Augenscheinliche Heilung eines das Symptomen bild des Carcinoina Ventricnli darbietenden Falles durch den Gebrauch von Cundiirango. VON Dr. FRANZ FOERSTER, *■ ., i » NEW YORK. Aus der "New Yorker Medizinische Presse," April 1888. Aus der "New Yorker Medizinische Presse", April 1888. Augenscheinliche Heilung eines das Symptomenbild des Carcinoma Ventriculi darbietenden Falles durch den Gebrauch von Cundurango.* Von Dr. Franz Foerster., New York. Die Lectüre der so sehr interessanten Arbeit von L. RlESS, + enthaltend die Erfahrungen, welche er sammelte in Fällen, die das klinische Bild eines Magencarcinoms boten und die einer systematischen Cundurango-Therapie unterworfen wurden, veranlassen mich, die Kran- kengeschichte eines Falles aus meiner Praxis mitzutheilen, der mir in jeder Hinsicht passend erscheint, in Verbindung mit den RlESS'schen Fällen genannt zu werden. L. RlESS verdient für die betreffende Arbeit um so mehr Anerkennung, als er darin als warmer Vertheidiger des Cundurango auftritt, einer Drogue, deren Ruf schon seit Jahren gerade nicht der beste ist, trotz des Bewusstseins, sich damit dem herkömm- lichen achselzuckenden Anzweifeln auszusetzen, mit dem bis jetzt noch jeder Versuch betr. Verweisung der Drogue in ihre gebührende Stellung aufgenommen wurde. Bei ihrer Einführung unzulässig viel gerühmt als Specificum gegen Krebs, verfiel dieselbe gar bald einer derartigen allseitigen Missachtung, dass eine unparteiische Beurtheilung des therapeutischen Werthes der Pflanze kaum möglich wurde. Es möchte sich diese Missachtung durch den Umstand erklären lassen, dass das Mittel von Anfang an in com- mercielle Hände fiel und mit den marktschreierischsten Anpreisungen der medizinischen Welt vorgeführt wurde. Es wäre vielleicht hier am Platze, einige Bemerkungen über die Drogue selbst anzubringen. Cundurango ist eine in Ecuador, Süd Amerika, einheimische Schling- pflanze; es wurde ihr der botanische Name Pseusmagenuetes equatorium, von Andern Gonolobus Cundurango, Gattung Asclepiadaceae beigelegt. Sie wird in einer Höhe von 4,000-6,000 Fuss über dem Meere in verein- zelten Colonien getroffen, und kann man Zaruna als das Centrum die- ses Cundurango-Gebietes ansehen. Der Name selbst is der Sprache der dortigen Inca-Rasse entnommen und hat keine weitere bezeichnende Bedeutung. Zum Unterschied von circa 10 anderen Species, die da neben *) Vortrag gehalten in der Medizinisch-Chirurgischen Gesellschaft deutscher Aerzte von Neve York und Umgebung am 2. April 1888. Vorstellung des Patienten. f) Berl. Klin. Wochenschrift, No. 10. 1887. 2 einander vorkommen, wird die in Rede stehende Cundurango blanc» genannt. Die Rinde, wie sie im Handel angetroffen wird, ist von grau-weisser Farbe, in kleinen röhrenförmigen Stücken, meist zerquetscht, da sie durch Schlagen mit dem Hammer von dem anhaftenden Unterholz befreit wurde ; dem Geschmack nach ist sie bitter und etwas aromatisch. Eine von Dr. ANTISELL in Jahre 1871 vorgenommene Untersuchung derselben ergab: 8% Wasser, 12% Min. Salze, 80% vegetabilische Substanz aus Fett, Harz, Stärke, Glucose und Tannin bestehend. Ein, Alkaloid wird vermuthet ist jedoch nicht nachgewiesen. Es wird ange- nommen, dass welche Wirkung die Rinde auch habe, sie in dem Harz- gehalt zu suchen sei. Physiologische Versuche wurden wenige gemacht ; einige Forscher lieferten ganz negative Befunde, während andere, wie Gianuzzi und Bu- FALINI, mit einem Decoct, mit welchem sie an Thieren experimentirten, Wirkungen erzielten, die durchaus nicht als negativ angesprochen wer- den dürfen ; so verursachten Dosen von 2-14 g. bei Hunden Convulsio- nen mit Steigerung der Reflexerregbarkeit, und 30 g. zeigten sich gar deletär. In pharmacologischen Lehrbüchern und Compendien finden wir meist nur eine kurze Erwähnung der