XIX. Ueber die dnrch den elektrischen Fnnken erzeugten Nachbilder. Von Hermann Anbert in Breslau. Bei einer weitern Verfolgung meiner Untersuchungen über die Nachbilder auf den peripherischen Theilen der Netzhaut stellte sich bald das Bedürfniss heraus, zu erforschen, welchen Einfluss die Dauer und die Intensität des primären, objectiven Eindrucks ausübt» Von besonderem Interesse mussten Versuche scheinen, bei denen der ob- jective Eindruck eine verschwindend kurze Zeit dauert, und hierzu schien die Anwendung des elektrischen Funkens am geeignetsten. Dass durch ihn trotz seiner sehr kurzen Dauer Nachbilder erzeugt wer- den, hatten Foerster und ich bereits vor vier Jahren bemerkt (s. Foerst er Hemeralepie, p. 31.). Sonst habe ich über Nachbilder nach dem elektrischen Funken keine Angaben finden können ; nur eine ganz kurze und unbestimmte Angabe hat Séguin im August dieses Jahres veröffentlicht, die ich hier anführe : Dans l'éblouissement qui succède à la contemplation d’un objet fortement lumineux, comme le disque du soleil, il est encore possible de distinguer des couleurs très-brillantes, mais très-fugitives, passant rapidement dans les yeux avant la régularisation de l’image per- sistante. Les couleurs que je vois ainsi sont le vert, le bleu, et le violet. J’ai refait cette observation avec la lumière des étincelles électriques produites par un puissant appareil d’induction. Chaque étincelle malgré sa très-courte durée paraît donc faire dans l’organe de la vision une impression accidentelle, sinon directe assez durable pour qu’on y reconnaisse successivement trois couleurs, et même après ces couleurs déterminées, une teinte vague et jaunâtre par la- quelle se terminent toujours les images accidentelles des objets blancs. (Note sur les couleurs accidentelles. Comptes rendus 1858. Août. T. 47. Nr. 5, p. 200.) Wie weit diese Angabe genau ist, werden wir sogleich sehen. Gleichwohl sind diese Versuche mit verschwindend kurzer Dauer des objectiven Eindrucks von besonderer Wichtigkeit für die theo- retischen Ansichten über die Nachbilder, z. B. für die von Fechner gestellte Frage „ ob der complementäre Einfluss im Auge dem pri- mären succedirt, oder sich mit ihm complicirt “ ; ferner für die Frage nach der Mitbetheiligung der Netzhaut, wenn nur eine kleine Stelle derselben afficirt wird; ferner für das Verhältniss der positiven Nachbilder zu den negativen, und so weiter. Im Voraus will ich bemerken, dass ich bei der Benennung der Nachbilder der Brück e’- schen Bezeichnungsweise folgen werde, die mir von grosser Wuchtig- keit für die Verständigung über das Geschehene zu sein scheint und die erste scharfe und conséquente Trennung der Eindrücke, welche durch die Intensität des Lichtes hervorgebracht werden, von denen, welche durch die Farbe des Objects erzeugt werden, aufgestellt hat*). Brücke nennt bekanntlich „ein positives Nachbild ein solches, in dem das hell ist, was im Objecte hell ist, und das dunkel, was im Objecte dunkel ist; negativ dagegen ist das Nachbild, bei welchem das hell ist, was im Objecte dunkel ist, und umgekehrt.“ (Poggen- *) Wenn man diesen Unterschied festhält, so löst sich der scheinbare Wider- spruch, den Ludwig zwischen Brewster’s Angabe, dass die Seitentheile ein constantes Licht lebhafter empfinden, als die mittleren, und meiner An- gabe, dass ein lebhaftes Eoth auf den Seitentheilen dunkler und endlich schwarz erscheint, anführt. (Ludwig Physiologie 2te Auflage Bd. I. p. 308). Brewster’s Angabe ist vollkommen richtig, sie bezieht sich aber ausschliess- lich auf die Intensität der L i c h t empfindung, abgesehen von jeder Färbung oder Farbenempfindung. 