacune bildend, mit einigen quergeschnittenen Blutgefässen versehen und fast
überall die in ihrem Gewebe befindlichen Saftlacunen zeigend.
B Scheidewände vom oberen äusseren Duradach der venösen Lacune, durch diese letztere zu dem unteren inneren duralen
Balkengewebe hinabziehend; durch diese Scheidewände werden die venösen Lacunen theils nur unvollständig in kleinere Abtheilungen
getrennt, theils vollständiger von einander geschieden. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4
und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Querschnitt der harten und der weichen Haut sammt den Arachnoidalzotten. Eine Injection von Richardsonschem Blau
hat in den Subarachnoidalräumen stattgefunden; die blaue Masse ist aber grösstentheils aus diesen Räumen wieder ausgewaschen, so
dass eigentlich nur ihre häutigen Wände noch blau gefärbt sind; die fraglichen Räume stehen deswegen als quergeschnittene, offene,
leere Gänge; dies Gewebe ist nach unten zu von der Pia begrenzt; oben geht es in ein dichteres, grössere, quergeschnittene Venen (y)
enthaltendes Balkengewebe über, welches zwischen den spärlichen Durabalken aufsteigend als freie, meistentheils mit Blau gefüllte
Zotten in die beiden venösen Lacunen (V. Sin.) einschiessen. Die Zotten sind von ihren Subduralräumen umgeben, welche nach
aussen zu gegen das Lumen der venösen Lacunen von ihren Duralscheiden («) getrennt sind; die in die Subduralräume ausgetretene
blaue Masse ist durch die Präparation meistentheils wieder ausgewaschen, a das äussere Duradach der venösen Lacunen; h durale
Balken, Scheidewände derselben bildend. Behandl. mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 (halb abgeschraubt)
und Ocul. 2 (eingeschob. Tubus).
Siehe den Text S. 181—185. Kev&Retzms: Studien . . ' Taf XX
l^e2,7.N.Qßjorkman. Fi|.E.£ezv.Th Dir.vAJCey.&ö.Ttetzius. Lith.AnstyJ.G.Bacli Leipzig, Tafel XXIX.
Arachnoidalzotten des Menschen.
tig. 1 und 2. Querschnitte der harten und des oberflächlichen Theils der weichen Haut sammt den Arachnoidalzotten, bei
welchen eine Injection mit Richardsonschem Blau vom Subduralraum des Gehirns und Rückenmarks aus geschehen ist. Vom Sub-
arachnoidalgewebe steigen durch den Subduralraum, dessen Wände noch mit Blau gefärbt sind, Zottenstiele durch das Duragewebe
hinauf, um sich dann in verschiedener Weise verzweigend in die venösen Lacunen einzusenken; das injicirte Blau ist grösstentheils
in den Subduralraumen der Zotten geblieben, und diese Räume sind von demselben meistenteils stark ausgespannt (ein Theil der blauen
Masse ist wieder ausgefallen), wogegen das eigentliche Zottengewebe, welches kein Blau enthält, dadurch zusammengedrückt ist.
Das Blau ist indessen an der Fig. 1 auch durch die Duralscheiden der Zotten gedrungen, so dass es sowohl ihre äusseren Seiten als
die übrigen von der Dura gebildeten Wände der venösen Lacune gefärbt hat; hn Lumen der letzteren ist es aber nicht mehr vorhanden,
sondern aus demselben ausgewaschen. Im Dura-dach der venösen Lacune (Fig. 1) sind einige quergeschnittene Blutgefässe mit Blau
gelullt. Die Saftlacunen sind schwach angedeutet. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obi. 4 (halb
abgeschraubt) und Ocul. 3.