Pflanze ; englische und ameri- kanische Werke haben den Stab über Cundurango gebrochen ; deutsche und französische sind etwas mehr zurückhaltend. Die zweite Ausgabe der Pharmacopcea Germanica führt es als officinell an. In ihrem eigenen Vaterlande war die Pflanze als Arzneimittel nicht bekannt und wusste man nur, dass sie giftig sei und eine Abkochung derselben im Stande wäre, Hunde zu tödten. Die erste Veranlassung zur Anwendung von Cundurango wird, wie Ruschenberger in seiner Abhandlung über die Drogue erzählt, folgendem Vorkommnisse zugeschrieben: Ein Indianer litt seit längerer Zeit an krebsartigen Geschwüren, sein Zustand wurde schlimmer und schlimmer, er war sich und seiner Frau zur Last ; da beschloss das verbrecherische Weib auf eine rasche Weise sich des lästi- gen Patienten zu entledigen und kochte ihm fleissig einen Cundurango- thee mit der Hoffnung, ein baldiges Ende zu sehen. Gross war ihr Er- staunen, als der Kranke sich immer wohler fühlte und seiner Genesung entgegen ging ; sie glaubte, dass die Sache nicht mit richtigen Dingen zugegangen sei, und das Nächste war die Beichte ihrer Frevelthat. In Folge des Bekanntwerdens dieser Wirkung des Cundurango's wurden dann von den einheimischen Aerzten damit die weitgehendsten Versuche gemacht, und war es besonders Dr. CASARES in Quito, der die grössten Erfolge errungen zu haben vorgab; jedoch ermangelten seine Berichte der nöthigen Genauigkeit, um von besonderer Bedeutung sein zu können. Dem Dr. Ayres, der sich an Ort und Stelle begab, verdanken wir die ersten genauen Angaben über die Drogue ; sein Urtheil über den therapeutischen Werth war ein zurückhaltendes. Der Vereinigte Staaten Consul in Ecuador übersandte eine Probe der Rinde an die Regierung in Washington ; es wurden damit eingehende 3 Versuche angestellt, jedoch waren die erzielten Erfolge nicht annähernd mit denen zu vergleichen, welche die süd-amerikanischen Aerzte errun- gen haben wollten. Nur wenige hiesige Mediziner glaubten in Cundu- rango ein Mittel zu sehen, das, wenn auch nicht als Specificum gegen Krebs, so doch als ein den Krebsprocess verlangsamendes Alterativum gelten könne. Ein zu dem Zweck der Untersuchung der Wirksamkeit der Drogue eingesetztes Committee von New Yorker Aerzten berich- tete ebenfalls ungefähr in diesem Sinne, empfahl nur weitere Versuche. Einige von Dr. Bliss berichtete Fälle, bei denen er eine günstige Wirkung der Drogue gegen Krebs mittheilte, waren nicht im Stande, das Interesse seiner Collegen zu erwecken. Grössere Mengen der Drogue waren unterdessen auch in's Ausland gegangen. Ueberall wurde, so weit es der unverhältnissmässig hohe Preis der Rinde erlaubte, damit experimentirt ; doch-sei es, dass die- selbe nicht der richtigen Species entnommen, oder dass das Vorurtheil gegen das Vaterland derselben eine ruhige Beurtheilung nicht zuliess- auch da sprach man sich fast einstimmig ungünstig über dieselbe aus. In wenigen Jahren war die Drogue so gut wie vergessen. Es bedurfte der Anregung eines so tüchtigen Klinikers wie N. Friedreich in Heidelberg, um das Interesse für Cundurango wieder zu erwecken. Im Jahre 1874 veröffentlichte FRIEDREICH einen Fall,* den er als Carcinoma Ventriculi diagnosticirte, und dessen Heilung er durch eine ausschliessliche Cundurango-Therapie erzielte. Er verschrieb die Drogue als Decoct in der Stärke von 15,0: 180,0 g. und liess dasselbe in Esslöffel-Dosen 3-4 mal täglich nehmen. Das Medicament wurde von Anfang an gut vertragen, und die Wirkung war in jeder Hinsicht über- raschend. Das Allgemeinbefinden besserte sich innerhalb einer Woche, und nach der 2. Woche war FRIEDREICH gar im Stande, ein Schwinden des Tumor's von Tag zu Tag zu constatiren. Patient wurde als geheilt entlassen, von der Geschwulst war keine Spur zurückgeblieben. Die