281 dorff's Annalen, Bd. 84, p. 436.) In Bezug auf die Farben kann ausserdem, unabhängig von jener Benennung, ein Nachbild gleich- farbig sein, wenn es dieselbe Farbe, wie das Object hat, und com- plementär, wenn es eine andere (entgegengesetzte) Farbe hat. Es kann demnach geben 1) positive gleichfarbige, 2) positive comple- mentäre, 3) negative complementäre, 4) negative gleichfarbige Nach- bilder; die 3 ersten Combinationen kommen wirklich vor, die letzte ist noch nicht beobachtet worden. Wir wollen nun untersuchen : 1) die Nachbilder, welche entstehen, wenn der elektrische Fun- ken direct angesehen wird; 2) wenn derselbe von peripherischen Netzhautregionen aufge- fangen wird ; 3) die Nachbilder, welche entstehen, wenn der Funken durch ein farbiges Glas gesehen wird ; 4) die Nachbilder beim Betrachten von Objecten, welche durch den Funken momentan beleuchtet werden. So leicht und einfach die Frage auch scheinen mag, so stellen sich bei ihrer Prüfung durch Versuche mancherlei Schwierigkeiten ein. Die Versuche müssen grösstentheils im finstern Zimmer ange- stellt werden, theils damit man die Objecte nur während der Be- leuchtung durch den Funken sieht, theils um den Lichteindruck vom Funken selbst durch den Contrast zu erhöhen. Wenn man sich aber nach dem Aufenthalte im gewöhnlichen Tageslichte in einen finstern Raum begiebt, so ändert sich die Empfindlichkeit der Retina sehr bedeutend und es muss sich damit der primäre Eindruck des Funkens und die Nachwirkung desselben ändern. Die Vorsicht er- fordert daher wenigstens, dass man die erste Zeit, wo man sich im finstern Zimmer befindet, nicht zu Versuchen verwendet; man wird auch finden, dass die Erscheinungen erst mit gehöriger Intensität auftreten, wenn man sich wenigstens 10 Minuten im Finstern aufge- halten hat. Ist das Zimmer nicht total finster, so kann man wohl annehmen, dass die Retina auf einem ziemlich stationären Reizungs- zustande sich befindet, der sich wenigstens im Laufe der nächsten 282 halben Stunde nicht sehr bedeutend ändert. Dieser Zustand wird nun allerdings durch den Eindruck des elektrischen Funkens wieder gestört; man wird daher gut thun, immer einige Minuten zwischen jeder BeQbachtung vergehen zu lassen, und dies auch zu thun, wenn man die Laden des Fensters hat öffnen müssen. Die Verfinsterung des Zimmers muss ferner so stark sein, dass man von den zu be- obachtenden Objecten durchaus nichts wahrnimmt, weil man sonst leicht glauben kann, da ein Nachbild zu sehen, wo man ein wirk- liches Bild sieht. Ferner ist es schwer, im finstern Zimmer den Ort zu fixiren, wo der Funken überspringen wird, und unmöglich scheint es, während des Nachbildes mit Sicherheit die Richtung der Augenaxen und die Accommodation für dieselbe Entfernung beizubehalten. Die Fixation des Ortes, wo der Funken überspringt, wird indess dadurch möglich, dass fortwährend kleine Funken an verschiedenen Stellen der Riess’- schen Flasche und der zuleitenden Drähte überspringen. Durch diese kann man sich über die Lage der beiden Kugeln orientiren und sich für dieselbe accommodiren. Ausserdem hat man einen Beweis dafür, dass man den Funken wirklich mit dem Centrum der Netzhaut gese- hen hat, darin/; dass sich das Nachbild nicht bewegt. Die Bewe- gungen der Nachbilder nach abwärts, aufwärts oder nach der Seite, welche auch schon dem hochverdienten Beobachter der Nachbilder, S cherffer, aufgefallen sind (Abhandlung von den zufäl- ligen Farben. Wien, 1765, p. 61), scheinen dadurch bedingt zu sein, dass das Nachbild nicht im Centrum der Retina liegt. Da man nun gewohnt ist, das Centrum der Netzhaut auf die sichtbaren Objecte zu richten, die man beobachten will, so wird man dies auch thun, wenn das Bild subjectiv ist, und man wird dazu im Finstern ganz