! ig. 3. Querschnitt der harten und weichen Haut sowie des Zottengewebes und der Oberfläche des Gehirns. Injection vom
Subarachnoidalraum des Rückenmarks aus. Von den Subarachnoidalräumen, welche grösstentheils noch mit Blau gefüllt, hie und da
aber wieder leer geworden sind, ist die blaue Masse theils nach innen mit den Piatrichteru eine kleine Strecke in die Hirnsubstanz
eingedrungen, theils nach aussen mit dem Zottengewebe in die Dura eingeflossen; hier geht sie überall mit demselben auf seinen ver-
zweigten Bahnen, die Balken des Duragewebes von einander trennend, hinein, ohne indessen freie, in venöse Sinus einschiessende Zotten
zu bilden. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 (halb abgeschraubt) und Ocu! 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 4. Frontaler Querschnitt der oberen Wölbung des Gehirns mit ihrer weichen und harten Haut, um die Anordnung der
Zotten zu zeigen. Injection von dem Subarachnoidalraum des Rückenmarks her. Diese Injection füllt nun an der Figur das ganze
Subarachnoidalgewebe mit seinen Räumen und Gängen, deren Wände durch feine, weisse Linien angegeben sind, senkt sich zwischen
den Windungen in die Furchen hinein und in der Mitte der Figur in die 'Fissura longitudinalis bis zum Corpus callosum; hie und
da stehen im blauen Gewebe quer- und längsgeschnittene Blutgefässe aufgehängt, Rechts an der Figur sind an der Oberfläche des
Gehirns die mit Blau injicirten Piatrichter angegeben. In der Mitte der Fissura longitudinalis senkt sich der Falx hinab, ohne den
Grund der Fissur zu erreichen; zu beiden Seiten von dem Falx steht der Subduralraum offen, links treten einige Balken von ihm
zur Araehnoidea über, ebenso wie er unten mit ihr vereinigt ist. Von dem mit Blau gefüllten Subarachnoidalgewebe steigen nun
Gruppen von Arachnoidalzotten, mit der Injectionsmasse gefüllt, durch das Duragewebe, dieses in mancherlei Richtungen durchspinnend,
zu den venösen Sinus und Lacunen hinauf; in der Mitte der Figur schiessen einige derselben in den Sinus longitudinalis; links und
rechts steigen sie dicht gedrängt in die venösen Lacunen hinein, dieselben fast erfüllend und an einer Stelle rechts das Dura-dach
der Lacune emporhebend (mithin ein Grübchen im Schädel verursachend). Durch durale Scheidewände sind die Lacunen mehr oder
weniger unvollständig von einander abgetrennt. Im oberen Theil des Duragewebes sind zahlreiche, von der Injectionsmasse gefüllte
Blutgefässe als blaue Punkte angegeben. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei dreimaliger Yergrösserung.
Siehe den Text S. 179—185. Key & Ketzins; Studien.
Taf.XXJX.
Ki£-1,2. gez.v.1.0.8 jörkman, Pig. 5,4. g e z.T.Th.lun dB er |.
Dir. v. A.Key. & G-.Eetzius
Lith. Arsfc.v.J.G. Bach, Leipzig Talei XXX.
Arachnoidalzotten des Menschen.
Fig. 1. Querschnitt der Dura mater mit arachnoidalem Zottengewebe, von der unteren Wand des Sinus longitudinalis. Sub-
arachnoidale Injection. Von der weichen Haut, deren Häutchen durch die Injection blau gefärbt sind, steigen durch die Dura Stiele
des ganz durch die Injection erfüllten Zottengewebes hinauf, um das Duragewebe, vielfache Verzweigungen und Anastomosen in
ihm bildend, in der verschiedensten Weise zu durchspinnen. Von der Oberfläche dieser Durawand steigen dann einige freie, grössere
und kleinere Zotten in den Sinus hinein, welche auch von der Injectionsmasse ganz erfüllt sind. Diese freien Zotten sind wie überall
von ihrer Duralscheide umkleidet. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 2 (halb
ausgezog. Tubus).