Autorität des Referenten liess keinen Zweifel zu ; Cundurango gewann dadurch plötzlich seine verlorene Stellung in dem Arzneischatze wieder ; es wurde allgemein für Krebs angewandt und zwar wurde die Sache bis zum Extrem getrieben; Alles wurde herbeigezogen, selbst die inveterirtesten carcinomatösen Entartungen mit metastatischen Her- den in den verschiedenen Organen waren willkommen, um die Heilkraft der neuen Panacee zu prüfen. Wie nicht anders zu erwarten, liefen denn auch die verschiedensten Berichte ein. Es war vor Allem Dr. Franz Riegel, der in einer Serie von Fällen, die er am Kölner Krankenhaus beobachtete, die Werthlosig- keit des Cundurango's bei Krebs darzuthun sich bemühte. Er verab- reichte das Mittel in denselben Dosen, wie Friedreich und gab auch zu, dass in einem Fall er verübergehende Besserung der Symptome ge- sehen, dass aber nach längerer Anwendung das Mittel seine Wirksamkeit verloren habe, also ursprünglich nur ein Scheinerfolg errungen gewesen sei- ) Berl. Klin. Wochensch. No. r, 1874. 4 Man fragt sich unwillkürlich, warum,- wie ja gewöhnlich geschieht, wenn eine Toleranz für das betr. Medicament sicht einstellt ohne dass eingehende physiologische Störungen zu beobachten wären, - Riegel die ohnedies kleine Dosis nicht vergrösserte ; möchte nicht gerade dieser Fall, wenn er die Medication forcirt hätte, ihm ein günstigeres Resultat geliefert haben ? Jedenfalls fiel sein Urtheil sehr schwer in die Wag- schale. OßALlNSKi berichtete die Heilung zweier Fälle von Epithelialkrebs durch innerlichen und äusserlichen Gebrauch der Rinde ; auch Heiligen- thal hatte einen günstigen Fall gesehen. ORSZEWCZKY und Erichsen machten die ermuthigendsten Erfahrun- gen, und trotz alledem sollte Cundurango gar bald seinem, wie es scheint unverdienten Schicksal verfallen sein, - es sank wieder auf das Niveau des Zweifelhaften. Dem Arzte blieb es als problematisches Mittel gegen Magenkrebs bekannt, man wusste, dass es von namhaften Medicinern empfohlen wurde, und in desperaten Fällen, in denen man seine sonstigen Mittel erschöpft sah, wandte man es wohl auch als Ultima Spes an. Soviel hielt auch ich wohl von Cundurango, bis voriges Jahr ein damit behandelter Fall mich eines Bessern belehrte. In der Literatur findet sich in dem langen Zeitraum von 1875-1887, äusser einer Abhand- lung von RUEHLE und einer anderen von A. HOFFMANN kaum mehr als eine vorübergehende Erwähnung der Drogue, bis Riess in seiner einge- henden Arbeit uns nun eine wohlgeordnete Serie von Beobachtungen vor- führt, denen gegenüber man unmöglich in Betreff des Werthes der Cun- durango-Rinde im Zweifel bleiben kann. Es erstrecken sich seine Beobachtungen auf eine längere Zeitdauer, und ermöglichte ihm seine Thätigkeit im Berliner Krankenhause eine besonders grosse Zahl einschlagender Fälle-120-zur Behandlung zu bekommen. In dem Bericht finden wir eine volle Bestätigung der schon früher mit Cundurango gemachten günstigen Erfahrungen. Wie FRIED- REICH spricht auch er von directer Heilung, und zwar bezeichnet er 3 Fälle als geheilt. In 17 aus 64 Fällen, bei denen ein Magentumor zu fühlen war, beobachtete er ein deutliches Schwinden des Tumors, in 8 war der Rückgang so vollständig, dass nach einiger Zeit keine Spur der früheren Geschwulst gefunden werden konnte. Riess hatte das Glück, einen seiner geheilten Patienten, als derselbe nach längerer Zeit an einem anderen unheilbaren Leiden zu Grunde ging, zur Section zu bekommen, und konnte sich ad oculos von der Heilung überzeugen. Der Befund ergab : Makroscopisch: Einen Defect der Magenwand, circa Mark- stück gross mit verdickten Rändern ; der Boden bestand aus narbigem, strahlenförmigem Gewebe und kleinen, harten, grauen Wucherungen. Mikjoscopisch: Binde und Fettgewebe ohne Elemente einer malignen Geschwulst. Die