besonders geneigt sein, wo man keinen andern Punkt hat, den inan fixiren könnte, als etwa das subjective Nachbild. Liegt dieses nun z. B. 5° von dem gelben Flecke entfernt und über ihm, so wird man die Sehaxen um diese 5° senken, um das Bild mit dem Cen- trum betrachten zu können. Da das subjective Bild aber während dieser Bewegung wieder weiter rückt, so wird man auch mit der 283 Augenaxe wieder weiter nachgehen, bis endlich die Muskeln nicht mehr im Stande sind, den Bulbus in derselben Richtung weiter zu bewegen. Alsdann sind wir genöthigt, einen Lidschlag und eine Bulbusbewegung auszuführen, durch die nun das Bild wieder an sei- nen früheren scheinbaren Ort im Raume rückt. Diese Erscheinung, dass sich das Nachbild bewegt, tritt sehr constant im Finstern auf, wenn man eben das Object nicht direct gesehen hat, was man sehr gut beim Ueberspringen des Funkens bemerkt, so dass man schon in diesem Momente weiss, ob sich das Nachbild bewegen wird oder nicht. Es ist sehr schwer, diese Bewegungen im Finstern zu unter- lassen. Kann man dagegen im Halbdunkel einen Punkt, oder auch im Finstern einen nur schwachleuchtenden Punkt fixiren, so hören damit jene Bewegungen des Nachbildes auf. — Tritt nun im Finstern keine Bewegung des Nachbildes auf, so kann man daraus andrerseits schliessen, dass das Centrum der Retina das Bild des Funkens auf- gefangen hat. In Betreff des Beibehaltens der Richtung der Augenaxen und der Accommodation während der Dauer des Nachbildes im Finstern, kann man wohl schliessen, dass man dies gethan hat, wenn sich die scheinbare Grösse des Nachbildes nicht verändert. Man muss das aus dem sogenannten Le ho t’schen Versuche schliessen, den übrigens schon Scherffer gemacht hat*) und den kürzlich Lubimoff noch einmal erfunden hat (Comptes rendus T. 47. p. 27. 5. Juillet 1858). *) Scherffer sagt in seiner Abhandlung von den zufälligen Farben p. 15: »... wenn die weisse Fläche, auf die wir das Auge wenden, weiter von demselben entfernt ist, als der wahre Flecken, den wir betrachtet haben, so kömmt uns der Umfang des Nebenbildes um ebenso viel grösser vor, als des wahren. Denn wir halten einen Gegenstand für grösser, der in einer grösseren Entfernung ein gleich so grosses Bild ahmalet, als der andere: weil nur der Eindruck der wahren Figur in dem Auge auf ebendemselben Orte verharret, auf den er Anfangs geschah, und wir sein Bild auf eben jener Fläche zu sehen glauben, in welcher sich die Gesichtsaxen schneiden, so kömmt uns dieses Nebenbild nothwendig vergrössert vor.« Scherffer Dis- sertation sur les couleurs accidentelles, Journal de Physique de Rozier T. XXVI. année 1785. Scherffer Dissertatio. Lateinisch vom Jahre 1761. Lehot's Angabe ist nach Fechner (Repertorium 1832 p. 229): »Wenn man ein rothes Feld fixirt hat und den Blick hierauf gegen einen weissen 284 Zur Erzeugung des Funkens wurde eine Riess'sehe Flasche benutzt; die Entfernung der beiden Messingkugeln lässt sich bei ihr genau bestimmen und man kann wohl auf nahezu gleich starke und helle Funken rechnen; indess werden dabei ohne Zweifel Verschiedenheiten in der Helligkeit durch die Temperatur, den Feuchtigkeitsgehalt der Luftu. s. w. herbeigeführt; dasselbe kann man von der Ungleichmässigkeit der Farbe des Funkens behaupten. Bei gemässigtem Tageslichte hatte derselbe allerdings constant eine him- melblaue Farbe, im Finstern dagegen erschien er fast rein weiss, doch so, dass er mitunter ein wenig gelb, andere Male mehr bläulich tin- girt schien. Diese Ungleichheiten können indess bei einer grossen Anzahl von Beobachtungen nicht von besonderem Einflüsse auf die Resultate sein. — Viel störender ist dagegen der mit dem Ueber- springen des Funkens verbundene Knall. Man