Fig. 2. Querschnitt der unteren Wand des Sinus longitudinalis und des oberen Theils vom Falx mit zwischen den Balken
und Fibrillenbündeln des Duragewebes in mancherlei Weise einschiessenden und sie umstrickenden Häutchen des arachnoidalen Zotten-
gewebes, welche durch eine subarachnoidale Injection blau gefärbt sind. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei
Hartn. Obj. 4 und Ocul. 2.
Fig. 3. Eine Arachnoidalzotte mit ihrer Duralscheide. Doppe]injection mit blauer Masse vom Subarachnoidalraum und rother
vom Subduralraum des Rückenmarks her ausgeführt. Die blaue Masse hat das balkige Zottengewebe noch nicht vollständig ausgefüllt;
die rothe liegt im Subduralraum der Zotte, welcher rechts fast leer und offen steht; hier sieht man einen Balken von der Duralscheide
zur arachnoidalen Oberfläche der Zotte ziehen. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 (halb abgeschraubt)
und Ocu! 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 4. Querschnitt der Dura mit dem Zottengewebe durch die Gegend der venösen Lacunen. Doppelinj ection mit blauer
Masse von dem Subarachnoidalraum und rother vom Subduralraum des Rückenmarks her. Beide Massen haben das reichliche, die Dura
durchspinnende Zottengewebe überall zwischen den Durabündeln in ihren getrennten Bahnen begleitet, resp. gefüllt, um erst im Sub-
duralraum der freieren, in die venösen Lacunen einschiessenden Zotten gemischt zu werden. Aus den Subduralräumen der Zotten
sind dann ferner die beiden Massen in die venösen Lacunen ausgetreten und haben ihre Wände gefärbt. Auch im oberen äusseren
Duradach sind einige Venen mit denselben gefüllt. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 4 und
Ocu! 2 (eingeschob. Tubus).
Fig. 5. Partie eines vom Subarachnoidalraum aus, aber nur theilweise, injicirten Balkengewebes einer Zotte. Zwischen den
Balken liegen die mit Blau gefüllten Spaltenräume, welche eben zum Vergleich mit den Saftbahnen im Bindegewebe an anderen Stellen
des Körpers von Interesse sind. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3.
Siehe den Text S. 179—185. ■-? v ;zr., .Indien.
Ta f. XXX.
■ % ■■ / : r!.,.;,nube:’>i, K: A L,fßz'J iv.O, . Ar A. <. ■■ J A A'iAru. Tafel XXXI.
Der feinere Ban der Arachnoidalzotten beim Menschen,
Fig. t. Schnitt durch die ganze Länge einer grösseren einfachen Arachnoidalzotte, dessen Maschenrännie sich in natürlichem,
ausgespanntem Zustande befinden. Unten steigt der Stiel von der weichen Haut zwischen zwei (piergeschnittenen Durabaiken hinauf,
um in den venösen Sinus angelangt sich zum grossen, ballonförmigen Körper zu erweitern. Von dem Duragewebe erhält die Zotte eine
Fortsetzung in Gestalt eines Häutchens, die Duralscheide, welche sie rings umgiebt, aber durch einen offenen Raum, den Subduralraum
der Zotte, der eben eine Fortsetzung des Subduralraums des Gehirns bildet, von der eigentlichen Zotte getrennt ist. Das.Gewebe
der Zotte besteht, als eine Fortsetzung des Subarachnoidalgewebes, aus Balken in reichlicher, netzförmiger Verbindung, welche eine
Unzahl offener Maschenräume zwischen sich lassen; einige dieser Räume sind grösser, gleichsam vacuolenartige Erweiterungen im
Balkengewebe bildend. Die Oberfläche der Zotte ist mit einer Verdichtungsschicht, eine Fortsetzung der Arachnoidea, umgeben;
zwischen ihr und der Duralscheide laufen einzelne (subdurale) Balken. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gezeichnet
bei Hartn. Obj. 4 und Ocul. 2 (eingeschob. Tubus).