Obduction zweier Fälle, die als gebessert angeführt werden, ergiebt ein ähnliches Resultat, auch in diesen waren äusser Zeichen ein- 5 facher Hyperplasie der erkrankten Stelle keine krebsartigen Gebilde zu entdecken. Ausserordentlich interessant ist in seinem Bericht der Um- stand, dass durch die Cundurango-Therapie in fast jedem Falle eine sofor- tige Besserung im Allgemeinbefinden des Kranken eintrat, und gab sich dieselbe durch ein Schwinden der Cachexie, und eine auffallende Gewichts- zunahme kund ; letztere hielt selbst in manchen ungünstigen Fällen bis zum Tode an. Riess erzielte durch seine Cundurango-Behandlung eine bedeutende Verlängerung des Lebens der betr. Leidenden, und beweist dies durch eine Reihe von Parallelfällen, die der Controlle halber unter anderer Medication standen. Es stellte sich das Verhältniss der Behandlungsdauer mit Cundu- rango auf 43.4 Tage, dagegen ohne Cundurango auf 21.2 Tage, gewiss eine erstaunliche Errungenschaft, wenn man bedenkt, dass der Zustand der Kranken während des grössten Theils der Zeit durch den Genuss des Mittels zu einem erträglichen gemacht wird. RlESS beschränkt seine Fälle auf solche, die das ausgesprochene Bild eines Magenkrebses bieten, und die nicht metastatische Processe in einem andern Organ vermuthen lassen. Er denkt sich die Wirkung des Mittels als eine zum grossen Theil locale. Im Gebrauch desselben weicht er bedeutend von Fried- REICH's Vorschrift ab, indem er es in viel grösserer Dosis reicht, auf kurze Zwischenräume vertheilt, bis zu 10,0 g pro die in Form eines Decoct. Soweit Riess! Meine Erfahrungen können blos beschränkte sein. Von den Fällen von Magencarcinom, die in der Praxis mir zufielen, habe ich vier mit Cundurango behandelt; in allen wurde die Drogue ohne Störung vertragen; in zwei Fällen konnte ich keine günstige Einwirkung constatiren; in dem dritten möchte ich, nachdem ich die RlESS'schen Angaben gelesen, behaupten, dass die Lebensdauer verlängert worden; den vierten Fall aber will ich hier in extenso berichten. Frau F., aet. 42, kam vor 2% Jahren unter meine Behandlung; sie litt an einer linkseitigen Pleuritis und überstand diese Krankheit ohne irgendwelche nachtheiligen Folgen ; sie erholte sich vollkommen. An- fangs Juni 1887, wurde ich zu ihr gerufen, sie machte ungefähr folgende Angaben : Seit der letzten Krankheit hatte sie keine Ursache über ihren Gesundheitszustand zu klagen, bis Anfang des Jahres. Sie bemerkte damals, dass ihre Kräfte nachliessen, dass sie abmagerte und dass ihre Verdauung sehr gestört wurde. Der Zustand verschlimmerte sich an- haltend ; heftige, stechende Magenschmerzen stellten sich seit einiger Zeit ein, besonders wenn sie Nahrung zu sich genommen, und seit zwei Wochen erfolgte Erbrechen regelmässig nach dem Essen. Blut wurde im Erbrochenen nicht bemerkt. Die Abnahme des Körpergewichtes gab Patientin auf circa 25 Pfund während der letzten 4 Monate an. Meine Untersuchung ergab Folgendes : Hochgradige Abmagerung; Hautfarbe fahl-cachectisch ; Respira- tions- und Circulationsorgane nichts Bemerkenswerthes. Magengegend 6 schmerzhaft; auf der rechten Seite des Epigastriums nahe der Umbilicalj region ist durch die schlaffe Bauchdecke ein Tumor von der Grösse einer grossen Wallnuss zu fühlen, der ebenfalls schmerzhaft ist. Durch tiefen Druck bin ich im Stande, ihn zwischen zwei Fingern zu betasten. Per- cussion über betr. Stelle gedämpft tympanitisch. Patientin auf den Befund aufmerksam gemacht, fühlt die Geschwulst selbst; jedoch hatte sie die- selbe vorher nicht wahrgenommen. e Diagnosis der Localität des Leidens und den begleitenden Sympto- men entsprechend : Carcinoma ventriculi portionis Pylori. Da eine ffiehr- tägige Obstipation bestand, begann ich meine Behandlung mit einer kräftigen Dosis Calomel, gefolgt von