kann, wie ausFech- ner’s Beobachtungen hervorgeht, nicht vorsichtig genug in der Ver- meidung von Augenlidbewegungen sein, und doch wird man bei einem starken Funken schwerlich darüber sicher seih können, dass man keinen Augenlidschlag ausgeführt habe. Allerdings gewöhnt man sich mit der Zeit sehr an den Knall, so dass man nicht mehr dadurch erschreckt wird und keine Zuckung macht — dass indess in unserm Falle jede Bewegung der Augenlider ausgeschlossen ge- wesen ist, wage ich nicht zu behaupten. Es ist aber sehr wichtig, gerade die allerersten Affectionen der Netzhaut nach dem Ueber- springen des Funkens zu bestimmen; ich habe daher in einer Reihe von Experimenten sofort nach den Knalle die Augen geschlossen, und nicht wieder vor dem Vergehen des Nachbildes geöffnet, kann aber nicht sagen, dass dadurch etwas in dem Verlaufe des Phänomens geändert worden wäre. Das störendste Moment ist jedenfalls die sehr kurze Dauer des Funkens, die aber doch gerade wesentlich ist. Man übersieht gar zu leicht etwas oder sieht es so unbestimmt, Grund wendet, so sieht man ein grünes Feld, welches aber kleiner, eben so gross oder grösser als das rothe Feld erscheint, je nachdem das weisse Papier, welches man ansieht, dem Auge näher, in gleichem oder in grösserem Abstande ist, als das rothe Feld.« 285 dass man den lebhaftesten Wunsch hat, das Phänomen möchte ein klein wenig länger dauern. Es ist daher immer die gespannteste Aufmerksamkeit auf die Erscheinung zu concentriren und man muss ausserdem nicht alle Abwandlungen mit einem Male erfassen wollen, sondern in den verschiedenen Versuchen bald auf das eine, bald auf das andre Moment in der Metamorphosenreihe des Nachbildes achten. Dazu ist natürlich eine sehr grosse Anzahl von Einzelversuchen nothwendig und ich kann daher nur an Alle, die diese Versuche wie- derholen, die Bitte richten, nicht nach wenigen Versuchen über meine Resultate abzuurtheilen. 1. Nachbilder nach directer Betrachtung des Funkens. Betrachtet man den elektrischen Funken bei Tagesbeleuchtung, so hat er eine entschieden blaue Färbung, ein schönes Himmelblau. Er erscheint bei einer gewissen Stärke, z. B. bei 10—11 Mm. Ent- fernung der beiden Messingkugeln an der Riess’schen Flasche nicht als ein scharf begrenzter Streifen zwischen den beiden Kugeln, son- dern mit unbestimmten Contouren, indem seine Lichtintensität nach der Seite hin abnimmt. Lässt man nun bei nicht zu greller Tages- beleuchtung, z. B. eine Stunde vor Untergang der Sonne, oder bei halbgeschlossenen Laden des Fensters den Funken überspringen, fängt ihn mit dem Centrum der Netzhaut auf und wendet die Augen sofort auf ein weis ses Papier: so sieht man einen bläulich violetten Strich, welcher schmaler ist, als der überspringende Funken, aber von sehr lebhafter Färbung und umgeben von einem elliptischen, beinahe kreisförmigen Hofe, dessen Durchmesser nur wenig grösser ist als der des Streifens. Der Hof ist rein gelb und nicht scharf begrenzt. Dieser gelbe Hof bleibt bis zum Ende der ganzen Erscheinung. Der centrale oder Kernstreifen geht aus dem bläulichen Violet in ein reines Violet, aus diesem in ein röthliches Violet über; in den nächsten Secunden wird die Färbung immer mehr roth, bis ein reines Roth erscheint, welches aber sogleich etwas gelblich wird, ins Orange übergeht und indem auch dieses immer heller wird, endlich gelb wird. Nun fällt es etwa eine halbe Secunde lang mit 286 dem gelben Hofe zusammen, dann aber bemerkt man einen farb- losen Kernstreifen in dem gelben Hofe. Dieser weisse oder farblose Streifen verdunkelt sich, ohne im Anfänge eine Farbennüance zu zeigen, wird indess bald grünlich tingirt und geht in ein schönes Saftgrün über. Dies wird