Fig. 2. Partie des Zottengewebes an der Oberfläche einer Zotte; die reichlich anastomosirenden, fibrillären und mit kern-
haltigen Zellenscheiden versehenen Balken, in ihren Maschen offene Räume lassend, gehen oben in eine dünne, häutcheuartige
Ausbreitung über, welche die die Zottenoberfläche ausmachende Membran, die Arachnoidea der Zotten, darstellt. Behänd! mit
Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 9 und Ocul 2 (eingeschob. Tubus).
Fig. 3. Partie des Zottengewebes mit mehr cylindrischen, gleich dicken Balken, von welchen die Kerne der Zellenscheiden
abgefallen sind. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocul. 3 (ausgezog. Tubus).
Fig, 4. Partie des Zottengewebes mit etwas spärlicheren, von ihren Zellenscheiden umgebenen Balken, die längliche Maschen
bilden. Behänd! mit Ueberosmiumsäure. Gez. bei Hartn. Imm. Obj. 10 und Ocu! 3 (Tubus zum Drittel ausgezogen).
Fig. 5. Partie des Zottengewebes an der Oberfläche einer Zotte, um den Uebergang der Balken in die Flächenniem brau,
die Arachnoidea der Zotte, zu zeigen; die Balken breiten sich mit weiten Füssen strahlenförmig in ihr aus; von diesen Balken sind
die Kerne der Zellenscheiden weggefallen. Von der Aussenfläche der Flächenmembran ist die sie bekleidende Endothelschicht,
diejenige der Arachnoidea der Zotte, abgelöst und flottirt frei, Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez, bei Hartn. Imm.
Obj. 9 und Ocu! 3 (eingeschob. Tubus). ,
Fig. 7. Partie der Flächenmembran, Arachnoidea einer Zotte, von innen her gesehen und mit dem an ihr sich ansetzenden
Balkennetz, Zwischen den fibrillären Bündeln der Membran bleiben ziemlich zahlreiche, längliche oder rundliche Lücken, die von
keinen Fibrillen bedeckt sind, deren Boden mithin nur von der äusseren Endothelschicht der Arachnoidea geschlossen ist. Es sind dies
wahrscheinlich die Löcher, durch welche die Saftströmung ihre Bahn hat. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei
Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (eingeschob. Tubus).
Fig. 9. Partie der Oberfläche einer Zotte mit salpetersaurer Silberlösung behandelt, wodurch die Zellengrenzen der Endothel-
schicht ihrer Arachnoidea dargestellt sind; das Balkengewebe schimmert durch dasselbe hervor. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 2
(ausgezog. Tubus).
Fig. fl. Partie der Duralscheide einer Zotte, in flächenhafter Ausbreitung und von innen her gesehen. Nur spärliche fibrilläre
Balken ziehen netzförmig verbunden in ihr, beiderseits von* Endothelhäutchen bekleidet, welche ihre Lücken vollständig ausfüllen.
Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (eingeschob. Tubus).
Eig. 10. Partie der Duralscheide einer Zotte, ausgebreitet und von innen her gesehen. Reichlichere Balken setzen hier dieselbe
zusammen; von ihrer bekleidenden Endothelschicht flottiren einige abgelöste Fetzen. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol.
Gez. bei Hartn. Obj. 7 und Ocu! 3 (ausgezog. Tubus).
Fig. 8. Eine leere, von einer Zotte abgeschälte Duralscheide, unten am Stiel abgerissen und der Länge nach aufgeschnitten.
Die die Scheide bildenden Balken und Zellen sind nur schwach angedeutet. Behänd! mit Müllerscher Lösung und Alkohol. Gez. bei
Hartn. Obj. 4 und Ocu! 2 (eingeschob. Tubus).
Siehe den Text S. 181—182. Key* Betzlus; Studien
Gez.v,N. 0. Bjöxtonan. Dir.!/: A.Ke]6f& G.Retsms. Lit^.Anst.v.J.G-.Bacl-^.l