einer indifferenten Mixtur, um dem Erbrechen vorzubeugen und die cardialgischen Schmerzen zu beruhigen. Der Erfolg war ein theilweiser, ich fand Patientin am nächsten Tag etwas freier von Schmerz ; der Brechreiz bestand fort, trotz öfteren Purgiren's war in Bezug auf Lage und Gestalt des Tumors keine Veränderung ein- getreten. Ich versuchte nun in den folgenden Tagen ein Mittel nach dem andern, jedoch waren die erzielten Resultate nur vorübergehende. Gegen Ende der Woche verschrieb ich Cundurango und zwar tum fluidum und liess dasselbe in % Drachmen (2,0) Dosen dreimal täglich mit Syrup reichen. Das betr. Präparat war ein alcoholisches Extract, und war von einer hiesigen F'irma bezogen. Die Medicin wurde leicht genommen, zeigte jedoch Anfangs nicht mehr Wirksamkeit, den Magen zu beruhigen, als die andern dargereichten Stomachica. Nach einigen Tagen jedoch war die Besserung so weit gediehen, dass das Erbrechen nachliess und die Schmerzen erträglich wurden. Ich sah Patientin nach 8 Tagen wieder und fand ungefähr denselben Stand der Dinge. Nach weiteren 8 Tagen, während welcher Zeit Cundurango in der- selben Dosis genommen wurde, fand ich das Allgemeinbefinden der Pa- tientin auffallend gebessert ; und zu meinem Erstaunen glaubte ich eine Verkleinerung in der Grösse des Tumors wahrzunehmen. Die folgende Woche brachte mir Gewissheit in dieser Hinsicht: Der Tumor war im Schwinden begriffen. Patientin entwickelte einen gesunden Appetit, Nahrung wurde ohne Beschwerden im Magen aufgenommen, die Haut- farbe besserte sich ; kurz, nach sechswöchentlichem Gebrauche des Cundurango, war es nicht möglich auch nur eine Spur des früheren Tumors zu entdecken. Das Körpergewicht war wieder auf das Normale (circa 130 Pfund) gestiegen. Ende September hatte ich Gelegenheit, mich von dem Fortbestand der besten Gesundheit zu überzeugen. Auch bei einer in neuester Zeit in Bei sein von Dr. Geo.L. Peabody vorgenommenen Untersuchung konnte keine Spur des Tumors gefunden werden. Patientin, wenn auch nicht so kräftig aussehend, wie Ende vorigen Jahres, macht keines Weges den Eindruck einer mit einem malignen Leiden behafteten Frau. Wenn wir die Krankengeschichte dieses Falles genauer ansehen, müssen wir uns vor Allem fragen : Stimmt dieselbe mit dem Symptomen- 7 bild des Magenkrebses überein, und welches sind die Erkrankungen, die allenfalls unter obigen Symptomen zu einer Verwechselung Veranlas- sung geben möchten. Wir könnten zunächst an einen Carcinomknoten des linken Leberlappens denken, oder an einen Krebs des Pancreas und des Netzes, oder gar des Colon transversum. Alle diese Leiden würden das Interesse des Falles nicht beeinträchtigen, da dieCundurango- therapie ein Schwinden des betr. Tumors bewirkte und damit eben die Wirksamkeit desselben gegen Carcinoms bewiesen wäre. Die Möglichkeit einer specifischen Entartung müssen wir ausschlies- sen, da uns die gesammte Anamnese keinen Anhalt für eine luetische In- fection bietet. Aber noch ein anderer Zustand könnte existiren, der vielleicht die meiste Berechtigung hätte gegen die Diagnose des Carcinoma ventriculi aufgestellt zu werden, und das wäre ein circumscriptes Magengeschwür, das in der Nähe des Pylorus auftrat, vielleicht schon längere Zeit bestan- den hatte, ohne besondere Störung im Befinden der Patientin verursacht zu haben, und erst in neuerer Zeit sich mit besonderer Heftigkeit ent- wickelte und eine umschriebene Verdickung, eine lokale Hypertrophie der Pars pylorica des Magens veranlasste. Diese Affection bietet Symptome, die wenn auch nicht identisch mit denen des typischen Magenkrebses, sich doch in vielen Hinsichten mit jenen in meinem Falle decken. Es wäre jedoch sicherlich auffallend, dass der Ulcerations-Process und die dadurch bedingte Infiltration der Umgebung bis zum