wieder blasser und unscheinbarer, ver- mischt sich allmälig mit dem gelben Hofe, dieser verblasst gleichfalls, zieht sich etwas zusammen und vergeht. Alle diese Farben des Kernstreifens sind von besonderer Schönheit und Lebhaftigkeit; sie lassen sich nur mit den Farben des Spectrums oder denen der Edelsteine vergleichen. Etwas anders gestalten sich die Erscheinungen, wenn man gleich- falls bei matter Tagesbeleuchtung das Nachbild auf schwarzen Sammet wirft. Man sieht hier zunächst ein Nachbild von derselben Bläue, wie sie der Funken selbst hatte, umgeben von einem gelben Hofe, der indess etwas grösser ist, als der Hof auf weissem Papiere. Der Kernstreifen geht nun wieder allmälig zu Violet, dann zu Roth über. Aus dem Roth geht er nun aber nicht in Orange und Gelb über, vielmehr verdunkelt er sich, nachdem er roth geworden ist, so dass ein schwarzer Streifen im gelben Hofe erscheint. Allmälig wird der Streifen mit einem grünen Teint überzogen, die grüne Färbung wird lebhafter, fängt indess dann an, sich mit dem gelben Hofe zu vermischen und der Hof verschwindet, wie ein nasser Fleck auf einem erwärmten Bleche. Bedeutender weichen hiervon die Abwandlungen des Nachbildes ab, wenn dasselbe im finstern Zimmer beobachtet wird. Der Funken erscheint als heller Fleck, ein bläulich oder gelblich tingirtes Weiss, und ist mit einem rothlichgelben Lichthofe umgeben. Dieser Lichthof hat etwa die Grösse eines Tellers, während der helle Funken die Grösse eines Viergroschenstücks hat. Unmittelbar nachdem der Funken übergesprungen ist, tritt ein blauer Nebel von etwa Teller- grösse ohne centralen Kern hervor, welcher am Rande mit einem rothlichgelben Nebel umgeben ist. Dieser gelbrothe Nebel zieht sich zusammen, indem der blaue Raum schnell vor ihm auf einen kleineren Kreis zurückweicht ; zugleich wird das Blau intensiver und 287 heller. Dieser Process verläuft sehr schnell, binnen höchstens einer halben Secunde, und dann bleibt nur ein schmaler, horizontaler Streifen, wahrscheinlich dem intensivsten Theile des Funkens ent- sprechend, von derselben Grösse, wie die in den vorigen Versuchen beschriebenen centralen Streifen, zurück. Er hat manchmal noch ganz kurze Zeit eine bläuliche Nüance, wird aber dann sogleich roth und ist dann wieder von einem röthlich oder grünlich gelben Hofe umgeben. Dieser Hof bleibt meist bis zu Ende. Der Kernstreifen wird darauf gelb, dann weiss. In der gelben, mitunter auch erst in der weissen Phase ist er von dem Hofe durch einen schwarzen Ring getrennt. Das Nachbild hat also folgende Gestalt: mitten ein sehr schmaler, hellgelber Streifen von etwa 10 Mm. Länge und 1 Mm. Breite, von einem schwarzen, 2—3 mal so starken Ringe umgeben, und um diesen ein gelbrother nach aussen verschwimmender Nebel, ungefähr von der Grösse eines Handtellers. In dem schwarzen Ringe geht mitunter der centrale Kern auf, so dass nur ein dunkler Fleck im hellen Hofe erscheint; oder der centrale helle Fleck bleibt, überzieht den schwarzen Ring und vermischt sich mit dem Hofe. Oder der Hof verliert sich in der letzten Phase und der Kern bekommt undeutliche Contouren und vergeht als unbestimmter Fleck. — Bisweilen habe ich ganz im Anfänge des Nachbildes ein eigenthümliches Wogen in dem Hofe bemerkt, so dass es aussieht, als ob der Hof aus mehreren Kreisen bestände, die gegen ein- ander wogen und sich dabei auf den oben beschriebenen blauen Nebel zurückziehen. — So sind die Erscheinungen, wenn der elek- trische Funken mit dem Centrum der Netzhaut gesehen worden ist und sich nicht bewegt. Sehr auffallend ist bei dieser Erscheinung die gleichzeitige Mit- betheiligung der ganzen übrigen Netzhaut, die sich kaum schlagen- der demonstriren lässt. Ist nämlich