deutlich palpirbaren Knoten hätte gedeihen können, ohne schon vor längerer Zeit Veranlassung zu cardialgischen Schmerzen geboten zu haben. Für die Annahme eines Carcinoms spricht das Alter der Patientin, die schnelle Abmagerung, die ausgesprochene Cachexie und vor Allen aber der palpable Magentumor in einer Localität, in welcher die meisten Neubildungen des Magens getroffen werden. Es wird die Möglichkeit eines Irrthums in der Diagnose wohl immer bestehen, und wird selbst durch die von VON DER VELDEN gemachte Be- obachtung betr. des Fehlens der freien Salzsäure im carcinomatösen Ma- gen, kaum vollkommen vermieden werden können. So hat denn auch Riegel unter seinen obenerwähnten Fällen einen, den er als Magencarcinom diagnosticirte, in welchem die Section ergab, dass das Leiden nicht Carcinom sondern ein Ulcus ventriculi portionis Pylori war. Da in diesem Falle die Cachexie und Abmagerung bestand, dürfte man nicht selbst hier daran denken, dass gerade durch die Cundu- rangotherapie eine carcinomatöse Entartung des Narbengewebes des Ulcus verhütet wurde ? Es ist ja erwiesen, dass Magencarcinom sich mit Vorliebe in bestehenden verheilten Ulcerationsgebieten entwickelt. Friedreich sprach sich im Jahre I874, als er seinen Fall berichtete, ungefähr dahin aus : Meine therapeutische Skepsis geht nicht so weit, dass ich die Möglichkeit der Existenz eines gegen Krebs wirksamen Heil- 8 mittels in Abrede stellen möchte, und jedenfalls wäre es thöricht, die Be- rechtigung zu verkennen, auf empirischem Wege neue Heilmittel gegen bisher als unheilbar erkannte Erkrankungen zu suchen. Erwägt man die Wirksamkeit des Jods gegen die eine Kropfgeschwulst, oder des Queck- silbers gegen die eine syphilitische Gummageschwulst zusammensetzenden Elemente, so wird man an der Hoffnung festhalten dürfen, dass Substanzen existiren, welche in ähnlicher Weise die Eigenschaft besitzen, den Bedin- gungen, unter denen sich die Elemente krebsiger und sonstiger maligner Neubildungen entwickeln, feindlich entgegen zu wirken und deren Zellen zu regressiver Metamorphose veranlassen. Niemand wird das Rationelle einer derartigen Annahme bestreiten wollen, und dazu jetzt, da die Neuzeit uns verspricht, auch in das dunkle ätiologische Gebiet des Carcinom's Licht zu bringen. Cundurango aber als das Specificum für Krebs hinzustellen, dürfte trotz der erwähnten günstigen Fälle nicht statthaft sein; denn von einem Specificum sind wir zur gleichen Wirkung in allen Fällen berechtigt. Jedoch sind wir genöthigt, im Hinweise auf die errungenen günstigen Re- sultate, uns gegen eine Stellung der Drogue unter den indifferenten Stomachiccis zu wehren. Cundurango ist nicht allein ein Mittel, das einen Platz in der symptomatischen Behandlung des Krebses verdient, es gibt auch gewisse dunkle Fälle, die das Symptomen-Bild eines Magencarci- nom's bieten, in denen es in seiner Wirkung dicht an die Grenze des Specificum's streift. Das Dunkel aber, welches diese Fälle umgibt, kann nur dann gelich- tet werden, wenn sich die medizinische Welt vom Vorurtheil gegen die Drogue befreit und von Neuem sich mit dem Studium des Cundurango befasst. Es kann selbst eine gewissenhafte Anwendung desselben, den bis jetzt mitgetheilten Resultaten entsprechend, numerisch wenig Genug- tuung bieten ; doch sollte es auch dem Einzelnen nur einmal vorkom- men, dass beim consequenten Gebrauch der Drogue bei Krebs, er einen Fall trifft, der die. wie es scheint nöthige Prädisposition besitzt, so ist ihm in dem vor baldigem Untergang geretteten Menschenleben mehr als Entschädigung für seine bisherigen Mühen und Enttäuschungen ge- worden. Möge diese kleine Mittheilung als Aufmunterung zu erneuten und ausdauernden Versuchen dienen und dem Cundurango zu der ihm gebüh- renden Stellung verhelfen. 228 West 11. Str.