das Zimmer nur so finster, dass man helle Gegenstände als matte Nebel sehen kann, oder sind im Fensterladen kleine Ritzen und Löcher sichtbar, so verschwinden diese sogleich nach dem Ueberspringen des Funkens und fangen erst an wieder zu erscheinen, wenn das Nachbild in den letzten Phasen 288 angekommen ist. Bei diesen Versuchen wurde der Funken mit bei- den Augen betrachtet. Es geht hieraus hervor: a) Dass das Nachbild, welches durch directe Betrachtung des elektrischen Funkens entsteht, zuerst ein positives ist, welches verhältnissmässig am längsten dauert, dann ein negatives (dun- kles) von kürzerer Dauer wird. Dieser Uebergang findet statt, mag das Nachbild im Finstern oder im Hellen beobachtet werden. In Bezug auf die Farben findet ein fortwährender Wechsel statt, so dass hier von complementären Fai’ben nicht gesprochen werden kann. Es zeigt sich hier zunächst eine grosse Verschiedenheit, bedingt durch helle und dunkle Umgebung; das Spiel der abklingenden Farben ist bei weitem schöner, wenn Tageslicht auf die Retina ein- wirken kann, als in der Dunkelheit. Man sieht zugleich, welchen Einfluss der Contrast bei der Wahrnehmung der Farben hervor- bringt: Jedermann wird den elektrischen Funken bei matter Tages- beleuchtung blau nennen, im Finstern dagegen ist er kaum gefärbt und erscheint bald ein wenig bläulich, bald ein wenig gelblich tin- girt. Der Contrast ist hier allerdings ein doppelter ; erstens ist das Auge vor dem Ueberspringen des Funkens in tiefer Finsterniss und der Funken wirkt als ein verhältnissmässig sehr starkes und des- wegen blendendes Licht; bei einem blendenden Lichte tritt aber die Farbennüance immer zurück. Zweitens ist die Umgebung stark con- trastirend und sehr dunkel, wodurch gleichfalls eine Farbe an Inten- sität verliert, während die Helligkeit zunimmt. Man kann sich davon, wie ich schon früher gezeigt habe, leicht überzeugen, wenn man ein rothes Quadratcentimeter auf ein tief schwarzes Papier oder auf schwarzen Sammet legt, und ein Quadratcentimeter von demselben rothen Papier auf ein weisses Blatt Papier. Sieht man dann beide aus einer Entfernung von 5—10 Fuss an, so wird das Quadratcenti- meter auf Schwarz fast Orange erscheinen, während das auf weissem Papier sehr dunkelroth erscheint, und man wird einen Andern nicht überreden können, dass beide Quadrate von demselben Bogen abge- schnitten sind. In ähnlicher Weise wird also auch die Farbennüance 289 des Funkens sieh ändern. Hiermit harmonirt die viel schönere Fär- bung der Nachbilder bei Tagesbeleuchtung gegenüber der blossen Nüancirung des Nachbildes mit vorherrschendem Weiss in der Fin- sterniss. Im Tageslichte wirken Farbeneindruck und Lichteindruck gemeinschaftlich zur Hervorbringung der abklingenden Farben; im Dunkeln wirkt nur der Lichteindruck. Daher tritt auch schon eine Verschiedenheit ein, je nachdem man das Nachbild auf schwarzen Sammet oder auf weisses Papier wirft: die Farben sind auf weissem Papier bei weitem am schönsten. — Erwägt man die Verschiedenheit in der Färbung des Nachbildes im Hellen und Dunkeln, während der Uebergang vom Hellen (positiven) zum Dunkeln (negativen) derselbe bleibt, mag das Nachbild im hellen oder im dunkeln Zim- mer beobachtet werden; so wird man die Brücke’sche Unterschei- dung von positiv und negativ sehr glücklich gewählt finden. Die Plateau’sche Nomenclatur ist hier gar nicht durchzuführen, wie er sie auf pag. 402 seiner berühmten Abhandlung in den Annales de Chimie et de Physique, T. 58 (1835) aufstellt: L’intervalle qui s’écoule entre l’instant où la rétine est soustraite à l’action de l’objet coloré, et celui où l’impression commence à prendre l’état négatif, constitue ce que l’on entend par la Persistance des impressions de la rétine; et les phases négatives de l’impression constituent le phéno- mène des couleurs accidentelles. Wo hört in unsern Versuchen die Fortdauer der Eindrücke auf die Retina auf und wo fangen die zufälligen Farben an? b) Auffallend ist ferner in diesen Versuchen die Form und Grösse des überspringenden Funkens und seines Nachbildes. Der über- springende Funken erscheint nicht als eine scharf begrenzte Linie, sondern ist an den Seiten verschwommen. Im Nachbilde dagegen erscheint er im hellen wie im finstern als ein scharf begrenzter Strich, der erst ganz am Ende der Erscheinung seine Begrenzung verliert. Ausserdem erscheint der überspringende Funken grösser als sein Nachbild, wenn dieses in dieselbe Entfernung, welche der Funken vom Auge hatte, projicirt wird. Wir haben es hier ohne Zweifel mit Irradiationserscheinungen zu thun. Wie weit sich bei dieser Molesehott Untersuchungen. V. 290 Klasse von Erscheinungen die brechenden Medien des Auges bethei- ligen und wie weit eine sympathische Affection der Retina zu statui- ren sei, darüber sind die Verhandlungen keineswegs geschlossen. Die angeführten Beobachtungen scheinen mir aber für die letztem, also für eine scheinbare Vergrösserung des Funkens durch sympathi- sche Affection der den direct getroffenen benachbarten Retinatheile zu sprechen. Wäre nämlich die Verbreiterung des Funkens durch die brechenden Medien bedingt, so würde ein grösseres, verwaschenes Bild auf die Retina fallen, und dann müsste das Nachbild die Form und Grösse dieses Bildes haben. Das ist nicht der Fall. Ge- langt dagegen das Bild des Funkens als kleiner, scharf begrenzter Streifen zur Retina, also so, wie das Nachbild erscheint, so kann das- selbe gleichwohl, vermöge seiner grossen Lichtstärke, die benach- barten Th eile der Retina mit afficiren und dadurch eine scheinbare Vergrösserung erzeugen. Da aber diese Vergrösserung nicht dem auf die Retina geworfenen Bilde angehört, sondern sympatisch er- zeugt worden ist durch ein kleineres reelles Bild; so wird die Affec- tion, so weit sie sympatisch war, im Nachbilde verschwinden und nur das bleiben, was dem reellen Bilde entspricht, oder wenn die sym- pathische Affection fortdauert, so wird sie sich in ganz andererWeise kund geben müssen, als die directe Affection. Dies letztere tritt nun in der That ein; denn der directen Affection der Netzhaut ent- spricht ohne Zweifel der centrale Kernstreifen, dem sym- patisch erregten Theile dagegen der gelbe Hof. Damit ist es ganz im Einklänge, dass der Hof bei dem im Finstern beobachteten Funken so sehr gross ist; ist die Erscheinung auf eine Fortpflanzung des Reizes auf der Retina zu beziehen, so ist es ganz in der Ord- nung, dass im Finstern, wo die Empfindlichkeit für schwache Licht- einwirkungen vermehrt ist, die sympathische Affection eine grössere Stelle der Retina einnimmt und also der Hof grösser erscheint. Das mitunter beobachtete Wogen in dem Hofe und das schnelle Zurück- gehen desselben dürften auch für die letztere Auffassung sprechen, Dass die Retina in noch weiterer Ausdehnung von dem Lichtreize afficirt wird, zeigt auch der erwähnte Umstand, dass auf den jenseits des Hofes gelegenen Theilen, wo also keine bemerkbare Lichtein- wirknng stattfindet, ein solcher Blendungszustand hervorgerufen wird, dass lichtschwache Objecte während der ersten Secunden des Nach- bildes nicht wahrgenommen werden. Es findet also hier eine doppelte Affection der Retina statt, die man als sympathische und antago- nistische unterscheiden könnte, und sympathisch die Erregung nennen, welche eine Lichtempfindung hervorruft, antagonistisch diejenige, welche, ohne eine subjective Lichtempfindung zu erzeugen, die Wahrnehmung objectiver Lichteindrücke schwächt oder aufhebt. Dieser Befund, dass die Retina so weit von der afficirten Stelle miterregt wird, ist keineswegs überraschend, denn schon aus den von Prieur de la Côte d'Or (Annales de Chimie et de Physique T. 54 année 13, conf. Plateau ibid. T. 58 année 1835, pag. 361) und noch mehr aus den von Chevreul (Mémoires de l’Institut T. XI, 1832, p. 447) angestellten interessanten Untersuchungen über den Einfluss gleich- zeitig gesehener Farben aufeinander geht hervor, dass zwei farbige Streifen von 2 Centimeter Breite sich in ihren Nuancen modificiren, wenn sie um ihre dreifache Breite von einander entfernt liegen. Auch die Beobachtungen an farbigen Schatten gehören hierher, denn auch bei diesen wird ja, durch Affection einer Stelle der Retina, eine fern davon liegende Stelle derselben beeinflusst. Endlich gehört hierher die Erscheinung, dass dnrch ein starkes auf eine Stelle der Retina einwirkendes Licht andere Stellen der Retina für ein schwaches Licht unempfindlich werden, eine den Astronomen geläufige Erscheinung. So schliessen sich diese Beobachtungen des elektrischen Funkens dem von F echn e r ausgesprochenen Satze an (P o ggen d orf f’s An- nalen, Bd. 50, p. 443): „Der Eindruck, den eine Stelle der Retina empfängt, reagirt auf die anderen Stellen der Netzhaut mit und zwar wird, wenn auch nur ein sehr begrenzter Theil der Netzhaut getroffen wird, der ganze übrige Theil der Netzhaut in Mitleidenschaft gezogen.“ Diese Mitleidenschaft kann nun entweder sympathisch (positiv) sein, indem auf andern, als den afficirten Theilen auch Licht em- pfunden wird, oder antagonistisch (negativ), indem kein subjectives 292 Licht empfunden und auch objectives Licht nicht wahrgenommen wird. Ich möchte daher dem andern Satze Fechner’s nicht unbe- dingt beistimmen, „dass die Veränderungen des direct und des sym- pathisch afficirten Theiles stets complementär zu einander sind“, denn der Kernstreifen und sein Hof waren nicht complementär zu einander gefärbt, was sich noch deutlicher in den Versuchen mit farbigen Gläsern, durch die der Funken gesehen wurde, zeigte. Da ichindess später (unter 4) Beobachtungen mitzutheilen habe, welche mit Fechner’s Satz in Einklang sind, und F echner selbst viele Beobach- tungen für denselben angeführt hat, so glaube ich, dass derselbe zwar für viele Erfahrungen Geltung hat, dass aber weitere Beobachtungen nöthig sind, um zu eruiren, ob er allgemeine Geltung hat, oder nicht. c) Die auch hier beobachteten Oscillationen (Plateau) werden unter 4 besprochen werden. 2. Nachbilder vom elektrischen Funken auf den peripherischen Th eilen der Netzhaut. Um die Entfernung des Funkens und seines Bildes von dem Centrum der Retina bestimmen zu können, musste erstens ein Punkt im finstern Zimmer fixirt werden, zweitens musste der überspringende Funken in der Peripherie eines Kreises liegen , dessen Mittelpunkt das Auge, dessen Halbmesser die Entfernung vom Auge zum fixir- ten Punkte war. Als Fixationspunkt diente ein in dem Pfropfen einer Flasche befestigtes Streichhölzchen, welches kurz vor dem Ver- suche mit.nassen Fingern gerieben wurde und dann genügend glänzte ohne zu beleuchten. Es befand sich in gleicher Höhe mit den bei- den Kugeln der Ries s’schen Flasche. Ferner war auf dem Tische, auf dem die Flasche stand, ein Kreisbogen von 10 zu 10 Graden abgetheilt, aufgemalt und endlich ein Brett mit einem Ausschnitte auf dem Tische so angebracht, dass, wenn der Kopf an dasselbe ange- lehnt wurde, sich das Auge im Mittelpunkte des Kreises und in glei- cher Höhe mit den Kugeln der Flasche befand. Figur I. Bei dem Ver- suche wurde also das Auge und zwar immer das rechte Auge ins Centrum,